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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Erwischt

von Teekon

Es dauerte. Es dauerte eine ganze Weile, bis es verinnerlicht war, bis er verstehen und tatsächlich bis in den hintersten Winkel spüren konnte, wie recht Sirius hatte. Da war kein aufgehendes Licht, kein Aha-Moment, kein bestimmter Satz und kein Gedanke, der es ihm verdeutlichte, der ihn begreifen und seine Umgebung wieder klar sehen ließ. Still und heimlich kam das, nach und nach und Schritt für Schritt, bis es ihm eines Tages klar wurde. Er war nicht allein, er war nicht verloren, es gab noch so viele Dinge, die sich zu erleben lohnten, so viele Möglichkeiten, vorwärts zu kommen und etwas Neues aufzubauen, egal wie viel in den Staub getreten lag. Das war doch immer so, nicht wahr?

Nie ging es ganz weg, zumindest konnte Remus nicht absehen, ob oder dass es jemals so sein würde. Die Traurigkeit über den Tod eines so großartigen Mannes blieb bestehen und begleitete ihn tagtäglich, aber das war schon in Ordnung so. Wäre es anders gewesen, er hätte an sich selbst gezweifelt. Man durfte erinnern, man durfte auch ruhig mal zusammenbrechen und für ein paar Stunden an nichts Anderes denken, einfach nur in dieser Agonie versinken, zerschlagene Zukunftsträume betrauern. Und danach? Neue ausdenken, frische ausbrüten, andere Ideen in den Kopf kriegen und überlegen. Die Welt war groß. Ägypten war herrlich schön, aber vielleicht, nein, bestimmt, gab es noch mehr Orte, gab es noch mehr Plätze, an die er gehen konnte. Und wenn nicht? Dann ließ sich auch hier etwas machen.

Längst war nicht alles hoffnungslos, musste man nicht aufgeben, weil die eine Chance vergangen war. Über Weihnachten ging es seinen Eltern bereits viel besser, und auch wenn er sich relativ sicher war, dass ein erneuter Schub der Krankheit wieder kehren würde, spätestens sobald John sich wieder an die Arbeit begab (und davon ließ er sich nicht abhalten, egal, wie sehr man ihm davon abriet), so wollte er doch die Zeit genießen, in der Schneespaziergänge möglich waren, in der man unter dem geschmückten Baum sitzen und davon erzählen konnte, wie unglaublich grandios die Bauwerke am Nil ausgeschaut hatten.

Wann er zum ersten Mal wieder lächelte, wann er wieder herzlich lachen konnte, das bekam Remus gar nicht so recht mit. Und der Moment, in dem es ihm richtig bewusst wurde, dass er Glanz in den Augen haben musste, der kam vielleicht überraschend, aber er katapultierte ihn nicht in Schwermut zurück. Es war richtig und gut so. Und es war schon öfter und vorher geschehen, tat es immer wieder. Edward lachte doch auch. Trotz der Männer auf dem Schwarz-Weiß-Foto auf seinem Kamin. Obwohl er jeden Sonntag Blumen neben einen Stein legte. Die Welt drehte sich weiter, ja. Und Remus begriff, dass sie allen Grund dazu hatte. Auch ohne Saladin Al-Harani. Und wenn's nur für den letzten freien Goldschnatzer war, der durch das weite Tal von Hogwarts flog.

1977. Eine hübsche Schnapszahl, oder nicht? Kaum zu glauben, dass in diesem Sommer ihr letztes Jahr anbrechen würde, kaum zu begreifen, dass dahinter irgendwas Anderes auf sie warten sollte. Keiner von ihnen, nicht mal Peter, dessen Auswahl vermutlich beschränkt sein durfte, so arge Probleme, wie er in den NEWT-Klassen mit seinen Noten bekommen hatte, war sich irgendwie darüber schlüssig, wohin ihre Wege sie führen sollten, und der pure Gedanke daran, nicht mehr in ein und demselben Turmzimmer schlafen zu können, versetzte sowieso jeden der vier Rumtreiber in einen Zustand massiver Verleugnung. Naja, es hatte ja noch Zeit. Nur nichts überstürzen. In den Ferien, da konnte man vielleicht langsam mal darüber grübeln, aber nicht jetzt. Zu viel stand noch auf der Agenda, zu viel hatte sich geändert mit der schrecklichen Verwüstung in Ägypten. Nicht nur in Remus' Zukunftsplanung oder im tiefsten Innern seiner Seele.

Die Bibliothek in Alexandria blieb geschlossen. Zwangsweise, denn wie es zu erwarten war, hatte niemand die leiseste Ahnung, wie die Tore in der Halle des Ptolemäus wieder zu öffnen waren. Nicht einmal das Hohe Konzil der Sternenzauberer-Sekte (wie der Tagesprophet das genannt hatte) in Damaskus, weit entfernt im Mittleren Osten, schien davon Kenntnis zu haben. Üblich sei das gewesen seit über 2000 Jahren, seit der Gründung dieser Einrichtung, dass nur die fünf Wächter aus den Kreisen ihrer Meister den Blutfluch studierten, seine Auslösung, aber auch seine Auflösung verstanden, und sowieso wäre es vollkommen unmöglich, die 70 Schlüssel zu finden. Wahrscheinlich wusste nicht einmal die Hälfte derer, die so ein Kunstwerk besaßen, um was es sich dabei handelte. Und erst recht wusste niemand, wie es sich bemerkbar machen würde, dass es nun dieser eine war, der in welches der Schlüssellöcher in der mosaikgeschmückten Oberfläche passte und öffnete, ohne den Träger dabei auf die gleiche Weise zu töten wie Radulf Lestrange.

