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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Bevor der Mond aufgeht

von Teekon

So ein schöner Abend. Genau so, wie er sein sollte, wie man ihn sich besser nicht vorstellen oder bloß wünschen konnte. Angenehm warm die Luft, ohne heiß oder stickig zu sein, und dennoch kein bisschen kühl, obwohl die Dämmerung längst eingesetzt hatte. Durch die Senken zog feiner, milchiger Nebel, konnte jedoch nicht aufwärts wallen und die Füße der Hügel umspielen, geschweige denn aus der tiefen Klamm klettern. Zu trocken noch alles, um Tau in den satten, grünen Gräsern sammeln zu können, die im abnehmenden Tageslicht nun dunkler und dunkler zu werden schienen. Durchschaubare Schatten krochen zwischen die Stämme der Bäume am Waldesrand, sickerten daraus hervor, doch nicht bedrohlich und lauernd, sondern friedlich, beruhigend, wie eine Bettdecke.

Die zarte Brise, die durch die rauschenden Blätter fuhr, brachte den Geruch von blühendem Raps mit sich aus den weiter unten gelegenen Tälern, aus denen sich die Eisenbahnschienen herauf schraubten, bis sie schließlich das Dorf erreichten. Musik und Gelächter drang aus den offenen Fenstern des 3 Besen auf die Straßen, das herrlich rot-gelbe Licht der Laternen fiel auf die unbefestigten Gehsteige und tränkte ganz Hogsmeade in diese Stimmung, wie sie nur ein Frühsommerabend heraufbeschwören konnte. Fast alle Bewohner durften sich dort eingefunden haben, wenn er das richtig im Blick gehabt hatte, und es war wunderbar gewesen. Und trotzdem: Die Nacht würde bald kommen. Zeit, zu gehen.

Unter letzten lauten Zurufen des Abschieds, mit einer erhobenen Hand hinter sich winkend, schüttelte Remus Lupin den Kopf und trat hinaus über die Schwelle der Schänke, auf die noch nicht von den altmodischen Gaslaternen beschienene Hauptstraße, wie er quiekste. Alles Verrückte. Nur kurz herkommen hatte er wollen, ein kleines Butterbierchen auf Seidenschnabels Wohl, eine Art stumm zelebrierter Gedächtnisgottesdienst, und dann rasch hinauf in sein Zimmer im Erker. Das war kein Abend für langes Verweilen. Und er spürte es schon in jedem Knochen. Ein Blick auf die Uhr an seinem Handgelenk, ein kurzes Grübeln. Ja, er brauchte sich nicht zu beeilen, er hatte sich noch rechtzeitig losgeeist. Snape würde warten. Und wahrscheinlich war er furchtbar sauer und würde eine endlose Tirade über Verantwortungslosigkeit und kindische Sentimentalitäten vom Stapel lassen.

Bei dem puren Gedanken musste Remus erneut die Schultern hochziehen und leise kichernd den Kopf schütteln. Kein bisschen geändert hatte sich der Slytherin. Irgendwie lustig, fast niedlich, aber andererseits ... Erschreckend. Und traurig. Und schade. Aber für diese drei Adjektive hatte er heute Abend keine Verwendung mehr. Das würde es nur noch schlimmer machen. Natürlich, Hagrid und seine Viecher, das war von jeher so eine Sache gewesen. Einen Drachen hatte er vor zwei Jahren angeschleppt, hatten sie ihm erzählt, und er hatte sich fast weggeworfen darüber vor Lachen. Und dann der dreiköpfige Hund und was noch alles! Und den Hippogreif, um den es ging, den hatte Remus vielleicht zwei, drei Mal gesehen (gezwungenermaßen, er hatte die Vorstellungsrunde kaum ausschlagen können, wollte er Hagrids Gefühle nicht verletzen, und das wollte er mit Sicherheit nicht), aber trotzdem.

Die ganze Geschichte hatte zwei Versionen, und man musste kein Genie sein, um das tatsächliche Geschehen dahinter zu erkennen. Malfoy. Remus prustete. Das konnte doch nur gequirlter Hühnermist sein. Und auch wenn der gute Halbriese gelegentlich seine Schwierigkeiten damit hatte, die Gefahr, die von seinen Schützlingen ausging, richtig einzuschätzen, so hatte Professor Lupin doch genug mitbekommen (auch in seinem eigenen Unterricht), um Dracos aufbauschende Heldenstory sang- und klanglos ad acta legen zu können. Wer einen Hippogreif, dazu noch ein so stattliches Exemplar wie Seidenschnabel, derartig beleidigte, musste sich nicht wundern, wenn er derb eins drauf bekam. Eigentlich konnte er Freudensprünge veranstalten, Lucius „Pilzfänger“ Malfoy, dass er sich überhaupt noch Vater eines lebenden Sohnes nennen durfte.

