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Fanfiction

Im Silberlicht bis Nimmermehr - Bei den Docks

von Teekon

Ein klarer, kalter, blasser Februarmorgen zog herauf. Feines Blau breitete sich zwischen den hohen Firsten und den flachen Dächern aus, die wenigen, aufgebauschten Wolken darauf beschienen von einem leuchtenden Gold, das die Sonne über den Rand der Erde warf. Noch spiegelte sich der Himmel von East London in unzähligen Pfützen, ruhig da liegend wie unbewegte Seen, und das Lüftchen, das über Land wehte, ließ schlaff herunter hängende Wimpel an mit abgesplittertem Lack gestrichenen Fahnenmasten leise klirren.

Eine Fähre gab ein langgezogenes, dröhnendes Tuten von sich, ehe sie ablegte und die wenigen Hafenarbeiter, die noch nicht an ihren Wirkungsstätten angekommen waren zu so früher Stunde, über den träge dahin ziehenden Fluss beförderte. Die Stadt an der Themse erwachte zu neuem Leben, spürte einen früh nahenden Lenz, der schon bald eine herrliche Veränderung in die Parks und Alleen bringen würde. Die Geräusche des Verkehrs nahmen stetig zu, es hallten Rufe durch die schmalen Gassen zwischen den alten, heruntergekommenen Lagerhallen, und das brüllende Lachen eines zurück grüßenden Matrosen erschuf ein fröhliches Echo.

Man mochte es genießen, hier zu sein, auch wenn ein milder Frost noch an Fingern und Ohren nagte und in die Nasenspitze biss. Das Wasser glitzerte auf nur langsam trocknenden Scheiben, zersprungen und zersplittert in weit oben liegenden Fenstern, die einst die Montagegaragen mit Tageslicht gesegnet hatten, und winzig kleine Wellen plätscherten gegen Kai und Mole und Schiffsrumpf. Eine angenehme Morgenluft, geschwängert auch von Motoröl und Farbe, und doch so frisch und rein, als hätte sie die Nacht auf dem Land verbracht, um jetzt, wie ein Pendler, nach London zurück zu kehren.

Nur ein wenig in sich geduckt, kein Grund dazu, sich klein zu machen, zumindest nicht aufgrund des Wetters, schlenderten die beiden Männer dicht nebeneinander die viel benutzte und dadurch mittlerweile von tiefen Wagenspuren gezeichnete Straße hinunter, das Kopfsteinpflaster regelrecht aufgeworfen, dass man aufpassen musste, wo man hintrat. Auch die glatt geschliffene Oberfläche der Steine glänzte noch vom Regen der letzten Tage, und ob die Sonne schon kräftig genug war so früh im Jahr, sie alsbald zu trocknen, das war nicht abzusehen.

„Es ist keine schlechte Arbeit,“ versicherte der etwas Kleinere der beiden, eine Hand dazu gestikulierend aus den verdreckten Hosen aus festem Stoff gezogen, und er schürzte die Lippen und deutete voraus, wo ein flacher, langgestreckter Kahn von gut 400 Fuß Länge festgemacht hatte. Das grüne Dach aus aneinander gereihten Blechplatten war bereits geöffnet, und geschäftige Binnenschiffer bewegten sich im Gänsemarsch geschickt über die schmalen Stege hin und zurück. Fast so etwas wie ein Lächeln huschte über die Züge seines Begleiters, wenn auch die Augen nicht dem suggerierten Gefühl folgten, doch das verstand er schon und erwähnte es nicht. War ja nicht gegen ihn gerichtet, war ja nicht böse gemeint.