Ganz zu schweigen von dem Aufruhr, den diese schändliche Tat, den gesamten Rat der Fünf mit einem Schlag zu töten, Kinder in einer Schule anzugreifen und all das Chaos zu veranstalten, das zu einem unüberblickbaren Verlust an Wissen und Weisheit geführt hatte, in die gesamte Zaubererwelt getragen hatte. Überall, von Peru bis Nepal, von Norwegen bis Südafrika, revoltierten die magisch Begabten. Eine Welle der Empörung, der Bestürzung und des Mitleids hatte dieser Anschlag ausgelöst, und auch wenn man zu beschwichtigen versucht hatte, so waren nun zu viele alarmiert. Egal, wer es gewesen war (und das war nun wirklich nicht mehr gut zu verstecken), Schwarzmagier waren am Werk! Offen und ungeschminkt, brutal und gewalttätig, und Helden waren die fünf Männer, die gestorben waren, um noch größeren Schaden von ihnen allen abzuhalten. Davon konnte man sich echt einen Keks bügeln. Remus rollte mit den Augen, wie er sich an diesen Artikel erinnerte.

Nun, wie auch immer. Damals Avery, Mulciber, Nott, Rosier, Selwin und Dolohov, nun Lestrange. Beim ersten Mal war es vielleicht noch möglich gewesen, irgendeinen Zirkel daraus zu machen, aber jetzt war eines deutlich: Da hing viel mehr dran. Augenzeugen hatten beide flüchtigen Zauberer aus Britannien gesehen, aber nicht nur sie, sondern auch Andere. Und wenn so mancher es noch leugnen oder einfach nicht wahrhaben wollte, aber der ach so bemühte Lord Voldemort steckte dahinter. Prompt hatte die Kimmkorn so getan, als habe sie niemals ein freundliches Wort über den Herrn im fernen Albanien gesagt, und natürlich war es grauenvoll und höchst suspekt, was er da anstellte auf seinem Anwesen. Das war zwar mittlerweile verlassen, gut zwei einhalb Monate nach dem Angriff auf die Bibliothek, allerdings glaubte niemand daran, dass Voldemort seine Pläne (welche das auch immer sein mochten) aufgegeben hatte mit dieser offensichtlichen Niederlage.

Gut. Das hatte immerhin den Effekt, dass die Leute nun aufmerksam waren, dass sie achtgaben auf ihre Umgebung, auf das, was gesagt und getan wurde, und dass es Voldemort um Einiges schwerer fallen dürfte, weiterhin so viel Unterstützung, auch in finanzieller Hinsicht zu bekommen. In größerer Distanz hielten sich Leute wie Abraxas Malfoy, die doch noch vor wenigen Monaten so vehement befürwortet hatten, was dieser merkwürdige Flüchtling von sich gegeben hatte. Aber es brachte auch Nachteile. Denn so war es wesentlich schwieriger, seine Allianzen aufzudecken. In Heimlichkeit musste er operieren. Und das säte Misstrauen, schuf die Notwendigkeit, vorsichtig und umsichtig zu sein, denn eines war mit dem furchtbaren Tod der fünf Wächter von Alexandria im Feindfyre mehr als deutlich geworden: Voldemort, der Dunkle Lord, würde nicht davor zurückschrecken, jeden von ihnen genau so zu töten.

Benjamin Fenwick war das beste Beispiel dafür, sein grausiges Ende nun in Verbindung gebracht mit schwarzmagischen Umtrieben im Vereinigten Königreich. Fenwick, Al-Harani, Al-Baqi, Al-Khaliq, Al-Fattah, Al-Qawi, Aleksandr Dolohov, Radulf Lestrange. Die ersten Namen. Sicher nicht die Letzten. Es roch nach Aufruhr. Und ein kleines Bisschen, ja, ungefähr so schwach wie das erste Grün der Blumen in diesem März, nach Krieg.

Das war beunruhigend, schon. Und trotzdem konnte Remus sich nicht unbehaglich fühlen. Wie diese nach und nach vergehende Trauer, diese schleichende Veränderung in seinen Gefühlen, wenn er an Saladin dachte (seltsam, oder? „Die Drei Musketiere“!), blieb es irgendwo im Hinterkopf und rutschte niemals ganz aus dem Bewusstsein, und dennoch kam er sich dem gewachsen vor. Weil er eben – genau wie Sirius es gesagt hatte – nicht alleine war. Im Gegenteil. Der Januar war gekommen und vorbei gegangen, und dieses Mädchen da vorne war kein Mädchen mehr. Sie durfte jetzt Zaubern, wann sie wollte, sie war 17 Jahre alt, und es war ihm nicht schwer gefallen. „Ich hätte da jemanden, dem ich vertraue, und der ein sehr nützliches und großartiges Mitglied sein könnte,“ hatte er zu Dumbledore gesagt, ganz verlegen, irritiert, weil er keine Ahnung hatte, wie man denn jemanden an den Orden heranführte, wenn es nicht gerade seine besten Freunde waren, die quasi von Natur aus, ganz selbstverständlich, in diese Position fielen.

„Ich denke,“ hatte der Schulleiter geantwortet, einen wunderbaren Kniff im Mundwinkel, „dass Miss Evans sich hervorragend machen würde.“ Selbst jetzt, wo es nur noch eine Erinnerung war, grinste Remus darüber, wie er seine Notenblätter zusammenlegte und mit dem unteren Rand auf dem Ständer aufschlug, damit sie ineinander rutschten.

