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HP7-Spoiler - Harry Potter und der Blutige Dorn - Dracos Warnung

von annj

Der Raum war erfüllt mit dem unregelmäßigen Schnarchen seiner Bewohner. Gurgelnde, röchelnde und schwer atmende Geräusche, die den Anschein erweckten, als wäre der Raum bewohnt von Dutzenden Personen. Doch in Wirklichkeit waren es nicht mehr und nicht weniger als fünf Jungen. Mit einem Seufzen drehte Harry den Kopf zu Seite und starrte aus dem Fenster. Obwohl er den Mond nicht sehen konnte, konnte man seine Helligkeit erahnen. Bläuliches Licht erhellte den Fußboden und in der Ferne war durch das offene Fenster das Rufen der Eulen zu hören. Zumindest in den kurzen Pausen zwischen den erschütternden Schnarchern seiner Mitbewohner.

Harry dachte daran, einen Isolierungszauber um sein Bett zu legen. Er streckte sich, um seinen Zauberstab vom Nachttisch zu nehmen, doch sein Arm war um mindestens 20 Zentimeter zu kurz. Er seufzte erneut, zu träge um sich aufzurichten und den Zauberstab an sich zu nehmen. Stattdessen drehte er sich auf die andere Seite und presste sein Kissen auf beide Ohren.

Weitere fünf Minuten lag er in dieser Position, musste dann aber einsehen, dass die Nacht ihm seinen hart verdienten Schlaf nicht so einfach geben würde.

Mit einem erneuten Seufzer drehte er sich zurück auf den Rücken und legte seine Hände auf seinen freien Oberkörper. Obwohl die Fenster weit aufgerissen waren, lag eine drückende Hitze im Zimmer. Der Sommer hatte es in den letzten Wochen zu gut mit ihnen gemeint. Vermutlich um die unterschwellige Kälte der vergangenen Jahre zu vertreiben. Die Prüfungen wurden zur reinen Folter für die Siebtklässler der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei. Selbst die Hausgeister beklagten sich lautstark, dass sie irgendwann dahinschmelzen würden.

Harry lauschte einige weitere Sekunden auf die Geräusche seiner Zimmerbewohner, setzte sich dann auf und zog sein T-Shirt über. Leise erhob er sich, tastete in seiner fertig gepackten Truhe nach seinem Tarnumhang, schnappte sich seinen Zauberstab und schlich vorsichtig aus dem Raum. Im Gemeinschaftsraum war es duster. Die Fenster waren kaum groß genug, den Raum mit Mondlicht zu erhellen und aufgrund des heißen Wetters wurde schon seit Wochen auf das Feuer im offenen Kamin verzichtet. Der Steinfußboden unter seinen Füßen war angenehm kühl und mit innerlicher Freude begrüßte er seine Entscheidung, einen letzten Rundgang durch Hogwarts zu unternehmen. Die morgige Zugfahrt im Hogwartsexpress würde auch ihre letzte werden.

Dieses Mal unterdrückte Harry ein Seufzen, warf den Umhang über und öffnete den Ausgang des Gryffindorturmes. Die Fette Dame schien dieselbe Idee gehabt zu haben wie er. Sie war vermutlich irgendwo im Schloss unterwegs und spekulierte über die neuen Schüler, die im September ihre Schulzeit in Hogwarts beginnen sollten. Es sollte ihm egal sein. Ehe er zurück war, war sie bestimmt wieder an ihrem Platz. Hin und her gerissen zwischen seinen Emotionen konnte sich Harry nicht entscheiden, ob er froh sein sollte oder nicht, dass seine Zeit innerhalb dieser Mauern nun beendet sein sollte.

Er lief die Treppen zur Eingangshalle hinunter und machte einen großen Schritt über einen großen, dunklen Fleck im Teppich. Filch hatte seit Wochen vergeblich versucht, ihn zu beseitigen. 'Jedes Schloss braucht einen Blutfleck im Teppich, den man nicht weg schrubben kann', dachte Harry mit einem traurigen Lächeln. Wessen Blut es war, daran konnte und wollte Harry sich nicht mehr erinnern. Doch er war aus einem unerfindlichen Grund der Einzige, der in ganz Hogwarts zurückgeblieben war. Mit einem schmerzhaften Stich im Herzen sah Harry, dass die Stundengläser bereits zurückgestellt worden waren. Keine einzelne Kugel füllte die durchsichtigen Röhren. Wozu auch? Der Hauspokal war bereits vor Stunden feierlich an Gryffindor überreicht worden. Wer hatte denn schon punktemäßig etwas gegen den Sieg über Voldemort zu setzen?

Mit etwas Anstrengung drückte er die Flügel der Eingangstür zum Gelände der Schule auf. Er blieb einen Moment lang stehen, genoss die schwache Brise auf seiner erhitzten Haut und sah sich um. Alles war friedlich. Die Rufe der Eulen hallten hier noch lauter. Der Wind ließ die Baumspitzen im Verbotenen Wald rauschen und erzittern, erweckte den Eindruck eines anhaltenden Gespräches. Ein an- und abklingendes Gemurmel. Eine besonders kräftige Brise fuhr durch Harrys Haare und ließ ihn frösteln. Was für ein herrliches Gefühl.

Ohne dass er ein konkretes Ziel hatte, lief er los und ließ seinen Blick über all die Orte schweifen, die er mit Vergangenem verband. Die Gewächshäuser, die Peitschende Weide, in der Ferne die erhöhten Stände des Quidditchgeländes. Zu seiner Rechten der Verbotene Wald und direkt vor ihm Hagrids Hütte.

Abrupt blieb Harry stehen. Im hellen Schein des Mondes erkannte er den Halbriesen vor seiner Hütte liegend, den zottigen Kopf an den Rücken des Hippogreifs Seidenschnabel gelehnt. Beinahe wäre Harry losgerannt um sich zu vergewissern, dass mit Hagrid alles in Ordnung war, als er ein enormes Grollen hörte, das eindeutig von Hagrid kam. Ganz offensichtlich hatte Hagrid es sich zum Schlafen im Freien gemütlich gemacht, da seine Hütte, ähnlich wie das gesamte Schloss, aufgeheizt war vom ewigen Hitzehoch.

