Forum | Chat | Galerie
 
Startseite | Favoriten
Harry Potter Xperts
Harry Potter Xperts
Startseite
Newsarchiv
Link us
Sitemap
Specials
Shop
Buch 7
Buch 6
Buch 5
Buch 4
Buch 3
Buch 2
Buch 1
Lexikon
Lustige Zitate
Gurkensalat
Hörbücher
Harry, A History
Steckbrief
Biographie
Werke
Erfolgsgeschichte
Interviews
Bilder
Harry Potter & Ich
JKRowling.com
Film 7, Teil 1 & 2
Film 6
Film 5
Film 4
Film 3
Film 2
Film 1
Schauspieler
Autogramme
Galerie
Musik
Videospiele
Downloads
Lesetipps
eBay-Auktionen
Webmaster
RSS-Feed
Geburtstage
Gewinnspiele
Twitter
Fanart
Fanfiction
User-CP
Quiz
Währungsrechner
Forum
F.A.Q.
Ãœber uns
Geschichte
Impressum

Fanfiction

Nach der Schlacht von Hogwarts - Dudleys Frage

von Krabbentaucher

Harry starrte Dudley neugierig an. Dieser schien einen kleinen Schubs zu brauchen.
„Dudley?“
„Ja?“
„Ist was?“
Dudley schien – wieder einmal – nach Worten zu suchen. Schließlich fand er welche.
„Du hast Dich töten lassen.“
Harry suchte kurz nach dem Sinn dieser Aussage, fand ihn aber auf die Schnelle nicht.
„Naja, ich wurde ja nicht getötet. Voldemort hatte da so eine Kleinigkeit übersehen“, sagte er.
„Aber Du bist hingegangen.“
„Ja, bin ich.“
Dudley schien am Ende seiner sprachlichen Kräfte angelangt zu sein. Er schwieg kurz, berappelte sich dann aber wieder.
„Und dann hast Du nochmal gegen ihn gekämpft.“
Harry nickte. Er wußte noch immer nicht, was das ganze sollte.
„Die wollten Dich töten. Das ganze Jahr über.“
„Ähm – ja, so sah es wohl aus.“
„Du wurdest gesucht. 10.000 Galeeren Belohnung.“
„Galleonen, Big D, Galleonen.“
„Du bist trotzdem mitten ins Zaubereiministerium eingebrochen. Mr Diggel hat es uns erzählt.“
Harry mußte sich zusammennehmen, um nicht loszuprusten. Mitten ins Ministerium eingebrochen – vor seinem geistigen Auge sah er sich, wie er neben der Telefonzelle stand und plötzlich der Asphalt unter ihm nachgab.
„Ja, ähm, ließ sich nicht vermeiden.“
Dudley verfiel wieder in Schweigen. Zu Harrys Verwunderung schienen Dudleys Augen plötzlich feuchter zu werden. Seine Vermutung wurde bestätigt, als Dudley sie mit der Hand abwischte und leise schniefte.
„Ich hatte so sehr Angst um Dich!“ brach es aus Dudley hervor, und bevor Harry die Situation richtig erfaßt hatte, fand er sich in einer Umarmung wieder, die sich anfühlte, als stecke er in einer Schrottpresse. Harry kostete es einige Mühe, sich zu befreien und seine Rippen zu retten. Er war ein wenig geschockt. Wenn sich Dudley zuvor um körperlichen Kontakt bemüht hatte – und das war mit Ausnahme des Fausthiebs während des Dementorangriffs ausschließlich vor der Zustellung des ersten Hogwartsbriefes –, dann ging es immer um feindselige Akte.
„D-Dudley, was-was...?“ stammelte Harry und versuchte, eine vernünftige Frage zustande zu bringen: „Echt?“
Dudley schniefte und nickte. Dann sprudelte es aus ihm heraus: „Wir waren doch immer zusammen. Außer wenn wir in unseren Schulen waren. Und wenn Du abgeholt wurdest. Aber als wir weggefahren sind mit Mr Diggel und Mrs Jones und als wir in diesem Häuschen untergekommen sind und als wir da so lebten, da habe ich Dich vermißt. Du hast immer so mutige Sachen gemacht. Und gefährliche Sachen. Und alle wollten Dich töten. Du hast mich gerettet. Obwohl ich Dich immer geärgert habe. Kein anderer hätte das für mich getan.“
Geärgert ist gut, dachte Harry, aber er war zu gerührt, um wirklich sarkastisch zu werden. Was er da eben gehört hatte, war vielleicht das ergreifendste Liebesgeständnis, das er je gehört hatte. Er spürte, wie sich ein warmes Gefühl in der Magegrube bildete und langsam ausbreitete. Er hatte eine Familie. Nicht in dem Sinne, wie ihn die Weasleys in ihrer Mitte aufgenommen hatten, und auch nicht als schlichte genealogische Tatsache. Er hatte eine eigene Familie – wenn auch nur einen Verwandten, dem es nicht egal war, was mit ihm geschah, jemanden, der unerwarteterweise Anteil genommen hatte. Diese Erkenntnis traf Harry wie ein Schlag.
„Ja, ähm -“, brachte Harry hervor und merkte, daß er rot wurde.
Harry wollte das Gespräch, oder wie auch immer man diesen Dialog nennen wollte, gerade aus diesen Untiefen hinaussteuern, da wurde er von Onkel Vernons kräftiger Stimme gestört, die aus dem unteren Flur heraufrief: „Wie weit bist Du?“

