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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Aldgate East

von Teekon

Der Mann schreckte hoch und konnte sich im ersten Moment nicht zurechtfinden. Die Augen zu öffnen würde die Erkenntnis bringen, ob er immer noch träumte, ob er überhaupt geträumt hatte oder immer noch in dieser entsetzlichen Blutlache lag. Sich mit der zitternden, schwitzigen Hand über die flatternden Lider wischend, keuchte er und schluckte, um den trockenen Mund zu wässern, und das laute Geräusch des rollenden Donners vor dem Fenster verkündete ihm endgültig, dass es gefahrlos war. Nur wieder diese Erinnerung, nur dieses Alpdrücken, der Beweis dafür, wie nach all diesen Jahren noch immer sein Herz über die Krankheit dachte. Die anderen legten den unruhigen Schlaf irgendwann ab. Oder sie sprachen einfach nicht mehr darüber.

Er musste bei der Arbeit am Tisch eingeschlafen sein, befand er, drückte den schmerzenden Rücken durch und richtete sich auf. Jedes einzelne Wirbelgelenk durch bewegend, rollte er mit den Schultern, vertrieb das pochende Stechen in der rechten Flanke und legte die Hände in den Nacken. Die Haut war eiskalt und pitschnass. Zwischen den Schulterblättern, am Brustbein und unter den Achseln hatten sich laufende, feuchte Flecken gebildet, und er griff hastig mit verdrehtem Arm nach der Stelle an seinem hinteren Brustkorb. Unter dem dünnen Hemd und dem zerschlissenen Pullunder fühlten seine Finger sofort die wulstigen Narben, aber kein frisches Brennen durchzuckte ihn. Ein rascher Blick auf die zurückgeführte Hand bestätigte ihn: Die alten Wunden waren nicht wieder aufgerissen. Kein seröses Blut, kein rötlich tingiertes Wundwasser. Nur Schweiß. Erleichtert prustete Remus Lupin Luft durch Mund und Nase und rieb sich die frierenden Oberschenkel.

Die Gänsehaut, die sich augenblicklich über den ganzen Körper ausbreitete, schmerzte beinahe, so intensiv war sie. Die Kleider würde er ausziehen müssen. Aber eigentlich war es sowieso Zeit, zu Bett zu gehen, stellte er mit einem Blick auf die Uhr mit dem gesprungenen Deckglas an seinem Handgelenk fest. Außerdem schien er dringend eine gute Mütze voll wirklichem, gesundem, traumlosem Tiefschlaf gebrauchen zu können. Und eigentlich war es doch völlig egal, wann er morgen wieder aufwachen würde. Oder überhaupt. Nein, das war keine Option. Diese Papiere mussten fertig werden. Je eher sie reif zum Verkauf waren, desto früher konnte er die Miete zahlen und seine Vorräte auffüllen. Der Winter stand vor der Tür. Daran musste er denken.

Sich ein paar nasse Strähnen aus der Stirn wischend, legte Remus die offenen Handflächen auf die unteren Ecken der Zeichenmatrize und betrachtete sorgfältig, was er bisher geleistet hatte. Ja, damit konnte er im Großen und Ganzen zufrieden sein, beschloss er und nickte stumm. Kleine Details würde er noch ändern, hier und da ein nettes Extras einbauen und dann die entsprechenden Pläne für die magische Komponente zusammen stellen. Die blieben in seinem Besitz, was immer geschah. Mochte sein, dass er sich die Eitelkeit nicht leisten konnte, den Ruhm für ein solches Projekt einzustreichen. Die Arbeit jedoch, die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt mit seinem Wissen, seinem Talent und seinem Können zu verdienen, ließ er sich nicht nehmen. Wenn das dem Käufer nicht gefiel, war das kein Problem. Auch ein anderer Ministeriums-Architekt würde ihm diesen Bausatz nur zu gerne abkaufen, vielleicht sogar für einen besseren Preis, und dann gingen die Lorbeeren eben an diesen Kerl. Wenn einen das Gesetz nicht schützte, musste man es eben selbst tun.

