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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Höllenstein

von Teekon

Ein waschechter Apriltag war das da draußen. Schon warm, abgestreift der Winter, und doch konnte er noch in jeder Ecke lauern. Die Sonne brannte förmlich von einem blassblauen Himmel, gesprenkelt hier und da mit dicken, dichten, aber watteweißen Wolken, und eigentlich war gar nicht genug Wind da, um sie so rasch von Ost nach West zu treiben, wie sie offenbar segelten. Gerade eben erst hatte eine von ihnen wieder einen dieser kräftigen, kurzen Schauer abgeregnet, fette, glitzernde Tropfen gegen die Fensterscheiben prasseln lassen, und nun klebten sie daran fest und verdunsteten quasi sichtbar vor dem Auge.

Regenbogensterne spiegelten sich in der Wölbung, schimmernd wie Seifenblasen, zitternd in erfrischender, aber nicht frischer Brise. Die Osterglocken, verteilt in kleinen Grüppchen, fast wie Trauben von Mädchen in Schuluniform auf dem Brunnenhof in Hogwarts, lugten aus dem zu wachsen beginnenden Rasen heraus, der bereits einen ersten Schnitt hätte gebrauchen können, um nicht so verwildert auszuschauen, und sie wippten mit den strahlend gelben Köpfchen im Takt einer unhörbaren Musik. Genau zur rechten Zeit aufgeblüht. Gründonnerstag in Penge, an diesem 9. April des Jahres 1998.

Durch das flache Glas wärmten die Strahlen des Tagesgestirns gleich noch mal so schön, und obwohl es wirklich nötig gewesen wäre ob des merkwürdig grimmigen Geruchs in der schmalen Küche, blieben alle Fenster geschlossen. Mit sowas belästigte man nicht-magische Nachbarn besser nicht. Auch wenn sie es problemlos auf diesen anderen Topf da auf dem Herd hätte schieben können, denn das war ja nun völlig normal. Fünf große, ehemals weiße Eier hüpften in kochendem Sud auf und ab, einer schreiend roten Brühe aus splissigen Holzsplittern, die wie lebendig in der heißen Flüssigkeit flotierten wie Wasserbienen. Sappan aus Malaysia, das einen kräftigen, magentaroten Farbton auf die Ostereier zauberte. Nur leider roch es dabei ziemlich unangenehm.

Wie auch all die anderen Färbemittel es getan hatten und noch tun würden, die Andromeda Tonks traditionell für diese Arbeit gebrauchte. Zwiebelschalen, Curcuma, Blauholz und Schachtelhalmkraut. Einige ihrer Ergebnisse ruhten bereits abkühlend in aufgeschnittenen Eierkartons, während weitere rohe Exemplare noch in umgedrehten Deckeln auf ihren großen Moment warteten. In diesem Jahr würde sie sogar mehr färben als früher, und das war schon irgendwie komisch.

Allerdings war sogar das scheußlich miefige Rotholz nicht Schuld daran, dass sie heute Abend nicht gesellschaftsfähig sein würde. Denn neben dem Herd, auf dem abgeräumten und von seiner karierten Decke befreiten Küchentisch, hatte sie eine zweite Hitzequelle aufgebaut, offenes Feuer unter einem Zwei-Pint-Silberkessel, ordentlich geschrubbt und auf Hochglanz poliert, wie alle ihre Zauberutensilien es immer waren. Denn, ja, sie mochte die Frau eines Muggelstämmigen sein, sie war trotzdem immer noch eine Black. Und Sorgfalt bei magischen Dingen war oberste Pflicht. Außerdem waren Kitzpurfel wirklich ekelhafte Viecher.

Auch das Silbermesser auf dem blendend geputzten Eichenholzbrettchen und die Drachenlederhandschuhe, die gleichen, die sie schon zur Schulzeit verwendet hatte, waren hervorragend gepflegt und in perfektem Zustand, und in Phiolen, Schälchen und kleinen Ständern bewahrte sie die Zutaten auf, die sie für das abscheulich duftende Gebräu brauchen würde. Als hätte jemand eine Flasche Gin ausgeschüttet, ohne den stechenden Alkohol dabei, und dazu eine recht scharfe Note von ätzendem Mineral, als hätte man sein Riechorgan in einen Kalkabraumberg gestoßen. Widerlich. Einfach nur abartig.

Und trotzdem brachte es Andromeda fertig, fast fröhlich zu summen dabei und regelmäßig tief durch die Nase einzuatmen. Oh nein nein, sie hatte sich nichts in die Nasenlöcher gestopft und sich auch nicht behext, um es besser auszuhalten, denn man brauchte den vollen Geruchssinn, wollte man einen Trank ordentlich zubereiten. Aber das hatte sie eben schon immer gern getan, und deshalb war es in Ordnung für sie, und geschäftig zwischen ihren beiden Baustellen hin und her huschend, hier umrührend, dort etwas hinein träufelnd, ließ sie sich nicht beirren.

Er blieb da lieber erst einmal bei Tee und sah zu, mehr durch den leicht offenen Mund einzuatmen, wie Remus sich eine Tasse an die Lippen setzte und aus seiner erhöhten Position über die Schulter seiner Schwiegermutter (Merlin's Arsch, was immer noch für eine bescheuerte Vorstellung) hinweg lunste. Mit der selben Reibe, die sie normalerweise benutzte, um Parmesan über Spaghetti Napoli zu verteilen, schrubbelte Andromeda ein wenig von dem silbrig glänzenden Kristall in das Gebräu, und es blubberte gefährlich auf, so gerade bis unter den Rand. Mit geschickten Fingern langte sie darunter an den Bunsenbrenner und gab dem Rädchen einen winzigen Drall, gerade eine Vierteldrehung, und die ungesunde Suppe beruhigte sich spotzend.

Etwas irritiert, zog er eine Braue steil nach oben, vergaß zu atmen und unterbrach ihr geträllertes Liedchen. „Errrr,“ gab er sein patentiertes Geräusch für 'ich bin nicht ganz sicher, ob, und wenn ja, was ich sagen soll' von sich. „Und du bist dir wirklich sicher?“ wollte er natürlich auf gar keinen Fall an ihren Fähigkeiten zweifeln. Doch barg dieses Experiment besonders für ihn, aber auch für sie alle ein paar unangenehme Risiken, und das lag nicht nur an dem abstoßenden Geruch, der sich über das Treppenhaus wie durch einen Schornstein im ganzen Haus an der Chaffinch Lane verbreitete.

