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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Was dazwischen steht

von Teekon

Direkt am östlichen Rasen schlüpften sie unter dem vorgestreckten Kopf des Kamels hindurch und verschwanden zwischen den langen Reihen der Bäume, fort von den Häusern und dem breiten Boulevard der Kensington Road. Sogleich umfing sie angenehme Düsternis und eine Privatsphäre, wie sie sonst nirgends in der großen Stadt von London & Westminster zu erreichen war. Schließzeit war längst durch, über das Jahr verteilt nie später als Viertel vor Zehn, aber so richtig interessierte das niemanden in einer lauen Sommernacht wie dieser.

Noch immer bevölkerten kleine Grüppchen von Picknickern die weiten Rasenflächen, bauten scharenweise herunter geglommene Einmal-Grillsets ab, und fröhlich schreiende, lachende Kinder rannten kreuz und quer zwischen den geometrisch angelegten Pfaden herum, bolzend und Frisbees werfend, während einzelne Jogger und Spaziergänger über Wege und Straßen flanierten, als gäbe es so etwas wie ein Nachtverbot gar nicht. Die beiden Bobbys jedenfalls in ihren dunklen Anzügen, die Seite an Seite mit schwingendem Schlagstock in Richtung Serpentine Gallery davon schlenderten, machten keinen Menschen darauf aufmerksam.

Gerade weil er sich mehr Abgeschiedenheit von diesem Weg erhofft hatte, duckte sich der unwesentlich kleinere der beiden Männer etwas tiefer zwischen die eigenen Schultern, doch jetzt wollte er sich nicht länger zurückhalten und konnte auch nicht. Längst war ihm die Ungeduld in tiefroten Schatten aus dem Kragen seiner Gibson-Jacke gekrochen und zeigte sich als fingerförmige Streifen an Hals und Mundboden, aufsteigend und beißende Wärme in seinen Schädel drückend. Als wäre es nicht schwül genug gewesen zwischen den Häuserterrassen des noblen Viertels am Südrand der beiden großen Parks.

Ihn schräg von der Seite, halb über den eigenen Rücken hinweg anfunkelnd, flogen ihm die Locken um die Ohren, zurückgekürzt auf modisches Maß, und seine Augen glühten in der abendlichen Dämmerung unter den Ästen der Allee. „Wie konnte das passieren?“ herrschte er seinen Kameraden zischend an und gestikulierte so heftig, dass sein Ärmel ein knallendes Geräusch verursachte und der Ältere zusammen zuckte. Stehen blieb er jedoch nicht, eilte nur weiter mit langen, ausholenden Schritten, um erst zu ihm aufzuholen und ihn dann beinahe zurück zu lassen.

„Es tut mir leid!“ wisperte er, die Stimme rauchig und deshalb kaum zu verstehen, erst recht nicht, weil ein Mädchen voraus kreischte und hüpfend davon sprang, gejagt von zwei Gleichaltrigen mit einer Wasserpistole. Die Entschuldigung traf offenbar auf taube Ohren, und als hätte er sie gar nicht ausgesprochen, erntete er nur einen weiteren dieser strafenden Blicke unter S-förmig aufgetürmten Brauen hervor. „Sonstwas hätte sein können!“ fauchte Sirius Black und wusste nicht so recht, wo er mit seinen Händen hin sollte. In Übersprungshandlung griff er sich an die Revers, dann wieder fielen die Arme herab, dass ihm die Ellbogen durchhingen und schmerzten. Aber auch diese Haltung änderte er rasch wieder.

Er war ehrlich wütend, das war nicht gespielt und in freundschaftlicher Manier lustig übertrieben, um ihn zu schellten und auszulachen ob einer solchen Nachlässigkeit, Remus spürte das genau. Kannte ihn viel zu gut dafür, den Mann an seiner Seite. Und er mochte das nicht. „Ich hab' das nicht mit Absicht getan!“ erinnerte er daran, wie peinlich es ihm selbst gewesen war, dort auf dieser Bank einfach weggenickt zu sein, eingeschlafen, am hellichten Tage, kurz vor Ende seiner Schicht an diesem doch eher repräsentativen als wichtigen Posten im zaubererreichen Viertel von Kensington.