Onkel Vernon schien mit dem Zustand des Zimmers zufrieden zu sein, denn er brummte nur kurz, als er es besichtigt hatte. Harry hoffte, daß ihn das auf dem Weg zur Unterschrift auf seinem Paßformular weiterbrachte.
„Ähm – Onkel Vernon, ich muß mal gerade mit Dir etwas besprechen“, sagte Harry, als er wieder im Erdgeschoß stand.
Tante Petunia guckte aus der Küche heraus, und Dudley stand hinter ihm auf der Treppe. Onkel Vernon sah Harry skeptisch an.
„Was ist? Wir wollten gleich Tee trinken.“
„Ich müßte das erst erklären...“
Onkel Vernon warf einen genervten Blick auf die Uhr, aber Dudley sagte: „Warum kann er nicht auch Tee trinken?“
Dudleys Eltern sahen ihn an, als habe er einen Tippelbruder zum Nachmittagstee eingeladen. Offenbar hatte Onkel Vernon aber keine Lust auf eine Diskussion mit seinem Sohn und ruckte unwirsch mit dem Kopf in Richtung Wohnzimmer. Harry drehte sich noch einmal zu Dudley um und folgte seinem Onkel. Der Nachmittagstee war eine Veranstaltung, der Harry in den vergangenen Jahren immer ferngeblieben war. Auf dem niedrigen Couchtisch standen drei Tassen und eine Teekanne. Außerdem lagen hier die üblichen Ingedenzien des südenglischen Cream Tea: Weiche Teebrötchen, ungesüßte Schlagsahne und Marmelade. Harry blieb im Wohnzimmer stehen und wartete, bis sich alle gesetzt hatten. Das dauerte ein wenig, denn Tante Petunia mußte sich erst auf den beschwerlichen Weg machen, für Harry Tasse, Untertasse und Teelöffel zu holen. Schließlich saßen sie alle um den Couchtisch herum. Harry entschied sich, sich nur Tee einzuschenken. Auf ein Brötchen verzichtete er. Zu seinem Erstaunen tat Dudley das gleiche. Er schien seine Diät sehr ernst zu nehmen.
„Nun?“ unterbrach Onkel Vernon das Schweigen und faßte Harry genau ins Auge.
Harry räusperte sich.
„Es ist so – ich muß auf eine längere Reise gehen -“
„Warst Du das nicht sowieso?“ unterbrach ihn Onkel Vernon.
Harry sah ihn verständnislos an und fragte: „Wie bitte?“
„Ich habe das in dieser Zeitung mit den Zappelfotos gelesen. 10.000... ähm... Piepen Belohnung auf Deinen Kopf. Einbruch in dieser Verrücktenbank. Und dann das mit dem Ministerium – dieser Diggel hat's erzählt.“
„Kennst Du überhaupt die Hintergründe?“ fragte Harry bissig. „Falls sie Dich überhaupt interessieren. Weißt Du, weshalb Ihr wieder nach Hause zurückkehren konntet?“
Onkel Vernon schnaufte.
„Dieser Diggel hat gesagt, daß Du diesen Lord Dingsbums besiegt hast.“
Harry wartete, ob noch etwas käme, eine Anerkennung für gewisse Verdienste vielleicht, aber es kam nichts. Er nippte noch etwas an seinem Tee und hoffte, Onkel Vernon nicht so sehr verunsichert zu haben, daß er nicht mehr unterschreiben würde.
„Also, ähm“, nahm Harry den Faden wieder auf, kam sich dabei aber nicht besonders geistreich vor, „Hermione Granger, eine Freundin von mir, hat ihre Eltern in Sicherheit gebracht, indem sie -“, er versuchte, das Z-Wort zu vermeiden, „auf sie eingewirkt hat, daß sie ihren richtigen Nachnamen vergessen haben und nach Australien ausgewandert sind.“ Er warf einen Seitenblick auf Tante und Onkel. Er ahnte, was sie dachten und fügte schnell hinzu: „Mrs und Mr Granger sind... normal, also, sie gehören nicht zu meiner Sippschaft.“
