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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Professor Pellyns Gabe

von Teekon

Der Nordturm war einer der höchsten Punkte des ganzen Schlosses von Hogwarts, und wahrscheinlich wäre die Aussicht von hier oben fantastisch gewesen, aber das konnte man schlecht überprüfen, denn die Fenster waren grundsätzlich mit schweren Samtvorhängen blockiert.

Zumindest war das immer so, wenn sich Schülerinnen und Schüler in dem runden Zimmer aufhielten. Ob Professor Chrystostomus Pellyn jemals die bauchigen Scheiben aufstieß, um frischen Höhenwind herein zu lassen, oder ob er immer in dieser verräucherten Bude hockte bei viel zu heißem Feuer und dampfenden, schmauchenden Räucherkerzen, das hatte noch nie jemand von ihnen miterlebt. Aber vielleicht musste das so sein, wenn man dieses Fach unterrichtete, oder es war tatsächlich notwendig, um vollkommen unbegabte Hexen und Zauberer einigermaßen in eine passende Stimmung zu versetzen für die hohe und seltene Kunst der Wahrsagerei.

Verteilt auf niedrige Tische hockten da etwa 40 Drittklässler aus allen Häusern hübsch artig nach ihren Farben sortiert in dem von weißem und lilafarbenem Rauch durchwaberten Turmzimmer und hielten ihre Nasen weit hinunter gebeugt auf fransige gehäkelte Deckchen. Immer zu Dritt waren sie, jeweils eine große Kanne Tee zwischen sich aufgebaut, und jeder hatte eine enorme, boule-artige Tasse in der Hand und nippte mehr oder weniger angetan daran. Oh Mann, Wahrsagen war wirklich so ein Fach, das man entweder liebte oder abgrundtief hasste. Und für die meisten Schüler entpuppte es sich nach anfänglichem Interesse als genau so viel Humbug wie für einen Muggel. Und selbst wenn einige das hier gerne gehabt hätten: In diesem Kurs jedenfalls befand sich nicht ein einziges hoffnungsvolles Talent.

Pellyn spürte das offensichtlich, aber er gehörte glücklicherweise zu den wenigen Exemplaren seiner Zunft, denen das verständlich war, und die nichts zu forcieren suchten. Das war eine Gabe, mit der man geboren wurde, und die man, im Gegensatz zur Animagus-Verwandlung von Professor McGonagall keinesfalls erlernen konnte. Es war auch nicht wirklich erstrebenswert, allerdings konnte noch wollte er das seinen Lernenden begreiflich machen. Sich urplötzlich aus heiterem Himmel heraus vollkommen zu verlieren und Dinge zu sehen, die so real und greifbar (und zudem meist unvermeidbar) waren, nur weil man irgendetwas angefasst hatte oder ein wenig müde war, gehörte nicht gerade zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Aber so war das nun mal. Und war man mit diesem Talent gestraft, hatte man kaum eine andere Wahl, als es zum Lebensunterhalt zu nutzen.

Also stromerte er nun zwischen den Puffs und Kissen hindurch und schielte über Schultern hinweg, versuchte auszumachen, wo die erste Tasse Tee ausgetrunken war, damit er beginnen konnte. Es war relativ sinnlos, diesen unglaublich stupiden Haufen alleine fuhrwerken zu lassen, und darum musste er sich für gewöhnlich jedem einzelnen Schüler und jeder Schülerin zuwenden, um sie bei den Deutungen des zurückbleibenden Teesatzes zu unterstützen. Na, so kriegte man eine Stunde auch herum. Die dritte Klasse war entsetzlich. Erst nach den OWLs wurde es für einen Wahrsagelehrer wirklich interessant, wenn höchstens vier oder fünf Interessierte übrig waren, mit denen man etwas anfangen konnte.

Allerdings musste man Professor Pellyn eines lassen: Er hatte einen sehr eigenartigen Humor. Niemand sonst würde freiwillig und sogar mit purer Absicht Severus Snape und Sirius Black an einen Tisch platzieren. Heimlich grinste sich der hoch aufgeschossene, hagere Mann mit dem graumellierten Spitzbart in die Faust, hinter der er sich räusperte und näher heran trat. Augenblicklich stieß Miss Evans die beiden jungen Herren an ihren Seiten mit den Ellbogen kräftig in die Rippen und zischte ihnen etwas zu. Natürlich hatten sich der Slytherin und der Gryffindor bereits wieder herrlich mit einander gestritten, und es nervte Lily nicht nur, sondern bescherte ihnen eine Aufmerksamkeit des Lehrers, die ihr offensichtlich gar nicht gefiel. Mit den Augen rollend, bedankte sie sich flüsternd, als Pellyn auf sie zu geschlendert kam.