Ja, hier lebten viele von ihnen, weniger Familien als einzelne Herrschaften, die klassischen alleinstehenden Tanten und Onkel bekannter Clans, sozusagen die magische Single-WG Großbritanniens. Alphard hatte hier seine stilvolle Wohnung gehabt, Amelia Bones residierte zwischen vielen kleinen Parks und Grünanlagen, und Richterin Meadowes hatte einst gar nicht so weit am Rande des Universitätscampus ein Apartment besessen. Es war nicht schlecht, hier – sofern genügend Leute dazu abgestellt werden konnten – eine Wache herumlaufen zu haben. Einfach nur, um Präsenz zu zeigen.

Wichtiges zu schützen, galt es hier nicht, aber das hielt Sirius nicht davon ab, mächtig zornig zu sein. Und das, weil er sich nicht gemeldet hatte. Weil er nicht zum vereinbarten Zeitpunkt am üblichen Treffpunkt gewesen war, um den Staffelstab an seine Ablösung, Sturgis Podmore, weiter zu reichen. Denn nicht nur bei dem hatten daraufhin alle Alarmglocken geschrillt. Und diese Panik, die war es jetzt, die Blacks Gemütszustand anfachte. Das wusste Remus genau, und dennoch war er nicht in der Stimmung, ihm das durchgehen zu lassen. Schließlich war es ihm selbst mehr als unangenehm.

Pflichtvergessen, das war mit Sicherheit keine Charaktereigenschaft des Remus Lupin, oh nein, nie gewesen. Und er war kein Schwächling, er konnte eine Menge aushalten, auch mehrfach in einer Woche Wachdienst, auch fordernden Posten in Hogsmeade oder innerhalb der Bannmeile, und er rühmte sich still eines unerschütterlichen Rückgrats, selbst bei Nässe und Schnee und knurrendem Magen. Und er konnte sich selbst nicht erklären, wie das geschehen war. Doch, konnte er. Denn irgendwann, ja, da war es auch für einen furchtlosen Kämpfer zu viel.

„Ach!“ schnaufte Sirius patzig und schlug förmlich die Luft, wie er weiter hastete, als kämen sie zu spät zu McGonagalls Verwandlungsstunde (was nie besonders hübsch gewesen war), und die so strengen Falten zwischen Augen und Haaransatz kräuselten sich auf, um gleich wieder in akkurate Horizontale zurück zu rutschen. „Das ist doch sowas von scheißegal,“ fluchte er, und gerade diese Ungebührlichkeit zeigte nur umso deutlicher, wie sehr er aufgewühlt war. Und Remus fühlte ein hässliches, ziehendes Knurren in der eigenen Brust. Das war nicht fair, verdammt noch mal.

Er wollte das nicht zugeben. Er wollte nicht eingestehen, wie geschwächt er noch gewesen war vom letzten vollen Mond, den er irgendwo in den Mooren verbracht hatte, und schon gar nicht wollte er wie ein Waschlappen dastehen. Aber Sirius kannte eben nur die halbe Wahrheit, er wusste nichts von den Abdrücken schwerer Kisten zwischen seinen Schulterblättern und der zusätzlichen Anstrengung langer Nächte an den Piers und Docks. Und davon sollte er auch nichts erfahren, genauso wenig wie alle anderen. Abgesehen von ihr. Und sie würde es niemandem verraten, solange er sie darum bat, es für sich zu behalten. So allerdings konnte er die Müdigkeit nur halb erklären, und das stellte ihn in ein Licht, das ihm ganz und gar nicht gefiel.

