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Fanfiction

HP7-Spoiler - Harry Potter und der Blutige Dorn - Staubige Briefe an Snape

von annj

@to3i: JETZT gehts weiter. Tut mir leid, dass ich es nicht eher geschafft habe. Ich stecke gerade mitten im Prüfungestress und bin schon froh, dass ich das Kapi vor dem anstehenden Chaos noch posten kann. Ich hoffe, es entschädigt ein wenig für die Wartezeit.

@Sirus Black 92: Ich werde ganz sicher niemals Kapitel schreiben, die zwei Seiten lang sind *kicher* Da könnte ich ja gleich Drabbles draus machen. :-D

@minos: Auch wieder ein ausführliches Kapitel. Hoffentlich nicht zu ausführlich :-D

@Emmily: Nicht die Hoffnung aufgeben! Bitte! *lol* Und überleg nicht zu viel, du könntest mehr erfahren, als dir lieb ist *lollol* Ginny wird eine GROSSE Rolle spielen, das kann ich dir aber schon mal versprechen.

Nun aber weiter mit der Story...

oooooooooooooooooooooo


Der schmale Weg hob sich deutlich von der Dunkelheit um ihn herum ab und erleichtert verzichtete Harry darauf, sich den Weg zu leuchten. Er wollte nicht gesehen werden, wenn er das Haus betrat.

Einen Moment lang zögerte er, doch schließlich legte er seine Hand auf die Klinke und öffnete die Haustür, die mit einem Knarren zur Seite schwang. Es war still, sowohl im Innern des Hauses, als auch in seinem Kopf.

Nur verschwommen erinnerte er sich daran, das Ministerium verlassen zu haben. Scheinbar waren es nicht nur seine Hände, die zur Zeit dazu neigten, sich selbstständig zu machen. Allerdings glaubte Harry nicht daran, dass sein Ziel irgendetwas damit zu tun hatte, dass jemand seine Taten kontrollierte.

Denn warum auch immer, seit Stunden hatte er seinen Kopf ganz für sich alleine. Hatte er ihn sich vielleicht nur eingebildet? Waren die letzten Stunden Resultat eines Kurzschlusses in seinem Gehirn? Schande und Hass auf sich selbst brachen über ihn ein und er klammerte sich an den Gedanken, all dem entkommen zu können, indem er ganz einfach verschwand. Auf dem schnellsten Wege und ohne auf andere Menschen zu treffen, denen er weh tun könnte.

Es war eine dumme Idee, aber die Einzige, die ihm in diesem Moment eingefallen war. Und eines war sicher: das Haus vor ihm war leer. Ob es nun an dem Dunklen Mal lag, welches noch vor einigen Wochen darüber gehangen hatte wie das Schwert des Damokles, oder an der Tatsache, dass sich niemand hinein traute, weil sie den ehemaligen Bewohner nicht hatten ausstehen können... im Moment war es Harry egal. Und eigentlich kam es ihm im Moment sehr gelegen. Er hoffte nur, dass niemand ihn hier so bald finden würde.

Vorsichtig streckte er die Hand aus und wartete darauf, gegen eine unsichtbare Barriere zu stoßen. Doch nichts dergleichen geschah. Wahrscheinlich waren alle Sicherheitsvorkehrungen zusammen mit dem Besitzer des Hauses gestorben. Auf jeden Fall schwang die Tür auf, ohne dass Harry seinen Zauberstab zücken musste. Ein Flur, dunkel wie der Rachen eines Tieres, das ihn verschlingen wollte, lag nun vor Harry, doch bevor er seine Umgebung mit einem heiseren Lumos erhellte, schloss er vorsorglich hinter sich die Tür.

Das Licht von der Spitze seines Zauberstabes bedeckte die Wände und den Fußboden mit einem gräulichen Flimmern, ließ die alte Tapete fleckig leuchten. Große Staubflocken lagen in den Ecken und eine Kommode, die in dem schmalen Flur stand, war mit einem ehemals weißen Bettlaken bedeckt. Harry blieb stehen, traute sich nicht zu atmen, als ob seine ausgestoßene Luft aus den Lungen den absoluten Frieden der Umgebung stören und unerwünschte Besucher von draußen aufmerksam werden lassen könnte.

Doch auch Minuten später blieb es still.

Müde ließ Harry seinen Kopf in den Nacken sinken und rieb sich diesen mit seiner freien Hand. Wie hatte all das nur passieren können? Wie ein schlechter Traum spukten die Ereignisse des Morgens in seinem Kopf herum und erschienen ihm wie Bilder aus einem von Dudleys seltsamen Videospielen. Genauso, als hätte jemand bei ihm die richtigen Knöpfe gedrückt und eine willenlos Marionette aus ihm gemacht.

Nur dass er keine stumpfsinnige Marionette war. Marionetten war es egal, auf wen sie ihren Zauberstab richteten und wen sie ermordeten.

Mit viel Kraftaufwand widerstand Harry der Versuchung, die Tür entlang an seinem Rücken auf den Fußboden zu rutschen. Die Vorstellung, hier im Dunkel sitzen zu bleiben und sich wie eine verwelkende Topfpflanze an das Interieur des kleinen Hauses anzupassen, klang verdammt vielversprechend. Doch trotzdem setzte er langsam einen Fuß vor den anderen und begann leise, doch mit laut pochendem Herzen, die Etage zu erkunden.

Das Haus zu finden, war nicht sonderlich schwer gewesen. Snapes Erinnerungen waren ihm aus einem ihm unerfindlichen Grund noch immer frisch im Gedächtnis. Noch vor wenigen Minuten war er über einen verlassenen Spielplatz gelaufen. Zwei einsame Schaukeln hatten dezent gequietscht, während der laue Sommerwind sie wie durch eine unsichtbare Hand vor und zurück bewegt hatte. Vor etlichen Jahren war es gewesen, dass seine Mutter und ihre Schwester darauf gesessen hatten, sich zankten, wie es nur Schwestern konnten. Und hinter einem der Büsche hatte ein magerer Junge gestanden, die dunklen Augen zusammengekniffen. Er hatte ihnen zugesehen, nicht annähernd erahnend, was ihm in allzu naher Zukunft widerfahren würde.

