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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Die Ruhe

von Teekon

„Und vergesst nicht: Waldmeister! Ihr braucht jede Menge Waldmeister!“ quasselte die alte Dame ununterbrochen weiter, auch noch, als er längst, dabei beschwichtigend und so höflich wie möglich immer nur „ja, Tante Batty, ja, ich versprech's“ wiederholend, die schwere Tür zwischen sich und ihr bunt gestricktes Wollkleid gebracht hatte. „Auf Wiederseh'n, Tante Batty!“ flötete James Potter regelrecht melodiös, und endlich verstummte das Gesabbel, wie Haken in Schloss griff. Zu. Und eine angenehme Ruhe senkte sich auf die Ohren.

Erst einmal konnte er gar nichts tun, außer sich mit der ganzen linken Schulter gegen das so wohl vertraute Holz zu lehnen, noch immer die Hand am Knauf und hinaus lauschend, ob ihre Filzpantoffeln über knirschende Kiesel trotteten und schließlich leiser wurden, sobald sie das angelehnte Törchen durchquert und den ungeteerten Weg erreicht hatte, der ins Dorf hinunter führte. Nicht einmal einen Blick durch die Butzenscheiben riskierte er, um das zu überprüfen. Aber das war auch nicht nötig, denn Bathilda Bagshot fand sogleich auf der Straße ein neues Opfer und begann, auf Mr. Sweetmeats, den Konditor einzureden, und ihre Stimme entfernte sich mehr und mehr.

Erleichtert seufzte James ungehörig laut, doch nicht einmal Lily beschwerte sich darüber, sondern lachte nur glockenhell auf am anderen Ende des Erdgeschosses, sagte nichts dazu. Er hatte da schon recht: Die uralte Hexe aus Godric's Hollow konnte ungemein anstrengend sein, und heute war das mal wieder besonders ausgeprägt gewesen. Was sie dieses Mal so in Aufregung versetzt hatte, in eine Anspannung, die sie nur durch einen Muskel – ihre Zunge – zu lösen vermochte, konnte keiner von ihnen beiden so genau erkennen. Selbst wenn sie es direkt in Worte gefasst hätte, wäre es in all dem Schwall gnadenlos untergegangen.

Sich aufrichtend hatte der junge Hausherr das Gefühl, die Sonne könne wieder etwas freier vom Himmel scheinen, und bei Merlins blauen Wunderaugen, das tat sie! Fabelhaft warm, ohne schon die Hitze des nahenden Sommers mitzubringen, glitzerte sie zwischen blendend weißen Cumolonimbuswolken und warf springende Schatten wie tanzende Elfen in den Vorgarten. Die Hecke, die feinen Ligusterblättchen noch glänzend von morgendlichem Tau, wirkte wie ein Kaleidoskop, und Farben spielten darin in winzigen Regenbögen. Herrlich sah das aus, einfach nur unendlich schön, wie Mutters weiße Albéric Barbier ihre ersten Blütenköpfe aus dem dichten Blattwerk streckten und mehr und mehr die Fassade des Cottage mit der Rose bedeckten. Fast ein bisschen wie im Märchen.

Immer wieder erhebend, wenn ein Winter die Waffen endgültig streckte und dem kleinen Bruder Frühling das Feld überlassen musste. Natürlich spürte man das schon im März, erst recht im April, doch jetzt erst, wenn kein Zweifel mehr daran bestand, die ersten Schwalbenpaare mit schrillen Schreien zwischen Hausdach und Scheune hindurch fegten und der Kuckuck im Haselnussdickicht am Brückenbogen rief, lachte das Herz so laut und so frei. Sogar wenn man eingesperrt war in Dornröschens Schloss, so wie diese Drei hier.

Nur aus dem Augenwinkel zunächst, entdeckte sich James selbst in dem langen Spiegel zu seiner Linken, wo nun die schweren Roben für die kalte Jahreszeit von der Garderobe verbannt waren. Ein klassischer, schwarzer Stockschirm stak noch im Ständer, Lilys Ausgehschuhe stapelten sich in der Ecke, aber Stiefel, Schals und Mützen waren fort. Statt dessen stand da ein Mann auf seiner Türmatte, so zauberisch gekleidet in langen, braunen Cordhosen und einem feinst karierten Hemd, darüber ein Pullunder im Burlington-Muster, dass er ihn fast nicht erkannt hätte. Aber die runde Brille unter dichtem, schwarzem Haar, das wirr abstand und niemals zu bändigen war, die waren unerverkennbare Merkmale des James C. Potter.

