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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Lebensgefahr funktioniert immer

von Teekon

Sie lachte! Sie lachte so laut und so heftig, dass sie fast nach hinten über die Bank gekullert und einfach auf den dunklen Boden geklatscht wäre, und ihr glockenhelles Brüllen hallte in den langen Korridoren wider, als wäre es vollkommen gleichgültig, wer sie hörte. Obwohl er sie am liebsten erschlagen hätte für diesen Schock in der Abendstunde, konnte er ihr einfach nicht böse sein, schmunzelte nur kopfschüttelnd und setzte sich etwas entspannter hin. „Du hast mich zu Tode erschreckt,“ sagte Remus Lupin nur und wunderte sich ein wenig, wieso dieser ängstliche Schweißfilm schon längst wieder verflogen war.

Noch wie sie da auf der Bank neben ihm hockte und ganz unschuldig mit den Füßen baumelte, trug sie nach wie vor die dunkelblaue Robe, die zu ihrer Tarnung gehörte, und so merkwürdig das auch an ihr aussah, Dora Tonks behielt die Uniform an. So lief sie immer herum, wenn es ihr Nachtdienst war, wenn sich eine junge Aurorin nicht hier im Ministerium herum zu treiben hatte. Schon gar nicht, weil es sich bei Miss Tonks nicht gerade um den Workaholic des Jahres handelte. Das fiel dann schon auf, sollte sie mehrfach nachts angetroffen werden auf den Gängen und Fluren, und deshalb behalf sie sich einfach damit, den jeweils anderen Wächter zu imitieren, wenn sie einem der beiden begegnete.

Und genau aus diesem Grund hatte Remus gerade eine halbe Herzattacke erlitten. Er hatte Nachmittagsdienst gehabt, hatte hier unten in dem sonst meist ruhigen Seitenarm des Hauptkorridors auf der breiten, polsterlosen Bank gesessen und war tief in ein paar Papiere versunken gewesen. Man fiel nicht auf, solange man sich in den Schatten verborgen hielt, und das gehörte zu seinen Spezialitäten. Dazu noch Moodys zweitbesten Tarnumhang dabei, und schon konnte einem so gut wie nichts passieren. Es sei denn, man bemerkte nicht, wie das silbrig glänzende Stück Stoff von einem herunter rutschte. Das war zwar nicht passiert, aber sie hatte ihm das Gefühl gegeben, und natürlich konnte sie das, weil sie nicht nur ahnte, dass hier jemand ein Lager aufgeschlagen hatte, sondern weil sie es wusste.

„Was machen Sie hier?“ hatte sie geblafft, mit der aufgebrachten (sonst eher angeödeten) Stimme von Eric Munch, dem Wächter aus der Eingangshalle, und wie sie da mit den Fäusten in den Hüften aufgeragt war und mit einem gereizten Stiefel tappte, da war er voll drauf reingefallen. Das fehlte gerade noch, dass dieser Trottel von Sicherheitsmann ihn, ausgerechnet ihn, einen bekannten Werwolf, erwischte, in der Mysteriumsabteilung mitten in der Nacht! Naja, gut, es war natürlich erst kurz nach Acht (wie hätte Tonks auch pünktlich sein können?), nur hatte Remus das sowieso nicht bemerkt. Er besaß eine Uhr, ja, aber er schaute selten darauf, hatte kein Verständnis für Zeit oder Eile, es sei denn, es war Vollmond. Aber dem war nicht so, das hatte noch genau zwei Wochen.

Jetzt mittlerweile hatte sie die Verkleidung abgelegt, und mit ihren kurz gehaltenen, rosafarbenen Haarspikes schaute sie in der vorgeschriebenen Uniform des Wachpersonals gleich noch mal so seltsam aus. Ein winziger, silberner Ring, gerade mal groß genug, dass er überhaupt sichtbar war, glänzte an ihrer Augenbraue in dem schwachen Licht der Gasfunzeln, und Fackeln, das um die Ecke fiel, und hier drinnen hatte Remus keine Kerze entzündet. Wie der bei dieser Düsternis eigentlich was lesen konnte, das war ihr ein Rätsel. Aber genau das hatte er getan, deshalb war ihr Plan ja so wunderbar aufgegangen. Sich langsam beruhigend, von lautem Lachen zu zaghaftem Kichern übergehend, wischte sie sich mit dem Ärmel über die Nase und betrachtete sich das genauer.

Im Zurückweichen hatte er den linken Fuß in den ausgebleichten und fleckigen Oxford Schuhen auf die Bank gehoben, um sich auf katapultieren zu können, wenn er musste, und ihn nun nicht mehr herunter nehmend, rutschte Remus fast lässig wie ein Student auf den Stufen zur Assembly Hall mit der Flanke an der Wand hinter sich entlang. Eine Braue noch immer steil erhoben, lugte er über den Rand seiner Lektüre hinweg und beäugte sie misstrauisch, ob sie nicht noch irgendwas Fieses in petto hatte, um ihn ein bisschen zu ärgern und aus der Reserve zu locken. Das machte sie gerne, das wusste er ganz genau. Wie Sirius. Eben eine richtige Black. Naja, nur um Einiges hübscher als dieses Azkaban'sche Schreckgespenst. Innerlich streckte Remus die Zunge heraus und machte sich im Kopf eine Notiz, diesen Spruch bei Gelegenheit anzubringen.

Aber wieso denn im Kopf? Dafür hatte er doch das kleine, schwarze Büchlein mit den Deminuere-Seiten, oder etwa nicht? Die Achseln zuckend, wobei er offensichtlich einem Gespräch mit sich selbst folgte, rupfte Lupin sich den angenagten und winzigen Federkiel hinter einem Ohr hervor und begann, irgend etwas dort hinein zu kritzeln. Das wurde ja immer interessanter. Augenscheinlich war das kein Buch im herkömmlichen Sinne, da las er nicht einen seiner unzähligen Schinken über Zaubersprüche und Runenkunde, sondern das hier war eine Art Notizblock für Schlaumeier und Schulmeister. Sobald er jedoch fertig damit war, seufzte er lautstark und schlug den schwarzen Moleskin-Einband zu, dass es nur so klatschte. Oh. Ja. Richtig. Das hier war ja Wachdienst, und seine Schicht war nun zuende. Ein bisschen enttäuscht unterdrückte Tonks ein Ächzen und senkte rasch den Blick, drehte den Kopf in Richtung des Ausgangs und kämpfte verbissen gegen die Stirnfalten an. Brachte rein gar nichts. Sie biss sich auf die Lippe und kaute darauf herum.