War das wirklich nur ein Bier gewesen? Remus schüttelte sich komplett aus, während er die ersten Schritte auf dem Weg zurück zum Schloss tat und dabei sorgfältig beobachtete, ob er die Füße gerade vor einander setzen konnte. Keine Probleme, alles zwischen den Navigationspfeilern (Schuhe, hieß das).

Nein, wirklich nicht die beste Idee seines Lebens gewesen, ausgerechnet heute hierher zu kommen. Wer hatte das auch ahnen können, dass Rosmerta Geburtstag feierte? Und sie hatten es doch alle gehört, dass er in Hogwarts unterrichtete, wie konnte das an den umtriebigen und neugierigen Dorfbewohnern vorbei gehen? Schämen solle er sich, hatten sie gesagt, weil er fast das ganze Jahr nicht in die Kneipe geschneit war, weder an den Wochenenden, noch zwischendurch, nicht einmal zum Einkaufen. Dabei erinnerten sie sich alle so schön! Viel zu präsent war das gerade in ihren Köpfen. Der kleine (er war nie klein gewesen, ehrlich), kranke (dass ausgerechnet das hängen geblieben war, vielen Dank) Remus Lupin! Jahrgangsbester, Präfekt doch, ja ja, befreundet mit den beiden, ach die Armen, wie tragisch, die Geschichte! Schulterklopfer und trauriges Kopfschütteln von allen Seiten. Und die Sache mit Black, wie war denn das noch gewesen? Ob er's nicht noch mal erzählen könnte? Konnte er nicht, würde er nicht.

Abgesehen davon, dass „noch mal“ mehr als übertrieben war, denn niemand hier hatte ihn noch gekannt, nachdem er die Schule einmal verlassen hatte, geschweige denn während des Krieges Kontakt zu ihm oder irgendeinem der Anderen gehabt. Egal. Das Thema gewechselt, schnell, geschickt. Bier bestellt. Pleite für diesen Monat. Aber das war es wert gewesen.

Die Bahngleise überquerend, stolperte Remus beinahe über eine der Schwellen und unterdrückte ein albernes Kichern. OK, definitiv mehr als ein Krug war das gewesen, auch wenn er sich an die meisten davon („zehn Runden, Mann!“) kaum noch erinnern konnte. Wie auch immer, schön war der Abend. Links und rechts von ihm erstreckte sich die tiefe Schneise, durch die der Hogwarts Express sich seinen Weg hier herauf bahnte, und das Gebäude des Bahnhofs lag still und einsam auf der anderen Seite unter den hoch aufragenden Bäumen. Nur ein paar Schritte weiter, und das ruhige Gewässer des Sees blitzte zwischen den Stämmen auf, glitzernd von untergehender Sonne, als habe jemand einen Beutel voller Diamanten auf eine ebene Fläche ausgeschüttet.

Unaufhaltsam zog der Sommer heran, erfüllte die schottischen Täler mit lauter Leben und diesem würzigen Duft von hoch stehendem Gras. Das erste Heu war geschlagen und aufgetürmt, zu wohlig dampfenden Bergen zusammen geharkt, während Mohnblumen ihre schweren Blüten nicken ließen, und dazwischen versprengt leuchteten die Rispen von selbst gesätem Raps. Selbst in der herauf dämmernden Nacht war dieses Farbenspiel so eindrucksvoll, dass man am liebsten stehen geblieben wäre, um es sich anzuschauen, bis die glühende Scheibe dort hinter den Hängen verschwunden war und sich sanfte Dunkelheit über das Land gelegt hatte. Aber das durfte Remus nicht.

