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Fanfiction

HP7-Spoiler - Harry Potter und der Blutige Dorn - Welten kollidieren

von annj

Der Portschlüssel war schnell vorbereitet und brachte Ron, Hermine und Hagrid an das gewünschte Ziel.

Nervös blickten sie sich um, ihre Zauberstäbe hoch erhoben für den Fall, dass sie unwillkommen waren. Dass sie nicht willkommen waren, daran bestand eigentlich kein Zweifel und in den heutigen Zeiten konnte man nicht vorsichtig genug sein.

Hagrid hatte es sich nicht nehmen lassen, seinen klapprigen Regenschirm mitzunehmen, der an diesem Tag noch mehr fehl am Platz wirkte als der Halbriese selbst. Doch er nickte schließlich mit einem eindeutigen Grummeln und benutzte den Portschlüssel, um sich auf das Hogwartsgelände zurück zu transportieren, denn Hermine hatte darauf bestanden, mit Draco reden zu wollen und ihn nicht einzuschüchtern. (Ron hatte in seine Faust geprustet während Hagrid ausgesehen hatte, als hätte er nicht den Hauch einer Ahnung, was sie damit meinte.)

So blieben Ron und Hermine also alleine zurück und traten näher an das Eingangstor, das sich mehrere Meter in die Höhe erstreckte.

Und aller Missgunst zum Trotz, Malfoy Manor war ein Anwesen, das sich sehen lassen konnte.

Ein weitläufiger Garten erstreckte sich vor dem Haupthaus und machte den Eindruck eines botanischen Paradieses. Mannshohe Hecken, wildgewachsene Rosenbüsche und exotische Blumen bestachen mit farbenfrohen Blüten und leuchtend grünen Blättern. Nichtsdestotrotz wirkte die gesamte Anlage eher liebevoll gepflegt als akribisch kultiviert. So als hätte jemand wahre Freude daran, dem Garten ein freundliches Aussehen zu geben.

„Wirklich beeindruckend“, ließ Hermine verlauten und trat noch näher an das schmiedeeiserne Gitter des Eingangstores heran.

Ron knurrte missbilligend und gab etwas von sich, das stark nach „Angeberei“ klang, doch sie ignorierte es. Das Metall unter ihren Fingern war kühl und unnachgiebig. Es schien leicht zu vibrieren und sie vermutete, dass verschiedene Schutzzauber darauf lagen, um unerwünschte Besucher von dem Malfoy'schen Anwesen fern zu halten. Wenn man bedachte, dass noch immer nicht alle Voldemortanhänger gefasst worden waren, war diese Vorsichtsmaßnahme nicht übertrieben.

„Ich hätte es mir nicht so... schön vorgestellt“, ergänzte Hermine nach einem Blick auch Ron.

„Natürlich sind Rosen schön. Aber wenn du sie anfasst, stechen sie.“

Hermine starrte Ron einen Moment lang an und setzte zu einem Kommentar über seine ungewohnte, seltene Weisheit an, als sie eine Figur sah, die aus dem Haus getreten war und zielstrebig auf das Eingangstor zugeschritten kam. Sofort war zu erkennen, dass es sich um Draco handelte, dessen Gesichtszüge zu einer feindlichen Grimasse verzogen war.

Er sparte sich jede Begrüßung, gab noch nicht einmal eine abfällige Bemerkung von sich, als er das Tor erreicht hatte und den zwei ungebetenen Gästen durch daumendicke Gitterstäbe getrennt gegenüber stand.

„Oi!“, rief Ron etwas enthusiastischer als angebracht, nachdem sie einige Minuten lang in unangenehmem Schweigen verbracht hatten. „Nette Bude.“

„Ihr seid nicht hier, um meine Wohnsituation einzuschätzen.“ Es war keine Frage, nur eine Feststellung und er machte keine Anstalten, das Tor zu öffnen.

„Ähm, nein“, antwortete Hermine, machte einen Schritt nach hinten und rückte ihren Umhang würdevoll zurecht. „Wir wollen mit dir reden.“

Draco schnaubte, doch für einen Augenblick sah Hermine eine eindeutige Erkenntnis in seinen Augen aufflackern. „Wir haben es sieben Jahre lang geschafft, uns in Hogwarts aus dem Weg zu gehen. Warum sollten wir jetzt damit aufhören?“

Er drehte sich bereits um und wollte ins Haus zurück kehren, als er sich ihnen ein weiteres Mal zuwandte und die Augen zu Schlitzen verengte. „Diese ganze Sache...“, begann und spuckte die Wörter dabei eher aus, als dass er sie formulierte. „Diese ganze verkorkste Sache hat sich Potter ganz alleine zuzuschreiben.“ Er sprach jedes einzelne Wort exakt und mit einer solch klaren Stimme, als ob er sie lange geübt hatte. „Ich habe ihn gewarnt. Ich habe ihn gewarnt und er hat mich ignoriert. Was hätte ich denn noch tun sollen?“ Er tippte sich in gespielter Konzentration gegen das Kinn. „Ach ja, ich hätte ihm von Salazar Slytherin erzählen können.“

Er verstummte und das einzige Zeichen seiner Erregung waren seine Nasenflügel, die sich mit jedem Atemzug heftig aufblähten.

„Doch er hätte dir nicht geglaubt. Wir hätten dir nicht geglaubt“, fuhr Hermine schließlich fort und ein Hauch von Trauer huschte über ihr Gesicht.

„Ich hätte es wohl kaum besser ausdrücken können. Wir haben mit dieser ganzen Sache nichts zu tun“, zischte Draco und seine Wut ließ etwas nach. „Lasst uns in Ruhe!“ Er drehte sich um, verschwand ohne ein weiteres Wort zu verlieren wieder im Haus.

Perplex standen Ron und Hermine am Eingangstor, während die Sekunden verstrichen.