Ohne auch nur von ihrem Werk aufzusehen, nicht einmal leise beleidigt (und wäre Ted hier gewesen, er hätte sofort einen Agnoscere-Zauber angewandt, um herauszufinden, wer das war und was sie mit seiner Frau angestellt hatte), seufzte Andromeda nur ausgiebig und schüttelte die brünetten Locken aus, dass sie wie Korkenzieher sprangen und sie für einen Moment beinahe aussah wie ihr verstorbener Vetter. Nur hatte der nie im Leben einen langen Rock getragen. Auch keinen kurzen.

„Selbstverständlich,“ bestätigte sie und deutete mit dem ausgestreckten Zauberstab auf das eingerahmte Abschlusszeugnis der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei irgendwo da drüben an der Wand im Wohnzimmer, die silberne Schlange auf Grün darüber gedruckt, gleich neben dem mit dem Dachs auf Honiggelb. „Zaubertränke war mein bestes Fach.“ Da prankte ein fettes 'Outstanding' in der schnörkeligen Schrift ihres alten Hauslehrers hinter dem Namen des Fachs. „Ich bin vielleicht kein Horace Slughorn,“ verdeutlichte die Hausherrin nur umso mehr, wie sicher sie sich ihrer Sache war. Und immerhin ging es hier auch um das Leben ihrer Familie, sollte die Nummer schiefgehen. „Aber besser als,“ und jetzt flackerte doch ein heißer Funken aus Zorn durch die tiefbraunen Augen, und fast hätte sie ausgespuckt, „besser als Snape,“ kotzte sie förmlich auf die schwarz-weißen Fliesen, „bin ich allemal.“

Jetzt schnellten beide Brauen nach oben, beeindruckt von beidem, ihrem so typischen Lava-Temperament, das ihrer ganzen Sippe innewohnte (und das sie ganz wunderbar an ihre einzige Tochter vererbt hatte) wie auch von dem Können, das sie damit offen präsentierte. Den letzten Schluck Earl Grey herunter schüttend, war das alles, was Remus noch wissen musste. Dann würde alles glatt laufen. Auch wenn er bei der Nennung des alten Schulfeindes am liebsten ebenfalls einen richtig schönen, widerlichen Schleimbrocken aus den Lungen gehustet hätte. Dreckiger Verräter.

„OK,“ sagte er nur noch langgezogen als Zeichen der Aufgabe und reagierte statt dessen lieber auf das wenig zaghafte und deutliche Pochen von Fingerknöcheln gegen die Haustür, indem er die Tasse ordentlich neben der Spüle abstellte (bloß nicht auf den zur Werkbank umfunktionierten Tisch) und sich in Richtung Flur drehte. Hingehen konnte er allerdings erst, nachdem ihm Doras Mutter mit dem Handrücken sacht, zwinkernd, gegen die Brust geschlagen hatte. Und schon war ihr ganzes Gesicht wieder hell und fröhlich, und er konnte nicht anders, als ihr ein Lächeln dafür zu schenken, ehe sie wieder zu trällern begann.

Kaum über die Schwelle und zwischen der Treppenverkleidung auf der einen, der immer noch vollgepackten Garderobe auf der anderen, verfiel Remus bereits in ein merkwürdiges trippelndes Hüpfen, um schneller voran zu kommen, wusste er doch genau, wer da draußen auf den drei niedrigen, unterschiedlich hohen Stufen stehen würde. Denn mittlerweile war es ein Fidelius, der dieses Haus vor Razzien schützte. Am hellichten Tag warf die Person jedoch keine Silhouette durch das milchige Glas. Nur ein dünner, hochgewachsener Schatten, und der verwandelte sich in die schlanke Gestalt von Edward Lupin in feinstem Harris-Tweed, sobald er die Tür aufzog.

Noch ehe Remus irgendwas sagen oder auch nur mit glänzenden Augen zu strahlen beginnen konnte, sauste ein schwarzes Knäuel durch den ersten Spalt der Tür, und mit einem nahezu rollenden Maunzen begrüßte der Halbkniesel seinen alten Spielkameraden, rannte an ihm vorbei und in sein neues Heim auf Zeit, war so schnell die Diele hinunter und links herum im Salon verschwunden, dass Remus ihm kaum antworten konnte. „Spellbound!“ rief er aus, halb tadelnd, halb freudig, und Edward brach sofort in gesittetes Gelächter aus und schüttelte den Kopf. „Er war schon seit Tagen so aufgeregt, seit er wusste, dass wir verreisen würden,“ entschuldigte der Professor, und er schob seinen bescheidenen Koffer mit einem Knie vor sich her in den Hausflur.

Aber Remus ignorierte das schwere Gepäck, rupfte es ihm aus der Hand und ließ es achtlos schräg hinter sich fallen, um viel lieber beide langen Arme um Hals und Schultern des alten Mannes zu schlingen und ihn fest, wiegend, an sich zu drücken. Ja, er war dort oben in Heslington unter dem gleichen Zauber geschützt gewesen, viele, viele Jahre schon, seit dem Ersten Krieg, und dennoch musste er gelegentlich das Cottage verlassen. Hier, bei ihnen, bei drei talentierten Zauberstäben, war er viel sicherer. Und außerdem, hatte Remus das Gefühl, dass er ihn bald brauchen würde, ihn, seine Erfahrung, seine unbändige Freude an dem Ereignis, das ihnen nun jeden Tag ins Haus stehen mochte.

„Oho!“ gluckste Edward und lachte schon wieder, wie er sich auf die Zehenspitzen stellen musste, um wenigstens die Nase aus der innigen Umarmung über das Schlüsselbein seines Enkels strecken und Luft holen zu können. Selbst erleichtert, es bis hierher geschafft zu haben mit einer frei laufenden und nicht einmal angeleinten Katze an der Seite (die Leute im Zug hatten sehr merkwürdig dreingeschaut), noch mehr jedoch, ihn so bald schon wieder zu sehen, und so ganz anders als bei ihrem letzten Aufeinandertreffen, juchzte der pensionierte Professor regelrecht und klopfte fest auf das Schulterblatt, an dem er sich festhalten musste. „Alles Gute noch zum 40., mein Junge,“ wünschte er dabei und provozierte damit ein wenig Erstaunen.

Vier Wochen war das doch schon wieder her. „Oh,“ machte Remus, als hätte er die neue Dekade gar nicht bemerkt, und fast vorsichtig ließ er den Großvater los, dass er auf seine Sohlen zurück sinken konnte. 40. Ja, tatsächlich, es war sein 40. Geburtstag gewesen. Aber eigentlich hatten sie ihn gar nicht recht gefeiert mit all den Sorgen drumherum (naja, außer vielleicht da oben ein klein bisschen, aber darüber wollte man weder mit seiner Schwiegermutter noch mit dem eigenen Opa reden), und deshalb irritierte Remus der Glückwunsch etwas. Und überhaupt.