Am liebsten hätte er gelacht, sich so zu sehen, wie eine jüngere Ausgabe von Vater fast, ihm so unglaublich ähnlich und doch unverwechselbar er selbst. Er mochte das. Ja, es gefiel ihm so. Jeans und Schlag und T-Shirts vergessen und einer anderen Welt angehörend. Oh nein, er schämte sich nicht für psychedelische Hemden und modisch geschnittene Anzüge in knalligen Farben, nicht doch. Und er fühlte sich auch nicht plötzlich weltmännisch und erwachsen, bloß weil er sich anders kleidete. Trotzdem war es eben einfach anders geworden. Zu schnell entwuchs man der Jugend vielleicht durch Krieg und Flucht und Fidelius. Doch James Potter kam es nicht wie Vergeudung vor. Es ging ihm gut.

Nicht mehr in ständiger Angst zu leben, das half ungemein. Der sichere Hafen, das heimelige Nest, in das er mit seiner kleinen Familie vor nun schon fast genau einem halben Jahr zurückgekehrt war, unbehelligt seitdem und in fest behüteter Stille, hatte ihm so viel Schwere von den Schultern genommen, so viel Gewicht von seinem jungen Rücken purzeln lassen. Klar denken, positiver in die Zukunft schauen, auch wenn keiner eine Ahnung hatte, wie es weitergehen, wie lange sie hier gefangen sein sollten, das fiel ihm leichter, und das warf ein Licht in die Brust, es brachte viel von einem selbstbewussten, albernen, lebensfrohen Jungen zurück, viel mehr als es jugendliche Kleidung je vermocht hätte.

Sich durch das ungestüme Haar fahrend, wandte er sich von der Tür ab und durchquerte mit langen, schlendernden Schritten das vertraute Wohnzimmer, in dem er schon als Kind gespielt hatte. Eine Hand dabei in den weichen Hosentaschen versenkend, griff er sich ans Kinn und hätte fast gestaunt, dort keine Pfeife zu erwischen, wie Vater sie meist zwischen den Lippen gehabt hatte, selbst wenn sie gar nicht entzündet gewesen war. Viele im Dorf sagten das: „Jetzt ist er der richtige Mr. Potter, daran besteht kein Zweifel mehr!“ Aber noch viel schöner, noch viel aufbauender, fand James den zweiten Satz, den ein jeder von ihnen unweigerlich hinterher schob: „Und 'der Letzte' ist er auch nicht mehr!“

Nein, das war er nicht, auch wenn er ihnen das Kind nur hier präsentieren konnte, in den eigenen vier Wänden oder dem umgebenden Grundstück mit Rosengarten voraus, satter Wiese und Hühnergatter, Scheune und Efeugestrüpp nach hinten hinaus. Und der Titel wurde auch nicht weitergereicht. Der Prinz des Hauses war nicht 'der Letzte', so wie er es schon als Krabbler gewesen war, obwohl er doch nun der Jüngste und Einzige der nächsten Generation war, Harry, der fröhlich brabbelnde Strahlemann. James war sich nicht ganz sicher, aber er vermutete dahinter verschmitztes Kalkül: Er und Lily waren jung, sehr jung, besonders im Vergleich zu seinen Eltern bei seiner Geburt. Und da war wahrscheinlich für sie alle unweigerlich eine Fortsetzung drin.

Und wenn er ehrlich war und sich das so beguckte, dann hatte er absolut nichts dagegen einzuwenden. Heimlich grinsend, dass Lily es nicht sah, trat er über die Schwelle zur Küche, unter dem herausgebrochenen Fachwerk hindurch, und mit einem zärtlichen Schwung umfasste er von oben Harrys noch nicht wirklich vorhandenes Kinn, dass er den Jungen fast komplett aus dieser Position heraus in den Arm schließen konnte, beugte sich über ihn und küsste ihn mit sanften Lippen auf die makellose Stirn. „Hey, kleiner Löwe,“ flüsterte er so leise, es blieb nur ein tonloses Wispern, doch dem Kind reichte das aus, und er quietschte zufrieden und lehnte sich gegen die Brust seines Vaters.