„Na das lief ja ganz ausgezeichnet“, bemerkte Ron schließlich und Hermine warf ihm einen bösen Blick zu. „Ehrlich, Hermine. Was hattest du dir erhofft? Dass er plötzlich in die Hände klatscht und fragt, ob er uns vielleicht helfen soll?“

„Nein, ich...“ Hermine brach ab und warf einen enttäuschten Blick zurück auf das Haus. Obwohl es gut fünfzig Meter vom Zaun entfernt stand, konnte sie erkennen, wie in einem der Fenster ein Vorhang zur Seite geschoben wurde und ein blasses Gesicht hinter dem Glas erschien. „Ich weiß es nicht. Immerhin hat er...“ Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihre Gedanken in Worte fassen sollte. Ja was genau hatte sie sich dabei gedacht? Jetzt, wo sie Draco gegenübergetreten war und seine Reaktion erlebt hatte, konnte sie sich gar nicht mehr daran erinnern, wie sie überhaupt auf diese Idee gekommen war. Sie kannte Draco gut genug um zu wissen, dass er niemals etwas tat, ohne einen Nutzen daraus zu ziehen. Doch warum hatte er sie dann überhaupt vor etwas gewarnt, das ihm im Grunde hätte egal sein können?

„Hallo, Hermine?“, unterbrach Ron ihre Gedankengänge und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Hat er dich unter einen Imperius gestellt oder warum siehst du so abwesend aus?“ Auch wenn seine Worte im Scherz gesprochen waren, kam sie nicht drumherum eine ehrliche Besorgnis aus ihnen herauszuhören.

„Sei nicht albern!“, rügte sie ihn zärtlich und lächelte zur Untermalung ihrer Antwort. Ihr Blick ging zurück zum Haus, wo noch immer das Gesicht Dracos zu sehen war, scheinbar darauf lauernd, dass sie endlich apparierten.

„Was jetzt?“, fragte Ron wieder etwas beruhigter.

Etwas zog sich in Hermines Magen zusammen, nahm ihr für einen kleinen Augenblick die Luft zu atmen und sie lehnte sich etwas näher an ihren Freund, um nicht aus lauter Verzweiflung in die Knie zu gehen.

Sie schluckte und zuckte kleinlaut mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, Ron.“

oOoOo

Einander an den Händen haltend, apparierten Ron und Hermine direkt an der Grenze Hogwarts‘. Hagrids Hütte lag nur wenige Meter entfernt und schien im Takt eines seltsamen Grollens zu schwanken, welches ihnen die Trommelfelle zu bersten drohte.

„Was ist denn hier los?“, schrie Ron über den Krawall hinweg und ließ hastig Hermines Hand los, um sich mit festem Druck die Ohren zu zu halten.

„Bummerang-Beller“, entgegnete Hermine nicht minder laut.

„Was? Ballon Ballett?“

„BUMMERANG... ACH VERGISS ES!“ Hermine schüttelte ihren Kopf und deutete anschließend mit einem kurzen Nicken auf Hagrids Hütte.

Die Fenster waren hell erleuchtet, doch als sie durch die Vordertür eintraten, war von Hagrid keine Spur. Das Donnern ließ den Boden unter ihren Füßen vibrieren und das Geschirr in den offenen Regalen hüpfte enthusiastisch mit. Hagrid fanden sie, nachdem sie das kleine Häuschen durch die Hintertür wieder verlassen hatten und sich im kleinen Gemüsegarten des Halbriesen wieder fanden. Ihnen den Rücken zugewandt, stand Hagrid inmitten eines Beetes, heftig mit seinem Schirm in der Luft herumstochernd, als wolle er ein ganzes Orchester dirigieren. Um ihn herum bedeckten seltsam geformte Pflanzen den Boden, die sich ihm entgegenreckten. Sie hatten riesige, krötenartige Körper, die statt eines Kopfes eine blütentragendes Blätterwerk hatten. Ihre Mäuler aus Blättern schnappten auf und zu und der Anblick hatte etwas von einer aufgewühlten Wasseroberfläche.

„HAGRID!“, brüllte Ron und presste sich die Hände noch fester gegen seine Ohren. Doch es war nutzlos. So würden sie Hagrids Aufmerksamkeit ganz sicher nicht bekommen. Der Halbriese wippte seinen Kopf in einem nicht-existenten Takt, gestikulierte wie wild mal in die eine, mal in die andere Richtung und schien dabei eine Menge Spaß zu haben.

Und dann auf einmal, wurde es so still, dass Ron einen Moment lang dachte, er wäre taub geworden.

„Hä?“ Zumindest seine Stimme war noch hörbar.

„WAS BEI MERLINS SOCKENFACH...?“, schrie Hagrid, sein Stimmorgan nicht sonderlich kraftloser als das von einer ganzen Horde Bummerang Beller. „RON! HERMINE!“, brüllte er ungehindert weiter, als hätte er noch gar nicht bemerkt, dass er keinen Krötenchor mehr übertönen musste. Empört starrte er auf Hermines Hand, die noch immer den Zauberstab hielt, der offenbar den Lärm beendet hatte. Die Kröten hatten ihre Köpfe in Hermines Richtung gedreht, mit den Mäulern nach ihr schnappend, und sie trat einen Schritt nach hinten um nicht von den nahen Exemplaren gebissen zu werden.

„WAS SOLL'N DAS?“ Hagrid stapfte vorsichtig, damit er nicht auf eine der Pflanzen trat, durch das Beet. „SIE BRAUCHEN NOCH NE MENGE ÜBUNG, WENN IHR MICH FRAGT.“

Ron und Hermine zuckten bei seiner Stimmlage zusammen und Ron erwiderte: „HAGRID... WARUM BRÜLLST...“ Er räusperte sich und seine Wangen liefen rötlich an. „Warum brüllst du denn so?“

„OH... oh! Verzei'ung“, sagte Hagrid und sein Blick glitt liebevoll über die Bummerang-Beller, die inzwischen angefangen hatten, sich sanft hin und her zu wiegen, als würden sie tanzen. „Ich hab euch gar nich' so schnell zurück erwartet.“

„Echt? Warum denn nicht? Glaubst du, Draco wollte uns auf einen Kürbissaft hineinbitten?“, murmelte Ron dazwischen, aber entweder ignorierte Hagrid es oder er hatte tatsächlich bereits einen leichten Gehörschaden davon getragen.