Ein dunkler, klebriger Klumpen aus undefinierbaren Gefühlen hatte Harrys Herz beinahe erdrückt und mit einem unerträglich klaren Gedanken spürte er, wie sehr seine momentane Lage der eines gewissen Zaubertränkelehrers ähnelte. Auch er hatte sein Schicksal ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr selber beeinflussen können.

Schwer atmend tappte Harry weiter durch die Dunkelheit und fand sich in einem kleinen Wohnzimmer wieder, in dem eine alte Couch und ein nicht dazu passender Sessel standen. Auf dem flachen Tisch und der Kommode war nichts außer einer dicken Schicht Staub. Eine Wand war voll gestellt mit Bücherregalen und Harry bewegte die leuchtende Spitze seines Zauberstabs über die Buchtitel hinweg. Unzählige Zaubertränkebücher, darunter „Der schmale Grat zwischen Schein und Sein – Wie Farbnuancen Bände sprechen“ oder „Die richtige Konsistenz“.

Er bewegte sich vorsichtig weiter durch den Raum und trat durch eine Tür, die zu einem weiteren Flur führte. An seinem Ende zog sich eine Treppe nach oben. Die Luft um ihn herum roch abgestanden und modrig, was nicht verwunderlich war, da dieser Raum keine Fenster hatte. Die Geräusche seiner Schritte wurden vom verfilzten Teppich gedämpft und auch hier standen Regale an den Wänden, so dass der Flur noch schmaler schien, als er tatsächlich war. Wieder flog Harrys Blick recht uninteressiert die Titel entlang und er nahm schließlich die Stufen ins obere Stockwerk.

Sie führten zu einer einzigen Tür, hinter der sich ein kleines Schlafzimmer verbarg. Ein klappriges Himmelbett mit ordentlich zurechtgerücktem Überzug stand in einer Ecke. Auch hier standen Bücher – wie sollte es anders sein – in einem einzigen schmalen Regal. Doch Harrys Blick fiel auf ein Nachtschränkchen. Die kleine Schublade war nicht vollständig verschlossen und es knarrte ungesund, als Harry an dem kalten Messingknauf zog.

Ein einziges Buch lag darin. Harry musste es herausnehmen, um den überall vorherrschenden Staub wegzupusten und den Titel überhaupt lesen zu können. Er erwartete ein weiteres Tränkebuch. „Grundbegriffe der Zaubertrankkunst“ oder „Von Acetat bis Zink“ doch er stutzte. Eine verschnörkelte Überschrift kündigte den Autor, einen Herman Melville, an und das Cover, soweit er es erkennen konnte, war verdächtig starr, wie er es nur von Muggelbüchern kannte. Darunter in großen, geraden Buchstaben: Moby Dick.

„Moby Dick“, grübelte er angestrengt. Irgendetwas mit einem Wal... und einer Suche. Dunkel erinnerte er sich an den Inhalt aus einer Englischstunde in der Grundschule. Sie hatten es nicht behandelt, doch er wusste, dass es eine sehr berühmtes Muggelwerk war. Doch was genau machte es in der Nachttischschublade von Snape?

Neue Staubflocken rieselten auf seine Fußspitzen, als er die erste Seite aufschlug und erstarrte. Eine schwache, verblasste Tinte formte Worte, doch was Harry als Erstes in die Augen sprang war die elegante Unterschrift: Deine Lily.

Minutenlang starrte er darauf und hoffte, dass er auch weiterhin seine Ruhe vor dem Jemand haben würde, der ihn verfolgte, denn die Gedanken, die ihm durch den Kopf schossen, waren für niemand anderen bestimmt als für ihn. Eine Träne rollten ihm über die Wange und er wischte sie beiläufig beiseite. Die Worte wurden klarer und er ertrank in ihnen, sog sie auf wie ein Verdurstender klares, kühles Wasser.

Für dich, der du immer auf der Suche nach dir selbst bist.

Deine Lily


Harry ließ sich auf die Bettkante sinken und die Matratze unter ihm war ebenso unnachgiebig und hart wie die Verwirrung und die Flut an Gefühlen in seinem Kopf. Er spürte, wie seine Gedanken durcheinander purzelten und holte zischend Luft, als er die ersten Anzeichen dafür spürte, dass der unerwünschte Eindringling in seinem Kopf sich regte und begann, sich an die Oberfläche von Harrys Bewusstsein zu kämpfen.

„Nein!“, zischte Harry. Das Buch fiel mit einem dumpfen Geräusch auf den Läufer und eine neue Staubwolke stob in die Höhe. Doch Harry bemerkte es nicht. Angestrengt presse er seine Handballen gegen den Kopf, als wolle er den Eindringling wieder hinabstoßen. Tief hinunter in die untersten Schichten seiner Selbst, wo er nichts anrichten konnte. Es gelang ihm, doch Schweißtropfen glänzten nun auf seiner Stirn. Mit seinem staubbesetzten Handrücken wischte er ihn fort und hinterließ einen breiten, grauen Streifen aus Schmutz und Staub von der Mitte seiner Stirn bis zur Schläfe. Schließlich nahm er das Buch erneut in die Hände und etwas Papier fiel aus den letzten Seiten heraus. Es waren drei Briefumschläge, die hinab segelten und sich vor seinen Füßen verteilten. Er sammelte sie mit einem Seufzen auf und einen Moment lang spürte er Reue. Fühlte sich ertappt dabei, wie er in fremden Dingen herumstöberte, sich in fremde Angelegenheiten mischte – und das ausgerechnet in die von Professor Snape.

Andererseits waren es ganz offensichtlich auch die Angelegenheiten seiner Mutter. Und wer sonst hätte das Recht über diese Angelegenheiten Bescheid zu wissen, wenn nicht ihr Sohn? Zumindest dachte Harry so und verdrängte jegliches Gefühl der Reue.

Einen Moment lang hielt er die Briefe in der Hand und starrte darauf, als hoffte er, die Briefe würden sich ihm ganz alleine vorlesen. Auf diese Weise würde ihm die Entscheidung zumindest abgenommen.

Nichts passierte, wie sollte es auch anders sein, und so legte er mit zitternden Händen das Buch neben sich auf den fleckigen Überzug und öffnete den ersten Umschlag.