Grinsend trat Harry näher und tätschelte Seidenschnabel auf den Kopf. Er hatte nicht die Absicht, Hagrid zu wecken, obwohl er es gerne getan hätte. Doch seit seinem vermeintlichen Tod in den Armen des Halbriesen, schien Hagrids Laune ihm gegenüber seltsam getrübt. Beinahe unfreundlich. Harry tat es damit ab, dass Hagrid vermutlich ebenso daran zu knabbern hatte, dass er Harry nun selten, wenn überhaupt, jemals wieder zu Gesicht bekam, wie umgekehrt.

„Es tut mir Leid, Hagrid“, wiederholte Harry zum x-ten Mal innerhalb der letzten Wochen und schlich an der Hütte vorbei. Aus dem Innern hörte er Fangs herzzerreißendes Jaulen, doch er ignorierte es.

Mindestens weitere zehn Minuten spazierte er in der Gegend herum ohne irgendwo anzuhalten, bis er sich am Fuße des Astronomieturmes wiederfand. Er schluckte seine aufsteigende Panik hinunter und schloss für einen kurzen Moment die Augen, um sich seinen Sieg über Voldemort in Erinnerung zu rufen. Es war vorbei. Die Guten hatten gesiegt, die Zauberergemeinschaft tanzte, war fröhlich und die Toten wurden begraben. Als wäre nie etwas passiert. Die Beerdigungen seiner Freunde erschienen ihm wie ein Traum, nebelig und verschwommen. Wie Aquarelle, die nie fertig gemalt worden waren.

Trotzig hatte die Sonne auf die frischen Erdhügel geschienen, hatte die Vergiss-Mein-Nicht und Elfensporn-Blüten innerhalb kürzester Zeit verdorren lassen. Danach waren sie nach Hogwarts zurückgekehrt, hatten dabei zugesehen, wie die Hauselfen die letzten Anzeichen des großen Kampfes beseitigten, die zerstörten Wände wieder aufbaute, Stein auf Stein. Wochenlang waren Steinklötze vor ihrer Nase durch die Gegend gesaust und hatten so manchem Schüler mächtige Beulen verpasst. Neville war nach einer Stunde Geschichte der Zauberei im Halbschlaf über einen der Brocken gestürzt und danach mehrere Tage lang durch die Gegend gewatschelt, als hätte er sich mit dem Hintern zuerst in Professor Sprouts Karate-Kaktus gesetzt.

Kraftlos ließ sich Harry auf das feuchte Gras fallen, streckte sich lang aus und packte seinen Umhang als Kissen unter seinen Kopf. Sein Blick zielte direkt in den Himmel, den Turm über sich. Der sternklare Himmel sah fast greifbar nah aus. Eulen sausten über ihn hinweg, suchten das Gelände mit ihren kleinen, scharfen Augen nach Gnomen und Mäusen ab. Hedwig hätte vermutlich hell im Mondlicht geleuchtet, dachte Harry und schloss die Augen. Eine Zeitlang lag er wach, grübelte über seine Zukunft und kam zu keinem Ergebnis, ehe sein Atem gleichmäßiger wurde, tiefer und er in einen ereignisreichen, tiefen Schlaf fiel.

*****

„Harry, Harry, wach auf!“, kreischte eine aufgeregte Stimme und Harry fühlte sich geschüttelt. Er öffnete die Augen und fand sich Hermine gegenüber, ihre Augen weit aufgerissen und weiter an ihm rüttelnd, obwohl er schon lange wach war.

„Was? Was ist? Ich bin wach!“, versuchte er sie abzuwehren, doch sie hörte nicht.

„Harry, du musst aufwachen!“, schrie sie ihn und Harry antwortete nicht weniger laut. „Ich bin doch wach! Was ist denn los?“

Doch auf einmal änderte sich ihr Aussehen und sie wurde zu Voldemort. Harrys Herz barst in seiner Brust und er versuchte nach hinten auszuweichen, doch als er sich umdrehte fand er sich Hagrid gegenüber, der ihm den Weg versperrte.

„Ja, jetz‘ siehste auch ma‘, wie des is, was Harry?“, brummte der Halbriese. Harry wollte an ihm vorbei laufen, doch wo auch immer er sich hin drehte, Hagrid war bereits dort.

„Lasst mich in Ruhe!“, brüllte Harry nun über seine Schulter, musste jedoch feststellen, dass niemand mehr da war. Er drehte sich einmal um sich selbst und sah niemanden. Er fand sich auf einer Lichtung wieder. Sie war begrenzt von meterhohen Büschen und leichtfüßig lief Harry näher heran, um einen Ausgang zu finden. Blendend weiße Rosenblüten standen in voller Pracht an dem Gewächs und ehrfürchtig trat Harry näher. Er lief an der lebenden Mauer entlang und blieb mit einem Mal stehen. Eine blutrote Rose stach zwischen all dem reinen Weiß hervor und Harry fühlte sich beinahe in Trance, als er seine Hand ausstreckte, um sie zu pflücken, doch kurz bevor seine Finger sich um die wunderschöne Rose schließen konnte, ertönte eine weitere Stimme.

„Ich bin sehr enttäuscht von dir, Tom.“

Harry wirbelte herum, konnte jedoch niemanden sehen.

„Wer ist da?“ Seine Stimme klang seltsam leer. Als würde sie auf nichts treffen, das ihr Echo zurückwerfen könnte.