„Ich sollte mich auf den Weg machen,“ befand Remus, rieb sich den Oberschenkel und machte Anstalten, sein Heftchen in die Innentasche seiner Robe gleiten zu lassen. Nicht mal einen Mantel hatte er dabei, und draußen schüttete es wie aus Kübeln von einem endlos grauschwarzen Nachthimmel eines fiesen Londoner Novembertages. Was das betraf, war das Mädchen wirklich froh, hier drin zu sein, andererseits würde es in diesem Kellerloch bald ziemlich kühl werden. Blöd, sowas. „Ja,“ sagte sie nur tonlos und nickte, vorsichtig darauf bedacht, ihn nicht direkt anzusehen, damit er nicht mitkriegte, wie wenig enthusiastisch sie an diese Arbeit ging. Und dabei merkte sie nicht einmal, wie furchtbar intensiv sie genau diese Einstellung abstrahlte.

Remus musste schief grinsen davon, wie sie vornübergebeugt auf der äußersten Kante der breiten Holzbank hockte, beide Hände mit durchgestreckten Ellbogen links und rechts von sich abgestützt und die schweren Stiefel ineinander verdreht. Fast wie ein Kind oben in Hogwarts vor einer Klausur, oder wie nach verlorenem Quidditch-Match. Vielleicht hatte sie wirklich ein paar Mal so dreingeschaut, die Jägerin für Hufflepuff, die sie mal gewesen war, vor gar nicht so langer Zeit. Kanariengelb! Hoffentlich hatte sie dazu eine andere Frisur oder zumindest eine andere Haarfarbe getragen, sonst hätte sie den Eindruck einer fliegenden Geburtstagstorte vermittelt. Er prustete, obwohl er das nicht wollte, und Remus konnte von Glück sagen, dass Tonks das nicht so richtig mitbekam. Au backe, was hatte er da bloß wieder gedacht? Ewig nicht mehr. So albern. Sich schüttelnd, versuchte er, das Bild wieder loszuwerden, aber es klappte nicht so recht.

Die Sohlen ihrer hohen, geschnürten Schuhe glitzerten noch vom Regen, und für einen Moment huschte so etwas wie genervtes Bedauern über sein Gesicht. Ach nö. Musste denn das sein? Er würde patschnass werden, selbst wenn er von draußen gleich heimwärts apparierte. Das war nicht OK, aber er wollte lieber doch das Auroren-Passwort nutzen, um direkt aus dem Ministerium heraus und nach Hause zu können. Immerhin war das hier ein Notfall, oder? Davon musste er schon wieder grinsen, und er dachte an sein Bett daheim in Aldgate East und das Feuerchen im Kamin. Irgendwie verschaffte ihm das keinerlei Wärme. Keine Ahnung wieso.

Missmutig brummelnd, hörte Tonks auf, mit den Beinen zu schaukeln, damit er an ihr vorbei auf den Gang hinaus stiefeln konnte, auch wenn Remus kein bisschen drängelte und nicht einmal höflich nachfragte, ob sie ihn nicht mal gehen lassen wollte. Dung hätte sie mittlerweile halb umgebrezelt, um endlich an die frische Luft zu gelangen (nur um diese dann gleich mit seiner Pfeife zu verpesten). Aber Sirius wartete bestimmt auf ihn, der hatte nämlich schon den ganzen Tag rumgenöhlt, weil sich niemand mit ihm beschäftigen wollte. Das war ja auch fatal, wenn er solche Laune hatte. Der triste Herbst ließ es eben noch schwieriger und grässlicher sein, in einem dunklen, miefigen Haus gefangen zu sein, in dem nur die Küche anständig beheizt werden konnte. Also, worauf wartete der noch? „Ich hasse Nachtdienste,“ knurrte Tonks.

Grinsend ordnete Lupin immer noch seine Robe, wie er da in der Sackgasse stand und sie mit schief gelegtem Kopf beobachtete. „Tatsächlich?“ erkundigte er sich, als könne er das nicht verstehen. „Ich mag sie ausgesprochen gern!“ Ja klar, er hatte hier ja auch niemanden zum Quatschen tagsüber, ganz im Gegenteil. Da musste er sich erst recht still verhalten in diesem Versteck, während er außerhalb der Geschäftszeiten fast so entspannt arbeiten konnte wie zuhause. Oder was auch immer er dann so trieb. „Total fad,“ beschwerte sich das Mädchen schmollend und verschränkte die Arme vor der Brust. „Da schlaf ich doch eh bloß wieder ein.“ Alle acht Zähne des chinesischen Glückslächelns präsentierte er mit einem Mal, und ihr fiel alles aus dem Gesicht. Schande, was hatte sie denn da von sich gegeben?

Erschrocken eine Hand vor den Mund hebend, weitete sie die Augen und hätte es mit Sicherheit gern schlimmer gemacht mit einem „oops!“. Merlin sei Dank jedoch, fing sie sich rechtzeitig. „Selbstverständlich bin ich dabei noch nie eingeschlafen!“ beeilte sich Tonks zu sagen und grinste verlegen. Toll. Das nahm er ihr doch sowieso nicht ab. Da brauchte sie sich nicht einmal dieses verschmitzte Grienen für anzusehen. Mist. Wem gaukelte sie da was vor? Er hatte noch nie irgendein Anzeichen davon gegeben, sich an ihren Unzulänglichkeiten und Unverschämtheiten zu reiben oder auch nur die geringsten Schwierigkeiten damit zu haben, wenn sie genau das tat, was Professor Sprout ihr immer vorgehalten hatte: Sich nicht benehmen zu können. Naja, vielleicht zog da bei ihm so 'ne Art antrainierter Sirius-Bonus, und in diese Kategorie schien sie problemlos mit integriert zu werden von Mr. R.J. Lupin. Ob das nun gut oder schlecht war, darüber ließ sich knobeln. Ihr jedenfalls gefiel das gerade mal wieder sehr, und Tonks lächelte schon unbeschwert.