Ein abgegriffenes Blatt lag darin und vorsichtig klappte Harry es auseinander. Es schien alt und abgegriffen, als hätte es Jahrhunderte überstanden. Die Kante, an der es gefaltet war, war brüchig und vorsichtig legte Harry es auf seinen Knien ab, damit es nicht auseinanderfiel. Er war datiert auf den dritten September 1978.

Lieber Severus, begann Harry zu lesen und hätte fast losgeprustet. 'Lieber Severus'? Gleich würde er sich übergeben müssen. Natürlich, er wusste von der ... Beziehung (bei diesem Gedanken schauderte er) zwischen den beiden. Aber... Lieber Severus?

Er schüttelte den Kopf und las weiter.

Ich hoffe, mein letzter Brief hat dich erreicht. Vielleicht ist er aber auch verschwunden. Die Eule, die ich mit dem Brief beauftragt habe, sah doch etwas mager aus. Ich hoffe aber trotzdem, dass du ihn erhalten hast, denn ich hatte dir erzählt, dass mir James einen Antrag gemacht hat.

Ich weiß, ich weiß, das willst du nicht hören, aber ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich sonst zu berichten habe. Denn du willst das Meiste nicht hören. Ich habe schon so lange nichts mehr von dir gehört und wollte eigentlich einfach nur wissen, ob es dir gut geht. Bitte melde dich!

Lily

Hier war der Brief bereits beendet, doch zwischen den Zeilen stand so viel mehr, das selbst Harry hören konnte. Die Erinnerung an die letzte Begegnung zwischen Snape und seiner Mutter war nicht sonderlich freundschaftlich gewesen. Doch in beider Worte hatte Harry Bedauern herausgehört. Bedauern über das Ende einer Freundschaft zwischen zwei Menschen, die eigentlich nicht unterschiedlicher hätten sein können. Vermutlich hatten sie seit dem Abend des Abschlussballs in Hogwarts nicht mehr miteinander geredet, der bereits irgendwann im Frühjahr des Jahres 1978 gewesen sein musste.

Die Sorge seiner Mutter über den krummnasigen, arroganten Tränkemeister ließ Harrys Brustkorb gegen seine Lunge pressen und er kämpfte gegen einen Anflug von Übelkeit, der ohne Umweg zu einem schlechten Gewissen überging.

Langsam legte er den Brief beiseite und starrte für einige Minuten aus dem Fenster, bevor er nach dem nächsten Umschlag griff. Dieser war auf den 24. Dezember 1978 datiert. Wieder waren es nur wenige Zeilen und der Brief sah ähnlich dünn aus, wie der Erste.

Lieber Snape,

du hast dich nicht gemeldet. Mag sein, dass du nichts mehr mit mir zu tun haben willst. Ich wollte dir nur sagen, dass ich dir wünsche, dass du nicht alleine feierst. Ich hoffe, es geht dir gut.

Lily


Harry schüttelte verwirrt den Kopf. Die Sorge seiner Mutter wurde ihm immer suspekter. Hatte sein Vater davon gewusst? Und wenn ja, hätte er es gutheißen können, dass seine Ehefrau am Weihnachtstag einen Brief an einen Mann schickte, der ihm das Leben zur Hölle gemacht hatte? Natürlich beruhte die Sache auf Gegenseitigkeit, denn sein Vater war in dieser Hinsicht nicht wirklich unschuldig gewesen.

Er legte auch diesen Brief wieder sorgfältig zusammen und nahm sich den letzten Brief.

13. Januar 1980

Vor drei Tagen wurden wir in der Winkelgasse angegriffen. Uns geht es gut, aber ich glaube, einer der Todesser hat während eines Gesprächs deinen Namen erwähnt. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Bitte gib mir doch ein Zeichen. Nur, ob es dir gut geht. Ich will nicht, dass du was Dummes machst.

James war außer sich, nachdem ich einen Stupor abbekommen habe. Er lässt mich seit Tagen nicht mehr aus den Augen.

Ich bin schwanger. Im vierten Monat.

Lily


Lily war schwanger. Im vierten Monat. Mit ihm.

Harry schüttelte das Buch ziemlich ungehalten und hoffte auf weitere Briefe, aber er fand nichts. Waren es tatsächlich nur die drei Briefe gewesen, oder hatte Snape die anderen woanders verstaut? Vielleicht hatten sich Lilys Ängste bestätigt und sie hatte irgendwie erfahren, dass Snape tatsächlich zu einem Todesser geworden war. Es wäre kein Wunder gewesen, wenn sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte.

Frustriert legte Harry die Briefe zurück in das Buch und begann, das Zimmer nach weiteren Briefen zu durchsuchen. Er begann mit dem Nachttisch, dann mit den Bücherregalen. Er nahm jedes Buch einzeln heraus, schüttelte es mit den flatternden Seiten nach unten und entdeckte nichts weiter als ein paar gekritzelte Trankrezepte, eine Postkarte mit dem etwas ruckelnden Motiv des Taj Mahal und sogar eine Einkaufsliste. Doch keine weiteren Briefe seiner Mutter. Er sah unter dem Bett nach und auch unter dem Kopfkissen. Erschöpft ließ er sich auf das Bett fallen und starrte den schwarzen Samthimmel an, an dem große Staubflocken hingen wie schmutzige Sterne am Nachthimmel. Der Stoff war offensichtlich schon seit Jahren nicht mehr gewaschen worden und die Falten hingen tief über dem Bett. Als ob etwas darauf lag und es nach unten drückte. Harry streckte seinen Arm in die Höhe und drückte leicht mit seinem Zauberstab gegen die niedrigste Stelle und tatsächlich lag dort etwas Schweres, das prompt zur Seite rutschte, als er es nach oben schob.

Seine Neugier erneut entfacht, stand Harry auf und richtete seinen Zauberstab so weit über den Kopf, dass dessen Spitze über den Holzrand des Himmels ragte.