In der Küche kreischte Andromeda kurz erschrocken auf, bevor sie in haltloses Gelächter ausbrach, und das bedeutete wohl, dass Spellbound seinen Weg zu ihr gefunden hatte. Schmunzelnd, aber nicht so recht bei der Sache, warf Remus nur einen Blick über seine Schulter, dem Edward folgte. Und nur aus dem Augenwinkel zunächst, nahm er sie so wahr. „Ach, Gramps, für den 'Jungen' bin ich doch jetzt wirklich etwas zu alt,“ musste dieser 40jährige da neben ihm ihn erinnern und sich dabei etwas verlegen an den eigenen Fingern herum spielen. Das Gesicht erhoben, dass helles Licht aus dem Schacht des steilen Treppenaufgangs ihm ein Glänzen in die Augen setzte, tätschelte Edward nun seine Schulterkappe und schien trotzdem nicht richtig zu zuhören. „Ja,“ bestätigte er dennoch, „das sehe ich.“

Für einen Moment wusste Remus nicht so recht, was er damit meinte, bis ihm der Blick auffiel und das selbe, so seltsam fremde und irgendwie schaurig-schöne Lächeln, das Edward an seinem Bett gehabt hatte, weniger als drei Jahreszeiten her, als er den Ring an seinem Finger entdeckt hatte, den er auch gerade hin und her drehte. Hastig fast herumfahrend, wollte er sehen, was das ausgelöst hatte, und wusste es doch schon, bevor er sie da oben entdecken konnte.

Da stand sie, Dora, seine Dora, halb verpennt, sich mit der einen Faust die Augen reibend, während die andere sich am Geländer festhielt. Einen Fuß hatte sie schon über der nächsten Stufe schwebend erhoben, der andere stand noch fest auf der Galerie.
Sich ausruhen, ein bisschen schlafen hatte sie wollen, der Bauch mittlerweile einfach zu schwer, um ihn den ganzen Tag durch die Gegend zu tragen, und war es nur zwischen Küche und Salon. Doch genau dieser Aspekt war es wohl, der Edward zu diesem Ausspruch hingerissen hatte. Wunderschön war sie, einfach zum Niederknien, wie sie Schritt für Schritt aus dem Obergeschoss herunter schlenderte, eine Hand jetzt im Nacken, die Rechte stützend unter dem Nabel ausgebreitet. Ihre dunklen Jeans, so unzauberisch, konnte sie längst nicht mehr schließen, aber das machte nichts, denn darüber hing eines seiner uralten, verwaschenen Hemden, das sie viel lieber und viel besser tragen konnte nun als ihre eigenen Tops.

Sonnenlicht umspielte ihre ganze Statur, umrahmte sie mit Balken aus bronzenem Gold, wie Engelsflügel, glitzernde Diamanten in ihr Haar streuend, das nun schon so lange und so vertraut geworden in brünetten Wellen, nur sanft gelockt, um die Ohren sprang, noch immer ein halbes Dutzend kleiner Stecker die Helix schmückend und umso mehr zum Strahlen bringend. Das herzförmige Gesicht im Schatten dessen, leuchtete sie wie von innen heraus, dass die schokoladencremefarbenen Augen glommen wie Kohlen, und das Lächeln, das ihr um die Mundwinkel spielte und sich über die Nasenfalten zu den Wimpern hoch über die vollen, rosigen Wangen ausbreitete, war warm und göttlich und gleichzeitig mädchenhaft wie spitzbübisch. Einen Arm lang nach ihr ausstreckend und sie mit den Fingern heran winkend, dirigierte ihr Angetrauter sie ein Stockwerk tiefer, ohne auch nur einmal seinen Blick von ihr zu nehmen.

Noch bevor sie die beiden Männer dort unten erreichen konnte, leise genug, dass sie ihn nicht, er aber umso besser hören konnte, flüsterte Edward es hinaus, und er musste selbst heiser unterdrückt Lachen, wie ihm bewusst wurde, wie herrlich zweideutig das war angesichts des Birkenstabs da in ihrer Hosentasche: „Bezaubernd.“ Genauso beide Bedeutungen darin wahrnehmend, so nur zu erkennen gewesen von seinem Muggelgroßvater, prustete Remus und warf ihm einen Seitenblick zu, ehe seine ausgestreckten Finger sie erreichen konnten. „Ja,“ wisperte er nur zurück und schlang alle vier und den Daumen um ihre Flanke, um sie zu sich herunter und heran zu ziehen.

Sich auf die Lippe beißend mit kleinen Hasenzähnen, lehnte sie sich noch immer zwei Stufen über ihm gegen seine Brust und Schulter, den Fremden, von dem sie so viel gehört und den sie dennoch nie zu Gesicht bekommen hatte, aufmerksam musternd, egal wie müde sie dabei ausschaute. „Hey,“ begrüßte Dora ganz einfach, keine hochtrabenden Worte und keine albernen Floskeln, die nichts gesagt hätten. Statt dessen entschied sie sich lieber für ihre ganz eigene Impulsivität, beugte sich vor und umarmte den alten Mann bloß wie einen lange nicht gesehenen und ewig vermissten Onkel. So als wäre er ihr eigener Großvater.

Nur einen Augenblick lang peinlich berührt und zurückhaltend, gab Edward Jacob Lupin schon auf und ließ es mit sich geschehen, und Remus grinste nur breit und hielt lieber den Mund. Dazu konnte man kaum etwas Sinnvolles sagen. So war sie eben. Und so war er. Und ein feines „oh“ von sich gebend, verstand der baldige Urgroßvater diese Geste und räusperte sich verlegen. Isabel hatte so etwas auch immer wieder einfach getan, bis er sich geöffnet hatte und eine so innige Berührung als normal hatte ansehen können. Das würde ihm auch hier gelingen.

Damit schon fertig mit ihrer Vorstellung, drückte Dora ihrem Gatten einen kurzen Kuss auf den Kieferwinkel und zwängte sich schon an ihm vorbei, um endgültig im Erdgeschoss anzukommen und sich in Richtung Küche zu begeben, wo ihre Mutter herum rumorte und mit dem Halbkniesel sprach, als hätte sie bereits menschlichen Besuch da drinnen. Nun wieder frei zuckte Remus die Achseln und präsentierte beide Hände in Richtung von Johns Vater. „Black,“ erinnerte er nur, in welchem Hause sie hier gerade standen, und das erklärte und entschuldigte sowieso so gut wie alles. Sich ebenfalls dessen entsinnend, was Remus ihm über dieses Mädchen so knapp berichtet hatte – Sirius Blacks kleine Cousine – hellte sich Edwards Miene verstehend auf, und ein winziges Quieksen entkam ihm, wie auch er die Schultern hob. Dann war ja alles klar.

