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Im Silberlicht bis Nimmermehr - Al-Iskandariya

von Teekon

Das Meer war wie ein Spiegelbild des sternklaren Himmels dort oben im Zenit, eine bewegte Reflexion, besprenkelt mit den tanzenden Lichtern der Gestirne, und die Wellen liefen in kurzen Abständen schäumend und gurgelnd auf den Strand auf. Dunkelblau war es hier immer, durchmischt mit sattem Grün des Lebens, heruntergeschwemmt mit den vielen Armen des Flusses, und der mitgebrachte Schlamm türmte strangförmige Untiefen und Sandbänke auf in dem weiten, ausladenden Delta. Über viele, viele Meilen erstreckte es sich, 200 mindestens, prägte die Küste, prägte das Land zwischen dem Kanal von Suez und Al-Iskandariya. Alexandria. Ägypten.

Herrlich war die Nacht, eine kühle, winterliche Brise wehte über die Piers und Molen des östlichen Hafens, wo die vertäuten Boote nur sacht aneinander klopften in den zärtlichen Bewegungen des Wassers, zirkulär durch das künstliche Becken laufend, zurückgeworfen von dem umgedrehten Omega. Zu beiden Seiten, so weit das Auge reichte in der schimmernden Finsternis, zogen die Mauern und Promenaden das Ufer entlang und verschwanden irgendwann wie dünn ausgemalte Striche am Horizont. Die Tarnung, der Schild aus Illusion wie die weite Wiese am Fuß des Hügels, unterhalb des Sanatoriums.

Statt hoher Betonwälle liefen niedrige Dünen in den Sand aus, flachten sich rasch ab und fielen ins Meer hinunter, verbargen die Sicht darauf von den gepflegten Gärten aus. In angenehm kühlem Winter raschelten die Röhricht-Dickichte leise, pfiff der schwache Wind darin wie über die Öffnungen von Bambusflöten. Die Kolben daran knirschten, wenn sie aneinander gerieten, und der silbergraue Nachtreiher schüttelte seine langen, schwarzen Kopffedern aus. Sein kurzer, quäkender Schrei ließ nicht einmal die Heuschrecken verstummen. Friedlich, schön und ruhig schliefen die sacht wogenden Dattelpalmen.

Eingebettet in Rabatten voller Tamarisken, die Mäuerchen mit blauen und gelben Mosaikfliesen geschmückt, liefen geometrisch angelegte Wege durch die Mulden zwischen den Hügeln aus wanderndem Sand. Sprudelnde Brunnen, im schwachen Laternenlicht glitzernde Wassertropfen aus springenden Fontänen, spielten ein sanftes Schlaflied, und die Bewässerungsrinne füllte sich mit wogendem Geplätscher. Ein fantastischer Anblick von leuchtendem Grün, gespeist von diesen Adern, sorgte am Tage mit ausladenden Schatten der breit wachsenden Karubenbäume für wunderbare Entspannung, beruhigte den Geist und machte ihn aufnahmefähig. Herrlich, diese Mischung aus Wüste und Überfluss.

Ein Milan erhob sich im Dunkeln von den obersten Ästen, breitete die Flügel aus und segelte ruhig über den Garten hinweg. Keine Statuen, keine Symbole auf dieser Seite der hoch aufragenden Gebäude, deren rechtwinklige Silhouetten sich gegen den Himmel abhoben und das Sternenfeuer hinter ihren Wänden verbargen. Die Fenster, um diese Zeit allesamt nur tiefere Dämmerung in der Nacht, waren mit Holzläden verschlossen, eingeschnitzte Ornamente ließen Luft in das Innere hinein. Doch von hier draußen lag dahinter nur die schlafende Stille.

Immer höher zog er seine Kreise, überflog den Giebel und blickte hinunter auf ein langgezogenes Tal, wie es sich versteckte zwischen Hafenanlagen und Industriegebieten, der endlosen Uferpromenade auf der einen, der Shari el Hurriya auf der anderen Seite. Gestreckt, das Gebäude darin, wie eine Reihe von aufeinander folgenden Bauklötzen, erst niedrig und fast geduckt die begrüßenden Sphinxen, dann monumental aufragend zwei Obelisken, deren schlanke Gestalten spitze Streifen aus Düsternis über den Sand warfen. Und dann ragte sie auf in den Horizont, die Bibliothek von Alexandria, symmetrisch erbaut der erste Pylon, der größte, bereits so enorm, dass alle Bücher von Rom darin Platz gefunden hätten, doch folgte noch ein solches Tor hinter dem gut 300 Yards langen Hypostyl mit den reich verzierten Säulen voller wegweisender Schriftzeichen.

