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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Der dumme Junge

von Teekon

Kleiner Hinweis: Die Dialoge sind nicht von mir (nur von mir übersetzt), die Monologe dagegen schon! :D


Er hätte es wissen müssen. Er hätte das Schlupfloch verbarrikadieren müssen, spätestens nach Halloween, aber er hatte es nicht getan. Wieso nicht? Ja, warum eigentlich nicht? Viel zu leicht zugänglich, viel zu offensichtlich. Hatte er sich nur darauf verlassen, dass der entflohene Sträfling nicht den selben Weg noch einmal nutzen würde? Dass er sich vorstellen würde, der Mann im Inneren des Schlosses würde diesen inoffiziellen Eingang nun überwachen? Das hatte er nicht getan, und der Gefangene hatte es nicht angenommen. Und warum das nicht? War er denn so durchschaubar? Vielleicht hatte der große schwarze Hund da unten hinter dem Quidditch-Stadion etwas gespürt, was er sich nicht einmal selbst eingestand. Dass er es so hatte kommen lassen wollen.

Quatsch war das. Vollkommen verrückt. Natürlich wollte er nicht, dass Sirius Black dem Jungen zu nahe kam, selbstverständlich musste er ihn fernhalten, das Kind beschützen wie all die Jahre zuvor. Lebenssinn war das doch. Der einzige Grund, wieso er nicht längst dort war, wohin sie alle gegangen waren. Aber wieso zum Teufel war er dann so nachlässig? Saugefährlich war das! Wie mit einem Spiel ging er damit um, wusste sehr wohl, spürte es tief in seinen Eingeweiden, welch bitterer und scharfer Ernst das war, und dennoch verhielt er sich wie als Schüler und öffnete ihm Tür und Tor. „Sollte es besser wissen,“ brummte Remus Lupin und stützte die Stirn in die Hand, um seufzend die Augen zu schließen.

Es gab viele verborgene Wege innerhalb von Hogwarts wie auch drum herum. Die wenigsten davon waren irgendwem bekannt, und alle so gut wie niemandem. Außer den vier Rumtreibern vielleicht. Und genau deshalb musste er auf der Hut sein, denn sein Gegner verfügte über das gleiche Wissen wie er. Sein 'Gegner'. Am liebsten hätte Professor Lupin leise gelacht, doch es blieb ihm im Halse stecken wie ein quer geschlucktes Hühnerknöchelchen. So war es doch. Der Feind, die große Bedrohung, irgendwo dort draußen im Verbotenen Wald oder in den umliegenden Bergen, und auch wenn sein Herz immer noch Protest schlug dagegen, so musste er es doch endlich begreifen lernen.

Über all die Jahre irgendwie verdrängt hatte er es. Es war geschehen und nicht rückgängig zu machen, und egal wie es dazu gekommen war, es war nicht zu ändern. Der Schuldige saß im Gefängnis, weit weg, eingesperrt, er würde ihn nie mehr sehen müssen, wenn er nicht wollte. Hatte die Gesuche ausgeschlagen, die von dem steilen Felsen draußen auf dem Meer zu ihm gelangt waren. Die Briefe ignoriert, ungeöffnet verbrannt. Er wollte keine Erklärungen, keine Entschuldigungen, keine billigen Ausreden, wieso, weshalb, warum. Nicht einmal verstehen wollte er, wie dieser Wandel zustande gekommen war. Es war egal gewesen. Weil nichts, aber auch gar nichts am Ausgang etwas geändert hätte. Vorbei, ein für allemal. Und deshalb einen Schlussstrich darunter ziehen, einen Rettungsanker bilden nach oben, aus dem Abgrund der Trostlosigkeit heraus. Nie wieder den Namen hören: Sirius Black.

Vertrauen. Was das war? Das hatte Remus verlernt. Es war auch nicht wichtig, denn niemand schenkte es ihm, warum es also irgendwem erwidern? Außer Dumbledore vielleicht. Das war etwas Anderes. Unerschütterlicher, unumstößlicher, die Grundfesten der Erde. Aber war es bei ihm nicht auch so gewesen, damals? Konnte man sich darauf verlassen, wenn Erdbeben alles auseinander zu reißen in der Lage waren? Er wollte nicht darüber nachdenken, nicht wieder, er wollte es nicht. Es tat weh, zu weh, es warf zu viele Fragen nach der Grundsätzlichkeit des Seins und Nichtseins auf, es zog den Boden unter den Füßen weg, der doch so schon so wacklig und unstet war. Remus John Lupin war ein Leben lang gut damit gefahren, nichts in Frage zu stellen. Nur die kleinste Grübelei über Sinn und Unsinn des Lebens konnte schon in die eine Richtung führen: Leere. Und Nichts.

Die letzten Tage, Wochen, Monate, hatten es wieder hochgezogen aus den Tiefen seiner Seele, den Schmerz und die Einsamkeit, das laute, brüllende Warum in seinem Hinterkopf, und nun begleitete es ihn wieder, so wie damals im November. Schicksalszeit. Es hätte ihm klar sein müssen, dass so etwas geschehen mochte, würde. Nicht erst seit der Nachricht, dass Black aus Azkaban ausgebrochen war (und die Schuld, sie nagte, so beißend, so heftig), sondern bereits als er Dumbledore zugesagt hatte, hierher zurück zu kehren als Lehrer. Was hatte er denn erwartet? Erinnerungen an jeder Ecke, wegklappende Stufen in irgendwelchen Treppen und die Fette Dame, das mürrische, misstrauische Beäugen von Argus Filch, wenn er an ihm vorbeilief, er wollte sich am liebsten ducken jedes Mal und den rot gefütterten Kragen seiner Uniform höher ziehen, um dahinter zu kichern, nur um fest zu stellen, dass er eine schäbige, geflickte Robe trug. Wie ein erwachsener Mann.