„Aha, kaum hat man so jemanden wie Dich zur Welt gebracht, schon gibt es ein Hokuspokus, und man weiß nicht mehr, wer man ist und geht ins Ausland“, faßte Onkel Vernon die Dinge aus seiner Sicht zusammen.
Harry unterdrückte ein Seufzen und fuhr fort: „Wir wollen nach Australien fliegen, also mit dem Flugzeug, ganz normal, um ihre Eltern zu finden und den Hokuspokus aufheben.“
„Ist diese Herm... Deine Freundin?“ wollte Dudley wissen.
Harry blickte auf. Diese Frage paßte nicht ins Konzept, denn eigentlich befand er sich schon auf der Zielgeraden Richtung Unterschrift.
„Nein. Sie ist nur eine gute Freundin. Ich ähm -“
„Hast Du eine Freundin?“ hakte Dudley nach.
Harry merkte, daß das Gespräch immer weiter vom Ziel wegdriftete.
„Ja. Aber die kennst Du nicht.“
Dann entschied er sich, die Festung im Sturm zu nehmen: „Ich muß jetzt einen Reisepaß beantragen. Alles habe ich zusammen, sogar die Geburtsurkunde habe ich aus dem zerstörten Haus meiner Eltern in Godric's Hollow geholt. Jetzt muß nur noch ein volljähriger Paßinhaber das Formular unterschreiben und seine Paßnummer eintragen.“
Harry wartete gespannt ab. Onkel Vernon lehnte sich zurück und machte ein wichtiges Gesicht.
„So – Du willst also eine Unterschrift. Meine Unterschrift?“
Er machte eine Pause. Harry ahnte, daß Onkel Vernon sich an das Hogsmeade-Formular und vor allem an die aufgeblasene Tante Marge erinnern würde. Aber er hatte sich darauf eingerichtet.
„Das wird natürlich noch etwas dauern, bis ich nach Australien aufbrechen kann, schließlich habe ich in der nächsten Woche einen wichtigen Termin in der Downing Street.“
Das hatte gesessen. Onkel Vernon ließ alle Zurückhaltung fahren.
„In der Downing Street? Hast Du einen Termin mit dem Premierminister?“
Harry sah, daß sich seine jahrelange Übung, jemanden gegen seinen Willen zu etwas zu bewegen, auszahlte.
„Einen festen Termin noch nicht, aber als Kingsley ihn von allem unterrichtet hatte, was mit Voldemorts Ende zu tun hatte, wollte der Premierminister mich kennenlernen. Also wird mich Kingsley ihm vorstellen. Ähm – Kingsley ist jetzt Zaubereiminister.“
Onkel Vernon schien sehr beeindruckt. Sein Neffe sollte dem Premierminister vorgestellt werden. Und Kingsley, der vor einem knappen Jahr bei ihm in der Küche gesessen hatte, war Zaubereiminister. Damit war er zwar der Chef von einem Rudel Verrückter, aber immerhin: Er war der Chef. Harry beschloß, das Eisen zu schmieden, solange es noch heiß war.
„Ich werde mit ihm natürlich darüber sprechen, was ich noch so vor habe. Dazu gehört natürlich auch, daß ich nach Australien reisen will.“
Er konnte sehen, wie Onkel Vernon zu einer Entscheidung kam.
„Hast Du das Formular dabei? Ich mache das dann eben.“