„Nun?“ fragte der Professor und faltete seine langfingrigen Hände vor seiner enormen Gürtelschnalle, wie er sich herunter beugte und mit dem Kinn beinahe den auf der zweiten Stufe des Rondells stehenden Tisch berührte. „Wie ich sehe, haben Sie ausgetrunken, Mr. Snape?“ bedachte er den Jungen mit dem langen, schwarzen Haar bis runter an die Kiefer mit einem Seitenblick. Ein ungemein sauertöpfisches Kind, musste er dabei wieder einmal bemerken. Wie konnte man in diesem jugendlichen Alter nur bereits so verbittert sein? Nun ja, wenn er sich so betrachtete, mit wem der hakennasige 13jährige befreundet war und mit wem er offensichtlich viel lieber befreundet sein wollte, war das nicht wirklich verwunderlich. Tragisch, so wenig Initiative entwickeln zu können. Innerlich seufzte Pellyn.

Snape antwortete nicht einmal richtig, sondern richtete sich nur zu voller Größe auf und blähte die Nasenflügel auf. Jetzt bereute er wohl, den Tee in einem einzigen langen Schluck herunter geschüttet zu haben, um weiterem Gespräch mit Black zu entgehen. Erst recht wollte er sich am liebsten hastig nachschenken, als Professor Pellyn ihm die Tasse aus der Hand nahm und sie, ohne auch nur den kleinsten Blick in das Innere zu werfen, an den etwas kleineren Jungen ihm gegenüber weiter reichte. „Ich schlage vor, Mr. Black, Sie versuchen sich.“ Eine amüsante Idee. Er war wirklich gespannt auf die üblicherweise recht witzigen und ausgesprochen spontanen Ideen von Sirius, wenn er sich mal wieder Hausaufgaben überlegen musste. Gerade im Zusammenhang mit seiner Fehde mit Severus Snape konnte das nur für ein wenig Abwechslung im tristen Alltag eines Wahrsagelehrers sorgen.

Alle Farbe wich aus Lily Evans' Gesicht, während Snapes Miene versteinerte und rundherum sämtliche Tische ihr Gebrabbel einstellten. Niemand schlürfte mehr lautstark, und nur Pettigrew kicherte noch immer, während er mit wenig Erfolg über die hoch aufragende Schulter von Lupin hinweg zu lunsen versuchte. Potter grinste so dreckig wie der Fußboden im Eberkopf, und Black seufzte nur und verzog die Lippe, wie er sich sein Deutungsbuch heran zog und die ersten Seiten aufzuschlagen begann. Erstaunlich, wie konzentriert er auf seine Aufgabe schien. Sich die dunklen Locken aus der Stirn wischend, vertiefte Sirius Black sich in die winzigen Symbole und Zeichen, die sich auf dem Boden der Tasse gebildet hatten, und seine Brauen schoben sich schwer zusammen. Ein paar Mal blätterte er hin und her, fuhr mit ausgestrecktem Zeigefinger über die abgebildeten Möglichkeiten und den dazu gehörigen Text, bevor er mit der flachen Hand auf den Tisch klopfte und die Schultern zuckte.

Mit geschürzten Lippen sah der 13jährige auf und direkt in Snapes verhangenes Gesicht, wie er die Tasse noch einmal ein wenig schüttelte, doch es veränderte sich wohl nichts mehr daran. „Sorry, Sniv ... Severus, dass ich dir das sagen muss,“ begann Black wie erwartet, und ein spöttisches kleines Zucken huschte Pellyn über die Mundwinkel. Typisch. Er konnte es einfach nicht lassen. „Aber deine Zukunft ist voller Einsamkeit und Geheimniskrämerei, und am Ende gibt’s jede Menge Blut,“ behauptete Black und klappte das Buch mit einem lauten Schlag zu.

