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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Bloß mal küssen

von Teekon

Vorsichtig tapste sie barfuß die kühlen Steinstufen hinauf, hielt sich dabei mit einer Hand an der abgerundeten Wand fest und duckte sich ein wenig, um nicht gleich und sofort sichtbar zu sein, wenn sie den Gemeinschaftsraum erreichte. Mit der Rechten klaubte sie die beiden Seiten ihres Morgenmantels zusammen, wie sie mehr schleichend als gehend die Wendeltreppe vom unteren Mädchenschlafsaal erklomm.

Es brannte noch Licht oben, ganz wie sie es erwartet hatte, und die angenehme Wärme des Kamins sorgte für das rechte Klima. Stimmen drangen zu ihr herunter, leise, zusammenhängend redende und tiefe Jungenstimmen, die eindeutig von ein paar älteren Schülern herrühren mussten. Hatte sie sich gedacht, dass sie die Vier hier noch antreffen würde um diese Uhrzeit, wenn sie auch eigentlich nur einen von ihnen sprechen wollte. Lily Evans lächelte zu sich selbst und blieb gut vier Stufen unterhalb der Ebene des Gemeinschaftsraumes von Gryffindor stehen.

Von diesem Standpunkt aus hatte sie eine gute Sicht auf die breite Lehne des längsten Sofas in der Gruppe direkt vor der Feuerstelle, und die flackernden Flammen beleuchteten mit tanzenden Schatten die hohe Decke. Sonst waren offenbar alle Lampen und Laternen erloschen, abgesehen von einem Leselicht mit milchig weißem Schirm auf dem winzigen Tischchen zwischen der Couch und dem lederbezogenen Puff, auf dem sich die kleine, knubblige Gestalt von Peter Pettigrew zusammen gesunken niedergelassen hatte. Gleich neben ihm, am höchsten von ihnen aufragend, zeigte sich der Rücken und der auf der Lehne lang ausgestreckte rechte Arm von Remus Lupin, eine Lücke lassend, die gerade groß genug für einen enormen Stapel Bücher war, und dann die linke Schulter und der wuschlige Lockenkopf von Sirius Black. Ihnen gegenüber, durch das Loch zwischen ihnen zu sehen, lehnte sich James Potter mit verschränkten Armen und geschlossenen Augen in seinem Sessel zurück und nickte ununterbrochen.

„Somit kommen wir dann im Jahre 1692 zu der Verabschiedung der Gesetze zur Geheimhaltung der Zauberei und zur endgültigen Abkehr von den Muggeln,“ beendete Sirius seine ellenlange Ausführung über das Internationale Statut, machte eine entsprechende Geste und holte noch mal tief Luft. Der Zeigefinger auf der Lehne neben ihm erhob sich, um auf ihn zu deuten, wie Remus bedächtig nickte und „das ist korrekt“ bestätigte. Erleichtert, aber nicht besonders zufrieden, prustete Black und wischte sich über die schwitzige Stirn. „Ich kack' so ab in Geschichte,“ behauptete er selbst nach dieser einwandfreien Vorstellung immer noch, und Peter gab ein verzweifeltes Quieksen von sich. „Wenn du das nicht hinkriegst, wie soll ich's dann schaffen?“

Grunzend zerrte Potter einen Arm unter seiner Achsel weg und winkte ab. „Wir alle werden das packen, Jungs!“ zeigte er sich zuversichtlich und warf den beiden Zweiflern je einen langen, grübelnden Blick zu, den man so gar nicht von ihm gewohnt war. „Und selbst wenn nicht, meine Güte, es ist doch bloß Geschichte!“ Selbst Remus nickte dazu und grinste, auch wenn das von hinten nur sehr angedeutet zu sehen war. „Ihr seid alle hervorragend vorbereitet auf Verteidigung, Zauberkunst und Verwandlung, und das ist erstmal das Wichtigste,“ befand der Älteste und klopfte mit den Fingerknöcheln auf das oberste Buch auf dem hohen Stapel zwischen sich und Black.

Erstaunlicherweise war es jetzt an Potter, tragisch zu seufzen und den Kopf zu schütteln. „Um Verwandlung mach' ich mir keine Sorgen.“ Ein winziges Lächeln huschte über seine Lippen, und seine Freunde raunten leise, wo das doch sein bestes Fach war. „Aber Zauberkunst wird hässlich.“ Hoppla! Der großartige James C. Potter und Selbstzweifel? In ihrem kleinen Versteck im Treppenaufgang spitzte Lily die Lippen zu einem stummen „oh“. Seine Stirn war in unzählige horizontale Falten gelegt, wie er sich nach vorn lehnte und mit den Unterarmen auf beide Schenkel stützte, die Hände ineinander gefaltet. „Da wird's mir echt übel.“ Zustimmend nickten Pettigrew und Black, ohne die Blicke von ihren Büchern, Heften oder Händen zu nehmen, und nur Remus beobachtete die drei jungen Männer mit einem Lächeln.

„Wir haben noch reichlich Zeit,“ erinnerte er sie daran, wie weit die OWLs noch entfernt waren, und so langsam dämmerte Lily, was das hier eigentlich für eine Veranstaltung war und wieso sie dieses Kränzchen nicht auf ihrem gemeinsamen Zimmer abhielten. Sie brauchten Tische zum Schreiben und Platz für ihre Aufzeichnungen und Nachschlagewerke. „Unser Plan ging bis jetzt hervorragend auf, wir liegen gut drin, und wenn nicht irgendwas komplett Unvorhergesehenes passiert ...“ Er zwinkerte besonders in Blacks Richtung, der mit einem gespielt beleidigten Ton die Zunge rausstreckte und damit alle zum Lachen brachte, sogar das verborgene Mädchen. Sie musste sich eine Hand vor den Mund halten, weil das wirklich unglaublich lustig aussah, und das warme Lächeln, das gleich darauf um Sirius' Mundwinkel huschte, ließ ihn ein winziges Bisschen in ihrer Achtung steigen.

