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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Der Patenonkel

von Teekon

Mitten auf den kleinen Hof zwischen der Wirtsstube und dem Haupthaus apparierte er, fand sich wieder auf dem Kies, über den Aberforth noch vor Kurzem in der dunklen Nacht gestolpert war, aber Sirius hatte keinen Sinn für derlei Erinnerungen in diesem Moment. Viel zu aufgeregt war er dazu, wenn er das auch zu verbergen versuchte. Ihm klopfte das Herz ganz kleinlaut und sagenhaft schnell in der Brust, und er zog die lange, warme Winterrobe fest um seine Schultern und atmete eine dicke Wolke aus weißem Atem hinaus.

Mann, war das kalt! Ja, sicher, der klare, hellblaue Himmel und die darin schwimmende Scheibe der Sonne hatten das schon irgendwie angekündigt, aber trotz relativer Windstille war die Luft einfach nur eisig. Es roch nach aufziehendem Schnee, obwohl der Horizont weit und breit so leer und weit blitzte, bis die umliegenden Berge sich davor schoben. Der Winter drohte, wie es schöner nicht sein konnte an diesem Nikolaustag, und das Dorf lag noch halb im Schlaf. Die Außenbezirke waren friedlich, viele Fensterläden geschlossen, aber unten auf der Hauptstraße klapperten magisch gezogene Handkarren hinauf und hinunter und brachten Waren zu den Geschäften. Die ersten Kunden, sorgfältig eingepackt und so gerade mal ihre Nasen zwischen Mützen und Schals hervorschiebend, eilten in schweren Stiefeln die Wege entlang, grüßten einander fröhlich und lachend, und der Terrier der Puddifoot kläffte wie verrückt, bis ihm ein wohlbekannter Geruch in die Nase stieg und er augenblicklich winselnd verstummte.

Auch das bekam der junge Mr. Black nicht mit. Er hatte andere Dinge im Kopf, und sich hastig und vorsichtig umschauend, duckte er den Kopf zwischen die Schultern. Die schwarzen Locken schienen zu wippen, so sehr klapperte er mit den Zähnen vor Kälte und Nervosität, als er endlich ein paar hastige Schritte über den Vorplatz tat und einen raschen Blick nach oben warf zu dem leise quietschenden Schild mit dem abgeschlagenen Eberkopf darauf. Das Hog's Head, die etwas zwielichtige Kneipe am Ortsrand von Hogsmeade. Nur einmal zuvor war er hier gewesen, an einem nicht ganz so kalten, aber dafür tief verschneiten Wintertag vor einigen Jahren, und obwohl er jetzt gut vier Köpfe größer war als damals, hatte Sirius immer noch und wieder das Gefühl, viel zu jung und viel zu klein zu sein, um seine Nase hier herein zu stecken.

Die Schwingtür mit einer Hand aufdrückend, trat er über die Schwelle und wurde sofort von der schwummrigen Düsternis verschluckt. Wie angewurzelt blieb der Schüler gleich dahinter stehen, traute sich kaum, sich richtig aufzurichten, musste aber seinen Augen einen Moment Gelegenheit dazu geben, sich an die dürftigen Lichtverhältnisse anzupassen, damit er nicht gleich den erstbesten Stuhl mitsamt darauf Sitzendem umbrezelte. Hier hatte sich nichts verändert, absolut gar nichts. Die Fenster waren genau so kleisterig verschmiert wie eh und je, bedeckt von einer Schmutzschicht, so starrend, dass das weiche Licht der schwachen Sonne dort draußen gelblich und kränklich wurde wie die Haut eines Säufers.

Karge, einfache Holzstühle und die dazu passenden, zumeist runden Tische gruppierten sich durch den ganzen Bereich zwischen Eingang und Tresen, Nischen unter den Fensterbänken zu ungepolsterten Bänken umfunktioniert. Tischdecken oder Sitzkissen gab es nicht. Aschenbecher, Stumpen von Kerzen auf eisernen Spießen waren der einzige Schmuck, und über der breiten, steinernen Esse des Kamins auf der linken Seite hing eine gewaltige Jagdtrophäe. Der Kopf des Tieres, der dem Pub seinen Namen gegeben hatte, rollte beinahe lebendig mit den Augen, und die riesigen Hauer ragten in Richtung der dunklen Decke aus schlecht gepflegten Balken. Hier und da hingen ausrangierte Wagenräder an schweren Ketten von der Decke, doch die darauf befestigen Lichtquellen waren erloschen. Ob man sie jemals entzündete, das konnte Sirius sich nicht vorstellen.

Da vorne in der Ecke, an einer langen Tafel, hatten die Männer damals gesessen, die Herren Mulciber, Rosier, Nott und die beiden Dolohovs. Der junge Gryffindor schluckte fest, wie er daran zurückdachte, und wie er sie aus seinem Geist wieder auf ihre Plätze projizierte, hatte er das merkwürdige Gefühl, dass Aleksandr irgendwie durchscheinend blieb, nicht mehr die selbe Substanz erhielt, und dabei waren sie doch alle bloß Erinnerungen. Er schüttelte das ab, und die Stühle am Kamin waren wieder leer, die Ecke in Dunkelheit gehüllt.

Niemand begrüßte ihn, den Jungen an der Tür, wie es nicht anders zu erwarten gewesen war. Es spielte keine Musik, und das lustige, angenehme Brabbeln von vielen Gästen, wie man es aus dem 3 Besen oder sogar Madame Puddifoots kannte, blieb vollkommen aus. Ein Schwall kühler Luft, der mit Sirius hinein gekommen war und vom Nachschwingen der Tür ordentlich verteilt wurde, brachte kaum bessere Verhältnisse mit. Tabakrauch und irgendwie ein seltsamer Anklang von Ziegenhaar strömte in Schwaden durch den Schankraum, dabei hatte niemand eine Pfeife entzündet und nirgendswo zeigte sich irgendwelches Weidevieh. Sirius versuchte, weder die Nase zu rümpfen, noch allzu tief zu atmen. Kein schöner Treffpunkt, wirklich nicht. Und außerdem noch keine Spur von Remus zu entdecken.