„Accio“, murmelte er leise und fing den Gegenstand mit seiner anderen Hand auf, als er über den seinen Kopf hinweg zoomte. Ein Staubregen ergoss sich über ihn und er hustete, bis er wieder einigermaßen atmen konnte. Hastig schüttelte er sich die verbleibenden Staubfetzen aus dem Haar und setzte sich zurück auf die Bettkante. Was er in der Hand hielt, war ein kleines Notizbuch mit einem schwarzen Einband und einem Bändchen, das irgendwo in der Mitte zwischen den Seiten lag.

Ein scharfer Schmerz stach in seinem Kopf, dicht hinter seinen Augen und er schloss sie kurz, bevor er das Büchlein aufschlug. Auf den ersten Blick war es nicht mehr als ein Notizbuch. Lieblos dahingeschmierte Worte, halb beendete Satzfetzen und unkenntliche Skizzen füllten es aus und nur hin und wieder glaubte Harry Namen darin lesen zu können. Voldemort, Avery und Pettigrew waren nur einige davon. Er wollte es sich bereits gemütlich machen, als ein Geräusch ihn aufhorchen ließ und er das Licht seines Zauberstabes löschte.

Hastig trat er ans Fenster, den Zauberstab nun in abwehrenden Geste vor sich haltend, und blinzelte in den dicht bewachsenen Vorgarten hinaus. Mondhelle Schatten kreuzten den weißen Gehweg und eine schnelle, dunkle Gestalt huschte ihn entlang. Sie hatte die Eingangstür erreicht, noch bevor Harry erschrocken vom Fenster zurückgetreten war. Auf Zehenspitzen schlich er durch das Schlafzimmer zurück an die Tür und öffnete die Tür einen Spalt weit, um hindurch lauschen zu können. Er blieb stehen und wartete.

oooooooooooooooooo

Ein kalter Schauer rann Ginnys Rücken hinab und ließ sie frösteln, als sie aus dem Fahrenden Ritter heraustrat und vor sich das Haus sah, welches sie in Bildformat in ihren Händen hielt. Unwillkürlich wanderte ihr Blick nach oben, als ob sie nach den Überresten des Dunklen Mals suchen wollte. Natürlich war davon nichts zu sehen.

Sterne funkelten über ihr und der Mond erhellte die Gegend mit einem bläulichen Schimmer. Vereinzelte Wolken sahen aus wie silberne Kissen, die es sich in dem Himmelszelt gemütlich machten. Ginny stolperte erschrocken nach vorne, als der Bus hinter ihr mit quietschenden Reifen davonbrauste. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah sie ihm böse hinterher und schulterte schließlich ihren Rucksack. Unter ihren Füßen knirschten kleine Kiesel und Äste und Blätter ragten bis weit in den Weg hinein. Vorsichtig schob sie sie beiseite und blieb schließlich vor der Haustür stehen.

Was, wenn er nicht da war? Oder anders: Was, wenn er da war? Ein Moment, eine klitzekleine Sekunde lang, bereute sie ihre Entscheidung. Wie hatte sie nur so dumm sein können, keine Nachricht zu hinterlassen? Noch hatte sie die Chance umzudrehen, mit ihren Eltern darüber zu reden, Ron und Hermine zu begleiten und... und dann?

Sie schüttelte vehement den Kopf. Harry vertraute ihr und sie, als einzige, wusste genau, was er durchmachte, falls er tatsächlich besessen war.

Also straffte sie ihre Gestalt und trat ein. Wie Harry Stunden zuvor ließ sie ihren Blick mit einer Mischung aus Abscheu und Ungewissheit über die Einrichtung wandern. Sie durchschritt das kleine Wohnzimmer, eine Wolke aus erneut aufgewirbelten Staub hinter sie her ziehend. Mit gemischten Gefühlen fielen ihr die Fußabdrücke auf, denen sie unbewusst gefolgt war. Er war also tatsächlich hier. Bevor sie in den Flur trat, holte sie tief Luft und hielt den Zauberstab vor sich, bereit, sich bei der kleinsten Bedrohung zu verteidigen.

Doch die Dunkelheit und die feindselige Aura dieses Hauses machten es schwierig, ihre bebenden Nerven zu beruhigen.

oooooooooooooooooo


Er hörte Schritte. Sie waren zurückhaltend und scheu, als wolle der Jemand nicht gehört werden. Hastig schloss Harry die Tür noch etwas mehr, so dass er nur mit einem Auge hindurchblicken konnte. Der Flur machte einen Knick auf der Hälfte der Stufen und so sah Harry zuerst nur den schwummrigen Lichtkegel eines mit Lumos erhellten Zauberstabes. Doch er bewegte sich deutlich immer näher und nach wenigen Sekunden lugte das leuchtende Ende des Stabes um die Ecke herum. Harry ließ leise seinen Atem entweichen, von dem er nicht bemerkt hatte, dass er ihn angehalten hatte, und seine Knöchel schmerzten von dem harten Griff, den er um seinen eigenen Zauberstab geschlossen hatte.

Eine Stimme, so unerwartet wie bekannt, hauchte ihm entgegen. Sie war erfüllt von Angst und Unsicherheit und wäre Harry nicht wie erstarrt, er hätte die Tür aufgerissen.

„Harry?“

Sein Herz pochte ihm bis in den Hals und das Blut rauschte in seinen Ohren, als wolle es ein eigenes Orchester gründen.

„Ich bin es. Ginny.“ Ein weiterer Schritt auf der Treppe. „Bist du hier?“

Das Flüstern klang so, als wäre sie sich unsicher, ob sie tatsächlich gehört werden wollte. Eine Tatsache, die Harry sehr gut nachvollziehen konnte.

Als hätte er sich seine Finger daran verbrannt, warf Harry seinen Zauberstab, der bereits für einen Toten an diesem Tag verantwortlich war, ans andere Ende des Zimmer und er rollte mit einem scheinbar ohrenbetäubenden Klackern unter das Bett. Ginny musste es einfach gehört haben und ihre Schritte wurden fester, schneller und schließlich wurde die Tür von außen aufgestoßen. Harry war zurückgewichen und hielt nun seinen Unterarm vor die Augen, um sich vor dem grellen und ungewohnten Licht zu schützen.

„Harry“, begrüßte Ginny ihn halb überrascht, halb misstrauisch und ließ ihren Zauberstab etwas sinken, so dass Harry ihr blinzelnd gegenüberstand und den Arm sinken ließ.