Sich hinter einem Notizheftchen versteckend, kicherte Peter immer noch, als James in die Hände klatschte und Luft durch die Nase stieß. „Also,“ meinte er, hob einen fragenden Blick in die Runde, „Freitag fangen wir mit Aufmunterungszaubern an?“ Nur rasch über den offenbar neben sich ausgebreiteten Plan schauend, stimmte Remus zu und tippte auf einer Zeile herum. „Wir sorgen einfach dafür, dass wir hier wieder ungestört sind, dann dürfte das kein Problem sein.“ Vor und zurück wippend, saß Sirius wohl im Schneidersitz, und er schürzte die Lippen und beäugte mit ineinander geschobenen Brauen die Aufstellung des Ältesten, während Peter sein Notizbuch senkte, einen abgebrochenen Federkiel hinter seinem Ohr hervor zog und darin zu kritzeln begann, die Zungenspitze deutlich sichtbar. „Stink ... bomben ... bestellen ...“ las er vor, was er da schrieb, und sofort begannen die drei Zimmergenossen, ihn freundschaftlich mit leerem Bonbonpapier zu bewerfen, bis Pettigrew lauthals lachend die schützenden Arme hob.

Jetzt wusste Lily wenigstens, wieso niemand heute Abend Lust gehabt hatte, länger als irgendwie nötig im Gemeinschaftsraum zu verbleiben. So wie sie Remus kannte, war da ein Abwehrzauber der besonderen Art dran Schuld, und deshalb hatte sich jeder so unwohl gefühlt. Und damit die Bahn freigemacht für diesen kleinen, erlauchten Zirkel der Revision vor den großen Prüfungen im Juni. Kaum zu fassen, dass diese frechen Kerle hier wirklich dafür büffelten. Gerade von Black und Potter hatte sie so etwas keinesfalls erwartet. Naja, aber vielleicht waren sie beide eben nur nach außen hin so großmäulig, während sie im Kreise ihrer Freunde keine Scheu hatten, auch Ängste zu zugeben.

Gähnend lehnte James sich wieder zurück in dem riesigen, weichen Sessel mit rotem Bezug, flezte sich entspannt und zufrieden zwischen die Kissen und hielt sich nur schwach eine Hand vor den Mund. „Bett?“ fragte Sirius, kratzte sich umständlich im Nacken und wuschelte seine Locken nur noch mehr ineinander damit. Potter nickte, immer noch mit halber Kiefersperre, und Remus seufzte nur leise und fing schon an, seinen Kram zusammen zu suchen. Pettigrew schüttelte sein Ärmchen, damit er auf die Uhr schauen konnte, und fast ein wenig erschrocken, lupfte er die flauschigen, hellen Brauen. War wohl tatsächlich schon sehr spät und definitiv Zeit für eine Mütze voll Schlaf. Sich auf dem Puff nach vorne beugend, begann er, Kiele und Federn vom Boden aufzulesen.

Noch während die Jungs von sämtlichen Tischchen rund um sie herum ihre Schulbücher klaubten und übereinander stapelten, wohl sortiert nach Besitzer und gut verteilt, damit das Tragen nicht so schwer fiel, redeten sie weiter miteinander, leise, vertraut, auf diese ganz spezielle Weise, wie nur Freunde das tun konnten. Gar nicht so richtig die Worte beachtend, genoss Lily das nur wie einen schönen Film daheim bei ihren Eltern, wickelte sich etwas fester in ihren Morgenmantel und lehnte sich gegen die kühle Wand. Erst als Remus' Kopf hinter der Lehne wieder sichtbar wurde und mit dem Kinn in Potters Richtung deutete, horchte sie wieder ein wenig interessierter auf.

„Und?“ wollte Lupin wissen. „Hast du dir mittlerweile was überlegt?“ Was er damit meinte, zeigte sich schnell, so wie James betreten seufzte und sich den Oberschenkel rieb. Nickend stützte er sich darauf, die andere Hand noch mit „Die Sterne lügen nicht“ bestückt, und die ungeteilte Aufmerksamkeit von Black und Pettigrew war ihm ebenfalls gleich sicher. „Ja, hab ich,“ bestätigte er, lächelte verlegen und konnte niemanden so richtig ansehen. „Hab' ja auch nicht wirklich eine Wahl, oder?“ Richtig gequält schaute er aus mit diesem Kniff im Mund und diesem einen, fast zugedrückten Augenlid. Aber sie konnten damit umgehen.

„Also?“ fragte Black weiter und spielte mit einem Stapel Notizen aus dem Kräuterkunde-Unterricht herum. Jedenfalls sahen diese Zettel so aus, denn sie hatten Flecken von Erde und Dünger. Aus irgendeinem Grund hatte Lily da unten im Treppenaufgang das Gefühl, vielleicht doch besser abtauchen zu sollen. Ein ganz merkwürdiges Grummeln im Bauch war das, eine Mischung aus schlechtem Gewissen und irgendwas Anderem, dabei war sie sich noch gar nicht sicher, worum es sich hier eigentlich drehte.

Die Achseln zuckend, rümpfte Potter die Nase. „Frag' halt 'nen anderes Mädchen,“ murmelte er sich in den Kragen und wischte sich das Kinn am eigenen Pullover ab. Keiner von ihnen sagte ein Wort, wartete nur ab, bis er sich dazu bereit zu fühlen schien, während Lily bewusst wurde, wieso sie sich so mies vorkam. Er sah wirklich ganz schön mitgenommen aus. Auch wenn sie nie zuvor angenommen hätte, dass das bei diesem dämlichen Trottel überhaupt möglich war. Lautstark ausatmend, zog James beide Brauen hoch. „Ich hab' die McGonagall gefragt, aber sie hat gesagt,“ und er äffte sie gekonnt nach, ohne sie dabei lächerlich zu machen oder auch nur irgendwie amüsiert zu wirken, „das wäre vollkommen inakzeptabel, dass ihr Quidditch-Kapitän ohne Partnerin erscheine.“ Resigniert schüttelte er den Kopf und zuckte erneut mit den Schultern.

