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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Expecto Patronum

von Teekon

Die Dialoge sind mal wieder nicht von mir, sondern nur von mir frei übersetzt! Viel Spaß!


Ganz schön schwer war die Kiste, das musste er schon sagen, und das Ding da drin machte es ihm nicht gerade leichter, wie es zappelte und rumpelte und sich von einer Ecke in die andere warf in seiner Panik. „Nun zier' dich doch nicht so!“ quetschte Remus Lupin zwischen den Lippen hervor, wobei ihm die Truhe fast auf die Stufen knallte, und mit einem angestrengten Geräusch bückte er sich rasch, um sie davon abzuhalten. „Uff,“ gab der Professor von sich, entließ das Gepäck aus seinem Griff, dass es auf den Treppenabsatz rutschte und dort erstmal für ein paar Herzschläge liegen blieb, bevor es wieder zu wackeln und zu klappern anfing.

Nein, ein Locomotor würde hier gar nichts bringen. Das führte eher zu einem fliegenden Geschoss als zu einem sinnvollen Transport, und abgesehen von der Gefährlichkeit an sich, würde das nur den ewig lauernden Filch auf den Plan rufen. Und irgendwie hielt er das nicht für eine wirklich erstrebenswerte Idee, den griesgrämigen Hausmeister an derlei Plänen teilhaben zu lassen. Keine Ahnung, ob es irgendwo eine Klausel gab, dass Unterricht für höhere Stufen an Drittklässlern verboten war, oder ob es nicht gestattet war, einem 13jährigen fortgeschrittene Magie beizubringen, aber selbst wenn nicht: Harry wäre bestimmt nicht begeistert davon, wenn es die halbe Schule erführe, und dafür würde Filch mit Sicherheit sorgen.

Fast schon klassisch war das, wie sehr der Junge sich darüber ärgerte und (verständlicherweise) ein wenig schämte, wenn ihn ein Dementor so dermaßen aus der Bahn warf, besonders weil dieser arrogante Stinkstiefel von Malfoy ihn wunderbarst damit aufzog. Vor allen Leuten. Vater wie Sohn, beides Affen. Remus grinste und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Draco war wirklich genau wie Lucius, abgesehen von der Frisur. Stahlgraue Augen mit diesem speziellen stechenden Blick, helles, fast weißblondes Haar und dieser schon jetzt irgendwie verhärmte, stets etwas angewiderte Gesichtsausdruck. Aber nicht nur das stimmte überein. Er war genau so hochnäsig, bestimmend und nach außen hin vollkommen selbstüberschätzt, nur um seine Unsicherheit und Ängstlichkeit zu überspielen. So offensichtlich. Nur eben nicht für eine Horde Teenager. Da funktionierte eine derartige Täuschung ohne Probleme.

Nun, wie auch immer. Als Nachhilfe in Verteidigung gegen die Dunklen Künste konnte das hier nicht durchgehen, denn das wäre fürchterlich albern und überflüssig gewesen bei einem so talentierten Schüler. Zumindest in diesem Fach besaß Harry großartige Fähigkeiten, und das machte Remus schon ein bisschen mehr als nur stolz, das konnte er nicht leugnen. Das war irgendwie, als habe er ein Stück auch von ihm „geerbt“, wo er doch aussah wie James, Lilys Augen und Sirius' Unerschrockenheit besaß. Und manchmal (ach was, ziemlich häufig) stellte er sich sogar genau so dämlich an wie Peter. Als wäre er ihrer aller Kind. Eine merkwürdige Vorstellung, aber ja, so konnte man es bezeichnen. Und schließlich war er auch das Einzige.

Seufzend riss Remus sich aus den Gedanken, schluckte fest dieses Gefühl hinunter und stopfte das Taschentuch zurück in seinen Mantel, bevor er sich bückte und die Henkel der Truhe ergriff. Das Gezappel reichte jetzt wirklich, und er war schon ein wenig spät dran. Harry würde auf ihn warten im Klassenraum für Geschichte der Zauberei, wo sie sich verabredet hatten für den heutigen Abend. Eins stand definitiv fest: Für die nächsten Male, sollten sie sich dazu entschließen, musste er sich etwas Anderes einfallen lassen. Noch mal würde er diesen störrischen Irrwicht jedenfalls nicht quer durch das halbe Schloss schleifen und sich dabei die Arme aus den Gelenken drehen. So ein blödes Vieh ...

Mit einem Ruck hob er die Kiste wieder an und schleppte sie den langen Korridor hinunter, ein ums andere Mal gezwungen, vorsichtig auszubalancieren (was besonders bei schnellem Schritt ganz schöne Schwankungen verursachte und ihn reichlich angeheitert ausschauen ließ), bevor er die eigentlich viel zu große Tür zu dem angepeilten Klassenzimmer erreichte. Eine Hand frei machen konnte er nicht, also drehte er sich einfach herum und ging halbwegs in die Hocke, donnerte mit dem Rücken gegen das Türblatt und hakte sein Schulterblatt in die Klinke, um sie herunter zu drücken und in den Raum zu schieben. Lichter brannten bereits, wie er aus dem Augenwinkel wahrnahm, also war der Junge bereits hier. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war.

Harry James Potter hockte zusammengesunken mit dem Hintern auf einem Pult, ließ die Beine baumeln und hatte bereits den Zauberstab in der Hand, wie er nun aufschaute und ihn erwartungsvoll musterte. Ohne auch nur ein Wort zu sagen, der 13jährige nicht, weil er zu aufgeregt war, der Lehrer nicht, weil die verdammte Kiste zu schwer war, nickten sie einander zur Begrüßung nur zu, während Lupin den Mittelgang entlang schnaufte und sich der Truhe endlich entledigte, indem er sie auf den Schreibtisch von Professor Binns knallte. Geschafft. Und natürlich, prompt jetzt wo es nicht mehr wichtig war, lag der Irrwicht still und rührte sich nicht mehr. Prächtig. Drecksgeschöpf, das. Als hätte es das mit Absicht getan.

Bereits vom Pult herunter gesprungen, war Harry herüber geschlichen und stand nun unschlüssig neben ihm, den Zauberstab zwischen den beiden schlanken Händen drehend und durch seine Brillengläser hindurch nervös das Mitgebrachte musternd. „Was ist das?“ fragte er schließlich und deutete darauf mit dem gleichen Unbehagen, mit dem man eine überfahrene Wasserratte bedachte. „Ein Irrwicht,“ erklärte Remus, fing an, sich aus seinem Mantel zu pellen und schüttelte die schwitzige Hitze ab, die ihm diese Schwerstarbeit eingebracht hatte. Fast wie eine Palette rollender Kohlköpfe in Covent Garden, nur dass die ausschließlich der Schwerkraft und nicht ihrem eigenen Willen folgten.

„Ich habe das Schloss durchkämmt seit Dienstag,“ nickte er, konnte immer noch kaum fassen, wie ruhig dieses Mistding jetzt da in seiner Kiste verharrte, und während er den Mantel über eine Stuhllehne warf, beäugte er ihn immer noch misstrauisch. „Und glücklicherweise fand ich diesen hier, wie er in Filchs Aktenschrank lauerte.“ Kein Wunder also, dass die letzten Schandtaten und Verbrechen der Schüler – besonders der Weasley-Zwillinge – nicht ordnungsgemäß verzeichnet waren. Immerhin konnte der Hausmeister sich des Quälgeistes nicht selbst entledigen, und irgendjemanden darum zu bitten, war ihm wohl zu peinlich gewesen. Wovor sich Filch wohl am meisten fürchtete? Ein riesiger Schmutzpartikel? Eine Horde schreiender Kinder? Oder vielleicht doch die berühmt-berüchtigte „Filch stinkt!“ - Lampe? Remus Lupin unterdrückte ein Kichern und überspielte es, indem er sich hastig ans stoppelige Kinn griff und es fest rieb.