Leicht war das gewesen im Vergleich dazu, ihr dieses Angebot danach zu unterbreiten, denn auch wenn es stimmte, wenn er ihr bedingungloses Vertrauen schenkte (mehr noch, ja, als den Jungs), so blieb doch die Tatsache bestehen, dass er ihr die Existenz dieser Organisation vorenthalten hatte. Ein ganzes Jahr, mehr noch sogar. OK, gut. OK, OK, ja. Da war noch etwas Anderes, was er vor ihr verbarg, ja. Bedingungslos? Doch, das war es schon. Aber wie konnte man erwarten, dass sowas einfach weggesteckt wurde? Und wer würde das schon riskieren, eine solche Freundschaft zu verlieren? Und wenn es nach Remus ging, war es immer noch vollkommen unerklärlich, wie man jemanden wie ihn nicht wegstoßen konnte. Die Jungs, ja, bei denen hatte er sich dran gewöhnt, die hatten eben offenbar einen Schaden. Black war eh immer alles scheißegal, was die Konvention von ihm verlangte, und die Gesellschaft konnte ihn mal kreuzweise an seinem fetten, Black'schen Hintern, und Potters waren so reich, denen konnte alles Banane sein.

Aber Lily? Er mochte sich das nicht ausmalen, nicht einmal darüber nachdenken. Das Beste war, sie eben einfach da heraus zu halten und ihr somit gar nicht erst eine Entscheidung zu zumuten. Und sich selbst vor einem Verlust zu schützen damit, der schwerer wiegen mochte als der soeben erlittene. Er schluckte fest, senkte die Augen, obwohl ihn gar niemand ansah, und stopfte die Noten in die gestärkte Ledermappe, die er extra für diesen Zweck besaß. War doch alles gut gegangen, die Sache mit dem Orden. „Ich hatte geschworen, es niemandem zu erzählen,“ hatte er ihr erklärt, aber noch ehe sie die Stirn hatte runzeln können, sich selbst korrigiert. Ach, so ein Schwachsinn! Den Jungs hatte er ja auch davon berichtet und noch viel mehr aus dem Herzen des Ordens verraten, wenn auch längst nicht alles. „Vergiss das, ich war ein Idiot, ich hätt's dir sagen sollen!“ Ein göttliches Lächeln von ihr dafür, und schon hatte er gewusst: Das war genau das Richtige gewesen! Ehrlichkeit. Eine echtere und schönere Entschuldigung für diese fiese Vorenthaltung hätte er niemals in Worte fassen können.

Im Nachhinein kapierte er das sowieso selbst nicht mehr. Und das war ja egal, denn Lily Evans war nun ein Mitglied im Orden des Phönix, wie Sirius, wie er, und sie hatte gestrahlt wie die Sonne zwischen diesen beiden Rumtreibern da unten an der langen Tafel in Dumbledores Speisesaal im fernen Godric's Hollow. So wie sie es nun immer tat, wenn sich „die Rothühner“ versammelten. Besonnener, bedachter als Black oder die Prewetts, Ideen und gezogene Schlüsse, wie sie selbst Dorcas Meadowes beeindruckten, brachte sie ein, und nicht eine Sekunde bereute Remus diesen Entschluss, sie vorgeschlagen und dazu gebracht zu haben. Ungeachtet der Gefahr, die er kannte, die sie auch kannte. Er musste nur zurück denken an ein Mädchen im Galakleid, das einen so sagenhaften Zauberer (schrecklich, ja, aber unglaublich talentiert) wie Antonin Dolohov mit einem einzigen Spruch von den Füßen fegte, dass er da unten gegen die gemauerten Wände eines nun eingestürzten Treppenhauses krachte wie ein umgeworfener Baukran. Lily konnte diese Herausforderung meistern. Es wäre nicht nur Verschwendung gewesen, sie davon fernzuhalten. Sondern schlicht und ergreifend unfair.

Und noch einer gehörte dazu, war nicht mehr ausgeschlossen, die Volljährigkeit überschritten, und auch wenn er eher wie eine Maus dreinschaute, die in eine Lebendfalle geraten war, als sie ihn das erste Mal mitgenommen hatten, so reckte auch Peter Pettigrew stolz die Brust, wenn sie nach einem Treffen in das hohe Turmzimmer von Gryffindor zurück kehrten. Zu einem einsamen und irgendwie traurig-beleidigten Jüngsten. Armer James. Nicht mehr lange jetzt, sein Geburtstag stand unmittelbar bevor. Das bezeugte nicht nur die Sonne da draußen vor den niedrigen Fenstern des Klassenraums Nr. 17, in dem der Chor unter der Leitung von Professor Flitwick regelmäßig übte. Überall wehte der angenehme Wind des Frühlings, brachte wieder sanfte Wärme und den schönen Duft von ersten blühenden Blumen bis hinauf in die oberen Stockwerke, und die längeren Tage halfen wunderbar dabei, mehr Licht und Hoffnung in einen so nachdenklichen Kerl zu pusten. Remus seufzte, warf einen langen Blick hinaus auf das in zartem Grün glitzernde Tal und lächelte. Zeit, zu gehen. Es gab noch Einiges zu tun heute Abend.

Apropos: Wo war diese Frau denn bloß wieder? Da wartete ein Stapel mehr oder minder interessanter Bücher und Schriften auf sie beide in der Bibliothek, und er hoffte, sie habe das nicht vergessen. Natürlich nicht, das wäre so gar nicht Lily gewesen, und überhaupt. Dieses Projekt bedeutete ihr mindestens genau so viel wie ihm, und sie gehörte nicht gerade zu der Sorte Mädchen, die sich lieber damit beschäftigten, möglichst laut zu kichern und hübschen Schnöseln wie Sirius Black verknallte Blicke zu zuwerfen, die bei dem höchstens für belustigtes Grinsen und lässiges Zurückstreichen seiner langen Locken sorgte. Alleine die Vorstellung von Lily als über den Gang flitzendes Kreischweib verursachte ein grunzendes Schnaufen, und Remus schüttelte den Kopf, verabschiedete sich vom Hauslehrer von Ravenclaw und trat hinaus auf den Korridor, um links und rechts schauend nach ihr zu suchen.