Verständnisvoll nickten sie ihm alle nur zu, und der am nächsten sitzende Peter legte ihm eine beschwichtigende Hand auf den Unterarm. Ihr klingelte der ganze Schädel davon. Wollte er damit etwa sagen, er wäre allein zum Ball gegangen, wenn die Hauslehrerin es ihm nicht untersagt hätte? Nur weil sie ihm einen Korb gegeben hatte? Aber das war doch albern! So viele Mädchen aus sämtlichen Häusern, sogar ein paar Slytherins, rissen sich darum, James Potter begleiten zu dürfen! Wenn man sie gelassen hätte, wäre das in einem Schlammcatchen ausgetragen worden, und dieses Thema hatte schon ganze Haarbüschel und abgebrochene Fingernägel gekostet. Und jetzt redete dieser Kerl hier davon, er würde keine andere abkriegen? Oder halt. Meinte er etwa, er wollte gar keine andere mitnehmen? Lily war einfach nur noch komplett verwirrt, und das konnte sie gerade so gar nicht gebrauchen.

„Hast du schon jemanden ins Auge gefasst?“ erkundigte sich Remus und wackelte mit seinem mittlerweile stattlicher gewordenen Bärtchen. Augenblicklich nickte Potter und zupfte sich an der Lippe herum, wie er „ja“ bestätigte. „Ich denke, ich frage Emmeline. Emmeline Vance.“ Wie er in die Gesichter seiner Freunde schaute, suchte er so offensichtlich nach Zustimmung zu dieser Entscheidung, dass er einem fast leid tun mochte. Keine Ahnung wieso, aber aus irgendeinem Grund kroch Lily ein ganz unangenehmes Ziehen den Nacken hinauf. Sie stellte sich vor, wie die gar nicht mal dumme Blondine wohl in einem Abendkleid aussehen würde, und ob sie wollte oder nicht, hielt sie dabei jetzt schon Potters Arm, obwohl er sie noch nicht mal gefragt hatte.
Augenscheinlich bekam James den Zuspruch, den er sich erhofft hatte.

Sich die Hände in Übersprungshandlung reibend, zog er die Schultern hoch und senkte sie sofort wieder. „Ihr scheint das ganze Trara nicht so wichtig zu sein, und vielleicht hat sie deshalb noch niemanden,“ gab James seine Überlegungen preis. „Und sie ist 'n nettes Mädchen.“ Das stimmte, das war sie wirklich. Nickend zeigten sich die Rumtreiber mit dieser Wahl einverstanden, wenn sie auch alle einen Moment lang ihren eigenen Gedanken nachhingen. Damit war diese Sache offenbar geklärt, und wo es doch nun noch gute vier Wochen bis zum Gründungsball waren, sollte das auch so langsam wirklich feststehen.

Als habe ihm das gerade eine Idee gebracht, schnaufte James Potter und zog den Kopf auf dem Hals zurück, wie sich seine Brauen kräuselten. Jetzt schon wieder ein wenig lächelnd, wandte er sich an Remus. „Aber was mich echt mal interessieren würde ist, mit wem du eigentlich hingehst!“ deutete er unverhohlen mit ausgestrecktem Finger auf den Ältesten, und Lily rutschte endgültig das Herz in die nicht vorhandene Hose. Er hatte schon jemanden? Oh Merlin, aber wer denn, aber wieso denn, aber wie denn?! Wie Sirius sich mit einem „hö?“ aufrichtete und sich mit beiden Händen auf seinen gekreuzten Knöcheln abstützte, dabei die Locken zurückwarf, und wie Peter die Lippe hochzog und sich an der Schläfe kratzte, das kriegte sie gar nicht mit, so heiß war ihr geworden. Mit beiden Händen raufte sie sich die bereits zum Schlafen in einem Bauernzopf geflochtenen roten Haare.

Sirius schüttelte heftigst den Kopf und begriff nicht, was James da für eine seltsame Frage stellte. Bereits leise lächelnd den Blick senkend, reagierte Remus erst überhaupt nicht, und deshalb tat er das für ihn. „Moony hat aber doch gar keine Verabredung!“ ritt er ihn voll rein, und beiden, James auf dem Sessel und Lily im Treppenaufgang, klappte der Unterkiefer herunter, ihm vor Schreck, ihr vor Erleichterung. Ganz perplex blinzelte Potter, als glaubte er zu träumen, und dann gestikulierte er wild herum. „Du ... du ...“ stammelte er, bevor er es herausbekam, „du hast überhaupt niemanden?“ konnte er es nicht fassen und kicherte fast, als Remus leicht den Kopf schüttelte. „Aber du hast doch gesagt ... Du hast zu mir gesagt ...!“ lachte James regelrecht, halb amüsiert, halb geschockt, doch Remus lachte ebenfalls und hob abwehrend die offenen Hände. „Oh nein, nein, nein, lieber James! Ich habe lediglich gesagt, du sollst dir keine Gedanken darüber machen!“ Peter grinste, und Sirius feixte und schüttelte den Kopf. Typisch Remus!