Jetzt, wo die wichtigste Hürde genommen war, ging es Harry darum, Onkel Vernon bei Laune zu halten, damit er auch bei seiner Entscheidung blieb. Wenn Onkel Vernon das Wort führte – und das führte er eigentlich überall, wo er war –, brauchte sich Harry um Tante Petunia nicht zu kümmern. Er spielte zwar kurz mit dem Gedanken, ihr mitzuteilen, daß Snape tot und eigentlich eine der wichtigsten Figuren im Kampf gegen Voldemort war, einfach um zu sehen, wie sie reagierte. Aber dann ließ er es doch besser bleiben. Gespräche über die Zauberwelt waren den Dursleys noch nie besonders angenehm.
„Und? Wie habt Ihr die Zeit verbracht? Was ist mit Dudleys Schule? Und habt Ihr das mit Deiner Arbeit regeln können?“ fragte Harry Onkel Vernon.
Der brummte zuerst nur. Dann ließ er sich zu einer Antwort herbei: „Ich konnte bei Grunnings im letzten Augenblick durchdrücken, daß ich ein Sabbatjahr nehmen konnte.“
„Was ist denn das?“
„Man geht für ein Jahr aus dem Beruf raus, um Abstand zu gewinnen. Dann wird man angeblich kreativer.“
Onkel Vernons zitternder Schnurrbart verriet Harry, daß er diese Ansicht nicht teilte, weil sie vermutlich von irgendeinem liberalen Weltverbesserer stammte.
„Und Dudley?“
„Im Prinzip das gleiche. Haben bei Smeltings gesagt, daß er ein Schuljahr aussetzen müsse, um auf die A-Levels besser vorbereitet sein müssen. Haben sie geglaubt.“
Er warf einen ungewöhnlich scharfen Blick auf Dudley. Harry verstand, was gemeint war und hielt es für taktvoller, auf jeden Kommentar zu verzichten.
„Jedenfalls hat der Junge Privatunterricht bekommen. Hat uns eine schöne Stange Geld gekostet. Naja, und sofort nach unserer Rückkehr nach Hause haben wir Dudders bei einer Fahrschule angemeldet. Wenn er 18 wird, soll er seinen Führerschein haben.“
„Und wo ward Ihr?“
„In so einem Haus am Rande von Sheffield. Wenigstens gab's da Strom, das scheint bei Eurem Haufen nicht selbstverständlich zu sein. Und unser Auto haben wir auch nachholen können. Aber eins muß ich Dir sagen: Nie wieder im Leben will ich apparatieren müssen.“
Harry konnte es seinem Onkel nachfühlen. Auch seine erste Appariererfahrung hatte er nicht als angenehm empfunden. Dann erinnerte sich Harry, daß Onkel Vernon als Direktor eines mittelständischen Unternehmens sicher etwas vom Flugverkehr verstand.
„Onkel Vernon, darf ich Dich was fragen?“
Onkel Vernon grunzte.
„Ähm – wir wollen ja nun nach Australien fliegen. Also mit dem Flugzeug. Und, ähm, mein Freund Ron fliegt mit, und seine Mutter besteht darauf, daß wir nur mit der sichersten Fluggesellschaft fliegen. Sie mißtraut ja allen Möglichkeiten, hm, tja, normal zu reisen. Weißt Du, welche sicher ist?“
Onkel Vernon zuckte mit den Schultern und murmelte etwas von „British Airways, Briten sollten mit British Airways fliegen“, aber Dudley platzte dazwischen: „Qantas!“
„Wie bitte?“ fragte Onkel Vernon.
„Hat der Typ in 'Rainman' gesagt. Qantas. Noch nie abgestürzt.“
„Big D“, sagte Harry langsam, „das ist ein Film, das muß nicht stimmen.“
„Kann man ja nachgucken. Im Internet“, sagte Onkel Vernon.
Harry hatte natürlich schon vom Internet gehört, aber bei den seltenen Gelegenheiten, in denen er mit Dudleys Computer spielen konnte, hatte er meistens nur gespielt und war mit dem Surfen nicht so recht vorangekommen.