„Hab' sie ganz schön vernachlässigt, die armen Dinger. Hab' mir gedacht, ich gönne ihn'n mal wieder ordentlichen Auslauf.“ Etwas betrübt zuckte er mit den Schultern. „Is' ja nich' so, als hätt' ich was zu tun.“

„Hagrid...“, begann Hermine, doch Hagrid unterbrach sie und schubste sie sanft in die Richtung seiner Hütte.

„Lasst uns erst ma' reingehen und dann erzählt ihr mir alles.“

In der Hütte ließen sich Ron und Hermine gemeinsam auf einem Stuhl nieder, dessen Sitzfläche so groß war, dass auch Harry noch bequem zwischen sie gepasst hätte. Sie sahen einander an und wussten, dass sie wohl beide eben diesen Gedanken gehabt hatten.

„Ja, das is' der einzige Stuhl, der mir geblieb'n is'. Die ander'n sind zerbrochen.“ Er gluckste. „Die Bummis (Ron biss sich auf die Zunge um ein hysterisches Prusten zu verhindern) haben schon n' paar kräftige Organe, was?“

Die zwei nickten angestrengt und neugierig warf Hermine ein: „Hagrid, was tun die Bummerang-Beller eigentlich, außer Krach zu machen?“

„Krach?“, antwortete Hagrid entrüstet. „Sie brauch'n nur noch 'n bissl Übung, das is' alles. Und wenn man sie richtig stimmt, dann klingt's wie Feengesang. Damit können sie sogar Tote aufwecken.“ Er nickte voller Überzeugung und knallte vor den beiden erst eine Tasse, und anschließend einen (zumindest für seine Verhältnisse) kleinen Teller auf den Tisch.

Das Gebäck darauf hatte gewisse Ähnlichkeit mit Kohlebriketts, was Ron dazu brachte, einen sehnsüchtigen Blick auf Hermines Tasche zu werfen, wo noch immer Stullen darauf warteten, von ihm verspeist zu werden.

„Äh, danke Hagrid, aber wir haben noch ein paar Stullen.“

Während Ron hungrig eine seiner Stullen knabbert, erzählte Hermine ausführlich von ihrem Besuch bei den Malfoys, den Hagrid sich knurrend und murrend anhörte, um am Ende ihrer Erläuterungen wütend auf den Tisch zu hauen.

„Ich wusste, ich hätt' da bleib'n soll'n.“

„Du hättest auch nichts ändern können“, seufzte Hermine unglücklich. „Wir können ihn nicht zwingen, uns zu helfen. Und ich bezweifle, dass die Malfoys aktiv an der momentanen Situation beteiligt sind. Ich denke, sie haben ihre Lektion gelernt. Um ehrlich zu sein,“ Sie furchte ihre Stirn. „... ich glaube, sie haben Angst.“

Ron verschluckte sich bei ihren Worten an einem großen Bissen und würgte den angebissenen Happen heraus, der schließlich einem glücklich mit dem Schwanz wedelndem Fang zu Gute kam. Ron verzog angeekelt sein Gesicht, ließ sich allerdings nicht davon abhalten, einen neuen Bissen von seiner Stulle zu nehmen.

„Wenn du mich fragst, ist das Unsinn“, winkte Hagrid mit einer seiner riesigen Pranken ab. „Die Malfoys? Eine Lektion lernen? Eher fang' meine Bummis an mit Steppen, noch bevor se den Foxtrott kennen gelernt ham.“

„Steppen?“ Verwirrt zog Hermine ihre Augenbrauen in die Höhe.

„Ja, mit ganz viel Übung schaffen se irgendwann sogar Polka.“

„Bitte nicht“, murmelte Ron und Hermine lenkte hastig von ihm ab, indem sie Hagrid mit hoffnungsvoller Miene anstarrte.

„Wir wollten eigentlich gleich weiter zur Direktorin. Vielleicht hat sie ja schon etwas rausgefunden.“

Hagrid stand auf, holte die Teekanne und goss ihnen noch etwas mehr Tee ein.

„Nich' dass ich was wüsste. Aber mir sagt ja eh niemand was“, ließ Hagrid deprimiert verlauten und ließ sich auf seinen Sessel fallen, der sich knarrend und quietschend unter seinem Gewicht beschwerte. „Hab gestern Abend noch gefragt, ob ich beim Rechieren helfen kann...“

„Recherchieren“, warf Hermine ein.

„Ja, das auch.“ Er schnäuzte in ein Kissen-großes Taschentuch. „Aba Minerva hat mich wieder rausgeschickt, als ich aus Verseh'n mein' Bummi-Dünger inner Bibliothek verteilt hab. Woher sollte ich denn wiss'n, dass Papier so empfindlich is?“

Diesmal war es Hermine, die sich an ihrem Schluck Tee verschluckte und erst wieder normal zu atmen begann, nachdem Ron ihr mehrere Male kräftig auf den Rücken geklopft hatte.

„Ich will doch nur, dass Harry...“, begann Hagrid und verstummte. Geräuschlose Sekunden folgten. Selbst Ron hatte aufgehört zu kauen und starrte auf sein halb-verspeistes Brot, als hätte er keine Ahnung, warum er es überhaupt hatte essen wollen.

„Wir haben nichts. Wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt, wo wir ihn jetzt noch suchen sollen. Und noch wichtiger: Was sollen wir tun, wenn wir ihn finden?“, schimpfte Hermine schließlich.

„Vielleicht weiß die Direktorin ja inzwischen mehr, Hermine.“ Zärtlich hatte Ron seine Hand auf ihren Unterarm gelegt und drückte vorsichtig zu. „Lass uns zu ihr gehen.“

Sie nickte und gemeinsam verließen sie Hagrids Hütte, während die Sonne am Himmel soeben ihren höchsten Stand erreicht hatte.

oOoOo

Sie fanden Professor Flitwick und die Direktorin in der kleinen Bibliothek neben dem Schulleiterbüro und Hermine dachte daran, wie sie sich vor nicht einmal 24 Stunden danach gesehnt hatte, mal einen Blick in die kostbaren Bücher werfen zu können. Aber momentan hatte sie das Gefühl, dass sie damit ihre kostbare Zeit verplemperten. Harry war irgendwo da draußen und Salazar Slytherin konnte jeden Moment wer weiß was für Dinge mit seinem Körper anrichten. Was, wenn er für sie bereits verloren war? Was, wenn es kein Zurück mehr gab? Und selbst wenn es ein Zurück gab, wäre Harry in der Lage zu vergessen, zu verstehen, dass es nicht seine Schuld gewesen war? Ein schmerzhafter Kloß ließ ihren ihren Brustkorb enger werden, als sie daran dachte, was Harry ihr vermutlich sagen würde, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre. Du musst mich töten, um mich zu retten. Was natürlich absoluter Schwachsinn war. Aber er war Harry. Er würde lieber sterben, als das Werkzeug eines finsteren Magiers zu werden, dessen Macht und Grausamkeit selbst Voldemort erblassen ließ.