„Sirius, bitte,“ flehte er förmlich, dass sein Bärtchen ineinander geschoben wurde und fürchterlich zerknittert aussah, die Augen mit einem Mal ganz matt. Trotzdem war das nicht sein so wohl bekanntes, über viele Jahre in Hogwarts zur Perfektion gebrachtes Deeskalationsgesicht, für das ihn Typen wie Snape nur umso mehr verabscheut hatten. Lupin, der sich niemals wehrt. Lupin, der jeder Konfrontation aus dem Weg geht. Lupin, der nicht einmal wütend wird. Weil er es innerlich eben doch manchmal war, und heute, die eigenen Barrieren genauso wabbelig wie seine Knie, ganz besonders.

Es brachte wenig. Es brachte eigentlich eher das Gegenteil. Sich in seinem eiligen Gehen, kein Laufen – weil ein Gentleman … nicht wahr? - zur Seite werfend, um einem überhängenden Strauch auszuweichen, drückte Black ein abschätziges Geräusch durch die Nasenmuscheln. „Sirius, bitte,“ äffte er seinen Freund nach und warf beide offenen Hände hoch wie ein erschrockenes Mädchen, doch ehe Remus darauf reagieren konnte, empört und verletzt, einen derben Kloß hinter dem Brustbein, schüttelte er den Kopf. „Ich hab' mir solche Scheißsorgen gemacht, und du ...“ konnte er kaum fassen, wie einfach Lupin die Geschichte abzutun versuchte.

Mitten auf dem Pfad aus Sand und Kies, die Umgebung halb vergessen, wurzelte Remus in gestrecktem Trab am Boden fest, dass seine sehnige Gestalt wie eine Feldmarkierung zurückschnackte, als wäre er halb aus Gummi. Das Gesicht mit den beiden parallel verlaufenden Rinnen aus fransigen Narben glühte auf wie ein Tauchsieder in klarem Wasser, und genauso schien er die Luft um sich herum in Brodeln zu versetzen. „Black, verflucht, es – tut – mir – leid!“ wiederholte er sich nicht nur einfach, sondern platzte er heraus, laut genug, um einen Hundebesitzer und dessen Terrier aufzuschrecken, der ein kläffendes Bellen von sich gab und in Habacht stehen blieb.

Davon wenig beeindruckt, drehte Sirius sich umständlich herum, ohne den Körper aus der Laufrichtung zu wenden, und mit weiter unverhohlenem Zorn musterte er den früheren Zimmergenossen aus den Augenwinkeln. Einander gegenüber stehend wie zwei Straßenjungs vor dem Revierkampf. Was sollte er denn sonst noch sagen, damit dieser Idiot ihn endlich in Ruhe ließ? Remus wusste es nicht, und das mochte er genauso wenig wie diese ganze Situation. Und er hatte keine Lust darauf, es einfach hinzunehmen und wegzuschweigen und so zu tun, als seien sie auf einem netten Abendspaziergang. Auch wenn die aufziehende Nacht kaum schöner dafür hätte sein können.

Noch immer funkelten Blacks Regenbogenhäute, dass die so dunkle Farbe einen Anstrich von Gold bekam, und er knirschte mit den Zähnen und schüttelte erneut die Locken aus, mehr laut denkend als es sagen wollend: „Krone,“ und er nutzte den verniedlichenden Spitznamen nicht, um zu entschärfen, sondern als Deckung, als Code, „macht einen auf 007 und du, ausgerechnet du, ziehst so 'ne Nummer ab.“ Selbst in nicht gerade blendender Stimmung, überhörte Remus es fast, und nur leise anklopfend an sein Bewusstsein drang der Grund für Sirius' miese Grundstimmung. Daher lief der Hase also. Der Ausflug der Potters unter dem Tarnumhang. Der war Schuld.

Remus griff sich ins Gesicht und wischte mit der ganzen Hand von der Stirn über den Nasenrücken und die Lippen, um sich den Bart zu raufen, wie er einen tiefen Atemzug nahm und mit den Augen rollte. „Einmal,“ wollte er langgezogen beginnen, doch Black schäumte erneut über und winkte heftigst ab, dass ein Schwirren entstand, als habe er eine Frisbee geworfen. „Einmal, einmal!“ blaffte er. „Nichts, einmal!“ Förmlich ausspuckend. Und Remus wollte einen Schritt zurücktreten.