Nach dem Tee hatte Onkel Vernon das Formular ohne viel Federlesens unterzeichnet und aus seinem Reisepaß die Paßnummer abgeschrieben. Gemeinsam gingen sie in Dudleys Zimmer. Dudley startete den Computer, und als die Verbindung zum Internet hergestellt war, rief Onkel Vernon eine Seite auf, die alle Unfälle seit dem Zweiten Weltkrieg auflistete. Tatsächlich gab es bei Qantas nur zwei Unfälle, nämlich einen Landeunfall im Jahr 1949 und einen Startunfall im Jahr 1960, ohne daß Tote zu beklagen waren. British Airways gab es erst seit Anfang der siebziger Jahre, aber diese Fluggesellschaft hatte seither schon fünf Flugzeuge eingebüßt, davon entfiel der schwerste Unfall mit 63 Toten allein im britischen Flugzeug auf eine Kollision in der Luft aufgrund eines Fehlers der jugoslawischen Flugsicherung.
Für Harry war die Sache klar: Er würde Mrs Weasley am ehesten von einer Reise mit Qantas überzeugen können.

Als sie wieder vom Obergeschoß heruntergekommen waren, standen sie zusammen im Flur, und Harry wollte gerade den schweren Hogwartskoffer ergreifen, als er von Dudley unterbrochen wurde.
„Kann ich mit?“ fragte er seine Eltern.
„Mit? Wohin mit, Duddyschatz?“ erkundigte sich Tante Petunia, die zur Konversation dieses Nachmittags noch nicht viel beigesteuert hatte.
„Nach Australien“, sagte Dudley.
Dröhnende Stille breitete sich aus. Petunia und Vernon Dursley sahen sich mit einer Mischung aus Überraschung und haltlosem Entsetzen an, und Harry mußte sich erst mühsam daran erinnern, wie man die Kinnlade hochklappt.
„Wa-wa-was?“ stammelte Onkel Vernon.
„Ich will mit Harry mit.“
Harry verstand die Welt nicht mehr. Gut – Dudley mag Dankbarkeit wegen der Dementorengeschichte gezeigt haben. Er mag sich an Harry so sehr gewöhnt haben, daß er sich um ihn gesorgt hatte. Aber ging das jetzt so weit, daß Dudley unbedingt an Harrys Unternehmungen teilnehmen wollte?
„W-was?“ wiederholte Onkel Vernon fassungslos.
„Wenn ich dann doch einen Führerschein habe“, fing Dudley etwas hilflos an zu argumentieren. Dann murmelte er irgendetwas, von dem Harry nur „mal rauskommen“ verstand. Ihm schwante etwas. Dudley schien in der letzten Zeit gemerkt zu haben, daß ihm die enge Umarmung seiner Eltern nicht gutgetan hatte. Und es war völlig klar, daß es für Dudleys Entwicklung von entscheidender Bedeutung sein würde, wenn er sich selbständig und ohne die Einengungen seiner Eltern längere Zeit woanders aufhalten würde.
Harry versuchte sich vorzustellen, wie er sich mit einem vollständig verzogenen, verstörten Jungen, dessen Entwicklung im umgekehrten Verhältnis zu seiner Körpergröße stand, in einem völlig fremden Land, ja Kontinent abmühen mußte. Schon Ron hatte im Herbst, als sie mit dem Zelt auf der Flucht waren, ein Problem dargestellt, weil er es gewohnt war, rundum versorgt zu werden – und Ron war keineswegs gestört. Beinahe hilfesuchend sah sich Harry nach Tante Petunia und Onkel Vernon um. Sie würden sicher alles unterbinden, was Dudley ihrer Kontrolle entzog, erst recht, wenn die Gefahr bestand, wenn er mit ein paar Zauberern losziehen würde.
„Aber-aber – warum denn, Diddylein? Das sind doch Abnormale, mit denen Du da...?“ schaltete sich Tante Petunia ein.
„Ich will mit.“
Gegen diese schlichte Argumentation schien kein Kraut gewachsen. Tante Petunia sah ausgerechnet Harry hilfesuchend an, der soeben noch davon ausgegangen war, daß es Onkel und Tante schon richten würden. Aber beide versagten kläglich. Onkel Vernon blieb vor Fassungslosigkeit der Mund offen stehen, und Tante Petunia hatte eine alles andere als überzeugte Vorstellung abgegeben.
„Ähm, Dudley“, setzte Harry vorsichtig an, „ich fahre mit Hermione und Ron. Und, naja, es geht eben um Hermiones Eltern, und da haben die schon ein Wörtchen mitzureden. Ich weiß nicht, ob die noch jemanden dabeihaben wollen außer mir.“
„Aber Du fragst, okay?“
„Ja, gut.“
Harry seufzte. Dudleys Eltern machten einen sehr unglücklichen Eindruck. Harry fand, daß es jetzt wirklich Zeit war, aufzubrechen.
„Ich – ähm – gehe dann jetzt. Ich werde am besten im Vorgarten disapparieren, wenn die Luft rein ist.“
Er schleppte den Koffer zur Haustür. Dann öffnete er sie und nickte seiner Tante und seinem Onkel zu, die im Flur dort stehengeblieben waren, wo die kleine Diskussion stattgefunden hatte. Nur Dudley war ihm bis zur Tür gefolgt.
„Big D?“ sagte Harry und reichte Dudley die Hand. Dudley schlug ein. „Laß die Straßenlampen stehen, okay?“
Dudley gluckste. Harry zog den Koffer aus dem Haus und sah sich um. Der Ligusterweg lag verlassen da. Harry disapparierte.