Sie war gar nicht weit weg, stand nur ein klein wenig abseits von der Traube ihrer Freundinnen, dem üblichen Pulk aus Gryffindors, Ravenclaws und einer einzelnen Hufflepuff, die ganz wie erwartet ihre Köpfe zusammen gesteckt hatten, um zu tuscheln und zu kichern, während Lily sich leise, fast verschämt, mit jemandem unterhielt. Remus schob fest die Brauen ineinander, und ein dunkler Schatten huschte über sein Gesicht, begleitet von einem erschrockenen Stich irgendwo zwischen den Rippen, den er sofort niederkämpfte. Der gehörte da nicht hin. Jedenfalls nicht auf diese Weise. Ummünzen. Für James. Ja, so ging es. Edgecombe war das, oder? Den kannte er kaum, war wohl eine Klasse unter den Rumtreibern, und er strich sich die Kapuze mit dem gelben Innenfutter zurück, wie er das Mädchen anlächelte und den Kopf schieflegte, während er auf eine Antwort wartete, die Lily offenbar heraus stammeln musste.

Keine Ahnung, wovon die Zwei da redeten. Und er konnte sich auch nicht daran erinnern, jemals mehr als nur ein paar Worte mit ihm gewechselt zu haben. Genau so wenig hatte sie, da war er sich sicher. Merkwürdig, das. Aber da hatte sie auch schon etwas gesagt und dabei eine Hand um das eigene Gelenk rotieren lassen, und Remus konnte schwören, dass flüchtige Röte in die Wangen des Jungen schoss, ehe er die Achseln zuckte und seine Notenmappe fester gegen die Brust drückte. Lily spiegelte dieses Verhalten, wischte sich eine Strähne ihrer langen Haare hinter die Ohren zurück und deutete den Gang hinunter. Der Hufflepuff-Schüler hob erneut die Schultern, presste die Lippen in einem gezwungenen Lächeln aufeinander und folgte seinen Freunden in Richtung Küche, wo sich auch die Gemeinschaftsräume seines Hauses befanden. Remus konnte kaum beschreiben, wie erleichternd das war. Rasch wischte er sich über die Stirn, als Lily sich bereits umdrehte und ihm von dort vorne aus zuwinkte. Sie hatte es nicht vergessen.

„Hey, Remus!“ rief sie, machte eine schlenkernde Bewegung in Richtung ihrer Freundinnen, die sich augenblicklich verabschiedeten und ebenfalls davon machten zu einem frühen Abendessen oder einem letzten schönen Spaziergang in der lauen Frühlingsluft da draußen. Ihr grüßend zunickend, als hätten sie nicht gerade die gesamte Chorprobe hindurch blöde Witze über Alecto Carrows beknackte Frisur gerissen, biss Remus sich auf die Lippe und wartete, bis sie die paar Schritte den Korridor hinunter zu ihm aufgeschlossen hatte. „Also, zurück zu den Silbentabellen?“ schlug sie vor und blinzelte mit den langen, dünnen Wimpern ihrer hellen Augen. „Yup!“ bestätigte er die getroffene Verabredung, und ihr einen Arm zum Einhaken reichend, bekam er schon diesen schelmischen kleinen Kniff in den Mundwinkel.

Mochte ja sein, dass Alte Runen mehr als interessant war, und dass es im Moment einen großen Teil ihrer beider Freizeit einnahm, dieses Projekt für Professor Regiomontanus durchzuziehen, aber trotzdem gab es noch was Anderes. Und das war viel zu interessant, um da nicht nach zu treten. Lily knickste und schlang ihre zierlichen Finger um seinen Unterarm, wie sie gemeinsam den langen Gang abzulaufen begannen, in gänzlich entgegen gesetzter Richtung ihrer Kameraden und Mitsänger. Eine Abkürzung zur Bibliothek war das, vorbei an der verborgenen, schmalen Treppe, die hinunter führte zu den Verließen, der kürzeste Weg für die Slytherins im Chor, und dann noch ein Stück weiter bis zu einer dieser kleinen Wendeltreppen in der Außenmauer des Schlosses. Mit einem grinsenden Seitenblick legte Remus diesen Tonfall auf, der fatal an ihre große Schwester erinnerte (und das wusste er ganz genau). „Will Edgecombe, Miss Evans?“ fragte er und lachte schon fast, und Lily stöhnte auf und rollte mit den grünen Augen.

Nein, wirklich, da musste er sich keinerlei Sorgen machen, das erkannte er jetzt schon. Es war ihr unglaublich peinlich, dass er das überhaupt gesehen hatte, dieses kurze Gespräch zwischen ihr und dem jüngeren Schüler, und sie errötete, als habe er sie beim Knutschen mit einem richtig hässlichen Kerl erwischt. „Oh, Remus, das war so furchtbar!“ beschwerte sie sich und lehnte ihre Stirn im Gehen gegen seinen Oberarm, dass er auflachte und beschwichtigend ihre Hand tätschelte. „Na na, was wollte er denn?“ kicherte er und bemerkte gar nicht, wie ähnlich er dabei Meredith Diggle wurde, über deren mädchenhaftes Verhalten er gerade noch die Nase gerümpft hatte. Die Präfektin seufzte und schüttelte den Kopf, schon wieder wesentlich gefasster. „Ach, er hat um ein Date gebeten.“