Schüchtern mochte er ihn nennen, still und in sich gekehrt, eher ein Denker als ein Zupacker, aber Bainhrydghe Fryssington war sich nicht so ganz sicher. Einmal zu viel erlebt in seinem doch noch gar nicht so fortgeschrittenen Alter, andererseits ein einfach immer viel zu gutes Gespür gehabt. Ihn einzuschätzen war vermutlich nicht ganz so leicht, wie man sich das vorstellte. Wichtig war das allerdings nicht. Wenn er zumindest eins sagen konnte über den jungen Kerl, den er erst im Herbst kennengelernt hatte, dann war es, dass er nichts von ihm zu befürchten hatte. Jetzt noch nicht, wo er 'neu' war in diesen Dingen. Mochte sich ändern, wenn Konkurrenz, wenn zwangsläufig auftauchender Umgang ihn umkrempelte. Ob das geschehen würde? Konnte man nie wissen. Ihm war es reichlich egal. Weil es eben doch manchmal schön war, locker und gelassen sein zu können.

Da war ein Kräuseln auf seiner Stirn, verborgen zwischen dünnen Brauen und bereits ergrauendem, rot-braunem Haar, so spielerisch und beschwingt beinahe wie die zu glitzernd aufgeworfenen, kurzen Wellen des Flusses, und sie verschatteten ein wenig seine hellen Augen. Mit beiden Fäusten quer gestellt in den Taschen seiner ausgebeulten Stoffhosen, Schösse eines alten Hemdes darüber fallend, stapfte er neben ihm her, und die Körperhaltung blieb genauso undurchsichtig und zwiegespalten wie der ganze Kerl. Einerseits waren die Schulter nach vorn geknickt, brachten einen Bogen in die obere Wirbelsäule, als wolle er nicht wie eine Litfasssäule sämtliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Andererseits war da ein entspannter Schwung in jedem seiner Schritte. Nur aus dem Augenwinkel behielt Bain ihn im Auge.

Sich dafür entscheidend, einfach weiter zu reden, zuckte der Waliser mehr innerlich als nach außen sichtbar die Achseln und zupfte sacht am Reißverschluss seines dunkelblauen klassischen Troyers. Wenig zauberisch dieses Kleidungsstück. Aber was sollte er auch damit in einer Welt, die von Magie nichts wusste? „Früher war hier mehr los,“ fuhr er fort, von ihrem heutigen Einsatzgebiet zu berichten, „leider hat sich das ziemlich herunter reduziert.“ Dieses mal hoben sich seine Schultern merklich, und er pustete sich eine Strähne seines Haares aus der Stirn. Er ahnte es nicht, doch verriet die Wortwahl seinem Anhängsel so viel mehr über den zerschlissenen Mann an seiner Seite, doch mit keinem Ton, mit keinem Zucken der Miene, ließ Remus Lupin seine Gedanken ans Licht kommen.

Die Hand ausholen lassend wie ein Ansager, verwies Bain auf die nähere Umgebung, leerstehende Fabrikhallen und verwaiste Piers, und bevor er es ausgesprochen hatte, nickte Remus erneut stumm. „Seit sie die Docks letztes Jahr geschlossen haben, ist hier einfach nicht mehr viel los.“ Halb grimmig, mehr jedoch noch in ein gewisses Maß an Resignation und fast Traurigkeit deutend, verzog der Ältere das Gesicht und schnaufte leise. Jammerschade. Nein, richtig mies war das. Weil's wirklich gute Arbeit gewesen war. Und vor allem, was den wenigsten ihrer Art tatsächlich etwas bedeutete, legal.

Als hätte er es ihm aus den Augen gelesen, wollte Remus genau nach diesem Punkt fragen, doch in diesem Moment erreichten sie den hastig aufgebauten Tisch, an dem sich der Kapitän des Lastenkahns niedergelassen hatte, eine kleine Kiste mit Papieren und Stempeln und einem abgekauten Stift gleich neben sich, und grummelnd hob er den Blick, sich die beiden offensichtlichen Tagelöhner anzuschauen. Fast sofort hellte sich seine Miene auf, und er lupfte vorsichtig seine Mütze. „Ah, Fryss!“ grüßte er, erfreut darüber, ein bekanntes Gesicht zu entdecken, dem er nicht gleich zutraute, ganze Kisten seiner Ware hinter seinem Rücken zu verscherbeln.