Ein einzelner Gast hockte an der Theke auf einem wackligen Hocker, beide Ellbogen auf die Platte gestützt, und er schaute sich nicht einmal um. Hinter dem hohen Tresen, die triefenden Augen mit den so hängenden Tränensäcken nur für einen kurzen Moment hebend, wischte der Wirt mit einem dreckigen Lappen über die Zapfhähne, und das matte Messing lief darunter nur noch mehr an. 'Flaschenbier', dachte Sirius nur und nickte sich innerlich selbst zu. Definitiv Flaschenbier. Aber gut, es hatte ja keinen Zweck. Eine Anweisung hatte er, klar und recht deutlich, gar nicht so Moony-kryptisch, wie man es gewohnt war, und er wollte sie ausführen. Anders würde er wohl kaum ans Ziel seiner Träume für den heutigen Tag kommen, oder? Zum Orden des Phönix! Man stelle sich das vor! Er! Sirius Black! Am liebsten hätte er laut gelacht, und von diesem Gedanken ermutigt, rieb er sich die Hände und trat entschlossen auf die Theke zu.

Sobald er allerdings in den Schein zweier funzliger Gaslaternen geriet, spürte er seinen Mut bereits wieder sinken. Wie konnte man seine Kunden nur so unangenehm misstrauisch beäugen? Aberforth schielte ihn regelrecht an unter seinen langen, buschigen Brauen aus krausem Haar, und er hörte nicht auf, sein Inventar zu putzen. Ganz elend fühlte Sirius sich, und obwohl er freundlich „guten Morgen“ hatte sagen wollen, blieb es ihm im Hals stecken, und er leckte sich die trockenen Lippen und verkniff es sich. War Remus sich wirklich sicher, dass er hierher hatte kommen sollen? Wirklich vertrauenerweckend sah das nicht gerade aus, und er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie man eine Nachricht, die ihn vielleicht weiterführen könnte, in solch schmierigen Händen zurücklassen könnte. Das Ganze gefiel ihm von Sekunde zu Sekunde weniger. Nun gut.

Das Gesicht in die Hände gestützt, saß dieser lange, schlacksige Mann direkt neben ihm, wo Sirius sich nun ebenfalls auf einen Hocker zog und die ineinander verkrampften Finger auf dem Tresen ablegte. Sehr schäbig gekleidet, der Mantel lang und fleckig, so wie ihn Muggel-Landstreicher trugen, und einen unförmigen Schlapphut mit dunkler Krempe halb gekippt auf den Kopf gestülpt, lehnte der Gast sich weit vor und kaute sinnierend auf einem schon total ausgefransten Zahnstocher herum, bis er das halbe Kind zu bemerken schien. Seine mahlenden Kiefer hielten inne, und aus hellblauen, fast leuchtenden Augen warf er ihm einen musternden Seitenblick zu. So wie der ausschaute, musste er sich Leute in seiner direkten Umgebung auch sehr genau anschauen. Wahrscheinlich schuldete der so gut wie jedem Zweiten da draußen ein paar Sickles. Verlegen, die ängstliche Scheu unterdrückend, lächelte Sirius ihn beschwichtigend an und zuckte die Schultern, ohne sie danach wieder zu senken. Am besten gar nicht großartig auffallen. Aber er hatte eigentlich keine Wahl.

Vielleicht sollte er es einfach so schnell wie möglich hinter sich bringen, entschied der junge Mr. Black, und sich erneut über die Lippen leckend, stützte er sich ein wenig mehr auf die Unterarme. Uah, ihgitt, seine Robe klebte am hölzernen Untergrund fest! Fast panisch befreite er den Stoff und wollte sich angeekelt mit langen Fingern über die Brust streichen, doch er kämpfte es nieder und ignorierte den Dreck und die ekligen Zustände, so gut er nur eben konnte. Im Gesicht gelang das nicht wirklich, aber Sirius wollte jetzt hier weg. Sich räuspernd, probierte er, die Aufmerksamkeit des Wirts auf sich zu lenken. Nichts geschah. Wie überlebte dieser Kerl eigentlich? Wenn man schon so wenige Gäste hatte, sollte man sich gerade um die doch wohl besonders kümmern, oder? Nicht mal gefragt hatte er, ob der Junge etwas trinken wolle, und jetzt, wo er von selbst danach fragen wollte, musste man Aberforth quasi dazu zwingen, ihm überhaupt zu zuhören.

„Äh,“ machte Sirius und verschluckte sich beinahe daran. Oh Mann, war das blöd! Über den Tresen greifen musste er, um an dem karierten Hemd des alten Knausels zu zupfen, bevor der fragend brummte und ihn tatsächlich mal richtig ansah. „Zwei Butterbier, bitte,“ bestellte der eindeutige Schüler an einem Montagmorgen mitten zur Unterrichtszeit, und dabei kullerte er mit den Augen, als wäre nicht nur diese Tatsache total suspekt, sondern als wäre das auch die bescheuertste Bitte, die er jemals in seinem Leben ausgesprochen hätte. Und irgendwie war sie das auch. „Eins für mich,“ Sirius wollte schon stöhnen, weil ihm erst jetzt auffiel, wie dämlich das eigentlich war, was er da aufsagen sollte, „und eins für,“ nein, wirklich, das war zu behämmert, das konnte man doch nicht wirklich verlangen! Er seufzte es mehr heraus, als dass er sprach: „Für die Leber.“

Der Ausdruck im grauen Gesicht des Wirts mit den geröteten Wangen voller winziger, aufgeweiteter Blutgefäße änderte sich nicht. Er zuckte nicht einmal mit den Lidern, obwohl er langsam und bedächtig seine Hände senkte und den schmutzigen Lappen auf der Anrichte ablegte. Keinerlei Anstalten machend, in einen der Schränke zu greifen, um die Bestellung auszuführen, forschte Aberforth nur weiter in den nervös zitternden Zügen des jungen Mannes an seinem Tresen. Als Sirius es kaum noch aushielt, sich erkundigen wollte, ob man ihn verstanden hatte, deutete er brummend mit dem Kinn auf den dürren Gast neben sich, und der Schüler runzelte die Stirn.