Hatte Remus sich schon gedacht, sowas. Das war recht offensichtlich gewesen, so schamesrot wie Will sich da eben präsentiert hatte, und eigentlich musste er auch nicht extra gesagt bekommen, was Lily dem Jungen geantwortet hatte. Das war mehr als deutlich, so schnell und so gedrückt wie der Hufflepuff sich verzogen hatte. Trotzdem hob er beide Brauen und spitzte die Lippen zu einem stummen 'oh'. „Und wann triffst du ihn?“ flötete er albern, worauf er nur einen halb grinsenden, halb tadelnden Seitenblick von ihr kassierte. Das war wirklich fies, der Dreckskerl. „Gar nicht,“ bestätigte sie seinen Gedanken sofort, ohne großartig um den heißen Brei herum zu reden. Edgecombe war zu jung für sie und außerdem. Musste sie das wirklich erklären?

„Wieso nicht?“ Das war nicht mehr ganz so belustigt, wie sie es erwartete, und ein kurzes Aufflackern irgendeiner Seltsamkeit zeigte sich in Remus' Gesicht, die sie nicht so recht deuten konnte. „Er ist doch ein netter Kerl, oder nicht?“ hakte er nach, weil sie nicht gleich antwortete, sondern ihn noch ein wenig musterte und sich nicht entscheiden konnte, was sie davon halten sollte. Anscheinend musste sie doch. Ach, wieso eigentlich nicht? Sie konnte es ihm ruhig sagen, bestimmt. Es zumindest andeuten, Remus würde sie nicht drängen, konkreter zu werden. Und außerdem war es vielleicht gar nicht so schlecht, das mal vom Herzen zu kriegen. Schon irgendwie komisch. Da hatte sie einen halben Aufstand gemacht, weil weder er noch die anderen Jungs ihr vom Orden erzählt hatten, so ein eklatanter Schlag gegen ihr Vertrauen, und dann traute sie sich nicht, ausgerechnet ihm gegenüber diese Kleinigkeit zu erwähnen. Er würd's verstehen. Niemand mehr als er. Und sie musste ja nun nicht wirklich gleich alles sagen, oder?

Weder ließ sie ihn los, noch entfernte sie sich im Geringsten von ihm, achtete aber sorgfältig darauf, ihm nicht allzu nahe zu kommen, wie sie erneut seufzte und auf ihre Schuhspitzen stierte. „Ich möchte eigentlich im Moment mit gar niemandem ausgehen,“ machte sie es kategorisch und nicht von Will Edgecombe abhängig, als die beiden Gryffindors um eine Ecke herum schritten und sich vor ihnen die enge Treppe auftat. Ein hohes, schmales Fenster, durch das die Abendsonne in ihrem schönen Märzengold fiel, erhellte den halbrunden Vorplatz, auf dem sie sich nun befanden, und Remus unterbrach sie nicht, beugte sich nur leicht vor, um ihr besser ins Gesicht schauen zu können. „Weil,“ fing sie langgezogen an, holte tief Luft und zeigte damit deutlich, dass es ihr doch recht schwer fiel, es so direkt auszudrücken. „Es gibt da jemanden ...“

Jetzt war Lupin doch überrascht. Nicht ganz sicher, ob das an diesem Geständnis lag, oder ob er einfach irritiert war von diesem erneuten, scheußlich kneifenden Gefühl da hinter dem Brustbein, das ihn zum Einknicken zwang, konnte er nicht gleich darauf antworten. Wie ihm Hitze und damit verbunden streifiges Rot den Hals hinauf schoss, das bekam er gar nicht mit, die Gedanken schwierig zu erhaschen, in sich hinein horchend, um vielleicht irgendwie zu begreifen, was das sollte. Aber Lily sah das durchaus, sah auch die winzigen Tropfen aus erschrockenem Schweiß an seiner Schläfe, die im Licht glitzerten, und augenblicklich hob sie eine abwehrende Hand und schüttelte hastig den Kopf. „Oh nein nein, du musst dir keine Sorgen machen!“ versuchte sie zu beruhigen, glaubte, seine Befürchtungen erraten zu haben, und da er noch immer nicht richtig reagierte, sondern nur noch konfuser die Nase kraus legte, schlug sie ihm lachend auf den Unterarm. „Nicht du!“

Ach, toll. Sollte er darüber jetzt froh sein, oder wie stellte sie sich das vor? Mann, das war doch bescheuert. Natürlich sollte er! Das hatte er doch selbst so gewollt! Wie viele Male hatte er das provoziert? Regelrecht getrieben hatte er sie doch dazu, oder? Hatte ihr geraten, sich einen zu suchen, der ihr das bieten konnte, was sie wollte, was sie brauchte, ihr immer wieder klar gemacht, dass er auf keinen Fall dieser jenige war. Und immerhin, er hatte es geschafft, sie denken zu lassen, das läge an seinen unveränderlichen Gefühlen aus reiner Freundschaft, nicht wahr? Ja, also! Prima! Zum Händeklatschen, es hatte funktioniert! Für eine Weile schon hatte er es gesehen in ihren Augen, hatte es gespürt darin, wie anders sie ihn anfasste, und jetzt gestand sie's eben auch ein! Das machte es so endgültig. So schrecklich unumstößlich.