Mal ehrlich, in Aldgate war es auch kalt. Und wahrscheinlich würde es durch die Decke tropfen, wenn es so fürchterlich regnete, wie er sich das gerade ausmalte, ohne die kleinste Ahnung davon zu haben, welches Wetter da draußen herrschte. Und auf Grimmauld Place hatte er auch keine Lust. Das war nur unwesentlich besser als seine eigene Wohnung, rein vom Gemütlichkeitsfaktor her betrachtet. Die Gesellschaft war anders, ja, aber auch das war nicht unbedingt von Vorteil. Es kam drauf an, welche Stimmung den Hausherrn gerade befallen hatte, und wenn er jetzt dort aufschlug und Sirius nervte, war es schwierig, ihm wieder zu entwischen. Also, warum nicht?

Seufzend ließ Remus sich wieder auf die Bank sinken, lehnte sich an die Wand und zog das Büchlein wieder aus der Robe hervor. „Ich komm' heute nicht zur Ruh',“ erläuterte er nur schwach, schlug die Seiten auf, zwischen denen ein winziges, rotes Stück Pergament steckte und versenkte seine knubblige Nase wieder halb in der Falz. Was er denn damit nun meinte, das wollte nicht in Tonks' Schädel hinein. Und nur, weil er nicht schlafen konnte, wollte er hier sitzen bleiben? Wozu denn das? Oh! Schon fast wieder in Panik, schnellten die Hände der jungen Frau nach oben, und sie wedelte damit demonstrativ vor seinem Gesicht herum. „Nein, nein, nein!“ schlug sie dieses Angebot sofort aus, wollte das auf keinen Fall so stehen lassen. Er sollte nicht denken, sie wäre faul oder hätte bloß keine Lust wie irgendein dummes Kind ein neues Spielzeug wollte, auf keinen Fall! „Ich will nicht, dass du meinen Dienst übernimmst!“

Offenbar hatte er das nicht gemeint. Eine seiner Brauen hüpfte gen Haaransatz, und er zog den Kopf zurück, bevor er leise kichernd verneinte. „Hatte nicht vor, dir deine geschätzte Aufgabe abzunehmen,“ zwinkerte Remus und widmete sich bereits seinen Notizen. Irritiert, verwirrt, glotzte Tonks nur und klimperte mit den endlos langen, so schön gebogenen Wimpern ihrer tiefbraunen Augen, und er musste sich ganz dringend zwingen, die Wörter auf den Seiten anzustarren, sich davon abzulenken. Das war wie in der Küche zu Harrys Geburtstag, dieses merkwürdig-komische Kribbelgefühl im Innern der Wirbelsäule, und das brachte ihn so durcheinander, das machte ihm ein winziges bisschen Angst. Es wegzuschütteln, war nicht möglich.

Als sie es endlich begriff, was er eigentlich damit sagen wollte, blinzelte sie verlegen und formte mit den vollen, karmesinleuchtenden Lippen ein stummes „oh“. Er wollte bloß da bleiben! Einfach hier sitzen und lesen und nachdenken, während sie ihre Wache hielt! Oh, das war ... Nur damit sie sich nicht langweilte. Das war so lieb! Viel einfacher zu ertragen, wurde der Dienst dadurch, nur die Anwesenheit reichte schon aus, und obendrein dann auch noch seine Gegenwart, nicht irgendeine. Ein Schub aus wunderbarer Wärme suchte sich seinen Weg ihren Kragen hinauf und hinterließ Streifen aus Flush an ihrem Hals. OK, ja, seit dieser Sache da an den Kalksteinfelsen, seitdem war „allein Sein“ mit ihm ein wenig schwieriger geworden, ein bisschen befremdlich und eigentümlich, aber keineswegs unangenehm. Es war eher wie Hinwollen und Wegmüssen. Wenn Charlie nicht aufgetaucht wäre, sie konnte immer noch nicht genau darstellen, was passiert wäre. Darüber nachzudenken, war viel zu gefährlich.

Nur von der Seite her lächelte er sie an, bevor er den Kopf schüttelte und sich voll und ganz in das Buch auf seinem Knie vertiefte. Längliche, horizontale Fältchen breiteten sich über seiner Stirn aus, und ihm schien nicht einmal aufzufallen, wie ihm Strähnen hellbraun-grauen Haares in die Augen rutschten. Mit dem Federkiel hinter dem Ohr (von dem die Feder entweder längst abgebrochen oder abgebissen worden war) tippte er sich mit einem Finger auf die Lippen und das etwas dichter stehende Stoppelwerk (das er euphemistisch einen Bart nannte, hätte Sirius jetzt gesagt) und gab ein winziges, schnurrendes „hm“ von sich. Eine Idee? Oder ein Hänger im Plan? Tonks konnte es nicht deuten, so gerne sie auch mochte, und ein Einblick war von ihrer Position aus einfach nicht drin.

Wollte sie was darüber erfahren, musste sie schon nachhaken, und einen Finger ausstreckend, bohrte die junge Aurorin ihren gut gepflegten, dunkel lackierten Nagel in den Oberarm des College-Professors zu ihrer Rechten. Sie hätte schwören können, dass sich die Härchen an seinen großen, rautenförmigen Ohren davon in ein hastiges Spalier stellten und sofort wieder hinunter sanken, um sich an die weiche Haut zu schmiegen. „Was machst du da?“ legte sie ein gelangweiltes Jammern in ihre Stimme, damit er einen höheren Anreiz hatte, ihr auch ja Antwort zu geben, und zuerst schnellten wieder beide Brauen nach oben und entknitterten davon seine Schläfen. Anschauen jedoch tat er sie nicht. „Arbeiten,“ behauptete Remus mit den funkelnden Silberaugen fest auf dem Papier.