Genug gearbeitet für heute. Die Kerze war schon bis auf einen kurzen Stumpen heruntergebrannt, und darüber ärgerte er sich jetzt schon ein bisschen. Einzuschlafen und sie dabei sinnlos leuchten zu lassen war nicht förderlich für seinen schwachbrüstigen Geldbeutel. So wie das kleine Ledertäschchen in der oberen Ecke seines provisorischen Schreibtisches aussah, waren da höchstens eine halbe Galleone in Sickeln und Knuts drin. Ein ausgefuchster Handhaber konnte davon allerdings eine ganze Weile recht gut auskommen. Und Remus zählte sich dazu. Nur die Miete für sein kleines, voll ausgestattetes Zimmer in Aldgate East bereitete ihm hin und wieder arge Sorgen.

Im flackernden Licht der einzelnen Kerze lehnte er sich in dem Stuhl mit der runden Armlehne zurück und verschränkte die Finger vor dem Bauch. Gut, es war nie sonderlich hell hier drin, nicht mal wenn die Sonne über Tower Hamlets schien, aber das war wahrscheinlich auch besser so. Dann konnte man weniger die abblätternde Tapete sehen oder die Flecken auf der Deckenvertäfelung. In der gelblichen Düsternis fielen die abgesplitterten Stücke vom Kaminsims nicht so auf, und auch die zusammengewürfelten Möbel versteckten sich darin. Da gab es einen Schrank gleich neben der Tür, den man nur langsam öffnen konnte, wollte man ihn nicht in seine Einzelteile zerlegen. Allerdings hingen da drin sowieso nur gut drei Hemden, zwei geflickte Roben und ein Reisemantel, also machte das nichts. Auf der anderen Seite verbarg sich eine Waschgelegenheit, bestehend aus Schüssel und Krug auf einem winzigen Hockertischchen hinter einem zuziehbaren Vorhang, und dort bewahrte er auch Handtücher, Seife und sein Rasierzeug auf. Der fleckige Spiegel zeigte zwar höchstens eine Wange auf einmal, aber ein einfacher Depilatio-Zauber wirkte da reine Wunder.

Das klaffende Loch in der Wand, gemeinhin euphemistisch als Feuerstelle bezeichnet, hatte man notdürftig verkleidet, und sein einziger Kupferkessel baumelte noch über den übrig gebliebenen Holzscheiten von seiner letzten warmen Mahlzeit. Das musste gut vier Tage her sein. Einen beinahe sehnsüchtigen Blick darauf schräg über seine Schultern werfend, runzelte Remus die Stirn und rieb sich den leeren Bauch. Naja. So konnte man wenigstens keine Wampe bekommen.

In der Ecke beherbergte die massive Kommode mit den Messinggriffen den Großteil seiner Habseligkeiten, der weniger aus Hosen und Wäsche denn aus unzähligen Büchern, Papieren, Federkielen, Zeichengerät und diversen Tintenfässern in unterschiedlichen Farben bestand. Persönliche Gegenstände hatten einen besonderen Platz: Fotos, Erinnerungen zum Anfassen, schlummerten fest eingeschlossen in einer von seinen besten Schutzzaubern behüteten Lackschatulle. Oh ja, daran hatten sich schon viele Dummköpfe die Finger verbrannt und im wahrsten Sinne des Wortes mächtig einen abgekriegt! Er mochte abgerissen aussehen, er mochte in seiner freundlichen Höflichkeit und mit seinem unumstößlichen Lächeln wie ein leichtes Opfer aussehen. Aber Remus John Lupin trug in eben diesem Kistchen seiner Muggelgroßmutter ein Zeugnis der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei mit sich herum, in dem in blutroter Tinte acht „Outstanding“ NEWTs und eine „Auszeichnung für besondere Verdienste und Leistungen im Fach 'Verteidigung gegen die Dunklen Künste'“ verzeichnet waren, die nicht von ungefähr stammten.