„Ich bin hier“, antwortete die samtene Stimme beinahe liebevoll. Ihre Quelle hätte direkt neben seinem Ohr sein können oder am anderen Ende der Lichtung. „Ich bin immer hier.“

„Ich bin nicht Tom!“, schrie Harry, entsetzt, dass irgendjemand so etwas denken könnte. „Ich bin NICHT Tom!“

„Harry!“

„Nein! Ich bin nicht Tom. Hörst du das?“

„Harry, ganz Hogwarts kann dich hören. Und wenn du noch lauter wirst, wird dich sogar Professor Dumbledore hören,“ sagte eine neue, ebenfalls samtene, träumerische Stimme.

„Luna?“ Harry blinzelte verschlafen.

„Ja, natürlich bin ich es. Wen hast du denn erwartet?“ Luna lächelte schief, eine Augenbraue weit nach oben gezogen.

„Ach, vergiss es“, winkte Harry ab und ließ sich von Luna auf die Füße ziehen. Die Morgensonne stand inzwischen tief über den Bäumen des Verbotenen Waldes und der Morgentau hatte seine Kleidung klamm und feucht werden lassen.

„Was machst du denn hier? Hast du kein Bett?“, fragte Luna und lief langsam los, ohne darauf zu achten, ob Harry ihr auch folgte. Er warf einen Blick hinter sich. Das Schloss lag imposant und verschlafen eingeschlossen in den Bergen Schottlands. Dem Stand der Sonne nach war es noch sehr früh am Morgen und die meisten Schüler würden erst in frühestens einer Stunde aus den Betten kriechen.

„Ich war gestern Abend spazieren... muss wohl eingeschlafen sein“, sagte Harry, hob seinen Tarnumhang auf und joggte eine kurze Strecke, bis er zu Luna aufgeholt hatte. „Hogwarts sollte sich wirklich Gedanken über eine Klimaanlage machen“, murmelte er und Luna sah ihn neugierig an.

„Klimaanlage? Ist das so ein Ritual wie bei den Schneeschnecken?“

„Schneeschnecken?“, fragte Harry und bereute es noch im selben Moment als Luna ihn von der Seite ansah, als hätte er sie nach ihrer Haarfarbe gefragt.

„Ja, Schneeschnecken. Sie sind weiß und ihnen wächst im Winter ein dickes Fell.“ Sie steuerte an Hagrids Hütte vorbei und fuhr vollkommen ernst fort: „Sie sind für das Wetter verantwortlich. Mit ihrem Atem entscheiden sie ob es regnet, schneit oder stürmt. Als es letztes Jahr so nebelig war, da hatten sie Blähungen.“

Harry verkniff sich die Erklärung, dass der ewige Nebel des letzten Jahres von den Brutstätten der Dementoren verursacht worden war und besann sich darauf zu nicken und ein möglichst glaubwürdiges „Aha“ hervorzubringen.

„Ja, mein Vater und ich haben sie mal als Haustiere gehalten als ich noch sehr klein war.“

„Mein Beileid.“ Sie überhörte ihn.

„Wir könnten Professor McGonagall ja vorschlagen, dass Hagrid einige Schneeschnecken hält. Vielleicht würde das helfen.“

„Klar, sicher doch“, antwortete Harry und zog bei dem Gedanken an glibberige Schnecken, auf denen die Schüler in den Schulfluren im Sekundentakt ausrutschten, eine angeekelte Grimasse.

„Ja, ich denke, ich werde das nachher noch schnell mit Professor McGonagall besprechen.“

Harry antwortete diesmal nicht und sah sich dafür neugierig um. Sie hatten den Wald betreten und liefen einen kleinen Hügel hinauf.

„Wo willst du eigentlich hin?“

„Oh“, entfuhr es Luna und sie deutete hinter den Hügel. „Thestrale füttern.“

„Du fütterst sie immer noch?“

„Ja, sie haben auch Hunger.“

Sie waren auf der Spitze des Hügels angekommen und Luna kramte in ihrer Tasche nach einigen Fleischstücken, die bereits einen leicht grünen Stich hatten. Die skelettartigen Tiere grasten friedlich zu ihren Füßen am Lauf eines kleinen Baches und ihre eckigen Köpfe gingen ruckartig in die Höhe, als sich die zwei Besucher näherten. Ein seltsames Déjà Vu überkam Harry, als er daran dachte, wie sie vor zwei Jahren genau an dieser Stelle gestanden hatten. Luna hob den Arm, warf das Stück Fleisch mitten in die Herde. Lautes Trampeln erklang und Staubwolken stoben in die Höhe, als sich das halbe Dutzend Tiere über das Fleisch stürzte.

„Schon seltsam, nicht wahr?“, fragte Luna und ihre großen Augen waren auf Harry fixiert.

„Was?“

„Vor zwei Jahren waren sie etwas Besonderes. Es gab nur so wenige Schüler, die sie sehen konnten.“ Ihre Hand machte einen weiten Bogen über die Tiere, die erwartungsvoll in ihre Richtung starrten in der Hoffnung, noch ein weiteres Leckerchen zu erhaschen. „Doch heute scheinen alle den Tod gesehen zu haben. Ich habe das Gefühl, das macht diese Tiere weniger... außergewöhnlich, findest du nicht auch?“

Harry schluckte. Daran hatte er noch nicht gedacht. Während des Kampfes in Hogwarts gab es so viele Tote, so viel Unglück, dass inzwischen derjenige etwas Besonderes war, der die Thestrale nicht sehen konnte.

„Nein, ich denke, das macht alle, die sie sehen können, um so außergewöhnlicher“, bemerkte Harry nach einer kurzen Pause. Er drehte sich um, winkte Luna kurz zu und lief den Hügel hinunter. „Ich muss noch packen“, log er, doch Luna war ohnehin in den Anblick der Thestrale vertieft, sodass ihr gar nicht auffiel, dass Harry verschwunden war.