Jedenfalls nicht heute Nacht, denn der Monat war um. Ein wenig beschleunigte er seinen Gang, wie er sich auf den breiten, ungepflasterten Weg hinauf zum Schloss begab.
Zu seiner Linken fielen nun die Hügel einer nach dem anderen ab, wo das enger werdende Tal in seine niedrigste Stelle auslief und von den Felsen verschluckt wurde, während rechts Hang um Hang sich aufschwang zu dem hohen Plateau, auf dem die hellen Fenster von Hogwarts nun langsam zu scheinen begannen. Ein kurzer Spaziergang für jemanden mit so langen Beinen, aber er war sich gar nicht sicher, ob er sich beeilen wollte an diesem Abend. Egal, wie wichtig es war, sein Zimmer rechtzeitig zu erreichen, Remus war froh, dass ihn der Weg durch das Haupttor führte und damit weit an Hagrids Hütte vorbei. Armes Ding, armes Tier. Nicht fair war das, eine schreiende Ungerechtigkeit.

Die Faust in der Tasche seiner Robe ballte sich ganz ohne sein Zutun. Noch nie war Lupin jemand gewesen, der solche Dinge gerne schluckte, darüber hinweg sah, ignorierte und einfach weiter machte, als wäre nichts passiert, aber getan hatte er es dennoch immer wieder. So war das eben, wenn man so war wie er. Was sollte er denn schon tun? Am besten den Ball schön flach halten und irgendwie durchkommen. Oh, er hasste das! So sehr, so sehr! Früher wäre das anders gewesen. Wie eine Mauer, aufmucken, schreien gegen solche Zustände, alle Hebel in Bewegung setzen und irgendwas tun, egal was, um zu helfen, um zu ändern, wo solche Grausamkeiten bestanden. Den Kopf schüttelnd, quietschte er missmutig, wie er daran zurückdachte. Ohne Rücksicht auf Verluste, ohne einen Gedanken an Konsequenzen zu verschwenden. Und jetzt? Und heute?

Seidenschnabel würde hingerichtet werden bei Sonnenuntergang, ob er nun dagegen protestierte oder nicht. Wer hörte denn schon auf jemanden wie ihn? Und wenn er es täte, allein aus Überzeugung und weil er das Gefühl hatte, er müsse, auch wenn es sowieso nichts brachte, wozu würde das führen? Richtig. Sein Name im Gespräch. Und das war im Ministerium keineswegs gut. Registrierte Werwölfe hielten besser einfach mal die Fresse, besonders dann, wenn sie endlich eine feste Arbeit gefunden hatten. Die Muskeln an seinen Kieferwinkeln wurden hart wie die Steine unter seinen Füßen, und die Knöchel der rechten Hand spannten sich wie gegerbtes Leder. Ein Bier, drei Bier, sieben Bier, das verflog rasch mit diesem Klumpen aus Wut, Hilflosigkeit und Scham in der Brust. Schöne Träume von früher, man könne was bewegen. Nicht allein. Nicht so einsam.

Den Kopf hebend, schloss Remus kurz die Augen und nahm einen tiefen Atemzug, um dieses Gefühl zu vertreiben, um nicht ausgerechnet heute Abend in diesen Schwermut zu verfallen. Schlimm genug, die ganze Geschichte, besonders für den armen Hagrid. Aber es war eben so, wie sehr er es sich auch wünschen mochte, dass es anders wäre: Er konnte nichts tun, er konnte ihm nicht helfen. Früher, mit den Jungs an seiner Seite, da hätte James sich was einfallen lassen, und er hätte es umgesetzt und Black hätte es einfach gemacht, ohne großartig zu fragen. Kinder hatten Narrenfreiheit. Erwachsene leider nicht. Er musste daran denken, wie es weiterging danach. Und da baute sich schon eine steile Wand auf.

Dabei schlug ihm eine so frische, aber nicht kühle Brise ins Gesicht, trug das Rauschen des Bachs in seiner Klamm zu ihm herunter, und die ersten Schatten der Nacht krochen aus den Höhlen und Löchern und verborgenen Ecken unter den Felsen hervor. Unglaublich schaute das aus, dieser Flickenteppich aus Dunkelheit und letztem tanzendem Sonnenlicht, während das Tagesgestirn sich zwischen die Bergesrücken duckte. So schön, so wundervoll diese Alltäglichkeit der Natur. Es half ein bisschen, wie immer. So wie tanzende Regentropfen auf dem schmalen Sims aus beschlagenem Blech an seinem Fenster in Aldgate. So wie einander jagende Wolken am Himmel über einem grauen London. Keine Zeit zu verweilen, ach, schade.

