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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Schokolade hilft

von Teekon

Die Dunkelheit zog sich nach weniger als zwei Yards zurück, und blendend helles Sonnenlicht fiel durch das gläserne Dach über dem Gleis 9 ¾. King's Cross Station, London, an einem herrlichen 1. September. Und trotzdem war der Bahnsteig komplett leer. Nicht ein einziger Zauberer, keine Hexe, nicht mal ein Bahnhofsvorsteher trieb sich hier zwischen den hoch aufschießenden, rundbogigen Stahlträgern herum, aber der Schornstein der scharlachroten Dampflokomotive rauchte schon mächtig. Der Hogwarts-Express war soeben eingelaufen aus seinem Depot und bereitete sich auf die lange Fahrt in den hohen Norden vor.

Er war wunderschön! Die Fenster alle noch herunter gelassen, um die Abteile kräftig durchzulüften vor der Reise, die Slam Door Türen aufgeschwungen, stand er da, dieser fantastische Zug, glänzend aufpoliert, und weißer Dampf sickerte über die abgerundeten Dächer hinweg und hinaus in einen windigen, sonnigen Herbstmorgen. Die Uhren gleich neben den emaillierten Schildern über dem Kopf zeigten gerade einmal 9:30 an. Also kein Wunder, dass noch kein einziger Schüler hergefunden hatte. Der perfekte Zeitpunkt, um sich einen schönen Platz zu suchen.

Ihm entkam ein zufriedenes, sehnsuchtsvolles Keuchen, wie er mit seinem Trolley aus dem Durchgang zwischen Gleis 9 und 10 trat. So lange war das her. So viele Jahre. Wie viele? 78 das letzte Mal, auf dem Weg nach Hause, nach der großen Abschlussfeier musste das gewesen sein. 15 Jahre! Merlins Bart, wie die Zeit verschwunden war! Verflogen konnte er nicht sagen. Harte Jahre waren das gewesen, sie hatten an ihm gezehrt, vielleicht mehr körperlich als seelisch, aber die Spuren deutlich sichtbar. Es war egal. In diesem Moment, auf dem Bahnsteig seiner Kindheit, gleich den Hogwarts Express besteigend, zählte das alles nicht mehr. Remus Lupin biss sich mit einem Lächeln auf die Unterlippe und gab dem Gepäckkuli einen festen Schubs den langen Weg hinunter bis zu der weiten Öffnung in die Welt hinaus.

Nur kurz erhaschte er den Blick des Lokomotiv-Führers, der in seiner Arbeit, eine Fuhre Kohle nach der anderen mit einem kurzen, rußigen Zauberstab in die Lore hinter seinem Führerhaus zu befördern, kurz innehielt, und die beiden Männer zwinkerten einander grüßend zu. Ein unglaublich schöner Morgen! Remus wusste ganz genau, welches Abteil er ansteuern wollte, hatte die freie Auswahl und würde es sich nicht nehmen lassen. Niemals war ein Lehrer mit dem Zug gefahren, solange er sich erinnern konnte, aber die Reaktion der Schülerinnen und Schüler konnte er sich lebhaft vorstellen: Stören würde ihn keiner, er wäre ganz allein. Wunderbar. Denn so malerisch die Sonne auch glühte dort am blassblauen Himmel, und so frisch und rein die Luft durch seine Lungen strömte, war er doch sehr müde und wollte eigentlich nichts weiter, als den Kopf an die kratzigen Stützen zu lehnen und die silbergrauen Augen zu zumachen.

Klar war der Horizont gewesen in dieser schönen Nacht, und die Sterne und der volle Mond hatten erste Kälte und leichten Frost gebracht. Kühl war es, böig der Wind, und die Blätter der Bäume begannen früh in diesem Jahr, sich sacht zu verfärben. Das würde ein wunderbarer Herbst werden dort oben in Schottland! Er konnte es kaum erwarten. Und das, wo er sich doch so sehr dagegen gesträubt hatte. Er lächelte und rieb sich die verquollenen Augen, wie er den allerletzten Wagon des Zuges erreichte. Genau da war es, das Abteil, in dem sie immer gesessen hatten, das hinterste, wo niemand ständig dran vorbeilaufen konnte, ohne Aufsehen zu erregen. Klar war es von da aus weit bis zu einem Waschraum, und der Trolley mit den Süßigkeiten kam erst ganz spät am Nachmittag hier vorbei, aber das war egal. Die Aussicht war wunderschön.