Sie hatte gar nicht mitbekommen, dass sie laut geredet hatte bis Ron sie plötzlich an den Schultern nahm und so doll schüttelte, dass sie sich aus Versehen auf die Zunge biss.

„Sag nicht so was!“, befahl er mit fester Stimme und er gab sich wirklich alle Mühe streng auszusehen. Doch selbst seine Fassade war dabei zu fallen.

Sie waren müde und hoffnungslos. Und dass sich herausstellte, dass weder Professor McGonagall noch Professor Flitwick etwas herausgefunden hatten, war ihrer allgemeinen Stimmung nicht besonders förderlich.

Umgeben von unterschiedlich hohen und gefährlich schwankenden Bücherstapeln, saßen die zwei in Dumbledores mäßig beleuchteter Bibliothek und Flitwick machte den Anschein, als wäre er vor nicht allzu langer Zeit einfach auf dem offenen Buch liegend eingeschlafen. Sein Kopf lag gebettet auf seinen Armen und er saß auf einem Stuhl, auf dessen Sitzfläche ein besonders unstabil wirkender Bücherhaufen platziert war, damit er überhaupt an den Tisch heranreichte.

Minerva hingegen gab einen erschrockenen Laut von sich, als Hermine, Ron und Hagrid plötzlich in dem kleinen Raum auftauchten.

„Miss Granger, Mr Weasley“, begrüßte sie die Besucher und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Plötzlich wurde ihr Gesicht etwas wachsamer und für einen winzigen Augenblick sah sie hoffnungsvoll aus. „Haben Sie bei Mr Malfoy etwas erreichen können?“

Hermine hatte nicht den Mut, ihr diese Frage wahrheitsgemäß zu beantworten und senkte den Kopf.

„Leider nicht, Professor“, entgegnete stattdessen Ron und klang dabei als befürchtete er, gleich Punktabzüge für Gryffindor zu erhalten. „Nicht dass es uns überrascht hätte“, fügte er bitter hinzu.

McGonagall sank in sich zusammen und warf einen vernichtenden Blick auf die Bücherberge. „Es wird noch Tage dauern, ehe wir mit den Büchern durch sind.“ Hagrid schnappte leise nach Luft und wollte etwas sagen, doch sie unterbrach ihn hastig. „Nein, nein, Hagrid! Das war keine Aufforderung, uns zu helfen.“ Einen missbilligenden Blick auf seine schmutzigen Hände werfend, richtete sie sich auf und deutete auf eines der Regale. „Miss Granger, Mr Weasley, würden Sie sich dieses Regal zu Gemüte führen?“

Hermine nickte und strebte in die angegebene Richtung, Ron folgte ihr missmutig. Doch ohne ein weiteres Murren schnappte er sich wahllos ein Buch und begann ebenfalls darin zu blättern. Hagrid murmelte etwas von seinen „Bummis“ und trottete hinaus, mit den autoreifen-großen Fußsohlen seiner Stiefel eine Schmutzspur auf dem Teppichboden hinterlassend.

Hermine hingegen ließ ihren Blick über die Buchrücken wandern und das erste Mal in ihrem Leben wünschte sie sich, die Welt der Zauberer wäre nicht so unabhängig von der der Muggel. Was würde sie jetzt nicht alles für einen Internetanschluss geben.

Unhörbar seufzend griff sie ebenfalls nach einem Buch und innerhalb von Sekunden war sie in dessen Informationen versunken.

oOoOo

Seit Stunden herrschte in seinem Kopf eine Lautstärke, die den Bummerang-Bellern von Hagrid vermutlich alle Ehre gemacht hätten. Seine Persönlichkeit schien er mit jedem Schritt, den sein Körper tat, mehr und mehr hinter sich zu lassen, so als käme sie nicht hinterher. Er spürte seine Gedanken umherirren, seine Angst und seine Panik, doch sie fanden keinen Platz, um sich niederzulassen. Es war, als ob Salazar Slytherin nicht nur seinen Körper, sondern auch seine Gedanken einnahm. Erinnerungen begegneten ihm, die nicht seine eigenen waren. Namen, Orte und Vorfälle, die nicht aus seiner Vergangenheit entsprangen. Dafür verblassten seine eigenen. Die Gesichter seiner Freunde wurden schwammig und seine Gefühle für sie verschluckt. Orte, die er kannte, wurden zu farblosen Klecksen vor seinem inneren Auge. Wie schwache Abbilder von nächtlichen Träumen.

So, dachte Harry, fühlt sich langsames Sterben an.

Er apparierte einige Meter entfernt von seinem Ziel und blieb einen Moment lang regungslos stehen, um zu lauschen, ob sein Erscheinen irgendwelche Wachposten alarmiert hatte. Es war bereits dunkel und mit einem seltsamen Gefühl im Bauch musste er feststellen, dass er sich nicht erinnern konnte, wie er die letzten Stunden verbracht hatte. Spinner's End, dort war er gewesen, doch das musste Stunden her sein.

Ginnys Gesicht erschien für einen Augenblick vor seinem inneren Auge und es verschwand so schnell wie es gekommen war. Ginny? Sie war doch... Woher kannte er sie? Die Information war da, irgendwo vergraben in seinem Unterbewusstsein, doch Salazars Persönlichkeit nahm immer mehr Platz in Anspruch. Wie ein Ölfilm, der sich immer weiter auf der Oberfläche eines kleinen Teiches ausbreitete. Und die dort lebenden Fische würden jämmerlich ersticken. Er schüttelte wütend seinen Kopf. Am wenigsten Zeit hatte er jetzt für dumme Erinnerungen, die ohnehin bald nicht mehr existierten.