Immer noch stand Harry völlig unbewegt da und mahlte nervös mit den Kiefern, aber der Professor schien das entweder uninteressant zu finden oder bekam es ganz einfach nicht richtig mit. „Etwas Besseres werden wir nicht auftreiben können, was einem echten Dementor näher käme,“ fuhr er einfach fort, obwohl der Junge sich das selbst denken konnte. „Der Irrwicht wird sich in einen Dementor verwandeln, wenn er dich sieht, also werden wir an ihm üben können,“ erläuterte der Professor seine Pläne, schob sich die Zunge gegen die Unterlippe und kratzte sich mit dem Daumen weiter an seinem um diese Uhrzeit recht deutlichen Bartschatten. Er hatte sich das gut überlegt. Wenn es denn schon unbedingt in diese Richtung gehen musste, war das so ziemlich die einzige Möglichkeit, die ihnen blieb. Besser jedenfalls als dieser Wurf ins kalte Wasser, wie damals bei James. Oder eigentlich wie bei ihnen allen.

Ein kurzer Schatten huschte über die zu früh in viel zu viele winzige Fältchen geworfene Stirn des Lehrers, ehe er tief Luft holte und seinen ganzen Körper schüttelte, als habe er eine unangenehme Gänsehaut. Ja, es war wirklich kalt in dem leeren Klassenzimmer eines Geistes. Harry fühlte selbst dieses kribbelige Zittern, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, damit der Erwachsene ihn nicht schon bei dem Gedanken an einen Irrwicht für einen ängstlichen Feigling hielt. „Ich kann ihn, wenn wir ihn nicht brauchen, in meinem Büro verstauen,“ redete Lupin einfach weiter, und zum ersten Mal überhaupt kam sich der Junge vor, als verhindere der Professor damit absichtlich das Aufkommen von Stille zwischen ihnen. Merkwürdig war das. Aber es funktionierte, denn er ließ ihm keine Gelegenheit, zu fragen oder bloß zu denken. „Da ist ein Schrank unter meinem Schreibtisch, in dem würde er sich wohlfühlen.“

Remus nickte noch immer bedächtig, die Hand am Kinn, die Rechte über die Brust gespannt und in die Achsel geklemmt, so dass er den Ellbogen darauf abstützen konnte. Eine Schnapsidee, das Ganze, wirklich. Aber er hatte es ihm versprochen, er hatte es getan, und das nicht leichtfertig, sondern aus gutem Grund. Naja, „gut“ war vielleicht übertrieben. Doch wie Harry ihn angeschaut hatte, die schauderschönen grünen Augen so wässrig und glitzernd, fast flehentlich, weil ihm die Angst ins Gesicht geschrieben war, da hatte er doch kaum ablehnen können, oder? Der Junge fürchtete sich vor den Dementoren (welch Wunder), und er konnte sich nicht wehren, während die Geschöpfe der Nacht eine immer größere Affinität zu ihm entwickelten (ebenfalls keine Überraschung), natürlich suchte er sich da Hilfe. Und eigentlich war es doch eine Auszeichnung, wenn er mit derlei Sorgen zu ihm kam. Oder?

Egal, er hatte ihn hergebracht und er musste das jetzt durchziehen, gleichgültig, an wie vielen Punkten seines Herzens das ansetzte und unbarmherzig zu ziehen begann. Am besten vergaß er das alles, konzentrierte sich auf den Moment und brachte es schnellstmöglich hinter sie. Vielleicht ging es auch gar nicht, vielleicht schaffte er es nicht. Das war ein verflucht schwieriges Stück Magie, nicht nur wegen der Kraft an sich, die man dazu brauchte, sondern eben vor allem wegen dieses so unkontrollierbar emotionalen Aspektes der Erinnerungssuche und Auswahl und ... Merlin, verflucht, er hörte sich an, als wolle er eine wissenschaftliche Abhandlung darüber herunter beten. Eine Vorlesung halten. Es von sich abspalten. Herrgott, es war einfach nicht machbar.

„OK,“ hörte er Harry sagen, und er wollte erleichtert seufzen, dass er ihm ein wenig da raus half. Er klang selbst ganz schön unruhig, und seine kaum gebrochene Stimme bebte mit jedem Herzschlag. Naja, immerhin musste er sich hier seiner größten Angst stellen, nicht wahr? Auch wenn sie nicht wirklich real war, das war schon eine gewaltige Leistung für einen 13jährigen. Das war die eine Zange, links unten in der Brust. Die selbe Einstellung, die gleiche Entschlossenheit, das hier zu lernen, alles zu lernen, was wichtig sein konnte, ohne wirklich zu begreifen, worauf man sich da vorbereitete. 'Und keiner kann leben, während der andere überlebt.' Remus knirschte mit den Zähnen.

Er räusperte sich, damit Harry es nicht hörte. „Also ...“ Nun den eigenen Zauberstab aus der Innentasche seines Tweed-Jackets nehmend, rollte Remus mit den Schultern, um sich darauf vorzubereiten. Vielleicht müsste er ihn gar nicht beschwören, durfte ihn für sich behalten und damit nicht gezwungen sein, selbst in den Tiefen seines Geistes zu kramen. Fast hätte er grimmig gelacht, gar nicht so sicher, ob er in diesem Moment, konfrontiert mit dem bleichen Gesicht des jungen Mr. Potter, überhaupt dazu in der Lage gewesen wäre. Abwarten. Ihm zu nickend, forderte er das halbe Kind auf, sich ebenfalls bereit zu machen, und Harry richtete sich ein wenig auf und streckte den zitternden Zauberstab aus.

„Der Zauber, den ich dir beibringen möchte, ist höhere Magie, Harry,“ musste er ehrlich zu ihm sein, besonders weil so viel Erwartung, so viel Hoffnung und Zuversicht in all dem Grasgrün schwamm. „Weit über Ordinary Wizarding Levels.“ Dieser Junge setzte auf ihn und darauf, dass er ihm helfen könne, mit den Dementoren fertig zu werden, die ihn so quälten. Das war anders als damals. Natürlich hatten die Jungs Ähnliches von ihm erwartet, hatten sich ebenfalls darauf verlassen, dass Moony schon eine Lösung wusste und sie ihnen auch zeigen konnte, damit sie unabhängig und selbstbestimmt handeln konnten. Aber das war etwas Anderes gewesen. Sie alle bloß Kinder, ohne Druck, ohne Muss. In diesem Falle allerdings war er nun ein richtiger Lehrer, hatte Garantenstellung gegenüber dem Schüler, und die zusätzliche emotionale Bindung, die er dem Kind nicht offenlegen konnte, nicht offenlegen durfte, erschwerte das Ganze enorm. Harry brauchte diese Waffe. Und er konnte zu niemand anderem gehen, um sie in die Hände zu bekommen.

Eigentlich war es ein bisschen geschummelt. Nicht nur über Ordinary Wizarding Levels ging das hinaus, sondern auch über die NEWTs. Keinen hatte er je gekannt an der Schule, der ihn beherrscht hätte, abgesehen von einem kleinen Haufen aus vier Gryffindors, und Peter hatte nicht dazu gehört. 'Zeig' ihn mir!' hatte sie gesagt. Und alles hatte sie gekriegt, was sie verlangt hatte. Alles. Das war die rechte untere Ecke in der Brust. In dunklen Klassenräumen Sprüche üben, das Leuchten der Augen, wenn es klappte, die dicken, runden Os auf den Zeugnissen als Belohnung. Nein, nicht die Noten. Das Lächeln. Die Wärme. Wie Watte rundherum. Kaum auszuhalten. Die Augen schließen, nur ganz kurz. „Es ist der Patronus-Zauber.“

Der Junge war zu nervös, um das kräftige Heben und Senken der breiten, schlanken Schultern zu bemerken. Längst hatte er wieder die Spitze seines Zauberstabs ergriffen und puhlte daran herum, als habe sich irgendwas daran festgesetzt. „Wie funktioniert er?“ fragte er und schaute den großgewachsenen Lehrer von unten her an, schluckte dabei so fest, dass sein Kehldeckel laut zuschlug. Professor Lupin holte tief Luft und bekam einen Ausdruck von kühler Nüchternheit, den sich Harry absolut nicht erklären konnte. Aber er wollte jetzt nicht darüber nachdenken, war viel zu beschäftigt damit, aufmerksam zu zuhören. Das fiel jedem leicht bei Lupin, sogar Malfoy (auch wenn er das niemals zugegeben hätte), und heute Abend ganz besonders.