Er verbot sich den Gedanken und vertrieb das alles, schloss es ganz tief da unten ein, gleich neben der Schatulle aus Zukunft in Alexandria, und da würde es bleiben bis ans Ende seiner Tage, schwor er sich. Statt dessen hellte er sein Gesicht auf, schob Atemluft in zittrigen Zügen aus der Lunge und richtete sich auf wie jemand, der gerade einen Zentner Zement abgelegt hatte. „Puh!“ machte er erleichtert und lachte gespielt und offen verlegen. Sie nahm es ihm ab. Das Lächeln bewies es. Wahrscheinlich war sie längst viel zu sehr damit beschäftigt, sich darüber klar zu werden, wie genau sie beichten sollte und wie weit sie dabei gehen wollte. Gut. Ja, gut, so sollte es sein. Am besten half er ihr dabei.

„Aha!“ tat er so, als hätte er keine Ahnung und zog ganz vorsichtig an ihrem Arm, um sie zum Weitergehen aufzufordern, während er breit grinste und sich wieder nach vorne lehnte. Schließlich war sie doch einen guten Kopf kleiner als er, und aus dieser Position konnten sie einander besser ansehen. „Na, wer? Spuck's schon aus!“ verlangte er mit einem verlängerten Lidreflex, der den plötzlichen Glanz seiner Augen geschickt über die Hornhäute verteilte. Sie kriegte es nicht raus, es war so leicht zu erkennen. Lily biss sich auf die Lippe, die davon ganz leuchtend rot wurde, verlegen, fast peinlich berührt, senkte sie den Blick und fing an, nervös mit der einen Hand an seinem Ärmel herum zu nesteln. Das kribbelte und kitzelte, wie sie die Finger unter den Aufschlag schob und an dem Knopf herum fummelte, aber er erwähnte es nicht und wehrte sich auch nicht.

OK, das war nicht gerade das Wunder des Jahrhunderts, wie schön sie schwieg. Wenn er da an diesen einen Abend dachte, wo sie gemeinsam im Klassenraum für Zaubertränke über seinem Trunk der lebenden Toten gehockt hatten, musste er wirklich nicht überlegen, warum das unangenehm für sie war. Sie hasse ihn, hatte sie gesagt. Arroganter Schnösel hatte sie ihn genannt. Und noch ein paar andere Dinge, die in ähnliche Richtung gezielt hatten. Kurzum: Jegliche Verbindung von Vornherein abgelehnt. Fast war's zum Lachen. Und trotzdem irgendwie ganz natürlich und fast schon klassisch. Remus mochte das, irgendwie. Auch wenn es sich merkwürdig anfühlte. Ein Scherz, es erträglicher machen, für sie beide. „Oh, Lily, ausgerechnet Mulciber?“

Im ersten Augenblick raffte sie gar nicht, was er damit sagen wollte, wieso er gerade diese Schreckensvisage ins Spiel brachte, so völlig aus dem Nichts heraus, aber dann weiteten sich ihre Augen und sie verzog so herrlich angewidert und kurz vor einem heftigen Erbrechen sämtliche Züge, dass sie wie ein grotesk kubistisches Gemälde ausschaute, und Remus lachte schon los und überschlug sich halb auf der Treppe, bevor sie überhaupt nur ihr angeekeltes „uäh!“ loswerden und ihn dieses Mal fest und schmerzhaft auf die Schulter prügeln konnte. „Remus!“ schollt sie lauthals, ihre Stimme als Echo von den Wänden der schmalen Treppe widerhallend, doch er grinste nur frech und zog sie ein bisschen näher, um sie beruhigend zu drücken.

Gespielt beleidigt, eine herrlich süße Schmollippe ziehend, kreuzte die junge Frau die Arme vor der Brust und kuschelte sich doch gleichzeitig gegen seine Seite. „Blöd bist du,“ brummte sie und funkelte ihn von da unten her an. Mildes Verständnis war längst in seine Miene zurück gekehrt, sein weicheres, halb schiefes Lächeln, diese Mischung aus ständiger Verlegenheit und gleichzeitig überlegenem Überblick. Kein Spott mehr, nicht der Hauch eines dummen Witzes, sondern Ernsthaftigkeit und echte freundschaftliche Anteilnahme schwangen mit, wie er ihr einfach sagte, was er dachte, und sich dabei hundertprozentig sicher war, ins Schwarze zu treffen. „James also, ja?“

Dieses Mal stolperte sie, und nur die gerade so enge körperliche Nähe hielt sie davon ab, zu fallen. Alle Farbe wich aus Lily Evans' Gesicht, ließ ihre Lippen als schimmerndes Band zurück und verpasste ihr einen Anstrich, wie er ihn sonst nur aus dem Spiegel nach Vollmond kannte. Mattigkeit für Sekundenbruchteile, gefolgt von laufendem Film aus Wasser, breitete sich über ihre schauderschönen grünen Augen, wie sie ihn mit offenem Mund anstarrte, und dann schlug sie sich die Hände vor das Gesicht und gab ein niedergeschlagenes und ertapptes Geräusch von sich. Erwischt. Wo sie es nicht sehen konnte, lächelte er, rieb sanft ihren Oberarm und beruhigte sie damit, so gut es eben ging, aber Lily konnte nicht weiter gehen, so sehr zitterten ihr die Knie. OK, OK, das hier war Remus, er durfte es wissen, aber doch bitte erst, nachdem sie es ihm gesagt hatte, ja? Und nicht schon vorher! Und wieso wusste er das überhaupt, wie konnte er? Ihr wurde erst recht ganz schlecht, und die Hände wieder herunter ziehend, bebend die Finger, stierte sie ihn flehentlich an wie Madame Puddifoot beim Tierarzt. „Oh Merlin, ist das denn so offensichtlich?“

Fast hätte er geprustet, unterdrückte es aber so gut es eben ging und biss sich fest von innen auf die eigene Wange, bis es blutete. Ach je, die Ärmste! Genau das hatte er vorausgeahnt. Wer würde das auch so leicht wegstecken? James hatte selbst damals ganz genau so entsetzt und panisch reagiert, als er ihm das mitten ins Gesicht gesagt hatte, und wieso auch nicht? „Freche Zicke“, „dumme Pute“, „muss ihre Nase überall reinstecken“, „bäh!“. Vorprogrammiert, oder nicht? Und jetzt hatte sich das Ganze eben wiederholt. Nur hatte sie davon keine Ahnung, und es war relativ sinnlos, ihr das erklären zu wollen. Was sie jetzt wirklich brauchte, war ein wenig Zusprache, ein kleiner Schubs vielleicht noch in die entsprechende Richtung und schon ... Bescheuertes Ziel. Und dennoch glasklar.