Nicht, weil er jemals Angst vor Blacks Ausbrüchen gehabt hätte. Nicht einmal wahren Respekt flößten ihm die ein. Das Temperament des jungen, stattlichen Zauberers, unschlagbar mit dem Holz, längst das Oberhaupt einer altehrwürdigen Sippe, gesegnet mit deren unbändigem Talent und eine Erscheinung, so ehrfurchtgebietend wie seine größten Vorfahren, das kannte er genau, das schätzte und ja, das liebte er auch an ihm, aber er wusste eines genau: Schreien, kochen, sogar beleidigen, das konnte Sirius. Niemals würde er seine Hand erheben. Er war nicht wie sein bester Freund, der vor Hitze körperlich werden konnte. Als er noch heiß gewesen war. Abgekühlt vor lauter Vaterliebe.

Das war es nicht, was Remus zurückschrecken ließ. Ein merkwürdiges Glühen, wie eine Kugel aus Feuer, stieg ihm in den Eingeweiden hoch, wie ihm dieser Blick in Sirius' Gesicht gewahr wurde. Das war eine gärende Mischung aus Misstrauen, Kummer, Verwundung und aufkeimendem Hass beinahe, so als wolle er sich dieses Gefühl noch verbieten und es gleichzeitig zärtlich nähren, sollte er es tatsächlich brauchen. Keine Ahnung, was das war, woher das kam, und im selben Moment dessen doch schmerzlichst bewusst. Verrat um sie herum. Und keiner konnte genau sagen, wer es war, und ob derjenige nicht neben einem schlief.

Sprachlos geschlagen, die eine Hand noch immer am bärtigen Kinn, die andere schlaff herunter hängend, starrte Remus seinen Freund nur an, konnte nichts erwidern und sich nicht verteidigen, wie Sirius endlich ein paar Dinge sagte, die ihm schon so ewig lange unter den Nägeln brannten, die er vielleicht gar nicht hatte preisgeben wollen. Vom eigenen Zorn dazu gezwungen. „Du kommst nicht nach Hause,“ klagte er an, und für einen Augenblick war Lupin sich nicht sicher, welchen Ort genau er damit meinte. Und das Flackern in Sirius' Augen spiegelte die selbe Empfindung wieder.

„Wie oft habe ich nachts bei dir geklopft, und du warst nicht da?“ Dass er keine Antwort erhielt, stachelte nur weiter an. „Wo bist du dann, Remus, wo?“ Im Gegenteil. Er schaute auch noch weg. Den Kopf so weit zur Seite drehend, dass er ihm die ganze Wange mit Kotelette und Ohr präsentierte, wandte sich Remus von ihm ab und verbarg damit die Fenster zu seiner Seele vor ihm. Damit er nicht darin lesen konnte. Weil dieser Klumpen jetzt durch den Brustkorb kroch, wie an einer Winde gezogen, am Atmen hinderte und bereits den Kehlkopf zu blockieren drohte. Warum konnte er ihn nicht einfach lassen? Musste er es denn aussprechen? Musste man einem Menschen, der einen so gut kennen sollte, der jedes Geheimnis seines schweren Lebens mit ihm geteilt hatte, die Pein offen legen?

In der mehr und mehr andunkelnden Nacht unter wenigen sanft weißen Laternen von den befahrbaren Straßen der Kensington Gardens her, war es schwierig, die Mimik des anderen zu lesen. Sirius Black stand nur da, die Zähne mahlen lassend, dass feste Knoten aus Muskulatur an seinen Kieferwinkeln hervorstachen, und die spitz zulaufenden Winklepickers scharrten unruhig im Sand, ohne dass er die Füße groß bewegte. War Remus blass? Oder war er errötet? Er konnte es nicht erkennen, und er war sich dennoch sicher, glitzernde Tropfen in den Wimpern verfangen zu sehen. Vielleicht half es.