„Nun, wenn er richtig funktioniert,“ fing der erwachsene Zauberer an, „beschwört er einen Patronus, eine Art Anti-Dementor.“ Nach Erklärungen suchend, rotierte seine Hand um das Gelenk, während er die Lippe verzog und schließlich zu den passenden Worten fand. „Ein Beschützer, der so etwas wie einen Schild darstellt zwischen dir und dem Dementor.“ Ja, so konnte man es nennen, obwohl es viel mehr war als das. Eine Personifizierung, ein Spiegelbild der Seele, eine Wiedergabe alles Verinnerlichten dieses einen Menschen, aber das brauchte Harry nicht zu verstehen. Vielleicht war es auch besser so, wenn er sich dessen nicht bewusst war. Das machte es nur noch schwieriger, besonders in brenzligen Situationen, den Patronus auch wirklich erscheinen zu lassen. Sich selbst zum Wächter machen? Und dabei jedem zeigen, wer man tatsächlich war? So viel von sich preiszugeben, das fiel selbst gestandenen Charakterköpfen schwer, aber für einen so jungen Schüler war das undenkbar. Schwierig genug, das Ganze.

Harry sagte keinen Ton, starrte ihn nur mit offenem Mund an, und Remus hatte ein flüchtiges Bild im Kopf von einem 14jährigen mit braunen Augen hinter einer ganz ähnlichen Brille, der ihn ganz genau so beglotzte, weil er ihm ins Gesicht gesagt hatte, dass seine schreckliche Verliebtheit in ein rothaariges Mädchen schreiend offensichtlich war. Das Schmunzeln verschwand so rasch aus seinem Mundwinkel, dass es dem Jungen hier wohl kaum aufgefallen war. „Der Patronus ist eine Art positive Energie, eine Projektion all jener Dinge, von denen der Dementor sonst zehrt,“ folgte er einfach seinem Strang. „Hoffnung, Glück, Überlebenswillen.“

Fast hätte er laut geschnaubt oder sogar gegrunzt, wie er sich das Tierchen vorstellte, wie er ihn vor seinem geistigen Auge sah, den lustig springenden, keckernden, fast albern herumrollenden Kerl mit den bunten Streifen auf dem Rücken. Er sollte das sein. Kein Totenvogel und kein erstarrtes Reptil in der eisigen Kälte seines Nachlebens. Nein, das wuseligste, lebensfrohste und verrückteste Lebewesen, das er sich nur ausmalen konnte: Ein Backenhörnchen. Lächerlich. Aber ihm doch so nah, er würde es niemals tauschen wollen.

„Aber er kann keine Verzweiflung spüren wie Menschen es tun, deshalb können Dementoren ihn nicht verletzen.“ Das klang schon ein wenig seltsam, wenn er das so ausdrückte. Verletzen. Das beinhaltete Wunden und Blut, oder zumindest Schmerz, und für einen Moment forschte Remus in dem schmalen, hohlwangigen Gesicht des Jungen, konnte jedoch keinerlei Erkenntnis über diese Wortwahl entdecken. Er bemerkte es nicht, Harry erkannte nicht, welchen Stellenwert der Lehrer damit einem solchen Patronus beimaß. Gut. Es war sonst wirklich nur zu schwer, er könnte das sonst nicht, er ... kriegte es wahrscheinlich sowieso nicht hin. 13 Jahre, das war dann doch ein bisschen zu jung.

Ach, auf jeden Fall! Wie hatte er ihm nur solche Hoffnungen machen können? Das hier war Harry, nicht James! Und selbst der war ... 16 gewesen? Beim ersten Mal, ohne echte Bedrohung? 17, 18 in wahrem Kampf? „Aber ich muss dich warnen, Harry, der Zauber mag zu anspruchsvoll für dich sein!“ Herrje, Remus mochte sich selbst schelten. Wie hörte sich denn das an? 'Dummer Junge, lass das, du tust dir nur weh!' So meinte er das doch nicht. Hastig anfügend entschärfte er sich selbst: „Viele gut ausgebildete Zauberer haben Schwierigkeiten damit.“

Besser, viel besser. Pete hatte es selten hingekriegt, OK, er war vielleicht kein gutes Beispiel, aber auch Sturgis, wenn er sich recht erinnerte – oder doch eher Stanley? - brauchte immer einen gewissen Abstand, und Caradoc, der gute Hufflepuff, hatte es überhaupt nicht gekonnt. Und der war wirklich gut gewesen. Unschlagbar gar auf manchem Gebiet. Und nie wieder aufgetaucht, nie wieder. Eine winzige Sekunde an ihn zurückdenkend, den Mittleren der drei Dearborn-Geschwister, schloss Remus die Augen, bevor er sich Harrys Frage stellte. „Wie sieht so ein Patronus aus?“
Ein Lächeln setzte sich fest auf den Lippen des Lehrers, wie er den 13jährigen aufmerksam betrachtete, als wolle er durch ihn hindurch, in ihn hinein schauen, und Harry fing sofort an, unruhig auf seinen Füßen hin und er zu wackeln, als könne er dem damit entgehen. Keine Ahnung hatte er, was das sollte, aber Remus konnte es nicht unterdrücken.

Ja, wie mochte der Patronus von Harry Potter wohl aussehen? Die silbernen Gestalten, kraftvoll und stolz, die er von seinen Eltern kannte, konnten die einen Hinweis geben oder war er vollkommen anders? Schwer zu sagen. „Jeder ist einzigartig für den Zauberer, der ihn heraufbeschwört,“ sagte Lupin. 'So einzigartig wie du.'

Die Zähne kurz aufeinander pressend, senkte der Schüler den Blick und nickte, bevor er wieder aufschaute und mit einem gewissen Maß an unruhigem Unwohlsein wissen wollte: „Und wie beschwört man ihn herauf?“ Ah, Knackpunkt. Nein, es war nicht leicht, das war es nicht. „Mit einer Inkantation, die nur dann funktioniert, wenn du dich, so fest du kannst und mit aller Macht, auf einen einzelnen, glücklichen Moment konzentrierst,“ hob Remus einen mahnenden Finger und schaute ihn wie von unten her an, obwohl er mindestens drei Köpfe über ihm aufragte, und seine Brauen verschmolzen in dem schwachen Licht der Laternen an den Wänden mit dem grau tingierten Haaransatz.

Man konnte es regelrecht rattern sehen hinter der Stirn des Jungen. Hierhin und dorthin huschten seine Augen, wie er sich auf der Lippe herumkaute und nachforschte in seinen Erinnerungen, und Remus konnte nicht anders. Er musste lächeln, nicht wirklich fröhlich, aber voller Mitgefühl und Zuneigung. Oh ja, er kannte dieses Problem. Es war nicht so leicht, in einem solchen Leben etwas zu finden, was einen echt und ehrlich von oben bis unten mit purer Zufriedenheit, mit Wärme und Sonnenschein und dem reinen Kribbeln von Seligkeit erfüllen konnte, von den Ohren bis runter in die Zehen, dass es nur so klingelte. Aber es gab irgendwo etwas. Bestimmt. Viel mehr als man ahnte.