Eindrucksvoll, die sandfarbenen Bauten des Archivs, weltliche Papyri an der Oberfläche gelagert, und doch verbarg die Bibliothek ihre größten Schätze nicht hier oben, sondern tief unter der Erde, unter all dem Sand von Jahrtausende währenden Stürmen hergetragen. Erst das Barkensanktuar im Inneren der tempelartigen Anlage eröffnete die lange, steile Treppe, die hinunter führte in die Katakomben, viele Korridore und Gänge entlang, bis der breiteste Weg schließlich aufbrach und auseinander wich, sich weitete und streckte und hoch hinauf türmte zur Halle des Ptolemäus. Jetzt, wo draußen die Johannisbrotbäume in sanfter Meeresluft rauschten, die Skorpione in ihrem schwarzen Panzer unter den Steinen hervorkrochen und die gemusterten Dünnfingergeckos über die Wände huschten auf der Suche nach Nahrung, war sie nichts als ein große, stille Düsternis mit feinstem Echo und friedlicher Ruhe. Und nur dort oben begann das Meer, sich heftiger zu kräuseln, klatschten die Wellen unregelmäßiger gegen die Küste, und ein Geräusch hob an, so weit entfernt und hoch am Himmel, wie eine Rotte Nilgänse in eiligem Flug.

Er schlug die Augen auf, aufgeschreckt aus seinen Träumen, als habe er es gehört, dabei war der Blick aus dem offen stehenden Fenster seiner Gemächer nur eine magische Illusion, und der Duft von Datteln und blühendem Rhododendron nur ein Spiegelbild der Realität an der Oberfläche. Hier, drei Sohlen unter der Kruste der Wüste, zirpten nur die Grillen der Magie, und die Flure vor den Türen aus lackiertem Ebenholz blieben ruhig. Eine ganze Weile lag er nur da in seinem niedrigen Bett mit dem Baldachin aus safranfarbenem Stoff, lauschte den Vorhängen, wie sie über den weichen Sandsteinboden wischten, dem eigenen Herzen, das in der Brust schlug. Seltsam gefasst, der Puls. Und doch wusste er, dass es keine Verkennung im Schlaf gewesen war, was er gehört hatte.

Ein einfaches Zimmer, die Wohnstatt des Tabularius von Alexandria, sein eigenes Bad und ein kleiner Gebetsraum angeschlossen, und ein offener Durchgang führte auf eine hölzerne Veranda in dem unterirdischen Garten zu seiner Rechten. Nachgebildet eine Oase der Wüste darin, flache Tümpel und Schilfbänke, überquert von Stegen und Brücken, während sich hohe Phönixbäume bogen und über die Wege beugten, ihre langen Rispen voller kostbarer Früchte herab hängend. Über das ganze immense Areal der Bibliothek verteilt, fanden sich diese Plätze der Ruhe und des Lichts, wo tagsüber die Sonne genau so heiß und prickelnd zu scheinen schien wie oben, und wo bei Nacht Sterne an tiefblauem Himmel blitzten, der doch eigentlich die Decke einer hohen Halle war. Andere Fenster leuchteten nun durch das Rechteck, verrieten die Grenzen des künstlichen Parks, dessen Charme und Schönheit der Wahrheit nur um eine Winzigkeit nachstand. Er war nicht der Einzige, den das Rauschen der Schwingen geweckt hatte.

Saladin Al-Harani blinzelte und rührte sich noch immer nicht, nahm seine Umwelt nur aus dem Augenwinkel wahr und ließ sich erst langsam zurückholen in diese Welt. Er liebte diesen Raum, liebte diesen ganzen Ort, die endlosen Korridore und die Säulengänge, die Hallen in den Tiefen und die Reliefs und Friesbilder, Inschriften und großen Tore. Unzählige Türen zweigten sich ab, gaben die Wege frei in die Kammern voller aufgeschichteter Tontafeln, Regale gefüllt mit Büchern und hängende Gestelle mit lauter Schriftrollen, aus Holz geschnitzte Schilder, die genau verzeichneten, welcher Text an welcher Stelle lagerte. Treppe um Treppe verband die einzelnen Sohlen miteinander, Stufen, gewunden und gerade, manche steil und schmal, andere breit und langgezogen, ließen von Stockwerk zu Stockwerk gelangen, immer weiter hinunter in die irgendwann nur noch grob behauenen Stollen, die einmal neue Hallen werden wollten, oder hoch hinauf und zurück durch die riesigen, steinernen Felsenbögen, an deren Seiten die beiden Torflügel lehnten, durch die Ewigkeit der Ptolemäus-Säulen und ans Tageslicht. Zuhause. Von Kindesbeinen an.