Von Hagrids Hütte stieg Rauch durch den Schornstein in die Höhe und etwas unschlüssig blieb Harry vor der Eingangstür stehen. Eigentlich hatte er keine Lust, sich jetzt mit einem schlechtgelaunten Hagrid auseinanderzusetzen, doch wenn er es jetzt nicht tat, wann dann? In wenigen Stunden würde er den Hogwartsexpress betreten, einen letzten Blick auf das Schloss werfen und womöglich niemals mehr zurückkehren. Er hatte die Hand über seinen Kopf gehoben, wollte anklopfen, als sie aufging und er einen Sprung nach hinten machen musste, um sie nicht gegen die Nase zu bekommen.

Die hohe wie breite Statur von Rubeus Hagrid füllte den Türrahmen aus und ein leerer Blecheimer hing in seiner Pranke.

„Harry!“, rief Hagrid, trat ins Freie und reichte Harry seine Hand. „Was machst'n du hier?“

Harry ergriff die Hand und wurde fast einen Meter in die Luft geschleudert, als der Wildhüter ihn nach oben zog. Einige Sekunden später hatte er wieder Boden unter den Füßen und rieb sich sein schmerzendes Hinterteil.

„Morgen Hagrid“, sagte er ohne Hagrid anzusehen. „Wollte mich... verabschieden.“

„Ah“, brummte Hagrid und lief los zu der Wasserwanne, die nur wenige Meter entfernt stand. Er füllte den Eimer mit Wasser und stapfte zurück in die Hütte, blieb jedoch mit dem Rücken Harry zugewandt stehen, kurz bevor er darin verschwand. „Mach mir grad 'nen Tee. Willste auch einen?“

Ob Harry wollte? Ganz sicher wollte Harry nicht. Doch er fasste sich ein Herz und seufzte lautlos. „Ja, gerne.“

Ein Knurren erklang neben der Tür, als Harry eintrat und unwillkürlich machte er einen Schritt zur Seite.

„Fang, aus!“, schimpfte Hagrid, machte aber keine Anstalten den knurrenden Hund aus Harrys Reichweite zu bringen.

Harry streckte vorsichtig eine Hand aus und versuchte Fang auf dem Kopf zu tätscheln. Erfolglos musste er seine Versuche einstellen, als der große Saurüde halbherzig nach ihm schnappte. „Fang, was ist denn los? Ich bin's, Harry“, sagte er, doch der Hund knurrte nur noch ein letztes Mal, drehte sich dann um und flitzte aus dem Haus. „Was ist denn mit Fang los?“, wollte er wissen und ließ sich auf einen Stuhl fallen.

„Keine Ahnung. Is‘ vielleicht schlecht gelaunt.“

„Aha.“

Es herrschte eine unangenehme Stille, während Hagrid das Wasser in eine Kanne goss und sie über die Feuerstelle hing.

„Möchtest du...?“, begann Hagrid und hielt einen Teller mit gefüllten Eclairs in die Höhe. Harry wollte heftig den Kopf schütteln, überlegte es sich im letzten Moment aber anders und nickte. „Ja, gerne.“ Hagrid brachte eine freudiges Lächeln zustande, bevor er sich wieder seinem Feuer widmete.

„Und? Fertich gepackt?“, fragte er.

„Alles startklar,“ entgegnete Harry und starrte konzentriert auf den klobigen Salzstreuer auf dem Tisch.

„Schön, schön.“

Hagrid nahm die Kanne von der Feuerstelle und goss sich und Harry Wasser in zwei Tassen.

„Willst du nicht auch noch Tee da rein machen?“, fragte Harry und blinzelte in das durchsichtige Wasser.

„Oh, äh, ja.“ Hagrid rumorte weiter in einem Schränkchen und holte Teebeutel, Zucker und Löffel hervor. Schweigend saßen die zwei am Tisch und bereiteten ihren Tee.

„Hagrid, es...“ - „Harry, bitte...“, begannen beide gleichzeitig zu sprechen und fingen an seltsam gepresst zu lachen. Harry fand seine Stimme zuerst wieder. „Entschuldigung Hagrid, was wolltest du sagen?“

„Uhm“, der Halbriese zögerte einen Moment. „Ich wollte wissen, ob... es Ron und Hermine gut geht.“

„Sie waren gestern beide bei dir,“ entgegnete Harry.

„Oh.“ Hagrid rührte seinen Tee und große Fontänen schmutzig-braunen Wassers landeten auf dem Tisch. „Nein, das wollte ich eigentlich nicht sagen. Ich wollte... ich wollte mich entschuldigen.“

Seine Stimme war kaum zu hören über dem Knistern des Feuers und dem plätschernden Wasser in seiner Tasse.

„Warum?“, fragte Harry erstaunt, obwohl er den Grund genau wusste.

„Ich hab' mich unmöglich verhalten“, erklärte der Halbriese murmelnd. „Wenn du... wenn du dich nich... du weißt schon... tot gestellt...“ Er machte eine Pause und begann schließlich herzzerreißend zu schluchzen. „Es war nur... es war so schrecklich!“ Er zupfte sich ein tischdeckengroßes Taschentuch aus der Brusttasche und schniefte hinein. „Und dann, plötzlich...“, schniefte er weiter und schüttelte den Kopf. „Ach, ich bin albern. Es war'n toller Plan, Harry, toller Plan.“ Er reichte über den Tisch und klopfte Harry auf die Schulter, sodass der mit dem Kinn voran auf der Tischplatte aufschlug.

„'tschuldigung“, sagte Hagrid und sah Harry mit verheulten Augen an. „Was wolltest du sag'n?“

Harry nahm hastig einen Schluck von seinem Tee und rieb sich das schmerzende Kinn. „Ich wollte mich auch... du weißt schon... entschuldigen.“

„Naja, jetzt ham wa uns aber genug entschuldigt, was? Was hast du denn jetzt eigentlich vor? Musst ja nich‘ mehr zurück zu den furchtbaren Dussels.“

Mit den Schultern zuckend widmete sich Harry wieder intensiv seinem Tee. „Keine Ahnung. Ich habe noch keinen Plan. Sollte ich denn?“

„Na ja. Ron hat erzählt, er will's mit 'ner Aurorausbildung versuchen. Wolltest du des nich‘ auch ma‘ machen? Wäre doch bestimmt 'ne lustige Sache. Ihr beide. Und unsere Hermine muss euch in St. Mungos dann wieder zusammenflicken, wenner Mist gebaut habt.“ Hagrid grinste breit bis über beide Ohren und war scheinbar überzeugt von seinem Plan.