Als werfe jemand eine Decke darüber, verrauchte die schlimmste Wuthitze, und dumpfe Wärme legte sich über Herz und Seele, die er noch nicht als beruhigend empfinden konnte. Weil die Fragen noch immer da waren. Oft darüber nachgedacht, gegrübelt, in schlaflosen Nächten auf seinem Baldachinbett in Bordeauxrot, wenn Sternenlicht durch die Vorhänge auf das Parkett fiel und der Freund einfach nicht da war, wo er hingehörte. Oder wo er sich ihn gewünscht hätte. Wenn er schon nicht alle zusammen haben konnte, dann wenigstens den so lieb gewonnen Trost, der aufrecht hielt und durch eine Nacht brachte, die länger währte als von Dämmerung bis Sonnenaufgang. Die Finsternis des Krieges mit seiner so grauenhaften Drohung. Sie würden alle sterben. Für einen winzigen Moment wusste es Sirius Black.

„Ich muss Geld verdienen, Sirius.“ Hatte er das gesagt? Oder hatte sich Black vorgestellt, er würde etwas sagen? So leise, so heiser und tonlos war es herausgekommen, was Remus da von sich gegeben hatte, Erklärung und Geständnis in einem – Canary Wharf – dass sein Gegenüber im Gibson sich nicht rührte. Abwartete. Lupin führte es nicht weiter aus. Das brauchte er nicht, und aus der soeben noch von Sorgen heraufbeschworenen Erbitterung wurde eine schale Flüssigkeit aus trauriger Anteilnahme und beschämtem Kummer. Weil jemand wie er keinen anständigen Job bekam, den er bei Tageslicht und in der Öffentlichkeit hätte ausführen können. Mit Liebe und Anstand und der gleichen Freude an harter Arbeit, die er in der Schule an den Tag gelegt hatte.

„Das musst du nicht,“ schüttelte er vorsichtig den Kopf, wappnete sich schon für genau diese heftige Reaktion, die Remus ihm entgegenbrachte. Fast so aufgebracht wie er gerade noch, dabei aber tausendfach milder und niemals in gleichem Maße brennend, doch viel niederschmetternder gerade dadurch, warf er beide Hände von sich. „Doch, das muss ich!“ Er wollte dieses darin versteckte Angebot nicht annehmen, egal, wie oft Black es ihm vorbrachte. Nicht nur für sich selbst, für sie alle hätte Sirius problemlos sorgen können, sie alle in diese so modischen, gut geschnittenen Kleider stecken können, wie Miss Gainsworth sie so eindrucksvoll schneiderte in einer Mischung aus modernem England und klassischem Zauberertum, und für einen Augenblick sah er Remus vor sich stehen in perfekten Holy Roller Hipstern und dem gleichen „Vinnie“, wie er ihn selbst trug. Fabelhaft.

Das Bild verpuffte wie ein ausgeblasenes Löwenzahnlicht. Es waren nur ausgewaschene Cordhosen an laberigen Hosenträgern und ein ehemals gestreiftes Hemd, das jetzt ausschaute wie eine Nebelbank. Sah so ein Spion aus? So ärmlich und erbärmlich und gleichzeitig so lebendig, dass man ihn umarmen wollte? Er war nicht dumm. Er wusste genau, dass sich nichts ändern würde an seiner Situation, egal, welche Seite gewann. Aber umso schlechter, umso gesetzloser und ungeschützter, wäre er unter Dem-dessen-Name-so-viel-Schrecken-barg. Die anderen, Seinesgleichen, die mochten das nicht erkennen, nicht erkennen wollen, aber Remus wusste es. Und Sirius verstand es. Wenn auch nur für diesen einen Moment, das dunkle Gewässer des Long Water in seinem Rücken, die sich leerenden Wiesen und leise rauschenden Alleen voraus.