Geduldig wartete er noch einige weitere Augenblicke, seinen Zauberstab kampfbereit vor sich haltend, doch er war offenbar alleine.

Etwas sorgloser sah er sich um. Er befand sich auf einem schmalen Pfad, zu dessen Seiten hohe Hecken über seinen Kopf hinaus in die Luft ragten und einen betörenden Duft von Weißdorn verströmten. Von der Sonne verbranntes Unkraut und blattloses Gestrüpp reichte ihm bis an die Knie und er widerstand nur knapp der Versuchung sich seinen Weg mit einigen gezielten Flüchen frei zu schießen.

Die Augusthitze hatte die Luft während des Tages so sehr aufgeheizt, dass selbst die angenehme Brise, die der Abend gebracht hatte, keine Linderung versprach. Schon bald perlte der Schweiß auf seiner Stirn und ließ seine Kopfhaut jucken. Doch direkt auf dem Grundstück zu apparieren wäre ein zu großes Risiko gewesen. Stattdessen suchte er sich eine lichtere Stelle in der Hecke und versuchte das Gelände auf der anderen Seite der Hecke durch das Gehölz hindurch etwas besser zu überblicken.

Cold Hill Castle machte seinem Namen alle Ehre. Das alte Gemäuer stand auf dem höchsten Punkt eines Hügels. Die filigranen Türmchen und Mansarden hätten ihm ein beinahe elegantes Ambiente verliehen, wenn sie nicht an knochige Finger erinnert hätten. Der bröckelige Putz der Außenmauer wurde vermutlich nur von dem Urwald aus giftigem Efeu zusammengehalten, welches sich rund um das Haus gewickelt hatte, wie eine Spinne, die ihre Beute in ein ausbruchsicheres Kokon hüllte.

Die Überreste eines Brunnens standen wenige Meter vom Haus entfernt und einige unansehnliche Statuen waren im Garten verteilt, der wohl einst mit Wegen und Blumenpracht zum Spazieren eingeladen hatte. Doch alle Schönheit war einer traurigen Verwahrlosung gewichen. Zurück blieben nackte, verdorrte Baumskelette.

Harry natürlich verschwendete keinen Gedanken an den ästhetischen Aspekt. Sein einziger Blick galt den zwei Auroren, die auf dem Grundstück Wache hielten und sich soeben miteinander unterhielten, bevor sie erneut begannen das Haus zu umrunden.

Das würde ein Kinderspiel werden.

Nachdem er mit ein paar gezielten Sprüchen sichergestellt hatte, dass keine weiteren Banne das Grundstück schützten, schnitt er sich einen Weg durch die Hecke und kam unbescholten auf der anderen Seite der pflanzenbegrünten Mauer wieder heraus.

Das war viel zu einfach.

Die zwei Wachen machten einen schläfrigen Eindruck und waren mit zwei gezielten Stupors außer Gefecht gesetzt. Zwar war diese Vorgehensweise bedeutend unbefriedigender als seine üblichen Methoden, doch er wollte es nicht riskieren, eine große Menge an Magie freizusetzen, bevor er nicht ausreichend Zeit gehabt hatte, um zu finden, weswegen er hergekommen war.

Die zweiflügelige Eingangstür schnarrte, als er sie öffnete und sich in einem hohen Saal wiederfand, an dessen gegenüberliegender Seite zwei halbkreisförmige Treppen in einen Gang im ersten Stockwerk führte. Seine Schritte hallten in der Leere des Raumes wieder und das ganze Haus drückte auf sein Gemüt, als wäre es die Eingangshalle von Azkaban und nicht das einst protzige Anwesen einer der berüchtigsten Todesserfamilien aller Zeiten. Dunkel erinnerte er sich an einen Zeitungsartikel, den er mal über dieses Haus gelesen hatte. Wann war das nur gewesen? Es fühlte sich an, als wären seither Millennien vergangen. Ein Gesicht tauchte vor seinen Augen auf und verpuffte so schnell wie es gekommen war. Rotblonde Haare umrahmten ein sommersprossenbesprenkeltes Gesicht.

Wütend schüttelte er seinen Kopf. Er konnte sich jetzt nicht ablenken lassen. Nicht jetzt, wo er so kurz vor seinem Ziel stand. Systematisch begann er die Räume nach dem Zeichen abzusuchen, so wie er vor so vielen Generation die Familie der Lestranges beauftragt hatte. Natürlich war es ein Risiko gewesen, einer einzigen Familie dieses Geheimnis anzuvertrauen, doch welche andere Wahl war ihm geblieben? Ob er mit dieser Entscheidung richtig gelegen hatte, würde sich bald herausstellen.

Den Hinweis fand er, wie vermutet, im Herrenzimmer. Ein sperriger, offener Kamin nahm fast die gesamte hintere Wand des Raumes ein und ein aus großen Steinen gezimmerter Sims ließ das Ungetüm noch plumper und hässlicher wirken. Doch diese Aufmachung schien umso unvorteilhafter, wenn man nicht wusste, wonach man suchen sollte. Harry allerdings wusste genau, was er suchte. Und er fand es in einem der Steine, die Vertiefungen kaum zu erahnen, aber eindeutig vorhanden. Ein S, um das sich eine Schlange wand.

Der Beginn einer angenehmen Erregung wärmte seinen Bauch und ließ seine Finger kribbeln. Es war also hier. Es war tatsächlich hier und er hatte sich in den Lestranges nicht getäuscht. Die Kuppe seines Zeigefingers verweilte einen Moment lang auf der steinernen Inschrift und seine Aufregung ließ ein spöttisches Grinsen auf seinem Gesicht entstehen.

„Revelare!“, sagte er mit fester, aber würdevoller Stimme. Er wollte diesem Augenblick so viel Feierlichkeit zugestehen, wie er verdiente. Und wenn man bedachte, dass er tausend Jahre auf ihn gewartet hatte, konnte er gar nicht andächtig genug sein.