„Mal sehen“, winkte Harry unwillig ab. Er hatte nicht die geringste Lust darüber zu sprechen. In den letzten Wochen hatte er nur darüber nachgedacht und war nicht auf eine Lösung gekommen. „Ich werde noch ein wenig Zeit brauchen, denke ich. Will eine Pause machen.“

Hagrid nickte und einige seiner Barthaare stukten dabei in seine Tasse. „Hm, na gut. Aber schreib 'ne Eule, wenn de dir klar d'rüber bist.“

Harry nickte stumm und dachte daran, wie einfach das gewesen wäre, hätte er noch eine Eule. Lautstark wurde er aus seinen Gedanken gerissen als Hagrid in dieser Sekunde aufsprang und den Stuhl dabei hinter sich umwarf. Das Geschoss traf auf den Schrank und das Geschirr darin wackelte bedrohlich.

„Bei Merlins Bart, da fällt mir doch was ein.“

Der massige Mann stürzte durch die Hintertür aus der Hütte und es dauerte einige Sekunden, ehe er mit einem großen Vogelkäfig wieder zurück kam. Darin befand sich eine Eule, schwarz wie die Nacht. Das Tier blinzelte Harry mit leuchtend-grünen Augen entgegen und schuhute, empört so aus dem Schlaf gerissen worden zu sein.

„Hagrid, ich...“, begann Harry doch Hagrid unterbrach ihn.

„Bitte, nimm se!“, murmelte Hagrid. „'s würde mir 'ne Menge bedeuten, da ich ja... ich meine... als Hedwig ...“ Harry schluckte. „... se war mit dir in meiner Obhut und...“ Seine freie Hand kramte wieder seine Taschentuch hervor und er schneuzte. „Hier Harry.“

Etwas misstrauisch beäugte Harry die anmutig wirkende Eule. Sie war etwas kleiner als Hedwig, außer einigen braunen Federn vollkommen dunkel und schwellte stolz ihre Brust , als ob sie vor Harry einen besonders guten Eindruck machen wollte.

„Sie ist doch nicht gefährlich, Hagrid? Oder?“, fragte Harry.

„Sie spuckt nur Feuer, wenn se wütend ist.“

„Was?“, platze Harry hervor. Doch Hagrid gluckste fröhlich.

„Nur'n Scherz. Sie ist vollkomm' harmlos. Will ja nicht, dass die Briefe in Flammen aufgeh'n“, erklärte er und Harry hätte schwören können, danach noch ein kleines 'Leider' zu hören.

„Hagrid, ich...“ Wieder wurde er von dem Wildhüter unterbrochen.

„Nimm se gefälligst! Ich hab hier in Hogwarts genug Eulen, die ich dir schick'n kann. Ich brauch' se nicht.“ Sein Tonfall machte deutlich, dass es seine letzten Worte waren und er stellte den Käfig etwas unsanft auf dem Tisch ab. Die Eule schuhute erneut empört.

„Uhm...“ Harry spürte, wie sich seine Augen mit Tränen füllten, doch er blinzelte sie schnell weg. „Danke Hagrid.“

„Schon gut, schon gut“, sagte Hagrid und begann den Tisch abzuräumen. „Du solltest jetzt zurück ins Schloss. Gibt bald Frühstück.“

Aus einem Impuls heraus trat Harry näher und umarmte Hagrid, soweit seine Arme um dessen Hüfte reichte. Unbeholfen hieb Hagrid ihm auf den Rücken und schneuzte noch einmal in sein Taschentuch.

„Wir seh'n uns ja später noch mal.“

Mit schnellen Schritten verließ Harry die Hütte und den Eulenkäfig mitschleppend, trat er den Rückweg zum Schloss an. Dort angekommen hörte er bereits das laute Geschnatter der Schüler, die in der Großen Halle ihr Frühstück einnahmen. Da er die Eule erst zu seinem restlichen Gepäck bringen musste, lief er die Treppen hinauf in den Turm. Das Gemälde der Fetten Dame öffnete sich, als er gerade das Passwort (Mucusmauerstrauch) sagen wollte und Ron und Hermine standen ihm gegenüber, ihre Augen überrascht aufgerissen.

„Harry, wo warst du denn?“, begann Hermine aufgeregt. „Wir haben uns Sorgen gemacht.“

„DU hast dir Sorgen gemacht“, bemerkte Ron und Hermine warf ihm einen bösen Blick zu.

„Ich war nur... spazieren. Habe Hagrid besucht.“ Er hielt den Käfig in die Höhe. „Ich muss die hier noch schnell ins Zimmer bringen, dann komme ich auch.“

„Wow, wo hast du die denn her? Die sieht echt gruselig aus.“

„Hagrid hat sie mir geschenkt.“ Harry lächelte etwas wackelig. Noch war er nicht überzeugt, dass das Tier vollkommen harmlos war. Bei Hagrid wusste man das nie so genau.

„Sie ist doch nicht gefährlich, oder?“, wiederholte Hermine Harrys Bedenken. Auch sie hatte ihre Erfahrungen mit den 'harmlosen Tieren' von Hagrid gemacht.