Die eingetretene Stille im Turmzimmer wurde von ausgelassenem Gelächter zerrissen, wusste doch jeder, dass Sirius nur Witze machen konnte. Niemand von ihnen erkannte irgendwas wirklich für die Zukunft Relevantes in einem Teesatz, und schon gar nicht, wenn man den seines Erzfeindes lesen sollte. So war Sirius eben: So eine Gelegenheit konnte er nicht an sich vorüber ziehen lassen. Und der war wirklich gut gewesen. Severus Snape hingegen zog nur eine Braue hoch und atmete tief ein und aus. Mal wieder einer auf seine Kosten. Man mochte sich beinahe daran gewöhnen, aber eben nur beinahe. Lily schüttelte schon den Kopf und legte ihre Stirn in die beiden Hände, während Blacks Freunde am Tisch hinter ihm grinsten und ihm leise unter den herabhängenden Decken die Flanken tätschelten.

Nicht lachen tat Professor Pellyn, der statt dessen vorsichtig die abgesetzte Tasse aufhob und leicht kippte, um einen besseren Blick auf das Innere zu haben. Licht fiel durch die schweren Vorhänge am Fenster und spiegelte sich in dem blanken Porzellan, während er sich das betrachtete, und dabei runzelte sich seine Stirn mehr und mehr. Nicht möglich. Pellyn brauchte kein Buch voller erklärter Symbole, um erkennen zu können, was ihm der Tee präsentierte. Mit zusammengepressten Kiefern traten die Muskeln wie Klumpen hervor. Höchst seltsam. Sollte das ein Zufall sein? Nein, es gab keine Zufälle, und ein Wahrsager, so merkwürdig das auch klingen mochte, war immer Realist. Es war nicht abzuwenden. Seufzend schüttelte der Lehrer den Kopf und stellte die Tasse zurück an ihren Platz auf den Unterteller vor Severus.

Schon im Abwenden klopfte er dem großgewachsenen Jungen auf die Schulter und nahm einen zischelnden Atemzug. „Kein schönes Leben, Snape, nein. Wirklich nicht,“ bedauerte er ihn so ernst, dass Severus alles aus dem Gesicht fiel. Sich hastig zu ihm herum drehend, stierte der Schüler hinter dem Lehrer her, doch der beschäftigte sich längst mit einem anderen Tisch und ein paar anderen Tassen, und er beantwortete solche Fragen sowieso grundsätzlich nicht. Es blieb Snape nichts Anderes übrig, als in eigenen Grübeleien zu versinken und dabei gedankenverloren die Anordnungen in seinem Teesatz zu betrachten.

Sich zu ihm herüber lehnend, legte James Potter seinem besten Freund eine Hand an die Seite und flüsterte ihm ins Ohr: „Das war genial, Sirius!“ Aber der zuckte nur erneut die Schultern und schielte über seine eigene Schulter hinweg. „Ist das, was ich gesehen hab',“ meinte er lapidar und trommelte gelangweilt mit den Fingern auf seinem geschlossenen Buch herum, während Lily krampfhaft versuchte, aus seiner Tasse zu lesen. Völlig genervt und mit hochrotem Kopf schlug das Mädchen die Seiten so fest um, dass ihre Haare von dem Luftzug flogen. James lachte auf und biss sich fest auf die Lippen, damit es nicht absolut jeder mitkriegte. Nicht zu fassen, wie gut Sirius seine Rolle spielte.

„Das hier sieht echt nicht gut aus, Peter!“ fand Remus, der sich mit Pettigrews Zukunft beschäftigte und dazu weder Lust noch Talent hatte. Der bräunliche Haufen zerschredderter Blätter am Grund des Porzellans hätte einen Kompostberg darstellen können, oder den Mount Everest, aber vielleicht auch einfach nur die Hinterlassenschaft eines Hundes mit Durchfall, jedenfalls war es weder ästhetisch noch aufschlussreich, und Peter schaute drein, als müsse er jeden Moment tot umfallen. „Was meinst du damit?“ quietschte er unzufrieden und wandte sich an James, der sich wieder seinem Tisch zu drehte und ebenfalls das Buch aufschlug. „Was meint er damit?“