Dumbledore etwas abzuschlagen, das brachte Remus Lupin nicht über sich. Nur zu fragen brauchte er, dann sagte er schon „ja“, auch wenn er es dieses Mal am liebsten zurückgenommen hätte, sobald die Bitte ausgesprochen gewesen war. Eine Verabredung zum Tee in einem stark frequentierten Muggel-Café am Leicester Square, das war schon ungewöhnlich, aber Remus hatte Zeit. Das hatte er immer. Denn diesen Sommer war Arbeit wieder einmal rar gewesen für jemanden wie ihn. Und so war er hingelaufen, ein hübscher Spaziergang von Aldgate East quer durch die City of London, und bei einem so herrlich heißen August-Wetter hatte er nicht einmal auffallend schäbige Kleider tragen müssen. Ein Paar alte Jeans, ein T-Shirt noch aus Jugendzeiten, nicht einmal zu klein oder zu eng geworden, und schon hatte er ausgesehen wie einer der vielen Touristen, die sich dort Karten für ein Musical hatten kaufen wollen.

Und dort hatte er ihn gebeten, zurückzukehren nach Hogwarts, in seine zweite Heimat, an den Ort, an dem er in seinem Leben vielleicht am glücklichsten gewesen war. Abgesehen von dem heimeligen Häuschen in Nether Poppleton, gleich am Ortausgang, Monkshood Alley Nr. 12. Als Lehrer. Als Lehrer! Großvater hätte gelacht vor Freude, wenn er es ihm gesagt hätte, doch den letzten Brief hatte Edward zu Ostern erhalten. Remus liebte ihn. Aber er konnte ihm so nicht unter die Augen treten, nicht in diesen abgeschabten Tweed-Anzügen, nicht mit diesem Ausdruck von Krankheit, gar von Sucht im Gesicht. So sollte der großartige Professor sein Geschlecht nicht aussterben sehen. Lieber ein paar Zeilen hin und wieder, 'es geht mir gut', 'ich entwerfe wieder ein Gebäude', 'ich sortiere Schriften für Gelehrte', das musste eben reichen. Er schloss die Augen für einen Moment und beschwor ein Bild herauf in seinem Geist, von roten, dicken Mohnblüten, die sacht nickend gegen zurückgeklappte und festgestellte Scheiben in weißen Rahmen klopften. Es tat weh. Aber es war auch schön. Bittere Erinnerungen, das hatte Remus Lupin gelernt, wurden irgendwann süße Erinnerungen.

Sich einen Ruck gebend, hob er mit verzerrtem Gesicht den schweren Schrankkoffer von seinem Trolley und karrte ihn mit der unerwartet großen Kraft seiner sehnigen Arme in einem einzigen Schwung auf die oberste Stufe der gewählten Tür. Schweiß schoss ihm auf die Stirn, wurde dort aber sofort von einem frischen Windstoß fort getragen. Hatte ja keinen Zweck. Schlafen, träumen, wunderbar. Es war alles, was er bei sich hatte, der selbe, gute alte Lederkoffer mit den ehemals leuchtenden Beschlägen, die Buchstaben seines Namens - „R.J. Lupin“ - nun abblätternd und kaum noch leserlich. Voll gepackt mit fast all seinen Besitztümern, aber vor allem mit genießerisch köstlichem Duft von Vergangenheit behaftet, begleitete er ihn überall hin. Wenn er Aldgate East denn überhaupt mal verließ.

Seine Bedenken hatte Remus geäußert, in Hogwarts zu unterrichten, immer noch genauso gefährlich und unberechenbar wie als Kind, wie er nunmal war. Und er konnte wohl kaum jeden Monat in die Heulende Hütte gehen und dort seine Verwandlung durchstehen wie damals, um den nächsten Tag frei zu nehmen. Da musste er dann doch arbeiten, vor Klassen stehen und ihnen erklären, was Sumpfkrattler tun, wie man Cornische Wichtel loswird und was man gegen eine Banshee machen kann. Oder etwa nicht? Und außerdem ... Als Jugendlicher war dieser Zufluchtsort schon schwer zu ertragen gewesen. Mental wie gesundheitlich. Aber nun, in ein wenig fortgeschrittenerem Alter, wesentlich früher grau geworden als seine Altersgenossen unter Muggeln schon, würde er das kaum durchstehen. Das ließ seine Verfassung einfach nicht mehr zu.