Nachdem Harry zu Abend gegessen hatte – Kreacher hatte die Einkäufe vom Vortag vervielfältigt und sich dann mit Begeisterung auf einen Teil davon gestürzt –, saß er in dem Zimmer, in dem er und Ron geschlafen hatten, als das Haus noch das Hauptquartier des Ordens des Phönix war. Der Nachmittag ist in mehrfacher Hinsicht verwirrend verlaufen. Als Harry im Ligusterweg apparierte, dachte er, er würde einfach seine Sachen zusammensuchen, Onkel Vernons giftige Bemerkungen über sich ergehen lassen und wieder verschwinden. Doch dann erkannte er, daß nicht nur eine eigenartige Beziehung zwischen ihm und Dudley gewachsen war, sondern auch, daß Dudley versuchte, aus dem goldenen Käfig auszubrechen, den seine Eltern um ihn herum errichtet hatten. Nun hatte Harry nicht die geringste Lust, dafür auch noch verantwortlich zu sein. Auch wenn sein Cousin ein Monat älter war, so war er doch wesentlich unreifer. Sicher würde ihm die Reise nach Australien gut tun, aber wie würde es dann für Harry aussehen? Harry überlegte, ob er besser die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen und in ein paar Tagen seinem Cousin mit dem Ausdruck größten Bedauerns absagen sollte, weil angeblich Ron und Hermione gegen einen weiteren Reisegefährten waren. Allerdings wäre das unehrlich den beiden gegenüber, um nicht zu sagen hinterhältig. Denn er würde sie zu Sündenböcken machen.
Harry drehte einen Becher Butterbier in der Hand. Es war einer der wenigen Becher, die Mundungus Fletcher nicht auf dem Schwarzmarkt in Feuerwhiskey und stinkenden Tabak umgesetzt hatte.
In diesem Moment räusperte sich jemand an der Wand. Es war Phineas Nigellus Black, der in seinem Gemälde erschienen war. Harry wandte sich ihm zu.
„Ah – guten Abend, Professor Black.“
„Guten Abend, Harry Potter.“
Harry wartete ein wenig. Phineas Nigellus mußte einen Grund haben, weshalb er in seinem Gemälde in Grimmauldplatz zwölf erschien.
„Nun, Harry Potter, ich bin erschienen“, hub er langsam zu sprechen an, „um Sie zu unterrichten, daß Ihre Intervention vom letzten Samstag Erfolg hatte. Man hat ein magisches Portrait von Severus Snape angefertigt. Es wurde heute Nachmittag im Büro des Schulleiters aufgehängt.“
„Wie schön.“
Etwas anderes wußte Harry nicht zu sagen. Doch dann konnte er sich nicht zurückhalten, eine giftige Bemerkung loszuwerden: „Hat Snape Dumbledore schon Punkte abgezogen, weil der Plan nicht ganz so funktioniert hat wie gedacht?“