So viel weicher jetzt, auch in seinem Gesicht der Zorn abebbend, deutete er mit ausgestrecktem Finger auf die ausgebeulte Tasche seiner Tweedjacke, die er selbst in dieser so herrlichen Sommerwärme, Glühwürmchen im Dickicht, noch immer nicht ablegte. „Und was hast du da drin?“ musste er die Chance nutzen, nun auch dieses merkwürdige Kleinod erklärt zu bekommen. Lupin nahm es nicht einmal heraus. Wusste sofort, was er meinte, und seine Hand schloss sich durch den festen Stoff um das winzige Messinggehäuse, das eine Weile so oft trillernd ausgeschlagen hatte und nun so oft so grausam stumm blieb. Seine Augen rollten im Schädel nach oben, wie er die Lider schloss und das Kinn schwenkte. „Das ist bloß ein Kompass,“ flüsterte er.

Ein Kompass. Sirius hatte gelernt, was das war, selbst einen an seinem heiß geliebten Motorrad, das er nun so viele Male für Aufklärung genutzt hatte. Wozu er sowas brauchte? War das wichtig? Warum er das Ding immer mit sich herumschleppte, manchmal darauf stierte, als könne er es dadurch zum Sprechen bewegen? Er wollte nicht mehr fragen. Das Gefühl, vorhin noch so stark und unerbittlich, das ihn dazu hatte bewegen wollen, ihn am liebsten auszuquetschen, diesen Vollpfosten, der einfach so mitten im Dienst auf einer Bank einpennte und sie alle in helle Aufregung versetzte, war geschrumpft und nun so klein, dass er es nicht mehr finden konnte.

Als habe er ihm die Haut abgezogen bei lebendigem Leibe. So stand er da, rohes Fleisch, einem Wüstenwind ausgesetzt, Salz darüber gestreut, so verletzlich und so angegriffen in seiner peinlichen Armut, und Sirius schämte sich fast. So gern hätte er sich entschuldigt, hätte ihm die Wunden verbunden und ihm die Tränen getrocknet, aber das konnte er nicht, hatte er nie so richtig gekonnt, nur auf diese eine Weise, die irgendwie nicht mehr möglich schien. Weil auch dafür das Misstrauen zwischen ihnen allen zu groß geworden war, eine Drohung, schwarz, ein Schatten in Form eines kahlen Schädels mit schlangenartigen Zügen und einer wallenden Robe, die sich blähte in absoluter Flaute. Oh, wie er das hasste.

Sirius vermochte sowas einfach nicht. In Worte fassen, was er dachte, was er fühlte, das war nicht seins. Sich entspannend, ließ er die Schultern sinken und seufzte leise. Musste es eben anders gehen und er hoffen, dass es ausreichte. Einen Arm ausstreckend, verharrte er, wartete ab, ob Remus annehmen würde, und Lupin erwiderte, indem er sich aus der zurückgebeugten Haltung in die aufrechte Position brachte. So konnten ihn die gepflegten Fingerspitzen berühren, und Black fasste sanft seinen Oberarm.

Eine stumme Aufforderung – 'komm' – nicht einmal ein Schubs, und die beiden Männer setzten sich wieder in Bewegung. Langsam jetzt, nicht mehr in so gehetzter Eile, schritten sie mit schlenkernden, ausladenden Schritten am Ufer der Waters entlang, immer nach Norden, in Richtung Lancaster. Peter Pan verbarg sich dort zwischen den Bäumen und Sträuchern, und darüber würden die klaren Linien des Italienischen Gartens unter dem abnehmenden Mond schimmern, frisch gegossen die Buchshecken.

Der Weg war nicht kurz, aber er war schön, erst recht zwischen zirpenden Grillen und einer merklichen Abkühlung der Schwüle des Tages. Wie lange sie gingen, ehe ein Wort gesprochen wurde, die Schultern, die Arme, die Hüften sich immer öfter wieder berührend, ohne dass es harte Schübe aus unangenehmer Verlegenheit in den Kopf trieb, das wusste keiner von beiden so genau. Nur eins war klar: Viel zu lange dauerte diese Auseinandersetzung nun schon, und es tat niemandem gut. Vielleicht einfach mal an der Zeit, zu einander zurück zu finden. Wer wusste schon, wie viele Tage einem noch blieben?