„Pa!“ säuselte er juchzend, wie er da in seinem hohen Babystühlchen saß mit einem Löffel in der Hand und hin und wieder auf dem davor aufgebauten eigenen Tischchen herumtrommelte. Keine Ahnung, wie Lily das gemacht hatte, diesen permanenten Silencio auf das Besteck zu legen, damit das ohrenbetäubende Geräusch, das davon eigentlich verursacht werden sollte, zu einem fast schon angenehmen Klimpern unterdrückt wurde. Eben einfach ein Händchen für alles, die Süße, und ganz besonders für ihren Sohn. Sich in seinem Rücken wieder aufrichtend, hörte James nicht auf, ihm den kleinen Kiefer zu streicheln.

Ja, noch den ein oder anderen Racker mehr von dieser Sorte, das wäre nicht übel gewesen. Sicherlich machte er Arbeit, und ganze Nächte damit zu verbringen, den zahnenden Quengler schaukelnd auf den Armen hin und her durchs Haus zu tragen oder im Halbschlaf Fläschen zuzubereiten, war jetzt nicht unbedingt erstrebenswert, aber so schlimm … Und James durfte durchaus von sich behaupten, kein 'Schatz, wach auf, das Baby schreit' – Vater zu sein, oh nein. Er beteiligte sich ausgesprochen fair. Mittlerweile. Das lag vermutlich allerdings auch daran, dass man hier drin nicht viel zu tun hatte, schon gar nicht im Winter. Aber Harry war trotzdem spannender als Rasenmähen und Gemüsebeete anlegen.

Andererseits – da hatte Lily selbstverständlich recht – war es eine blöde Idee, in ihrer derzeitigen Situation überhaupt nur an mehr Kinder zu denken. Und deswegen gehörte Mönchspfeffer auch zu den üblicherweise mitgebrachten Kräutern, wenn jemand für sie beide in der Winkelgasse einkaufen ging. Über den Gedanken hätte er fast laut gegrunzt, einmal vor Spaß, aber auch ein wenig verlegen sich selbst gegenüber. Den Jungs hätte das gefallen. Ach, sie fehlten ihm.

Viel zu selten kamen sie her, egal, welcher von ihnen, und seit gefühlter Ewigkeit schon nicht mehr alle zusammen. Wann war das gewesen? Ja, Ende Januar, zum Imbolg, das letzte Mal, ein Lichtfestmahl an eben diesem langen Tisch hier, und das würde er sicher nicht so bald vergessen. Gemeinsam hatten sie die traditionellen Strohfiguren gebastelt, und noch immer saß das beknackte Schaf, das Sirius zusammengestrickt hatte, auf der Fensterbank zum Garten hinaus zwischen den Töpfen von Thymian und Salbeipflanzen. „Muh!“ hatte er langgezogen gemacht, bis Harry geschrien hatte vor Lachen, auch wenn sein anderer 'Onkel' ihm darauf lang und breit (und völlig sinnlos bei einem sechs Monate alten Säugling) hatte erklären müssen, dass „muh“ für ein Lamm definitiv in den Bereich der Fremdsprachen gehörte. Alberne Spinner, die.

Nur für Pete war das Kind noch immer ein Grund, panische Flecken aus hektischer Hitze im Gesicht zu kriegen, und dabei war er doch so weich wie eine Matratze. An dem Pummel konnte man sich doch gar nicht weh tun. Schon gar nicht dieses durchgedrehte Baby, das in einem Affenzahn durch die Bude krabbeln konnte und längst sehr erfolgreiche Anstalten machte, sich an Möbelstücken in die Vertikale zu ziehen. Wenn der so weiter machte, durften sie bald Kindersicherungen an den Türen und Gartentoren anbringen. James liebte das, und er grinste breit.