Seinen Koffer aufhebend, signalisierte Remus, dass sie nun ebenfalls in das Innere des Tonks'schen Heimes vordringen konnten, um sich auch dort vorzustellen, wo der Großvater doch nun eine Weile ihr Gast sein würde, und wie er in seinen dunklen Hosen und dem samtblauen Hemd voraus schritt, musste Edward ihn sich noch einmal ein wenig besser anschauen. Kräftiger sah er aus, füllte jetzt mit den breiten Schultern auch wieder die Kleider richtig aus, und der so hässliche, blutige Striemen am Hals war komplett verheilt, nicht einmal die winzigste Narbe zurück geblieben. Und Farbe hatte er bekommen, sogar ein paar altbekannte Sommersprossen, wie früher als Kind. Der Bart, mittlerweile nicht mehr nur auf Oberlippe und Kinn, war voll und rotbraun und dicht. Anerkennend, aber nicht wie bei einem erfolgreichen Boxer, sondern einfach nur zufrieden, stolz und froh, bemerkte er es laut: „Siehst gut aus.“

Amüsiert irritiert, den Kopf auf dem Hals zurückziehend, schnaubte Remus aus und schielte halb über die eigene Schulter zurück. Er wusste genau, was er meinte, und die so wenig abgetragenen Kleider, die ihm viel angemessener passten, rasch zupfend, hob er wieder die Achseln. Kunststück. „Ich werd' gut gefüttert,“ lobte er nur indirekt die hervorragende Küche in diesem Haus, die schon Dora groß gekriegt hatte (und die konnte fressen wie ein Wolf – 'halbes Schwein auf Toast, bitte'), doch in diesem Moment stieg ihnen beiden eine Fahne eklatant herb beißenden silbrig-grauen Rauchs in die Nasen, und fast synchron rümpften Großvater und Enkel die prominenten Kolben in ihren Gesichtern, und der alte Mann musste sich mit der Hand vor dem Mund her wedeln.

„Ich hoffe nicht, dass das dazu gehört,“ bemerkte er leicht angewidert, aber Remus seufzte und verknitterte Augen und Stirn zu einer bedauernden Mitleidsmiene. Sich selbst bedauernd. „Ach,“ tat er es dennoch ab, „ich fürchte schon.“ Und mit einem weiteren Schulterzucken erklärte er es: „Wolfsbann.“ Und Edward verstand kein Wort.

Nacheinander, weil zu groß, um es gleichzeitig zu tun, betraten sie das schmale Durchgangszimmer, das zu einer Küche ausgebaut war, und während Dora sich bereits theatralisch stöhnend den einen Stuhl gerafft hatte, auf dem Ted immer gesessen und Zeitung gelesen hatte und sich nun weit zurück geflezt die stattliche Bauchkugel rieb, bewegte Remus sich rechts herüber auf die meist geschlossene Tür zu ihrem alten Kinderzimmer hinüber, wo sie Edward unterbringen würden. Jetzt, wo sie beide mittlerweile oben in dem umdekorierten Gästezimmer Quartier bezogen hatten.

Mit einem großen Löffel klaubte Andromeda das letzte Ei aus dem Sud mit dem Rotholz darin, bevor sie zwei Topflappen hervor zog, um das Zeug wegzuschütten. Nur noch die dunkelste Farbe jetzt, die den hölzernen Stiel zum Umrühren schon die Jahre zuvor in dunklem Violett eingefärbt hatte, dann wäre die Sache geschafft. Und auch ihr anderes Werk war beinahe vollendet. Wie Remus den schweren Koffer hinter der Ecke verstaute und sich dabei vor beugte, das rechte Bein als Ausgleichsgewicht ausstreckend, damit er nicht umfiel, angelte sie bereits einen Probierlöffel aus der Besteckschublade, „hier, Remus, probier' das,“ verlangend.

Mit gerunzelter Stirn richtete er sich wieder auf in ihrem Rücken, sie tunkte den Löffel in die schlammig-graue Suppe und vergewisserte sich, dass das Metall nicht augenblicklich weggeätzt wurde. Mit der flachen Hand auf den Tisch schlagend, das ganze Gebilde wackelte, zog sich auch Dora hoch, um nicht mehr so schief und entspannt zurückgelehnt der Situation zu begegnen. „Mutter,“ appellierte sie bereits mit einem gereizten Unterton in der Stimme, „hast du das mit dem Höllenstein auch richtig gemacht?“ Ihre mal wieder aubergine-farben lackierten Nägel an zierlichen Fingern deuteten hastig auf die flockigen Kristalle aus glitzerndem Silbernitrat auf einem gläsernen Schälchen. „Das Zeug ist verdammt giftig!“

Halb schnippisch, halb spöttisch belustigt, lachte Andromeda so laut auf, wie es nur eine echte Black konnte, und sie winkte schon ab, wie Remus an sie heran trat und seinem Mädchen einen zu beruhigen suchenden Blick zuwarf, während gleichzeitig seine Hand misstrauisch auf das Gebräu deutete. „Süße, so ziemlich alles, was da drin ist, ist verdammt giftig,“ und er klang besonders vertrauenerweckend, weil er dabei ihren Fluch wiederholte. Sie brauchte doch nur hier über den Tisch zu gucken, was ihre Frau Mama da zurecht geschnibbelt hatte. Da war der Wolfszahn noch das appetitlichste Utensil.

Abgesehen von dem Lapies infernalis, das die altbekannte Silberkomponente in den fluchbrechenden Trank brachte, fanden sich drei sehr hübsche, aber auch einzeln sehr tödliche Pflänzchen in der wohlsortierten Sammlung. Und wo der Alsem seinen penetrant bitteren Geschmack an die Mischung abgab, stammte der Großteil der Wirkung von der Euphorbie und dem quittegelben Eisenhut. Der Anblick half nicht gerade dabei, Dora zu befrieden, und unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her und griff sich schon wieder mit leicht verzerrtem Gesicht an den Bauch.