Näher und näher kam nun die hölzerne Brücke über den tiefen Einschnitt, durch den der glucksende, springende Gebirgsbach seinen Weg ins Tal hinunter fand, und ein wenig dahinter konnte er die aufsteigende Säule von Rauch aus Hagrids Schornstein erkennen. Mehr war aus dieser Perspektive von der gemütlichen Hütte nicht zu sehen, und schon bald beschrieb die Straße vom Dorf herauf einen Knick, der zuerst einen Erlenbruch und dann das Schloss zwischen ihn und den Waldrand brachte. Der See rückte näher dadurch, die Luft wurde kühler, und feiner, tastender Nebel hing kaum kniehoch und durchscheinend dünn über den sumpfigen Wiesen auf dieser Seite. Die Hosenbeine wurden klamm davon, und Remus fröstelte leicht und zog die Robe enger um sich.

Ob sie schon da waren, die Herrschaften vom Ministerium? Nein, er kriegte es nicht aus dem Kopf. Hausaufgaben, die er noch zu berichtigen hatte, Vorbereitungen für die letzten anstehenden Examina, das alles verblasste im Geist, wenn es so viel wichtigere Dinge gab. Ein unschuldiges Lebewesen, verkannt, so friedlich und zufrieden eigentlich, nur leben und leben lassen, aber sie ließen es nicht. Und während er die lange Schleife am Ufer entlang lief, begriff Remus, wieso ihn das so tief berührte. Man tat doch niemandem was. Man wollte doch nur glücklich sein. Wie alle anderen auch. So unfair.

Lang dauerte die Dämmerung an einem solchen Sommertag, und die golden-kupfernen Strahlen der Sonne spiegelten sich in den blank geputzten Schindeln der höchsten Türme des nun direkt vor ihm in den blassblauen Abendhimmel schießenden Schlosses. Da vorne schaute man sich nachts die Sterne an, wo nur kahle Brüstung zu sehen war, und das dort hinten waren die Zinnen von Ravenclaw. Und ganz nach Westen aus, gespickt mit so vielen Erkern, das war der Turm von Gryffindor. Die Kinder schliefen dort, lebten dort, lachten dort, Harry und seine Freunde, genau wie sie damals. Nein, heute sicherlich nicht. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie fröhlich sein könnten, während hier unten, außer Sicht nun, wo er den Vorplatz der Eingangstore erreichte, so etwas Schreckliches seinen Lauf nahm.

Natürlich. Der Schub Hitze, der Remus Lupin in den Kopf rauschte, dass er sich vorkam, als verpuffe die Feuchtigkeit von seinen Unterschenkeln augenblicklich, ließ ihn beinahe über die ersten Stufen stolpern. Wie hatte er nur so dumm sein können, so vertrauensselig? Ausgerechnet heute nach Hogsmeade zu gehen und die Schule zu verlassen, wo er doch genau wusste, welcher Tag heute war! Zu erwarten, dass die Drei hübsch brav im Gemeinschaftsraum hockten, derweil Hagrid eines seiner geliebten Viecher verlor, das war die schwachsinnigste Idee seit Pettigrews Frühstücks-Animagus! Und dabei sollte er es besser wissen mittlerweile, sollte nicht nur eine ungefähre Ahnung davon haben, zu was Harry fähig und bereit war, und dass er – der dumme Junge, der – keinen Gedanken verschwendete an das, was kommen mochte. So wie sie früher, wie alles, was jung und wach und klug und weise war.

Hastig griff Remus mit zittrigen Fingern in die Innentasche seiner Robe und beförderte den gesamten Inhalt heraus, huschte rasch durch das offene Tor und sofort rechts herum in eine winzige Nische, genau die selbe, in der er vor so vielen Jahren ein kurzes Gespräch mit Dennis Meadowes geführt hatte. Hier sah man ihn nicht sofort, hier konnte er einen Blick riskieren, und dennoch suchten seine strahlend grauen Augen unter schwitziger Braue schnell das Foyer ab. Niemand zu sehen zwischen der breiten Marmortreppe und den geschlossenen Türen zur Großen Halle. Kein Filch, kein Snape, kein Schüler. Noch immer vornübergebeugt, keuchend vor Anstrengung, entfaltete der Professor für Verteidigung ein langes, weiches Stück Zeichenpapier, das er an seine Brust gepresst bei sich getragen hatte, als wäre es ein lebendes Geschöpf, Erinnerung und viel mehr, und er tippte mit dem Zauberstab darauf und murmelte sein „Ich schwöre feierlich: Ich bin ein Tunichtgut!“.