Erst nur aus dem Augenwinkel traute sich Black, den müffelnden Kerl neben sich anzusehen, der sich nun aufrichtete und das müde Haupt aus den Händen nahm. Nein, den kannte er nicht, nie zuvor gesehen. Naja, der Orden des Phönix war ja auch kein Kränzchen und kein Karnevalsverein voller alter Schulfreunde, sondern eine politische Untergrundorganisation. Da waren zwangsläufig eine Menge Leute dabei, die man nicht unbedingt ein Dutzend mal getroffen hatte. Filziges, braunes Haar lugte unter dem Hut hervor, und er trug die unmissverständlichen Zeichen von Vernachlässigung und Heimatlosigkeit. Kein besonders ermutigender Anblick, und auch nicht wirklich die Art von Mensch, der man sich gleich anvertrauen mochte.

Wortlos schnaufte der Penner, lehnte sich auf den einen Ellbogen und drehte seinen Oberkörper frei in Sirius' Richtung, doch statt sich ihm wirklich zu widmen, gähnte er erst einmal herzhaft und reckte den zweiten Arm genüsslich nach schräg oben. Schiefe, krustige Zähne kamen da zum Vorschein, und instinktiv stellte Sirius das Atmen ein, um ja keinen Eindruck davon kriegen zu müssen, wie verrottet die Dinger wirklich waren. Die Hände in fingerlosen Handschuhen zu Fäusten geballt, schüttelte sich der Gast, nickte Aberforth aufmunternd zu und klopfte dem jungen Mann gegenüber ohne jegliche Vorwarnung fest auf den Oberarm.

Das dringende Bedürfnis verspürend, sich dieser viel zu freundschaftlichen Berührung von so unangenehm verdreckten Pfoten augenblicklich zu entziehen, konnte Black nicht anders, als erstens einmal angeekelt und viel zu gezwungen zu grinsen und andererseits hastig von dem Hocker herunter zu rutschen. Noch immer war der Landstreicher größer als er, auch als er sich selbst erhob, während der Wirt in der vorderen Tasche seines Kilts herum suchte und einen schweren, dick behangenen Schlüsselbund hervor kramte. Mit einer eigentlich wohl einladend erscheinen sollenden Geste und einem halb zahnlosen Grienen forderte der Kerl in dem speckigen braunen Mantel ihn auf, nach rechts um die Theke herum zu treten, und weil er dafür an ihm vorbei trotten musste, beäugte Sirius ihn bei jedem Schritt.

Eine Tür verbarg sich da in der dunklen Nische, der Lage nach zu urteilen ein Zugang zu den privaten Räumlichkeiten von Aberforth im Haupthaus des Hog's Head, während links herum eine kleine, rappelige Treppe aus morschen Holzstufen zu den kargen Gästezimmern im Obergeschoss führte. Wieso nicht da hinauf? Sirius hatte keine Ahnung, und er musste ganz ehrlich gestehen, dass ihm fürchterlich mulmig zumute war. Keiner dieser beiden Männer hier gab ihm ein Gefühl von Sicherheit, nicht einmal annähernd, und er konnte sich kaum vorstellen, wie solche Leute an eine Organisation wie den Orden des Phönix, an Dumbledores Kreise, geraten konnten. Alles reichlich abgekartet, und hätte er die Idee nicht für total absurd gehalten, er hätte behauptet, das hier wäre der bisher nicht erkannte Geburtstagsstreich seiner drei blöden Freunde.

Mit Hilfe eines geschwärzten Schlüssels öffnete der Wirt das klackende Schloss der Tür und schob sie leise nur schnarrend in einen ebenso unbeleuchteten Flur. Nur in Umrissen konnte Sirius in der Finsternis erkennen, dass er ungeschmückt vielleicht fünf Yards ins Innere des Gebäudes hinein führte und dort von einer weiteren Tür abgeschlossen war. Da hinein? Allein? Nein, mit dem unbekannten Mann in seinen zerlumpten Kleidern, der vorausschritt und gleich dort vorn auf ihn wartete, ohne ihm zu zeigen, wohin sie gehen würden. Aberforth brummte und machte diese befehlende, ungeduldige Bewegung mit dem Kopf, die den Schüler hinterher scheuchen sollte, und obwohl sein ganzes Inneres in heller Panik schrie, er solle einfach davon laufen und das Ganze hier vergessen, nickte Sirius und eilte mit hastigen Schritten hinterdrein.

Diese Blicke, der eine mürrisch und wenig begeistert vom Wirt, der die Tür hinter ihm schloss, der andere breit grinsend und vorfreudig von dem seltsamen Straßenpenner neben ihm, der sich nun mit stolz geschwellter Brust in den Revers seines dreckigen Mantels festhielt, gefielen ihm überhaupt nicht. Aber James und Peter hatten ihm den Zettel in seinem Geburtstagsgeschenk verpackt gegeben, und Remus hatte ihn geschrieben. Im Hog's Head nach zwei Butterbier fragen, einem für sich, einem für die Leber. Jetzt, sofort, nicht später. Das hatte er doch alles richtig gemacht, oder? Doch wie sich jetzt undurchdringliche Dunkelheit um ihn legte, und wie der Schlüssel im Schloss knackte und ihn hier drin einsperrte, da erwartete Sirius nur noch, dass sich schleimige Hände um seinen Hals legten und ihn entweder erstickten, oder ihm gleich ganz leicht – schnapp – das Genick brachen, und er schloss die Augen und hielt den Atem an.