Sie standen einfach nur und warteten darauf, dass der jeweils andere zu reden begann. Doch keiner der Beiden schien den Anfang machen zu wollen. Nervös presste sich Harry gegen die Wand hinter ihm, während Ginny unschlüssig von einem ein Fuß auf anderen balancierte, nicht sicher, ob sie fliehen oder ihm um den Hals fallen sollte.

„Ginny“, wisperte Harry schließlich heiser und war sich eigentlich nicht einmal sicher, ob er den Gedanken ausgesprochen oder nur gedacht hatte. Doch er musste es wohl laut gesagt haben, denn im selben Atemzug spürte er Ginnys schmale Arme, die sich um seine Schultern legten und pressten, als ob sie Harry entzwei brechen wollte.

„Oh Harry“, hauchte Ginny, ihren Kopf auf seiner Schulter liegend. Er spürte ihren warmen Atem gegen seinen nackten Hals und roch den Duft ihrer Haare. Etwas Fruchtiges, ein unterschwelliger Geruch nach Sommer und Gras und umhersummenden Bienen und blühenden Apfelknospen. „Oh, Harry“, wiederholte Ginny und Harry fand endlich die Kraft, ebenfalls seine Arme zu heben. Er umschlang ihren Oberkörper, schwamm in seinen Gefühlen wie ein Ertrinkender und umklammerte Ginny, als wäre sie ein Rettungsring. Überwältigt und müde ließ er seinen Kopf sinken, versank mit der Nase in ihrem Rotschopf und kämpfte gegen die Tränen, die seinen Verstand zu vernebeln versuchten. Doch in einer plötzlichen Eingebung umfasste er ihre Schultern und drückte sie fort von sich.

Wütend funkelte er ihr entgegen. „Was machst du hier?“

Einen Augenblick lang glaubte er Angst in ihren Augen aufflackern zu sehen, doch sie verschwand rasch, als Ginny das Zittern seiner Finger auf ihrer Haut spürte.

„Was glaubst du, was ich hier tue, Dummkopf?“, entgegnete Ginny nicht minder aufgebracht und befreite sich aus Harrys schmerzhaftem Griff. „Dir ist schon klar, dass ich mein Erbe riskiere, richtig?“, platze sie heraus und begann bei Harrys verwirrtem Gesicht hilflos an zu kichern.

„Was... woher... wie kommst du auf die Idee...? Du bist noch nicht einmal volljährig“, stotterte Harry. „Ich hätte dich umbringen können.“ Er schüttelte den Kopf und Ginnys Kichern erstarb.

„Harry,“ begann sie und untermalte ihre Worte mit soviel Vehemenz, dass Harry fast hätte glauben können, Molly Weasley stünde vor ihm. „Ich will dir helfen. Ich will wissen, was los ist? Und außerdem hatte ich letzte Woche Geburtstag. Vielen Dank für die Karte, die die Eule scheinbar verloren hat.“

Harry spürte Hitze in seine Wangen steigen, doch er schüttelte sein schlechtes Gewissen schnell ab. So leid es ihm auch tat, er hatte weitaus wichtigere Probleme, als einen vergessenen Geburtstag.

„Ginny... du willst wissen, was los ist?“ Wenn Ginny nicht schon Harrys Griff entkommen wäre, spätestens jetzt hätte sie unter seinen verkrampften Fingern blaue Flecken davon getragen. „Du bist doch bestimmt nicht hier, um dir meine Notizen für Verwandlung auszuleihen. Du weißt doch, was los ist.“ Sein Brustkorb hob und senkte sich schnell, beinahe schmerzhaft, und die Luft in seiner Lunge schien zu wenig für ihn. Er ließ sich auf das Bett sinken, als seine Beine ihn nicht mehr trugen. „Ich habe einen Menschen getötet, Ginny.“

„Ich weiß.“ Ginny zögerte einen Augenblick, ehe sie sich neben Harry setzte und ihre Hand beruhigend durch seine Haare fuhr, die ihm wirrer als sonst vom Kopf abstanden. „Aber ich weiß auch, dass du es nicht warst“, fuhr sie mit fester Stimme fort.

„Ginny, ich war es. Ich habe die Worte auf meinen Lippen gespürt, den Hass und ich habe seinen Tod gespürt, als wäre es eine Erlösung. Es ist mein Zauberstab gewesen, der es angerichtet hat.“

„Aber...“, wollte Ginny einlenken, doch Harry unterbrach sie mit einem lauten „Nein.“

Er richtet sich auf und lief ans Fenster, den Rücken Ginny zugewandt. „Es war nicht wie bei dir, Ginny.“ Die junge Weasley schluckte, was Harry nicht sehen konnte. „Ich kann mich erinnern, jede Sekunde, jedes Wort, jeder einzelne verdammte Gedanke. Ich erinnere mich an den Ausdruck in seinen Augen, als...“

Er verstummte und seine Ellenbogen verkrampften sich an seiner Seite, während seine rechte Hand unentwegt die Finger seine linken knetete.

„Ich war es, Ginny. Nichts was du sagst, kann das ungeschehen machen“, endete er schließlich. Seine Stirn sank gegen die kühle Fensterscheibe und sein Atem kondensierte milchig gegen das Glas.

Ihre Hand suchte vorsichtig die Wärme seine Körper und er spürte ihre Finger auf seiner Schulter, ihren Körper nur wenige Zentimeter hinter seinem.

Wäre alles anders gekommen, wenn er sich nicht für Griechenland entschieden hätte? Wenn er einfach Ginnys Wunsch erfüllt hätte und den Urlaub mit den Weasleys verbracht hätte? Für diese Gedanken war es ohnehin zu spät.

„Ich weiß“, antwortete Ginny. „Ich weiß, dass nichts, was irgendjemand sagt, die Sache so einfach aus der Welt schaffen kann. Aber es gibt Menschen, die dir da durch helfen wollen.“

„Das können sie nicht.“

Harry seufzte und Ginny schien einzusehen, dass sie seine Stimmung nicht ändern konnte. Sie nahm ihre Hand von Harrys Schulter und lief einige Schritte durch das Zimmer. „Was machst du hier überhaupt?“, wollte sie interessiert klingen wissen und warf einen Blick in die Schublade, die Harry nicht wieder geschlossen hatte. „Moby Dick?“

Harry wandte sich endlich vom Fenster ab und beobachtete sie, wie sie das Buch in die Hand nahm und ein leises Hüsteln von sich gab, als erneut eine Staubwolke vor ihr aufstieg.