„Nein, nein... Hoffe ich.“ Harry hielt den Käfig wieder in die Höhe und alle drei starrten angestrengt auf das Tier, als würden sie darauf warten, dass etwas Schreckliches passierte. Doch die Eule blinzelte ihnen nur verschlafen entgegen und begann sich das Gefieder zu putzen. „Ich denke, sie ist wirklich harmlos.“

„Ja klar, als ob Hagrid dir niemals ein fleischfressendes Ungeheuer als Geschenk machen würde.“

„Lass das, Ron! Vielleicht wollte er Harry einfach eine Freude machen.“ Hermine zog Ron weiter mit sich und sah dabei Harry an. „Du kommst doch gleich zum Frühstück, richtig?“

Harry nickte und stieg durch das noch offene Gemälde in den Gang, der zum Gemeinschaftsraum führte. Durch das sich schließende Portal hörte er noch Rons gebrülltes „Ich rette dir noch ein paar Kokosmakronen bevor Neville sie alle aufisst.“

Der Gemeinschaftsraum war leer. Euan Abercrombie und ein anderer Zweitklässler, Alfie irgendwas, kamen soeben die Treppe hinunter gelaufen und pressten sich quiekend gegen die Wand, als Harry ihnen mit dem großen Käfig entgegengelaufen kam. Harry ignorierte ihre ehrfürchtigen Blicke und stellte den Vogel auf seinem Bett ab. Danach kehrte er im Laufschritt zurück in den Gemeinschaftsraum und hastete die Gänge Hogwarts entlang. Auf halber Strecke traf er wieder auf Euan und Alfie, die erneut aus seiner Bahn sprangen, und erreichte schließlich die Große Halle.

Mit einem Mal hatte sein Magen angefangen zu knurren und voller Vorfreude lief er die Sitzbank entlang in Richtung seiner Freunde, wobei er an Ginny vorbei lief. Er konnte ihr Lachen über den gesamten Radau heraushören. Sie lehnte sie zurück und hatte ihre Augen geschlossen, während Luna neben ihr munter weiter etwas erzählte, was Harry nicht hören konnte. Er zwang sich, an ihr vorbei zu laufen und ließ sich auf dem Platz nieder, den Ron und Hermine ihm freigehalten hatten. Später vielleicht.

„Danke Ron“, bemerkte er zynisch als er sich mit einem Berg Kokosmakronen konfrontiert sah, die Ron ihm auf den Teller gestapelt hatte. Neville warf sehnsüchtige Blicke darauf, da die Schüssel offenbar inzwischen leer war. „Du kannst gerne welche ab haben“, sagte er und als habe Ron nur darauf gewartet, langte er über den Tisch auf Harrys Teller und griff sich ein Gebäck. Hermine schüttelte mit dem Kopf.

„Waf?“, schmatze Ron. „If habe ihm eftra welfe aufgehoben“, verteidigte er sich, doch Hermine hatte das Thema schon wieder vergessen.

„Und? Hat sie schon einen Namen?“, wollte sie wissen und bestrich ihr Brötchen mit Marmelade.

„Wer?“

„Deine Eule.“

„Oh, äh... nein. Keine Ahnung. Werde drüber nachdenken müssen.“

„Kannst sie ja Hedwig nennen.“

„Ron!“

„Was denn?“

„Man benennt ein neues Tier doch nicht nach seinem verstorbenen Vorgänger.“ Hermine rollte mit den Augen und Harry betrachtete amüsiert seine besten Freunde, während er in seine zweite Makrone biss.

„Ach ja? Und warum hießen die Muggelkönige alle Friedrich I und Friedrich II und so?“

Harry verschluckt sie an einem Krümel und sah Ron erstaunt an. „Woher weißt du denn sowas?“

Ron wurde rot, senkte den Blick und biss hastig ebenfalls in seine Makrone - die dritte wohlbemerkt.

„Auwowenvorweweitung“, nuschelte er mit vollem Mund. Harry war, man konnte es nicht anders sagen, beeindruckt.

„Gratuliere!“ Er grinste breit.

Zu seiner Rechten holte Hermine tief Luft und setzte zu einer langwierigen Erklärung an. „Das ist etwas anderes. Das hatte politische Gründe. Die Ämter waren wichtige Positionen und waren mit dem Namen...“

Harry ignorierte ihre enthusiastische Erklärung und ließ seinen Blick unauffällig in der großen Halle schweifen. Das letzte Mal. Es war das letzte Mal, dass sie hier Kokosmakronen aßen. Die Stimmung der anderen Schüler war euphorisch. Überall Geschnatter, Gelächter, Glückwünsche, Fragen, was über den Sommer alles geplant war. Die gesamte Schülerschar war allerbester Dinge. Ein Blick auf den Lehrertisch und seine Beobachtungen kamen auch dort zum selben Ergebnis. Professor McGonagall hatte ihre dünnen Lippen zu einem amüsierten Lächeln verzogen und war tief in ein Gespräch mit Professor Flitwick vertieft, der mit seiner Gabel große Gesten machte. Hagrid biss gerade in einen halben Hühnerschenkel und Madame Hooch warf ihm missbilligende Blicke zu. Auch die anderen Lehrer erfreuten sich an dem hervorragenden Mahl. Der Platz von Professor Snape war leer.

„Die Schule hat bewiesen, dass sie im Fach Verteidigung gegen die Dunklen Künste vorbildlich ausgebildet ist“, hatte die Direktorin vor einigen Wochen argumentiert und sich dazu entschlossen, für den Rest des Jahres keinen neuen Lehrer einzustellen.

„Harry, was sagst du dazu?“, fragte Hermine ihn und er sah überrascht auf. Ihm gegenüber hielt Ron einen geöffneten Brief in der Hand. Offenbar war die Post inzwischen eingetroffen, denn auch Hermine hatten den Tagespropheten noch eingerollt neben ihrem Teller zu liegen.

„Was? Wozu?“

„Mein Vater wurde befördert.“ Ron strahlte und Makronenreste klebten ihm an der Lippe. „Und hat einen Bonus bekommen. 400 Galleonen!“

„Gratuliere, Ron. Das hat er sich verdient“, sagte Harry.