Die Empörung wich aus Potters Gesicht, wie ihm klar wurde, dass er hemmungslos darauf reingefallen war. Beinahe mitleidig schaute er jetzt drein, öffnete beide Handflächen und schaute Remus eindringlich und nach Erklärung verlangend an. „Aber wieso hast du niemanden?“ konnte er nicht verstehen. Das dürfte ihm doch nicht so schwer fallen wie Pete, und der hatte immerhin als erster von ihnen eine Partnerin für den Ball gehabt. Lupin war weder hässlich (keine Frau mit dem geringsten bisschen Verstand sträubte sich gegen mutige Kampfesnarben), noch blöd, noch unhöflich. Ganz im Gegenteil. OK, er war schon ziemlich schüchtern, jedenfalls außerhalb ihres kleinen Kreises, da sprach er zwar deutlich und bestimmt, aber für gewöhnlich im eher leiseren Tonfall. Und trotzdem: Er bekam doch auch Valentinskarten. Eins von diesen Mädchen musste doch Lust haben, mit einem etwas reiferen jungen Mann zum Ball zu gehen.

Remus grinste seltsam und schaute ihn immer noch nicht an. „Das gilt immer noch, James,“ sagte er bloß und beugte sich etwas vor, damit er ihn auch verstand. „Mach' dir keine Gedanken über mich,“ betonte er Wort für Wort, und auch wenn Potter so schien, als wolle er dagegen protestieren, so hielt er doch mit offenem Mund, bereits zum Sprechen ansetzend, inne und schüttelte lächelnd den Kopf. Sinnlos, mit Moony zu diskutieren. Wahrscheinlich hatte er auch für diese Gelegenheit irgendeinen kranken Masterplan. Dann sollte man ihm das Vergnügen vielleicht einfach lassen. Seufzend schlug sich James auf den Schenkel, griff sich seinen Stapel Bücher und stemmte sich aus dem Sessel. „Dann mach' ich das auch nicht.“

Und in dem Moment hob er den Kopf und schaute über die Lehne des Sofas hinweg mitten hinein in den halbdunklen Treppenaufgang zum unteren Mädchenschlafsaal, und das Lächeln rutschte aus seinem Gesicht. Da stand jemand, nicht einfach irgendwer, sondern Lily Evans, in Nachthemd und Morgenmantel und schaute zu ihnen hinauf. Sobald sie seinen Blick erhaschte, pulsierte regelrecht die Röte in ihre Wangen, und James rollte mit den Augen. „Remus,“ sagte er tonlos und deutete mit dem ganzen Stapel Bücher hinter den Ältesten und an Black vorbei. „Dein Typ wird verlangt.“

Schwungvoll drehte Remus sich herum, ganz verwirrt, weil er mit dieser Information absolut nichts anfangen konnte, bis er das fröstelnde, verlegen grinsende Mädchen da unten entdeckte, das nun die paar Stufen bis auf die Ebene des Gemeinschaftsraums erklomm und dabei die Zipfel ihres Nachtkleidchens hochhalten musste. „Oh, hi Lily!“ freute er sich und blinkte sie regelrecht an, während James in seinem Rücken auf den Sessel zurück plumpste. Wieso wusste er nicht, aber er würde keinen Zoll weichen, er würde warten, bis diese offensichtlich provozierte Unterhaltung beendet war und jedes Wort davon mithören, ob ihr das passte oder nicht. Moony hatte vor ihm nichts zu verbergen. Punkt.

Sich vorsichtig an den sandfarbenen Steinen des offenen Torbogens festhaltend, verharrte Lily auf dem Absatz und druckste ein wenig herum. Es musste jetzt sein, was sie da gerade mitbekommen hatte, trieb sie richtiggehend zu dieser forcierten Eile, und auch wenn es ihr lieber gewesen wäre, komplett alleine mit ihm zu sein, musste sie diesen Mut jetzt ganz einfach nutzen. Konnten die denn nicht weggehen? Ihn ein wenig näher heranwinkend, versuchte sie krampfhaft, zumindest Black zu verstehen zu geben, dass sie ein wenig Privatssphäre geschätzt hätte, aber sie unverhohlen direkt anstarrend, ignorierte Sirius diesen Wunsch vollkommen. Bei Peter brauchte sie das gar nicht erst zu probieren, der raffte gar nichts, so wie der schon wieder mit seinen wässrigen Mäuseaugen dreinschaute, und Potter hatte einen äußerst merkwürdigen Blick drauf. Ja, OK, er hatte jedes Recht, wütend auf sie zu sein! Das war wirklich absolut ätzend gewesen, ihn so dermaßen auszulachen vor allen Leuten in der Großen Halle. Aber er hatte es doch verdient gehabt! Wie ein Elefant im Porzellanladen hatte er sich aufgeführt, und nicht mal das. Denn Elefanten waren wenigstens putzig und konnten nichts dafür.

Zwischen Sofa und Puff schlängelte Remus sich hindurch, schob Pettigrew dafür ein wenig nach hinten und bat ihn dabei: „Roll' mal beiseite, Dickerchen!“ Und Pete nahm ihm das nicht mal übel. Gespannt wie lauschende Häschen auf der Wiese hockten seine drei Freunde da, während Remus zu ihr herüber kam und seine Fingerspitzen flach in beide Hosentaschen gleiten ließ. „Kann ich was für dich tun?“ fragte er ganz unschuldig lächelnd, und Lily schluckte fest.