Magenknurren half. Remus' Bauch verursachte ein so offensichtliches Geräusch, dass er sich ungläubig daran greifen und das Hemd darüber reiben musste, leise winselnd dazu, und Sirius spürte, wie ihm endlich ein feines Lächeln unter den stattlichen Schnäuzer kroch. Ja. Essen wäre gar nicht schlecht. Aber er wollte nicht davon reden. Weil es Geld kostete, das Lupin nicht hatte. Er wollte ihn an nichts erinnern, was ihm jetzt noch mehr weh tun konnte. Es war eine Schande, ihn so zu sehen. Ungerichtete Wut dagegen blieb dieses Mal kühl und zahm.

„Willst du nach Hause?“ fragte er ihn, und erneut konnte Lupin sich nicht recht entscheiden, was genau er damit meinen könnte. Ja, sicher, er war müde. Deswegen war er ja eingeschlafen. Doch jetzt, erst recht nach dieser scheußlichen Szene, konnte er sich schlafen, träumen, nicht recht vorstellen. Den Kopf schüttelnd, stopfte er sich die Hände in die Hosentaschen und schlug das Jacket zurück, die Achseln zuckend im selben Moment. Die Lichter der Baywater Road leuchteten zwischen den Bäumen auf, wie sie die Grenze des Parks langsam erreichten.

Ihn nur aus dem Augenwinkel betrachtend, war sich Sirius zum ersten Mal in all diesen Jahren, seit dem Tag, an dem sie im selben Nachen über den Schwarzen See von Hogwarts geschwommen waren, nicht sicher, ob er einfach zurückkehren konnte zu Albernheit und Brüderschaft und einer ihm von seiner Kindheit so unbekannten Zärtlichkeit, die er mit seinen drei Seelenstücken so leicht und simpel hatte teilen können, ohne sich jemals seltsam vorzukommen. Lächerlich, wie zittrig ihm das über die Zunge rollte: „Kino?“ fragte er. „Hast du Lust?“

Wie schön er die Lippen verzog und seinen Bart malträtierte damit. „Was läuftn?“ antwortete Remus, ineinander geknickt und schlurfend, das Thema Münzen und Scheine schon total verdrängt, ganz woanders mit den Gedanken. „'In tödlicher Mission',“ schlug Sirius vor, und dieses Mal musste er grinsen, befreit. Ja. Es ging. Genauso leicht wie damals an der langen Tafel von Gryffindor in der großen Halle, wenn er Witze über Lily Evans' wachsende Weiblichkeit gerissen hatte, oder wenn James Potter frisch beigebrachte Zauber an Snapes Unterhosen ausprobierte. Es tat so gut, als sei soeben die Sonne mitten in der Nacht zurückgekehrt.

Remus schnaufte und schüttelte den Kopf. „Hast du den nicht schon drei Mal gesehen?“ entsann er sich sehr gut der bereits kompletten Plot-Beschreibung inklusive sämtlicher Spoiler durch eben diesen Herrn hier. „Pfft!“ machte Sirius und schlang seinen Arm fester um die Schultern des Mannes neben sich. „James Bond kann man gar nicht oft genug sehen.“ Und Lupin lächelte von der Seite her auf ihn herab und konnte es nicht fassen. Black. Sirius Black. Ein wandelndes Oxymoron. Und der Allerbeste.

Ihn ebenso an sich ziehend, sagte er kein Wort mehr, und nie wieder sprachen sie über Geld, über Aldgate East, über verborgene Gefühle, die tiefer gingen als der Marianengraben, über alles, was zwischen ihnen stand und stehen konnte oder eigentlich gar nicht da war, bis die Wahrheit unter dem Vollmond an der Peitschenden Weide endlich ans silberne Licht trat und nichts Anderes mehr von Bedeutung war als Freundschaft.


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Es hat mich beruhigt, zu sehen, dass eigentlich niemand die Szenen beim ersten Take schafft.
Evanna Lynch