Die Hände bebten so sehr, dass ein feines, knatterndes Geräusch von der Karte ausging, und dennoch reichte das spärliche Licht aus, um ihn finden zu lassen. Die nähere Umgebung war vollkommen leer, niemand befand sich auf den Gängen, die direkt auf die Eingangshalle zu liefen, und auch der Aufgang zur langen gewundenen Treppe war frei. Aber vielleicht kannte Harry diese Abkürzung auch gar nicht. Es war sinnlos, alle Ebenen und Stockwerke abzugrasen, er musste systematisch vorgehen. Mit den geübten Griffen des Herstellers, der jeden Achtelzoll seines Werkes kannte wie die Falten auf der eigenen Stirn, klappte Remus hier und dort ein paar Seiten und Blättchen um, und schon zeigte sich der Gemeinschaftsraum seines eigenen Hauses.

So viele Punkte darauf, viel zu viele, Longbottom und ein paar Weasleys, Ron jedoch nicht darunter, und das Turmzimmer ganz oben war nur besetzt durch Seamus Finnigan und Dean Thomas. Kein Harry, keine Hermine, nirgendwo. Er hatte es geahnt! Fluchend ballte Remus die Faust und schlug fast auf die Karte ein, als könne sie etwas dafür. Wenn sie dort nicht waren, dann gab es nur eine Möglichkeit. Wie bei einem Daumenkino ließ er die einzelnen Etagen des Pergaments durch die Finger gleiten, bis er das Erdgeschoss wieder vor Augen hatte, und rasch blätterte er an das westlichste Ende, raus aus dem Schloss, über den Brunnenhof und die Brücke und ... Da!

Erleichterung machte sich breit in Remus, obwohl er die drei jungen Gryffindors genau dort antraf, wo er sie befürchtet hatte. Draußen, dicht zusammengedrängt und langsam laufend deswegen, so schnurgerade auf dem Weg zu Hagrids Hütte, daß er nur eines vermuten konnte: Sie trugen James' Tarnumhang. Keine Ahnung, woher Harry dieses Kleinod hatte, wie es in seinen Besitz gelangt war, aber das spielte jetzt keine Rolle, denn es hieß zumindest so viel, dass sie von keinerlei neugierigen Augen gesehen und aufgespürt werden konnten. So eilig, wie der Lehrer die Karte absuchte rundherum, den Waldrand, die Peitschende Weide und das pechschwarz gezeichnete Loch des Einstiegs, wie mit einem Tintenklecks, wo die Stufen im Gang zur Heulenden Hütte verschwanden, reichte es ihm, wenn er keinen einzigen anderen Punkt erkennen konnte. Weder wandernd, noch still stehend. Sehr gut. Bei Hagrid waren sie in Sicherheit, darüber musste er sich keine Sorgen machen. Dann hatte er noch Zeit. Hastig jetzt schüttelte Remus seinen Ärmel aus, um auf die Armbanduhr schauen zu können. Er brauchte seinen Trank!

Nicht einmal die Karte leer wischend, stopfte er sich Pergament und Zauberstab wieder in die Innentasche seiner schäbigen, geflickten Robe und trat aus der Nische heraus. Nur schnell nach oben und den von Snape vorbereiteten Wolfsbann hinunter schütten, dann konnte er hinaus und ihren Rückweg überwachen, auch wenn der Mond über die Berge klettern sollte, bevor sie die Hütte hinter dem Menhirfeld verließen. Sogar noch besser eigentlich, wäre er in Wolfsgestalt, die Nase, die Ohren, und hatte er es ihm nicht angedroht? 'Komm ihm zu nahe und ich lasse meine Tür offen'? 'Krümm ihm ein Haar und ich krieg' dich'?