Also gut, jetzt oder nie. „Ähm,“ machte sie, druckste erneut herum und schaute immer wieder irritiert wie ein Schaf zum Adler in Richtung der drei Freunde in der Sitzgruppe hinüber, leckte sich die Lippen und zuckte schließlich die Achseln. „Können die nicht ...?“ brachte sie nicht einmal diesen Satz komplett heraus. Unglücklicherweise war Remus offenbar nicht mehr ganz wach. Die Brauen hochziehend, warf er ebenfalls einen Blick dort hinüber, zuckte die Achseln und sagte vertrauensselig: „Ach, sind doch bloß die Jungs!“

Blacks subtiles Lächeln. Pettigrews klimperndes Blinzeln. Und Potters versteinerte Miene. Bloß die Jungs, alles klar. Lily brach der Schweiß aus und ihr entkam ein quieksendes Geräusch. Wenn er meinte ... Sie holte wieder tief Luft und versuchte, diese drei Jungen da zu ihrer Rechten einfach auszublenden und gleichzeitig eine offene, einladende Körperhaltung einzunehmen. Es fiel ihr sagenhaft schwer. „Also, warum ich frage, was ich meine, also,“ redete sie dummes Zeug und warf ihre eigenen Worte durcheinander, und Remus machte es nicht leichter mit seinem abwartenden, fragenden Blick von schräg oben. Erneut bis in die hintersten Winkel ihre Lungen füllend, schüttelte Lily sich. „Ich wollte dich fragen, ob du mich zum Gründungsball begleitest,“ platze sie direkt heraus, um es endlich über die Bühne zu bringen.

Niemand rührte sich. Lily konnte Remus nicht ansehen, und alles, was sie von ihm zu Gesicht bekam, waren die Füße und die Unterschenkel und so gerade noch die unruhig in den Taschen tapsenden Fingerspitzen. Keiner schnappte nach Luft, kein Federkern knarzte und nichts fiel zu Boden. Absolute Stille. Bis Remus einfach bloß „oh“ sagte und sich hin und her zu drehen begann. Er schaute nicht zu James. Nicht eine Sekunde lang. Die Jungen auf Sessel, Sofa und Puff waren vollkommen ausgeschaltet. Verdammt. Er hatte doch geahnt, dass sowas hier passieren würde. Deshalb hatte er James doch so getriezt und gezwickt, damit sie endlich vom Markt verschwand. Und jetzt war es raus. Und das bedeutete für ihn, sich für einen der lange geprobten Wege entscheiden zu müssen. Die Antwort war völlig klar, noch bevor er sie aussprechen musste. „Oh“ war nicht gerade ein Begeisterungssturm.

„Hör' mal, Lily,“ fing er an und gab widerwillige kleine Geräusche von sich. Die steile Falte genau zwischen seinen Augen wanderte vom Nasenrücken bis fast rauf an den Haaransatz, und aus schnurgeraden Brauen wurden wellenförmige Gebilde, die sich richtig zu sträuben schienen. Ein Blick hoch zu ihm und Lily spürte die Ablehnung wie einen Faustschlag mitten in die Eingeweide. Aber wieso? Sie schluckte fest und kippte ein Stückchen nach hinten, damit sie sich an der Wand anlehnen konnte. Am liebsten hätte sie ihn einfach unterbrochen, aber Remus wollte sich erklären. „Das klingt jetzt vielleicht total blöd, aber,“ stockte er, zuckte die Achseln und beförderte damit zumindest eine Hand aus seiner Hosentasche. „Es hat absolut nichts mit dir zu tun.“

Sirius rollte mit den Augen, bevor er die Lider schloss, bewegte sich aber sonst nicht, um die Aufmerksamkeit nicht auf sich zu lenken. Das war wirklich ein sagenhaft dummer Spruch, egal ob es stimmte oder nicht. Einer Frau schrie man damit doch förmlich ins Gesicht, dass es eben doch an ihr lag, auch wenn das wahrscheinlich gar nicht gemeint war. Hätte er nie gedacht, dass ausgerechnet Moony sowas Bescheuertes von sich geben konnte. Und Evans knickte auch sofort regelrecht ein.

Remus bemerkte das, biss sich auf die Lippe und produzierte noch eine ganze Reihe mehr von diesen gepressten Geräuschen, während er die eine Hand um das Gelenk rotieren ließ. „Das ist bloß ... mein eigenes kleines Ding,“ versuchte er es mit einem verlegenen, entschuldigenden Grinsen, das so gequält herüberkam, dass es vollkommen misslang. Das Mädchen hatte keinerlei Farbe mehr im Gesicht, starrte ihn nur aus riesengroß gewordenen, sonst so herrlich schönen grünen Augen an, und Sirius konnte kaum hinschauen. Richtig weh tat das. Aber Moony hielt einfach nicht die Klappe. Womit er vielleicht doch nicht so daneben lag.

„Sieh' mal, ich ...“ begann er wieder mit einem Erklärungsansatz, wieso zum Teufel er nicht mit einem Mädchen zum Tanzen gehen wollte, mit dem er sich regelmäßig allein traf, das er problemlos umarmen und drücken konnte. „Ich möchte überhaupt nicht zu diesem Ball gehen, verstehst du? Das ist einfach nichts für mich.“ Ihnen mochte es dämmern, wovon er da sprach und was das tatsächlich sollte, aber Lily konnte es doch nicht wissen. Wie sollte sie das verstehen? Wie sollte das überhaupt irgendeinen Sinn für sie ergeben? Und trotzdem nickte sie nur heftig, als wäre das alles gar kein Problem und völlig in Ordnung, obwohl ihre Augen und die porzellanartige Blässe ihrer Haut ganz andere Gefühle verrieten. Emotionen, die Remus durchaus sehen und beinahe selbst spüren konnte. Aber er konnte nichts dagegen tun. Es musste sein.

„Oh. OK,“ machte Lily und rang sich ein so gekünsteltes Lächeln ab, dass ihr so hübsches Gesicht wie eine verzerrte Fratze auf einem surrealen Gemälde aussah. Der auf ihre Schulter herabfallende Zopf diente als Beschäftigung, wie sie daran herum zu fummeln begann und ganz leichtfüßig quieksend hüpfte. „'S war 'ne Idee.“ Sich abwendend, machte das Mädchen Anstalten, die Stufen wieder hinunter laufen zu wollen, und Remus stopfte sich die zweite Hand wieder in die Tasche und zuckte die Schultern. „Vielleicht suchst du dir lieber 'nen anderen Jungen, der nicht so'n,“ er imitierte fast dieses falsche Lächeln von ihren Lippen und spielte so unglaublich schlecht den Witze Reißenden, dem es blendend ging, „so'n dämlicher Sturkopf ist wie ich.“ Mit beiden Ellbogen schlug er sich gegen die eigenen Rippen, wie er über seinen eigenen miesen Scherz zu lachen vorgab.