Anscheinend hatte Harry sich entschieden, so wie er die kleinen Fäuste ballte, den Zauberstab aus wunderbar dunkler Stechpalme dazwischen (für eine Sekunde runzelte Remus die Stirn – Stechpalme). „Gut,“ sagte der 13jährige und verlangte damit wortlos nach dem entsprechenden Spruch, dem einzigen, was ihm jetzt noch fehlte, um sich an einer Abwehr zu versuchen. „Die Inkantation lautet,“ machte Remus eine theatralische Pause und räusperte sich noch einmal rasch, um das altbekannte Kratzen in seiner Kehle nicht im Weg stehen zu lassen, dass er ihn gut verstand. „Expecto Patronum!“

So lange, wie Harry brauchte, um sich wieder zu bewegen und den Mund zu zumachen, bedächtig zu nicken und sich wiederholend mehrfach „Expecto Patronum“ in den nicht vorhandenen Bart zu murmeln, hätte Lupin beinahe breit gegrinst. 'Raff' ich nich'', hörte er jemanden brummen in seinem Kopf, aber sobald er begriff, wem diese Stimme gehörte, rutschten die Brauen zusammen und die Zähne verschwanden hinter den Lippen. Black. Weg damit! „Du konzentrierst dich auf deine Erinnerung?“ hakte er nach, zwang sich das Lächeln zurück und beobachtete den murmelnd rezitierenden Jungen dabei. Das würde total schief gehen. Denn Harry tat alles, nur konzentrieren tat er sich nicht. „Oh ... Ja!“ behauptete er und errötete sogar ein bisschen, ertappt. „Expecto patrono ... Äh, nein, patronum, 'Tschuldigung ... Expecto Patronum, Expecto Patronum ...“

Machte nichts, es waren ja bloß Übungen. Und ab und zu mal zu versagen bläute einem ein, wie es richtig ging. Und außerdem gab es da nichts, was er noch sagen könnte, was den Pubertierenden nicht in ungewollte Schützengräben trieb. Also, was sollte das? Einfach drauflos. Gerade als Remus das dachte und stumm seufzen wollte, geschah es, wie ein winziger, silberner Faden aus Harrys Zauberstab spross und sich zu einem Trichter ausbeulte, bevor er wieder zusammenbrach und dabei ein Rauschen verursachte wie Wind in einer Häuserschlucht. Erstaunt trat Lupin einen Schritt zurück. Whow! Na, vielleicht könnte es doch funktionieren, ja, wirklich, vielleicht!

„Haben Sie das gesehen?“ rief der junge Mr. Potter aus und klang mindestens genau so freudig überrascht wie sein Lehrer. „Irgendwas ist da passiert!“ Richtig rote Wangen bekam er davon, genau wie sie, und beides trug zu dem sanften Lächeln bei, dass Lupin ins Gesicht kroch, ohne dass er es richtig wollte. „Sehr gut,“ flüsterte er mit glänzenden Augen, die den Jungen nur noch mehr anspornten. „Bereit, es mit einem Dementor zu probieren?“ Keine Ahnung, wieso er es mit einem Mal so eilig hatte, aber Remus mochte überhaupt nicht mehr warten, mochte diese heimliche Lehrstunde nicht in die Länge ziehen. Zu viel hing daran, rechte untere Ecke wieder, ziehend, bisher nur wie ein ungebührliches Kind vor dem Schaufenster eines Spielzeugladens. Mochte schlimmer werden.

Der Junge nickte heftig, angespornt jetzt von diesem kleinen Erfolg, und ein ziemlich böse dreinschauender Krattler mogelte sich in Remus' Gedanken. Yay, heldenhaft, so ein armes kleines Ding zu fesseln, echt. Sich abwendend zu der mitgebrachten Kiste (die immer noch absolut still lag, dieses fiese Stück), kicherte er leise und verbarg es hinter einem Räuspern, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Ohne Vorwarnung, gar nicht darüber nachdenkend, ob er sich noch mal vergewissern sollte, dass der 13jährige wirklich so weit war, klappte er einfach die Verschlüsse auf und zog den Deckel nach oben. Augenblicklich, so als wäre er gar nicht da, kümmerte sich der Irrwicht gleich und direkt um den schwächeren Zauberer in diesem so herrlich dunklen Raum.

Als hätte er in der Kiste gekauert, tief zusammen gesunken und wartend, erhob sich ein Dementor kerzengerade und ohne jedwedes Geräusch, wie nur jemand aufstehen konnte, der keine echten Gelenke besaß. Er stand da, eine vermummte Gestalt, die Kapuze tief in ein abgedunkeltes Gesicht gezogen (falls Dementoren Gesichter hatten), hoch aufragend auf dem Pult des Geschichtslehrers, wie er sich langsam in Richtung des Jungen drehte, und Remus trat einen Schritt zurück hinter den zurückgeschlagenen Deckel der Truhe. Herzklopfen. Zaghaft, aber schnell in der Frequenz, obwohl er genau wusste, es war bloß ein Irrwicht. Die Erinnerung daran reichte völlig aus, die Stimmen im Kopf, die Bilder, die eine solche Begegnung heraufbeschworen, genau so präsent, als wäre das Geschöpf wirklich hier.

Er wollte sich auf den Jungen konzentrieren, wollte ihn ansehen und schauen, wie er damit zurecht kam, ob er tat, was er sollte oder gar nicht mal sprechen konnte, wollte in der Lage sein, zu ihm zu eilen und den Irrwicht selbst zurück zu schlagen, wenn es nötig war. Aber Remus konnte nicht. Ein dumpfer Aufprall von Knien auf Kirschholz, das scharfe Stechen in der Seite, Dumbledores Hand im Nacken, es brach zu heftig herein, wenn auch längst nicht mit der zerquetschenden Realität, die ein echter Dementor herbeiführte. Nur Erinnerungen. Vorbei, aus, nie wieder kehrend! Er zwang sich zur Ruhe, schob die Gedanken beiseite, die Geräusche, das Gefühl, die Rufe, das Leid, und schon war er wieder ganz hier.

Gar nicht richtig mitbekommen hatte er dadurch, wie der vermeintliche Seelensauger aus der Truhe heraus getreten war, so als wäre der Höhenunterschied zwischen Tisch und Steinboden bloß eine einzelne Stufe in einer Treppe, und das Knacken der schleimigen Fingergelenke mischte sich mit einem langgezogenen, rasselnden Atemzug der Kreatur. Harry wich zurück, die Augen riesengroß, irgendwie noch verstärkt durch das Glas seiner Brille, der Zauberstab bebend erhoben, wie er die Inkantation herausbrüllte, einmal, zweimal, und schon brach er ab und sackte in sich zusammen. Nur noch das Weiße in den Augen zu sehen, bevor er ohnmächtig wurde und auf den Fliesen aufschlug.

Hastig eilte Remus nach vorn, das eigene Erlenholz gezückt, und den Jungen außer Gefecht gesetzt, wandte sich der Irrwicht bereits in seine Richtung, der Dementor verschwamm in einem Strudel des Gestaltwandelns, und dann hing der silbern glühende Vollmond wie eine hässliche Laterne mitten im Raum. „Guter Versuch,“ lachte Lupin bitterlich. „Aber das zieht nicht. Riddikulus!“ Ein bestimmter Schwung des Zauberstabs, und der Irrwicht in Form des Trabanten hatte keine Wahl, als seinem Befehl zu gehorchen. Regelrecht zurückgeworfen wurde er in seine Kiste von der Gewalt des Zaubers, und der Deckel klappte scheppernd zu, während die Lichter ringsherum wieder ansprangen.

„Harry!“ rief er ihm zu, hockte sich neben den bewusstlosen 13jährigen am Boden, aber er brauchte ihn noch nicht einmal anzufassen, so schnell, wie er bereits die Augen wieder öffnete. Es war also nicht allzu schlimm gewesen. Wie sehr das Remus innerlich erleichterte, durfte das Kind niemals erfahren. Er wusste, was Harry hörte, er kannte die Szene, die er durchlebte, wenn er auf einen Dementor traf, auch wenn er selbst sie nicht erlebt hatte, und sie tat zu weh, schmerzte ihn, ohne sie sich wirklich vorstellen zu können. Nie hatte er sich das erlaubt, obwohl er wusste, dass es geschehen war, sogar ein wenig, wie es geschehen sein musste, hatte gesehen, was übrig geblieben war, aber niemals, nie hatte er sich in diese Gefilde begeben, es sich ausmalen zu wollen. Aber als der Junge es gesagt hatte im Zug, da war es da gewesen, vor seinem geistigen Auge, so als wäre er auch dort gewesen. Sie hatte ... geschrien.

Der Schüler stöhnte und griff sich an die Stirn, setzte sich umständlich auf und hockte da auf dem kalten Boden. „Sorry,“ murmelte er, als müsse er sich dafür entschuldigen, ein Herz zu haben. Dass sein Lehrer sich mit dem ausgeleierten Ärmel seines Jackets so fest über die Nase strich, dass ihm der Knopf daran einen Riss in die Wange schlug, das konnte er nicht sehen mit all den Schleiern vor den Augen. Er schwitzte gewaltig, aber sonst wirkte er eigentlich doch recht gefaßt. „Geht es dir gut?“ erkundigte Remus sich trotzdem und hielt sich mit aller Gewalt davon ab, ihm beruhigend eine Hand auf den Rücken zu legen und ihn genau so freundschaftlich und liebevoll zu streicheln wie einen heulenden Jungen an einem Valentinstag, so viele Jahre zurück liegend.