Zwischen den beiden geachtelten Fenstern befand sich seine kleine Arbeitsoase, der einfache, waagerechte Esstisch mit dem einzelnen Stuhl, auf dem er nun den ganzen Abend gehockt hatte. Seine üblichen Schreib- und Zeichenutensilien verteilten sich in für ihn gewohnter Ordnung (andere hätten es vielleicht nicht so genannt) über die ganze Tischplatte, die Kerze links oben, der Zauberstab gleich unter seinem zugeknöpften Ärmel. Danach greifend seufzte Remus erneut und tippte mit der glänzenden, gut gepflegten Spitze auf seine ausgebreitete Risszeichnung. In den rotbraunen Dreitagebart murmelte er seine oft genutzte Formel für solche Fälle, und jeder einzelne Strich, jede Bemessung und jeder Zirkel, verschwamm und zerfloss in das Pergament, bis es leer und offenbar unbeschriftet vor ihm lag. Kein Ideenklau mehr möglich. Er brauchte Schlaf.

Sich aufstemmend rückte der eigentlich breitschultrige, aber viel zu dünne Mann den Stuhl vom Tisch weg und zog sich im Gehen den durchgeschwitzten Pullunder über den Kopf, dass ihm die von ersten grauen Strähnen gezeichneten Haare halbwegs zu Berge standen. Er machte ein paar Schritte auf das größte Möbelstück seines Zimmerchens zu, dem knarzenden Holzbett mit gedrechselten Füßen aus Eiche. Nicht mal einen Nachttisch gab es, aber den brauchte er nicht, den vermisste er nicht. Ohne die wärmende Wolle fror er gleich noch mal so sehr durch den undichten Fensterrahmen hinter ihm, und sein Bein erinnerte ihn mit einem Stich im Hüftgelenk daran, wie sehr ihn doch der Herbst zu piesacken wusste. Remus zischte durch die Zähne und humpelte hinüber, schlug die dünne Bettdecke um und das Kissen auf. Ein bisschen Stehen, ein wenig den Knorpel und den gespannten, vernarbten Nerv schonen, das wäre vor dem Schlafen vielleicht doch gar nicht so schlecht.

Die langen, braunen Vorhänge vor den Fenstern bewegten sich sacht im Durchzug an der Ecke, wo die Scheibe zu öffnen war, und dahinter spielten die verlöschenden Lichter der Großstadt. Klatschend prasselten Regensalven gegen die Gläser, getrieben von stürmischen Böen vom Meer her, und die Themse war von der Flut und dem Unwetter hoch in ihr Bett zurück gedrängt. Mit zwei weiteren, zögerlichen Schritten war Remus am Sims und zog ein wenig den Vorhang beiseite, um hinaus schauen zu können.

Aldgate schlief. Alle Häuser in der Straße waren dunkel und still, niemand lief über den Bürgersteig oder durch die schmalen Gassen drei Stockwerke tiefer. Halb Vier Uhr morgens, da regte sich selbst in Greater London nicht viel. Sterne waren nicht sichtbar, und auch nicht der abnehmende Mond im Untergehen, so dicht und kompakt überlagerten sich gejagte Wolkenfetzen. Schwer hing die oberste Schicht, aus der es ununterbrochen schüttete. Ein baumartig aufgespaltener Blitz rauschte hernieder und schlug nicht weit von hier im Hafen irgendwo ein. So hell war er, so lange bestand er, dass er sich auf Remus' Netzhaut reflektierte, wenn er die Lider schloss. Der Blitz.

Ob es dem Jungen gut ging? Vielleicht fürchtete er sich bei Gewitter? Oder er genoss es und klebte jetzt schlaflos an einer Fensterscheibe, so wie er, und betrachtete mit großen Augen und offenem Mund die glühenden Gabeln? Die freie Hand in die Hosentasche schiebend, lehnte Remus sich gegen den kühlen Fensterrahmen und spürte die feuchte Kälte kaum noch. Das herabfließende Regenwasser nahmen seine Pupillen nicht wahr. Die meiste Zeit über versuchte er, nicht an ihn zu denken. Weil es weh tat. Und weil er sich ohrfeigen könnte. Und weil er so hilflos und so --- schrecklich allein war.

