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Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Wie am Schnürchen

von Muggelchen

„Wir brauchen eigene Posteulen!“, zeterte Severus vorwurfsvoll, als hätte er das von Anfang an gepredigt, was nicht der Fall war. „Weißt du, was das kostet, ständig die von der Post zu benutzen?“

Die Rechnung hielt er in der Hand, betrachtete sie nochmals und legte sie auf den Küchentisch. Würden sie weitere dreimal Tagespost verschicken, wäre bereits ein Betrag zusammengekommen, von dem sie sich selbst eine Eule kaufen könnten. Hermine war gerade dabei, die einkommenden Eulen von ihren Briefen zu befreien. Dazu hatte sie das Küchenfenster weit geöffnet. Auf der Arbeitsfläche warteten bereits fünf Vögel. Severus fand es unhygienisch, aber anders war es momentan nicht zu bewerkstelligen. Kaum flog eine davon, kam die nächste. Es waren unzählige.

„Du hast mir doch neulich vorgerechnet, dass wir es uns leisten können“, sagte Hermine mit unschuldigem Gesichtsausdruck. Ihre Lippen kräuselten sich. Ein Zeichen dafür, dass sie ihn neckte.

Severus trat an Hermine heran und kümmerte sich um die wartenden Eulen, die ihre Briefe loswerden wollten. Mit seinen Fingern fummelte er vorsichtig an dem kleinen Beinchen des Federviehs herum, um das Band zu lösen.

„Wir können von Glück reden, dass momentan noch Ferien sind und die Kunden uns nicht das Geschäft einrennen“, murmelte er.
„Sieh mal!“, sagte sie von seinen Worten unbeirrt. Hermine hielt einen Brief in die Höhe. „Von Remus und Tonks. Die Einladung zur Hochzeit.“
„Ich versteh den Mann nicht.“ Ein Kopfschütteln sollte seine Aussage untermauern. „Wie kann er zwei Tage nach Vollmond heiraten? Ihm werden noch alle Knochen wehtun.“
„Tonks und er möchten eben …“
„Ja, ja, ich weiß. Sie gehen als das erste Paar in die Geschichte ein, das heiraten darf, obwohl einer von ihnen ein Werwolf ist.“ Den erschöpften Vögeln bröselte er gelangweilt etwas Brot auf einen Unterteller. „Was für eine Ehre.“
Hermine las derweil die Einladung, bevor sie sie mit eigenen Worten wiedergab: „Am 1. September, abends um neun Uhr in Hogwarts, Große Halle. Ich glaube, das kann ich mir merken.“
„Was denn? Wurde ein Mitarbeiter vom Ministerium zu einem Außendienst genötigt?“
„Ich weiß nicht, ob die so spät noch arbeiten.“ Ihre Stirn schlug Falten, als sie nachdachte.
„Du siehst alt aus, wenn du das machst.“
Ihr Kopf schnellte herum. „Wie bitte?“
„Wenn du so machst?“ Er selbst runzelte die Stirn und hoffte, damit seine Anmerkung gut sichtbar zu demonstrieren.
„Mach ich so? Ist mir nie aufgefallen.“ Erneut widmete sie sich den Eulen. „Hat Remus nicht mal gesagt, er will im kleinen Rahmen feiern? Eine Trauung im engsten Kreis und danach die Feier?“
„Dann lassen sie sich offenbar doch in Hogwarts trauen. Vielleicht sogar durch den Minister höchst persönlich. Nur so wäre es erklärbar, dass zu der späten Stunde noch einer von denen arbeitet.“
Als Hermine den nächsten Brief vom Eulenbein entfernt hatte, stutzte sie, bevor sie die Eule fragte: „Die ganze Strecke bist du aber nicht geflogen, oder?“
„Schuhu!“, machte die Eule.
Hermine betrachtete die Vorderseite des Briefes, der aus Japan stammte. „Eine Briefmarke. Takeda ist schlau. Er hat erkannt, dass die Muggelpost schneller ist als die Eulen.“
Mit einem Deut auf den Vogel sagte er: „Die Eule wäre heute noch nicht hier, wäre sie geflogen. Die Entfernung zwischen Dublin und Tokyo schätze ich auf fast 10.000 Kilometer.“

Eine Eule mit einem strahlend weißen, herzförmigen Gesicht und augenscheinlich ohne Ohren landete geräuschvoll auf dem Fenstersims. Sie drängte sich an allen anderen Vögeln vorbei. An ihrem Bein schleifte sie eine schwere Briefsendung hinter sich her. Die anderen Eulen ließen den Drängler gewähren. Jede von ihnen wusste, wie es sich mit so einer Last anfühlte.