Bainhrydghe grinste und erwiderte die Geste mit einem raschen Hochziehens seines Kinns, schon den freien Arm ausstreckend, um seinen mitgebrachten Kameraden dazu zu ziehen. „Morgen, Capt'n,“ sagte er dazu, deutete neben sich und stellte ihn halbwegs vor: „Das ist ein Freund von mir, hab' gedacht, vier Hände sind besser als zwei.“ Klar brauchten sie Leute. Das musste niemand erst breittreten, aber dass man auch ordentlich schlechte Erfahrungen gemacht hatte und keineswegs beabsichtigte, irgendwem was zu schenken, das war Remus Lupin auch schon bewusst, ohne dass er sich bisher in dieser so unangenehmen Lage hatte befinden müssen, und die streng musternden, nicht gerade freundlichen Blicke des Kapitäns mit der Hand in der Hüfte, behagten nicht unbedingt.

Allemal besser als das, was er aus der magischen Welt mittlerweile gewohnt war. Einer der Hauptgründe, wieso ein Jahrgangsbester von Hogwarts fast ausschließlich für Muggel buckelte, auch wenn das meist ziemlich schlecht bezahlt war. Es war leichter, an solche Jobs zu kommen. Weniger dumme Fragen, weniger Vorbehalte, beileibe nicht komplett ohne auszukommen. Sogar dreckigste Kneipenbesitzer und versiffteste Marktbeschicker hatten – zumindest in London offenbar – einen gewissen Stolz. Und die Möglichkeit, sich über Andere zu erheben hatten sie auch nicht oft. Die nutzte man natürlich gern. Ihm war es fast egal. Hauptsache, abends stand etwas Warmes zu essen auf dem Tisch.

So häufig war das leider nicht. Und im Winter, wenn bestimmte Zweige von Industrie und Handel wenig bis gar nicht arbeiteten, fiel es umso schwerer für einen „Ungelernten“, was Anständiges zu finden. Geahnt hatte er das bereits im vergangenen Jahr, als die kalte Jahreszeit ihre Fingerchen voraus geschoben hatte, und genau deshalb hatte er schließlich doch gewagt, was er eigentlich hatte vermeiden und so lange hinausschieben wollen, bis es wirklich nicht mehr anders ging. Schneller eingetreten als geplant. Denn ein bekannter Werwolf, wo finstere Geschöpfe und verfluchte Hunde doch alle auf Seiten des Zauberers standen, dessen Namen niemand mehr auch nur zu denken wagte, wo sollte der Hintertreppchen schrubben in der Winkelgasse? Nichtmal mehr heimlich.

Ein knurrendes, grunzendes Geräusch von sich gebend, hob der Kapitän eine Braue. „Siehst mir ganz vernünftig aus,“ behauptete er, und Remus war sich sicher, dass er sich mehr auf Bains Vorschusslorbeeren verließ als auf den ehemals adretten grauen Strickpullover mit V-Ausschnitt, der ihn wunderbar warm hielt trotz des kalten Februars. „Aber wenn's windig wird, bleibste dann auch stehen?“ Er grinste, wie seine dunklen Augen den ganzen, viel zu schlanken Körper von oben bis unten betrachteten, und dann lachte er so laut, dass seine Matrosen mit einfielen, obwohl sie keine Ahnung hatten, worum es ging.

Sich verteidigen brauchte der Neue nicht. Längst hatte Bain ausgeholt und ihm vertrauenerweckend auf die breite, doch schmächtige Schulter geklopft, als wolle er eine Kostprobe von Remus' Standhaftigkeit hier und jetzt vorführen. „Keine Angst, Lupin hält 'ne Menge aus,“ versicherte er erneut, niemals Schrott anzuschleppen zu wagen, und wäre der Kerl ein noch so inniger Freund von ihm. Der Kapitän verstummte und grunzte wieder. Ihm sollte es offenbar recht sein. Ohne ein weiteres Wort schob er ihnen die Papiere hin, die sie ausfüllen und unterschreiben mussten, die ihnen am Ende des Vormittags als Nachweis ihrer Arbeit dienen sollten, um sich bei der Reederei den Lohn abzuholen.