Weil es auch gut tat, deswegen. Weil er zum ersten Mal nach dieser langen Zeit allein, von Aushilfsarbeit zu Zeitjob tingelnd, wieder so etwas wie Wärme verspürte. Nicht nur für wenige Augenblicke im Gras liegend, wenn er sich im Hyde Park ausruhte, nein. Immer. Ständig. Vom ersten Augenaufschlag in morgendlicher Sonne bis nachts zum Verschließen des letzten Tintenfasses. In den Korridoren und Fluren von Hogwarts hallten ihre lachenden Stimmen wider, konnte er ihre rennenden Schritte hören, vor dem Krieg, als sie noch nichts weiter gewesen waren als Freunde. Freunde bis in den Tod und darüber hinaus. Nichts dazwischen. Kein Verrat, kein Mord, nicht die geringsten Zweifel. Und es echote in jedem Winkel seiner Seele. Die Kinder zu sehen, hier und heute, denen es nicht anders ging, ihre hoffnungsvollen Augen, ihr ungetrübtes Glück selbst im Angesicht von ungewisser Zukunft, das bestätigte jedes Wort des Antriebs, das er sich jemals selbst im Spiegel entgegen gebrüllt hatte. Es gab Gründe, weiter zu machen. Solange noch irgendwo auf der Welt ein Kind so fröhlich grinsen konnte wie der Sohn zweier verstümmelter Kämpfer, wenn man ihm nur zeigte, zu was er fähig war.

Ein Lächeln stahl sich zwischen die vor dem Gesicht zusammen geschlagenen Hände, und Remus atmete tief durch und befreite sich von dieser Barriere. Der blassblaue Februarhimmel da draußen vor seinen hohen Fenstern leuchtete von glitzernden Sonnenstrahlen, die bereits den Horizont berührten und in goldene Streifen aus Licht tauchten. Herrlich schön, die winzigen Fetzen aufgelockerten Hochnebels zwischen den Bergesgipfeln, und der letzte Schnee dort oben in den größten Höhen schimmerte blutig rot wie vergossen. Alleine dafür lohnte es sich schon. Seufzend legte er den Federkiel beiseite auf das kleine Stückchen Leinentuch, das er neben seinen Unterlagen ausgebreitet hatte. Zeit für eine kurze Pause.

Der Stapel an erledigten Hausaufgaben aus sieben verschiedenen Klassen war über den Tag merklich geschrumpft, auch wenn er sich noch genug für das noch nicht beendete Wochenende zurück behalten hatte. Er mochte das gerne, hier zu sitzen, in dem halbrunden Erkerzimmer, so vertraut aus vielen Stunden unter dem Baldachin, auch wenn es nun ganz anders aussah und völlig verschieden eingerichtet war. Ein wenig (ha! Ein wenig war gut!) nüchterner, spartanischer, einfacher mit den Bücherregalen, den Vitrinen voller Anschauungsmaterial und dem wuchtigen Schreibtisch, auf dem er nun sein gesamtes Lehrerwerkzeug griffbereit ausgelegt hatte.

Und trotzdem verlor es nichts von seinem Reiz dadurch. Die Position des Erkers, der Basis eines kleinen Türmchens am Nordwestrand des Schlosses, verhieß von vornherein eine fantastische Aussicht über die schönsten Abschnitte des Tals, das Ufer des Sees und den Pfad hinunter zum Stadion. Die Bäume des Waldes waren noch kahl und reckten ihre frierenden Äste in den Himmel des andunkelnden Abends, aber schon sprossen Grüppchen von Schneeglöckchen und Winterlingen aus der klammen Erde hervor, der Dauerfrost des eisigen Januars bereits besiegt. Nicht mehr lange jetzt, dann würde ein neuer Frühling herauf ziehen, und Remus konnte es kaum erwarten. So schnell wieder vergessen dieses merkwürdige Zittern aus Schuld und Angst und einem Gefühl, das er nicht richtig beschreiben konnte.

Er wollte ihn sehen. So simpel war das. Er wollte es so. Und wie das besser arrangieren als mit so tumben Einladungen? Das zersplitterte Fenster im Graben verschließen? Nein, wieso denn, wenn er jederzeit wieder dadurch herein schlüpfen konnte? Für den Menschen nicht groß genug, das Loch, doch der Hund konnte hinein. Und wieder zurück? Da musste er sich an den Trümmern empor ziehen, die ein dreifaches Bombarda maxima vor so vielen Jahren in den kleinen Wachraum geschlagen hatte. Genau darum hatte er ihn dort gefunden an Halloween, wie er kletterte, in Panik und voller Hast und Eile, doch mit dem zähen Mut eines Verzweifelten. Dürr, ausgemergelt, ein Schatten seiner selbst, nur ein Skelett noch mit einem großen, hageren Kopf und tiefliegenden Augen, so dunkel und dennoch erfüllt von einem irren Leuchten, das nur eines schrie: 'Ich will leben!'

„Mitleid,“ sagte Remus und nickte sich selbst zu, grimmig und bestimmt, wie er sich das Kinn rieb und sich von seinem gepolsterten Stuhl mit der runden Lehne aufstemmte. Wie könnte man auf eine solche Gestalt feuern? Ein einfacher Stupor hätte ihn vielleicht schon umgebracht, und schneidende Fesseln in diese Pergamenthaut zu schlagen, das wäre grausam gewesen. So ein dummes Zeug, solche Ausreden. Hätte er ihn aufhalten wollen, er hätte es gekonnt. Punkt. Aus. Alles andere Lüge. Immer noch verstand er nicht, wieso er es dann nicht einfach getan hatte.