Beschwichtigend präsentierte er ihr die offene Handfläche seiner Rechten, während er sie mit der Linken weiterhin sorgsam stützte und schon wieder zum Erklimmen der Treppen anregte. „Nur, wenn man ganz, ganz genau hinschaut,“ spielte er es herunter und sagte besser nicht, wie oft und wie lange man dafür hin und her schauen und wie intensiv und tief man in ihren Zügen lesen musste oder ihren Worten zu zuhören brauchte. Ihr kleines, quieksendes Geräusch passte hervorragend zu dem Gesichtsausdruck aus wenig beruhigter Anspannung. Mit dem Kopf hin und her wackelnd, entschied Remus sich für die amüsierte Variante, ließ die Pupillen in Richtung Decke rollen. „Naja,“ erklärte er langgezogen. „Früher hast du ihn eben ungefähr so angeschaut.“ Er zog die Lippe hoch wie ein flämender Gaul, schob den Kopf auf dem Hals nach vorne und stopfte sich die Zunge so fest gegen die Zähne, als wolle er sich selbst damit ersticken, und augenblicklich brach Lily in schallendes Gelächter aus, ob sie wollte oder nicht. Das sah einfach zu bekloppt aus! Konnte sie wirklich so gucken? Schande, dann musste sie sich ja nicht wundern, dass sie immer noch Single war, während alle ihre Freundinnen mindestens einen Typen abgeschleppt hatten!

Remus entspannte sein Gesicht, zurück zu diesem sanften Lächeln, zwinkerte ihr zu, und seine Stimme wurde wieder ganz weich. „Und in letzter Zeit, da seh' ich eher sowas wie ...“ Er musste überlegen, „sowas wie Neugier.“ Komisch, wie er das ausdrückte. Irritiert türmte Lily ihre Brauen zu einer Pyramide auf und zog das Kinn zurück, aber es stimmte irgendwie. Wenn sie genauer darüber nachdachte, hatte er schon recht. So konnte man das beschreiben, wie sie James Potter forschend musterte, wie sie zu erkennen versuchte, in wie weit sie da auf Fassade blickte oder auf die wahre Persönlichkeit. Ja gut, er war immer noch ein grässlich hochnäsiger Snob, der sich definitiv für was Besseres hielt, und der besonders in Verwandlung (wo er eben einfach königlich unschlagbar war) grundsätzlich den Helden raushängen lassen musste. Und wenn es um Quidditch ging ... Würg! Mehr fiel einem dazu nicht ein. Und trotzdem. Ruhiger geworden. Nicht mehr mit dem Zauberstab auf jeden unbedacht zur Schau gestellten Hintern deutend, wenn sich jemand die Schnürsenkel band. Nicht mehr ein Slytherin'sches rotes Tuch vor den Kopf gebunden. Und was wirklich erstaunlich war: Er laberte sie nicht mehr ständig und überall an! Und wechselte er doch mal ein Wort mit ihr, dann zurückhaltend, fast leise, so als wolle er auf keinen Fall zu viel sagen und am besten nicht einmal ansatzweise in Versuchung geraten, sein so gewohntes Bild eines unhöflichen Großkotz an den Tag zu legen.

Dadurch sah er ganz anders aus. Nicht nur im Kopf, nicht nur das figurative Bild von ihm, sondern der ganze Kerl. Seine Haare waren eine Katastrophe, darüber konnte man nur lachen, und er konnte ja nichts dafür und versuchte doch nur, das Beste daraus zu machen. Und ohne Brille war er offensichtlich blind wie ein Maulwurf. Aber dann blinzelte er immer so göttlich, wenn er die Gläser säubernd mit dem Zipfel seiner Robe rieb und gleichzeitig das Tafelbild entziffern wollte. Fast hätte sie jetzt und hier bei der puren Vorstellung gekichert. Und blöd war er ja eigentlich nicht. Ach, das war alles viel zu verwirrend. Wieso, weshalb, warum, es war eben so! Das hatte sie sich mit Sicherheit nicht ausgesucht! Lily seufzte laut und probierte nur eine kurze Erklärung, doch die reichte Remus völlig: „Er hat sich geändert. Irgendwie.“

Nickend verlangsamte er seinen Schritt, vielleicht weil ihm selbst schwindelig davon wurde, wenn sie so schnell die enge Wendeltreppe hinauf liefen. Auch ohne dass er etwas dazu sagen musste, erkannte sie das Verständnis für die gesamte Situation auf seinem Gesicht. Für diesen so merkwürdig heftigen Sinneswandel genau so wie für die Vorsicht, die sie dabei walten lassen wollte. Am liebsten hätte sie ihn dafür ganz fürchterlich gedrückt und noch mehr, aber das würde er nicht mögen. Keine Ahnung, wieso ihr das bewusst war. „Er ist wirklich 'n guter Kerl,“ murmelte er heiser, und die verborgenen Muskeln seiner Augen zuckten, um ihn wegschauen zu lassen, doch Remus tat es nicht. Das hatte er schon mal behauptet. Und einen Tag später hatte Potter den armen Severus kopfüber in der Luft baumeln lassen und wollte ihm die Hosen ausziehen. Sie rollte mit den Pupillen, schmunzelte nur innerlich.