„Ja,“ murmelte Harry und griff beherzt nach einem Tischbein gleich neben seinem Kopf, um sich daran hochzuziehen. So rasch, wie er das tat, musste ihm einfach schwindelig werden, aber er ließ es sich nicht anmerken, oder versuchte das zumindest, und stützte sich auf das Pult mit flatternden Lidern. Er wollte wohl nicht schwach wirken vor seinem Lehrer. Remus musste lächeln. Überflüssig. Weil es nichts mit Schwäche zu tun hatte. Und weil er es durfte. Bei ihm. Sich in die Taschen seiner Tweed-Jacke greifend, beförderte Lupin einen Schokoladen-Frosch daraus hervor, den er mit einem winzigen, wehmütigen Seitenblick dem Jungen reichte.

„Hier,“ bot er an, „iss den, bevor wir es noch mal versuchen.“ Aufmunternd nickte er ihm zu, und Harry fing an, mit zittrigen Fingern die Verpackung zu öffnen. Man konnte ihm dabei zuschauen, wie er sich an die wohltuende Wirkung gewöhnt hatte, wie sehr er darauf baute. Ungeduldig grabschte er das arme Ding, bevor es seinen berühmten einzigen Sprung vollführen konnte.

„Ich hatte nicht erwartet, dass du's gleich beim ersten Mal schaffst,“ ermutigte der Lehrer, ließ sich ebenfalls halb mit einem Oberschenkel auf dem Schülerpult nieder, das Harry noch immer als Stütze nutzte, legte beide Hände auf einem Knie ab und beugte sich herunter, damit er dem Kind ins Gesicht schauen konnte. „Ehrlich gesagt, wäre ich sehr überrascht gewesen, wenn es geklappt hätte.“ Unter seinem wirren, dunklen Haarschopf schüttelte der 13jährige sich ein wenig und sprach beinahe zu sich selbst. „Es wird schlimmer,“ murmelte er, biss dem Frosch herzhaft den Kopf ab und kaute darauf herum, ohne zu merken, wie der Professor zusammen zuckte. „Ich konnte sie lauter hören dieses Mal,“ sagte Harry, „und ihn – Voldemort.“

Das musste einfach mehr als sichtbar sein, wie noch mehr Farbe aus Lupins Gesicht rutschte als ohnehin schon, wie er bleicher wurde als ein Leichentuch und die Rechte von seinem Oberschenkel gleiten ließ, um sich mit kräftigen Fingern krallend an der Tischplatte festzuhalten. Lauter. Sie. Er wusste genau, wen er meinte, keine Ausführungen notwendig. Eine Vorstellung, wie sie nicht fassbar war, denn Lily Evans, Lily Potter, hatte niemals geschrien, nicht wenn er dabei gewesen war. Immer gefasst, immer ruhig, das Mädchen, die junge Frau, stärker und härter als sie alle zusammen. Unzerbrechlich. Heftig schlucken musste er, um die aufkommenden Tränen niederzukämpfen. „Harry, wenn du nicht weitermachen willst, verstehe ich das mehr als gut ...“ Harry? Nein, es war nicht Harry, der vielleicht nicht weitermachen wollte.

„Ich will!“ rief der Junge aus, die Potter'schen, geschwungenen Brauen aufgetürmt zu angriffsbereiten Schlangen, fast ein wenig wütend. Noch bevor er den Froschkopf zuende gekaut hatte, stopfte er sich den Rest der magischen Süßigkeit in den Mund und sprach hindurch, dass seine Stimme ganz belegt und dennoch bestimmt klang. „Ich muss! Was, wenn die Dementoren beim nächsten Spiel gegen Ravenclaw wieder auftauchen?“ Mit einer seiner wirklich winzigen Fäuste auf das Pult schlagend, wehrte er sich. „Wenn wir das Spiel verlieren, können wir den Quidditch-Pokal vergessen!“

Quidditch! Inmitten dieser grässlichen Schmerzen musste Remus fast lauthals lachen. Wie konnte dieses Wahnsinnskind denn an Quidditch denken, wenn er gerade seine Mutter um ihr Leben schreien gehört hatte? Wenn Voldemorts grausame Stimme in seinem Kopf lachte? Merlin, das war so ... So Potter! Es steckte viel mehr dahinter, es musste einfach, dafür war er ein viel zu gutmütiger und viel zu lieber Junge, aber genau wie James verleugnete er die tieferen Gründe, sperrte sie aus, um bloß nicht zu merken, wie übergroß die Probleme waren, wie schwierig und verzwickt alles. Quidditch! Was ein Vorwand! Und Remus war sich sicher: Harry glaubte das, was er da gesagt hatte. Dass es nur darum ging, einen verdammten Pokal für sein Haus zu gewinnen.

Gefangen zwischen Lachen, Weinen, Lächeln, Brüllen, rieb Lupin sich schon wieder kurz, aber fest das Kinn. „Also gut, dann,“ überlegte er laut und gab ein sinnierendes Geräusch von sich, das einem träumenden Bären ähnelte. „Du solltest vielleicht eine andere Erinnerung auswählen, einen glücklicheren Moment, ich meine, auf den du dich konzentrieren kannst,“ schlug er schließlich vor, wenn er sich das so ausdachte. Quidditch. Vermutlich hatte der dusslige Kerl irgendwas aus dem Bereich genommen, und das konnte vielleicht schön und auch überschwänglich sein, aber niemals wirkliches Glück bedeuten. Also ehrlich. Sport. Noch nie geküsst? Natürlich nicht, erst 13. Und mit Sicherheit niemals umarmt worden bei diesen fürchterlichen Menschen, zu denen man ihn gesteckt hatte. „Diese scheint nicht stark genug gewesen zu sein.“

Wie zuvor nickte Harry heftig und grübelte so offensichtlich vor sich hin, dass sein Schädel fast zu rauchen anfing. Dabei bewegte er die Lippe hin und her, spielte mit seiner Zunge herum und schien etwas Anderes gefunden zu haben, das ihm qualifiziert vorkam. Den Zauberstab einmal in der Hand drehend, griff er ihn fester, stieß sich von dem Tisch ab, auf den er sich gestützt hatte und auf dem sein Professor saß und sich selbst die Fingernägel der einen Hand unter die anderen schob. „Fertig?“ fragte Remus und erhob sich, um hinter das Lehrerpult zu stapfen und nach dem Deckel zu langen. „Fertig!“ behauptete Harry und berührte so hart mit dem Kinn das eigene Brustbein, dass es klatschte. „Los!“

Und Remus öffnete die Truhe erneut, in der sich der Irrwicht ganz still verhalten hatte (wo ihm wohl nun bewusst war, dass man ihm nichts Böses wollte und er nicht zu irgendwelchen ekelerregenden Zaubererexperimenten herangezogen werden sollte, von denen man sich in seinen Kreisen angsterfüllt erzählte), und ohne zu zögern, verwandelte er sich in einen Dementor. Eiseskälte strömte ihm voraus und löschte die Lichter aus, wie er fußlos aus seinem Gefängnis zu schweben schien und auf den Jungen zuglitt. Seine Rolle mehr als gut spielend, streckte das Geschöpf eine glitschige Hand aus, der Zauberstab hob sich in seine Richtung, aber schon klappten Harry die Knie weg.

Richtig enttäuscht schaute der Irrwicht aus, hatte augenscheinlich nicht mal recht Lust, sich in den Vollmond zu verwandeln, als der Mann im Tweed-Anzug hinter dem umgeklappten Deckel hervortrat, um ihn wieder in die Kiste zurück zu zwingen. Das war wirklich sehr schnell gegangen dieses Mal, und nicht nur der vermeintliche Dementor war darüber überrascht. Sobald er konnte, das magische Wesen wieder sicher verstaut, fuhr Remus herum und eilte hinüber in die Mitte des Klassenzimmers, wo Harry kalt und still auf dem Boden lag, lang ausgestreckt, der Zauberstab aus den klatschnassen Händen gerutscht. Tiefer in Bewusstlosigkeit dieses Mal, trotz der vorher verabreichten Dosis Schokolade, war er, und für einen winzigen Moment spürte Lupin sein eigenes Herz schneller schlagen in Furcht.