Und dann dimmte sich das warme, wenn auch schwache Licht von Glasfunzeln zu beiden Seiten langsam hoch, und Sirius Black war immer noch am Leben. Ein wenig überrascht öffnete er erst ein Lid und schaute sich vorsichtig um, so weit das möglich war, befand sich noch immer in dem fensterlosen Gang zwischen zwei geschlossenen Türen, und der undurchsichtige und unangenehme Mann neben ihm seufzte zufrieden und reckte sich, bevor er seinen Zauberstab zückte. „Levare deceptio!“ sagte er, berührte sich selbst und tippte sich drei Mal fest mit der Spitze des Holzes auf die Brust, und beinahe wären Sirius die Augen aus dem Kopf gefallen. Direkt vor ihm schrumpfte der Landstreicher ein gutes Stück zusammen, bis sie sich in etwa auf gleicher Höhe befanden, während die Haare nachdunkelten und sich selbst kürzend zurückzogen unter den schmutzigen und ausgebeulten Hut. Das ganze Gesicht zog sich merklich zusammen, sogar die Ohren veränderten ihre Form, während die Augen in eine ausgezogene Mandelform übergingen und zu sattem Braun verfärbten.

„Frank!“ rief Sirius aus, beeindruckt und wirklich erstaunt, und er konnte es kaum fassen. Natürlich hatte er gewusst, dass sowas möglich war! Selbstverständlich war es kein Geheimnis, dass solche Zauber existierten und dass es Personen gab, die in der Lage waren, sie anzuwenden und dazu auch die Erlaubnis hatten, schließlich besprach man derlei Möglichkeiten in Verwandlung! Aber beigebracht bekam man so etwas nicht, und es gab auch keine Bücher darüber in der Schule oder sonst irgendwo öffentlich zugänglich (obwohl er sich recht sicher war, dass Remus an sowas herankommen würde, wenn er nur wollte). Wie hatte er das bloß vergessen können? Für jemanden wie diesen Kerl hier, für Frank Longbottom, einen Auror des Ministeriums jedoch, war das nicht nur Pflicht, sondern Alltag. Verberge-Zauber, die Art von Verwandlung, die man so mühsam und schwierig und oftmals schmerzhaft erlernen musste, es sei denn, man war mit dem Talent eines Metamorphmagus beschenkt.

Lachend ob der gelungenen Überraschung, holte Frank erneut aus, um ihm kräftig, und jetzt mit einem Mal so vertraut und gewohnt auf die Schulter zu klopfen. „Alles Gute zum Geburtstag, Blacky!“ wünschte er und schüttelte den Kopf über den sagenhaft dümmlichen Gesichtsausdruck des sonst so souveränen und selbstbewussten Sirius. Das ganze Unbehagen fiel von dem nun Volljährigen ab, und ein breites, begeistertes Grinsen setzte sich in seiner Miene fest.

„Mann, Mann, Longbottom, du bist ja ein richtiger Auror geworden!“ lobte er mit geschürzter Lippe, den freundschaftlichen Spott darin kein bisschen verbergend, und deshalb nahm Frank es auch als genau das Kompliment, als das es gemeint war. Ja, das war nicht leicht. Und ja, auch er hatte es mit vielen Entbehrungen so weit gebracht. Darauf durfte man gut und gerne stolz sein. Wenn auch vielleicht nicht unbedingt in den Ausmaßen, die seine Mutter dabei an den Tag legte. Er lachte ein bisschen bei dem Gedanken daran.

„Also, dann: Wollen wir?“ schlug er dem Geburtstagskind vor und breitete einen Arm in Richtung der zweiten Tür aus, worauf Sirius augenblicklich heftig nickte. Und wie er wollte! Jetzt erst recht! Hätte er sich eigentlich denken können, dass Frank dabei war, oder? Remus hatte ihnen zwar grundsätzlich mitgeteilt, was es Neues gab an der Front, und sie waren immer mehr als zufrieden gewesen mit seinen Ausführungen, aber wenn er jetzt mal genau darüber nachdachte, wusste er eigentlich so gut wie gar nichts. Die Mitglieder hatte er verschwiegen, sogar deren ungefähre Anzahl, und er hatte nie von den Treffpunkten gesprochen, nicht mal ansatzweise. Genaue Wortlaute fielen genau so wenig wie irgendwelche Mitteilungen über Pläne und Projekte des Ordens, und was er selbst zu tun beauftragt wurde, das erzählte Remus ebenfalls nie. Komisch. Sie hatten ihn auch nie richtig gefragt.

Also, wenn Frank dazu gehörte, kannte er zumindest ein weiteres Mitglied im Phönixorden mit absoluter Sicherheit: Alice Prittchard! Unzertrennlich, die Zwei! In der Schule, im Beruf, privat, ein Musterpärchen, und dabei nicht mal langweilig, denn sie waren erfrischend und süß und gleichzeitig gingen sie auf eine herrlich unbefangene Art miteinander um, von der man einfach träumen musste. Oh, er freute sich darauf, das wunderhübsche Mädchen mit dem sturen Dickkopf wiederzusehen! Gemeinsam den kurzen Flur hinauf trottend, deutete Sirius mit dem Daumen über seine Schulter hinweg in Richtung des Schankraums. „Und Aberforth, der alte Grützkopf, macht auch mit?“ konnte er kaum glauben, worauf Frank belustigt schnaubte und nach der Klinke griff. „Aber klar, was dachtest du denn?“

Einer nach dem anderen schlüpften sie in die kleine Wohnung des Wirts im unteren Stockwerk seiner Gaststätte, und die Gemütlichkeit und ordentlich-saubere Aufgeräumtheit irritierten Sirius beinahe genau so sehr wie Franks offene Zuneigung zu dem Zausel. Offenbar kannte er ihn besser, anders eben als allgemein über den Wirt des Hog's Head gesprochen wurde, und diese weiß getünchten Wände unter dunkel gebeiztem Fachwerk passten sehr gut dazu. Felle von Ebern und Rehen bedeckten den Boden, warme Kuscheldecken lagen als Kissen über Schaukelstühlen und Sesseln, wie sie einen quer verlaufenden weiteren Gang hinunter stapften und die Stube betraten. Der Ausblick von hier war grandios. Wo die Fenster von außen genau so versifft und schmutzverkrustet ausschauten wie drüben im Pub, konnte man von innen nur glänzend geputzte Butzenscheiben erkennen, die hinaus schauten auf das in gleißender Wintersonne liegende Tal von Hogsmeade.