„Ein Muggelbuch, ein gutes, wie ich gehört habe.“

„Worum geht es?“

„Um einen Mann, der einen Wal sucht“, entgegnete Harry und lächelte, als er in Ginnys ungläubiges Gesicht sah.

„Wow, jede Menge Seiten, für so wenig Stoff, was?“

„Es ist kompliziert.“

„Und warum liegt es bei Snape im Nachtschrank?“ Harrys Lächeln verschwand und er machte Anstalten, ihr das Buch aus der Hand zu nehmen.

„Professor Snape“, berichtigte Harry und verfluchte seine Reaktion sofort. „Ich meine... Professor Snape war genauso kompliziert ... glaub ich“, endete Harry lahm.

„Wie genau meinst du das?“

Zu spät. Ginny schlug die erste Seite auf und starrte mindestens eine halbe Sekunde lang auf die Widmung, bevor Harry sie ihr aus der Hand genommen hatte.

„Harry!“, fragte Ginny diesmal mit festerer Stimme. „Ist das Buch von deiner... Mutter?“

Er seufzte und ließ sich auf das Bett sinken, das Buch fest in seinen Händen. Erwartungsvoll sah Ginny ihn an.

„Es ist eine lange Geschichte.“

Ginnys Augenbrauen wanderten in die Höhe. „Ich habe zufälligerweise nichts Besseres zu tun.“

Harry lachte bitter und begann mit bemüht emotionslosen Worten Snapes Erinnerungen zu rekapitulieren, die er bisher nur Ron und Hermine erzählt hatte. Doch die letzten Worte wurden zu einer Qual und er spürte, wie seine Stimme verdächtig zu zittern begonnen hatte. Er spürte Ginnys Finger am Haaransatz seines Nackens und sie machte kleine, bedächtige Kreise auf seiner Haut, die ein angenehmes Kribbeln auf seinem Kopf hervorriefen

„Ich wusste nicht, weswegen ich wütender war“, murmelte Harry schließlich und wahr froh, dass Ginny nicht angefangen hatte, ihn mit wohlgemeintem Bedauern aufheitern zu wollen. „Es ist seltsam“, fuhr er fort, verstummte aber, scheinbar versunken in seinen Gedanken.

„Was ist seltsam?“, wollte Ginny nach einigen Augenblicken wissen.

„Snape.“ Er sah Ginny an, die linke Hälfte ihres Gesichtes angestrahlt vom mageren Licht einer Straßenlaterne. „Professor Snape“, wiederholte er dieses mal mit einer festen Betonung auf „Professor“. Ich habe ihn gehasst, vom ersten Tag an. Er hat mir das Leben zur Hölle gemacht und ich gebe zu, ich habe nicht sonderlich viel unternommen, um ihn zu besänftigen. Aber...“ Er schluckte. „Wahrscheinlich hätte es ohnehin nichts genutzt. Professor Snape hat in mir all das gesehen, was er verloren hat. Ich war für ihn wie... wie Wurmschwanz für mich.“

„Aber Harry“, entgegnete Ginny sofort. „Du hast niemanden verraten und schon gar niemanden getötet, den Sna... Professor Snape liebte.“

„Das ist doch vollkommen egal. Es geht nicht darum, jemandem die Schuld zu geben. Es geht darum, jemandem ausgeliefert zu sein, der einem ständig das eigene Schicksal vor Augen führt. Jedes Mal, wenn er mich angesehen hat, hat er die Frau gesehen, die er liebte. Meine Mutter. Und jedes Mal wurde er an seine eigenen Fehler erinnert.“

„Snape war trotz allem ein Todesser!“, platzte es aus Ginny heraus und diesmal berichtigte sie seinen Namen nicht.

„Das war er. Er hat Fehler gemacht. Doch er hat sich letztendlich für das Richtige entschieden, richtig?“

Es war keine wirkliche Frage, das spürte Ginny und so sagte sie nichts, als Harry sich wieder erhob und nervös im Zimmer auf und ab lief.

„Er war wie Dumbledore, doch hatte er nicht das Glück, rechtzeitig den Zug zu verlassen, der ihn in sein Verderben bringen würde.“

Wieder wurde es still im Raum und Harry fühlte sich seltsam erleichtert. Sein Blick fiel auf die Briefe und das schwarze Notizbuch neben Ginny und er rieb sich die Stirn, die wieder angefangen hatte zu schmerzen. „Ich habe diese Briefe hier gefunden. Sie sind von meiner...“

Harry verstummte und rieb sich nun stärker die Stirn. Er hatte vollkommen vergessen, in welcher Gefahr sich Ginny gerade befand – hier, zusammen mit ihm, in einem Zimmer. Kalte Finger schienen seinen Verstand in die Tiefe reißen zu wollen und mit einem Stöhnen sank er auf die Knie.

„Harry“, rief Ginny erschrocken und sprang auf, um ihm zur Hilfe zu eilen. Doch Harrys lauter, befremdlicher Schrei ließ sie erstarren. „Nein, bleib wo du bist!“

„Was ist los?“, wollte Ginny wissen und diesmal schwang deutlich Angst in ihrer Stimme. „Was kann ich tun?“

„Lass mich erstarren!“, knurrte Harry, noch während er spürte, wie das fremde Bewusstsein seine Lippen zum Schweigen bringen wollte.