Er wollte ihn doch wieder ins Gefängnis bringen, oder? Da gehörte er hin, dieser miese Verräter, dieser Abschaum, dieses Monster. Rache vielleicht? Ihn selbst stellen? Ihn mit eigenen, vielleicht sogar bloßen Händen dafür bestrafen? Ihn sehen lassen, was er angestellt hatte? 'Was hast du aus mir gemacht, schau' es dir an, einsam, allein, gebrochen, desillusioniert, ohne Hoffnung, ohne Zukunft, sieh' her!' Das? Selbst wenn: Würde das irgendetwas bringen? Ihn schlagen, ihn würgen, irgendwas? Nein.

Weder Mitleid noch Rache. Er war schockiert gewesen bei diesem Anblick, ja. Aber trotzdem lag darin nicht das Zögern begründet. Es war etwas Anderes gewesen, das Remus nicht richtig fassen, nicht ganz erklären konnte, aber das Daseinsberechtigung hatte, da war er sich vollkommen sicher. Das Quidditch-Spiel, der schwarze Hund, wieso war er dorthin gegangen? Er hätte dort keinerlei Möglichkeit gehabt, an Harry heran zu kommen, oder etwa doch? Und selbst, wenn Remus so vermessen war, den Grund für sein Erscheinen an jenem Tag auf sich zu beziehen, machte es keinerlei Sinn. Und nun in der vergangenen Woche, wo er dieses Schlupfloch ins Innere des Schlosses wieder genutzt hatte, um hinauf zu gelangen in den Turm, auch da hatte er sein Ziel nicht erreicht. Das Ziel, das man ihm unterstellte.

Nach einer halbvollen Tasse Tee greifend, prustete Remus fast belustigt, aber auch irgendwie beleidigt. Sirius war nicht dumm. Wahnsinnig vielleicht, noch wahnsinniger, als er es schon von Geburt an immer gewesen war, aber nicht dumm und nicht unüberlegt. Sonst hätten sie ihn längst erwischt. Er arbeitete mit dem gleichen eiskalten und gleichzeitig emotionsüberladenen Kalkül, mit dem er sich schon durch die Schulzeit gekämpft hatte. Und einer gehörigen Portion tapferer Dreistigkeit. Dafür musste man dem Entflohenen Respekt zollen, ob man wollte oder nicht. Mit Hilfe eines Zettels voller Passwörter in den Gemeinschaftsraum schlüpfen, sich hinauf wagen bis in das Zimmer der Jungen, das musste man erst einmal hinkriegen! Und dann so jämmerlich zu versagen? Nein, das war nicht Sirius Black. Da war irgendwas faul. Richtig stinkend gärig.

Harry wäre jetzt tot, wenn er das wirklich gewollt hätte. Da war Remus Lupin sich sicher. Auf den letzten Yards auszurasten und einfach auf den Nächstbesten einzustechen, das machte keinen Sinn. Und überhaupt: Den Irrtum bemerkt, blieb doch noch genügend Zeit, sich dem eigentlichen Opfer zu zuwenden, oder gleich alle Fünf zu ermorden, nicht? Ein paar Kinnings mehr oder weniger, was machte das schon bei der langen Liste des Massenmörders Black? Es passte nicht. Es passte hinten und vorne nicht, aber er konnte sich keinen Reim darauf machen. Sirius – war – schuldig! Er war der Geheimniswahrer gewesen, nur er persönlich hatte Voldemort den Aufenthaltsort der Familie mitteilen können, nur er! Wieso floh er jetzt? Warum kehrte er nach Hogwarts zurück, wieso suchte er Harrys Nähe so vehement und brachte es dann nicht genau so leicht und einfach fertig, ihn zu töten, wie bei Peter? Wie bei allen, die er je geliebt hatte? Es wollte ihm nicht in den Schädel.

Einen langen Schluck lauwarmen Earl Greys spülte er sich die Kehle hinunter, wie er mit eng gekräuselter Stirn an das Fensterbrett trat und hinaus schaute in den kühlen Abend. Hier und da schlenderten Schülerinnen und Schüler gemeinsam den gewundenen Weg von Hogsmeade herauf, kehrten von ihrem Ausgang zurück, dick bepackt mit Säcken und Kästen voller neuer Habseligkeiten und Süßwaren vom Honigtopf, und da unten rannte eine schlackernde Bommelmütze in einem sagenhaften Tempo den Hang hinauf. Er musste lächeln, wie er sich das betrachtete, bevor er zurückkehrte in seine Gedanken. Den einen Arm vor der Brust verschränkend, den Ellbogen des anderen darauf stützend, nippte er erneut an der Tasse mit dem kleinen Sprung. So ein Chaos im Kopf. Und auch im Herzen.