Wie festgewachsen blieb Sirius stehen, und alles, was er sagen konnte, war „whow!“. Grüne Pflanzen, Alpenveilchen und Hyazinthen, blühten auf den breiten Fensterbänken, und noch verbreitete eine große Lampe mit weißem Glasschirm ein heimeliges Licht in der hintersten Ecke. Gleich links befand sich eine Liege hinter einem niedrigen Tischchen, während rechts herum eine U-förmige Bank mit langem Schenkel eine noch zum Frühstück gedeckte Tafel einrahmte. Rustikal gehäkelte Tischdecken und Kissenbezüge vervollständigten das Bild der Junggesellen-Wohnstatt, und die Ölgemälde an den Wänden zeigten Szenen aus dem schönen Süden, aus Wales. Als hätte er ihn gar nicht gehört oder seine Verwunderung bemerkt, schritt Frank ungerührt genau geradeaus auf den offenen Kamin zu. „Er ist Dumbledores Bruder!“ zuckte er lapidar mit den Schultern, als wäre das die natürlichste Sache der Welt, und erst recht fiel Sirius alles aus dem Gesicht.

„Er ist ... was?“ platzte er heraus und hoffte bloß, dass der Wirt ihn nicht hören konnte hier hinten. Longbottom lachte auf und strahlte ihn an, wie er da stand mit in die Hüften gestemmten Fäusten, merkwürdig anzuschauen in den Kleidern eines viel größeren Straßenpenners. „Ja, klar!“ bestätigte er nur erneut und wartete ab, bis Black den Eindruck machte, geistig wieder bei ihm zu sein. Unglaublich. Nicht nur die Sache mit Aberforth und Dumbledore – äh, Moment, mit Aberforth Dumbledore also – sondern einfach alles. Vorhin noch ein alberner Schuljunge, der nichts weiter wollte als eine dusslige Geburtstagsparty bei Vollmond, und jetzt alles einfach auf den Kopf gestellt. Er konnte es spüren, wie er da in was ganz Großes hinein schlitterte, und ihm zitterte jede einzelne Herzfaser davon, aber Sirius konnte sich einfach nichts Fantastischeres vorstellen in diesem Moment.

So sein wie Frank. So weltmännisch gewandt, so versiert in schwierigster Zauberei, dass er einfach mal so einen Verberge-Zauber hinlegte, um einen ihm wohl bekannten Jungen zu erschrecken, so erwachsen, dass er in einer solchen Organisation eine derartige Rolle übernehmen durfte, wie er es mit Sicherheit tat. Mit leuchtenden Augen hob Black den Kopf und schaute ihn an, ein winziges Bisschen an so etwas wie Ehrfurcht dabei. „Ich hab' das gelesen, was du unten in Sheffield mit dem Manticore gemacht hast,“ flüsterte er fast, als könne man das nicht laut aussprechen. Eine großartige Leistung für einen so jungen Auror, das hatte jeder gesagt, und Professor Flitwick, sein ehemaliger Hauslehrer, wäre fast in der Großen Halle geplatzt vor Stolz, aber Frank senkte nur verlegen den Blick und spielte ein wenig mit den losen Knöpfen seiner Tarnung herum. „Das war großartig!“ pries Sirius, während er die Achseln zuckte. „Kann schon sein.“

Konnte schon sein? Mann, wieso denn so bescheiden? Manticore waren riesige Drecksviecher und keine Kakerlaken! Und überhaupt. Darauf durfte man sich schon was einbilden. Fand zumindest Black. Er jedenfalls wäre darüber jahrelang nicht hinweg gekommen, so einen Merlins-Orden dritter Klasse mit gerade mal 19 Jahren! Vor seinem geistigen Auge konnte er sich selbst sehen, wie eine solche Medaille auf seiner Brust glitzerte, oh Mann! Aber da war sie nicht in Bronze, sondern in leuchtendem Gold, und er konnte die Schlagzeilen regelrecht hören: Frisch Graduierter besiegt den Dunklen Lord! Herrlich! Einfach bloß traumhaft! Wie das Lächeln aus Franks Gesicht rutschte, während er ihn sorgenvoll betrachtete, das bekam Sirius gar nicht so recht mit.

Longbottom räusperte sich, die Brauen so fest ineinander geschoben, dass eine steile Falte dazwischen auf seiner Stirn aufragte, und er langte in die kleine Schüssel voller Flohpulver auf dem Kaminsims. „Es geht nicht von jedem Schornstein aus,“ erklärte er, als habe ihn Black danach gefragt, wieso er nicht aus dem Schloss direkt mit Remus hatte reisen können, und er warf den glimmenden Staub in die schwache Glut eines kleinen Kochfeuers. Augenblicklich rauschten die grünen Flammen empor, leckten an den rußgeschwärzten Steinen und loderten in die Dunkelheit hinauf. „Ein unauthorisiertes Netzwerk ganz für unsere Zwecke,“ fuhr Frank fort und deutete mit der offenen Hand hinein, dass Sirius voran ginge.

Ohne zu zögern, eilte der 17jährige Schüler durch den Raum, ein breites Lächeln, fast ein Grinsen im Gesicht, und er rieb sich vorfreudig die Hände, als wäre er bereits auf dem Weg zu einer Siegerehrung. Einfach reinspringen und sich mitziehen lassen, wo immer ihn das Feuer hinbringen würde, und sich da an einen langen Tisch neben Remus setzen und ein stolzes Mitglied im Orden des Phönix werden, mehr wollte er nicht. Doch der urplötzlich ausgestreckte Arm von Frank Longbottom hielt ihn ein letztes Mal zurück, und ganz erstaunt, fast erschrocken, hob Sirius den Kopf und starrte ihn von unten her, leicht vorgebeugt schon, um in den Kamin zu steigen, an.