„Wa...?“

„TU ES!“

Es war der letzte klare Gedanke, den er hatte aussprechen können, bevor er seinen Körper in die Höhe schnellen fühlte. Mit seinem Zauberstab irgendwo unter dem Bett konnte er jedoch nichts anderes machen, als sich mit einem unmenschlichen Knurren auf Ginny zu stürzen. Er wollte die Augen schließen, sie abwenden von dem grausamen Anblick von Ginnys vor Entsetzen verzerrten Blick. Eine unsagbare Erleichterung durchströmte seinen eigenen Geist, als er Ginny rufen hörte: „Stupor!“

Sein Körper würde erneut in die Höhe geschleudert, dieses Mal aufgrund eines äußerst wirksamen Zaubers, und er wurde mit voller Wucht gegen die hintere Wand geschleudert. Sterne tanzten vor seinen Augen und Schmerz breitete von seinem Hinterkopf beginnend aus. Trotz alledem war es Erleichterung, die er fühlte, bevor er sich in die Dunkelheit fallen ließ.

oooooooooooooooooo

Mit umherfliegenden Armen und Beinen glitt Harry die Wand entlang auf den Fußboden und riss dabei die staubigen Vorgänge hinab. Sie landeten auf seinem regungslosen Körper und mit einem erstickten Laut, das einmal ein „Harry“ werden sollte, kniete Ginny neben ihm nieder und zog hastig die schmutzigen Fetzen fort. Ihre zitternden Finger fanden einen starken und regelmäßigen Puls, der sie erleichtert ihre Hände vor das Gesicht halten ließ.

„Oh Mann“, hauchte sie und atmete einige Male tief ein und aus um ihre eigene Aufregung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Harrys Brustkorb bewegte sich gleichmäßig auf und ab und Ginny krabbelte mit einem plötzlichen Anflug von Panik auf allen Vieren weg von ihrem Ex-Freund, der nun unschuldig und friedlich schlummerte, als wäre nie etwas passierte. Nur die zerknüllten Gardinen waren Zeuge gewesen.

„Das war nicht Harry, nicht Harry“, murmelte Ginny immer wieder wie ein Mantra und wippte mit lose herunterhängenden Haaren auf dem Fußboden auf und ab.

„Jetzt reiß dich gefälligst zusammen!“, murmelte sie schließlich und mit einen leichten Stich von Reue fesselte sie ihn mit einem leicht unwilligen „Incarcerus!“

Seile wanden sich um seine Füße und Hände und schließlich wagte sie es, ihm wieder näher zu kommen. Seine Augen waren fest verschlossen und seine Gesichtszüge entspannt. Wenn sie doch nur glauben könnte, dass er friedlich schliefe und sie am nächsten Morgen wecken würde. Mit einem Kuss und einer liebevollen Umarmung. Doch Ginny sah sich mit einem unterdrückten Schluchzen in dem heruntergekommenen Zimmer um. Beinahe fühlte sie sich, als würden Dementoren das Haus umzingeln und ihr jede Hoffnung und Freude rauben. In Wirklichkeit brauchte sie momentan aber solche nicht, um sich mies zu fühlen.

Vorsichtig ballte sie die Gardinen zu einem Knäuel zusammen und schob es Harry unter den Kopf, damit er wenigstens etwas bequemer lag. Ihn zu bewegen, wagte sie nicht. Müde rollte sie ihren Kopf, um die Anspannung etwas zu vertreiben. Ihr Blick fiel auf das kleine Notizbuch und sie griff danach, bevor sie sich bäuchlings auf das Bett fallen ließ, um darin zu lesen. Aus den Augenwinkeln behielt sie Harry im Blickfeld, darauf aus, sofort zu reagieren, wenn er aufwachen sollte.

Ihre Augen brannten mit Müdigkeit, doch Seite um Seite, die sie umblätterte, wurde sie angespannter. Immer wieder vergewisserte sie sich, dass Harry noch immer bewusstlos war. Mehrmals spielte sie mit dem Gedanken, ihr Eltern zu informieren, oder zumindest Ron und Hermine eine Nachricht zukommen zu lassen. Doch das Buch schien sie wie ein ganz besonderer „Incarcerus“ zu fesseln. Satz um Satz, Silbe um Silbe und Offenbarung um Offenbarung. Und vollkommen widerstandslos sank sie im Morgengrauen in ein Schlummern und schließlich in einen tiefen Schlaf.

oooooooooooooooooo

Ein Sonnenstrahl, ertränkt mit dem darin tanzenden Staub, kitzelte Harrys Nase und er machte Anstalten, den Arm zu heben, um seine Nasenspitze zu kratzen. Doch seine Arme und Beine gehorchten nicht. Eine träge Müdigkeit lag auf ihnen, als hätte er sie seit Ewigkeiten nicht mehr genutzt.

Das Jucken seiner Nase verhinderte ein Zurückgleiten in die seelige Schwärze des Schlafes und seine Augenlider flatterten aufgeregt.

Der Gesang eines Vogels irgendwo in der Nähe ließ ihn zusammenzucken, was wiederum dazu führte, dass er ein Zischen zwischen seinen Zähnen hervorstieß und sich wünschte, sofort wieder bewusstlos zu sein.

Ein scharfer Schmerz zuckte an seinem Hinterkopf und er öffnete endlich die Augen. Mehrere Momente blinzelte er der Decke entgegen, bevor er vorsichtig seinen Kopf drehte.

Auf dem Bett lag eine Gestalt, zusammengerollt wie eine kleine Katze und Harry konnte ihren Kopf sehen, ihre roten Haare, die vom morgendlichen Licht angestrahlt wurden und funkelten wie ein kleines Feuerwerk.

Erneut versuchte er sich aufzusetzen und bemerkte nun endlich die Fesseln, die wohl auch eindeutig seine schmerzenden Hände erklärten. Erschöpft und gleichzeitig erleichtert, ließ er sich wieder nach hinten sacken und horchte in seinen eigenen Verstand. Dort fand er momentan nichts außer seinen eigenen, wenig erfreulichen Gedanken. Wie lange dieser Zustand noch anhalten würde? Er wusste es nicht. Was er wusste, war, dass niemand in seiner Umgebung sicher war. Schon gar nicht Ginny, die unschuldig nur drei Meter entfernt auf dem Bett lag.

Das Zimmer sah im Schein der Sonne bedeutend freundlicher aus als in der Dunkelheit. Andererseits konnte er nun jeden Fleck sehen, der die altmodische Tapete verunstaltete. Spinnweben glitzerten im Licht wie Fäden aus Silber und der Stoff des Bettes war verblichen und gräulich.