„Mom hat geschrieben, wir werden einen Urlaub auf den Seychellen machen. Du bist herzlich eingeladen.“

Ärger stieg in Harry auf und von seinem Gesicht verschwand das breite Grinsen. Bevor die Sache wieder eskalierte, sprang Hermine ein und legte ihm eine Hand auf den Arm. Er zuckte zusammen und ein seltsamer Ausdruck erschien in Hermines Miene. Doch sie ließ nicht los.

„Es ist nur ein Vorschlag, Harry. Du musst nicht, wenn du nicht willst. Aber wir würden dich ungern alleine lassen.“

„Das tut ihr nicht“, entgegnete Harry etwas schärfer als beabsichtigt. „Ich meine... das tut ihr. Aber ich möchte einfach mal eine Zeitlang... alleine sein. Versteht ihr?“

Ron zuckte enttäuscht mit den Schultern und sah nicht so aus, als würde er es verstehen. Dieses Thema war seit Wochen im Gespräch. Hermine und Ron hatten nach ihrem Abschluss vorgehabt, Hermines Eltern in Australien zu besuchen und sie bei dieser Gelegenheit ganz nebenbei zu erinnern, dass sie eine Tochter hatten. Die junge Hexe hatte ihre Eltern seit über einem Jahr nicht mehr gesehen, doch Harry fiel es schwer, dafür Mitleid zu empfinden. Er hatte seine Eltern seit fast 17 Jahren nicht mehr gesehen und nicht die Absicht, tränenreichen Wiedersehen anderer Familien beizuwohnen.

„Na gut, aber wir werden dir jeden Tag schreiben.“

„Was? Jeden Tag?“, wiederholte Ron mit einem Stöhnen, nickte aber, als er Hermines strafenden Blick bemerkte. „Also schön.“

Zufrieden konzentrierte sich Hermine wieder aufs Essen, doch inzwischen sah Ron interessiert zu Harry.

„Was hast du denn nun genau vor, Kumpel?“

Harry sah aus den Augenwinkeln, dass auch Hermine dem Gespräch folgte, es sich aber nicht anmerken lassen wollte.

„Urlaub.“

„Und wo?“

„Weiß noch nicht. Mr Dumbledore hat mir während des letzten Hogsmeade Wochenende angeboten, sein Ferienhaus in Griechenland zu benutzen. Ich denke, das Angebot werde ich erst einmal annehmen.“

„Griechenland. Oh wie schön“, brachte sich Hermine nun wieder ein und begann zu schwärmen. „Athen, Kreta, Knossos...“

„Klingt schmerzhaft“, warf Ron ein.

„Ich hatte eigentlich nicht vor, eine Sightseeingtour zu unternehmen, Hermine. Ich wollte meine Ruhe.“

Sie machte ein Geräusch, als würde Luft aus einem Ball gelassen und schüttelte den Kopf.

„Griechenland ist ein Land gefüllt mit kulturellen Eigenarten. Wenn du dort bist, dann musst du zumindest einmal Delphi besuchen...“ Sie begann eine Litanei aus Jahreszahlen und Ereignissen, die Professor Binns alle Ehre gemacht hätten und Ron wisperte Harry zu: „Kumpel, wenn ich dir verspreche, dich in Ruhe zu lassen, kann ich dich dann begleiten?“

oooooooooooooooooo

Das Frühstück hatte an diesem Morgen ungewöhnlich lange gedauert. Keiner der Schüler hatte es eilig gehabt, Hogwarts schnell zu verlassen und Harry, Ron und Hermine waren mit die Letzten gewesen, die die Große Halle verließen, um noch einen Rundgang in ihren Zimmern zu machen. Sie wollten sicherstellen, dass sich nichts vergessen hatten.

Bepackt mit den Käfigen ihrer Eulen und - in Hermines Fall - mit ihrer Katze Krummbein und einigen kleinen Taschen, setzten sie sich eine Stunde später schweigend in eine Kutsche. Der Großteil ihres Gepäcks war bereits von den Hauselfen am Bahnhof gelagert. Mit gemischten Gefühlen nahm Harry wahr, wie die meisten Schüler verängstigte Blicke auf die Thestrale warfen. Vereinzelte Schüler warfen hingegen verwirrte Blicke auf ihre Mitschüler, die bei dem Anblick der Tiere wie angewurzelte stehen blieben.

Dennis Creevey, der bei dem letzten Kampf seinen älteren Bruder verloren hatte, brach in Tränen aus, als einer seiner Mitschüler ihm erklärte, warum er sie nicht sehen konnte.

Hermine schniefte danach verdächtig in ihr Taschentuch und begann Krummbein ziemlich rabiat zu kraulen, was den Kater dazu veranlasste, von ihrem Schoß zu springen und sich unter Rons Sitz zu verstecken. Ron stöhnte laut auf, als Luna und Neville ihre Kutsche bestiegen und sich just in dem Moment in die Sitze fallen ließen, als die Kutsche ruckartig los fuhr.

„Sehen echt unheimlich aus, diese Thestrale, was?“, fragte Ron in die Runde. Doch außer Hermine und ihm selbst waren alle an deren Anblick gewöhnt. Schweigsam rollte die Kutsche dem Bahnhof entgegen und Harry wandte erst seinen Blick von Hogwarts ab, als es hinter einem Hügel verschwand. „Wenn ich gewusst hätte, wie gruselig die sind, wäre ich damals nie auf ihnen zum Ministerium geritten“, bemerkte Ron, offenbar immer noch gefesselt von den Tieren.

„Beim nächsten Mal, kannst du ja drauf verzichten“, entgegnete Hermine, sah ihn allerdings nicht an. Sie hatte endlich den Tagespropheten aufgerollt und begann die Zeitung akribisch abzusuchen.

„Was suchst du?“

Sie sah erschrocken zu Harry und kratzte sich am Hinterkopf.

„Gute Frage. Ist wohl Macht der Gewohnheit.“ Sie blätterte eine Seite weiter und Luna räusperte sich.