Das grünliche Feuer rauschte so unerwartet auf, dass sein Tosen ihn beinahe einen Schritt hatte zurückschrecken lassen. Ohne Vorwarnung, kein Anklopfen, nichts, und Remus rollte mit den Augen und knurrte leise, wie er versuchte, die Frequenz seines Pulses wieder herunter zu drücken. Keine Gestalt erschien im Kamin, niemand platzte einfach so herein, nur die verzerrte, widerhallende Stimme aus angegrätztem Öl donnerte durch den engen Schornstein. „Lupin!“ Snape. Alleine die Tatsache, dass weder Titel noch Anrede fielen, reichte vollkommen aus, um sich dessen sicher zu sein. Auch ohne den verächtlichen Unterton und ohne das schnarrende Knirschen. „Auf ein Wort!“

Seufzend entfaltete Remus seine Arme und stellte die Tasse auf dem kahlen Brett unter dem geschlossenen Rautenfenster ab. Unhöflich bis ins Mark, der gute alte Snivellus, daran würde sich wohl nie etwas ändern. Aber das war wie damals in Kräuterkunde. Von ihm überhaupt schon mit seiner geschätzten Aufmerksamkeit bedacht zu werden, durfte man als Auszeichnung betrachten. Lupin grinste, breit und frech. Er liebte das! Von Severus Snape so betrachtet zu werden, mit diesem immer noch gelb glänzenden Neid und dieser tragisch brennenden Eifersucht, das fühlte sich an wie hundert Schulterklopfer. Und wie bleich und angewidert er wurde, wenn Remus lächelte! Oh, so wunderbar! Das konnte er jetzt hervorragend gebrauchen, auch wenn er keine Ahnung hatte, warum Snape ihn, ausgerechnet ihn und ausgerechnet jetzt sehen, nein, sogar – Merlins Unterhose! - sprechen wollte!

Ohne zu zögern ergriff Remus den Kaminsims und bückte sich, um mitten hinein in das noch immer lodernde Feuerchen zu treten. „Snapes Kerker,“ sagte er, halb geseufzt, dennoch klar und deutlich, bevor er die Augen schloss, um das wirre Drehen nicht so sehr spüren zu müssen. Noch während er die kurze Strecke zurücklegte, wünschte er sich insgeheim, das Flohnetzwerk habe so etwas wie „St. Croix“ in der Karibik verstanden, aber so viel Glück konnte man wohl kaum haben. Und tatsächlich: Sobald er die Lider wieder öffnete, stand die tanzend flackernde Fledermaus mit Namen Severus Snape da draußen vor dem Funkenfänger, die Hände in die Hüften gestemmt und irgend etwas Großes, Abgeknicktes wie ein Stück Pergament in der Hand. Die giftgrüne Farbe des Reisefeuers war ausgesprochen passend dazu. Erneut seufzend, machte Lupin einen beherzten Schritt hinaus in das düstere Büro des Hauslehrers von Slytherin und klopfte sich rasch und mit seinem Lieblingslächeln die Asche von der Robe.

„Du hast gerufen, Severus?“ fragte er, aufgedreht wie ein Schuljunge am Geburtstagstisch eines Freundes, und am liebsten hätte er sich sofort auf die Zunge gebissen. Snape war nicht allein. Ein vielleicht 13 Jahre alter Junge mit wirr abstehendem, schwarzem Haar, leuchtend grünen Augen und einer rundlichen Brille in schmalem, etwas hohlwangigem Gesicht stand unbewegt, aber heimlich schlotternd, mitten im Raum, eingekeilt zwischen einem Stuhl und dem Pult des Lehrers, und er starrte die beiden erwachsenen Männer mit unverhohlener Angst und verunsicherter Überraschung an. Harry James Potter. „Das habe ich,“ bestätigte Snape, schien die Gemütslage des Jungen entweder nicht zu bemerken oder absichtlich zu ignorieren, wie er zu seinem Schreibtisch hinüber schritt und dabei mit dem Pergament in seiner Hand herumwedelte. „Ich habe Potter soeben gebeten, seine Taschen für mich zu leeren. Und er trug dies bei sich.“

Ihm blieb das Herz stehen. Nicht bloß figurativ, er konnte es spüren, nicht mehr spüren, es war still. Keine Bewegung mehr in seiner Brust, nur ein ziehendes Sehnen danach, dass es wieder schlagen möge, während gleichzeitig die Adern bis rauf in die Schläfen pulsierten, als wollten sie um etwas mehr Blut betteln. Alles musste ihm aus dem Gesicht fallen, es konnte gar nichts an seinem Platz bleiben. Auch ohne die Worte überhaupt nur gelesen zu haben, die sich da in unterschiedlichen Handschriften auf diesem gut anderthalb Fuß langen und vielleicht 2 ½ Zoll breiten Stück altem, weichem Zeichenpergament präsentierten, erkannte Remus Lupin sie sofort, die Karte des Rumtreibers. In Harrys Besitz. Und nun in Snapes dreckigen, schmierigen Händen.

„Also?“ machte Snape, die Hände nun auf dem unteren Rücken gefaltet, aber Remus bekam das gar nicht so richtig mit. Er hatte keine Zeit, den Slytherin anzuschauen, um den Ausdruck in seinem Gesicht zu studieren und in seine Überlegungen einfließen zu lassen. Was sagen? Was tun, um dem Jungen da heraus zu helfen, um dieses unschätzbar wertvolle Stück – nicht nur im Bezug auf seinen Nutzen, sondern vor allem den sentimentalen Wert betreffend – vor seinem Zugriff zu bewahren? Einmal mehr in seinem Leben war Lupin froh, einen so schnellen und scharfen Verstand zu haben, der zwar gut und gerne mit seinem Bauchgefühl zusammenarbeiten konnte, es aber auch ein ums andere Mal mehr schaffte, rasanter und davon losgelöst zu einem Schluss zu kommen. Einfach mitspielen. Das klappte schon. Spontan, schlagfertig, wie früher jetzt!