„Und er hat dich sehr gern.“ Kaum zu verstehen, wie er das sagte, ganz kratzig, fast nicht wahrzunehmen, halb geschluckt von dem langen Korridor, in den sie nun heraustraten, und hätte er sich nicht gleich mit einer Hand an der Wand abgestützt und mit zusammengekniffenen Lidern den Kopf geschüttelt, sie hätte glatt gedacht, es wäre etwas Anderes. Aber ihm schien halt doch einfach bloß schwindlig zu sein. So konnte sich Lily gänzlich dem Erröten widmen und fest schlucken. Sowas war doch einfach peinlich, egal ob es stimmte oder nicht. Da fühlte man sich halt ein bisschen komisch.

Remus machte es nicht gerade besser, indem er mit einem Mal, wohl befreit von dem ekligen Drehmoment in seinem Schädel, breit grinste und die Schultern zuckte. „Ist ja prächtig, dann sollte ich ihn davon vielleicht mal in Kenntnis setzen!“ freute er sich so überschwänglich, dass einem schlecht werden wollte, und Lily klappte der Kiefer herunter. In heller Panik abgehackt einatmend, schlug sie mit der flachen Rückhand hart auf seine breite Brust, wovon ein klatschendes, dumpf nachhallendes Geräusch entstand und Remus halb in die Knie ging, vor Schmerz und vor Lachen. „Untersteh' dich, du Ungeheuer!“ empörte sie sich, und der Hitzeflush aus Angst, der für einen winzigen Herzschlag deutlich sichtbar war – meine Güte, er könnte das wirklich, er würde das, nein, er musste das tun! – trieb dem Mädchen wieder Farbe in die Wangen. Aber nicht doch. Remus würde nie! Er veralberte sie nur, er machte nur Spaß, eben um genau das zu provozieren. Berührung.

Kichernd richtete er sich wieder auf und rieb sich den um die späte Uhrzeit deutlichen, rötlich schimmernden Bartschatten am Kinn, die Zunge feixend zwischen den Zähnen. Da vorne fiel ein breites Band aus Licht der untergehenden Sonne durch die offenen Gitter der Bibliothek, und das feine, leise Murmeln einiger weniger Schülerinnen und Schüler drang zu ihnen heraus, gemischt mit dem regelmäßigen Patt-patt von Madame Pinces Ausleihstempel. Gleich mussten sie sich Vokabellisten widmen, sortieren, heraussuchen, umschreiben, sammeln, und dann konnten sie sich Zeit lassen zum Nachdenken, während sie gleichzeitig darüber reden konnten, wie unglaublich dämlich diese Schmalzlöckchen der Carrow aussahen. Er hatte das schon verstanden. Sie musste nicht darum bitten. Kein Wort würde er verlauten lassen. Jedenfalls nicht so direkt. Aber sie konnte ehrlich nicht erwarten, dass er, als ihrer beider Freund, nicht auf die ein oder andere Weise intervenierte. Immerhin war das doch genau das, was er gewollt hatte. Nicht?

Seufzend füllte Lily ihre Lungen bis in den hintersten Winkel mit frischer Luft, die durch die angelehnten Fenster der Bibliothek bis auf den Flur hinaus waberte, und wieder ernst legte sie einen Arm fest um seinen Rücken. „Gib' mir ein bisschen Zeit, OK?“ Ein Freibrief, irgendwie, auf deutliche Weise doch die Bitte um genau die Form von Hilfe, die er da im Kopf hatte. Augenblicklich nickte Remus, dieses wunderbar liebe Lächeln auf den Lippen, die Lider fast vollständig geschlossen. Konnte sie haben. Sein Versprechen war damit nicht kaputt gemacht. Das kurze, winzige Flackern ihrer Augen bekam er so nicht mit, und Lily presste fest die Kiefer aufeinander. Da war noch eine Kleinigkeit zwischen Potter und ihr, die geklärt sein musste, die an ihr nagte und die sie nicht mochte, die sie zweifeln ließ an dieser wundersamen Änderung des arroganten Quidditch-Kapitäns zum herzlichen Samariter, der sich bei Barty Crouch für fiese Streiche entschuldigte, indem er ihm einen kleinen Traum erfüllte (oh ja, sie hatte davon gehört, und sie war tief beeindruckt gewesen, auch wenn sie es erst geglaubt hatte, als Honorius es ihr selbst erzählt hatte).

Sie hatten einen Deal gehabt. Der war einem 12jährigen Jungen so wichtig gewesen, dass er dafür Einiges aufs Spiel gesetzt hatte. Und dann sowas? Dann brach er ihn einfach so, als wäre es nur noch halb so interessant, nicht mehr von solch durchschlagender Konsequenz, wenn sie tat, was er ihr hatte untersagen wollen? Das verstand sie nicht, musste es aber. Denn sie wollte vertrauen. „Nur ein bisschen Zeit,“ wiederholte sie, und Remus holte sie in die Gegenwart zurück, indem er fest und verständnisvoll nickte. Mehr zu sagen dazu, war nicht notwendig. Nicht zwischen zwei solchen Freunden. Zwinkernd, grinsend, drückte er das Mädchen an sich, und sie klopfte ihm auf den unteren Rücken, weil ihr kürzerer Arm nicht mehr ganz um ihn herum reichte. Man musste schon ganz schön bescheuert sein, sich sowas nicht zu wünschen. Bester Freund.


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