Was hatte er denn? Das war merkwürdig und unerwartet, dieses Grau in den Zügen des Jungaurors. Es war nicht da gewesen vorhin, oder vielleicht doch? Ein bisschen zumindest? Überdeckt von aufgedrehter Fröhlichkeit? Und dieses matte Schimmern in den braunen Augen, doch, daran erinnerte sich Sirius, hatte ihm aber keine Bedeutung beigemessen. Jetzt allerdings stach beides enorm heraus, und Black zog sich vorsichtig zurück und richtete sich zu voller Größe auf, damit er Frank besser anschauen konnte.

„Hör' zu, Sirius,“ bat Longbottom, die Kiefer für einen Moment fest aufeinander pressend, wie er sich die richtigen Worte überlegte. „Das ist kein Spiel, verstehst du?“ Verständnislos verzog Black die Lippe. Wie kam er denn darauf? Und warum sagte er sowas? Zu ihm?

„Ich weiß, dass du und deine Freunde, dass ihr verflucht gut seid.“ Er brauchte nicht zu erklären, woher er sich dessen so sicher sein konnte, erinnerte sich lebhaft an den offenen Fight von vier Gryffindors gegen ein paar Slytherins auf dem winterlichen Plateau, kannte die Erzählungen und den Bericht seiner Kollegen von dem Zwischenfall beim Gründungsball im vergangenen Sommer, und er hatte bereits die Tricks und Kniffe des Remus Lupin kennengelernt. „Aber es geht nicht um Ruhm und Heldentum, Sirius.“ Alleine die Tatsache, dass er seinen Vornamen so oft benutzte, gefiel Black überhaupt nicht. Und er begriff nicht, was Frank damit sagen wollte. 'Türlich nicht. Voldemort und so, das wusste er, darüber musste Frankie sich doch keine Sorgen machen. Denn das tat er, das war so offensichtlich wie Schimmel in der Marmelade.

Sich nicht rührend, verharrte Sirius Black auf dem Fell vor Aberforth Dumbledores Kamin, die Arme in den langen Ärmeln seiner Robe nur leicht angewinkelt und in deren Schatten die Fäuste sacht geballt, und er blinzelte den Auror vor sich an, ohne ein Wort zu sagen. Es war gar nicht mal so dieser schlecht versteckte Vorwurf der Unreife und des Nicht-Verstehen-Wollens darin, der ihn so durcheinander brachte und ihn in solches erneutes Unbehagen versetzte, sondern es war dieser Ausdruck in Longbottoms sonst so hellem und freundlichem Gesicht. Mehr als nur Besorgnis. Das war Kummer. Gram. Es war Schmerz. Und es ließ einem die Kehle zu trocken werden, um sich zu wehren.

Einen Arm ausstreckend, klopfte Frank ihm wieder auf die Schulter und legte den Kopf schief. „Wir sind schon im Krieg, Sirius,“ sagte er tonlos, die Stimme so belegt, sie hätte niemals irgendwo ein Echo hervorrufen können. „Man sieht es vielleicht nicht, aber es ist so.“ Und er seufzte und senkte den Blick, presste die Zähne so fest aufeinander, dass die Muskeln im Kieferwinkel sichtbar wurden, bevor er sich entspannte, oder es zumindest mehr schlecht als recht versuchte. Genug gesagt. Alles Weitere würde er schon noch erfahren. Davon abhalten konnte, wollte und sollte er ihn nicht, er musste dabei sein, nicht nur, weil sie jeden einzelnen Willigen brauchten. „Hey,“ machte Sirius, konnte die leise Wut zwar kaum verbergen, aber das Meiste davon war doch eine fiebrige Ruhe und grimmige Entschlossenheit. „Ich weiß das,“ behauptete er.

Nein. Wusste er nicht. Aber es war auch ganz egal. Er würde es früh genug erfahren, und so wie man Sirius Black kannte, wie er selbst Sirius Black kannte, würde ihn das auf keinen Fall zurück schrecken lassen. Gehörte eben doch nach Gryffindor, der Kerl, nicht bloß, weil er es so gewollt hatte oder weil er sich vielleicht in einigen wenigen Dingen von seiner Sippe unterschied. Sondern weil er diese Einstellung hatte, die ihm nicht mal selbst als eine solche bewusst war. Für vollkommen natürlich und selbstverständlich hielt Sirius das, aber das war es nicht. Sich den Arsch aufreißen für eine Sache. Im wahrsten Sinne des Wortes auf Grundeis gehen. Konsequenzen ignorieren. Frank schnaufte und nickte und drückte seine Schulterkappe, bevor er erneut auf das lodernde Feuer im Kamin deutete.

Bestimmt und zufrieden schaute Sirius aus, griff nach dem verrußten Sims und zog sich in den Schornstein hinein, und noch ehe er richtig darin stand, zog es ihn schon in wilden Spiralen davon. Schwindlig und neblig die Reise, wie man es gewohnt war, sehr lang und verzweigt das System, und dennoch wenige Kamine, deren Außenränder einen feinen, blauen Schimmer besaßen, der sie als Ausstiegsmöglichkeiten auswies. Wie er endlich in seine eigene Form zurück gepresst wurde und festen Boden unter den Füßen fühlte, atmete Sirius erleichtert aus. Nein, keine angenehme Art der Fortbewegung.

Remus hatte es ihm erzählt, ihm und den anderen, immer wieder, weil sie es so gern hörten, wie ihn die McGonagall eingesammelt und mitgenommen hatte, von der Dunkelheit und dem plötzlichen Licht und der langen Tafel in einem warmen, gemütlichen Kellerraum irgendwo in Großbritannien. Alle zusammen hatten sie dort gesessen und auf ihn gewartet, hatte er gesagt, um ihn zu begrüßen und in ihre Reihen aufzunehmen. Aber als Sirius Black nun aus dem Kamin heraus trat, fand er sich in einem Speisesaal wieder, der hell erleuchtet und voller Menschen fast überquoll.