Die Achseln zuckend, schob sich Potter die Brille höher auf die Nase, wie er nach Lupins Trinkgefäß angelte und gähnte. „Keinen Schimmer, Pete, sag' mir lieber, ob ich 'ne hübsche Frau abkrieg',“ verlangte er und gab seiner eigenen Tasse einen leichten Schubs in Richtung des pummeligen Freundes. Angeätzt machte Pettigrew ein Geräusch und rollte mit den Augen. Das war doch eh alles Schwachsinn. Auch wenn dieses Ding in Remus' Teesatz wirklich erstaunlich rund war. Begreifend prustete James belustigt und schüttelte den Kopf, bevor er den Ältesten neben sich anstieß. „Moony, musst du eigentlich überall dein Revier markieren?“ wies er ihn auf das mondähnliche Gebilde hin, erntete dafür aber nur ein halb grinsendes, halb resigniertes Lächeln aus dem Augenwinkel.

Die Stunde zog sich hin wie zäher Kaugummi aus dem Honigtopf in dem düsteren, verräuchterten Turmzimmer oben auf der Spitze der nördlichsten Zinne, und wie immer hatte man das Gefühl, dass Hitze und Schwere der Luft nur noch mehr zunahmen, je länger man hier hocken musste. Der süßliche Geruch von Weihrauch, gemischt mit feuchtem Holz in der offenen Feuerstelle vernebelte einem sämtliche Sinne und legte sich dumpf wie eine Decke auf den Geist und den Verstand. Ganz schwindelig konnte einem davon werden. Nur Professor Pellyn bewegte sich mit erhabener Eleganz im Slalom durch den Raum und belästigte ein Grüppchen von Schülern nach dem anderen.

Als der Lehrer für Wahrsagerei endlich den Tisch von Lupin, Pettigrew und Potter erreicht hatte, war der große Zeiger der Turmuhr schon gnädig in Richtung der 12 gerutscht, und das bedeutete, dass in wenigen Minuten nicht nur diese entsetzliche Stunde, sondern auch der gesamte Schultag vorbei sein würde. Man konnte sich kaum noch vorstellen, wie schön der Wind draußen pfeifen würde, und wie herrlich sich frische Luft auf der Haut anfühlte, kalt und nass vom fisseligen Novemberregen, eine willkommene Abwechselung, egal wie sehr man dieses Wetter sonst verabscheute. Jetzt nur noch das Glück haben, nicht ausgewählt zu werden für seine kleine Vorführshow, und man hatte es hinter sich.

Remus versuchte bereits mit eher geringen Aussichten, ineinander zu sacken und somit eine weniger weithin sichtbare Angriffsfläche zu bilden. Aber er war dank seines Alters nun mal der Größte in der Runde, und obendrein schien Professor Pellyn auch noch besonderen Gefallen daran gefunden zu haben, gerade ihn irgendwelche schauerlich-erstunkenen Vorhersagen über die miserablen Leben seiner Freunde machen zu lassen. Allerdings schien er heute Glück zu haben, denn der Lehrer schweifte sogleich über ihn hinweg und musterte Potter in seiner Ecke mit stechenden, hellblauen Augen. Fest schluckend rutschte James in den Kissen zurück, bis er mit dem Rücken an die Holzvertäfelung stieß und nicht mehr weiter konnte.

Schnappend atmete Pellyn ein und hob kurz beide Brauen, wie er sich von diesem Opfer abwandte und mit dem spitzen Bärtchen auf Peter deutete. „Mr. Pettigrew, warum zeigen Sie mir nicht, was Sie sehen?“ forderte er den mausohrigen Jungen auf, der augenblicklich seine massiven Vorderzähne entblößte und dabei den Anblick eines panischen Kaninchens bot. Seine Augen wurden so groß dabei, dass sich Wasser darin sammelte, und man mochte glauben, er würde jeden Moment anfangen, fürchterlich zu flennen. Seinen Kameraden ging es kaum besser, wie er seine stummligen Fingerchen über den Tisch zu schieben begann, um nach einer ihrer Tassen zu langen. Die Hände auf dem Buch gefalten, unterdrückte James das Zittern, während Remus schneller schaltete. Die Hitze, die ihm in den Kopf schoss, war noch enormer, als es in diesem Raum eigentlich hätte möglich sein dürfen. Der große, runde Klumpen in seinem Trinkgefäß stach ihm mit einem Mal so hart und deutlich ins Auge, dass er gar nicht anders konnte. Nein, Pellyn durfte das nicht sehen!