Aber so war Dumbledore eben. Er durchdachte alles, ging jedes Risiko ein. Einen Tränkemeister hätten sie, fast so gut wie Slughorn früher, in der Lage und durchaus (wenn auch mit ein wenig zureden) bereit, ihm den Wolfsbanntrank, die große Meisterleistung des Damocles Belby, jeden Monat zu brauen. Das nahm nicht die Verwandlung, es linderte nicht den Schmerz, aber es hielt ihn davon ab, seinen Verstand zu verlieren. Nie zuvor hatte er das Zeug getrunken, wusste nicht, wie es schmeckte, wie es wirkte, aber die Verlockung war sehr groß, es überhaupt nur auszuprobieren. Und die meisten Mitglieder des Kollegiums waren noch die selben wie damals, seine eigenen Lehrer, Flitwick, McGonagall, Sprout, Vector, Sinistra und all die anderen. Nur eben dieser Tränkemeister nicht, der auch als Einziger Einsprüche gegen eine solch impertinente Berufung erhoben hatte: Severus Tobias Snape!

Fast hätte Remus gelacht, aber dafür war sein Koffer zu schwer. Wie er ihn den schmalen Gang hinunter schleifte, mehr geschubst als getragen, schmunzelte er nur vor sich hin. Ein seltsamer Gedanke, ihn wieder zu sehen, nach allem, was gewesen war. Zu Vieles, zu Seltsames, darüber musste er erst grübeln. Und das würde Remus nur tun, wenn er ihm gegenüber gestanden, mit ihm gesprochen hatte. Man sollte niemanden danach beurteilen, wie er aussah, oder danach, was einmal gewesen war. Schule, der Krieg, die Jahre danach. Wenn Dumbledore für ihn eintrat, dann vertraute ihm Remus Lupin bedingungslos, und er würde keinerlei Vorwürfe erheben. Nicht einmal im Kopf.

Nun, wie auch immer, er hatte schließlich doch noch zugestimmt, gegen besseres Wissen und gegen seinen eigenen Willen. Aber dann wieder ... Wie sehr hatte er das früher genossen! Es war so ein erhebendes Gefühl, wenn ein Dummkopf einen einfachen Spruch doch noch hinbekam, wenn ein ängstlicher Schüler mit einem Mal sein volles Potential entdeckte! Wie Peter gestrahlt hatte, sobald er feststellte, zu was er wirklich imstande war! Oder das fröhliche Lachen von Lily, wie sie in die Hände klatschte und wie ein verrückt gewordener Indianer um den erledigten Grindeloh herumgehüpft war! Darauf freute er sich! Die reinste Wonne! Und überhaupt ... 'Harry', sagte etwas in seinem Geist, und er musste lächeln. Er würde da sein. Irgendwo in der fünften Reihe sitzen in seinem Unterricht, Verteidigung gegen die Dunklen Künste, und auf einem zerrissenen Stück Pergament Quidditch-Szenen zeichnen, während es eigentlich um ganz andere Dinge ging.

Fabelhaft! Sein Abteil war frei. Natürlich, denn er war kein Schüler mehr und da draußen auf dem Bahnsteig war es komplett leer und still. „Hogwarts, ich komme!“ grinste Remus, wuchtete den schweren Schrankkoffer hoch in das Gepäcknetz und schloss die Abteilstür. Sofort zog es nicht mehr so fürchterlich, und trotzdem musste er sich noch die kalten Hände reiben und zusammen ballen, um wärmend hinein zu pusten. Das Fenster stand sperrangelweit offen. Das sollte er besser ändern. Mit einem Ruck beförderte der Mittdreißiger mit den silbernen Schläfen die Scheibe nach oben, bis sie mit lautem Knall einrastete. Alle Plätze frei.