Es musste das gleiche Zimmer sein, in dem sie sich sonst auch trafen. Keine Frage, es passte genau auf die Beschreibung, doch etwas stimmte nicht. Kaum jemand hatte sich am Tisch niedergelassen. Vielmehr formierten sich Grüppchen, hier und dort und da vorne, während einige Wenige sich auf Sesseln und Stühlen zusammen gekauert hatten. Noch bevor er irgendein Wort von wispernd geführter Diskussion und lautstark ausgetragenem Disput verstehen konnte, drückte die ungeheure Spannung, die zentnerschwere Trauer über dem Hauptquartier des Phönixordens ihn nieder. Viele der Anwesenden kannte er, mehr als nur ihre Gesichter, und die verrieten ihm eine Bestürzung und eine Pein, die er niemals in diesen Augen hatte sehen wollen.

Da vorne, unübersehbar, nahm die massige Gestalt von Hagrid ein ganzes Sofa ein, die mächtigen Knie auseinander gepresst, stemmte er die Ellbogen hinein und schnäuzte sich mit einem seiner riesigen Taschentücher. Die Wangen, die aus dem buschigen Bart heraus schauten, glühten wie Äpfel. Das war Marlene, gleich neben Sturgis Podmore, der ihr vorsichtig, unterstützend, mit einer Hand das Schulterblatt rieb, während sie sich die Finger über die Augen gelegt hatte, nur ihre bebende Lippe sichtbar. In seinem Rücken rauschte das Feuer erneut auf, bevor es erstarb, aber Frank ignorierte ihn völlig und stiefelte gleich an ihm vorbei und auf diese spezielle Schar zu. Alice streckte die Arme nach ihm aus, ihr so hübsches, herzförmiges Gesicht kreidebleich, dass die dunklen Augen nur umso schärfer heraus stachen, und sie umarmte ihn und drückte sich an ihn.

Wie bestellt und nicht abgeholt stand Sirius mitten im Raum und schaute sich um, entdeckte die so unnatürlich starren und verhärmten Mienen der Prewett-Zwillinge am langen Tisch, einander nur stummen Trost bietend. Viele sprachen, manche leise und wimmernd, andere lauter und voller Zorn, und vielleicht waren diese Stimmen besonders gut zu hören, weil er eine davon gleich links von sich wahrnehmen konnte. „Genau deshalb, Minerva!“ verteidigte der mit einem Mal stechend scharfe Tenor von Charlus Potter seine Position, und er ballte die Faust unter seinem Kinn nur noch stärker, ehe er sie entspannte und sich die Brille zurecht rückte. „Das ist der Grund, wieso gerade sie dabei sein sollten!“ Die sonst so strengen Züge der Lehrerin waren verzerrt und wächsern von Kummer und Qual, kaum zu ertragen der Anblick für Sirius, und sie legte eine beschwichtigende Hand auf den Arm ihres guten Freundes. „Sie sind noch so jung, Charlus.“

Auch ohne die Auseinandersetzung mitbekommen zu haben, auch ohne diesen winzigen Seitenblick ihrerseits auf den neuangekommenen Schüler aus ihrem eigenen Hause, war Sirius sofort klar, um was es sich drehte, wer gemeint war. Nur noch schwerer schien es auf ihr zu lasten, wie sie die Ärmel ausschüttelte und aus der Gruppe heraustrat, mit der sie gesprochen hatte, auf ihn zu. Auch James' Vater bemerkte seine Anwesenheit, drehte sich herum, die Stirn in einer Mischung aus hilfloser Wut und Mitleid ganz kraus. Das kannte er nicht von dem so netten, älteren Herrn, und obwohl er keinen Schimmer hatte, was hier so Furchtbares passiert war, hätte Sirius am liebsten geheult.

Ein mühsames Lächeln rang sich Mr. Potter ab, schob sich noch mal die Brille am Bügel weiter auf die Nase, doch die schimmernden Tränen in seinen Augen blieben wo sie waren. „Kein guter Zeitpunkt, Sirius, tut mir leid,“ entschuldigte er, als habe er seine Torte aufgegessen und seine Geschenke in Brand gesteckt, beugte sich vor und umarmte den jungen Mann kurz und impulsiv. „Trotzdem herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“ Sirius konnte die Geste nicht erwidern, so perplex war er von all dem hier, so niedergeschlagen und verwirrt, so viele Erwachsene, so viele Menschen, auf die er lange gebaut hatte, in einem derartigen Zustand der Aufgewühltheit anzutreffen. Die McGonagall, ein Fels in der Brandung, immer, konnte nicht einmal viel sagen. Einfach nur seine Hand nehmend, seufzte sie, und das einfache „Mr. Black“ musste eben alles beinhalten, was sie mitteilen wollte. Das war schon OK.

Erst da fand er ihn, ganz hinten in der Ecke zum Kopf der langen Tafel hin. Dumbledore stand daneben, beugte sich so weit herunter, dass sein Bart aus dem Gürtel fiel, wie er mit einer Hand auf Isabels Schulter Trost spendete. Die so zierliche und schlanke Frau, noch dünner, fast ausgemergelt von der immer wiederkehrenden Krankheit, schüttelte sich in einem unaufhaltsamen Weinkrampf, das so feine Gesicht in den Händen verborgen. Und da saß Remus, gezeichnet vom sich ankündigenden Vollmond, bleich und mit den schweren, dunklen Ringen der Kraftlosigkeit unter den matten Augen, wie er weit nach vorn gelehnt, die Ellbogen über den Knien in die Schenkel gestemmt, die bebenden Finger seines Vaters hielt.

Er hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er krank geworden war im Spätfrühling des sich zum Ende neigenden Jahres, und der Anblick erschreckte Sirius so sehr, dass er beinahe rückwärts in den Kamin zurück gestolpert wäre. Seinem Sohn auf schreckliche Weise ähnlich, nicht mehr die ältere, reifere, gesündere Ausgabe des guten Freundes, die Wangen eine Farbe wie in Wasser gelegenes Fleisch, die so breiten und früher so kräftigen Schultern eingefallen und schlaff, hockte John Lupin auf einem Stuhl und lehnte seine Stirn gegen die seines Jungen. Ob es der feinperlige Schweiß der zu großen Anstrengung war oder eine nicht enden wollende Spur aus Tränen, was in seinem struppig gewordenen Bart schimmerte, konnte Sirius nicht sagen.