Zuerst geschah gar nichts und außer dem unregelmäßigen Ticken der großen Pendeluhr, die offenbar aufgezogen werden musste, war nichts zu hören. Doch dann, begleitet von einem kaum spürbaren Luftzug, entfachte sich ein Feuer im Kamin, dessen Flammen für eine winzige Sekunde so heiß brannten, dass Harry einen Schritt nach hinten gehen musste. Er betrachtete es einen Moment lang argwöhnisch und lief dann geradewegs darauf zu. Er musste sich ducken, um sich nicht den Kopf am Sims zu stoßen, doch ansonsten fand er sich ungehindert inmitten der lodernden Flammen wieder, nicht unähnlich denen, die normalerweise für eine Reise per Flohpulver genutzt wurden. Für diese spezielle Reise jedoch benötigte er kein Flohpulver.

Um ihn herum erloschen die Flammen so schnell wie sie entstanden waren und er fand sich in kompletter Dunkelheit wieder. Schwer wie Nebel lag die vollkommene Schwärze um ihn herum und als er sich bewegte, fühlte es sich fast so an, als würde er tatsächlich durch einen dicken Qualm waten, der ihm die Sicht nahm. An die Hilfe seines Zauberstabes durfte er momentan nicht einmal denken. Er selbst hatte diese Regel aufgestellt. Sobald ein Lichtstrahl diesen Abschnitt seines Weges fand, würde er unwiderruflich Banne ins Rollen bringen, deren Brutalität ihm Tränen der Freude in die Augen trieben. Es war fast zu schade, dass diese Grausamkeiten jetzt wohl niemals ihre Anwendung finden würden.

Ach ja, die guten alten Zeiten, als abgetrennte Köpfe und Gliedmaßen noch als reguläre Strafmaßnahmen galten.

Seine Arme vor sich ausgestreckt, fand er schon bald die kühle Oberfläche einer grob gemauerten Wand. Unter seinen Fingern fühlte sie sich feucht an; weich und schmierig, wohl aufgrund des Schimmels, der sich während der vergangenen tausend Jahre ungehindert verbreiten konnte.

Vorsichtig, um nicht auf eben diesem Schimmel auszurutschen, glitten seine Füße über den Fußboden, der genauso uneben war wie die Mauer und nach nur wenigen Metern – mit der Hand zur Stabilisierung immer an der Wand – fuhr er mit den Fingern über eine trockene, hölzerne Fläche.

Zuversichtlich, dass er das gefährlich Areal hinter sich gelassen hatte, richtete er nun seinen Zauberstab auf das, was wohl die Tür sein sollte.

„Incuendo!“, sagte er, seine Stimme dabei zittrig und beinahe ehrfurchtsvoll gesenkt. Mit einem lauten Knacken und Zischen begannen rote Linien den mannsgroßen Umriss der vermuteten Tür nachzuziehen, wie eine Zündschnur, die die Bombe jeden Moment zum Explodieren brachte. An der höchsten Stelle der nach oben hin konkav geformten Tür trafen sich die zwei Feuerstränge und sie öffnete sich, machte den Weg frei für einen mit Fackeln ausgeleuchteten Raum, den er betrat, noch bevor der Knall der fallenden Tür verhallt war.

Eine Luft schlug ihm entgegen, die abgestanden war von jahrhundertelanger Vakanz. Die fallende Tür hatte Staub aufgewirbelt, der nun in der Luft hing wie ein übler Geruch und nur langsam legte sich die Wolke, um den Blick frei zu geben auf die Umgebung.

Der Raum war rund mit etwa einem Durchmesser von zehn Metern und in seiner Mitte stand auf einem Podest ein steinernes Becken, welches einen recht erbärmlichen Anblick bot. Der jahrhundertealte Staub ließ es grau und schmutzig erscheinen, seine ehemals glänzend polierte Oberfläche inzwischen matt und an einigen Stellen zogen bereits Risse über das robuste Gestein. Doch der Anblick dieses steinernen Denkmals ließ einen wohligen Schauer über Harrys Rücken ziehen.

Langsam, so als wolle er den Augenblick nicht durch eine zu schnelle Bewegung zerstören, trat er näher heran, senkte seinen Zauberstab und streckte stattdessen seine Hand aus, um beinahe zärtlich über den staubbedeckten Rand zu streichen. Das Becken selbst war leer und machte nicht den Eindruck, als wäre es zu etwas anderem bestimmt, als Wasser für ein paar durstige Vögel bereitzustellen. In Wirklichkeit jedoch wäre selbst ein goldenes Becken dessen Inhalt nicht würdig gewesen. Nichts auf der Welt war auch nur annähernd mit der Rose gleichzusetzen, die sich in diesem kaum angemessenem Behälter versteckte. Und nur eine einzige Erinnerung trennte ihn jetzt noch von ihr.

Die Erinnerung an... die Erinnerung an... an...

Sie war fort. Die Erinnerung war nicht da. Sein Kopf war gefüllt mit Fetzen mehrerer Leben und Jahrhunderte, aber wo er die eine Erinnerung suchte, fand er nur ein Loch; wie ein Wort, dass einem auf der Zunge lag, doch es wollte sich nicht zeigen.

Harry spürte eine Wut in sich aufsteigen, brennender noch als das Feuer im Kamin. Wie konnte es sein? Wie konnte es sein, dass sie weg war?

Vielleicht ...? Ja, so musste es sein. Die Zeit würde die Erinnerung bringen. Eine Alternative war nicht denkbar. Es würde nicht mehr lange dauern und die Gedanken dieses Jungen würden erstickt sein von seinen eigenen, ertrunken in dem ölbedeckten Teich. Und Harry Potter, der Junge der einst gelebt hatte, würde röchelnd ersticken wie ein Fisch auf dem Trockenen. Dann würde er auch alle seine Erinnerungen wieder haben. Die Erinnerungen von Salazar Slytherin. Und diese eine Erinnerung würde unter ihnen sein. Und spätestens dann würde dieser Körper vollends ihm gehören. Denn dann würde er die Rose in seinen Händen halten und mit ihr sein ewiges Leben.

Er holte tief Luft, ließ sie langsam wieder entweichen und schaffte es so, das panische Aufbegehren seines Wirtes zu unterdrücken.