Noch nie hatte er das gemacht. Sich raustrauen unter dem Bann, etwas Anderes tun als zusammengerollt vor dem Kamin zu liegen und zu warten, bis die Nacht verging, denn er erinnerte den Schmerz der Verwandlung, er spürte die Schwäche, die das in seine menschliche Seite schlug, auch wenn der Wolf nicht wirklich in seinen Kopf drang. Das machte ihn zahmer, nicht nur das Tier, sondern auch den Mann. Ängstlicher, zurückhaltender, dabei hörte er die zirpenden Kinderstimmchen im Schlaf, nahm den süßen Duft der Bäckerei wahr und genoss das so sehr. Hinaus? Das Büro verlassen, wenn er so war? Wieso nicht? Vielleicht würde es ganz ähnlich sein wie damals? Unter dem hellen Mondenschein zu laufen, Tau an den Pranken und auf der kalten Nasenspitze, wenn er die Spur aufnahm. Während er die Stufen hinauf eilte und den schmalen Durchgang nahm, den schnelleren Weg in den dritten Stock zu seinem Erkerzimmer, schloss Remus die Augen und keuchte ungewollt. Was für eine Vorstellung!

Der Flur war dunkel, wie das Licht der untergehenden Sonne sich schon nicht mehr bis hier herunter verirrte, und die Fackeln waren noch nicht entzündet, aber das machte nichts. Hierher, zum Klassenraum für Verteidigung gegen die Dunklen Künste, könnte er niemals fehl gehen. Schlitternd donnerte Remus förmlich vor die niedrige Tür, drückte bereits die Klinke herunter und stürmte hinein, durchquerte den Saal durch den Mittelgang und griff im Laufen nach seinem eigenen Lehrerpult, um sich mit Schwung hinauf zu katapultieren auf die kleine Treppe, die zu seinem Büro hinauf führte. Hoffentlich war Snape schon da! Er musste den Trank einfach schon fertig haben, er musste ganz einfach!

Leer. Das Erkerzimmer, einst so wunderbar geschmückt und dekoriert, wechselnde Stile mit jedem neuen Professor, beherbergte nun seine wenigen Habseligkeiten, und der Tisch vor dem Kamin war absolut unberührt. Ein Stapel Essays hier, diverses Bücherchaos auf der anderen Seite, sein Bündel Federkiele und zwei Fässchen mit blauer und schwarzer Tinte für die Korrekturen, und sogar die benutzte Tasse mit dem kleinen Sprung an der Oberkante stand noch auf einem ausgebreiteten Taschentuch. Aber kein hoher Becher wartete auf ihn, kein Kelch aus Metall, aus dem ein Dampf hervorquoll, unangenehm im Geruch und das Getränk darin noch widerlicher als eingeschlafene Füße, bitter und Übelkeit erregend. „Mist,“ fluchte Remus, nicht einmal in der Lage, der Situation angemessen ausfallend zu werden.

Sich noch im Türrahmen festhaltend, die Schultern in heftiger Frequenz hebend und senkend von angestrengtem Atmen, versuchte er, die Trockenheit aus der Kehle zu schlucken und sich zu beruhigen, so gut es eben klappte. Nicht mehr lange dauern konnte es, bis Severus heraufkommen mochte, ihm den Wolfsbann zu bringen, die letzte Ration für diesen Monat, und ihn zu hetzen hatte keinen Wert. Regelrecht in den Raum hinein zog Remus sich mit einem Ruck, knallte die grün gestrichene Tür so laut zu, dass ein dröhnendes Echo durch den Klassenraum dahinter schallte, während er schon anfing, sich aus der Robe zu pellen.

Schwitzig, alles klebte ihm am Körper, und das nicht nur, weil er sich so beeilt hatte. Ja, der Vollmond war nicht mehr fern. Das war noch nicht alles, es war eine Unruhe, die sich nicht mit dem nahenden Wolf erklären ließ, es war zitterndes, kneifendes Zwicken irgendwo zwischen den Rippen, und Remus gefiel das ganz und gar nicht. Irgendwas war nicht in Ordnung, stimmte nicht, nur was? Er konnte keinen Finger darauf legen. Und noch immer keine Schritte draußen, kein urplötzliches Aufflackern von grünem Feuer, das ein Erscheinen des Tränkemeisters ankündigte. Na gut, die Sonne war noch nicht hinter dem Horizont verschwunden, und das bedeutete, dass auch Seidenschnabel noch am Leben war, und die Kinder somit wahrscheinlich bei Hagrid. Aber sicher!