Hier war er aufgewachsen, hatte seine Kindheit in den engen Gassen der Altstadt verbracht, mit Muggelkindern gespielt, die seine Zauber bewunderten, bis er in den Dienst der Archivare getreten war und sich seinen Meister gesucht hatte. Dort oben in der kleinen Zeltstadt im Süden des Hauptgebäudes, hatte er gelebt als Schüler, bis er zu einem von ihnen geworden war, ein Sternenzauberer, ein Bibliothekar, Curator von Alexandria. Ewig her, so viele Jahre, so viele Kämpfe, so viele Lehrstunden hindurch bis hierher. Viele Schülerinnen und Schüler hatte er selbst mittlerweile zu solchen Verwaltern gemacht, sorgfältig eingetragen jede und jeder Einzelne von ihnen in den Schriften des Bundes oben im Archiv des ersten Pylon. Und hier wollte er auch bleiben und dieses Werk fortführen, solange es nur ging, um es dann weiter zu reichen. Auf das jemand Anderes eines Tages Tabularius sein konnte in diesen heiligen Hallen des Wissens.

Mitten in der Nacht war es, und trotzdem wollte Saladin nicht weiter schlafen. Ohnehin viel zu früh in Schlummer gesunken, die Öllampe sacht flackernd auf dem Nachttischchen neben seinem Bett noch immer entzündet, hob er vorsichtig den Kopf und rückte die Kissenrolle unter seinem Nacken zurecht. Gelesen hatte er, den Zwicker noch auf der Nase, und das Pergament hielt er mit einer Hand gegen die Brust gepresst. Viele Seiten, feines, sorgfältig gebleichtes Papier, aus weniger grobkörnigem Material gewonnen als die, derer man sich hier in Ägypten bediente, und er fuhr an der Stelle fort, an der er sich unterbrochen hatte. Dennoch: Das Gefühl der Spannung, es blieb bestehen, unerklärlich, irgendwo tief im Hintergrund seines Herzens, und es sorgte dafür, dass ihm die Hände im Takt des eigenen Pulses vorsichtig zitterten.

Ich bin mehr als froh darüber, Professor, dass Sie einer Lösung näher gekommen sind. Bitte, drücken Sie Ihrem Freund und Kollegen meine Dankbarkeit aus für seine Bemühungen! Sollte ich irgendwie in der Lage sein, ihm diesen Dienst zurückzahlen zu können, sagen Sie es mir, bitte. Viel kann ich ihm nicht bieten, aber ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um mich erkenntlich zu zeigen, las er dort. Vielleicht war es ungebührlich, und jeder seiner Glaubensbrüder hätte die Anmaßung alleine, ein so junger Mann könnte einem Meister der Zunft von Nutzen sein in seiner Arbeit, schon als verwerflich betrachtet, aber Saladin Al-Harani konnte nicht anders. Er musste lächeln. Und obendrein eingestehen, dass es tatsächlich etwas gab, dass dem Heiler sicherlich gefallen hätte. Belby. Ein interessantes Gespräch. Ein kleiner Preis womöglich, aber ein guter. Er würde es ihm vorschlagen.

Da war es wieder. Wie ein warnendes Summen weit entfernt und dennoch in seinem tiefsten Inneren, und Saladin richtete sich auf und stützte sich auf einen Arm. Es waren die Wände. Das ganze Gebäude wackelte, obwohl so tief in der Erde verwurzelt schüttelte es sich in feinstem Tremor, wie eine Kuh lästige Fliegen abzuwerfen versuchte, und dennoch bereits wesentlich alarmierter, gestörter. Noch immer den Brief seines jungen Freundes in der Hand, verlor Al-Harani keine Zeit. Es gab nur eine Erklärung für dieses Phänomen, nur magische Kraft konnte eine solche Masse, ein so unglaubliches Gewicht derartig ins Schwanken bringen. Einschläge. Jemand versuchte, die Schutzzauber der Bibliothek zu durchbrechen. 'Der Feind hat seine Höhle verlassen. Wohin ist nicht bekannt.' Nun war es deutlich.