Welchen nehmen? Den üblichen? Merlin, da war noch immer dieses winzige Brandloch am unteren Rand des mittleren Sitzes, das blau-schwarze Karo-Muster angesengt von der glühenden Spitze eines überladenen Zauberstabs, und niemand hatte es für nötig befunden, das zu beheben!
Eingeschlafen. Nach Vollmond-Nacht, damals. Und geträumt haben musste er, von hartem Kampf oder irgendeiner Heldentat, und die Jungs hatten ihn erst lachend und kichernd geweckt, als es grässlich verbrannt gerochen hatte. Diese Wahnsinnigen! Remus schüttelte den Kopf und rieb sich das stoppelige Kinn. Keine Lust gehabt heute morgen, sich zu rasieren. War sowieso egal. Er würde genügend Zeit zum Frischmachen haben vor dem Festessen. Die Fahrt war immerhin gute sieben Stunden lang. Jetzt nur noch in die Robe einwickeln und genau wie früher die Augen zu machen. Keine Ahnung wieso. Aber er entschied sich spontan, plumpste auf den Platz am Fenster entgegen der Fahrtrichtung, den Sitz, auf dem sonst Sirius Black gehockt hatte auf ihrer Reise zur Schule.

Oh, wie schön die Sonnenstrahlen spielten, wenn sie durch die gläsernen Dachplatten des Bahnhofs fielen! Winzige Schleier aus Hochnebel zogen darüber hinweg, und es wurde so angenehm warm und gemütlich unter der Winterrobe in der Ecke. Noch ehe er diesen Gedanken beendet hatte, fielen Remus Lupin die Lider zu, und er schlief wie ein Stein, träumte, ganz wunderbar, herrlich und schön von all den Dingen, die auf ihn warteten heute Abend, und noch von ganz anderen Herrlichkeiten, an die zu denken bei wachem Geist er sich immer verbot.

Aber wieso? Warum musste James so laut labern? Konnte der nicht den Mund halten? Er sah doch, dass Remus schlief, er kriegte doch mit, dass er müde war. Und dass Vollmond gewesen war, in der gerade vergangenen Nacht erst, das musste er doch auch wissen. Nein, James Potter quasselte, seltsam gedrückt und gedämpft zwar, dennoch klar und deutlich. Von Sirius sprach er, von wem auch sonst? Und da waren noch andere Stimmen, ein Junge und ein Mädchen, nicht Peter, nicht Lily. Besorgt klangen sie, und wenn er das richtig hörte, prasselten schwere Tropfen von Regenschauern gegen die Scheiben des Zuges.

Dem Ton nach zu urteilen, standen irgendwelche Slytherins draußen auf dem Flur, sicherlich Snape und Rosier, wo doch Wilkes und Mulciber und Avery nicht intelligent genug waren für eine Unterhaltung, die länger war als die grunzende Bitte um einen Salzstreuer. Selbst im Schlaf noch hätte Remus am liebsten gegrinst, und da wurde die Abteilstür bereits wieder geschlossen, und er glitt tiefer zurück in die wunderbare Welt seiner Träume. Die Lichter sprangen an über den Köpfen, hell und stechend in müden Augen, selbst verborgen hinter den Lidern, während draußen die Nacht herabsank auf Nordengland. Murrend kippte Remus einfach den Kopf in Richtung des Fensters, rutschte sich etwas zurecht und schlief seelenruhig weiter.

Wind und Regen schienen zu zunehmen. Der Zug rumpelte nun über alte Gleise und lange, dem Sturm ausgesetzte Brücken, und die Wagons ratterten aneinander und schaukelten, getrieben und geschubst von den Gewalten der Natur. Dumpfes, klapperndes Prasseln zeugte von heftig fallenden Tropfen in betäubendem Stakkato-Rhythmus, aber es schläferte nur umso mehr ein. Der Mann am Fenster genoss die herrliche Wärme, die gleich unter seinem rechten Fuß von der Heizung aufstieg, in sein Hosenbein kroch und bis ans Knie hinauf jedes Härchen aufrecht stehen ließ. Er zog das zweite Bein sofort dazu und kuschelte sich noch ein wenig enger an den Stoff der Kopfstützen. Und James' nun leise Stimme versank wieder in geflüsterte Konversation mit den anderen.