Klatschend schlug Lupin sich mit der flachen Hand vor die Stirn. So konfus heute Abend! So durcheinander, er hätte nicht ins Dorf gehen dürfen! Die soeben auf einen abgenutzten Sessel geworfene Robe wieder aufsammelnd, drehte er das Kleidungsstück bereits hin und her, wühlte nach den Taschen und klaubte Zauberstab und Karte daraus hervor, um sich zu vergewissern. Gefangen hier oben ohne den Wolfsbann, er konnte nicht hinaus, nicht in diesem Zustand, wusste nicht, ob drei Becher reichten im Notfall. Nur beten konnte Remus, dass entweder Snape sich mal ein kleines bisschen beeilte und schneller war als beim Haarewaschen, oder dass die Sonne sich Zeit ließ. Auf welche dieser Hoffnungen er sich eher stützten konnte, war kaum auszumachen.

Über das niedrige Pult gebeugt, breitete der Professor das Pergament ganz aus, beschwerte die Seiten mit einem Buch auf der einen, mit einer Untertasse auf der anderen, um die Karte des Rumtreibers mit beiden Händen sorgfältig, zärtlich glatt zu streichen. Um diese späte Uhrzeit konzentrierten sich die Punkte darauf in bestimmten Bereichen, der Zapfenstreich zwar noch nicht gefallen, doch kaum außercurriculäre Aktivitäten am heutigen Tag. Klassenraum Nr. 17, zwei Stockwerke unter ihm, war belegt, und er konnte das Namensbanner von Filius Flitwick dazwischen schweben sehen. Für einen Moment musste er grinsen und sich auf die Lippe beißen. Der Hogwarts Chor.

Mit gespitzten Ohren lauschte Remus hinaus, immer darauf bedacht, die Schritte des Tränkemeisters in seinen Gamaschen-geschmückten Stiefeln auf dem Steinboden zu erhaschen, doch es blieb still in dem hohen Saal in seinem Rücken. Der zaghafte Weckruf eines Kauzes, die Eulerei nicht allzu weit entfernt von seinen angelehnten Fenstern, dazu das sanfte Klappern der Scheiben im schwachen Sommerwind, das war alles, was Lupin hören konnte, während seine Augen hierhin und dorthin huschten auf dem westlichen Teil der Karte. Er dachte nicht einmal daran, nach Snape Ausschau zu halten, überprüfte nicht, wo sich der Hauslehrer von Slytherin befand, ob unten in seinem eigenen Büro in den Verließen oder bereits auf dem Weg zu ihm. Das war jetzt nur halb so wichtig, und von Minute zu Minute, je tiefer sich die Sonne herabsenkte auf die spitzwinklige Kerbe zwischen Ben Saighnean und Ben Thiar, umso mehr verbannte sich diese Sorge in die hinteren Ecken seines Bewusstseins, bis sie schließlich ins Unbedeutende rutschte.

Ein ganzer Pulk hatte sich mittlerweile dort gebildet am äußersten Rand des zeichnerischen Meisterwerks, und Remus musste nicht großartig grübeln, um zu verstehen, wieso. Cornelius Fudge konnte er sehen, irgendeinen Trottel aus dem Ministerium, bei dessen Namen ihm eine kalte Wut in der Brust hochstieg, die er jetzt nicht gebrauchen konnte, und dann noch jemanden. Es nahm Überhand, und er musste fest schlucken und den Mund öffnen, um sich nicht augenblicklich zu übergeben. Walden MacNair. Dieses Dreckschwein. Todesser. Rausreder. Feigling. Niemals würde er vergessen, niemals, dieses schmutzige Grinsen, das Augenzwinkern, als er den Gerichtssaal verlassen hatte. Hier war er, der Beweis, so war es doch! Die Aussage eines Werwolfs, sie galt nicht, und MacNair war frei. Die Faust ballend, schlug Remus impulsiv auf die Tischplatte, dass seine geliebte Tasse einen Satz vollführte und scheppernd im Kreis tanzte, bevor sie wieder still stand. Auch dafür keine Zeit nun.

Dumbledore und Hagrid auch dort, aber keine Kinder mehr im Inneren der Hütte, und Remus begriff, wieso. Die zwei kleinen Punkte rechts unten in der Ecke, hinter des Wildhüters Kürbisbeet, ignorierend, starrte er mit offenem Mund auf das sich entfernende Grüppchen aus Schülern, genau so eng und dicht bei einander wie auf dem Hinweg, und das bedeutete, unter ihrer Tarnung verborgen. Die Erleichterung darüber, die Hoffnung, vielleicht gar nicht hinaus zu müssen, dass sie rechtzeitig und bald schon zurück sein würden in den sicheren Mauern des Schlosses, wie sie sich in raschem Tempo den Hang hinauf und auf kürzester Strecke auf die Brücke zum Brunnenhof zu bewegten, verpuffte in einem so seltsamen Gefühl, das Remus niemals zuvor gespürt hatte. Das konnte man auch gar nicht. Denn Unmögliches wurde nie wahr. Nur heute.