Rasch, aber nicht hastig, schlüpfte der Tabularius in seine Pantoffeln, rupfte sich den Zwicker ab, griff im Laufen nach dem langen, nachtschwarzen Gewand seiner Würde, doch noch ehe er die Tür seiner Gemächer erreichen konnte, trappelten eilige Schritte hierhin und dorthin über den Flur, und unruhige Fäuste pochten gegen das Holz. „Kommt herein!“ erlaubte Saladin, während er sich die Kappe mit der Goldstickerei über die bloßen, ergrauten Locken stülpte, und nur einen winzigen, ehrfurchtsvollen Spalt stieß man das Portal auf. „Sayid?“ fragte jemand, die zittrige, bebende Stimme eines Jungen. Der Bibliothekar zog die Tür weiter auf, um den Schüler besser sehen zu können, und er war nicht der einzige, der in einem einfachen, weißen Lendenschurz, barfüßig, aus dem Schlaf gerissen, vor den Räumlichkeiten des Leiters verharrte.

Große, dunkle Kinderaugen schauten flehentlich zu ihm auf, und Saladin versuchte, nicht zu fest die Kiefer aufeinander zu pressen. Einen Fuß im Gang, der Rest seines Körpers noch in seinem Schlafgemach, warf er einen kurzen Blick in beide Richtungen. Überall zeigten sich verwirrte Kinder, kniffen die Augen zusammen und rieben sich verstört den Schlaf hinfort, und dort hinten, wo der Korridor eine Biegung beschrieb, wurde die nächste verzierte Tür aufgestoßen. „Saladin!“ rief ihm der Lehrer zu, der daraus hervorkam, genau wie er dabei, sich die Robe überzustreifen, darunter kaum mehr tragend als ein einfaches Nachthemd. Brahmin Ibn Yessin Al-Baqi, der Prokurator.

Ihm nur mit einem Kopfnicken zu verstehen gebend, dass er ihn bemerkt hatte, wandte Saladin sich rasch an den Schüler an seiner Tür, griff ihm sanft, aber fest an die bloße Schulter. „Geh' und schlage den Gong, Dib! Und schicke die Älteren zu uns in die Halle!“ ordnete er an, und das Kind, vielleicht zwölf, 13 Jahre alt, nickte so schnell, dass ihm der Kopf von den Schultern rollen müsste, wäre er nicht angewachsen. Die braunen Augen ganz wässrig, breitete er schon die Arme aus, seine Freunde wie Schafe vor sich her zu treiben. „Ihr Jüngeren sammelt euch an den Verbotenen Gängen und verlasst die Bibliothek!“ Gerade noch im Begriff, davon zu laufen, um die Anweisung ihres Lehrers auszuführen, wurzelten die Jungen und Mädchen stocksteif auf dem sandigen Boden fest. Sie wussten genau, was er damit sagen wollte. Diese Gänge trugen ihren Namen nicht umsonst. Fast zärtlich, wie eh und je, lächelte Saladin ihnen aufmunternd zu. „Geht.“ Keine Order, kein Befehl. Sie nickten und verschwanden in den nun heller werdenden Korridoren.

Durch die Menge an fliehenden Schülern gruben sich zwei Gestalten regelrecht einen Weg gegen den Strom, kamen herauf aus den weiter unten und hinten gelegenen Gemächern, während neben Brahmin nun auch der Schatzmeister erschien. Instinktiv vereinigten sich die fünf Wächter der Bibliothek von Alexandria. Es war keine Zeit, sich in abgeschlossenere Räumlichkeiten zu begeben. Hier, mitten im Hauptgang der Schlafstätten, wollten sie ihre Lagebesprechung abhalten. „Ist es also soweit?“ fragte Shamaal, noch dabei, seinen Arm durch den widerspenstigen Ärmel des Gewandes zu stecken, und eine Antwort war nicht notwendig. „Ich habe Qumaira hinauf geschickt,“ erklärte der Prokurator, wieso seine Schülerin bereits nicht mehr anwesend war. „Sie und die anderen Älteren kümmern sich um die Verstärkung der inneren Schutzzauber.“

