von artis.magica
Hoffnung stirbt...
Lange schon konnte er nicht mehr schlafen. Er warf sich unruhig herum. Wieder eine Nacht, die ihm diese Träume bescherte, düster und qualvoll. Ihm graute vor der Nacht, jedesmal von Neuem. Immer wenn er sich schlafen legte, erwartete er sie voller Angst, diese dunklen Träume. Und sie überfielen ihn, unbarmherzig, bohrten sie sich in seinen Geist und hielten ihn gefangen, bis er schweißgebadet aus ihnen schreckte.
Mit aufgerissenen Augen starrte er in das Dunkel der Nacht und lauschte. Es hatte endlich aufgehört zu Regnen. Das silberne Licht des Mondes floss durch den kalten Raum. Die Tropfen am Fenster brachen seine schwachen Strahlen und erstrahlten in einem diamantenen Glanz. Schatten huschten durch den Raum, wenn der Wind die Wolken vor sich hertrieb und den Mond verdunkelte.
Seine Gedanken kreisten um seine Zukunft.
Der einzige, der ihn je verstand war tot. Der einzige, der ihm je vertraute, bedingungslos, war tot. Der einzige, der ihm eine Brücke zurück hätte bauen können, von seiner Hand getötet. Niemand verstand es, verstand er selbst nicht. Niemand würde ihm seine Tat vergeben. Vermochte er sie sich selbst nicht zu vergeben.
Er zermarterte sich den Geist.
Zur Rettung des einen hatte er den anderen geopfert und damit sein Leben weggeworfen, war eingetreten in die Tiefen der Dunkelheit. Diente fortan einem Herrn, der grausam und unbarmherzig der Welt sein Mal aufzudrücken suchte.
Er trug dieses Mal, so lange schon. Er verabscheute es. Es brannte ihn unablässig, es verbrannte seine Seele. In jedem Moment erinnerte es ihn an seine Vergangenheit, die er zu vergessen suchte. Doch immer wieder holte sie ihn ein, war beständig bei ihm, ließ ihm nie zur Ruhe finden.
Er wusste keinen Weg, der ihn wieder ins Licht führen konnte. Nur die Dunkelheit um ihn herum war gewiss. Hätte er nur eine Hand, die ihm hinaushalf, die ihn leitete. Nur ein kleines, ein winziges Stück des richtigen Weges hätte ihm gereicht.
Die Ungewissheit trieb ihn hoch und ließ ihn unruhig auf und ab gehen. Er starrte durch die Fenster, sah auf eine gespenstische Welt.
Noch wiegten sie sich im tiefen Schlaf. Das Erwachen würde furchtbar.
Könnte er doch entfliehen, dem grausamen Herrn.
Könnte er sie warnen.
Alles gäbe er, könnte er es nur.
Doch sein Schicksal blieb verbunden mit dem Einen. Er, der sich in den Lauf der Geschichte hineingedrängt, hatte alles geändert. Hatte ihre Pläne durchkreuzt. Doch er musste ihn schützen. Er wollte es. Er hatte es einst geschworen.
Konnte er ihn retten? War er allen Opfer, die sie gebracht hatten würdig? Einzig der Fortgang der Geschichte würde es zeigen.
Ein Kampf stand ihnen bevor, leidenschaftlicher und unbarmherziger als je zuvor. Er war nie furchtsam, hatte immer gekämpft ohne Rücksicht auf sein Leben. Und doch schauerte er, wenn er daran dachte, ja fürchtete sich davor. Nicht vor dem Kampf, sondern dass er ihnen gegenübertreten musste, die glaubten, er hätte sie verraten. Sie würden die wahren Gründe nie erfahren.
Er schloss die Augen und wandte sich ab. Sein Blick streifte wieder durch den Raum. Das sanfte Mondlicht spendete ihm keinen Trost mehr.
Es wurde ihm zu Gewissheit, er würde sterben für die Freiheit ihrer Welt. Tief in seinem Inneren hatte er es immer gewusst.
Es machte ihm keine Angst, hatte es nie, sooft er in das Auge des Todes gesehen hatte. Und er wusste, der Weg dorthin würde für ihn zur Qual.
Am Ende jedoch würde er den Weg finden, den er verloren hatte.
Er würde das Licht wiederfinden, das er so lange gesucht hatte.
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