Tonks rollte mit den Augen und verhinderte so gerade eben, dass sie darüber lachte. Nur ein gespielt patziges Lächeln mit der Zunge zwischen den Zähnen, breitete sich auf dem herzförmigen Gesicht aus, wie sie den Kopf zwischen die Schultern duckte und ein röhrendes Geräusch produzierte. „Langweilig!“ befand sie langgezogen und so übertrieben abschätzig, dass es nicht ernst gemeint sein konnte. Sie wollte doch nur ein bisschen mehr Aufmerksamkeit. Doofes Buch. Was zum Teufel stand denn da drin? Sich mit einer Hand hochstemmend, reckte das Mädchen den Hals und versuchte so krampfhaft, darüber hinweg zu lunsen und einen Blick auf den Inhalt zu werfen, dass sie davon gepresst atmete, als stünde jemand auf ihrem Brustkorb.

Sollte er es ihr zeigen? Oder lieber nicht? Zerstörte das nicht komplett das Bild, das sie sich von ihm gemacht haben musste? Aber welche Vorstellung mochte das denn sein? Der letzte überlebende Freund ihres Großcousins (das schürte grässliches Mitleid)? Der dreckige Werwolf (das tat weh)? Ein öder alter Besserwisser (vielleicht schon)? Ein durchgeknallter Idealist auf einem hoffnungslosen Kreuzzug? Oder eine Mischung aus all dem? Was auch immer, es war mit Sicherheit nicht die Wahrheit über ihn, und aus irgendeinem Grund verspürte Remus Lupin bei diesem Gedanken ein drückendes Bedauern und eine absonderlich ziehende Sehnsucht. Beides zusammen gefiel ihm nicht, auch wenn Letzteres erstaunlich – angenehm – war. Das verwirrte ihn umso mehr.

Ohne es recht zu wollen, legte er das Notizbuch, das er nun schon besaß, seit er seinen ersten Fuß in die heiligen Hallen von Hogwarts gesetzt hatte, und das alle seine Einfälle und Zaubersprüche und Flüche und Randbemerkungen enthielt, die ihm je in den Sinn gekommen waren, offen sichtbar auf seinem Knie ab. Nicht mal wundern konnte er sich, dass er so etwas tat. Die Jungs hatten nie gefragt, ob sie mal hinein schauen dürften, und wenn er sich das recht überlegte, hätte er es vermutlich auch nicht erlaubt. Nicht mal Sirius, James und Peter oder Lily. Keinem. Niemandem. Und jetzt präsentierte er wie selbstverständlich diese klitzekleine, fast kindliche Zeichnung in den linierten Seiten. Augenblicklich sprang Tonks darauf an, lehnte sich über ihn und studierte begierig jedes einzelne Wort und jeden noch so unbedeutend erscheinenden Strich mit dunkler Tinte.

Wirr mochte einem das auf den ersten Blick erscheinen, in einer Art Steno gehaltene Schrift, und dennoch fand sie das vollkommen logisch und verständlich. Ein zylindrisches Glas, ein Bett, ein komisch geformtes Stück Holz mit Augen und ein Strichmännchen mit abstehender Lockenpracht. Ganz klar: Krattler unter Sirius' Decke! Ein Heidenspaß! Schadenfroh lachend, zückte Tonks selbst einen angeknabberten Bleistift, den sie mit sich herum trug, malte einen dicken Pfeil auf das magische Geschöpf, vor dem ihr Cousin eine solch unwahrscheinlich himmelschreiende Furcht hatte, und schrieb in den gleichen, so schwer durchschaubaren Kürzeln darauf: „Woher? Tonks fragen! Kann besorgen!“ Alles, was Remus noch zu tun blieb, war, breit zu grinsen.

Sie lachte wieder! Und da war kein Erstaunen in diesen hübschen Augen, und kein Erschrecken über so viel Albernheit und Blödsinn, keine plötzliche Reserviertheit. Ihr Verhalten blieb genau gleich, so als hätte sie ihn schon immer genau so gesehen: Mit einem Glaszylinder unterm Arm auf Zehenspitzen an das Bett von Black heran schleichend. Und seine persönlichen Stenographien? Sie hatte sie gerade eben zum ersten Mal gesehen. Und schon entziffert und reproduziert. Ein bemerkenswertes Mädchen, wirklich. Nach außen hin wirkte sie auf viele so unreif und wenig erwachsen, aber man sollte immer vorsichtig sein, das wusste niemand so gut wie Remus Lupin. Da steckte viel mehr hinter diesen gepiercten Augenbrauen und den bunten Haaren und den rosigen Wangen eines halben Kindes. Moody sah das. Wusste genau, wieso er sie ausgewählt hatte. Man wurde nicht Auror, weil man schön lächeln konnte. Obwohl er nicht bestreiten wollte, dass sie das durchaus fertig brachte. Immer. Da war das wieder in seinem Rückgrat.

„Ihr seid beide Dreckskerle,“ meinte Tonks und schüttelte den Kopf, als wäre sie empört darüber, mit was sich diese über 35 Jahre alten Männer gegenseitig vereimerten (sie brauchte nur an einen Morgen nach Vollmond in der Küche in Bloomsbury zurück denken), aber dabei lächelte sie noch immer warm und zufrieden und strich sich ein paar pinke Härchen hinter das eine Ohr. Auch dort trug sie gleich mehrere Stecker, vom Läppchen bis rauf in die Rundung der Helix. Das musste doch weh getan haben. Oder waren die eher mit ihrer Metamorphmagus-Fähigkeit herbei geführt? Irgendwie wusste er, dass dem nicht so war, dass sie jedes dieser Dinger am eigenen Leib erfahren hatte. Teufelsweib. Black!