Ungeduldig ob der paar Sekunden Verzögerung, kroch eine kribblige Schärfe in Snapes Stimme. „Also?“ wiederholte er sich wesentlich eindringlicher, und seine spitzen Schuhe mit den dunklen Gamaschen darüber tippten nervös auf dem steinernen Boden ohne Teppiche herum. Ganz schön scheußlich war das Büro hier unten geworden dank seines miesen Geschmacks, was Inneneinrichtung belangte. Diesen Gedanken schluckte Remus rasch herunter. „Dieses Pergament ist eindeutig voller Schwarzer Magie. Das ist doch angeblich Ihr Fachgebiet, Lupin. Was denken Sie, woher könnte Potter so etwas haben?“

Sich aus der Starre reißend, hob Remus den Kopf und warf einen nur winzigkleinen Blick in Richtung des zitternden Kindes dort unter ihm und dem so drohend aufragenden Snape. Nichts sagen sollte er, gar nichts, es ihm überlassen, und Remus hätte schwören können, ein schwaches, dankbares Nicken oder eine Art verlängerten Lidreflex dieser schauderschönen grünen Augen wahrnehmen zu können, der ihm nicht nur freie Hand gewährte, sondern auch um seine volle Unterstützung bat. Wie genetisch determiniertes Verständnis zwischen alten Freunden, ein Quell prickelnder, tropfender Wärme irgendwo zwischen den Rippen.

„Voller Schwarzer Magie?“ fragte Professor Lupin sanft, als wolle er ein Gute-Nacht-Lied singen, und dabei betrachtete er sorgfältig die erschienene Schrift auf dem zusammengefalteten Papier, das er ganz vorsichtig, wie nebenbei nur, aus Snapes Händen klaubte, wie jemand, der einen Gegenstand näher untersuchen möchte, wie ein Antiquitätenhändler, der eine Münze studierte. Mr. Moony entbietet Professor Snape Grüße und bittet ihn, seine abnormal große Nase aus anderleuts Angelegenheiten heraus zu halten. Autsch. Es entsprach der Wahrheit, ja, aber autsch. Der arme Junge. Er musste völlig fertig sein. Mr. Krone stimmt Mr. Moony zu und würde gerne anführen, dass Professor Snape ein hässlicher Dummkopf ist. Oh. Oh je, oh, Harry. Mr. Tatze möchte gern sein Erstaunen darüber zum Ausdruck bringen, dass ein solcher Volltrottel jemals Professor werden konnte. Vor unterdrücktem Lachen völlig fertig. Nicht losbrüllen, nein, nein. Mr. Wurmschwanz wünscht Professor Snape einen guten Tag und rät ihm, sich die Haare zu waschen, dem Schleimbeutel.

War das ein Lächeln, was da über das Gesicht des Lehrers für Verteidigung gegen die Dunklen Künste huschte? Keine Gelegenheit, es zu erfahren. Es war so schnell wieder verschwunden, der Professor so gefasst und ruhig wie eh und je, dass Harry nicht einmal das versteckte Glimmen aus Schadenfreude, Stolz und lieblicher Erinnerung in den silbernen Augen erhaschen konnte. „Denken Sie das wirklich, Severus?“ konnte Lupin offenbar nicht begreifen, wie man so böse Absichten nur annehmen konnte. „Mir scheint es eher, es handelt sich bloß um ein Stück Pergament, das jeden beleidigt, der versucht, es zu lesen. Kindisch, ja, aber gewiss nicht gefährlich?“ Jetzt blieb nur zu hoffen, dass entweder Snape nicht auf die Idee kam, diese Annahme an ihm zu testen, oder dass die Geistsplitter der Karte genau so gut mitdachten wie er. „Ich kann mir vorstellen, Harry hat es aus einem Scherzartikel-Laden ...“

„Tatsächlich?“ unterbrach Snape, sein ganzes Gesicht wutverzerrt, gar nicht in der Lage, diese Emotion irgendwie aus dem Spiel zu lassen. Genau wie früher. So leicht verletzbar in seinem Stolz, so überaus zornentbrannt, wenn es um Neckereien ging, deren Wahrheitsgehalt er nicht abstreiten konnte. Da hatte Petey schon recht: Er könnte sich ehrlich mal ... Nun, das blendete er jetzt besser aus. „Sie denken, ein Scherzartikel-Laden könnte ihn mit so etwas versorgen? Meinen Sie nicht,“ Snape machte eine theatralische Pause, und da war es, was Remus befürchtet hatte: Listiges Aufblitzen in den fast schwarzen Regenbogenhäuten. Nur für Sekundenbruchteile verhärtete sich die Muskulatur an seinen Kieferwinkeln, und die Brauen zuckten. „Es wäre wahrscheinlicher, er hat es direkt von den Herstellern?“

Die Betonung auf diesen letzten Worten verriet seine Ahnung, doch sein Blick war nicht eindringlich genug, nicht wissend genug, und Remus handelte auf gut Glück, genau so wie auf simple Intuition. Snape wusste es nicht. Er konnte es sich denken, aber er wusste es nicht, und er konnte es nicht beweisen oder auch nur den Kreis enger ziehen, wenn Lupin ihm keinen Anhaltspunkt dazu gab. Sein Gesicht entspannte sich augenblicklich wieder, und er zuckte die Schultern.