„Harry!“ kam dieses Gefühl zu deutlich heraus, wie er ihn an der Schulter fasste und leicht schüttelte, schluckte es hastig herunter und tätschelte ihm hart, aber nicht schlagend, die Wange. „Harry, wach auf ...“ Von Schrecken zu Sanftheit, beides durfte der Junge nicht hören, aber er würde auch nicht. Viel zu groggy schaute er aus, rollte mit den Augen und stöhnte, wie er nur sehr langsam wieder in diese Welt zurückkehrte. Ihm war sicherlich schlecht, und er musste einfach frieren, und am liebsten hätte Remus ihn in seine eigene Jacke und Robe eingewickelt und gewärmt, doch das konnte er nicht machen. Das reichte wirklich. Es klappte eben einfach nicht, es war zu schwer und zu viel für einen 13jährigen. Diese Dinge immer wieder hören zu müssen, den schrecklichsten Moment seines Lebens auferzwungen zu bekommen, nein, das war nicht in Ordnung. Schon gar nicht für ein Kind.

Und dann sagte er es. Wieso auch nicht? Er hatte keinen Grund dazu, es zu verschweigen. Wie könnte er wissen, was er da anrichtete? „Ich hab' meinen Vater gehört.“ Ein flächenförmiges Reißen, so als hätte man nun alle vier Ecken in seiner Brust gepackt und gleichzeitig die zwölf Pferde daran anziehen lassen, und Remus spürte, wie er einknickte und sich die flache Hand gegen den Schwertfortsatz drückte, als könne er damit verhindern, dass es ihn zersplitterte. Harry sah das nicht. „Das ist das erste Mal, dass ich ihn gehört habe,“ richtete er sich auf, die Beine immer noch ausgestreckt, halb abwesend. „Er hat versucht, sich Voldemort allein entgegen zu stellen, er ...“ Das Rauschen in Remus' Ohren schwoll in einem sagenhaften Crescendo an, wurde aber nicht laut genug, um seine Worte vollends auszublenden. „wollte meiner Mutter Zeit verschaffen, damit sie davonlaufen konnte ...“

Er hatte nicht gehört, was Harry gehört hatte. Das brauchte er nicht. Die Puzzleteile, nun zusammengetragen und ergänzt, setzten sich ungefragt zusammen in Remus' Kopf. Die zertretene Brille, Bügel und Rahmen zerquetscht, die Gläser herausgesprungen in winzigen, scharfen Scherben, wie sie auf seinem harten Tisch in Aldgate gesessen hatte, tagelang. Im Treppenaufgang gelegen hatte er, der Länge nach ausgestreckt, unbewaffnet, der Zauberstab in der Stube im Sessel, herausgerutscht aus Hemd oder Hose. Einfach über ihn drüber gestiegen, von den Füßen gesprengt mit grünem Feuer, wie eine lästige Fliege, ohne Respekt, ohne Mühe. Weil er sich in den Weg gestellt hatte. Keine Chance. Es gewusst. In Kauf genommen. Ignoriert. Nur für Zeit. Für kostbare Zeit, sonst nichts. Gewusst, dass es das Letzte sein würde. Tapferer alter James.

Wie der Junge sich weit vornüber beugte und in Übersprungshandlung seinen Schnürsenkel zu binden anfing, bemerkte Remus nur aus dem Augenwinkel, starr und steif auf eines seiner eigenen Knie gestützt, das andere angezogen und mit dem Oberkörper darauf lehnend, noch immer dieses pulsierende Brennen in der Brust. „Du hast James gehört?“ Er wollte das nicht sagen, es kam von ganz allein über seine Lippen, viel zu eindeutig, viel zu familiär ausgedrückt, doch es war schon zu spät. Belegt und dumpf klang seine eigene Stimme, von allen Seiten eingeengt und überlagert von drückendem Schmerz und unaufhaltsamen Tränen, die nicht fließen durften. Nicht vor dem Kind.

„Ja,“ sagte Harry, stutzte, wie es ihm doch noch auffiel. Remus schloss die Augen, betete zu irgendwelchen Mächten, der Moment möge vorüber gehen und den 13jährigen darüber hinweggehen lassen, aber er tat es nicht. „Wieso ...? Sie kannten meinen Vater nicht, oder doch?“ Er hatte ihn 'James' genannt, nicht 'deinen Vater'. 'James'. Mit diesem Unterton in der Stimme, weich, fast zärtlich, so wie Mrs. Weasley ihre Söhne rief, auch wenn sie etwas ausgefressen hatten, so wie Hermine 'Ronald' murrte oder 'Harry' quietschte. Remus wusste das, hatte es selbst wie Samt gespürt auf der Zunge, und er konnte es nicht zurück nehmen. Lügen? Darin war er nicht besonders gut, und es wäre nicht fair gewesen, weder dem Jungen gegenüber noch dessen totem Vater. „Ich,“ stammelte Lupin, nur noch einmal mit sich kämpfend. Nein. Ehrlich sein. Er war es ihm schuldig. Ihnen beiden. Er, der überlebt hatte. „Ich kannte ihn tatsächlich. Wir waren Freunde in Hogwarts.“

Dem Kind klappte der Kiefer herunter, und die grasgrünen Augen weiteten sich, wie er nach Luft schnappte und die passenden Worte suchte, aber Remus ließ ihn nicht. Er hatte es ihm verraten, ja, OK. Mehr nicht. Mehr würde er ihm nicht geben, das konnte er nicht verlangen, schon gar nicht jetzt, einfach so, ohne Vorbereitung. „Hör' mal, Harry,“ wechselte er rasch das Thema, zog sich bereits körperlich von dem Jungen zurück und stemmte sich auf die Füße, wandte sich ab und schloss erleichtert die Augen. So konnte er wenigstens die Kontrolle über seine Gesichtszüge abgeben, wenn der Schüler ihn nicht ansehen konnte. „Vielleicht sollten wir's einfach lassen. Dieser Zauber ist lächerlich hoch gegriffen ...“ Er schüttelte erst den Kopf, dann den ganzen Körper. Er konnte es nicht schaffen, es war einfach zu viel. Und je häufiger er es versuchte und weiter hinabrutschte in die Erinnerung an jene Nacht, die er, so klein wie er gewesen war, bewusst nicht greifen konnte, desto schlimmer wurde es. Für sie beide.

Ihm sowas anzutun. Das arme Kind, bisher verschont davon, frei in Herz und Geist, nicht damit belastet. Jetzt würde er das niemals mehr vergessen, was er da gehört, vielleicht auch schon gesehen hatte, würde davon träumen und nie mehr davon loskommen, genau wie er. Am liebsten hätte Remus sich selbst geohrfeigt oder Schlimmeres, so gedankenlos gewesen zu sein. Wozu sollte sowas gut sein? Ein Leidensgenosse geschaffen, jemanden, der es ebenso fühlen konnte, war das seine heimlich Intention gewesen, die er vor sich selbst verborgen hatte? Ihgitt! Er schämte sich vor sich selbst, heiße Röte dieser Reue im Gesicht, und er stopfte sich einen Fingerknöchel in den Mund, um heftig darauf zu beißen, aber er brachte es nicht fertig, Blut kommen zu lassen. „Ich hätte es nicht vorschlagen dürfen, dich das durchstehen zu lassen ...“

„Nein!“ unterbrach der junge Mr. Potter heftigst, hatte es ganz anders verstanden. Hastig stand er auf, zitterte nicht einmal mehr, sondern schaute ernst und willentlich aus, mehr als je zuvor. „Ich will's einmal noch versuchen!“ verlangte er beinahe flehentlich, ganz dicht hinter Remus nun, und vielleicht hatte er vor, seinen Lehrer anzufassen, herum zu drehen, damit er ihn ansah und begriff, wie wichtig dem Jungen dieses Training war. „Ich denk' nicht an die richtigen Sachen, das ist es, warten Sie!“ sprudelte er regelrecht heraus, als habe der Professor bereits zusammen gepackt und die ganze Sache abgeblasen, dabei stand er noch immer da, kaute auf seinem Zeigefinger herum und rieb sich fest mit dem Daumen der selben Hand das Kinn, bevor er sich endlich umdrehte.