Sie waren nicht zu dritt. Da war Harry, und da war Hermine, das muggelgeborene Mädchen, und direkt daneben der junge Mr. Weasley, ganz wie erwartet, wie es sein sollte, wie man es nicht anders kannte. Und vielleicht auch der Kater nicht weit entfernt war noch zu erklären, gehörte er doch der Schülerin, ja. Aber nicht das da, nicht dieser Punkt, nicht dieser Name da auf schwebendem Papier. Peter Pettigrew. Es konnte nicht sein. Es konnte einfach nicht! Er war tot! Tot! Zwölf Jahre schon, zwölf Jahre tot! Zersprengt in Einzelteile – wie Benjy – nur ein Finger übrig auf der Straße voller Leichen und Trümmer, von Sirius! Von Sirius! Sirius Black. Es leuchtete regelrecht, es sprang einen an, wie in dem Moment, in dem sich erst Peters, dann Ronalds Äquivalent auf der Karte von der Gruppe absonderte, wie aus dem Nichts ein zusätzlicher Punkt heranfegte. Sirius Black.

Schwer atmend, keuchend, als sei er selbst gerade genau so schnell gerannt wie die Gestalt auf dem Pergament, hatte Remus gar nicht gemerkt, wie weit er sich über das Pult gebeugt hatte. Die Hände, lang ausgestreckt, die Finger schabend, kratzend in Aufruhr, schwitzten so heftig, dass sich nasse Flecken auf dem polierten Holz gebildet hatten, und seine Nase berührte beinahe die laufende, fließende Tinte, wie er das Geschehen beobachtete.

Die Gedanken zu wirr, alles durcheinander fallend, übereinander purzelnd in seinem Kopf, wie tausend Ideen und Möglichkeiten auf einmal über ihn herein brachen. Es konnte nicht sein und war dennoch so klar, es konnte doch sein und war einfach nicht wahr. Wenn und aber, hätte, wäre, könnte, müsste, dann so und vielleicht und ja, es ging! Neue Fragen, die Antworten gleich parat, wo sie all die Jahre nicht greifbar gewesen waren, Erklärungen vorhanden, die er sich nie erträumt hatte, verboten hatte, kategorisch gestrichen, weil die Fakten doch so deutlich sprachen! Hatten sie doch! Hatten sie doch, oder nicht? Mit einem Mal gar nicht mehr sicher, überhaupt nicht mehr sicher. Peter lebte! Und das veränderte alles. Einfach alles.

Während sein Geist noch arbeitete und Ordnung in das Chaos zu bringen suchte, gezielter mit jedem weiteren Impuls, schaltete er schon auf niederer Ebene, und mit einem abgehackten Atemzug stemmte Remus Lupin sich hoch, grabschte nach dem Zauberstab neben seiner rechten Hand und prägte sich ein letztes Mal ein, was er sah. Ron war bei Peter, keine Ahnung, wieso – doch, natürlich, die Ratte – und Harry und Hermine folgten, aber Sirius holte rasch auf. Tatze. Der riesige, schwarze Hund, ausgezehrt von Azkaban, rasend in seiner Wut, ein Schreckensbild des großen Grims, er konnte es sich vorstellen, ohne ihn sehen zu müssen. Und grimmig grinste Remus, als wäre der Vollmond bereits aufgegangen. „Schnapp' ihn dir, Tatze!“ knurrte er, stieß sich vom Lehrerpult ab und riss die Tür auf.

Und während er rannte, quer durch sein eigenes Klassenzimmer, scharf rechts und durch die solide Wand in die enge Wendeltreppe zum hinteren Eingang und zum Brunnenhof, bewegte sich der Punkt mit Namen Severus Snape bedächtig die Marmorstufen hinauf, und auf der Karte kollidierte Sirius Black mit Ronald Weasley und dem Totgeglaubten, dem Verräter, und die Sonne senkte sich zwischen die Berge und verglühte, und die Dunkelheit brach herein, wie irgendwo hinter Wald und Wiesen und Hängen und Horizont der blendende Vollmond über den Rand der Welt zu steigen begann.


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Katie Leung