Alle Lehrer wussten es, alle. Jeder einzelne von ihnen. Nie hatte jemand ein Wort darüber verloren oder ihn in irgendeiner Weise in diese Richtung in Verlegenheit oder Unannehmlichkeiten gebracht. Erst jetzt begriff Remus, wieso es immer er war, der für die anderen die Kristallkugel befragen musste, wieso niemand für ihn in die Zukunft sehen durfte. Der Schuss Dankbarkeit gegenüber diesem graubelockten Zauberer da neben sich konnte kaum die Angst überdecken, wo Peter nun ausgerechnet auf seine Tasse zusteuerte. Noch bevor Pellyn die Hand ausstrecken und Pettigrews Aufmerksamkeit auf James' Teesatz lenken konnte, hatte Remus ausgeholt und wie nebenbei seine Tasse in Bewegung versetzt.

Das Klirren des Porzellans, das genau zwischen zwei Teppichen auf dem dunkel lackierten Parkett aufkam und zerschellte, fiel mit dem Ertönen der Schulglocke zusammen. Augenblicklich erwachten die Schülerinnen und Schüler zum Leben, und das Rücken von Tischen, das Knistern von Sitzsäcken und das Zuschlagen von Schulbüchern erfüllte den dumpfen Raum fast noch intensiver als der beißende Geruch. Die Röte in den Wangen von Remus Lupin, wie er schluckte und sich mit einem „oh, das tut mir so leid, Sir!“ von seinem Sitz herunter und nach vorn stürzte, ging in all dem Chaos unter.

Sich aufrichtend, faltete Professor Pellyn die Hände auf dem unteren Rücken und stellte sicher, dass man seine wohlklingende und gehaltvolle Stimme noch über den Lärm der aufspringenden und zusammenpackenden Schüler hören konnte: „Meine Herrschaften, ich erwarte anderthalb Pergamente über die verschiedenen Deutungsmöglichkeiten des Kreuzes im Teesatz!“ verkündete er die Hausaufgabe bis zur nächsten Unterrichtsstunde in einer Woche und erntete dafür mehr oder weniger heimliches Murren und Stöhnen unter der Schülerschaft.

An seinem Knie vorbei versuchte James, einen Blick auf Remus' Gesicht zu erhaschen, ob er ihm helfen solle und könne, und auch Peter stierte unter die Tischdecke. Doch Lupin wischte sie nur mit einer Geste davon. „Haut schon ab, ich komme nach!“ flüsterte er mit eindringlichem Blick, rutschte gänzlich unter den Tisch und fing an, mit zittrigen Fingern die vielen kleinen Scherben aus weißem Porzellan mit Goldrand zusammen zu sammeln. Sirius fiel halb über ihn, wie er sich rasch von seinem Platz mit Evans und Snape entfernte, und Black griff bereits nach Potters Schulter, um ihn von der Bank zu zerren. „Du hast den Mann gehört: Nichts wie raus hier!“ murmelte er heiser und stolperte über den Teppich davon. Widerwillig, aber begreifend, dass er entweder grässliche Kopfschmerzen bekommen oder ganz einfach ersticken würde, wenn er nicht sofort folgte, bedachte James den Ältesten noch mit einem mitleidigen Gesicht und kroch hinter dem Tisch hervor. Peter war schon mit einer Hand an Sirius' Gürtel aus der Tür hinaus.

Das Turmzimmer leerte sich rascher als die Quidditch-Tribüne nach verlorenem Spiel, und nur Remus war noch dort und krabbelte auf Knien auf dem Boden herum, während Professor Pellyn seufzend auf das größte Fenster zuschritt. Mit einem Ratschen zog er kräftig die Vorhänge beiseite und stieß noch fast in der selben Bewegung die Fenster auf. Herrliche Spätherbstkälte und winzige Tröpfchen eines Übergangs aus Regen zu dichtem Nebel waberte sofort in den Raum und vertrieb das dumpfe Gefühl auf Ohren, Nase und Lungen. Tief durchatmend blieb der Lehrer erst einmal dort stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Dem Himmel sei Dank, es war vorbei!