OK, OK, ganz ehrlich: Er hatte wahnsinnige Angst gehabt (und das hätte er nie zugegeben), damals, vor anderthalb Jahren nun, als Lily ihm hier in ihrer gemeinsamen Küche beigebracht hatte, dass sie nicht länger traute Zweisamkeit würden genießen dürfen. Ein Kind! Ein Baby! Was für eine grauenhafte Verantwortung! Was für eine Pflicht das abverlangte! Davon konnte – und musste – einem einfach speiübel werden. Und das tat es immer noch, Merlin war sein Zeuge (auch wenn der niemals Kinder gehabt hatte). Doch war das von Bedeutung? Klar, war's das, aber nicht so, nicht niederdrückend. Kinder. So wie dieser Racker hier. Die bedeuteten alles. Die Sorge, die sie mit sich brachten, die bedeutete nichts.

Das zaghafte, fast furchtsame Miauen von irgendwo rechts von ihm, zog ihn aus seinen Gedanken, und Harry seinem unfreiwilligen Spielzeug überlassend, drehte James sich zu ihr herum. Sie stand an der Anrichte, neben der Keramikspüle, darüber das Fenster angelehnt und den süßen Duft der Majalis hinein lassend, fast so betörend wie ihre ganz natürliche Note, und er kam nicht umhin, inne zu halten und tief einzuatmen, dass jedes nur verfügbare Molekül davon an seinen Geruchssinn gelangte. Mit der Kiste beschäftigt, die vor ihr abgelegt war, bemerkte Lily das gar nicht so recht.

Ein winziges Bündel war das hell- und dunkelgrau getigerte Kätzchen, gerade einmal wenige Wochen alt und frisch von Mama und Geschwistern getrennt, die großen, honiggelben Augen weit und die Pupillen darin rund wie der Frühlingsmond. Fast ununterbrochen gab sie dieses kleine Geräusch von sich, als hätte sie nicht ohnehin schon die volle Aufmerksamkeit der jungen Hexe. „Ist ja gut,“ flüsterte Lily beruhigend und streichelte ihr das Köpfchen, während die Vorderpfoten auf den Rand der Box gestemmt wurden, damit der kleine Kater daraus heraus schauen konnte. Ganz geheuer war ihm sein neues Zuhause allerdings noch nicht.

Bathildas Geschenk. Ein Haustier, ein magischer Weggefährte, selbstverständlich mit deutlichem Knieseleinschlag, kurzer, buschiger Schwanz und waches, intelligentes Gemüt, das hätten sie schon längst haben müssen, hatte die alte Dame gemeint. Und vielleicht hatte sie da recht. Ein Haufen gackernder, eierlegender Federknäule gehörte kaum in diese Kategorie. So jung, fast noch selbst ein Baby wie Harry, war der Kater ein Geschenk fürs Leben. 30, 40 Jahre alt konnte er locker werden. Und längst hatte Lily ihn ins Herz geschlossen, auch wenn sie noch nicht so ganz sicher war, ob sie davon begeistert war, Krallen und Zähnchen in der Nähe ihres leider etwas unsensiblen Sohnes zu wissen. Er würde es selbst lernen müssen, schmerzhaft wahrscheinlich, dass Jimpson kein Spielzeug war.

Ein großartiger Name für eine Zaubererkatze, befand James erneut, wie er seine Hände rechts und links von ihr auf der Anrichte abstützte und sie damit beinahe in die Arme nahm, ganz ähnlich, wie er es gerade noch bei Harry getan hatte. Ihr offen getragenes, kupferfarbenes Haar fiel wie flüssiges Metall auf ihre schmalen Schultern, und immer wieder verfingen sich reflektierte Sonnenstrahlen darin, sponnen sich um einzelne Haare und rutschten daran herunter wie Elfen an Blütenranken. Unglaublich schön, auch nach der langen Zeit, die er nun schon in dieses Mädchen verliebt war. Und das war er immer noch, wie am ersten Tag, genauso lächerlich hochschraubend und jungenhaft schüchtern, gleichzeitig gereift und zu erwachsener, felsenfester Liebe geworden, auf die man ein ganzes Leben bauen konnte.