Das gleichmäßige Rauschen von Fahrtwind und das donnernde Schieben der Treibstangen verlangsamte sich. Spüren konnte er das, fühlte das Absinken der Geschwindigkeit, wie er von der Schwerkraft vorwärts geschoben wurde, und seine Brauen kräuselten sich. Er wollte noch nicht da sein. Noch ein wenig schlafen, zumindest dösen, dieses angenehme Summen im Kopf genießen, das ein erholsames Nickerchen begleitete. Aber der Zug drosselte mehr und mehr das Tempo, sehr schnell jetzt, viel zu schnell. Remus gefiel das nicht. Ein neuer Lokführer, der die Strecke nicht so gut kannte und nun vom baldigen Ende überrascht wurde? Nein, das Gesicht des Mannes auf dem Führerstand hatte er erkannt. Wieso dann dieser abrupte Halt? In diesem Moment kam der ganze Express mit einem heftigen Ruck zum Stehen, und das scheppernde Krachen von herunterfallendem Gepäck passte hervorragend zu dem Stoß in die eine, dem sofort folgenden Zerren in die andere Richtung. Instinktiv streckte Remus eine Hand aus und stützte sich mit dem Gelenk gegen das kleine Tischchen unter dem Fenster, damit er nicht vom Sitz plumpste. Keine Lust, die Augen zu öffnen. Die Lampen waren grässlich grell und taten den entzündeten Hornhäuten weh, und überhaupt war Schlafen viel schöner.

Als hätte ihm jemand den Wunsch aus den Gedanken gelesen, erloschen die Lichter über seinem Kopf genauso so plötzlich wie die auf dem Gang. Ah, wunderbar! Dunkelheit. Schön. Remus schnurrte beinahe und entschied sich, mal die andere Pobacke zu belasten, wo er sich nun nicht mehr vor den Laternen abschirmen musste, doch der anhebende, unruhige Lärm hielt ihn davon ab. James murmelte eine Frage, die er nur halb verstand, und dann ging die Abteilstür auf und jemand stolperte herein, Gesprächsfetzen und das jaulende Kreischen einer Katze weckten ihn endgültig. So konnte er nicht träumen, nein.

Missmutig murrend, knurrte Remus und kniff die Augen fester zusammen, rieb sich mit den Fingerknöcheln gemütlich die Lider und drückte sie dabei tief in die Höhlen hinein, bis sie sich fast matschig anfühlten. Warum zum Teufel machte dieser unfähige Trottel von Fahrer die Lichter aus, bevor irgendjemand ausgestiegen war? Und wieso war der Bahnsteig genau so wenig erleuchtet? Kein Hagrid, der rief, keine Türen, die aufgestoßen wurden, nur das leise Reden der Jugendlichen um ihn herum. Und das Abteil wurde wieder geöffnet, es polterte und zwei Mädchen kreischten.

„Wer ist das?“ fragte das eine. „Wer ist das?“ fragte das andere. Und ihre Stimmen zogen ihn endgültig aus seinen Träumen zurück. „Ginny?“ „Hermine?“ erkannten sich die Mädchen, und ihm wurde klar, wie tief er im Schlaf gefangen gewesen sein musste. Die Gegenwart kehrte zu ihm zurück. Mit einem Mal war er wieder erwachsen, der neue Professor im Zug, umgeben von Schülerinnen und Schülern, die er nicht kannte. Und trotzdem war es James' Stimme, vielleicht eine Winzigkeit verändert nur, die direkt neben ihm „Nicht hier!“ murmelte. Darüber nachzudenken war jetzt nicht möglich, denn es war kalt, so kalt, selbst die Heizung unter seinen löcherigen Schuhen wärmte ihn nicht mehr. Und sein Instinkt sprang an wie ein oft genutzter sechster Sinn. „Ruhe!“

Der erste Griff in der augenblicklich einsetzenden gespannten Stille langte in die Innentasche seiner schäbigen Reiserobe. Sein Herz pochte so laut, so hungrig und so verängstigt, in diesem ganz speziellen Takt, den er nur aus einer Situation kannte: Warten auf den Kampf. Wie im Krieg damals. Fast täglich durchgestanden. Es war immer wieder erstaunlich, wie klar und messerscharf sein Verstand davon wurde, obwohl seine Hände zittern mussten und der ganze Körper bebte. Etwas stimmte nicht. War ganz und gar nicht in Ordnung. Dafür hatte er ein Gespür entwickelt. Er brauchte Licht. Besonderes Licht, wo alle anderen in Furcht verloschen waren.

„Lumos sanctus,“ wünschte er sich nonverbal, und in seiner zur lebenden Schüssel geformten Hand knisterten die kleinen Flämmchen auf und warfen tanzende Schatten rund herum. Die Kindergesichter zeichneten sich ab in der Dunkelheit, bleich und furchtsam, als wollten sie die Müdigkeit und Erschöpfung seiner eigenen Miene widerspiegeln. Hätte er nun Zeit und Nerven dafür gehabt, er hätte ihnen allen Namen geben können oder zumindest Familien, bemerkte die Ähnlichkeit zwischen dem einen Mädchen und dem Jungen ihm gegenüber, erkannte das herzförmige Gesicht von Alice in dem schlanken Kerl mit den prominenten Vorderzähnen und erschauerte beim Anblick der schauderschönen grünen Augen gleich zu seiner Linken. Remus Lupin glaubte nicht an Zufälle.