Der junge Mann unter dem Tisch gab keinen Mucks von sich, wie er die Scherben seiner Tasse zusammensuchte und dabei vollkommen zu vergessen schien, dass er doch ein Zauberer war und das wesentlich einfacher hätte erledigen können. Pellyn wandte sich zu ihm herum und wollte ihn gerade daran erinnern, als Remus zusammenzuckte. Die Faust ballend, ließ der Junge sich auf den eigenen Unterschenkeln nieder und schüttelte den schmerzenden Arm aus, und trotzdem bildeten sich rasch dicke Blutstropfen in der Handinnenfläche, liefen am Kleinfinger heraus und sammelten sich dort. Mit einem schnellen Schritt war der Professor bei ihm und zückte bereits den Zauberstab.

„Mederi!“ sagte Pellyn ohne zu zögern und berührte mit der Spitze des Holzes die klaffende Schnittwunde in der Hand des 15jährigen. Augenblicklich flammte ein goldenes Licht in den Rändern auf und verschloss die Gefäße und das Fleisch, und der Schmerz war sofort verschwunden. Trotzdem musste Remus noch einmal zischen und die Hand schütteln. Schon besser. Schrecklich nervös warf er dem Wahrsager einen Blick aus dem Augenwinkel zu, murmelte ein verlegenes „danke, Sir“ und holte seinen eigenen rötlichen Erlenstab heraus, um sich des Problems dieses Mal gebührend zu nähern. Das beinahe liebevolle Lächeln des älteren Herrn versuchte er dabei geflissentlich zu übersehen. „Machen Sie sich keine Gedanken, Mr. Lupin,“ beschwichtigte er. Das war doch bloß eine Tasse. Die konnte schnell ersetzt oder eben einfach wieder zusammengesetzt werden.

Mit einem geübten Reparo-Zauber bekam Remus das schon von allein hin, während Professor Pellyn sich wieder erhob und zu seinem Schreibtsich am Kamin zurückkehrte. Eine kurze Geste sorgte dafür, dass das Holz nun rauchfrei brannte und außer Wärme nichts zurückließ. Ein widerlicher Gestank, dieses Geräuchere. Die winzige runde Brille auf seiner Nase gerade rückend, unterdrückte Pellyn ein Seufzen, um den Jungen nicht noch mehr zu verunsichern, griff sich in die Innentasche seiner leichten Robe und zog ein Taschentuch heraus. So gut Mederi auch funktionierte, so hatte es doch einen entscheidenden Nachteil. Und den musste er nun erst einmal beseitigen.

Lupin bekam das gar nicht mit, so sehr war er darin vertieft, die wieder hergestellte Tasse ans Tageslicht zu befördern und schon fast im selben Moment nach seinen Büchern zu greifen. Jetzt schnell alles einpacken und nichts wie weg hier! Er hatte Hunger wie verrückt, und er mochte hier oben nicht alleine sein, und der Weg aus dem siebten Stock bis hinunter in die Große Halle war lang. Hoffentlich sorgten die anderen dafür, dass sein Teller bereits gut gefüllt war, wenn er unten ankam. Wie Pellyn das Taschentuch um seinen eigenen Zauberstab wickelte und nach oben abwischen wollte, das sah er nicht. Sobald der daran zurückgebliebene Blutstropfen die bloße Haut des Professors berührte, flatterten ihm die Augenlider, und er hörte zu atmen auf.

Als er endlich wieder einen tiefen Zug bis in die hintersten Winkel seiner Lungen nehmen konnte, war Chrystostomus Pellyn wieder anwesend und bei klarem Verstand, obwohl die Bilder noch wie eine Lokomotive durch seinen Geist rasten. Die altbekannte Trockenheit aus der Kehle vertreibend, indem er ein paar Mal schluckte, wehrte er eine stattliche Gänsehaut ab und drehte den Kopf ein paar Mal, als müsse er sich die Halswirbel einrenken. Eine große Dummheit, in einen Blutstropfen zu greifen. Fast hätte er über solche Gedankenlosigkeit gelacht. So widerlich sich das auch anfühlte, er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, während er Taschentuch und Zauberstab einsteckte und die Lider wieder öffnete.