Andere Arbeitssuchende rückten nach, die nun allein oder ebenfalls in kleinen Grüppchen den breiten Weg zur Mole herunter trotteten, und mit dem abgestempelten Zettel in der Hosentasche rückten Remus und Bain ein Stück weiter. Ihr Boss für einen Tag brauchte nichts weiter zu sagen, überließ dem bereits bekannten Helfer die Einweisung des Neuen, und der bückte sich bereits nach einer grünen Plastikkiste. Die Sonne schob sich über die langen Reihen von schäbigen Häusern irgendwo auf dem Südufer der Themse, und die glühende Scheibe warf goldenes Licht über das so heruntergekommene Hafenviertel, in dem so viele Jahrzehnte lang der größte Umschlagsplatz für Waren aller Art die Hauptstadt mit Gütern versorgt hatte.

Natürlich war es ihm nicht leicht gefallen, überhaupt herzukommen, nach diesem Mann zu suchen, von dem er nicht wusste, wie er überhaupt aussah, gerade mal seinen Namen kennend. Ganz abgesehen davon, wildfremde Straßenstreicher nach ihm zu fragen, kostete allein der Weg hierher Überwindung. Und dann? Bain hatte ihn nicht gekannt. Bain hatte nicht mal von ihm gehört, woher auch? Und da stand plötzlich dieser gerade frisch von der Schule abgegangene Typ mit dem billigen Trenchcoat und wollte irgendwas von ihm. Wie sollte er auf sowas reagieren, was hatte Remus überhaupt von ihm erwarten können? Im Nachhinein ganz gut gelaufen, eigentlich. „Wer will das wissen?“ hatte er ihn angeschnarrt, doch ein Blick auf sein Gesicht hatte irgendwie gereicht. Weil er aussah wie einer von ihnen.

Ihm ein paar derbe, feste Handschuhe reichend, richtete Bain sich wieder auf und gab ihm noch eins dieser aufmunternden halben Augenzwinkern. Mann, hatte er damals auch so ausgesehen, als er endlich aus dem Heim abgehauen war und sich hier unten an den Docks herumgetrieben hatte, um vielleicht eine Krume hier oder da zu ergattern? Zur Hölle, ja! Daran bestand kein Zweifel. Und das war bestimmt einer der Gründe, wieso Fryssington sich darauf eingelassen hatte. Die meisten von ihnen scherten sich einen Dreck um den nächsten. Konnte schon sein, dass die Recht hatten. Er sah das anders. Was hatte man schon davon? Ja, klar, er erzählte auch nicht jedem von den besten Jobs und den nettesten Küchendamen, die hin und wieder mal was rausgaben. Aber das hatte dann persönlichen Hintergrund.

Gemeinsam, immer noch einer nach dem anderen, erklommen die beiden gezeichneten Männer den schmalen Steg, der sie auf das Schiff führte, und hinunter deutend in den gähnenden Laderaum, erklärte Bain kurz und knapp, worum es ging. Selbst der größte Dummkopf konnte das. „Wir bringen einfach die Kisten rauf und stellen sie auf den Lastwagen,“ gab er die Parole des Tages durch, und Remus nickte verstehend. Was drin war, wollte man das wissen? Neugier. Die hatte er immer besessen. Manchmal vielleicht ein bisschen zu viel davon.

Unruhig, ein wenig gehetzt schaute er aus, wie seine Augen in der Dunkelheit da unten hin und her huschten, sich nur schwer an die Lichtverhältnisse gewöhnend, und am liebsten hätte Bain jetzt schon gegrinst. „Und das ist auch bestimmt alles in Ordnung so?“ traute sich der Jüngere nicht so recht, genau das in den Mund zu nehmen, was er vermutete. Prustend, nicht, weil er die Frage blöd fand oder beleidigend, schmunzelte Fryssington und feixte ihn an. „Ganz ehrlich?“ Bereits die Hände gut geschützt, griff er beherzt nach einem der gut verschnürten Pakete. „Ich hab' keinen Schimmer!“ Mit einem Ruck hob er das Ladegut hoch, schien etwas zu kräftig zugelangt zu haben und schürzte selbst erstaunt die Lippen. War gar nicht so schwer.