Manchmal nur kam das durch, diese stille Hoffnung, dieser kurze Moment, den er damals sofort gesehen, aber auch genauso schnell tief in seinen Gedanken vergraben hatte, weil er so abwegig war. Den Jungen zu sich nehmen? Wo er doch jetzt der einzig Übrige war? Dieses wunderbare Bild von dem Baby in seinem Arm, das ihn immer gleich angelacht und nach seinem lächerlichen Bärtchen gegriffen hatte, das durfte und konnte nicht sein. Abgesehen davon, dass er nicht über die finanziellen Mittel verfügte, ein Kleinkind aufzuziehen, wie sollte das schon gehen? Wenn der Vollmond kam ... Nein. Dumbledore hatte schon recht gehabt. Sein Blut musste ihn jetzt schützen. Alte Magie. Größer als ein Menschenverstand. Denn diese Sache war noch nicht ausgestanden. Längst nicht.

Der Dunkle war nicht tot. Das konnte er fühlen, das Ungeheuer in ihm konnte diesen bedrohlichen Schatten, tiefer als alle anderen in der finsteren Nacht, deutlich spüren mit Sinnen, die er nicht beschreiben konnte. So wie Tiere ein herannahendes Erdbeben erahnten, so wie ein Vulkanausbruch sie in Schwingungen versetzte, so drängte sich ihm die schlangenartige Gestalt auf, wenn er seine kognitiven bewussten Gedankengänge abschaltete. Er war irgendwo dort draußen und wartete auf seine Chance. Und wenn er zurückkehrte, dann würde Remus da sein. Die Faust in seiner Hosentasche ballte sich, bis die Knöchel weiß hervortraten.

Alles, einfach alles hatte er ihm genommen. Jeder Mensch, den er je geliebt hatte, war in seinem Strudel untergegangen. Nur ein kleines Kind war zurück geblieben. Und er konnte ihm nicht mal helfen, ihn nicht mal besuchen, ihn nicht einmal sehen. Irgendwann vielleicht. Wenn bis dahin nicht einer von ihnen in Einsamkeit ertrunken war.

Die freie Hand rutschte vom kalten Fenstersims herunter und schlüpfte in die Brusttasche seines ausgewaschenen Hemdes. Dort bewahrte er es immer auf, sorgfältig verstaut in einem Lederetui, dünner als die Brieftasche eines Muggels. Ein warmes, aber trauriges Lächeln stahl sich auf Remus' von Straßenlaternen kränklich beschienenes Gesicht, wie er sich das Foto betrachtete. Eine magische Fotographie, bewegte Bilder, eine kleine Szene, sich wiederholend für gewöhnlich, aber auch durch Berührung und Ansprache bis zu einem gewissen Grad veränderlich. Remus prustete ein wenig und zog die Schultern hoch, als wolle er sie zucken. Das war schon komisch. Die, die einen im Geiste verließen, die traten normalerweise aus den Fotos heraus, aber hier ... Es war ihm recht so. Anders hätte er es nicht haben wollen. Es hätte etwas von Endgültigkeit gehabt, hätte seine Erinnerungen unwiderruflich beschmutzt und besudelt, wenn Sirius Black nicht auf einem Knie wie ein Ritter zum königlichen Schlag rechts unten gehockt hätte.