Andere Dinge zu tun jetzt. Kein Augenblick für Erinnerungen. Etwas kam näher, er konnte es spüren. Die Kälte griff nach seiner Seele, und die Stimmen ganz hinten in seinem Kopf wurden lauter, eindringlicher, realer. Und er begriff, was da auf sie zu kam und warum. Nicht näher kommen durfte das! Nicht zu den Kindern! Wie abscheulich. „Bleibt, wo ihr seid!“ raunte er ihnen zu und stemmte sich aus dem Sitz, aber noch bevor er zwei Schritte durch das enge Abteil gegangen war, schob sich die Tür wie von allein auf, und er wusste, dass er nicht mehr suchen musste.

Da stand er. Groß, sogar größer als der hochgewachsene Lehrer, reichte bis unter den Schlag der Schiebetür. Die lange, pechschwarze Kutte voller Risse und mottenartig zerfressener Löcher hing schlaff und unbewegt an ihm herunter, und die schwere Kapuze verdeckte gnädig das verborgene Gesicht. Die Kinder pressten sich in ihre Sitze, ohne es richtig zu merken, und Remus unterdrückte das hilflose, erdrückende Gefühl der Hoffnungslosigkeit, indem er ihm mit eben der gleichen Verzweiflung entgegen trat. Nicht viele mochte es geben, die zu diesem Mittel überhaupt greifen konnten. Wo kein Glück war, da konnte der Dementor sich nicht nähren, wo ihm mit Härte und Kälte begegnet wurde, da hatte er keine Macht. Southwark Bridge. Das aufgewühlte, brackige Wasser der Themse. Und er hatte die Kraft.

In dem Augenblick, in dem der Junge das Bewusstsein verlor und vom Sessel rutschte, die Kleinste wimmernd die Arme um ihre angezogenen Knie schlang und die übrigen Jugendlichen sich keuchend, schluchzend mehr und mehr zurückzogen, hatte er genug Mut zusammen gesammelt. Es griff nicht an, das schleimige Wesen unter dem Umhang, es stand nur da, und Remus machte einen langen Schritt über den am Boden liegenden und stocksteif unbeweglichen Jungen hinweg. „Keiner von uns hier versteckt Sirius Black unter seinem Umhang. Geht!“ verlangte er, die heisere Stimme so sacht nur zitternd, dass sie fast gebieterisch genug klang, um ihm die nötige Zuversicht zu geben. Vielleicht würde er einfach so verschwinden. Doch er tat es nicht.

Der Platz war nicht groß genug für einen Gestaltlichen. Keine zwei Yards zwischen ihm und dem Dementor. Der Junge begann zu zucken, und Remus konnte nicht länger warten. Die Heilige Flamme in der einen Hand, den Zauberstab in der anderen, holte er tief Luft und befreite den bereits gewählten Gedanken, der sich ihm schon aufgedrängt hatte, als er diese herrlichen Augen neben sich in der Dunkelheit gesehen hatte. „Expecto patronum,“ murmelte er, und selbst im direkten Angesicht dieses Ungeheuers schoss das silberne Schild aus dem Erlenholz hervor, und der Dementor glitt rückwärts gegen die Scheiben im Gang dort draußen, als habe man ihm eine stinkende Socke unter die Nase gehalten. Augenblicklich machte das Ding kehrt und stürmte in einer Art schwebendem Flug, doch keinen Zoll vom Boden abgehoben, den Korridor hinunter und verschwand. Das silberne Glühen verlosch genau so schnell, wie es gekommen war, sobald das Glück dieser Erinnerung sich in tiefste, schmerzhafte Trauer wandelte. So wie es das immer tat.