Offenbar waren längere Sätze jetzt nicht mehr drin für Lily Evans. „OK,“ sagte sie wieder nur und wandte sich erneut dem halbdunklen Aufgang zu, hinter dessen erster Windung die kleine Fackel in ihrer Halterung flackerndes Licht an die Wände warf. Wo sie schon die erste Stufe genommen hatte, wachte Remus endlich auf. Man konnte den Flush regelrecht sehen, wie ihm ein Streifen Röte den Hals hinauf schoss und damit den Verlauf seiner Schlagader perfekt markierte.

Hastig einen Arm ausstreckend, begriff er, wie wichtig das jetzt war, wie viel in diesem Moment auf dem Spiel stand. „Hey!“ rief er sie nochmal zurück und zupfte an ihrem Ärmel, dass sie fast das Gleichgewicht verloren hätte.
Jetzt noch weiter unter ihm als durch seine enorme Größe sowieso schon, musste Lily sehr weit den Kopf in den Nacken legen, und ein dichter Film aus salziger Feuchtigkeit schwamm in den grünen Augen. Remus' Adamsapfel sprang ihm unter das Zungenbein, so fest schluckte er, und sein Kehldeckel schloss sich dazu hörbar. Heiserer als nach Vollmond sprach er seine Befürchtung dennoch aus, gut verpackt in eine einfache Frage unter Freunden: „Sehen wir uns am Mittwoch?“ Seine Zimmergenossen konnten sein Gesicht nicht sehen jetzt, wo er sich abwandte und in das Loch der Wendeltreppe hinunter gebeugt stand, aber den flehentlichen Ausdruck darin, den konnten sie sich lebhaft vorstellen. Remus Lupins größte Angst war nicht der Vollmond an sich, sondern das, was er aus ihm machte. Einen Einsiedler.

Ihr Lächeln dieses Mal war nicht gezwungen, sondern wieder so ehrlich und süß, wie er es von ihr gewohnt war. Und obwohl sie ihn dabei nicht ansehen konnte, sondern sich lieber den Zopf aus der Wange strich, nickte sie hastig und dennoch bestimmt. „Ja. Klar,“ hauchte sie mehr, als dass sie sprach, und er ließ sie los und richtete sich wieder etwas mehr auf. Die Schultern aber blieben eingeknickt und zusammengesackt, die Hände rasch wieder in den Taschen. „OK,“ sagte Remus und nickte, und dann machte Lily auf dem Absatz kehrt und stürmte so schnell und eilig die Treppen hinunter zu ihrem Schlafsaal, dass auch die schwere Eichentür ihr Schluchzen nicht verbergen konnte.

Absolute Stille. Sirius hockte im Schneidersitz auf dem Sofa, mit dem Gesicht zur Lehne und starrte den Ältesten mit hochgezogener Oberlippe an. Peter hatte sich auf dem Puff in sich selbst gefaltet und war so noch kleiner als ohnehin schon. Und James stützte sich vorgebeugt mit beiden Unterarmen auf die Knie. Eine zitternde Hand an die Stirn hebend und sich damit wie gegen zu helles Sonnenlicht abschirmend, stieß Remus bebend Luft durch den offenen Mund. Das war mindestens genau so schrecklich gelaufen, wie er es sich ausgemalt hatte. Wie ein wahr gewordener Alptraum. Aber was hatte er denn erwartet? Konnte sowas überhaupt einigermaßen nett ablaufen? Nein. Wahrscheinlich nicht. Sie weinte. Lily weinte! Er wusste das ganz genau!

Vorsichtig und langsam löste sich Sirius Black aus seiner Starre, indem er den Kopf zu schütteln begann. Unglaublich, von was er da soeben Zeuge geworden war. Niemals hätte er gedacht, dass ausgerechnet Remus ein so entsetzlich brutaler, unsensibler Arsch sein könnte. Die Locken verursachten ein schabendes Geräusch auf seinen Schultern, und dann musste er das einfach sagen: „Mein – Gott – Remus!“ Kein 'sht' von James. Nicht der dezente Hinweis darauf, dass er die Klappe halten solle. Im Gegenteil. Halb glühend vor Zorn, halb entsetzt und selbst verletzt, spuckte Potter seine eigenen Gedanken aus: „Bist du bescheuert?!“ Es war ihm egal, ob sie jemand hören konnte. Das wunderschönste und tollste Mädchen der ganzen Schule bat ihn doch bloß, zum Ball mit ihr zu gehen, einfach bloß ihr Begleiter zu sein, eine gute Freundin obendrein und dieser sagenhaft belämmerte Dummkopf stand nur da und brach ihr das Herz! Lily! Seiner Lily!

Mit geschlossenen Augen verlagerte Remus sein Gewicht, so dass er wieder mehr im Gemeinschaftsraum als im Treppenhaus stand, und die soeben noch verdeckende Handfläche drehte sich abwehrend in ihre Richtung. „Jungs, bitte,“ murmelte er bloß und hielt sich die selbe Linke über Mund und Nase, als müsse er sich übergeben. Gnade konnte er allerdings von seinen Freunden nicht erwarten. Fast angewidert holte Sirius mit einem Arm aus. „Das war grauenvoll, Remus!“ kommentierte er diese Szene und erntete dafür zustimmendes Nicken seiner beiden Freunde zu seiner Rechten. Lupin sah nicht aus, als habe er eine großartige Verteidigungstirade vor. Wozu auch? Da konnte er nur verlieren. Es stimmte: Grässlich war das gewesen. Aber nicht nur für sie zum Angucken, und nicht nur für das Mädchen, sondern auch für ihn. Und das zu erklären, dazu konnte Remus sich nicht durchringen.