„Keine Angst, Kleines,“ lachte Andromeda noch immer und reichte Remus schon den gefüllten Löffel, der ihn widerwillig greinend entgegen nahm. „Ich bring ihn schon nicht um.“ Den gerade noch geöffneten Mund schloss der jüngere Mr. Lupin sofort wieder. Ihre Stimme nur ein wenig senkend und sich beiseite wendend, doch noch laut genug redend, dass man sie verstehen konnte, wo sie es doch nur ironisch meinte und sich den Witz einfach nicht verkneifen konnte, fuhr sie einfach fort. „Das hätt' ich vor einem Jahr machen sollen,“ und sie lugte an den eigenen dunklen Locken vorbei, einen offensichtlichen Blick auf den kugelrunden Babybauch ihrer Tochter werfend. „Jetzt ist der Zug abgefahren.“

„Mutter!“ empörte sich Dora nur noch heftiger und lauter und wusste sowieso, dass sie es gar nicht so böse gemeint hatte, dass sie glücklich war, bald Großmama zu sein, und dass Remus längst nicht mehr der verlotterte Habenichts mit dem haarigen kleinen Problemchen für sie war. Und außerdem: Vor einem Jahr. Vor einem Jahr, da war er nicht hier gewesen, sondern unten an den Docks in Canary Wharf, und sie war traurig und hilflos geschlagen gewesen ohne ihn. Nie wieder.

Noch mit einem verschwörerisch-verschmitzten Grinsen unter dem Bart, rollte Remus mit den Augen und schnappte nach dem Löffel, als sei er ein Hai und das Ding eine Robbe, die man aus dem Wasser fischen musste. Vollstes Vertrauen. Und dann beugte er sich vor und spotzte, stützte sich in die eigenen Knie, das silberne Besteck gegen das Wadenbein ticken lassend, fest in der einen Faust gehalten, und sein ganzes Gesicht verzog sich in beißender Agonie.

Erschrocken, fast panisch, stemmte Tonks sich komplett hoch, dass ihre Füße donnernd auf den Fliesen aufkamen, obwohl sie nicht mal Schuhe trug, doch da richtete er sich schon wieder auf, hochrot bis unter die Unterlider, die glühenden Narben quer über Nase und Lippe pulsierend vom Blut, und Tränen schossen ihm aus den Augen, wie sich die Speicheldrüsen verkrampften und gar nicht so viel Speichel freigeben konnten, wie zum runterspülen notwendig gewesen wäre. Ein kehliges Geräusch produzierend, schüttelte sich der ganze Kerl aus, bevor er den Mund aufmachte, die Zunge schnalzend vom Gaumen lösend. „Gah!“ war alles, was er zunächst herausbringen konnte, ehe er den Daumen in Andromedas Richtung hob und angeekelt schmatzend „perfekt“ hervor presste. Als hätte man im Tropfenden Kessel tagelang in Turnschuhen eingelegte Füße in lederartig verbranntem Speck bestellt oder schlicht gleich in den Stängel Wermut hinein gebissen. Einfach nur genauso abartig wie es roch.

Vor Erleichterung, aber auch noch von etwas Anderem, das sie nicht so richtig greifen konnte, sprossen feine Schweißperlchen auf Doras Schläfen aus der Haut, und trotzdem blieb diese steile Falte aus zorniger Revolte zwischen den Brauen mit dem Piercing auf der einen und der Brandnarbe auf der anderen Seite. „Oah,“ konnte sie nicht fassen, was sie da ertragen musste, und eine Schlafbohne vom Tisch voller Zaubertrankzutaten klaubend (keine Ahnung, was die da zu suchen hatte), warf sie mit geübter Quidditch-Spielerhand das magische Gemüse quer durch die Küche und traf Remus zielgenau am Knochenvorsprung des Warzenfortsatzes hinter seinem Ohr, dass er nur halb belustigt, halb schmerzerfüllt daran hochlangen und „au“ kichern konnte.

Begeistert von einem neuen Spielzeug, stürzte sich Spellbound auf die schlitternd kullernde Bohne, als wäre sie eine besonders appetitliche Maus, und Andromeda konnte nicht anders, als erneut herzlich zu lachen. Sie liebte Kniesel, hatte selbst als junge Hexe einen besessen, der nun vermutlich irgendwo in Wiltshire regelmäßig Pfauen erschreckte und Lucius Malfoy in den Wahnsinn trieb. Was ihm hoch anzurechnen gewesen wäre.

Immer noch recht verwirrt von dieser ganzen Aktion, wie bestellt und nicht abgeholt, stand Edward mitten in dem winzigen Raum, der so überfüllt war mit der kompletten Reihenhausbelegschaft, stützte sich mit beiden Handinnengelenken auf die Lehne des mittleren Stuhls und räusperte sich vorsichtig, um wenigstens irgendwie etwas Aufmerksamkeit zu bekommen. So richtig zu interessieren schien das aber nicht, nur sein Enkel angelte nach seiner Schulter, um ihn zu sich herüber zu ziehen. „Komm, ich zeig dir dein Zimmer,“ forderte er ihn auf, und der Großvater entschied, dass es so wohl am besten wäre. Mit einem zustimmenden Geräusch nickend, trat er zwischen den Möbeln hindurch und folgte ihm in das schlauchförmige Zimmer hinter der Küche.

Ausnahmsweise war der Rollladen zum Garten hin aufgezogen, und hier stand das Fenster auf Kipp, so dass die herrliche Frühlingsluft herein dringen konnte. Gleich weniger düster, wenn auch nach wie vor vollgestellt, präsentierte sich Doras alte Stube schon einladender. Das Bett frisch bezogen, sogar eine Vase mit gepflückten Blümchen auf dem einigermaßen aufgeräumten Schreibtisch, stand auch das unbewegte, so merkwürdig wirkende Foto noch auf der Kommode. Remus und Dora, in Teds schwarzem Anzug und ihrem weißen Kleid, ganz verklärt vor der schreiend lachsfarben gestrichenen Fassaden der kleinen Kirche im Schatten von Covent Garden Market.

Die Hände über den hinteren Gürtelschlaufen in seinen unteren Rücken gestemmt, stand Remus da und schaute sich um, als wäre er derjenige, der die Kaschemme zum ersten Mal sah, zuckte noch mit dem Kinn hinter sich und rollte mit den Augen, dorthin deutend, wo die beiden Frauen leise, aber in für sie beide so üblich hektisch patziger Art miteinander flüsterten. Dora brummelte dabei missmutig, so wie sie es immer tat, wenn sie entweder Kopfschmerzen hatte oder ihr irgendein Kollege auf der Arbeit dumm gekommen war. Angenervt von irgendwas, und das hatte weder mit ihm noch mit ihrer Mutter zu tun, das begriff Remus sofort, und er musste leise schmunzeln. Sie würd' schon damit rausrücken, was mit ihr los war.