„Sie meinen, von Mr. Wurmschwanz oder einem dieser Leute?“ erkundigte er sich fast belustigt und wandte sich an den stummen 13jährigen, den bisher niemand dazu befragt zu haben schien. „Harry, kennst du einen dieser Männer?“ Der Junge schüttelte so hastig den Kopf und sagte sein „Nein!“ so bestimmt, dass sogar Remus es ihm abnahm. Er hatte genau so wenig Ahnung wie Severus. Beinahe zum Lachen. Da lief er mit dieser Karte herum, einem Geistsplitter seines Vaters darin verborgen, und er hatte keinen blassen Schimmer. „Sehen Sie, Severus?“ drehte Lupin sich wieder um, als habe er nicht für einen Moment das Seufzen niederkämpfen müssen. „Es sieht mir sehr nach einem Artikel von Zonkos aus ...“

Genau in diesem Augenblick stürzte die schwankende Bommelmütze mitsamt dem dazugehörigen Schüler durch die immer noch halb offen stehende Tür, durch die Snape wohl den jungen Mr. Potter herein „gebeten“ hatte, und entpuppte sich als ein keuchend nach Atem ringender Ron Weasley. So eilig war er gerannt, so sehr hatte er sich beeilt von Hogsmeade herauf, musste durch das halbe Schloss gelaufen sein wie ein Berserker, dass er seinen Schwung kaum abfangen konnte und beinahe im hohen Bogen über das vollgestellte Pult des Slytherin'schen Hauslehrers gesegelt wäre. Dabei hätte er mindestens ein Dutzend frisch eingelegter Tierchen mitgerissen, und Snapes Augen weiteten sich in Entsetzen, wie er nur hastig die Hände ausstreckte, aber keine Gelegenheit hatte, seine Habe besser zu schützen.

„Ich – habe – Harry – das – gegeben!“ brachte er irgendwie zwischen den Lippen hervor, konnte kaum sprechen, so sehr fehlte ihm die Luft dazu, und dabei hielt er sich die Brust, die sich so heftig hob und senkte, dass unnatürliche Einziehungen durch die Robe sichtbar waren. „Hab's – gekauft – vor Ewig – keiten – bei – Zonkos!“ Die Chance musste genutzt werden. Fröhlich, enthusiastisch, als habe jemand so eben für ihn das Rätsel des Gordischen Knotens gelöst, lächelte Remus über das ganze Gesicht und klatschte lautstark in die Hände. „So!“ rief er dabei aus und stellte sicher, das Pergament nicht eine Sekunde aus der Hand zu geben. „Das dürfte damit geklärt sein!“ Und er fing schon an, aus dem langen Blatt schwungvoll ein wesentlich Kleineres zu machen, noch besser und sorgfältiger gefaltet als Harry es bereits transportiert hatte. „Severus, ich nehme das an mich, darf ich?“ Rhetorische Frage. Er hatte nicht vor, auf eine Antwort zu warten oder diese, falls sie fallen sollte, überhaupt wahrzunehmen, geschweige denn zu respektieren. Die Karte war bereits in seiner Robe verschwunden.

Beide Arme ausbreitend und die Schultern der Jungen sanft, aber bestimmt ergreifend, sprach er noch über seine eigene Schulter, wie er sie schon zu schieben begann. „Harry, Ron, ich würde gern kurz über eure Vampir-Essays reden,“ raunte er ihnen laut genug zu, um Snape jedes Wort davon verstehen zu lassen und dabei dennoch zu klingen, als ginge es den Tränkemeister gar nichts an. „Entschuldigen Sie uns, Severus!“ trällerte Remus übermäßig zufrieden nach hinten weg, und dann legte er einen hastigen Zahn zu und beförderte beide, den Rotschopf wie James' grünäugiges Ebenbild aus der Tür und hinaus auf den Flur, und er schlug den kürzesten Weg nach oben und hinaus aus den Katakomben ein. Diese dummen Jungs!

Glück gehabt, gut gegangen, aber während er das noch dachte und die beiden jungen Gryffindors Stufe für Stufe hinauf geleitete in die Eingangshalle, in die immer noch zurückkehrende Schülerinnen und Schüler stolperten, mischte sich unter die Erleichterung auch die leise Wut. Wie konnte man nur so blöd sein? Wie passierte sowas, sich mit einem so verdächtigen Gegenstand erwischen zu lassen? Ausgerechnet von Snape? Und überhaupt, wozu hatte er es benutzt? Darüber brauchte Remus nicht nachzudenken, er wusste es eigentlich längst. Woher sonst hätte Ronald wissen sollen, wohin er musste, warum er sich so zu beeilen hatte? Dementoren an jeder Ecke, aber es waren Wege nach Hogsmeade frei, auch für einen Jungen, der erstens keine Erlaubnis dazu hatte, das Schloss zu verlassen, und der zweitens von einem wahnsinnigen Häftling gesucht und verfolgt wurde!

Ohrfeigen sollte man ihn! So nachlässig, so albern, so gedankenlos! Wie James, verflucht! Schlimmer, wie Sirius! Wie der Mann, der nun mehrfach schon in die Schule eingedrungen war, um an ihn heran zu kommen! Seine Stirn in unzählige steile Falten legend, schnaubte Remus, noch immer in schnellem Schritt vorwärts eilend, um diese beiden Kinder hier aus Snapes Reichweite zu bringen. Und dann rasch weg, nicht ohne ein paar Worte gesagt zu haben. Er konnte das so nicht stehen lassen, was Harry da getan hatte in seinem jugendlichen Leichtsinn, aber er war nicht in der Verfassung für längere Erklärungen oder gar Tiraden. Dafür standen ihm selbst schon die Tränen aus Enttäuschung und Wut und aufgerissenen Wunden in der Kehle. Keine solche Blöße vor dem Jungen, er wollte ihm das nicht erzählen müssen, all das! So lange Zeit war er nur aus der Ferne dagewesen, das nun zu sprengen und zu ändern, das brachte Remus Lupin nicht fertig.