Nie zuvor hatten sie darüber gesprochen, seit Saladin aus dem fernen Britannien zurückgekehrt war, und dennoch immer gebetet, dass dieser Tag nie kommen möge. Trotzdem hatte sich jeder insgeheim darauf vorbereitet. Ihre grimmigen Gesichter voller Kummer und Kampfgeist verrieten beides. „Ich hoffe, es wird nicht nötig sein, sich ihm in den Weg zu stellen,“ knurrte der gedrungene Malak Al-Qawi mit dem geschwungenen Schnauzbart, wie er sich den Gürtel seiner Robe schloss, und die hochgezogene Braue reichte aus. Ja, Qumaira würde nicht zögern, dieses zu tun, auch wenn es ihren sofortigen Tod bedeuten würde. Und keines, keines der Kinder sollte verletzt werden. Nur welche Wahl hatten sie schon? Verstohlen senkte Brahim den Blick und ballte die Faust, verborgen im Ärmel seines Gewandes.

Beschwichtigend hob Saladin beide Hände und beruhigte damit ihre sich aufheizenden Gemüter. „Sie müssen uns nur Zeit verschaffen,“ erinnerte er an die sinnvollste Aufgabe der Älteren, ignorierte das Zähneknirschen neben sich. Hochaufgeschossen, der Nubier Azeem, rollte mit den Augen. „Wir haben immer noch die andere Möglichkeit.“ Natürlich. Das war jedem der fünf Wächter bewusst. Jeder für sich schon ein ernstzunehmender Gegner, hervorragend ausgebildet und erprobt in vielen magischen Gefechten, konnten gerade sie mehr als nur für einen Aufschub sorgen. Und trotzdem. Es barg ein ungeheures Risiko, in die Schlacht da oben einzugreifen.

Der Stillste von ihnen, Shamaal Ibn Fady, schüttelte leise den Kopf, und seine ungewöhnlich hellen, grünen Regenbogenhäute schimmerten matt mit abwesendem Blick. „Er ist sehr stark,“ flüsterte er, und als wolle man ihn von außen bestätigen, schwankten die Wände ringsherum mit einem Mal bedrohlich, und der dazu führende Knall rauschte als Druckwelle aus Schall verspätet zu ihnen herunter, dass sie sich festhalten mussten, um nicht umzufallen. Den Kopf hebend, kehrte der Glanz in die Augen des Obersten Lehrmeisters zurück, wie sein sehender Geist zu seinem Körper, und er schaute in die Runde. „Der äußerste Ring wurde bereits durchbrochen.“ Nur Bruchteile von Sekunden wich die Farbe aus den sonnengebräunten Gesichtern, bevor die Entschlossenheit umso deutlicher wurde.

Missmutig schnaubte der Administrator magicus, der Malak war, und er schlug mit einer Faust in die eigene Handfläche. „Zusammen könnten wir diese Bedrohung vielleicht stoppen, hier und jetzt!“ flammte das Feuer in ihm auf, dessen man ihn so rühmte, und fast hätte Saladin gelächelt. Schon immer so gewesen, Malak Ibn Ishmael, wieso also nicht auch jetzt? Azeem nickte heftig, sah jeden von ihnen direkt an, um die Stimmung abzutasten, um zu sehen, wie viele noch man vielleicht überzeugen könnte. Aber Saladin ließ sich nicht abbringen. Seine Entscheidung war lange vor diesem Augenblick, lange bevor überhaupt der Verdacht aufgekommen war, gefällt worden. „Seine Zeit ist noch nicht gekommen,“ sagte seine ruhige, noch immer sanfte Stimme, und Brahmin stimmte zu. „Ich glaube nicht, dass einer von uns ihn vernichten könnte.“ Der Jüngste von ihnen faltete die Hände vor seinem Bauch für einen Moment, bevor er die Finger wieder voneinander löste und sie sorgsam gegeneinander rieb.