Lächelnd schüttelte er den Kopf und klappte das Buch endgültig zu, um sich lieber einem Gespräch zu widmen. „Wenn du das schon schlimm findest ...“ gab er nur einen winzigen Hinweis und schielte mit beiden Augen an die niedrige Decke ihres Verstecks, dabei ein kleines Quieksen produzierend, und augenblicklich klappte Tonks der Kiefer herunter und sie stemmte eine Hand in die schmale Taille. Köder geschluckt. „Was?“ wollte sie unbedingt wissen, überschlug sich dabei fast. Eigentlich wollte er sie ein bisschen auf die Folter spannen, doch ihm fielen so viele verrückte Geschichten gleichzeitig ein, all die vielen miesen Streiche und Dummheiten, die von den Rumtreibern begangen worden waren, dass er ihr am liebsten gleich von jeder einzelnen berichtet hätte. Spontan eine heraus suchend und sich dafür entscheidend, wog er die Hand hin und her. „Schon mal von Filchs Wischmob-Jagd gehört?“

Das klang fabelhaft und verführerisch, mehr davon zu erfahren, und wirklich, gerade eben noch war ihr das wichtig gewesen und fürchterlich interessant. Aber mit einem Schlag verpuffte das in Gleichgültigkeit. Weil er so sagenhaft glänzende Regenbogenhäute bekam, wie er daran erinnert wurde, was für ein Haudegen er doch an der Schule gewesen war. Wenn er sich nur gesehen hätte, die winzigen Grübchen am Kinn und dieser sanfte, listige Schwung in den oberen Mundwinkeln, der ihm die Wangen ganz hoch drückte, das schiefe, schüchtern-schelmische Lächelgrinsen, ihm wäre klar gewesen, dass sich nichts daran geändert hatte. Wenn er es nur zuließ, wenn er sich bloß zurücklehnte, einfach die verschlossene Distanz aufgab, konnte er wieder genau dieser fröhliche, wenn auch nachdenkliche, aber überglückliche Junge sein.

Sie hörte ihm gar nicht mehr richtig zu. Es fiel ihm gleich auf, weil sie so glasig schaute, und weil ihre Augen wie zufällig und ohne Sinn Muster in die Luft malten, ohne dass sie das Kinn bewegt hätte. War ja auch egal, er musste nicht wirklich von so dussligen Schandtaten erzählen, ein bekloppter Schwank aus seiner Jugend, auwei, bei dem Gedanken wurde er ein bisschen rot und kam sich ziemlich doof vor. Das war so James-mäßig. Ein Mädchen beeindrucken, indem man sich mit seinen Streichen brüstete, einen auf dicke Hose machen, nur damit sie entzückt kichern und die Hände vor dem Mund zusammen schlagen. Nein, das war doch ... Nein. Und sowieso. Das Reden. Das Reden mit ihr, das reichte doch schon, das war doch schon so ... Einfach schön und nicht zu überbieten irgendwie. Er mochte das. Wirklich. Auch wenn davon manchmal jeder einzelne Wirbel in seinem Rücken zu zerfließen schien und ihn ganz wabblig und hilflos zurück ließ.

Lustig war er eigentlich, war vielleicht nicht so bissig in seiner Schlagfertigkeit wie Sirius, aber trotzdem komisch und gewöhnlich sehr treffend. Es gab nicht viele Menschen, die das schafften, Dora Tonks zu hemmungslosem Lachen zu bringen, auch wenn die Leute vermutlich dachten, das wäre irgendwie leicht. Die hatten ja keine Ahnung, dass sie dann meistens über eine Bemerkung in ihrem Kopf so brüllen musste, irgendwas Sarkastisches, das sich wie eine Einflüsterung in ihre Gedanken schlich. Black'sches Blut bestimmt. Pop wäre niemals so fies und gemein wie das, was ihr in den Geist ploppte.

Und blöd war Remus auch nicht, Moony, wie ihr Vetter ihn rief, ganz im Gegenteil. Blitzgescheit, nicht bloß mit angeeignetem Wissen vollgestopft, sondern mit klarem, messerscharfem Verstand, der sich niemals ganz vom Gefühl trennte. Das verlieh ihm eine grandiose Alltagswaffe, und es war unwahrscheinlich imponierend für jemanden wie sie. Denn bei Dora war es genau umgekehrt: Untrügliche Intuition, aus dem Bauch heraus, und dabei immer ein Quentchen Logik dabei. Genau diese Eigenschaften schrillten gerade wie Schulglocken oder wie Alarmsirenen. Wie immer war es ihr nicht möglich, sie zu ignorieren und nicht darauf einzugehen, einfach nur mit dem Hirn zu reagieren.

Schmilzende Schneekristalle auf bloßer Haut. Sonnenstrahlen in der Nase. Sie hatte ganz blasse, kaum sichtbare Sommersprossen auf der Nasenwurzel, nur sehr kleine und vereinzelnd stehend, und man bemerkte sie sonst gar nicht, außer man konzentrierte sich darauf und befand sich keinen Zoll davon entfernt. Wie er dahin gekommen war, davon hatte Remus keine Ahnung. Er hatte bloß nachschauen wollen, überprüfen, ob sie nicht doch noch wenigstens ein bisschen zuhörte. Krattlerbiss bansai. Genau der richtige Schlachtruf für eben diesen Moment. Genau wie damals. Abstrahlende Wärme, so ganz anders als von Feuer oder auch nur von irgendeinem anderen Menschen. Diese ganz spezielle, zittrige Atmosphäre, Dunkelheit ringsherum und bloß ein winziges Funkeln von irgendeiner Lichtquelle hinter ihr in den glänzenden Augen. Er musste die Lider schließen und fest schlucken, egal ob ihn das verriet. Sonst würde er das nicht aushalten. Schön, so schön, wie damals. Nein. Besser!