Obwohl er sich mehr als fehl am Platze fühlte, obwohl er nicht in einen so offensichtlich privaten Moment eindringen wollte, konnte Black nicht anders. Er spürte gar nicht, wie er den Raum durchquerte, an dem Grüppchen aus jungen Leuten und alten Schulfreunden vorbei lief, die Prewetts zurückließ und sich in einer einzigen Bewegung direkt neben Remus' Stuhl in die Hocke begab. Es war beides. Schweiß und Tränen. Das konnte er jetzt deutlich sehen, und er wandte seinen Blick hastig davon ab und starrte statt dessen hoch in das blasse, trauernde, aber wesentlich gefasstere Gesicht. Fast gleichzeitig streckten die beiden jungen Männer einen Arm nach einander aus, legte Sirius die eine Hand fast streichelnd auf Remus' unteren Rücken und Remus die Linke auf Sirius' Schulterblatt. Überflüssig war das, gehörte jetzt absolut nicht hierher, aber Moony tat es trotzdem, beugte sich umständlich zu ihm herunter und drückte ihm die stoppelige Wange gegen die Stirn, als wolle er ihn küssen. „Alles Gute,“ flüsterte er.

Merlin, Scheiße verdammt, wie konnte der denn jetzt an seinen bescheuerten Geburtstag denken? Gar nicht richtig darauf eingehend, grunzte Sirius und schaute ihn fragend an, eine Braue steil nach oben gezogen und selbst schon vollkommen blutleer. Natürlich hatte er keine Ahnung, was hier los war, und trotzdem konnte man die Erleichterung in Sirius' Augen erkennen, wie er sich erneut rasch umschaute und nach so vielen Menschen suchte, die er kannte. Was sonst sollte es sein? Hagrid war da, die Zwillinge, Alice und Frank und Marlene und Sturgis, Professor McGonagall und die Potters, Dennis' Tante und Dumbledore und alle drei Lupins. Die eine Hand seines Vaters nicht loslassend, beugte Remus sich wieder weiter zu ihm herunter, dass er ihn zwar anschauen, aber auch in sein Ohr wispern konnte. Er wollte es nicht noch einmal so laut ausgesprochen haben, dass seine Eltern es hören konnten.

„Was ist passiert?“ raunte Sirius ihm zu, weil Remus sich nur mehrfach über die Lippen leckte und es kaum herauszubringen in der Lage war. „Mein Patenonkel,“ krächzte er, die zu diesem Zeitpunkt des Mondzyklus immer schon raue Stimme nur noch kratziger, überschlug sich fast. „Onkel Benjy, er ...“ Es war nicht nötig, es wirklich auszusprechen, aber offenbar brauchte er das, musste es sagen, um es sich selbst vor Augen zu führen, um es besser begreifen zu können, und Remus schloss die Lider dabei und stellte ihn sich vor. Den lustigen, albernen, muggelstämmigen Zauberer, dessen Vater den Müll von anderen Muggeln sammelte. „Er ist tot.“ Heiser und klanglos. „Sie haben ihn ...“

Nein, das konnte er nicht. Das war doch zu viel, zu frisch, seine Eltern dabei. Johns bester Freund, vom ersten Tag in Hogwarts an, kennengelernt im Zug, wie es bei so vielen geschah. Irgendein Tier hatten ihm die Todesser auf den Hals gehetzt, unmöglich zu sagen, ob während eines Kampfes oder ohne Vorwarnung, so verwüstet wie seine Wohnung in Manchester ausgesehen hatte. Alles zerschlagen, die Möbel zerkleinert, nichts mehr an seinem Platz. Und Benjamin Fenwick tot. Regelrecht zerfetzt. Hier ein Finger, da ein Ohr, und überall Blut, so viel davon, er konnte nicht mehr am Leben sein. Das grausige Bild, den halb geronnenen Karmesintropfen auf dem zersplitterten Glas eines Fotos, konnte Remus nicht vergessen. Seine kleine Patenfamilie hatte er sie immer genannt. Und da saßen sie auf den Stufen ihres Backsteinhauses in Yorkshire und lachten, während sein Blut durch die gebrochene Scheibe auf das Papier sickerte.

Sirius kannte ihn nur flüchtig, hatte ihn vielleicht ein, zwei Mal gesehen. Aber darum ging es nicht. Die Tränen hier in diesem Zimmer sagten viel zu wenig und dennoch alles. Sich auf die Knie sinken lassend, den einen Arm noch immer um Remus' Rücken gelegt, senkte Black die Augen auf den Perserteppich, ohne ihn wirklich zu sehen. Das hatte Frank gemeint. Und er hatte geglaubt, Sirius würde das nicht begreifen oder es nicht als das sehen wollen, was es war. Natürlich nicht. Denn er hatte keine Ahnung, wie schwer der Grabstein von Aleksandr Dolohov wog. Black wusste. Er verstand. Dennoch: Kein Rückzug. Jetzt erst recht. Für Ben. Für alle, die ihm noch folgen mochten.

Frank Longbottom hatte recht: Der Krieg hatte begonnen.


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Zwischen Harry, Ron und Hermine gibt es Unterschiede, zum Beispiel im Vokabular. Ron ist der britische "lad", etwas bildungsfern, wie wir hier sagen würden, jedenfalls der Welt der Theorie und Metaphysik nicht sonderlich zugetan. Sein Vokabular ist etwas gröber und eingeschränkter als das Hermines, die mehr die Intellektuelle ist und sehr elaboriert sprechen kann, jedenfalls wenn sie in Laune ist. Harry liegt dazwischen, mit Sympathien für Ron, wenn es darum geht, vermeintlich hochgestochenes Gerede zu verulken. Aber keiner spricht wirklich lax oder fehlerhaft.
Klaus Fritz