Donaghan Tremlett zupfte ganz innig an seinem Bass gleich gegenüber vom gut aufgeschüttelten Kissen, auf das Edward seinen Kopf betten sollte, und rings herum bearbeiteten auch die anderen Bandmitglieder ihre Instrumente. Einmal mehr erstaunt darüber, wie wenig ihn selbst das immer gestört hatte, verkniff Remus einen Mundwinkel und grunzte unzufrieden. Was für ihn schon seltsam anmuten musste, das musste für seinen Muggelgroßvater extrem merkwürdig sein. Auf die mit jugendlichen Dauerklebeflüchen befestigten Poster deutend, kratzte er sich fest im Nacken und errötete fast darunter. „Wenn sie dich nerven, kann ich sie abdecken,“ schlug er vor und griff sich – wo er immer war – ans Brustbein, wo er seinen Zauberstab zwischen den Knöpfen des Hemdes eingesteckt hatte. Nur festgehalten von dem knubbeligen Ende, das sich so schön weich in die Handfläche schmiegte, war er dort.

Sich langsam, fast achtsam auf die Bettkante gleiten lassend, warf Edward ein paar sondierende Blicke an jede Wand und jeden Schrank, wo jede freie Fläche mit einem Plakat der Weird Sisters zugepappt war, abgesehen von ein paar eingesteckten magischen Fotografien von einem Haufen schunkelnder Hexen und Zauberer in knatschgelben Umhängen, die sich an ihren Besen festhielten und einen Pokal herum reichten. „Oh nein, nein,“ wehrte er ab und war sich augenscheinlich nicht ganz sicher, wie er eine Braue hochzog, „lass nur, ich komme schon zurecht.“

Nur halb zufrieden mit dieser Antwort, aber vorerst nicht weiter darauf herumreiten wollend, hockte Remus sich neben ihn und rieb sich mit beiden Händen die Oberschenkel, ehe er wieder mit dem Kinn in Richtung Küche zuckte und endlich erklärte, was da eigentlich vorhin geschehen war. „Das Zeug hält mich davon ab, den Verstand zu verlieren, wenn ich ...“ sprach er es immer noch nicht gern aus und verzog die Lippe, dass das Bärtchen unter der Nase tanzte, und verstehend öffnete Edward den Mund und hob einen Finger. „Naja,“ grinste Remus verlegen. „Du wirst es ja sehen am Samstag.“ Und das war nun schon nichts Nebensächliches mehr, denn sein Großvater, so sehr er auch die Tatsache gewohnt war, einen Werwolf zum Enkel zu haben, hatte niemals einen gesehen, nicht mal den Jungen selbst. Weil das unmöglich gewesen war.

Natürlich. Vollmond in zwei Tagen. Dafür, das musste Edward schon sagen, sah er wirklich verdammt gut aus. Keine dunklen Ringe unter den Silberaugen, keine aufsteigende, grünliche Blässe, wie er es sonst von ihm gewohnt gewesen war, seit der Bub hatte schreiben können, nur winzige Sonnenmale eines fürchterlich nordenglischen Gesichts links und rechts der langen Nase, und er war sich verdammt sicher, das lag nicht an dem widerwärtig müffelnden Trank, den seine Schwiegermutter da zusammengekocht hatte. Das war ihr Verdienst ganz allein, wie sie da im Türrahmen erschien und sich mit dem ganzen Rücken dagegen lehnte, mittlerweile schon einen kompletten Unterarm umständlich unter ihre Gürtellinie schiebend. Vielleicht war das endlich der richtige Moment.

Den erhobenen Finger ausschlagen lassend, griff sich Edward Lupin in die Innentasche seines Jacketts, ungelenk etwas daraus hervor kramen wollend. „Ich hab' etwas für euch,“ verkündete er fast kleinlaut, und was immer es war, verhedderte sich im Innenfutter der Tweed-Jacke, deren Anblick Dora längst zum Schmunzeln gebracht hatte. Konnte man solch verquere Vorlieben wirklich vererben? Ein bisschen besorgt streichelte sie ausgiebig die ausladende Beule unter ihrem Nabel, wo das Kind gerade offenbar beide Füßchen in ihre Bauchdecke stemmte, als wolle es schwerelos in einem Raumschiff die Richtung ändern.

Selbst ein wenig mürbe von dem widerspenstigen Ding, grummelte Edward und versenkte die Finger tiefer in der doch eigentlich winzigen Tasche. „Ich wollte es dir schon viel früher geben,“ entschuldigte er sich dafür, dass er es nun schon so lange für sich behalten hatte, „aber bisher war nicht recht die Gelegenheit dazu.“ Dabei warf er Remus einen strafenden Blick zu, der alles verriet. 'Weil du dich nie hast blicken lassen in den letzten Jahren, du treuloses Kind', und Remus senkte beschämt die Augen und grinste milde. Und bei ihrer letzten Begegnung hatte er alles Mögliche im Kopf gehabt, aber nicht das hier.

Und endlich förderte er es zutage, den Gegenstand, der eigentlich nur symbolisch dafür stand und doch alles sagte. Ein langbärtiger, messingfarbener Schlüssel mit blattförmiger Reide, angelaufen von den Jahren, die er in einem tiefen Verlies bei Gringott's zugebracht hatte, und doch blitzte er sofort auf, als die Sonne auf ihn traf. Und Remus brauchte ihn gar nicht großartig anzuschauen oder gar anzufassen, um ihn zu erkennen. Ihm fiel förmlich alles aus dem Gesicht, die Sommersprossen wie Konfetti herunter purzelnd, wie sie im Abblassen der Farbe verschwommen. „Den hier hat mir vor einiger Zeit ein Kobold nach Hause gebracht,“ erklärte Edward, woher er ihn hatte, und schon die Finger danach ausstreckend, bekam sein Enkel ganz wässrige Augen.

Na sicher, Kobolde hatten – genau wie Kniesel, wie Elfen – eine ganz andere Art von Magie, und der Fidelius hatte den Bankangestellten nicht im Geringsten daran gehindert, das Cottage auf dem Hügel zu finden. „Im Herbst, kurz nachdem Sirius ...“ weiter sprach Edward es nicht aus, aber Remus hörte ihn sowieso nicht mehr wirklich, ein hochfrequentes Fiepen auf beiden Ohren wie bei einem akuten Hörsturz. „Das,“ fing er an und überschlug sich dabei, konnte den Mund zwischen den Worten kaum schließen und leckte sich über die Lippen, „das ist unser Haustür ...“ Nickend bestätigte Edward diese Annahme. „Ich habe ihn geerbt, hat er gesagt.“

Von Sirius? Geerbt von Sirius Black? Fast zärtlich die einzelnen Zacken am Bart streichelnd, über jede einzelne drüber fahren, als müsse er sie fühlen, um sich ihrer zu erinnern, stierte Remus durch die Öffnungen in dem kunstvoll gegossenen Handstück des Schlüssels hindurch auf seinen Großvater. „Aber wie ...“ kam das Ding in Blacks Verlies in der Zaubererbank? Und wieso hatte er es Edward überlassen wollen nach seinem Tod? Der alte Mann musste fast lachen, wie er sich das betrachtete. So schlau der Junge eigentlich war, so unglaublich blöd konnte er sich aufführen und so dermaßen dämlich konnte er sein, wenn es um derlei Dinge ging.