Hätte Tonks nicht selbst gerade die Augen zu gehabt, um einen tiefen Atemzug bis runter in die hintersten Winkel ihrer Lunge zu nehmen, sie hätte es sicher bemerkt. Und vielleicht hätte sie es durchgezogen bei so eindeutigem Signal, aber während sie noch kaum fassen konnte, wie man so unwahrscheinlich gut riechen konnte, viel märchenhafter als irgendjemand jemals zuvor, richtete Remus sich bereits ein bisschen auf und stierte trotzdem immer noch wie festgefroren auf diese kleine Stelle an ihrer Lippe, über die in regelmäßigen Abständen ihre Zunge glitt. Wieso war das so schwierig? Warum stellte man sich dabei so an? Wenn es doch so offensichtlich war? Er durfte nicht. Deshalb. Es war das Gleiche wie damals im Klassenzimmer für Verwandlung, die laute Stimme im Kopf: 'Nein!' Stimmte nicht.

Was ganz Anderes hatte sie gesagt da unten am Strand von Lulworth. Nicht 'nein', nicht 'verboten', sondern was sehr Merkwürdiges. Nicht nochmal, nicht wieder so zögern, es einmal nur erfüllen, diesen Wunsch, dieses Bedürfnis, dieses Verlangen. Ja, das war es. Begierde. Und das nicht physisch. Ganz tief drin. Mehr und stärker als damals. Und auch mehr und stärker als in der Bucht. Keine Ahnung, wie das passiert war. Er hatte sich's geschworen, wollte nicht weiter darin versinken und dem Einhalt gebieten, bevor es zu spät war. Und dabei hatte er irgendwie übersehen, wann er diese Grenze überschritten hatte. Wann denn? Im Juli schon? Die Erkenntnis traf ihn fast wie ein fieser Fulguratus. Schon viel früher. Fast hätte er gelacht.

'Küss ihn!' Viel simpler in ihrem Kopf. 'Küss ihn einfach!'

Die Lippen dieses Mal nicht mehr schließend, beugte das Mädchen sich vor, fest entschlossen, die Augen offen zu halten, als das klickernde Geräusch aus dem Gang ihrer beider Köpfe gleichzeitig hochschnellen ließ. Das Gefühl rutschte zurück bis irgendwo hinter den unteren Beckenring, und nur für Sekundenbruchteile flackerte etwas wie Bedauern über die Gesichter in dem dunklen Versteck. Da war jemand. Und derjenige ging leise, nicht selbstsicher und ruhig wie ein Wächter es tun würde. Und außerdem: Munch kam nie hier herunter. Mysteriumsabteilung, brrrr. Davor fürchtete sich diese feige Pappnase doch viel zu sehr. Sofort schalteten die beiden kampferprobten Ordensmitglieder, glitten lautlos von der Bank herunter auf den Boden und gaben einander mit Handzeichen die Taktik zu verstehen. Schön, dass sie es beide auf die gleiche Weise probieren wollten. Das entlockte jedem ein leises Lächeln.

Der Angriff erfolgte schneller als erwartet. Wer auch immer sich dort befand, der hatte sie entweder bereits reden gehört oder wusste, dass sie hier sein würden. Beides verpasste Remus und Dora ein sehr unangenehmes Ziehen, aus Scham und Wut über verletzte Privatsphäre, und umso erbitterter reagierten sie. Es mussten zwei Todesser sein, oder irgendwelche armen Schweine unter dem Imperius-Fluch, und beide waren desillusioniert, denn der Korridor, aus dem rote Kampfblitze zuckten, war vollkommen leer. Entschlossen war diese Attacke, dieser erneute Bruch des Waffenstillstandes hier unten in den Katakomben des Ministeriums, den tiefsten Löchern, die das unterirdische Gebäude zu bieten hatte.

Zu reden war nicht notwendig. Sie beide wussten nur zu gut, wonach die Angreifer suchten, und wer das auch war, sie kannten ihren Weg, und sie durften nicht durchkommen. Einander zunickend, verteilten die Wachdienst Ausführenden ihre Rollen in diesem Kampf, und auch wenn sie keine Ahnung hatten, wie sie ohne Deckung dort draußen lange genug Einhalt gebieten konnten, so war ihnen doch eines völlig klar: Nur Lärm schlagen, so viel zerdeppern wie nur irgend möglich und dabei brüllen wie verrückt, das würde die Gemälde ein Stockwerk höher genau so aufwecken, wie es die Wächter herbei rufen würde, und Everard konnte nach Hogwarts eilen und Dumbledore wecken.

Nonverbale Flüche schlugen in viel zu kurzen Abständen über ihnen in den dunklen Fliesen ein, verfehlten sie nur knapp, wie sie nichts weiter tun konnten, als aus dem Seitengang hinaus zu lugen und möglichst spektakuläre Gegenoffensiven zu starten. Und immer noch rührte sich nichts, bewegte sich keiner der Fahrstühle dort hinten, um hinauf zu fahren und jemandem mit herunter zu bringen. „Definitiv Imperius!“ flüsterte die Aurorin keuchend, löschte sich eine glimmende Haarsträhne und knirschte lautstark mit den Zähnen, und Remus nickte grimmig. Zu erbittert, dieser Fight. Und das bedeutete noch mehr: Sie wären zu allem bereit, ohne Rücksicht auf Verluste, während gleichzeitig die Verteidiger in ihren Möglichkeiten eingeschränkt wurden. Aufhalten mit allen Mitteln war damit ad acta gelegt.

Fieberhaft arbeitete es hinter seiner Stirn genau so wie hinter ihrer, gleichzeitig musste ihren Gegnern einfach auffallen, wie dramatisch verändert sich ihre Antworten auf brutale Mordeo-, Fulguratus- und Inflammare-Sprüche hatten. Das trieb die vielleicht zwei, vielleicht drei Zauberer (vielleicht auch Hexen) auf dem Korridor nur noch mehr an. Sie mussten sich etwas einfallen lassen, und wie Dora das noch dachte, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, und sie drehte sich hastig zu Remus herum, der halb geduckt, halb vorgebeugt über ihr stand und sie so von herabfallenden Splittern aus Decke und Wänden bewahrte. Im selben Moment leuchtete ein Licht auch in seinem Schädel auf, und er senkte den Blick, bis er ihren traf.