Dass er sowas überhaupt denken konnte, sich so poetisch und geschwollen fast ausdrücken, das konnte er eigentlich immer noch nicht recht fassen, obwohl es längst zu einem Teil von ihm geworden war. Der arrogante Quidditch-Kapitän, nun liebevoller Ehemann und Vater, und dennoch die gleiche Person. So wollte er sein. So war alles richtig, und das fühlte sich unwahrscheinlich gut an. Nie hatte James Charlus Potter darüber nachgedacht, was er mal sein, wie er mal sein wollte, als er noch in knallroten Roben mit goldener Bestickung seines Namens herumstolziert war und mit Besen und Zauberstab Platz geschaffen hatte für seinen königlichen Schritt. Es war von allein geschehen. Und darauf, ja, darauf war er wirklich stolz.

„Endlich ist sie weg,“ seufzte er an ihrem Ohr und rollte mit den Augen, dass Lily es nur sehen konnte, wenn sie angestrengt halb über die eigene Schulter lunste, und sie kicherte und schlug ihm sanft auf den Oberarm, ohne sich herum zu drehen. Ihr ging es ja ganz genauso. Sicherlich waren sie froh, oft Besuch zu haben, sonst würde ihnen in ihrem Versteck schon bald die Decke auf den Kopf fallen, doch gerade Leute wie Bathilda Bagshot musste man nicht wirklich täglich sehen. Andere wären da willkommener gewesen. „Ja,“ antwortete Lily deshalb, genauso leise.

Eine ganze Rotte tschilpender Meisen stob aus der herrlich dicht bewachsenen Laube mit der kleinen Bank darunter, die dringend mal gesäubert und damit fit für den Sommer gemacht werden müsste. Es auf ihre Agenda schreibend, machte Lily sich eine gedankliche Notiz, und ihr Blick schweifte längst ab, hinauf an die von Sonnenlicht glitzernden Steine voller Quarzeinlagerungen, den steil aufragenden Felsen hinter dem Haus, und darüber krönten sie auftürmende Haufenwolken an einem weich blauen Himmel. Frei wie sie zu sein, frei wie der Wind, der mit den Blättern des vergangenen Jahres spielte. Sie schloss die Augen und atmete zittrig aus, und er spürte das und lehnte sich gegen sie, bis sie die Geste erwiderte.

Schon merkwürdig. Im Winter war er es gewesen. Ruhelos und gereizt, wie ein Tier im Käfig, so hatte er sich gefühlt, so hatte er sich gebärdet. Nichts zu tun als auf und ab zu laufen, die Dunkelheit der kalten Jahreszeit so bedrückend und noch mehr einengend, und wie viele Male hatten sie diesen Streit – nein, eigentlich eher ein Streitgespräch – geführt, dass es zu gefährlich war, hinaus zu gehen, dass sie es nicht wagen konnten, nicht mal einer von ihnen, nicht mal im Schutz des Mantels. Und wie oft hatte er es dennoch getan, um nicht auszurasten hier drin? Öfter als sie wusste. Nur ein winziger Stich schlechten Gewissens bohrte sich einen Moment wie von hinten in den Rücken, doch er wischte das rasch fort. Nicht so wichtig.

Jetzt, wo die Blumen aus dem duftenden Boden schossen, wo Vöglein und Insekten herumschwirrten und neues Leben zu wachsen begann, war es an Lily, es nicht mehr auszuhalten. Zu lange jetzt eingesperrt gewesen, Handarbeiten und Babyhüten unter der silbernen Laterne am Kamin nicht mehr ausreichend als Beschäftigung, nicht mehr erstrebenswert genug. Sie musste hinaus. Und er verstand das nicht nur, er spürte die selbe Sehnsucht danach, sie wie einen Schmetterling tanzend und flatternd über einer blühenden Wiese sehen zu wollen, wie sie sich drehte und drehte mit wehendem Haar und fliegendem Schal aus feiner Seide, dass einem ganz schwindlig wurde allein vom Zuschauen. Er konnte nicht anders. Sie fester in die Arme schließend, legte James sein Kinn auf ihre Schulter und begann, beruhigend, tröstend, mit vibrierendem Adamsapfel, zu summen.

Jimpson maunzte wieder, vielleicht erkannte er diese Taktik von seiner Mutter, und Lily kraulte dem Katerchen das Ohr und stemmte sich regelrecht gegen ihren Ehemann, als könne sie ihn dann noch viel besser fühlen. Ihre Unzufriedenheit, gleichzeitig aber auch die Gewissheit, wie gut er sie verstand, darüber schon wieder endlos glücklich, war in der steilen Falte auf ihrer Stirn genauso sichtbar wie in dem brummenden Geräusch, das sie, halb gähnend, von sich gab, und sich reckend, ohne die Umarmung zu brechen, schmiegte sie ihren schlanken Hals gegen seinen. Der Größenunterschied zwischen ihnen minimal.