Der Schüler hatte es mittlerweile doch noch geschafft, seine Bücher in die grundsätzlich viel zu schwere Ledertasche zu bekommen und richtete sich gerade auf, den Ranzen vor die Brust gedrückt, und er schaute seinen lächelnden Lehrer mit fragenden Augen an. Ja, wieso eigentlich nicht? Pellyn wusste, dass man nicht ändern konnte, was man sah. Aber das bedeutete nicht, dass es völlig nutzlos war, in die Zukunft schauen zu können. Zur besseren Vorbereitung sollte es dienen, oder auch einfach dazu, Mut zu machen für die schweren Zeiten, durch die man zu gehen hatte. Und dieser Junge hier, der hatte es jetzt schon nicht einfach. Es konnte nicht schaden. Seufzend nahm der Lehrer die Brille ab und wischte sich mit der flachen, noch leicht schwitzigen Hand durch das Gesicht. „Mr. Lupin,“ sagte er mit einem sehr seltsamen Unterton, der noch mehr verhieß, und Remus versteifte sich, als habe ihm jemand die Unterhose von hinten mit einem Ruck nach oben gezogen. „Sir?“

Den jungen Mann musternd, leuchteten Pellyns Augen, als wäre das Kaminfeuer dahinter, und seine Mundwinkel zuckten leicht. „Das Mondlicht berührt unsere Herzen in vielfältiger Weise,“ flüsterte er, ohne dabei den Blick nur einmal von der schlanken Gestalt zu nehmen. Remus konnte nicht einmal mehr schlucken, so sehr zog sich ihm die Kehle zusammen. Was hatte der da gerade gefaselt? Das Wort „Mondlicht“ alleine verursachte bereits ein betäubendes Rauschen in seinen Ohren, und am liebsten hätte er die Beine in die Hand genommen und wäre davon gerannt. Doch er fühlte sich, als wären ihm die Füße auf dem Teppich fest gewachsen.

„Es wirft nicht nur tiefe und lange Schatten, sondern erleuchtet auch unsere Seelen mit silberner Klarheit.“ Die so weiche und tiefe Stimme des Professors klang ausgesprochen seltsam, und als wäre das nicht schlimm genug, raffte Remus kein Wort von dem, was er da von sich gab. Was sollte das denn? Der Mond war das Ding, das er sah, wenn ein Irrwicht ihm seine größten Ängste offenbarte! Was konnte daran Klarheit besitzen? Oder Schönheit? Oder überhaupt irgendwas außer Schmerz? Das einzige, was dieses Licht der Seele antat war, sie zu verdrängen, zu unterdrücken! War das dem alten Kerl nicht klar?

Aber während Remus nur immer größere Augen bekam und sein Gesicht immer blasser wurde, so sehr, dass die Narben darin leuchteten wie Lavaströme in einem Aschefeld, wurde das Lächeln von Professor Pellyn nur immer breiter. „Und oftmals,“ sagte er und schob Luft durch die Nase hinaus, wie er für einen Moment seinen Blick abwandte und aus dem Fenster schaute, als könne er in den tiefhängenden Novemberwolken ebenfalls in die Zukunft sehen. Bilder, die ihm offenbar gefielen. „Oftmals bringt es uns auf leisesten Schwingen das Glück.“

Das war zu viel. Was auch immer er damit sagen wollte oder überhaupt meinen könnte, interessierte Remus Lupin so gar nicht. Die Verbindung dieser Wörter, die Pellyn da benutzte, zeigte sich ihm nicht, konnte sich ihm nicht erschließen, denn sie befanden sich in vollkommen anderen Bezirken seines Verständnisses von der Welt. Mond und Glück zusammen zu bringen, das ging nicht. Seine Lippen zitterten, und er wollte ihn so gern anschreien oder losheulen oder irgendwas sagen, um diesem Mann vorzuführen, was für einen Scheiß er da redete, aber es klappte einfach nicht. Alles, was Remus tun konnte war, ohne ein weiteres Wort das Turmzimmer zu verlassen und beinahe die steile Leiter hinunter zu fallen.

Unten angekommen lief er los, rannte er mit einem dicken Klos im Hals und Tränen aus Wut und Enttäuschung über sich selbst im Gesicht, wieso er nicht aufstehen und sich behaupten konnte. Nur weg, nur nie wieder dahin, nie wieder Wahrsagen! Soeben hatte Lupin das Fach gefunden, das er abwählen konnte und wollte. Jetzt. Sofort. Auf der Stelle. Das Essen konnte warten. Und so eilte er auf kürzestem Wege, den nur ein Rumtreiber kennen konnte, so schnell wie möglich zu seiner Hauslehrerin.


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