„Versiegel' die Tür!“ sprach die junge Frau aus, was sie sich vorstellte, musste ihm nicht erklären, dass sie kein Colloportus von ihm verlangte, sondern etwas Anderes, Besseres, etwas, das diese Typen dort niemals würden knacken können. Einen von seinen seltsamen, oftmals gänzlich ohne Zauberstab ausgeführten Befehlen, die ganz ähnlich klangen wie die nach hinten in die Küche durchgebrüllten Bestellungen bei ihrem Lieblings-Falafel-Bäcker, nur mit einem grauenhaft nordenglischen Akzent. Und dennoch funktionierten sie. Remus nickte so hastig, man bekam Angst, ihm würde gleich der Kopf vom Hals rollen, und der passende Spruch kristallisierte sich schon heraus. „Gib' mir Deckung!“ forderte er sie auf, klopfte ihr genau so fest, aber liebevoll auf die Schulter, wie er es bei Sirius tat, und im nächsten Schritt, quer über sie hinweg mit seinen langen Beinen, einen absichtlich verbalen „Protego!“ dazu, trat er hinaus in den Gang.

Ihr Grinsen war göttlich. Black'sch. Einfach fabelhaft, und er konnte gar nichts dagegen tun, sich dick und fett unterstrichen einzugestehen, wie sehr er es bedauerte, sie vorhin nicht geküsst zu haben. Noch während er leise fluchend den Korridor hinunter rannte, hörte er hinter sich die auf Schildzaubern einschlagenden Flüche. Keinen Schimmer, wie Dora das hinkriegte, unausgesprochene Angriffe fast vorher zu sehen und genau passend zu erwidern, immer nur wenige Schritte hinter ihm, sich langsam zurückziehend und dabei nicht einmal ihren verwundbaren Rücken zu präsentieren. Nicht mehr weit jetzt, ohne Deckung außer ihrer Magie, kam Remus schlitternd zum Stehen und stopfte sich den Zauberstab zwischen die Zähne, um die Hände frei zu haben. „Abadane!“ dachte er bloß, so wenig Anhaltspunkte wie möglich bietend, klatschte zwei Mal laut in die Hände, und schon schlug ein solches Beben in die Fugen und Ritzen der Tür einschließlich des Schlosses, dass die Luft davon rollend sichtbar wurde wie eine Tsunami-Welle. 'Nie'! Dieser Eingang war versperrt.

Na, die würden morgen aber einen Gringotts-Fluchbrecher brauchen, wenn hier irgendjemand arbeiten sollte! Am liebsten hätte Tonks lauthals darüber gelacht, wie sie sich nur für einen winzigkleinen Augenblick über ihre eigene Schulter herumdrehte, um das rötliche Pulsieren zu bewundern, das nun den Eingang zur Mysteriumsabteilung bewachte und verteidigte gegen jegliches Eindringen, selbst des Verursachers. Warum Remus' Augen mit einem Mal in grünem Feuer aufflammten, das begriff sie beinahe zu spät, und eigentlich doch niemals rechtzeitig. Wie in Zeitlupe, und trotzdem zu langsam, breitete sich Entsetzen auf seinem Gesicht aus, und die Muskulatur an den Kieferwinkeln stach wie feste Kiesel hervor. Ihr blieb nichts weiter übrig als sich, fast wie ein Kind, aber zumindest als letzten Wunsch, einfach nach vorn fallen zu lassen, direkt in seine offenen Arme, und das nächste, was sie spürte, war das quetschende Gefühl des Apparierens.

Und dann war alles still. Kampfeslärm und trappelnde Schritte und schreiende Gemälde fort. Und trotzdem wusste Dora, dass sie nicht tot war. Der Avada Kedavra hatte sie nicht erwischt, und ihn auch nicht, dafür hämmerte sein Herz viel zu laut und viel zu lebendig direkt unter ihrem rechten Ohr und den beiden Händen. Dennoch traute sie sich nicht, die Augen zu öffnen oder sich auch nur entfernt zu bewegen. Furchtbar. Nicht die erste Situation dieser Art, Lebensgefahr gewohnt in ihrem Job und mehrfach bereits durchgestanden, aber nie zuvor dem Todesfluch ins Auge geblickt. Vor sich konnte sie die blitzförmige Narbe des Jungen sehen, wusste genau, dass sie nicht so gezeichnet gewesen wäre. Fest schluckend, unterdrückte Tonks ein wimmerndes Quietschen und presste ihr Gesicht einfach nur fester gegen Remus' bebende Brust.

Tropfen fielen in Blechtöpfe und plinkerten dabei wie natürliche Musik, und draußen rauschte der Regen unaufhörlich in langen, endlosen Bändern als Hintergrundberieselung auf die orange-farben beleuchtete Straße hinunter. Die Kühle, der Zug des schlecht isolierten und noch mieser zu beheizenden Zimmers, tat gut nach der stickigen Hitze im Kampfgebiet der Mysteriumsabteilung, aber nur mit Mühe konnte er sich beruhigen, falls überhaupt. Am liebsten wollte er sie gar nicht mehr loslassen. Sie einfach nur halten, so fest eingebettet in seinen Arm wie es eben nur ging, dass er mit der linken Hand die eigene rechte Schulter berühren konnte. Nur sacht zitterte ihr schlanker Körper, jeder Zoll von den Schienbeinen bis rauf an die Schläfe auf engster Tuchfühlung mit seinem, und er wollte es gar nicht anders haben, nicht nach diesem entsetzlichen Schrecken. Silber-gelber Funkenschauer, grüner Blitz und rotes Glühen genau da, wo sie jetzt ihren süßen Kopf anlehnte.

Instinktiv hatte Remus sich nach Hause appariert, so wie er es vorgehabt hatte, wie als letzte Haltestelle abgespeichert, und war so direkt unter Zuhilfenahme des Auroren-Passworts bis hierher nach Aldgate East gelangt. Nicht mal richtig zielen hatte er gekonnt, wie er so langsam wieder spürte, mit einem Fuß wacklig auf einem Schirm stehend, der auf dem Boden lag, mit der Kniekehle gefährlich nah in der harten Kante seines Bettes, dass er davon fast eingeknickt wurde. Egal, es war gut gegangen. Er mochte darüber nicht mehr nachdenken, es bedeutete zu viel und es beschwor zu viele Erinnerungen und zu großes Leid herauf. Nicht jetzt. Es ging ihr gut.