Phineas Nigellus hob die rechte Augenbraue.
„Sehr geistreich, Mr Potter. Nun – Severus ist ein wenig erstaunt darüber, daß Sie noch am Leben sind. Er hat mich gebeten, Ihnen... seinen Dank dafür auszusprechen, daß Sie ihn rehabilitiert haben. Severus wurde natürlich von Albus davon unterrichtet, weshalb Sie überlebt haben. Er ist aber überzeugt – und ich soll Ihnen auch dieses mitteilen –, daß Sie wahrscheinlich gegen irgendwelche grundlegende Regeln verstoßen haben und deshalb nicht verstorben sind.“
In Phineas Nigellus' listigem Gesicht zeichnete sich ein provozierendes Lächeln ab. Offensichtlich spekulierte er darauf, daß Harry sein Herz gelegentlich auf der Zunge trug. Doch Harry tat ihm den Gefallen nicht.
„Soso“, sagte er nur.
„Wie ich sehe, haben Sie inzwischen gelernt, Ihren Mund unter Kontrolle zu halten“, fuhr Phineas Nigellus spöttisch lächelnd fort. „Severus war jedenfalls erfreut zu hören, daß Sie Ihre Ausbildung in Hogwarts abschließen werden. Es freut ihn umso mehr, als er nun durch die Bilder im Schloß laufen und, wie er sagt, Ihr Fehlverhalten sehr viel besser im Auge behalten kann als zu seinen Lebzeiten.“
Innerlich stöhnte Harry. Doch er ließ sich nichts anmerken.
„Freut mich, daß es ihn freut“, erwiderte er, „aber ich habe nicht vor, weitere Regeln in Hogwarts zu brechen. Die magische Welt ist ja jetzt gerettet, so daß es keine Gelegenheit zum Regelnbrechen geben wird.“
Phineas Nigellus' spöttisches Lächeln weitete sich zu einem spöttischen Grinsen aus.
„Ich werde es Severus ausrichten. Dann wird er diesen Abend noch etwas zum Lachen haben. Und Albus ebenso, denke ich. Nun – ich habe gesagt, was ich wollte. Guten Abend noch.“
„Guten Abend, Professor Black.“

Eine Weile starrte Harry auf das nun wieder leere Bild an der Wand, dann stand er auf, reckte sich noch einmal und ging in das Badezimmer, um sich für die Nacht fertig zu machen.


Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.

Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel

Twitter
HPXperts-Shop
Buch: Der Heckenritter von Westeros: Das Urteil der Sieben
Top-News
Suche
Updates
Samstag, 01.07.
Neue FF von SarahGranger
Freitag, 02.06.
Neue FF von Laurien87
Mittwoch, 24.05.
Neue FF von Lily Potter
Zitat
Die tiefere Psychologie, das Netz der Motive und die kriminalistischen Volten erweisen Joanne K. Rowling erneut als Meisterin.
Tagesspiegel