„Du kannst es versuchen, kleiner Wurm“, murmelte er während seine Gedanken um seinen anstehenden Triumph kreisten wie Geier um frisches Aas. „Dein Körper, deine fleischliche Hülle wird mein erstes Nest. Was für eine Ironie, nicht wahr?“

Er spürte den flammenden Zorn seines Wirtes aufsteigen und es gelang ihm nur mit viel Mühe, ihn zu unterdrücken. Die Kontrolle über Harry hatte zwar zugenommen, doch noch gehörte ihm dieser Körper nicht und seine Beherrschung würde bis zu dem Augenblick des Übergangs immer seine volle Konzentration vereinnahmen. Bis dahin würden die Reste von Harrys Bewusstsein weiter in ihm schlummern und aller Wahrscheinlichkeit zufolge in den unpassendsten Augenblicken aufsteigen wie Luftblasen im besagten Teich.

Wie zum Beispiel in diesem Moment.

Irritiert blinzelte Harry mit den Augen und sah sich um. Was genau machte er eigentlich? Er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern. Sein Kopf fühlte sich an wie damals, als er sich das erste Mal mit Ron eine Flasche Feuerwhiskey geteilt hatte. Im Nachhinein konnten sie sich noch nicht einmal daran erinnern, warum sie überhaupt damit angefangen hatten und außerdem hatte Hermine damals tagelang nicht mit ihnen gesprochen. Vielleicht hatten sie einige sehr dumme Dinge gesagt, während sie gröhlend über ihren halbvollen Gläsern gelehnt hatten. Oder hatten sie einfach vergessen, ihr etwas von dem Teufelszeug anzubieten? Nun ja, vielleicht auch nicht. Mit dem Finger rieb er sich den rechten Stirnlappen und stöhnte leise auf. Wieso konnte er sich nicht konzentrieren?

Spinner's End, er war in Spinner's End gewesen und Ginny...

Seine Erinnerung wurde prompt abgewürgt, als ein Geräusch ihn aus seinen Gedanken riss. Hastig drehte er sich zu der Tür um, hinter der sich nur Dunkelheit fand. Es roch seltsam nach Mineralien und altem Wasser und der Raum, in dem er sich befand, hatte schon allein aufgrund dieses Geruches eine erschreckende Ähnlichkeit mit der Höhle, in der er vor so vielen Jahren Ginny gefunden hatte.

Ginny...

Was genau machte er hier nochmal? Irgendetwas war doch mit Ginny...?

Diesmal ließ ihn eine Stimme zusammenzucken und er schaffte es, seine Konzentration zumindest halbwegs auf die Tür zu fixieren, durch die nun eine Gestalt trat, in einen langen, schwarzen Mantel gehüllt und das Gesicht von einer Todessermaske verdeckt.

Sie schritt langsam näher, beinahe zögerlich, und ihr folgten zwei weitere Personen. Jede einzelne von ihnen in voller Todessermontur und Harry stolperte überrascht nach hinten, hielt sich am Rand des Beckens fest und sah sich mit einem Hauch von Panik um, denn die Tür war sein einziger Ausweg. Und die war momentan so unerreichbar, dass sie genauso gut auf der anderen Seite des Planeten hätte sein können.

Eine der Personen drehte sich zu dem vermeintlichen Anführer der Neuankömmlinge um.

„Das ist er nicht. Das kann er nicht sein. Das ist Potter“, sagte der Mann abwertend, ungläubig, und hob seinen Zauberstab, richtete ihn mit einem beinahe gelangweilten Schlenker auf Harry, der einen Moment lang fest daran glaubte, sich in einem Alptraum zu befinden.

Aufwachen!, dachte er und spürte mit einer seltsamen Mischung aus Panik und Erleichterung seine Sinne schwinden, noch während er selber nach seinem Zauberstab griff und ihn mit einer einzigen flüssigen Bewegung auf den Mann richtete, der ihn bedrohte. Er öffnete den Mund, formte mit den Lippen ein Wort.

„Crucio!“

Seine Stimme klang fremd in seinen Ohren und er fühlte, wie der Fluch seinen Arm entlang jagte und in einem grellen, gelblich-schimmernden Strahl dem Unglückseligen entgegen schoss.

Der Mann, der es gewagt hatte, so abfällig über ihn zu reden, ging in die Knie. Seine Stimme erstickt von den Schmerzen, röchelte er hilflos, während seine Arme ziellos durch die Luft kreisten und Halt suchten, was die anderen zwei Männer dazu veranlasste, einige Schritte beiseite zu treten. So, als hätten sie Angst, dass der Cruciatus auf sie überspringen konnte. Weder machten sie Anstalten, etwas gegen Harrys Fluch auszurichten, noch schienen sie gewillt, schnellstmöglich von hier zu verschwinden. Sie standen einfach nur da, während ihre Blicke unentwegt zwischen Harry und ihrem Begleiter hin und her wanderten.

Harry hielt den Fluch aufrecht und beobachtete genussvoll, wie sein Opfer sich unter der unsichtbaren Folter wand. Seine Augen waren das einzige, was nicht durch die Maske bedeckt war und mit Genugtuung und einem fesselnden Entzücken beobachtete er, wie sie ihn anstarrten und anflehten. Ein Grund mehr, den Fluch noch einen Hauch länger zu halten. Nur noch ein paar Sekunden.

Harry fühlte sich wie ein kleiner Junge, der am Weihnachtsabend sein neues Spielzeug auseinandernahm um zu sehen, wie es funktionierte.

„Herr!“ Eine dünne Stimme drang an sein Ohr. Zuerst nur als Rauschen im Hintergrund, denn der Cruciatus rauschte noch lauter durch seine Adern als das Blut selber. Doch dann klang sie flehender, dringlicher. „Herr, bitte!“

Endlich unterbrach er die Verbindung zu seinem Opfer und lächelte erfreut, als es zu Boden ging wie eine Marionette, deren Schnüre man durchgeschnitten hatte. Es gab einen dumpfen Laut, als der Kopf des Mannes mit dem Gesicht voran auf der Kante des kleinen Podestes aufschlug. Das würde mindestens eine gebrochene Nase geben, wenn nicht sogar einen zertrümmerten Kiefer.