„Ich werde meinen Sommer mit meinem Vater verbringen. Wir haben aus sicherer Quelle erfahren, dass in Trinidad vor einigen Tagen Sing-Sang-Klubbs gesichtet wurden.“

Die drei waren an Lunas seltsame Eigenarten gewohnt und auch Neville hätte inzwischen feststellen müssen, dass Lunas Aussagen meist sehr sonderlich waren. Nichtsdestotrotz sah er interessiert aus und zu aller Entsetzen antwortete er ähnlich begeistert. „Tatsächlich? Ich habe gehört, sie singen nur während Sonnen- oder Mondfinsternissen.“

„Singen schon.“ Luna nickte. „Aber blühen tun sie eigentlich immer im Sommer, allerdings werden die meisten von ihnen noch vor der ersten Blüte von Nargeln zerfressen. Sie sind eine Delikatesse... die Sing-Sang-Klubbs, nicht die Nargel.“

Die fünfzehnminütige Fahrt mit der Kutsche erschien Harry wie eine Ewigkeit und seine Laune erhellte sich ein wenig, als er den lauten Bariton von Hagrid hörte. „Nich‘ so schnell, Schüler. Der Zug fährt nich‘ ohne euch.“ Als die Kutsche um die letzte Ecke bog, hob Hagrid soeben den Koffer einer Erstklässlerin in den Zug.

„Wir müssen uns noch von Hagrid verabschieden“, sagte Ron und sprang als erster von der Kutsche. Hermine folgte als nächste und Krummbein trottete ihr in gebührendem Abstand hinterher.

Sie hievten ihre Taschen von der Kutsche und suchten ihre Truhen aus dem Berg Gepäck zusammen. Schüler rannten aufgeregt um sie herum und Harry rechnete ganz fest damit, Neville jeden Moment ausrufen zu hören: „Trevor! Hat jemand meine Kröte gesehen?“ Doch scheinbar hatte Neville ihn irgendwo gut verstaut, denn er war sehr damit beschäftigt, Lunas Koffer nicht auf die Füße zu bekommen.

„Ich hab' Hunger“, meinte Ron beiläufig und erntete dafür ungläubige Blicke von Hermine.

„Wir haben vor einer halben Stunde Frühstück gegessen, Ron. Du hast, wenn ich mich nicht irre, vier Kokosmakronen gegessen.“

Ron verzog sein Gesicht zu einer schuldigen Grimasse. „Ich weiß, aber ich bin nervös. Wenn ich nervös bin, kriege ich Hunger.“

Die meisten Schüler waren inzwischen eingestiegen und Hagrid trat endlich zu ihnen und dicke Tränen rannen ihm über die Wange und in seinen Bart. Ihr Abschied von dem Halbriesen war bedrückend und kräftezehrend. Doch Harry hatte das Gefühl, sein Herz hätte sich in einen kalten Steinklumpen verwandelt. Er spürte die kräftige Hand Hagrids auf seinem Rücken und hörte sein gemurmeltes „Pass' auf dich auf, verstand'n Harry?“ Doch er fühlte sich zu müde, um darauf zu reagieren. Seinen Koffer hinter sich her ziehend, folgte er Ron und Hermine, die den Zug bereits betreten hatten, und das Gefährt setzte sich schnaufend und ruckelnd in Bewegung.

Durch das Fenster sah er den Wildhüter, der ihnen mit seinem weißen Tischtuch hinterherwinkte und sich alle paar Sekunden seine Augen damit abtupfte.

„Wir sollten uns beeilen, wenn wir noch einen Abteil abbekommen wollen“, sagte Hermine und lief voran. Doch die Eile war nicht notwendig. Den ersten leeren Abteil fanden sie etwa in der Mitte des Zuges. Gerade als Harry die Schiebetür zur Seite schieben wollte, hallte eine schneidende Stimme zu ihnen hinüber.

„Finger weg, das ist mein Abteil!“

Draco Malfoy betrat den Gang, hinter ihm Blaise Zabini, der kalkulierend über seine Schultern sah.

„Ach ja?“, tönte Ron. „Steht dein Name drauf?“

„Nein, Wiesel, aber mein Gepäck drin“, erwiderte der blonde Junge, das Gesicht zu einer angewiderten Fratze verzogen.

Hermine warf einen misstrauischen Blick in die Kabine und tatsächlich, auf zwei der Sitze waren bereits Koffer und einige Taschen gestapelt.

„Schon gut, wir suchen weiter“, sagte sie und schob den unwilligen Ron weiter. Harry folgte ihnen, wurde jedoch von Draco aufgehalten, als sich ihre Wege in dem schmalen Gang kreuzten.

„Was willst du, Malfoy?“, fragte er müde.

„Ich hab es dir schon mal gesagt, Potter.“ Er spuckte das letzte Wort mehr aus, als dass er es sagte. „Es ist sieben Jahre her, aber es hat sich nichts geändert. Pass auf, mit wem du dich einlässt! Es wäre zu schade, wenn dir jetzt etwas passieren würde. Jetzt, wo du der Held der Nation bist.“ Seine Stimme war leise, doch aus irgendeinem Grund fehlte das übliche Gift, dass jede seiner ausgesprochenen Silben begleitete.

„Was auch immer“, antwortete Harry und wollte einfach weitergehen. Doch eine Hand an seinem Ellenbogen hielt ihn davon ab. Überrascht blickte er den Besitzer dieser Hand an. „Was denn noch?“

„Dass der Dunkle Lord dir nicht mehr das Leben zur Hölle machen kann, bedeutet nicht, dass es niemand anderes kann.“

Mit diesen Worten drehte sich der Slytherin um und verschwand mit Blaise in seinem Abteil. Harry blieb eine Sekunde lang perplex stehen. Vielleicht hatte er es sich nur eingebildet, aber irgendwie hatte er das Gefühl, Draco hätte dabei nicht von sich gesprochen.


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Mir gefällt an Harry vor allem, dass er kein Held im klassischen Sinne ist, kein unüberwindlicher Superman.
Daniel Radcliffe über seine Rolle