Ohne zu zögern, wartete Remus gar nicht erst ab. Sein aufblühendes Herz sagte ihm, dass der Dementor verschwunden war und nicht zurückkehren würde, und ein schwankendes Beben des Zuges, gefolgt von laut zuschlagenden Slam Doors bestätigte ihn darin. Rasch bückte er sich, stützte sich auf ein Knie und schob sanft und vorsichtig eine Hand in der neu herab gefallenen Dunkelheit unter den schlanken Nacken. Alles gut, er atmete, er war bloß bewusstlos. In diesem Moment flackerten die Lampen eine nach der anderen, zuerst draußen auf dem Gang und dann über ihren Köpfen, und Remus ließ ihn vorsichtig auf den Boden gleiten und war lang und groß aufgerichtet, noch ehe das Licht wieder das Innere des Abteils erhellte.

Der rothaarige Junge und das Mädchen mit den buschigen Locken stürzten regelrecht vor, keinen Gedanken an irgendeine Gefahr verschwendend. „Harry!“ quietschte sie. „Harry! Alles in Ordnung?“ fragte er voller Sorge, die Sommersprossen fast genauso erblasst wie der Rest des Gesichts. Ein Weasley, dafür brauchte man kein Schild tragen, und trotzdem deutlich gezeichnet von der Prewett'schen Seite. Beinahe hätte Remus gelächelt. Und sie? Vollkommen unbekannt. Die Kleinste, das musste die Schwester des Jungen sein, das erste Mädchen im Hause Weasley seit sieben Generationen, und der schlacksige, zitternde Lulatsch in der Mitte, das war Neville Longbottom. Unverkennbar. So warm, dieses Gefühl, wie Sirup, wie heiße Melasse. Freunde. Gryffindor'sche Freunde.

Das ältere Mädchen holte aus und verpasste dem schielenden und glotzenden Harry Potter eine gewaltige Ohrfeige, die ihn endlich aufweckte, und mit ganz grünem Gesicht tastete er völlig blind nach seinen runden Gläsern. Blinzelnd, nicht in der Lage, adäquat auf ihre Fragen zu antworten, gurgelte der Junge nur irgendwas und schüttelte sich, bevor er die Brille auf die Nase schob und damit den mandelförmigen Augen einen seltsam vertrauten und doch so ganz anderen Hauch von gedämpftem Schleier verpasste. Dicke Gläser. Er schwitzte und ließ sich ohne Widerrede von seinen beiden wohl besten Freunden in seinen Sitz zurück verfrachten. Remus brauchte nicht davon in Kenntnis gesetzt zu werden. Lebhaft vorstellen konnte er sich, warum der Dementor einen solchen Effekt auf den 13jährigen gehabt hatte. Seine Brauen schoben sich schmerzhaft fest ineinander, wie er den Jungen forsch musterte, aber er sagte kein Wort.

„Geht's wieder?“ erkundigte sich der junge Mr. Weasley, sobald Harry ausschaute, als könne er wieder einigermaßen klar denken. Bestätigend nickte dieses schlanke Ebenbild seines Vaters und starrte ganz verwirrt in den nun leeren Korridor hinaus, wo soeben noch das Ding gestanden hatte. „Was ist passiert? Wo ist dieses – dieses Wesen? Wer hat geschrien?“ wollte er wissen und konnte nicht ahnen, dass sich in der Brust des Mannes mitten unter ihnen alles zusammenzog, bis ihm das Atmen verging. Die Lider für einen verlängerten Reflex schließend, zwang Remus sich, nicht aufzustöhnen, nicht preiszugeben, welches Bild ihm durch den Geist schoss. „Kein Mensch hat geschrien,“ behauptete der rothaarige Junge, aber Remus wusste es besser. Oh doch. Es hatte jemand geschrien, in Harrys Kopf, in seiner Erinnerung, und auch wenn er ihn nicht gut genug kannte, so brauchte Lupin nicht zu überlegen, was er da erinnert haben musste. „Aber ich habe Schreie gehört,“ beharrte der 13jährige darauf.

Er brauchte jetzt Glück, dieser Junge, er brauchte etwas, das ihn vergessen ließ und das es ihm leichter machte. Und nicht nur ihm, jedem einzelnen in diesem Abteil. Wieso er überhaupt so viel davon gekauft hatte, das hatte er sich den ganzen Morgen gefragt. Kein Frühstücksgeld mehr, aber einen riesigen Riegel Schokolade in der Tasche. „Junkie,“ hätte Sirius vorwurfsvoll gesagt und frech gegrinst und ihn sanft in die Seite geknufft. Mann, das Zeug schmeckte halt gut! Und jetzt war es von unschätzbarem Wert. In die Innentasche seiner Robe greifend, beförderte Remus die Tafel heraus und zerbrach sie mit lautem Knacken in viele Einzelteile. Das größte Stück, das reichte er dem immer noch schwitzenden Harry, der sich die wuschligen dunklen Haare aus der Stirn wischte und damit die blitzförmige Narbe deutlich präsentierte.