Der Seher gab den letzten Ausschlag. Mit halb geschlossenen Lidern schien er leise zu summen, so vibrierte sein Kehlkopf, aber vielleicht übertrug sich auch nur das nun stetig zitternde Schwummern der Grundfesten auf ihn. „Wenn die, die nun unter den Herzen ihrer Mütter schlafen, bereit sind, dann wird der Dunkle Lord vergehen,“ wisperte er, kaum zu hören in dem an- und abschwellenden Lärm der magischen Detonationen, aber seine Freunde hatten ihn sehr wohl verstanden. Augenblicklich brach der Widerstand von Malak und Azeem, und obwohl es nicht mehr nötig war, musste Saladin sie bestärken. Jedem von ihnen eine Hand in die Halsbeuge legend, drückte er die ehemaligen Schüler, rieb ihre Schultern durch die schwarzen, mit Gold bestickten Roben der Wächter von Alexandria. „Alles, was uns zu tun bleibt, ist, dafür Sorge zu tragen, dass sie dann Aussicht auf Erfolg haben.“ Sie mussten ihm den Weg zur Unsterblichkeit versperren, mussten ihn fernhalten von Ideen und Wissen. Und damit blieb nur die eine Möglichkeit des Widerstandes.

„Es ist seit Hunderten von Jahren nicht geschehen,“ murmelte Brahmin voller Kummer, und er musste die Augen schließen, um die Tränen zu verdrängen. Erst zwei Mal war dieser Zauber ausgesprochen worden, in größter Not nur und wohl überlegt. Nun, dann war eben heute die Nacht für den dritten Blutfluch von Alexandria. „Unsere Zeit wird knapp,“ riss Saladin die Wächter aus ihren Gedanken, die endlich aufschreckten und ihre Zweifel und Sorgen beiseite stellten. Mochte durchaus sein, dass es ihre letzte Amtshandlung war, aber es war eine Ehre, die sie angenommen hatten, als sie die Robe ihrer Ämter übergestreift hatten. Jeder von ihnen richtete sich auf, vom Ludismagister bis zum Praefecti aerarii, und sie nickten einander zu. „Schickt die Älteren hinauf, lasst sie alle Versiegelungen aussprechen, die ihnen nur einfallen.“ Und fortgehen, wenn es so weit war. Ohne ein weiteres Wort, ob der Zustimmung oder der Gegenwehr, eilten die vier Männer davon, immer den Gang hinauf, bis sie um die Biegung verschwanden.

Nur noch schnell, für einen winzigen Augenblick, huschte der Tabularius zurück in sein Gemach, um den Brief aus englischem Pergament abzulegen und danach seinen Wächtern zu folgen. Dass wir uns bald wiedersehen, hoffe ich ebenso sehr! Ma'assalama, Salah ah-din! Ihr ergebener R. J. Lupin. Mit einem wehmütigen Lächeln in den Mundwinkeln las er mehr aus Versehen diese letzten Worte, und Saladin musste inne halten. Er seufzte, hob das Papier an seine Lippen und küsste vorsichtig die Zeilen in Azultinte. „Enttäusch' mich nicht, Telmied!“ flüsterte er, legte den letzten Brief zärtlich auf seinem Bett ab und schaute sich sorgsam um. Die warmen Wände aus Sandstein, das dunkle Holz und die Messingbeschläge, grüne Blätter von Dattelpalmen am geöffneten Fenster und die kostbaren Kelims auf dem Boden, sein Zuhause. Und dann drehte er sich auf dem Absatz herum, stob hinaus und versiegelte die Tür mit einer wischenden Handbewegung und einem einzelnen Wort, bevor er hinüber eilte in die Große Halle des Ptolemäus auf der selben Sohle.

Wie Donner grollte der Lärm von oben durch die weiten Hallen, komprimierte sich an den Toren und Seiteneingängen und drückte sich betäubend in die schmalen Gänge hinein. Aus einem dieser Arme hinaus laufend, fühlte man sich, als falle man in ein tiefes Loch, als springe man von einer Klippe hinab, und im selben Moment flammten die Fackeln an den Wänden auf. Die Halle wurde in gleißendes, orangefarbenes Licht getaucht und offenbarte ihre wahre Größe und Schönheit. Die gemalten und aus Mosaiken zusammen gesetzten Reliefs schimmerten in der neuerlichen Helligkeit, und winzige Schattenspiele verfingen sich in den Steinmetzarbeiten der aufragenden Säulen. Bauchig, bedeckt mit Wegbeschreibungen und Geschichten über die Erbauung dieser Einrichtung, stützten sie die Decke, so hoch oben, dass ihre Giebel und Balken in entfernter Düsternis verschwammen.