Es war Harry selbst, der es nicht mehr aushielt und den schnellen Lauf verlangsamte, indem er sich, die Hand des Lehrers noch immer schwitzig irgendwie auf der Schulter, zu ihm herumdrehte und das Gespräch eröffnete: „Professor, ich ...“ Das barst das knirschende Eis, auf dem Remus sich bewegt hatte, und er unterbrach ihn sofort. „Ich will keine Erklärungen hören,“ brach es aus ihm heraus, barscher und heiserer als er es vorgehabt hatte, und augenblicklich stoppte er gänzlich ab, direkt vor dem Aufgang der breiten Marmortreppe, und schaute sich vorsichtig in der Eingangshalle um, bevor er die Stimme herabsenkte. „Zufälligerweise weiß ich, dass diese Karte von Mr. Filch konfisziert wurde, vor Jahren schon,“ hob er einen mahnenden Finger, und sofort rutschte Ron und Harry alles aus dem Gesicht. Ihre Augen weiteten sich im gleichen Maße, wie ihnen die Kiefer herunter klappten, und Remus war nicht mehr so sicher, ob es schlau gewesen war, so vorzugehen.

Doch, war es. Er musste es ihnen vor Augen führen, sie mussten begreifen, was auf dem Spiel stand, ein für allemal. Auch wenn er damit einen Teil von sich preisgab, der vor ihnen verborgen bleiben sollte. „Ja, ich weiß, dass es eine Karte ist!“ Ihre untereinander getauschten Blicke voller Verblüffung und Angst wischte der Professor mit einer heftigen Handbewegung davon, verriet damit beinahe seine Gefühle aus Zorn und Fassungslosigkeit. „Ich will nicht wissen, wie sie in euren Besitz gelangt ist. Ich bin dennoch erschrocken, dass ihr sie nicht abgegeben habt!“ Das hier war jetzt wichtig, denn genau darauf hatte er hinaus gewollt, und er wandte sich besonders an den Jungen mit der dicken Brille, der nun wie ein gehetztes Reh zu ihm aufschaute, je mehr er sich zu ihm herunter beugte und ihn regelrecht anfunkelte. Ja, vielleicht jagte er ihm damit einen Schrecken ein, so ein ganz anderes Bild von seinem Lehrer gewohnt, aber es musste sein.

„Besonders nach dem, was beim letzten Mal geschehen ist, als ein Schüler Informationen über das Schloss hat herumliegen lassen.“ Nevilles Passwortliste, die es Sirius Black erst ermöglicht hatte, in die Gemeinschaftsräume von Gryffindor und damit in den Schlafsaal der Jungen einzudringen. „Und ich kann sie dir nicht zurückgeben, Harry.“ Der 13jährige protestierte nicht, sondern schaute ihn nur aus wässrig-großen Augen an wie jemand, dem man soeben hatte erklären wollen, wie die Mondfähre funktionierte, oder warum Glühwürmchen im Dunkeln leuchten konnten. „Warum denkt Snape, ich hätte sie von den Herstellern?“ sprudelte er die erste Frage dazu regelrecht heraus, als wolle er jetzt absolut peinlich genau wissen, wie so ein Leuchtstoff chemisch aufzuschlüsseln war. Na, auf einmal konnte er wieder sinnvolle Gedanken fassen?

Schnaubend mahlte Remus mit den Kiefern und zog eine Braue steil nach oben bis unter den Haaransatz. Jetzt mindestens wieder so vorsichtig wie gerade noch bei Severus. Der Junge durfte ein paar Sachen wissen, er musste nicht dumm durch die Gegend laufen, und lügen wollte Remus nicht, aber er würde ihn trotzdem klein halten dabei. Nur so viel wie unbedingt notwendig. „Weil,“ er zögerte und musste noch mal nachdenken, rollte halb genervt mit den Augen, „weil dich die Zeichner dieser Karte gerne aus der Schule gelockt hätten.“ Am besten bei Nacht, beim Schein des Mondes, wenn es am verführerischsten war, am schönsten, so unglaublich wundervoll. „Sie hätten das extrem amüsant gefunden.“ Diese Wolke aus Düsternis über Lupins Kopf, die dabei entstand, sie wirkte nicht richtig. Zumindest ihm selbst kam sie vor wie ein sonnenbeschienenes Stück Himmel.

Und bei Harry Potter rasselten offenbar alle 493 Knuts zur Galleone in einem Rutsch durch. Manchmal ganz schön schwer von Begriff, ja, aber sobald es um's Mist Bauen ging genau so auf der Höhe wie sein Vater. Zum Auswachsen. „Sie kennen sie?“ fragte er voller Bewunderung, wie ein kleiner Kerl im Zirkus, wenn er mit dem abgeschminkten Clown sprechen durfte, und da war kein Anzeichen von Zurückhaltung oder Verständnis. Er hatte es nicht begriffen. Nein, es war ihm nicht klar, in welche Gefahr er sich und andere damit gebracht hatte, diese Karte zu verwenden und auf ihren Spuren zu wandeln! Fast hätte Remus über seine eigenen wirren Gedankengänge lauthals, aber bitterlichst gelacht. Das war mal er gewesen? Mr. Moony, der Snape empfahl, seine riesige Nase aus anderleuts Angelegenheiten heraus zu halten? Der es witzig fand, nachts das Bett zu verlassen, um Streiche auszuhecken? Ein solcher Held voller Lebensmut und Lebenslust?