Sie leuchteten fast in dem finsteren Eck zwischen Säulen aus aufgestapelten Kartons, wie Lupins Augen ganz groß wurden und seine Zähne kurz, aber quietschend über einander schrammten. Lachend erlöste ihn Bain mit einem Schütteln seiner eigenen Last, die leise dumpf raschelte und klimperte. „Aber,“ fing er langgezogen an, „da es hellichter Tag ist,“ ein Schlenker mit dem Kopf deutete nach oben, wo irgendwo die Sonne weiter aufging, „sind's vermutlich bloß gefälschte Giglis.“ Und damit zog er rasch beide Brauen hoch, drehte sich um und beförderte die erste Lage Handtaschen an die frische Luft.

Er zierte sich nicht. Er war nicht zimperlich, und Bain hatte dem Kapitän nicht zu viel versprochen. Hart arbeiten konnte er, da war viel Kraft in diesen so dürren Armen, wie es eigentlich bei den meisten dieser Typen war, die sich alle irgendwie ähnelten und doch jeder für sich ganz unterschiedlich waren. Capt'n Paul Frobisher konnte das nie so ganz in Worte fassen, und dennoch erkannte er das Muster. Blässlich, oft mit Wunden, wie sie eher Fischer zeigten, die mit Haken und Netzen und Ösen beschäftigt waren, nur nicht bloß an den Händen, und die meisten von denen schauten aus wie der Neue: Als könne ein Kindergartenmädchen sie mit einem Finger umschubsen.

Ob es die Arbeit war, die Remus Lupin ein wenig auftauen ließ, oder die so herrlich strahlende Sonne, die ein baldiges Ende des Winter verhieß, das konnte Bain nicht wirklich sagen. Es gefiel ihm trotzdem. Wo er eigentlich keinen Ton von sich gegeben hatte bis zu dem Moment unter Deck, seit sie sich am Aufgang der U-Bahn-Station getroffen hatten, den ganzen Weg durch die alten Docklands bis zum Kai nicht, begann er zwischen Ladefläche und Anhängerkupplung so langsam, ein frisch Zugezogener zu werden. Fragen hatte er, vor allem über Arbeit und Jobs natürlich. Was gut war, wo man mal horchen konnte, ob man sich von bestimmten Leuten besser fernhalten sollte. Doch auch andere Dinge wollte er wissen. Wie viele sie waren und wo man sich herumtrieb.

Allein war niemand gern. „Wenn du mich aber so fragst,“ wog Bainhrydghe den Kopf hin und her, wie er sich zu dem deutlich größer Gewachsenen herunter beugte, um das nächste Transportgut entgegen zu nehmen, „gibt es sowas wie Cliquen nicht.“ Nein, Zusammenschlüsse oder gar eine unterstützende Gemeinschaft, die hatte sich nie wirklich herausgebildet. Höchstens unter den Kindern, den Jugendlichen, die es in letzter Zeit so zahlreich in ihren locker geflochtenen Reihen gab. Die Stirn runzelnd dachte er nur einen Moment lang darüber nach, ehe er sich wieder der Arbeit und seinem Begleiter widmete. Remus Lupin nickte mit kraus ineinander gelegter Stirn, auf der sich in dem nun angenehm kühlen Vormittag kleinste Schweißtröpfchen der körperlichen Anstrengung verfangen hatten.

„Man bleibt eher für sich,“ fuhr der Mann auf der Ladefläche des Unimog fort, und einen verstohlenen Blick hinüber werfend zu einem geschlossenen Fahrzeug, machte er nur einen zaghaften, vorsichtigen Wink in dessen Richtung. „So wie der da, siehst du den?“ Nicht einmal innehaltend, genauso verstehend, dass der Tagelöhner dort vorn ihre Beobachtung nicht mitbekommen sollte, sondierte Remus mit gesenktem Kopf. Es funktionierte. Er bemerkte die Observation nicht, der ebenfalls schmale Kerl mit dem verschlossenen, stets grimmigen Ausdruck in den Augen, im Gesicht, in der ganzen Haltung. Nur weiter konzentriert mit seinen eigenen Kisten beschäftigt.