Sich so heftig schüttelnd, dass er beinahe von seinem Puff gefallen wäre, meldete sich sogar Peter zu Wort. „Wie hast du das gemeint, du willst gar nicht zum Ball gehen?“ quietschte er von seinem Platz vor dem langsam herunter brennenden Kamin aus. Als hätten sie das jetzt gerade erst verstanden, runzelten auch James und Sirius die Stirn und starrten erst Peter, dann wieder Remus an, der aber nur die Kiefer fest aufeinander presste, bis die Muskulatur unter seinem Ohr zu festen Klumpen anschwoll. „Ich geh' eben nicht hin,“ sagte er, die eigenen Tränen herunter schluckend, um sie ihnen ja nicht zu zeigen. Das hier war nicht wie sonst. Er wollte deswegen kein Mitleid und keinen Trost, nicht deswegen. Na und? Dann war das eben so. Pah! Ihm doch egal. Ging auch ohne, sehr gut sogar. War 18 Jahre gut gegangen, würde es auch noch länger, bis irgendwann, bis alles vorbei! Keine bedauernden Blicke, keine Schulterklopfer, nicht dafür.

Beide Arme ausstreckend, plusterte Black sich auf wie ein Pfau. „Wieso nicht?!“ sprach er ihrer aller Gedanken aus, und die Antwort kam so prompt und so heftig, dass es ihn fast vom Sofa fegte. „Was soll ich da?!“ blaffte Remus aggressiv und beugte sich ihm entgegen, die silbergrauen Auge so strahlend von all dem Wasser auf den Regenbogenhäuten, dass sie fast genau so leuchtend reflektierten wie in Vollmondnächten. Sich rasch fangend, zog sich Sirius an der Lehne empor und lachte auf, auch wenn er das kein bisschen witzig, sondern eher himmelschreiend beunruhigend fand. Und so wie James und Peter ausschauten, sahen die Zwei das ganz ähnlich. „Tanzen? Spaß haben? So wie wir alle?“ fragte Black rhetorisch und grinste dabei wie ein irr gewordenes Honigkuchenpferd. Die Wirkung, die er damit erzielte, gefiel ihm erst recht nicht.

„Ich bin aber nun mal nicht 'wie ihr alle'!“ erinnerte Remus auf so offensichtliche und unangenehme Weise, dass es körperlich weh tat. Mit gespreizten Fingern zog er die ganze Hand von links oben nach rechts unten quer durch sein Gesicht, hob damit die für sie so natürlich und normal gewordenen roten Striemen aus Narbengewebe deutlicher hervor als irgendwie anders möglich gewesen wäre. „Es wäre nicht fair, ihr Hoffnungen zu machen, dass da jemals irgendwas in dieser Richtung laufen könnte!“ Das konnte er doch nicht ernst meinen. Herrje, wenn das nur wegen der Sache mit James war und dann gleich so fies ...

Sirius schüttelte sich erneut und rollte mit den Augen. „Hör' mal, Remus, OK, James hat das Mädchen gern! Aber ich kann mir nicht vorstellen,“ er wandte sich weit genug herum, um seinen besten Freund ansehen zu können, „wenn sie dich will und du sie, dass James da irgendwas ... Hab ich recht?“ streckte er eine offene Hand in Potters Richtung, der ohne zu zögern mit fest ineinander verwobenen Fingern bestimmt nickte und dabei ohne Schwierigkeiten direkt in Remus' Augen sah. Die Reaktion war vollkommen anders als erwartet. Beide Hände klatschend gegen die Nähte seiner Hosen fallen lassend, reckte Lupin den Kopf und stöhnte mit verdrehten Augen. Was redeten die da für eine Scheiße? Keine Ahnung hatten die!

„Darum geht es nicht, Sirius!“ betete er regelrecht und wandte sich hin und her wie er da stand, halb zwischen den beiden Treppenaufgängen. „Es hat nichts mit Lily zu tun, das hab' ich doch gesagt!“ erinnerte er an die eben abgelaufene Szene und zeigte verdeutlichend hinter ihr her die Stufen hinunter, die sich rasch hinter der ersten Windung verbargen und in zunehmender Dunkelheit verschwammen, wo die Fackel sich ob der späten Stunde von selbst herunter regulierte. Verwirrt ließ Black seine Locken springen und zuckte die Achseln. „Womit denn dann?“ begriff er das nicht, und James hatte so viele Falten auf seiner Stirn, dass er genau so aussah wie sein eigener Vater, während Peter sich in einen Fingerknöchel biss und fest überlegend daran herumsaugte.

Remus gab auf. Entnervt keuchend, bewegte er den Kopf auf seiner Halswirbelsäule, als wolle er sich das Genick brechen, damit endlich Ruhe herrschte, und die Lider schließend, schüttelte er sich. „Ihr versteht das einfach nicht.“ Mit pulsierend knirschenden Zähnen machte er einen Schritt auf die Treppen zu, die zu ihrem eigenen Schlafsaal führten, wollte sich einfach nur da oben hinter seinen schweren roten Portieren ins Bett legen und die Augen zumachen. Nichts mehr sehen, nichts mehr hören, nichts mehr fühlen. Die hatten keine Ahnung, wovon sie da überhaupt redeten. Was das eigentlich bedeutete, so zu sein wie er. Mehr als dieses Poltern und die gelegentlichen Schmerzensschreie eine Etage höher. Nicht nur die ewige Angst, jemandem weh zu tun. Er kniff die Lider zusammen und verdrängte das alles, und trotzdem blieb dieser eine, pochende Fleck auf seiner Seele zurück, wie eine brennende Zigarette, die man gegen das Fleisch gedrückt bekam.