Er musste lächeln und sie vorsichtig, aber bestimmt an sich drücken, ehe er ihr seinen Vorschlag unterbreitete: „Weißt du, was wir tun sollten?“ fragte James, seine Stimme nur ein Raunen, ihr so vertraut geworden im Ton. Da war der selbe Anklang von lebensfroher List wie damals im Gemeinschaftsraum, als sie ihren Deal abgeschlossen hatten, gleichzeitig ein beinahe heiseres Begehren, wie es kein Junge je hätte verspüren oder gar zum Ausdruck bringen können. Ihm so eigen geworden. Nur ein fragendes Geräusch machte sie, den Kopf ein wenig nach hinten kippend, um ihm ins Gesicht sehen zu können.

„Wir sollten uns einen Babysitter suchen,“ schlug James vor, ohne ihren Blick zu erwidern, wusste genau, wie sich ihre Lider nun zusammen ziehen würden in Abwehr. Klar verstand sie, was er vorhatte. Und es gefiel ihr nicht, immer noch nicht, obwohl ihr Fernweh mittlerweile das seine locker überstieg. Er ging nicht darauf ein, fuhr einfach nur fort und nutzte diese ihm durchaus bekannte Tatsache ihrer Stimmung aus. „Uns meinen Tarnumhang schnappen und einfach rausgehen, irgendwohin apparieren, wo wir den Sonnenuntergang anschauen können.“ Und er hatte sie. Weil eben genau das vom Potter'schen Cottage am Rande von Godric's Hollow nicht möglich war.

Kein Fenster nach Westen, nicht mal nach Südwesten, und vom Garten aus durch die hohe Hecke und die Bergrücken nicht zu sehen, wo das Himmelsgestirn jeden Abend in leuchtenden Farben im Meer versank. Und welches Mädchen liebte das nicht, Arm in Arm zu sitzen, schweigend, kuschelnd vielleicht, einfach nur hinaus schauen gemeinsam und dieses Wunder genießen? So pragmatisch und rational wie Lily Potter, geborene Evans, sich gerne gab, so sehr war sie doch auch Romantikerin. Und wer hätte das besser wissen können als er? Und der Andere.

Nein, es tat nicht weh, an ihn zu denken, an ihn und sein Wissen, seine Gespür dafür, für sie, dem eigenen noch immer irgendwie überlegen, auch nach fast zwei Ehejahren gemeinsam. Die hässlichen Bisse des Dämons Eifersucht, die kamen nicht auf, die griffen ihn nicht an, und als hätte James das eben erst bemerkt, fiel ihm auf, wie lange schon nicht mehr. Blind gewesen? Vor Kummer und grimmiger Angst auf der Flucht? Er wusste es nicht, und es schien ihm auch nicht mehr so richtig wichtig. Weil es vorbei war. Gott sei Dank. Die Augen darüber schließend, ja, 'Gott sei Dank' überhaupt denken zu können und es einfach zu tun, lächelte James nur noch mehr und rieb seine Schläfe zärtlich an ihrer.

Sich ihm zuwendend, schien Lily diese Idee zu begrüßen. Obwohl sie noch nichts dazu sagte; Ihr Gesicht sprach Bände. Die Lider geschlossen, ein sanftes Lächeln aus dem selben Begehren und der selben Gerissenheit um die Lippen und in die Wangen hochspielend, wandte sie sich nur wenige Zoll herum, ließ den kleinen Kater zufrieden und breitete statt dessen die feingliedrige Hand aus, um seinen Kieferwinkel zu umfassen, umständlich den Arm verdrehend dazu. „Aber bitte nicht Sirius,“ hauchte sie dabei und meinte es gar nicht böse.