„Ist noch nicht so lange dabei, drei Jahre ungefähr,“ bezeugte Bain, dass er längst mit dem Neuen darüber gesprochen hatte, wie lange ihn schon der Vollmond mit silberner Qual belegte, Kinder gewesen sie beide, als die Infektion in ihr Fleisch gedrungen war. Ihm einen Karton voll mit klappernden Turnschuhen reichend, bestätigte Lupin stumm. „Hat alles verloren wohl.“ Und er bewies, dass auch er sich nun wohler fühlte in seiner Gegenwart, gelöster war, ehrlicher, echter. Es fiel Remus schwer, einfach weiter zu machen im Angesicht so unverhohlener Mischung aus eigener Trauer, längst erkalteter Wut und irgendetwas zwischen Mitleid und Selbsthass. Er musste fest schlucken und konnte kaum glauben, wie dieser Funke des selben Gefühls in ihm aufglomm.

Dunkel, fast schwarz waren Kopfhaar und Brauen. Gut geschnitten, ordentlich, fast wie ein Schuljunge nur ohne die Uniform, fielen die schäbigen, aber festen Kleider des Mannes kaum auf. Die hohen Wangenknochen stachen hervor in seinem verhärmten Gesicht, und alles, einfach alles an ihm war Abwehr. Kein netter Zeitgenosse, kein Saufkumpan. Nein, zurückgezogen, still, einsam. Und dabei kein bisschen schwächlich oder mitleiderregend. Oh nein, er war hart wie Stahl und genauso unzerstörbar. Remus Lupin wusste eins, wie er ihn dort stumm schuften sah: So würde er niemals sein können. Und er war sich nicht sicher, ob er das begrüßen oder darunter zusammenbrechen sollte.

Ihn noch immer aus dem Augenwinkel beobachtend, ohne dabei sein geschäftiges Treiben einzuschränken, lächelte Bain kühl und falsch. „Filbert war beim Flohnetzwerk,“ fiel ihm wieder ein, „Instandsetzung und so, du weißt schon?“ Als hielte er mit beiden Händen einen Besen fest, vollführte er eine schrubbende Bewegung, um zu verdeutlichen, in welchem Beruf ihr Leidensgenosse gearbeitet hatte. „Frau und Kinder und so.“ Das Knirschen in der Brust wie von zusammengepresstem Schrott, wie ein Auto in einer Müllpresse, es wurde stärker, und am liebsten hätte Remus sich an den Ausschnitt seines Pullovers gefasst, nun verziert mit Spritzern alten Öls und Fetzen von Kartonage. Nie. Niemals. Es nie haben zu können oder es verloren zu haben. Was schwerer wiegend?

So urplötzlich änderte sich das komplette Verhalten des Mannes über ihm, so rasch sprang seine Stimmung um, und fast hastig beugte Bain sich tiefer zu ihm herab, seine Stimme mit einem Mal so gewohnt, so vertraut heiser und rau, wie er ihm eindringlich zuflüsterte: „Sprich ihn niemals darauf an!“ Und dann richtete er sich wieder auf, als hätte er nie davon geredet. Die nächste Fuhre ließ einen Moment auf sich warten, wie Lupin so tat, als schnüre er sich die Senkel. Egal, wie hart der Knoten in seiner Speiseröhre sich nach oben drückte und ihm den Hals zu verstopfen schien, dass ihm selbst das Atmen schwerer fiel. Er nickte. Weil er es nicht wissen wollte.

Die Sonne strahlte wieder heller. Möwen schrien ihre schrillen Rufe hinaus und weckten sie beide aus diesem kurzen, intensiven Tief, denn der Tag war jung und schön und es würden ein paar Scheine in ihren Taschen stecken, wenn sie nachher zurückkehrten in die eigentliche Stadt, und das war mehr als Goldes wert. Fröhlich nahezu, sich auf den Oberschenkel schlagend, an dem er sich gerade hochgezogen hatte, zwinkerte Bain wieder in Lupins Richtung. „Und dich werd' ich auch nie fragen,“ stellte er unmissverständlich klar, dass ihn nichts von dem interessierte, was in der Vergangenheit dieses Jungen da jemals gewesen war. Gut. Damit war Remus mehr als einverstanden, und sich ein zufriedenes Lächeln abringend, packte er die neben seinen Knöcheln abgestellte Box.