Zu seiner Rechten führte die breiteste Treppe nach oben, sich von Absatz zu Absatz verschmälernd, um schließlich, von den Blicken hier unten verborgen in einem Schrein an die Oberfläche zu stoßen. Die letzte Bastion dort oben zwischen ihnen und dem Dunklen Lord. Er war nicht allein gekommen, hatte seine Anhänger mitgebracht, viele große Zauberer mit einzigartigem Talent, die nun ihre Energie darauf verschwendeten, einem Despoten zu noch mehr Macht über sie zu verhelfen. Wie so viele Male zuvor in der Geschichte der Zauberei, der letzte derartige Angriff längst nicht hundert Jahre her. Saladin Al-Harani hatte keine Zeit, sich darum zu kümmern. Seine Aufgabe lag nun hier, in der Halle, und er konnte nur zuversichtlich hoffen, dass die Schüler ihn und seine Schergen lange genug zurückhalten konnten. Die Gebete, die er im Unterbewusstsein sprach, erhofften nur ihr heiles Entkommen.

Er ließ die Treppe in seinem Rücken, lief mit gerafftem Gewand in Pantoffeln zwischen den Säulen die Große Halle hinunter und durchquerte sie bis zu ihrem Ende. Erst hier begann die eigentliche Bibliothek, lagerten die einzigartigen Schätze des Wissens und der Weisheit aus so vielen Jahrtausenden und von so vielen Kulturen magisch begabter Menschen aus aller Welt. Hinter diesen Toren, ihre Flügel bis an die Decke reichend, übersät mit Schriftzeichen von Bildersprache der Hieroglyphen über lateinische Verse und griechische Buchstaben bis hin zu kufischen Kalligraphien, jede Epoche der Bibliothek darauf verewigt, gab es nichts als Bücher, Schriftrollen, Pergamente, Papyri und Tontafeln, vollgestopft mit zauberischen Theorien, Beschreibungen von Ritualen, Artefakten und ganzen Sammlungen einfachster bis kompliziertester Sprüche und Inkantationen. Und noch ehe Saladin Ibn Ahmad Al-Harani das hintere Drittel der Halle erreichte, hallte ein dumpfes Pochen, wie ein geschlagener Gong, durch die Katakomben. Verdrängte Luft schlug als Echo gegen die tiefsten Gänge in den untersten Sohlen, als sich die Tore trafen und mit einem hellgrünen Aufleuchten in magisches Schloss fielen.

Der Duft von Weihrauch, rein und klar aus assyrischem Bestand, ungemischt mit anderen Gewürzen oder Kräutern, waberte bereits in sichtbaren Schlieren, schlang sich in winzigen Rauchfahnen um die auseinander weichenden Säulen am Eingang zum Archiv, und die hohen Kerzen auf langen, schwarzen Spießen aus lackiertem Gusseisen, flackerten im Luftzug, den das physikalische Verrammeln der Tore erzeugt hatte. Sie waren nicht aufgemalt, die Pentagramme und Zirkel, sie waren eingeätzt in den Boden, jederzeit bereit und versiegelt, um den Fluch auch kurzfristig auslösen zu können. So wie es jetzt auch sein musste. Siebzig Schlüssel. Irgendwo dort draußen, und die im Vergleich zu der unglaublichen Fläche der Tore winzigen Schatten aus kleinsten Schlüssellöchern, schauten aus wie eingefügte Opale auf dem Fries, das von diesem einzigartigen Schutz erzählte.

Es war Brahmin gewesen, der die schweren Flügel aus Stein mit einem Händeklatschen geschlossen hatte, während Azeem, Malak und Schamaal eiligst die Lichter entzündet und das reinigende Feuer in Gang gesetzt hatten. Nun drehte der Prokurator sich herum zu seinem Meister, dem Tabularius, und sie beide waren die Letzten, die ihre Positionen einnehmen mussten. Mehrere knallende Erschütterungen ließen feinen Staub von der Decke herab rieseln, und Kieselchen klimperten, wie sie auf den Boden trafen und davon tickten. „Ihr habt einen gewählt?“ erkundigte sich der junge Mann aus Babylon, seine ebenmäßigen Züge ruhig und fügsam in sein Schicksal. Saladin nickte nur lächelnd. Schon vor Jahren hatte er das. Sicherer konnte er nicht sein, nicht mal in den Händen eines Drachen, nicht mal in Tasmanien, nirgends auf der Welt besser aufgehoben als dort, wo ein Herz für Bücher schlug.