Einen tiefen Atemzug nehmend, prustete Dora und signalisierte damit, wie ihre Lebensgeister zurückkehrten. „Oh Mann,“ murmelte sie so dicht an seinem Hemd, dass er die Wärme bis hindurch auf seinen Rippenansatz spüren konnte, und prompt jagte ein Schauer aus prickelnder Brause an jedem Knochen entlang bis rauf in die Schaltzentrale. Nur minimal löste sie sich von ihm, so fern das überhaupt möglich war, wo er nicht bereit schien, den Griff seiner Arme zu lockern, und mit schwitziger Stirn zu ihm aufschauend, pustete Tonks sich die Wangen auf. „Das war ganz schön knapp,“ befand sie mit weit geöffneten Augen und bemerkte gar nicht recht, wie kräftig sich ihr eigener Brustkorb gegen seinen hob und senkte.

Er nickte bloß, nicht dazu fähig, irgendwas Sinnvolles zu sagen. Also besser einfach die Klappe halten. Ihre Augen glänzten von purem Adrenalin, und die Schlagader an der Schläfe pochte im selben Lebensrhythmus wie sein Puls an den Handgelenken. Sie hätten beide tot sein können. Beide. Oder nur er. Oder nur sie. Das Leben war einfach zu kurz. Viel zu kurz um ... Er hätte fast gelacht, aber so wurde es nur ein Lächeln. 'Um sich davor zu verstecken', hatte sie gesagt. Ganz irritiert schaute die junge Frau jetzt zu ihm hoch, konnte nicht begreifen, wieso er so strahlte. Vielleicht war's morgen schon aus. Oder heute Nacht schon. Und es wäre viel zu schade, nein, eine Schande wär's, nicht wenigstens einmal!

Seine Nackenmuskeln beugten sich so rasch, er hatte es selbst kaum mitgekriegt, bevor sich ihre von Anstrengung und Gefahr aufgewärmten Lippen trafen. Das war nicht so wie damals, so ohne Kontrolle und einfach bloß wie weggeschossen. Viel mehr steckte dahinter, nicht in Überraschung erzwungen, sondern gewollt gegeben und gewollt erwidert, wie sie sich heftig und hitzig küssten inmitten von durch die Decke tropfendem Regen. Ganz schwindelig wurde einem davon, alles drehte sich innen wie außen in entgegen gesetzte Richtungen, aber nicht wie in einer Waschtrommel oder mit diesem unangenehmen Übelkeitswirrwarr einer Sturmfahrt auf hoher See. Wie Geschwindigkeitshubbel in der Kurve. Wie S-Schrauben in der Achterbahn. Zum Kichern, zum Kreischen, beides in einem, und man tat trotzdem nichts davon. Bloß genießen.

Nur mal kosten hatte er wollen, nur einmal schmecken, wie sich diese so wunderbar glühenden, cochenille-farbenen Lippen anfühlten, und jetzt kam er davon nicht wieder los, egal wie eindringlich es in seinem Kopf flüsterte. Aufhören, genug, das führte zu weit! Aber es passierte doch gar nichts Schlimmes, also wieso nicht weiter, wieso nicht mehr? Viel zu schön, um das jetzt einfach abzubrechen, viel zu kribblig und kitzlig das Gefühl im Bauch, wie es sich von dort aus ausbreitete wie mit winzigkleinen Fühlern, rasant und schnell und bald schon überall, dass ihm die Zehen von alleine zuckten und die Ohren sich aufstellten. Das Köstlichste, das Beste daran aber, das war diese so mehr als bereitwillige Erwiderung, dieses fast begeisterte Antworten, und wie ihre Zungenspitze ihren Weg zu ihm fand, blieb ihm nichts Anderes übrig, als keuchend nach Atem zu ringen, ohne dabei die Berührung nur für Bruchteile von Millisekunden zu unterbinden.

Fehler. Von hier an kein Zurück. Er hätte es wissen müssen, oder? Woher denn? Viel zu schön, viel zu intensiv diese Welle an Emotion und physischem Brennen, als dass er da noch etwas ändern könnte, an dem, was das hier nach sich ziehen würde. Und das wollte er auch gar nicht mehr, gleichgültig, wie sehr sich sein Verstand und sein Gewissen dagegen sträubten. Wie Tonks ihre dunkelblaue Uniformsrobe achtlos zu Boden fallen ließ, das bekam er zwar am Rande seiner Wahrnehmung noch mit, aber er kümmerte sich nicht darum. Es war nicht, dass es passierte, sondern mit ihr. Die Versuchung, alle Vorsätze und alle so hart erkämpften asketischen Entbehrungen über Bord zu werfen, war niemals größer gewesen. Er wehrte sich nicht dagegen, dass ihre zierlichen Finger mit den dunklen Nägeln die obersten Knöpfe seines Hemdes vorsichtig von den Leisten lösten, und sobald die eine Hand unter dem Stoff an seine Halsbeuge hinauf glitt, hatte er ihr weniger und weniger entgegen zu setzen.

Durch die Brusttasche rieb sie, verursachte dieses selig wonnevolle Prickeln in den Nervenbahnen der Haut, dieses ganz besondere Übersprudeln aus beinahe überreizten Sinnen, und so gern er auch nach ihrem Handgelenk gegriffen hätte, um sie ein wenig zu zügeln, genau so sehr wusste er, dass er keine Chance mehr hatte. Seinen Nacken fest und bestimmt umschlingend, ihn nur mit streichelnden Fingern weiter zu sich herunter ziehend, besiegelte sie endgültig sein Geschick, und während ihm die Knie wegsacken wollten, gab Remus Lupin auf. Alles für sie. Und alles für ihn.



Achtung: Es gibt ein Kapitel 124a!!! Das findet Ihr aber aus Altersfreigabegründen unter meinen anderen Fanfictions beziehungsweise unter dem entsprechenden Link in meinem Thread oder hier im Vorwort!


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