„Hier,“ bot Remus an und hielt es ihm hin, freute sich fast auf merkwürdige Weise darauf, seine zierlichen Finger mit den rechteckigen Handflächen zu berühren. Unheimlich, wie groß diese Ähnlichkeit war. Schlimmer noch als früher, beinahe aufdringlich. Und trotzdem leuchteten die Augen in strahlendem Grün. Schön. So schön. Kaum zum Aushalten. Remus lächelte. „Iss. Dann geht’s dir besser.“ Mit halb offenem Mund starrte der Junge ihn an, grübelnd vielleicht, seine Züge rasch musternd, aber viel zu verwirrt in diesem Moment, um einerseits das sanfte Erröten der fahlen Wangen zu bemerken, noch andererseits zu begreifen. Wahrscheinlich ein Deja vu. Schon mal gesehen irgendwo, diesen Mann, so bekannt, so vertraut, dass man am liebsten laut lachen und seinen Namen rufen mochte. 'Moony' hatte er immer gesagt, ganz furchtbar langgezogen, weil 'Remus' viel zu schwer war für die holprige Zunge eines Krabblers.

Er aß nicht. Er saß nur da, immer noch ganz vorne auf der Kante des Sitzes, und alle Augen waren nun auf den neuen Lehrer gerichtet. „Was war das für ein Wesen?“ wollte Harry wissen, und Remus antwortete ohne zu zögern. „Ein Dementor.“ Jedem ein Stück Schokolade reichend, sorgte er dafür, dass niemand zu kurz kam. Besonders die Kleine schien das dringend zu brauchen, und ein gewisses Maß an Übelkeit war auch auf Mr. Longbottoms Gesicht hervorragend zu entdecken. „Einer der Dementoren von Azkaban.“ Offenbar reichte das als Erklärung aus, so schockiert wie die Jugendlichen ihn nun betrachteten. Man mochte so gern lachen. Ein eingeschworener Haufen, das konnte jeder sehen, auch wenn es das erste Mal war. Keiner traute sich, ein Wort zu sagen, überlegten nur fieberhaft, was so ein grauenvolles Monster in einem Zug voller Kinder zu suchen hatte, als wäre das nicht offensichtlich. Oh Sirius, Sirius, wieso nur, wieso?

Mit einem Schnaufen unterdrückte Remus das Kichern, knüllte das nun leere Papier seiner Schokoladenration zusammen und wunderte sich wieder einmal, wieso für ihn selbst nichts übrig geblieben war. Hätte er auch vertragen können, nach einer solchen Naherfahrung mit einem Dementor. Die Knie zitterten ihm, aber er ließ es sich nicht anmerken. Madame Pomfrey würde Bescheid wissen wollen, und Dumbledore sollte es erfahren. Mit Sicherheit war das vom Ministerium nicht abgesprochen gewesen, diese Durchsuchungsaktion, und er sollte davon Kenntnis erhalten. So rasch wie möglich. Sicherlich gab es eine Eule oder eine andere Möglichkeit, mit Hogwarts in Verbindung zu treten von hier aus. Beim Fahrer vielleicht.

„Iss. Das hilft,“ wies Remus den immer noch dümmlich glotzenden Harry an, der mit dem schmilzenden Stück Schokolade in der Hand da hockte und damit nur noch mehr an seinen Vater erinnerte. James hatte auch immer so blöd dreingeschaut, wenn ... Ja, zum Beispiel wenn Lily an ihm vorbei gelaufen war. „Entschuldigt mich, ich muss mit dem Zugführer sprechen,“ erklärte der neue Professor, deutete nur den Gang hinunter und verließ rasch das Abteil.

Ihre anhebenden Stimmen im Rücken, wie es ihnen in seiner Abwesenheit leichter fiel, zu reden, brachten ihn zum Lächeln, aber trotzdem musste er sich schwindelig vorsichtig mit den Händen an den Wänden links und rechts abstützen, wie er an aufgeregt schnatternden Abteilen vorbei zum Führerhäuschen stolperte. Drecks-Dementoren. Ein widerliches Gefühl.

PS: Die Dialoge hier sind nicht von mir, sondern von JKR! ;)


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