Die Achseln zuckend, übernahm er das Denken für ihn und lächelte schon wieder. „Nun, als du das Haus damals verkaufen musstest,“ rief er ihm diesen entsetzlichen Tag ins Gedächtnis, an dem er die Stufen hinunter geschlurft war, durch den hübschen Vorgarten, der Isabels ganzer Stolz gewesen war, vorbei an Mrs. Hubbablubbs Fliederstrauch und auf die staubige Monkshood Alley, um nie mehr dorthin zurück zu kehren, „haben Black und Potter es erstanden.“ Und es fiel ihm sichtbar wie Drachenschuppen von den glänzenden Augen, wie Remus ihn nun endlich fixieren konnte.

Ha. Selbstverständlich hatten sie das. Und jetzt begriff er auch endlich diese bescheuerten Andeutungen, die Sirius damals gemacht hatte, er jedoch viel zu aufgewühlt und niedergeschlagen, um sie sofort zu verstehen. 'Vielleicht kriegst du's doch noch mal zurück', das hatte er gesagt, und Remus hatte so bitterlich geschnaubt wie der Wolfsbann schmeckte, und nicht nur sich selbst, sondern auch ihn laut gefragt, wie er sich das denn vorstellte. Und überhaupt. Beide, Black schon damals nach Alphards Ableben, aber erst recht Potter, waren so stinkend galleonenschwer gewesen, dass einem übel hatte werden können. Allein, wenn er daran dachte, was diese Hochzeit damals gekostet hatte (und das wusste er sehr genau, denn er hatte sie organisiert), schlingerte ihm eine Zahl vor Augen, die ein Kind durch seine komplette Pubertät hätte füttern und ankleiden können.

Aber das hier … Gut, was war das für sie schon gewesen? Taschengeld, Portokasse, nur ein kleines Häuschen in einem Zaubererdorf unterhalb von York. Und doch so viel mehr für ihn. Die Hand so fest um den Schlüssel schließend, dass sich das Metall in die Finger grub, schluckte Remus fest und schob sich die Rechte hart unter der Nase über den Mund, dass die Spitze hochgedrückt wurde und einschießender Schmerz durch die Scheidewand endgültig die Tränen aus den Augenwinkeln drückte. „Diese ...“ fing er an und konnte immer noch nichts weiter als stottern und stolpern mit der Zunge. „Diese … fabelhaften Vollidioten!“ heulte er los wie der kleine Junge zwischen den bordeauxroten Portieren auf seinem Bett im Turmzimmer von Gryffindor, dem drei blöde Taugenichtse gerade gestanden hatten, wie gut sie sein Geheimnis kannten und wie wenig es sie beeindruckte.

Er sah ihre Gesichter vor sich, wie sehr sie das genossen hätten, James und Sirius, egal ob mit weichen Kinderwangen oder später, wenn Black seinen mächtigen Walrossschnäuzer gepflegt hatte und Potter immer noch aussah, als wäre er auf einer höheren Evolutionsstufe und habe jegliche Befähigung zu Bartwuchs eingebüßt. Grinsend, von einem Ohr zum anderen, Sirius' hohe Jochbögen ganz rosig vor Spaß, James' Brille speckig, weil er ständig dran grabbeln musste, wenn er nervös war oder ihm was zu nah ging. 'Warum hast du uns nicht gleich danach gefragt?' schienen sie sagen zu wollen, mit den Augen rollend, als habe er sich mit einem Expectations Exceeded nicht nach Hause getraut, und dabei wussten sie das ganz genau. Weil auch ein Kerl wie Remus Lupin so etwas wie Stolz besaß.

Kirschholz, das war der bestimmende Werkstoff gewesen im Zuhause seiner Kindheit. Das Treppengeländer genau so wie die hohen Bücherregale und der blank polierte Kaminsims im Salon. Backstein und Kirschholz. Und jetzt konnten diese wundervollen Momente aus seinen Träumen wieder Wirklichkeit werden. Der kleine Junge mit seinen Silberaugen und Doras schönem Lachen auf dem Flur zwischen Küche und Haustür. Das konnte niemand ermessen, was das für ihn bedeutete. Nur die Zwei hatten es gekonnt und keine Sekunde gezögert. Was war das schon, ein bisschen Geld ausgeben für Moony? Mehr als er jemals in seinem ganzen Leben würde verdienen können.

Sich vom Türrahmen abstoßend, schlich Dora regelrecht durch ihr Zimmer und ließ sich auf seinem Oberschenkel nieder, brauchte sich weder anzukündigen, noch um Einlass zu bitten, wie er augenblicklich die Körperhaltung öffnete und einen Arm um ihren Rücken schlang, um sich gegenüberliegend am Rippenbogen zu verhaken. Er sagte kein Wort, hielt ihr nur den Schlüssel hin und verriet damit mehr, als tausend Worte gekonnt hätten- 'Jetzt kann ich sein, was du brauchst. Was ihr braucht'. Ein Zuhause bieten.

Es verstehend, es ihm zugestehend, aber auch gleichzeitig klar machend, wie vollkommen unwichtig ihr das immer gewesen war, schob sie die Hand sacht von sich weg und benutzte lieber ihre eigenen, um sie vom Hals her aufwärts auf seine Kiefer zu schieben und ihn fest zu halten, damit sie ihn besser küssen konnte, so herrlich bestätigend, dass Edward nur leise hüstelnd wegschauen konnte.

Mitten hinein in diesen Kuss musste sie allerdings erneut die dreieckige Black'sche Unmutsfalte auf ihre Nasenwurzel pflanzen und innehaltend zusammenzucken, als hätte ihr jemand einen Pilz in die Kapuze gespuckt, und dieses Mal zischelte sie angenervt und rieb sich die zwickende Stelle. „Aua,“ beschwerte sie sich und klopfte mit zwei Fingerknöcheln dagegen wie früher Mama an diese Zimmertür, wenn die Weird Sisters ein wenig zu laut gegröhlt hatten. Noch ganz gefangen in einer Mischung aus wonnevoller Erinnerung an zwei unglaubliche Wahnsinnsdreckskerle und glückseliger Gegenwart ihrer warmen Lippen, quietschte Remus nur fragend.