Dieser Ausdruck in den Augen, den kannte Brahmin Ibn Yessin Al-Baqi nur zu gut, und mit der gleichen Inbrunst, dem gleichen Hoffen und Bangen in der Brust, schloss er kurz die Augen und dachte an das Mädchen mit den Kohlenaugen da oben im Hypostyl, wie sie nun mit all ihrer Macht darauf fixiert sein würde, die Anweisungen ihres Meisters auszuführen. Qumaira, sein Telmied. Es war Zeit.

Einander ein letztes Mal auf die Schultern klopfend, teilten sich die Sternenzauberer auf, begaben sich zu den Pentagrammen, die ihrer Aufgabe in diesem Ritual entsprachen. Erstaunlich kurz war es, erstaunlich einfach, bedachte man die Konsequenz, die Permanenz, die Unbrechbarkeit des Fluches. Ein tiefes Durchatmen, die Arme ausgebreitet, und die Fackeln an den Wänden verpufften bei den ersten Worten, wie ganz links außen, im Osten des Bannkreises, umgeben von einem Zirkel aus Wacholder und Salz, der sie alle einschloss, Azeem Ibn Siddiq Al-Fattah, Schatzmeister der Bibliothek von Alexandria, die Inkantation zu singen begann.

Die Säule draußen brach in einer ohrenbetäubenden Explosion, und ein Teil des Ganges stürzte ein, doch weder das, noch die Schreie der entsetzten Kinder drangen noch herunter in die Große Halle des Ptolemäus, in der ritueller Gesang von einem Pentagramm in das Nächste übersprang, bis sie alle daran beteiligt waren. Ein anderes Lied sang der Meister der fünf Wächter, legte die Entbindung des grausamen Blutfluches auf den einen, nur einen der siebzig verstreuten Schlüssel irgendwo auf der Welt, fest daran denkend, sich nur diesen einen vorstellend, seine Nummer, seine Erkennung, stumm und wortlos und in tiefster Okklumentik verborgen, lauter denkend als der eigene Herzschlag.

Mondlicht fiel auf die Stufen, der Lärm des Kampfes, Funkenschauer aus rotem Schein und die eiligen, rennenden Schritte vieler Füße drangen in die widerhallende Weite der Halle ein, und nur die unsichtbare Barriere aus Magie hielt diese Ablenkung von ihnen zurück. Nicht mehr lange nun. Ihr Opfer perfekt, sobald Shamaal Ibn Fady Al-Khaliq auf der westlichen Seite die Inkantation beendete.

Nur noch Saladins Stimme sprach jetzt. Das Gefäß gewählt, ein Siegel darüber legend, ein Siegel aus Blut, wie sich der Schlüssel damit verband und auf der jugendlichen Brust so heiß und plötzlich in goldgrünem Glanz zu glühen begann, dass der junge Mann in hellem Schmerz aus dem Schlaf schreckte, weit fort von hier in einem hohen Turmzimmer, und damit das halbe Haus weckte. Der Dunkle Lord schrie vor Zorn, zu spät, um sie noch aufzuhalten, als bereits gleißendes Licht aus den Schlüssellöchern der Tore drang und ein Geräusch wie schrammendes Metall die Halle durchzog. Die Männer rechts und links von ihm fielen auf die Knie und hielten sich die Ohren zu, konnten es nicht ertragen, und niemand, nicht einmal Antonin Dolohov, hielt ihn auf, hielt ihn davon ab, die einzige Chance auf Lösung zu vernichten.

Das Feindfyre schoss unaufhaltsam die lange Strecke zwischen den Säulen hinunter, versengte Stein und Fels auf seinem Weg, doch ehe es die Blase aus Schutzzauber, das viel zu kindisch und albern erscheinende Salz überwinden konnte, sprach Saladin Ibn Ahmad Al-Harani, der letzte Tabularius unter den fünf Wächtern, das abschließende Wort seiner Inkantation. Mit einem Lächeln auf den Lippen, die Gedanken weit fort von hier, wo das Feuer der Vernichtung über ihnen war, verankerte er den Blutfluch der Siebzig Schlüssel von Alexandria: „Da'm.“ - Blut. Und dann war es vorbei.


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Die Entschlüsselung der Namen ist gut und schön, aber manchmal habe ich den Eindruck, dass dem zuviel Bedeutung beigemessen wird. Überspitzt gesagt, könnte Malfoy auch Müller-Lüdenscheid heißen, er würde aber dieselbe finstere Figur bleiben.
Klaus Fritz