Unter dem Bett lagen Staubflocken größer als seine Faust und noch etwas anderes, das Harry kurz seine Möglichkeiten abwägen ließ. Sollte er versuchen, seinen Zauberstab zu erreichen, sich befreien und so schnell wie möglich verschwinden? Oder sollte er Ginny wecken? Aber was dann? Wo würde man ihn hinbringen? Sankt Mungo? Askaban? Er wünschte sich zurück nach Griechenland. Doch das würde wohl nicht zur Verfügung stehen, wenn er nicht wollte, dass er innerhalb von wenigen Stunden gefunden wurde.

Doch selbst wenn er entkommen könnte, wie sollte er sein Alter Ego dazu bringen, nicht auf eigene Faust loszuziehen und Leute umzubringen?

Nein, er benötigte Hilfe. Hilfe von Leuten, die sich mit Dunkler Magie auskannten. Sirius wäre wohl der erste, der ihm eingefallen wäre. Danach Dumbledore und Lupin. Vielleicht sogar Mad Eye. Doch sie alle waren tot und wohl kaum in der Lage, ihm in seiner Misere Beistand zu leisten. Nein, er wusste, zu wem er gehen würde.

Die Sache war beschlossen und vorsichtig begann er, sich langsam aber geräuschlos in Richtung Bett zu robben. Er brauchte nur einen klitzekleinen Kontakt mit seinem Zauberstab. Nur für eine Sekunde...

Mit den Füßen voran kroch er rücklings unter das Bett. Den Zauberstab konnte er inzwischen nicht mehr sehen, doch er musste sich irgendwo dort befinden, wo seine Füße waren. So bewegte er Zentimeter um Zentimeter seine Füße über den Fußboden. Ginny rollte sich mit einem leisen Seufzen auf dem Bett auf die andere Seite und Harry hielt seinen Atem an.

„Finite Incantatem“, dachte er angestrengt und versuchte es noch einmal. Doch scheinbar berührte er den Zauberstab nicht. Es klackerte leise und ein dritter Versuch ließ sich die Fesseln in Luft auflösen und Harry krabbelte unter dem Bett hervor, einen aufsteigenden Hustenreiz unterdrückend.

Nur noch zwei Meter bis zur Tür. Nur noch einer...

„Harry?“

Er wagte nicht, sich umzudrehen. Ihre Stimme ließ Bedauern und eine tickende Ungeduld in ihm aufsteigen. Das fremde Bewusstsein kitzelte seinen Verstand, spottete über ihn.

„Wo willst du hin?“, fragte Ginny hinter ihn mit leiser Stimme, als hätte sie Angst, ihn mit einer lauten Stimme aufzuregen.

Als Harry sich umdrehte, bemerkte er, wie sie sich das schwarze Notizbuch von Snape gegen die Brust presste und nervös auf ihren Zauberstab schielte, der nur wenige Zentimeter von ihr entfernt auf dem Fußende des Bettes lag.

„Ich muss... weg“, erwiderte Harry ebenso leise. Diesmal eher, um den schlafenden Geist nicht zu wecken. „Ich darf dich nicht noch mehr in Gefahr bringen. Dich oder sonst jemanden.“

„Aber Harry, du bist es nicht“, sagte Ginny trotzig und Harry lachte bitter.

„Das hält meine Hand nicht davon ab, meinen Zauberstab gegen jemanden zu wenden, Ginny.“

„Harry“, sagte Ginny, diesmal mit einer erstaunlich festen Stimme. „Dieses Notizbuch von Sn... Professor Snape...“ Sie krabbelte zum Rand des Bettes, griff beiläufig nach ihrem Zauberstab und schien auf einmal aufgeregt. „Hier stehen einige interessante Dinge drin. Sie könnten...“

Sie war nähergetreten und versperrte ihm somit den Weg nach draußen. Unbewusst machte Harry einen Schritt nach hinten, um mehr Platz zwischen sich und Ginny zu schaffen.

Und wie ein Käfer, der sich langsam eine Wand nach oben schleppte, spürte er mit eisiger Gewissheit, dass er nicht mehr lange allein sein würde.

„Es ist Zeit, zu verschwinden, Harry“, brummte die Stimme und Harry zuckte zurück, hielt sich den Kopf und presste die Zähne aufeinander. „Wir sollten sie mitnehmen. Meinst du nicht auch? So wären wir zumindest in netter Gesellschaft.“

„Nein!“, rief Harry und Ginny, die ihm offensichtlich die ganze Zeit versuchte, etwas zu sagen, verstummte abrupt. Ihr Mund stand noch immer offen und Überraschung stand ihr im Gesicht.

„Harry, bist du... es?“

„Nicht... mehr... lang“, knirschte er und spürte seinen Griff um seinen Zauberstab stärker werden, ohne dass er es beabsichtigte.

„Kämpfe!“, wisperte Ginny, hielt aber trotzdem die Spitze ihres Zauberstabes auf seine Brust gerichtet. Harry schüttelte den Kopf und hörte Ginny rufen „Stup...!“

Doch es war bereits zu spät. Sein Körper duckte sich, entkam der Flugbahn des Fluches und spürte sich mit voller Wucht gegen Ginny stürzen. Ein überraschter Schrei entkam ihrem Mund und laut polternd stürzte sie rückwärts die Treppe hinunter. Ihre Arme wirbelten in der Hoffnung, Halt am Geländer zu finden. Sie verschwand hinter der Ecke und Harry schrie. Innerlich. So laut, dass er glaubte, seine Stimmbänder würden bersten, doch in Wirklichkeit hatte er nicht die geringste Kontrolle über seine Stimme. Er fühlte, wie sich sein Körper in Bewegung setzte, die Treppe hinab stieg und einen großen Schritt über den leblosen Körper machte, der am Ende der Stufen auf dem dreckigen Boden lag. Ohne zurückzublicken, verließ er das Haus und apparierte, sobald er das Grundstück in sicherer Entfernung hinter sich gelassen hatte.

TBC


Nächstes Kapitel - Wird Ginny es überle...? Och nee, blöde Frage, was? Es ist wohl allen klar, dass Ginny von Hermine und Ron gerettet wird. Sie finden Harry, exorzieren ihn und reiten glücklich vereinigt in den Sonnenuntergang. Oder zumindest so in etwa. Mal gucken, ob mir noch was Besseres einfällt. *grins*


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