Er wollte es so sehr. Hin und her drehte und wand sich Harry, die Stirn in so viele tiefe Furchen gelegt, die Zunge zwischen den Zähnen und angestrengt atmend wie ein 4jähriger, dem etwas nicht gelingen wollte. So sehr. Und dabei war ihm sicher immer noch nicht bewusst, dass es nicht um Quidditch ging. Anfänglich vielleicht, irgendwann mal. Längst nicht mehr. Er wollte sich beweisen jetzt, wollte stark sein, unumstößlich, und er wollte auch wieder dieses stolze Lächeln im Gesicht eines einfachen Lehrers sehen, den er doch kaum kannte. Weil er jetzt mehr wusste? Weil er, tief in seinem Inneren, ohne das selbst zu begreifen, nun jemanden vor sich stehen hatte, dem er an Stelle seines Vaters zeigen konnte, wozu er fähig war? Remus wusste es nicht. Alles, was er sah, war die selbe, angespannte und frustrierte Miene, die James Charlus Potter präsentiert hatte, wenn er etwas wollte, diese vor Wut verzerrte Grimasse, Wut auf sich selbst und das blöde Schicksal, wie damals im Turmzimmer, als sie sich angeschrien hatten. 'Versprochen hast du's, du Mistkerl, du Verräter!'

Einmal noch. OK, einmal. Weil er es verdient hatte, aber dann nicht mehr. Es war zu viel für sie beide, den Jungen wie den Mann, und es war sinnlos, es auszuhalten, wenn es keinen Nutzen brachte. Nicht einmal seufzend, drehte Remus sich herum und trat an die Kiste heran, während Harry sich die Schultern ausschüttelte wie ein Bobfahrer am Eiskanal und den Kopf hin und her knacken ließ. „Fertig?“ fragte Lupin, obwohl er am liebsten selbst mit „nein“ geantwortet hätte. „Konzentrierst dich?“ musste er sich dieses Mal wirklich versichern, wollte es selbst, musste es einfach haben, musste wissen, dass Harry diese Erinnerungen aussperren konnte, dass er damit fertig wurde. Bitte, er musste! „Und los!“

Wie zuvor riss er den Deckel der Kiste hoch, und der Irrwicht war bereits zum Dementor geworden, noch bevor die Scharniere einrasteten. Er trat hervor, hinunter von seiner erhöhten Position, brachte Kälte und Dunkelheit und erfüllte die beiden Herzen in dem Raum mit bitterer Verzweiflung. Aber dieses Mal war der Junge gefasst. Dieses Mal bebten seine Hände nicht. Er hielt den Zauberstab ausgestreckt und bereit und vollführte diese leise, sachte Kreiselbewegung, während er die Inkantation aufsagte, laut und klar und deutlich: „Expecto Patronum!“ Einen zögerlicheren Schritt auf ihn zu tat das Wesen, er wich nicht zurück. „Expecto Patronum!“ Eindringlicher, fast gebrüllt, und dann ein drittes Mal, ohne zu schwanken. „Expecto patronum!“

Kein Gestaltlicher erschien. Aber ein enorme Wand aus silbernem Licht, wie ein Teller, rund und poliert, und Remus spürte, wie Glück und Seligkeit in das Klassenzimmer zurückkehrten mit einem einzigen Schlag, donnernd wie ein Schlägel auf einem Gong aus singendem Messing. Erstaunlich. Nicht, dass er es geschafft hatte, nicht, dass da ein Patronus in gewaltiger Kraft aus dem Zauberstab eines 13jährigen schoss. Die Farbe. Immer wieder überraschend und schön, so schön. Silberweiß. Wie ein blendender Vollmond.

Der falsche Dementor wich zurück, und er tat das so wunderbar und leicht, dass Remus beinahe vergessen hätte, dass es gar keiner war, und dass man ihm anderweitig endgültig beikommen musste. Harry sah nicht aus, als würde er das nun hinbekommen. Machte nichts. Vorspringend zückte Lupin seinen eigenen Erlenstab und hielt ihn dem Gestaltwandler unter die Kapuze. „Riddikulus!“ befahl er ihm, und aus dem Dementor wurde nur für Sekundenbruchteile ein leuchtendes Himmelsgestirn, bevor er ihn zurück in seine Kiste bannte und den Deckel fest verschloss. Vorbei. Geschafft.

„Ausgezeichnet!“ rief er aus, klopfte fest mit der flachen Hand auf die Truhe, dass der arme Irrwicht darin in Panik in eine der Ecken floh und dort gegen die Außenwände seines Gefängnisses stieß, dass er fast das ganze Ding vom Pult geworfen hätte. Sich aufstemmend, vollführte Remus eine triumphierende Geste, schritt auf den Jungen zu. „Ausgezeichnet, Harry, das war ein hervorragender Anfang!“ Oh so schön, oh fantastisch, er konnte es! Liebend gern hätte Remus jetzt behauptet, er hätte das die ganze Zeit über gewusst und wäre sich absolut sicher gewesen, aber das stimmte nun einmal nicht. Im Gegenteil. Aber das war jetzt egal, denn es klappte, es klappte ganz fabelhaft sogar! Das war schon ein gewaltiger Patronus gewesen für einen ersten Versuch, besonders wenn man das mehr als jugendliche Alter des jungen Zauberers bedachte!

Neuer Enthusiasmus war das, was ihn da erfüllte, so als hätte er einen eigenen glücklichen Gedanken fassen müssen, und sie kamen ganz von allein. Schon merkwürdig, dass sie immer noch funktionierten, oder? Die selben wie früher, das Turmzimmer, 'Du Mondsüchtiger'; ein Spaziergang in der Nacht, vier Freunde, Arm in Arm; beruhigendes Flüstern, 'hab's immer gewusst, ist alles gut', Frühlingsblumenduft an ihrem Ohr. Immer die selben Menschen, die solche Gefühle ausgelöst hatten, und obwohl keiner von ihnen mehr am Leben war (nicht wirklich jedenfalls, nicht für ihn), hatten sie noch immer diese unzerstörbare Macht. Einer dieser wenigen Herzschläge in einem Zeitalter brach da über Remus hinein und war genau so schnell wieder verschwunden, dieser Millisekundenbruchteil, in dem eines klar ist: Der Tod ist nicht der Feind, der Tod ist nicht das Ende. Genau so rasch verblasste die Erkenntnis wieder, doch sie ließ helles Licht und neuen Mut zurück.

„Können wir's noch einmal machen?“ greinte Harry, der, obwohl ihm die Beine wegbrechen wollten, keinerlei Bedürfnis verspürte, nach einem solchen Erfolg aufzuhören. „Nur noch einmal?“ bat er, die grünen Augen so bettelnd, und er wollte wohl wirklich die Hände falten und sie dem Professor unter die Nase halten. Keine Ahnung hatte er, welches Bild er da heraufbeschwor. 'Schichte!' Kein Schmerz durchfuhr Remus, er wollte lachen. Immer hatte er ihn rumgekriegt, immer. Noch ein Lied, eins nur. Noch eine Geschichte, bitte, bitte, nur die noch! Aber nicht heute. So niedlich war er längst nicht mehr. Ähnelte James jetzt auch vom Äußeren her viel zu sehr, als dass man ihm solches Theater abnehmen konnte. „Nicht heute,“ verneinte Remus streng. „Du hattest genug für einen Abend.“ Lily hätte gejohlt und gejubelt! 'Braver Junge, sei stark, sei ein Mann, Remus, wehr' dich gegen diese Zuckerwatte-Attacke!' Heimlich grinsend griff er erneut in die Tasche seines Jackets. „Hier ...“

Einen ganzen Riegel der besten Schokolade aus dem Honigtopf hatte er da, konnte durch das gelbe Papier hindurch das satte Aroma riechen und hätte gerne selbst mal reingebissen. Wenigstens in so weit durfte er ein wenig weich sein, oder? „Iss sie ganz, oder Madame Pomfrey erschlägt mich,“ forderte er den Jungen auf und reichte ihm die Süßigkeit. „Nächste Woche, selbe Zeit?“ Hey hey, fast ein bisschen übermütig, was? Gut, es hatte geklappt, man sollte das nutzen und das Training nicht schleifen lassen, und einmal die Woche war gut. Das kollidierte nicht mit Quidditch (er wollte am liebsten die Augen rollen) und würde reichen. „OK,“ sagte Harry und versenkte seine erstaunlich geraden Zähne in dem wohlduftenden Riegel Schokolade.
Zufrieden nickend, schnaubte Remus und trottete an die Innenwände des Klassenraums, um die Laternen auszulöschen. Zeit zu gehen, bevor noch Filch den Lärm bemerkte und sie doch noch „erwischte“. Alles fühlte sich wieder richtig an, egal, wie sehr dieser Abend gezehrt hatte.