Wie alle anderen jungen Männer auf dem Bild war er ganz in Schwarz gekleidet, von den sichtbaren geschnürten Lederschuhen über die Socken und das gut geschnittene, maßgefertigte Hosenbein bis zu der über den Oberschenkel fallenden Robe mit den dunkelroten Säumen und ebensolchem Innenfutter in der Kapuze. Auf stolzgeschwellter Brust prankte das Wappen des steigenden Löwen auf Rot und Gold, das Abzeichen der Mitglieder des Hauses Gryffindor. Die linke Rückhand hatte er in die abgeknickte Leiste gelegt, hielt in der eingedrehten Innenfläche die massive Rolle mit dem rot-goldenen Siegelband – sein Abschlusszeugnis. Sein damals noch relativ kurzes, schwarzgelocktes Haar fiel in gut frisierten Wellen auf die Schultern, und die dunklen Augen leuchteten in einem ungewohnten, fast feierlichen Ernst.

In der Mitte auf dem Boden hockte der immer noch schrecklich pummelige Peter Pettigrew, das „Mörtelbrett“ verdeckte die fusseligen Haare und betonte dafür besonders stark die auffällig spitzen, großen Ohren. Doch genau wie Black neben ihm hielt er eine Pergamentrolle in den Händen und präsentierte das Wappen von Gryffindor.
Auf einem Schemel am linken Bildrand saß das einzige Mädchen auf dem Bild: Ihr wallendes, mittlerweile hüftlanges kupferrotes Haar bedeckte weder ihre Hauszugehörigkeit noch das silberne Abzeichen mit dem großen P darauf. Im Gegensatz zu den beiden jungen Männern trug sie einen schwarzen Faltenrock und Kniestrümpfe, und die Quaste ihres Graduierungshuts war mit roten und goldenen Fäden verziert. Das Gesicht ganz ernst, die mandelförmigen, wunderschönen Augen entschlossen in die Kamera gerichtet, hatte sie ihre Hände über der Urkunde auf ihrem Schoß gefalten.

Stehend im Hintergrund gleich hinter ihr ragte der schlacksige, aber kräftige Körper von James C. Potter auf, wodurch seine Robe mit dem Silber-K neben dem Wappen straff nach unten fiel. Die runde, eigentlich für das schmale Gesicht zu große Brille verlieh ihm eine Strenge und eine Reife, die nicht so recht zu den unwirsch unter seiner Kappe hervorschauenden schwarzen Haaren passen wollten. Das Zeugnis hielt er vor den Bauch, so dass nur die eine Hälfte seiner linken Hand zu sehen war. Ab der Hüfte wurde er von Peters Gestalt verdeckt.

Der Einzige, dessen Pergament man nicht sehen konnte, war Remus selbst, zu James' Rechter, obwohl auch die Quaste seines „Mörtelbretts“ zweifarbig auf sein Schlüsselbein fiel. Das silberne P unter seinem Löwen glänzte in der Sonne, reflektiert vom stillen Wasser des Sees, von dem der Betrachter wusste, wie nah er gewesen war.

Eine solche Lüge, dieses Foto, konnte Remus es kaum fassen und schüttelte den Kopf, als hätte er vergessen, wie die Bewegung hinein kam. Dennoch verbreiterte sich sein Lächeln, bevor es geschah. Ohne Vorwarnung rutschten die ernsten Gesichter hinweg, und die beiden stehenden jungen Männer, Remus, der 19jährige schon mit einem feinen Bart auf der Oberlippe, und James, der Brillenträger, warfen sich gleichzeitig grinsend und offenbar sowas wie „sagt mal: Schulabschluuuuss!“ gröhlend über die vor ihnen Sitzenden, Knienden und Hockenden und brachten damit das gesamte feierliche Graduierungsfoto durcheinander. Lily brach sofort in hysterisches Gelächter aus und musste sich an dem Arm festhalten, den James um sie geschlungen hatte, bevor sie sich von ihm stürmisch auf den Ohrtragus küssen ließ. Augenblicklich auf den Hintern fallend, lief Peter hochrot an und grinste wie verlangt von einem Ohr zum anderen, beide Arme weit von sich streckend, und Sirius machte eine Geste, als wolle er einen Minnegesang anstimmen, während er sich gleichzeitig gegen Remus' Schulter lehnte und sich von ihm mehr in die Bildmitte ziehen ließ.