„Dann erklär' es uns,“ bat die Stimme von James Potter ohne den gerade noch so deutlichen Zorn, ganz ruhig und fast liebevoll, wie er da saß, die Beine nun unter dem Körper gefaltet und darüber gelehnt. Im Ausholen blieb Remus wie angewurzelt stehen. Eigentlich wollte er nicht darüber reden. Es tat zu weh, es war zu demütigend, aber er war es ihnen schuldig. Nach allem, was diese Jungs für ihn getan und durchgestanden hatten, welchen Gefahren sie sich immer wieder aussetzten. Er machte die Augen zu und holte tief Luft, die herabhängenden Hände zu Fäusten geballt, bevor er sich wieder herumdrehte. Also gut. „Ich bin ein ...“ Er konnte es nicht aussprechen. Das hatte er noch nie hinbekommen. „Ich bin krank,“ sagte er also statt dessen und erinnerte sie damit gut genug.

„Ich werde immer 'krank' sein. Wenn ihr die Schule verlasst, dann kriegt ihr tolle Jobs und werdet heiraten und einen Haufen süße Babies bekommen, aber ich ...“ Lupin stockte und verdrehte den Kopf wieder so seltsam, fast wie damals in der Heulenden Hütte, als er beinahe zu spät das Zimmer verlassen hatte. Seine matt gewordenen Augen trafen den starren Blick von Sirius. „Für mich,“ fuhr er fort, „wird es keine Serena Dearborn geben.“ Ihn daraus entlassend, huschten diese trüben Hornhäute weiter zu James. „Ich werde immer allein sein.“ Er schaute weg.

Blacks Unterkiefer hing so weit herunter, dass er beinahe sein eigenes Brustbein berührte, wie ihm mehr und mehr bewusst wurde, was Remus eigentlich damit sagen wollte. Aber das war doch vollkommen verrückt, sowas konnte man doch nicht glauben! Remus war so ziemlich der Traum aller Schwiegermütter, ganz zu schweigen ihrer ledigen Töchter! Nett und zuvorkommend und immer höflich und charmant, intelligent und tüchtig und obendrein auch noch sagenhaft witzig! Wieso zum Teufel wollte so ein Kerl es nicht wenigstens mal versuchen? Es gab bestimmt einen Haufen Frauen da draußen, die mit seinem dämlichen haarigen kleinen Problemchen keinerlei Schwierigkeiten hätten! Ihm fiel da gleich ein halbes Dutzend ein, eine Black hätte das als Herausforderung betrachtet (und dazu genügend Geld gehabt, dass ein solcher Mann auch nicht arbeiten musste). Er verstand es nicht.

„Das ist nicht dein Ernst!“ platzte es aus Sirius heraus, wie er die Locken schüttelte und Remus anstarrte. „Du meinst das nicht so, du kannst doch nicht etwa sagen, dass du nie, nie, niemals ein Mädchen im Arm halten oder bloß mal küssen willst!“ lachte er richtig, weil er sich so überspitzt und übertrieben ausdrückte, und die Finger von James, die seinen Ärmel griffen, bemerkte er nicht einmal. „Sirius,“ murmelte Potter eindringlich, aber es war schon raus. Und Lupin sackte nach vorne weg, den Kopf hinunter geduckt zwischen die Schultern, über die er zurück lugte, um Sirius ansehen zu können. „Das hat mit wollen nichts zu tun, Black,“ flüsterte er heiser und schloß die Augen.

Ein Mädchen im Arm halten. Oder bloß mal küssen. Egal was er dagegen machen wollte, das Bild, der Geruch, das Gefühl drängten sich so real auf, dass Remus schwindelig wurde und sich der ganze Gemeinschaftsraum zu drehen begann. Diese herrliche Wärme, die bloße Nähe, das war so wunderbar gewesen, so unschlagbar schön. Und dann das 'nein' im Kopf. Er hielt das nicht mehr aus.

„Das ist doch Blödsinn, Remus!“ konnte Sirius nicht aufhören, weil die Vorstellung einfach zu schrecklich war. Der pure Gedanke daran, nie wieder, das war nicht zu ertragen, und das durfte sich Remus nicht antun. James zupfte fester, presste seinen Namen erneut zwischen den Zähnen hindurch, während Peter unruhig auf seinem Hocker herum zu rutschen begann. „Da wird sich doch 'nen Mädchen finden, dem das egal ist! Uns ist es doch auch egal!“ Und das war nichts Anderes, da konnte er quatschen, wie er wollte.

Lupin hörte ihm längst nur noch mit einem Ohr zu, viel zu sehr gefangen in diesem schwirrenden Kreisel aus Zukunftsangst und drohendem Absturz, den er schon seit elf Jahren mit sich schleppte. Fest den Kopf schüttelnd, griff er an das Geländer der Treppe, die zu ihrem gemeinsamen Schlafsaal hinaufführte, drehte sich nur noch einmal kurz um, während Potter sich aus dem Sessel stemmte, um Sirius davon abhalten zu können, über die Lehne zu hüpfen, falls das nötig sein sollte. „Das tu' ich keiner an, Sirius,“ hustete Remus. „Kein Mädchen verdient sowas.“ Und dann zog er sich endgültig aufwärts, brach recht bald in schnellen Schritt aus und verschwand mit polternden Schritten um die Ecke, bis die Eichentür dort oben zuschnappte.

Seine drei Freunde blieben allein zurück im nun beinahe vollständig dunklen Gemeinschaftsraum. Pettigrew wippte vor und zurück wie ein hospitalisierter Eisbär, und James verharrte noch immer halb aufgerichtet mit der Hand an Blacks Ärmel. „Merlins Jauchegrube,“ murmelte Sirius und sprach damit allen aus der Seele.


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