So schnell abgehakt hatte er das Thema, so bald schon hatte er vergessen, musste sich keine Geschichten mehr ausdenken oder wohl überlegen, wie viel von der Wahrheit er preisgeben konnte. Es kam doch überraschend, wie Fryssington ein feines, ausgedehntes „hm“ von sich gab und sich einen tippenden Finger ans Kinn legte. „Eins aber vielleicht doch,“ entschied er, und gespielt, so offensichtlich, kniff er halb die Augen zusammen und fixierte seinen Mitarbeiter, dass der fast laut gelacht hätte. Bis er seine Frage loswurde: „Woher kanntest du meinen Namen?“

Dieses Mal konnte er nicht anders. Remus musste kurz anwurzeln, noch halb in die eigenen Knie gestemmt, den Karton auf den Händen und einem Bein balancierend. Nicht, weil er es nicht wusste, weil Bain es nicht wissen durfte. Es war die Erinnerung, so schlagartig heraufbeschworen, sie drückte ihn nieder, als wäre etwas von dem ganzen Gepäck da oben auf sein Rückgrat gefallen. Als wäre er mit einem Mal wieder dort. Seine Kiefermuskulatur wurde schmerzhaft als Knoten sichtbar, doch aus seiner Position da oben konnte Fryssington weder das erkennen noch den mit einem Mal so matten Schleier auf den silbernen Regenbogenhäuten.

Lupin biss die Zähne zusammen und rollte mit den Augen, sah ihn nicht an. „Von deinem Vater,“ sagte er, tonlos, wie eine kaputte Glocke, die man anzuschlagen versuchte. Sofort stutzte der Andere, stemmte sich die gerade arbeitslosen Hände in die Hüften und grübelte, der Schatten auf der Stirn nur halb da. „Hm,“ machte er erneut und zuckte die Achseln, wie er sich das so gut erklären konnte (klar, gerade aus der Schule, wohl als Lehrer gehabt), andererseits jedoch nicht im geringsten. „Wusste nicht, dass er je von mir gesprochen hat.“ Gairbhith Fryssington. Der wandelnde Holzklotz. Dessen Antlitz er selbst kaum noch recht erinnern konnte. Oder einfach nur nicht wollte.

Mit seinen Gedanken konnte er sich nicht befassen, nicht jetzt, so ohne Vorwarnung zurück katapultiert in das Kiesbeet um Rosmertas Haus herum, im flackernden Schein tanzender entzündeter Zauberstabspitzen, umgeben von Rauch und Schwefel, und das warme Blut wieder am Knie, wie es das Schienbein entlang zu laufen begann. Er musste die Lider schließen und bekam das Bild nicht aus dem Kopf, nicht das Prickeln der Schlacht und nicht die verzweifelte Hilflosigkeit. Nicht helfen hatte er gekonnt. Und doch überwunden in diesen wenigen Minuten, was jetzt ganz ähnlich, ja, halb so und halb wie der doch so liebevolle Hass der Enttäuschung eines kleinen Kindes, wie Sirius es für seinen Vater empfunden hatte (immer noch tat? Oder nicht mehr?), in Bains Herz toben musste. „Nur einmal,“ wisperte Remus, und er war sich sicher, trotzdem gehört worden zu sein.

Und er tat es nicht, was er ihm versprochen hatte gegen seinen Willen. Nicht jetzt, nicht heute, nicht an diesem schönen Februartag an den alten Docks von East London, wo er zum ersten, bei Weitem nicht zum letzten Mal, Hand in Hand mit Bainhrydghe Fryssington ackerte für ein paar Pfund Sterling. Aber er schwor sich erneut, während er den Karton hochwuchtete und seinen kräftigen Fingern in derben Handschuhen übergab, dass er es tun würde. Eines Tages würde er ihn wissen lassen, dass der Vater den Sohn immer geliebt hatte.


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