Der Betrachter ertappte sich dabei, wie sein Brustkorb in stillem Lachen hüpfte, und er schüttelte den Kopf, sacht mit dem Daumen über das Bild streichelnd. So lange her und doch kaum fünf Jahre. „Tage des Donners“ nannte man sowas doch, oder? Wie passend, dass es draußen vor seinem zugigen Fenster gewitterte.

Die kalte Luft erinnerte ihn daran, dass er sich nicht eingefroren in jenem Moment befand, sondern hier, allein, in einem gemieteten Zimmer in Jack the Rippers altem Jagdgebiet, und dass diese Szene auf dem Foto wirklich bestenfalls nicht mehr als eine Erinnerung war. Oder wahrhaftig einfach nur eine hässliche, beißende Lüge.
Peter – tot. James – tot. Lily – tot. Sirius – Das konnte Remus nicht mal in Gedanken aussprechen. Es machte keinen Sinn! Es passte einfach nicht, es war nicht zu erklären, er konnte und wollte es nicht begreifen. Niemals hatte es Anzeichen dafür gegeben, nicht einen Moment hatte er dazu Anlass gegeben! Und dennoch war es geschehen. Sirius, der Verräter. Nicht mal richtig hörte sich das an, obwohl es doch so unumstößlich war. Seine Familie waren sie doch gewesen, Lily und James und der Kleine, wie Brüder sie alle. Ein anderes Zuhause hatte es für Sirius Black nie gegeben, entfremdet von seinen Eltern und seinem leiblichen Bruder, fortgelaufen von ihnen, noch bevor er mündig geworden war. Es machte einfach keinen Sinn.

Alle in den Abgrund gerissen. Die einzige wahrhaftig übrige Person auf diesem Abschlussfoto von 1978 war ein abgeschlagen aussehender, aber aufrechter junger Mann mit bestem Zeugnis und einem zufriedenen, glücklichen Lächeln auf den Lippen und zwei parallelen roten Narben quer über Stirn und Wange, der jetzt, hier und heute in seiner Spiegelung auf regennasser Scheibe der letzte Überlebende war. Der Tropfen, der da über das Fenster rollte, der war nicht auf dem Glas, sondern in seinem Gesicht, und er wischte sich rasch mit dem Ärmel über die Nase. Das Foto gegen die Brust pressend, lehnte er die Stirn gegen die kühlen Verstrebungen und stierte auf die Straße hinaus, wo sich die Pfützen füllten und zu kleinen Sturzbächen wurden.

Als die Kerze auf dem Schreibtisch endgültig verlöschte, schloss Remus Lupin immer noch am Fenster die Augen, viel zu schwach vor Erinnerung, um ins Bett hinüber zu wanken. So entsetzlich klar auch seine Alpträume oft waren, wie realistisch und plastisch sie sich darstellen mochten, so intensiv und tief konnte er sich auch in die schönen Momente zurückversetzen. Das hörte sich vielleicht seltsam an, aber er dachte dabei nicht an Butterbiergelage in irgendeinem Geheimgang oder jubelnde Massen bei einem Quidditsch-Sieg über Slytherin. Nein, er träumte sich zurück in sein weiches, warmes Bett im Turmzimmer von Gryffindor, die Decke bis ans Kinn hochgezogen und noch keuchend vor Angst und Schmerz von dem gerade erst erlebten Traum, während um ihn herum in der nur vom Glühen des Ofens durchdrungenen Dunkelheit drei Paar Augen sorgenvoll, aber ohne lästige Fragen in seine Richtung starrten. Und wenn dann James, auf seiner Matratze kniend, seine Schulter drückte, an der er ihn wachgerüttelt hatte, und wenn Sirius ihm einen Riegel Schokolade quer durchs Zimmer zuwarf und Peter ihm seinen zerliebten Teddy-Bären anbot, um die Nachtalben zu vertreiben, dann war Remus Lupin genau da, wo er sein wollte.


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