Harry ließ den Fluch einen Moment lang verhallen und genoss die geschockte Atmosphäre, den Duft der Macht, der die Männer zu Salzsäuren erstarren ließ, obwohl sie eben noch an seiner Person gezweifelt hatten.

„Zugegeben, diese Hülle ist im Moment noch nicht optimal“, ließ er verlauten und sah dabei etwas angewidert an sich herab. „Aber ich arbeite daran.“ Er sah wieder auf, seinen Zauberstab noch immer auf die Männer gerichtet, die spätestens jetzt überzeugt davon waren, dass es nicht Harry Potter war, der vor ihnen stand.

„Wir sind hier...“, begann der Todesser, der zuerst den Raum betreten hatte und machte einen Schritt nach vorn, den Kopf dabei demütig in Richtung Boden gesenkt. „... um Euch unsere Hilfe anzubieten.“

„Hilfe?“, schnaubte Harry. „Ihr wollt mir helfen? Ihr?“, spuckte er die Worte aus. „So wie ihr dem Schwächling Tom geholfen habt?“

Sie zuckten zusammen, ihre von Kapuzen verdeckten Häupter sanken noch tiefer.

„Lächerlich! Eine Bande flegelhafter Schuljungen, die mit mehr Macht spielen, als ihnen zusteht. Würmer am Haken einer Angel, die zappeln und flehen, der erste zu sein, der vom großen, bösen Fisch verschluckt wird.“

Sie schwiegen und Harry genoss dabei die Angst, die die drei gestandenen Männer ihm gegenüber ausstrahlten. Als wäre er nicht im Körper eines frühreifen Mannes gefangen, dessen Persönlichkeit immer wieder in ihm aufstieg wie Luftblasen in einer vermaledeiten Badewanne und ihn so daran hinderte, seine eigenen Erinnerungen zu vervollständigen.

Schließlich wagte sich einer der Männer einen Schritt nach vorne, hob die Hand zu seinem Kopf und schob die Kapuze nach hinten. Das gesamte, silbern glänzende Antlitz einer fein geschnittenen Todessermaske kam dabei zum Vorschein, doch sie verflüchtigte sich, kaum dass die Kapuze auf seinem Rücken landete. Wie Rauch aus einem Schornstein zog sie für einen kurzen Augenblick Fäden und verschwand, offenbarte ein runzliges Gesicht mit tief liegenden Augen und dünnen, farblosen Lippen. Weißes, dünnes Haar bedeckte seinen Kopf und die Haut darunter war bedeckt mit Altersflecken. Seine buschigen Augenbrauen wirkten unecht, wie angeklebt und Harry musste lachen. Konnte es einfach nicht verhindern.

„Du bist ein alter Mann!“, rief er aus, noch immer lachend. „Was willst du schon tun?“

„Mein Name ist Lestrange, mein Herr. Silvesta Lestrange“, erklärte er und dabei erklang so etwas wie Stolz in seiner Stimme.

Harrys Lachen verstummte und seine Neugier war geweckt. „Ein Lestrange also.“ Er kniff die Augen zusammen und nickte bedächtig. „Nun gut, Silvesta. Was genau hattet ihr denn im Sinn, als ihr sagtet mir helfen zu wollen?“

Zuversichtlich, dass er nicht ohne Umschweife getötet oder mit einem weiteren Cruciatus gefoltert wurde, hob Silvesta seinen Blick. „Zuerst einmal haben wir ein sicheres Versteck für Euch. Denn das Ministerium ist bereits auf dem Weg hierher.“ Seine kleinen Augen, die vor Alter gelblich und trübe glänzten, wurden noch kleiner. „Man kann heutzutage niemandem mehr trauen. Nicht einmal einem Malfoy.“

oOoOo

Die Minuten verstrichen, wurden zu Stunden und in dem fensterlosen Raum neben dem Büro der Direktorin flackerten die Kerzen und Fackeln weiter bedächtig. Ungesehen von den versammelten Zauberern wanderte die Sonne über dem Schloss treu ihre Bahn entlang, berührte schließlich die Baumwipfel des Verbotenen Waldes und verschwand hinter ihnen, still und leise und unaufhaltsam. Die Nacht war angebrochen, die letzten Rest des türkisfarbenen Himmels vertreibend, und die einzigen Geräusche kamen von Ron, der leise schnarchend über seinem letzten Buch eingeschlafen war, und dem leisen Blättern der Bücherseiten.

Und schließlich – die Uhr in McGonagalls Büro nebenan schlug zehn – beendete die Ankunft eines weiteren ehemaligen Schülers abrupt die Ruhe.

„Ich will ja nicht stören. Aber die Tür war offen... wobei mich auch eine geschlossene Tür nicht abhalten könnte.“

Vier Köpfe gingen ruckartig in die Höhe (Ron wachte mit einem entsetzten Kiekser auf „Percy wars!“) und McGonagall gab einen erstickten Laut von sich, während Flitwick von seinem Bücherstuhl stürzte und sich die Kleidung glatt streichend am Stuhl wieder in die Höhe zog.

„Fred!“, sagte Ron und strich sich etwas Sabber aus den Mundwinkeln. „Was tust du hier?“

„Wusstet ihr, dass der Blutige Baron im Keller Stinkerkäse hortet?“ Sein schmales Gesicht war zu einem amüsierten Grinsen verzogen. „Selbst ich konnte es riechen.“ Seine durchsichtige Gestalt schüttelte sich.

„Fred, was tust du denn hier? Wie bist du...?“

Als Ron offenbar vor lauter Verblüffung nicht mehr weiter redete, antwortete Fred: „Dumbledores Tun. Mannomann. Selbst als toter Mann hat er mehr Einfluss als Mom Gnome im Garten. Allerdings ist das nicht das, was ihr hören wollt, richtig?“

Die vier lebenden Anwesenden nickten.

„Also gut, ich hatte gerade ein Gespräch mit dem Blutigen Baron.“ Er räusperte sich und fühlte sich sichtlich unwohl in seiner... seinem Ektoplasma. „Und er wusste einiges über die Rose zu berichten. Leider wird es euch nicht gefallen.“


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