Was war er jetzt? Ein ängstlicher Waschlappen, der einen Verräter nicht verhexen konnte. Der einem 13jährigen, einem Jungen mit so sprühenden Augen, riet, sich geduckt zu halten. Nein, das war nicht mehr Moony. Und er fühlte sich damit kein bisschen erwachsen. Es tat furchtbar weh. „Früher mal,“ hörte er sich selbst sagen und schluckte das hastig herunter, um eben das zu sein, was er war: Lehrer, Beschützer, heimlicher Verwalter. Der mahnende Finger schnellte wieder nach oben, und mit ernstem Blick musterte er das halbe Kind forsch. „Erwarte nicht von mir, dass ich dich noch einmal raushaue, Harry.“ James hätte gelacht. Ihn nicht für voll genommen. Genau gewusst, dass es nur eine leere Drohung war. Aber Harry kannte ihn nicht. Er schluckte fest und nickte.

„Ich kann dich nicht dazu bringen, Sirius Black ernst zu nehmen,“ alleine die Erwähnung des Namens bereitete ihm Mühe, aber er wollte, dass der Junge ihn genau verstand. „Aber ich hatte gedacht, dass was du hörst, wenn die Dementoren dir zu nahe kommen, einen größeren Einfluss auf dich hätte.“ Wie Sirup sickerte die Farbe aus Harrys Gesicht. Man konnte dabei zusehen, wie ihm schlecht wurde, grünlich-bleich verfärbt die Haut bei dem Gedanken an die Gefängnisaufseher von Azkaban, aber vor allem mit der schreiend, gellend lauten Erinnerung seiner flehenden Mutter im Kopf. Ja, das tat weh! Das sollte es auch! Und auch wenn er jetzt schon Mitleid mit ihm hatte und am besten gar nicht weitersprechen wollte, so musste er doch, um ihn klar sehen zu lassen, was ihm gerade – erneut – innerlich das Herz in Stücke zerriss wie die Klauen eines Löwen eine gefällte Gazelle.

„Deine Eltern gaben ihr Leben, um deines zu schützen, Harry.“ Seine immer heisere, kratzige Stimme wurde noch einen Tick rauchiger, wie er die eigenen Tränen unterdrückte, aber den beiden Schülern, dem halb aufgelösten Harry genau so wenig wie dem ganz perplex starrenden Ronald, fielen sie nicht auf in seinen Silberaugen. „Eine armselige Art, ihnen das zu danken – ihr Opfer zu verspielen für einen Sack voller Zaubertricks.“ Und es reichte ihm selbst. Ohne ihn auch nur noch einmal anzuschauen, genau so verstört und traurig und schockiert über das, was er gesagt hatte, genau so wie über die Taten, die dazu geführt hatten, wie damals im Dezember, ein Sternenmal auf seiner Stirn, drehte Remus sich auf den Absätzen seiner fleckigen Oxford Schuhe herum und schritt die Marmortreppe hinauf, eilig, aber nicht hastig, und ließ die beiden Jungen zurück.

Nur rauf, schnell rauf in sein Büro im dritten Stock, instinktiv den kleinen Wendelgang am hinteren Ende des schmalen Durchstichs von der Empore nutzend, ignorierte er völlig das laute Rufen und verzweifelte Winken von Percy Weasley, dem Vertrauensschüler, der offenbar irgend etwas zu besprechen hatte, grüßte nicht mal die Erstklässler, die ihm ein fröhliches „Guten Abend, Professor Lupin!“ entgegen johlten. Die ausbeulende Karte in der Innentasche seiner Robe wölbte sich gegen seine Brust, als wären nicht nur Geistsplitter darin verborgen, als könne sie sich auch körperlich bemerkbar machen. Wärme, Hitze strahlte aus, aber es war bloß seine besser durchblutete Haut, egal wie sehr er sich etwas Anderes wünschte. Mr. Krone stimmt Mr. Moony zu und möchte anfügen, dass Professor Snape ein hässlicher Dummkopf ist, schoss es ihm durch den Geist, während er lief, und ein albernes Prusten konnte nicht unterdrückt werden.

Den Klassenraum für Verteidigung gegen die Dunklen Künste fluchtartig durchquerend, hätte er beinahe ein paar Stühle umgebrezelt, hastete die kleine Treppe am Pultende hinauf und riss die grün lackierte Tür zu seinem Büro auf. Er sprang förmlich hinein, das Metall schrammte und knallte, wie das Schloss zufiel, aber Remus Lupin blieb nicht stehen. In einem Satz eilte er weiter, dort hinten zu seinem Schlafzimmer hinüber, dessen Tür vor vielen Jahren einst in rötlichem Schimmer unter Saladin Al-Haranis Glaslaternen geleuchtet hatte, und erst dort drinnen, verschanzt, allein, griff er sich in die Tasche und beförderte das gefaltete Pergament heraus.

Die Berührung reichte aus. Keinen Zauberstab verlangten die eingeschlossenen Splitter, keinen Versuch, ihr Geheimnis zu entlocken. Während er sich auf die Knie vor seinem Bett fallen ließ und die Karte, leer gewischt, sorgfältig, liebevoll streichelnd darauf ausbreitete, erschien die Schrift darauf ganz von allein. Und er wusste nicht, wieso, aber das gab ihm den Rest. Es waren die kringeligen, ineinander gezogenen Schreibbuchstaben des Sirius Black: Na, Moony? Hat dir das gefallen, war das gut? Du hast uns gefehlt! Wo warst du?

Er lachte. Die Hand darauf ausbreitend, mit jedem Achtelzoll das weiche Pergament berühren wollend, lachte er laut und glücklich, und gleichzeitig schüttelten sich die breiten Schultern im Krampf und liefen die Tränen, die er so viele Jahre schon nicht mehr vergossen hatte über diesen Verlust.


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