Fast hätte James lauthals gelacht darüber. Ja, vielleicht täte das ihrer Einrichtung gut, wenn das jemand anders machte. Der Patenonkel schaffte es ja schon, gemeinsam mit einem Knirps, der nicht mal alleine laufen konnte, die ganze Bude umzudekorieren, wenn sie beide nur mal zusammen ein wenig Zeit im Garten verbringen wollten und jederzeit anwesend und in Rufweite waren. Was würde der erst anstellen, wenn sie gar nicht zuhause waren? Und außerdem – James rutschte kurz das Lächeln aus dem Gesicht – würde er diese Idee einfach komplett Scheiße finden. Viel zu gefährlich.

Im selben Maße, in dem der aktuelle Mr. Potter sich entspannt hatte, seit der Fidelius über seine kleine Familie wachte, war Sirius Black gehetzter geworden, paranoid beinahe. Dabei war er es doch nicht, der Geheimniswahrer jemand anders, die Last nicht auf seinen Schultern. Vielleicht aber gerade das der Grund? Er erzählte nicht davon, ob er – der für die Todesser doch vielversprechendste Kandidat als sein bester Freund – besonders oft angegriffen, regelrecht gejagt wurde. Nein, tat er nicht. Im Gegenteil. James runzelte die Stirn, kurz verdüstert von dem selben Gedanken, der Tatze dabei prickelnden Unmut in den Bauch trieb: Weil sie es wussten?

Dann wären sie längst tot. Die Erkenntnis darüber, dass Peter, sollten Voldemort und seine Schwarzkittel (wie passend: Wildschweine) von seinem Part in dieser Posse erfahren, so schnell umfallen würde unter Folter, ihr Versteck keinen Pfifferling mehr wert, traf ihn nicht unvorbereitet, nicht wie der sprichwörtliche Schlag. Da war nicht einmal ein hitziges Aufbegehren in seinem Innern. Er nahm das einfach so hin. Wie immer. Der schicksalsergebene James Charlus Potter. Und war es der Andere, war es ihr Seelenverwandter, auch dann wären sie schon lange nicht mehr am Leben und Lord Voldemort uneingeschränkt an der Macht.

So bescheuert. Er hätte das immer wissen müssen, nicht erst, seit er diesen klitzekleinen, messingfarbenen Kompass in ihren schlafenden Händen gefunden hatte. Remus wusste, wo sie waren, hatte es auch immer gewusst, als sie noch schutzlos auf der Flucht quer durch Großbritannien unterwegs und jederzeit angreifbar gewesen waren. Hätte er die Seiten gewechselt, heimlich, unter dem Mantel seiner mittlerweile ausgefeilten Okklumentik – ja, auch davon wusste James, dank Sirius' aufmerksamer Beobachtung – es gäbe keine Potters mehr. Oder zumindest keine männlichen. Wäre er der Verräter.

'Verräter'. Dieses Wort schmerzte noch immer, und hätte er nicht Lily im Arm gehabt in diesem Moment, er hätte sich fest das Brustbein reiben müssen, weil es stach und kribbelte, wie er daran dachte. Sich nie dafür entschuldigt, nicht mal mit ihm darüber geredet. Das tat ihm leid. Dafür schämte er sich. Und hier und jetzt beschloss James Potter, dass es dringend an der Zeit dazu war. Nur den richtigen Augenblick brauchte er.

Längst einander zugewandt, Arm in Arm, berührten sich ihre Nasen auf ganzer Länge, diese herrliche Spätfrühlingswärme zwischen ihnen, und sie roch wirklich wie die Zimtrose vor dem Fenster draußen, wie sie einander mit nur halb geöffneten Lidern – Rehbraun und Seegrasgrün – in die Augen sahen. „Das klingt ganz hervorragend,“ bestätigte Lily, das Abenteuer wagen zu wollen, und ihre Lippen berührten sich sacht, bevor daraus ein lange währender, samtweicher Kuss wurde.

In dem hätte man versinken können, nie wieder herauskriechen aus so viel Gefühl. Doch Harry war das zu fad, und er krähte auf und lachte und schmiss seinen Löffel einmal quer und unabsichtlich durch die Küche, und seine Eltern, sich aneinander festhaltend, Stirn an Stirn, schauten zu ihm herüber und kicherten beglückt. Weil er und nur er sowas durfte.


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Was mir von Anfang an an Harry Potter gefiel, war diese Mischung aus Fantasie und Realität.
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