Vielleicht doch keine so schlechte Idee. Es war, wie nach Hogwarts überhaupt zurückkommen. Es tat weh, ja, Erinnerung an jeder Ecke, aber es war auch eine Art Kur, eine Desensibilisierung, ein Heilmittel, sich damit auseinander zu setzen und es verarbeiten zu lernen. Hätte er das schon eher tun sollen? Das war nicht mehr wichtig, es geschah jetzt und hier und funktionierte und fühlte sich herrlich an.

„Professor Lupin?“ hörte er den Jungen in seinem Rücken sagen, und leise vor sich hin summend, fiel ihm gar nicht gleich auf, wie merkwürdig belegt und zurückhaltend Harry mit einem Mal klang, und das hatte nichts damit zu tun, dass er den Mund voller Schokolade hatte. Nur noch eine einzelne Lampe fehlte, deren Licht er auslöschen musste, doch so weit kam er nicht. „Wenn Sie meinen Vater kannten,“ fuhr Harry fort, weil er keine Anzeichen dafür sah, nicht weiter zu sprechen, „dann müssen Sie auch Sirius Black gekannt haben.“ Der Name schlug ein wie eine Faust, als habe er ihm ohne Warnung einen kräftigen Haken in die Nieren verpasst, und genau so knickte Remus auch ein. Sirius. Black. Sirius Black. Verräter. Schreckgespenst. Geißel seiner einsamen Tage. Sirius Black. Sirius.

Der unbändige Zorn, dieser milde Versuch, jemanden zu hassen, drückte Remus heißes Blut in den Schädel, und er fuhr so hastig herum, dass seine abgenutzten Schuhe auf dem steinernen Boden quietschten. Die grau-braunen Strähnen seines nie wirklich dick gewesenen Haares flogen ihm in die Stirn, und da war viel mehr Feuer in seinen Augen, als er es zeigen wollte, die Kieferwinkel hart von zusammengepresster Muskulatur. „Wie kommst du darauf?“ blaffte er den 13jährigen an, der augenblicklich unter dem ganzen Eindruck zusammen zuckte und sich an seiner Schokolade verschluckte. „Gar nicht!“ versicherte er und hustete kräftig, bevor er sich überhaupt richtig erklären konnte. „Ich meine nur, ich weiß, dass sie auch Freunde waren in Hogwarts ...“

Er wollte ihn nicht kennen. Aber das ging eben nicht. Er kannte Sirius Black. Ja. Besser als mancher. Besser als ... gut sein konnte. Er blendete das aus, alles, drückte es tief in seine Eingeweide herunter, den versteckten Vorwurf, der sicherlich nicht Harrys Intention entsprach, diese Frage zu stellen, genau so wie die Erinnerungen an einen schrecklich betrunkenen Lockenkopf, den man halb die Stufen hinauf schleifen musste, während er fröhlich und friedlich sein Liedchen weiter trällerte. Denn davon müsste er lachen und keuchen gleichzeitig, und das ging nicht. Weder vor Harry, noch vor sich selbst. Verboten! Nie geschehen, niemals! Tod, Tod war OK. Aber nicht Verrat, nicht Verrat, so tief, so tief.

Die Augen schließend, schüttelte Remus das ab, entspannte sich, blasste wieder ab. Der Junge meinte es nicht böse. Es war eine legitime Frage, mit der man rechnen musste. Immerhin war er vielleicht selbst manchmal ein wenig schwer von Begriff, aber er hatte zumindest eine sehr schlaue Freundin, die ihn auf solche Fährten schicken konnte. Ja, daher musste er das wissen, Miss Granger musste das herausbekommen haben. „Ja, ich kannte ihn,“ gab Lupin zu, als wäre es ein einzelnes Wort, ließ die Tatsache dabei nicht an sich heran. „Oder zumindest dachte ich das.“ Es funktionierte nicht, füllte statt dessen jeden Zipfel seines Seins, und er konnte das alles wieder spüren, hörte das bellende Lachen, das belustigte Glucksen, sah die sprühenden Augen und den lässigen, halb eingeknickten Gang, fühlte die kalte Hundenase, die kitzligen Barthaare, Kribbeln in jedem noch so winzigen Nervenende. Raus. Allein sein.

„Du gehst jetzt besser, Harry, es ist spät.“ So urplötzlich, wie er von einem Thema zum anderen sprang, musste der Schüler, der Sohn von James und Lily, einfach begreifen, wie unangenehm ihm die Erwähnung des entflohenen Häftlings war, und deshalb wehrte er sich nicht, nickte nur und huschte schneller aus dem Klassenraum als ein frisch befreiter Krattler auf einem ganz ähnlichen Steinfußboden vor vielen, vielen Jahren. So weit entfernt, so weit, wie Merkur von Pluto. Und er darauf gestrandet. Allein. Und für einen kurzen Moment gar nicht zufrieden damit. So kalt rundherum, wo der Junge nun fort war.

Es ging vorbei, sehr rasch, wie er sich daran erinnerte, warum er das gewollt hatte, und ersetzt wurde es von einer merkwürdigen, seltsam vertrauten Ruhe. Keine Ahnung, wieso. Aber er war nicht traurig, nicht wütend, spürte weder Verlust noch Sehnsucht. Die Schritte verhallten im Korridor, wie Harry die Treppe erreichte, und die Stille einer Winternacht legte sich über den Klassenraum von Professor Binns, dann über ganz Hogwarts. Fröstelnd umarmte Remus sich selbst, lauschte hinaus auf das Knarzen von Dachbalken und das leise Kratzen der Wandteppiche, wenn sie in feinem Luftzug gegen die Steine rieben. Diese eine Lampe in seinem Rücken wurde völlig überdeckt vom schwindenden Mond, wie er durch die hohen Fenster schien, und Remus Lupin trat vorsichtig, bedächtig an den Sims heran.

Das Tal lag unter dem abnehmenden Erdtrabanten in angenehmer Dunkelheit, so wie früher, wie über 1000 Jahre nun schon, das Schloss auf einer Felsenzinne, darunter ein langer, grüner Abhang, nun bedeckt von knirschendem Schnee, bis der Weg die Bahngleise überquerte und die Dächer von Hogsmeade auftauchten. Hier waren sie gelaufen. So viele Nächte. Immer wieder. Gemeinsam, niemals alleine. Daran erinnerte er sich nun, nicht an ein tödliches Halloween, nicht an die Nachrichten, die in seinem Kopf spukten, wenn er einem Dementor begegnete. Der Hirsch, die Ratte, der Wolf und der Hund. Und er lächelte. Weil es gut tat.

Als Remus John Lupin schließlich seufzte und sich herum drehte, um den Kasten mit dem darin wohl eingeschlummerten Irrwicht davon zu tragen, hinunter und hinüber in sein Büro im Erkerzimmer auf der Nordseite, da hätte er schwören können, in seinem Augenwinkel eine Bewegung wahrnehmen zu können. Und vielleicht war es wirklich so gewesen, dass ein vierbeiniger Schatten, ein großes, schwarzes Tier, von einem Busch zum nächsten huschte und in der Nacht verschwand.


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Hoch motivierte Angestellte vergessen morgens aus der S-Bahn auszusteigen, weil sie unbedingt das Kapitel zu Ende lesen müssen. Seit die Potter-Bücher auch in den Chef-Etagen aufgetaucht sind, häufen sich im Management die plötzlichen Krankmeldungen.
Meike Bruhns, Berliner Zeitung