„Ach,“ moserte sie und sah dabei schrecklich niedlich aus, wie das Blumenmädchen mit den dreckigen Knien, das keinen Bock auf blonde Löckchen hatte, „das geht schon den ganzen Morgen so,“ stemmte sie eine Hand in die Hüfte und schaute so böse funkelnd von oben auf ihren Bauch herunter, als könne das Kind darin sie wirklich sehen und begreifen, dass das ein geerbtes und erlerntes 'pass auf, mein Freund, du stehst – so – kurz – vor Hausarrest bis Schulabschluss'-Gesicht war. „Ich weiß auch nicht, was das soll.“ Und damit schmollte sie nur umso mehr und ballte schon wieder die Faust, um es besser auszuhalten.

Nach Luft schnappend, prustete Edward leise und richtete sich etwas mehr auf, verkniff sich aber den Kommentar, der auch gar nicht nötig war, denn irgendwann während dieser kurzen Konversation (wahrscheinlich vermehrte Blutzufuhr zum Schädel) hatte Remus seine Denkfähigkeit wieder gefunden, und sie immer noch haltend, gestikulierte er mit der beschlüsselten Hand herum. „Errrr,“ rollte er aus dem Kehlkopf und schaute sie ganz entgeistert von unten her an. „Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass du vielleicht,“ er machte eine theatralische Pause und zwinkerte unfreiwillig, „ein Baby bekommst?“

Das kam so gar nicht bei ihr an. Nicht einmal gut. Schnippisch wie ihre eigene Mutter, quiekste Dora auf und zog den ganzen Oberkörper leicht zurück, obwohl sie ihre Hände bei ihm beließ, eine in seinem Nacken, die andere auf dem Oberarm. „Blitzmerker,“ nörgelte sie mit einem bedeutungsvollen (bedeutungsschwanger wäre zu bescheuert gewesen) Blick auf die Kugel unter seinem alten Hemd, „ich hab' kein Gurkenfass verschluckt.“

Besser nicht sagend, dass er ihr so eine Aktion durchaus zugetraut hätte, sofern sie anatomisch machbar gewesen wäre, schmunzelte Remus und konnte kaum fassen, wie unglaublich begriffsstutzig sie sich gerade gab. „Ich,“ biss er sich auf die Lippe, „meine: Jetzt?“ wurde er konkreter, und fast mit der letzten Silbe rauschten die Knuts zum Sickle durch und Dora zog so herrlich bekloppt einen Mundwinkel herunter, dass er Ähnlichkeit mit einer der Lefzen des großen schwarzen Hundes Tatze bekam, und ihre braunen Augen glitten wandernd ins Leere ab, so als müsse sie in sich hinein horchen und ihre Gedanken dagegen ordnen.

„Oh,“ murmelte sie schlussendlich und rutschte sich etwas bequemer zurecht, bevor sie wieder an ihre Seite griff und den nun endlich korrekt einsortierten Schmerz ganz anders wahrnahm. „Das,“ holte sie Luft, ehe sie weitersprach, „entbehrt nicht einer gewissen Logik.“ Auf der eigenen Zunge herumkauend, sagte Remus gar nichts mehr und schaute sie nur noch an, und sie bemerkte kaum den grünlichen Schimmer, der sich unter seinen Lidern ausbreitete, während sie saßen und warteten auf wusste der Himmel was. Schließlich schnappte Dora noch mal nach Luft und stemmte sich hoch auf die Füße, den Kopf und die Augen darin so feinschlägig hierhin und dorthin zucken lassend, als beobachte sie einen panischen Schnatz in schlechtem Wetter, und dann drehte sie sich herum und stürmte in die Küche zurück, um lautstark nach ihrer Mutter zu rufen, die eigentlich direkt vor ihr stand und auch sofort „Merlin's Bart, Nymphadora!“ schollt.

„Mutter!“ erntete sie dafür, noch bevor sie den gräulichen Namen komplett ausgespuckt hatte, und dessen Nennung ihre Tochter jetzt für völlig unverdient hielt. „Hör auf mit dem Gekoche, es geht los!“ Ohne auch nur eine weitere Erklärung zu benötigen, schlug Andromeda die Hände vor dem Gesicht zusammen und gackerte los, tauchte die Tasse gleich vollständig in den stinkenden Zaubertrank und verlöschte mit der Anderen den Bunsenbrenner unter dem Kessel. Das hier war eh fertig. „Ja, worauf wartest du dann noch?“ konnte sie nicht begreifen, wieso ihr dussliges Kind dann noch hier herumstand. „Husch, nach oben mit dir!“

Als verlange sie von ihr, nackt und ganz allein zehn Mal rund um das Quidditch-Stadion unterhalb des Schlosses zu laufen, greinte Dora und schlug sich hilflos mit den flachen Händen gegen die Seiten der eigenen Oberschenkel, bis ihr Abhilfe einfiel und sie flehentlich „Remus!“ rief. Mit den Augen rollend wusste er schon was jetzt kam, stemmte sich von der Bettkante und versenkte den Haustürschlüssel von Monkshood Alley, 12, in seiner Gesäßtasche. „Trag mich rauf!“

Seinem Großvater einen wissenden Seitenblick zu werfend ('Weiber!'), schickte er sich an, dieser Bitte nach zu kommen.
Der Großvater musste nun schon selbst lachen und stand ebenfalls auf, um ihm zu folgen, wurde Zeuge, wie Andromeda ihren kaum jüngeren Schwiegersohn abfing und ihm die auch von außen jetzt glitschig-schmutzige Tasse in die Hand drückte. „Trinken,“ befahl sie, ehe sie ihn an ihr vorbei schreiten ließ, und jetzt mit dem gleichen Geräusch, dass ihre Tochter gerade noch wegen der vollständigen Anrede fabriziert hatte, fügte er sich in sein Schicksal, setzte an und schüttete den Wolfsbann auf Ex herunter. Da konnte Merlin schon gar nichts mehr dafür, und deshalb war ein „Scheiße, ist das eklig“ völlig in Ordnung, wie er den Becher auf den Tisch donnerte und Doras Bitte erfüllte.

Ihnen dicht auf den Fersen, proklamierte Andromeda Tonks „das kann ich auch später noch wegräumen“, und mit fuchtelnd erhobenen Händen eilte sie hinter den werdenden Eltern her, um ihrem eigenen Kind behilflich sein zu können (die einzig anwesende Person mit Erfahrung auf diesem Gebiet), und Edward blieb mit Spellbound in der völlig versifften Küche voller giftiger Pflanzen und heißer Zauberutensilien zurück. Der Kniesel stupste noch immer mit der feuchten Nase die mittlerweile zerbissene Schlafbohne an, schaute zu seinem Herrn auf und schien nicht so recht zu verstehen, was hier eigentlich los war. „Mau?“ schnurrte er nur fragend, und Edward Lupin schüttelte den Kopf und begann, ihm den schwarzen Nacken mit dem Aalstrich zu kraulen.


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