„Ah!“ Severus erleichterte die Eule, die gleich darauf zum Teller hüpfte. „Der Katalog ist gekommen.“
„Was denn für einer?“
„Vom Eulenzüchter. Ich wollte mich erkundigen.“ Anstatt ihr weiterhin bei der Post zu helfen, öffnete er die Sendung und blätterte sich durch Hochglanzfotos. „Hast du eine bestimmte Eule im Auge?“, wollte er wissen. Dabei hatte sie sich noch nie Gedanken über Vor- und Nachteile verschiedener Rassen gemacht. Weil sie den Kopf schüttelte, zeigte er auf die Eule mit dem herzförmigen Gesicht – nicht die im Katalog, sondern die, die sich gerade für den Rückweg stärkte. „Normale Schleiereulen sind in der Regel zwanzig Kilometer pro Stunde schnell. Die trainierten Posteulen schaffen sogar das Doppelte, je nach magischem Kraftfutter.“
Hermine deutete auf eine dunkelbraune Eule mit flauschig wirkenden Ohren. „Und die da? Ich meine die, die dich beim ‚Bösester Blick-Wettbewerb‘ geschlagen hat.“
Severus hob eine Augenbraue und tat so, als wäre er beleidigt, bevor er erörterte: „Mein Favorit: die Waldohreule. Normale Fluggeschwindigkeit liegt bei dreißig Kilometer pro Stunde. Auch diese Angabe darf man bei Posteulen verdoppeln.“ Er musterte die Eule. „Sie sind nicht nur schnell, sie sind für ihre Größe auch recht schmal.“ Vorsichtig befühlte Severus einen der Flügel, den die Eule daraufhin ohne zu Murren streckte und zur Schau stellte. „Bei der hier muss es sich allerdings um ein Weibchen handeln. Die sind in der Regel etwas beleibter.“

Mit einem Male schnappte die Eule zu. Gerade noch rechtzeitig zog Severus seine Hand weg, damit der scharfe Schnabel ihn nicht verletzen würde.

„Severus, Severus.“ Hermine schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. „Man macht keine Bemerkungen über das Gewicht einer Dame, auch wenn es sich dabei lediglich um eine Eulendame handelt.“ Ohne etwas befürchten zu müssen tätschelte Hermine die gekränkte Waldohreule, die sich das sogar gefallen ließ.
„Frauen“, murmelte Severus abschätzig. „Ich wäre sowieso an einem Männchen interessiert.“
„Das klingt ja …“
„Für kleine Päckchen“, unterbrach Severus, „würde ich Zwergohreulen nehmen. Mit ihren vierzig Kilometer pro Stunde – in magischen Fall durchaus über sechzig – können wir sehr prompt liefern. Nachteil ist, dass sie nicht schwer tragen können. Das würde sie rapide in ihrem Tempo bremsen.“
„Ich bin für die Schleiereule“, sagte Hermine plötzlich.
„Warum?“
„Weil sie hübsch ist.“
„Ach, wir sind jetzt an äußerlichen Reizen interessiert, ja?“ Sie wusste nicht, warum, aber er nahm diesen Kommentar persönlich. „Dann kauf dir doch eine hübsche Eule“, stichelte er, „die nicht nur langsam ist, sondern auch …“
„Stopp!“ Zwei Eulen erschraken, als Hermine zusätzlich beide Hände in die Höhe riss. „Ich werde sofort morgen früh zu Eeylops gehen und die hässlichste Eule kaufen, die ich finden kann.“
„Das Aussehen ist doch völlig nebensächlich!“, meckerte Severus. Als die nächsten beiden Eulen ans offene Fenster geflogen kamen, war er nicht mehr zu bremsen. „Das geht so nicht weiter! Das bisschen Freizeit möchte ich nicht damit vergeuden, die Beine von zweiundzwanzig verschiedenen Posteulenarten zu befühlen.“
„Wir können doch ein Fach beim Eulenpostamt einrichten. Dann landen alle Eulen da und wir lassen uns die Post liefern.“
„Was wieder extra kostet“, murrte er.
„Ich könnte sie täglich abholen.“

Ein Seufzer entwich Severus. Mit Daumen und Zeigefinger massierte er sein Nasenbein, schloss dabei die Augen.

„Kopfschmerzen?“, fragte sie.
„Nein, ich überlege, wie ich dir beibringen soll, dass ich dir jetzt bei der Post nicht weiter helfen kann.“ Weil sie ihm einen fragenden Blick schenkte, erklärte er: „Ich bin mit Draco verabredet.“
„Oh!“, machte sie erstaunt. „Dann grüß ihn schön.“
Er stutzte. „Du hast nichts dagegen, hier alleine weiterzumachen?“
„Nein, warum auch? Geh ruhig.“

Es lag auf der Hand, dachte sie, dass Severus sich heute darüber informieren wollte, ob Draco auch Zaubertränkemeister in seinem Angebot hätte. Es blieb für einen Termin nur die Zeit während der Mittagspause.

Ohne Umhang flohte Severus direkt zu den Malfoys. Freien Zutritt zum Haus hatte er seit vielen Jahren.

Severus stieg im grünen Salon aus dem Kamin. Sein Blick fiel sofort auf Lucius, der die Tageszeitung zur Seite legte und mit einem ehrlichen Lächeln – das erkannte man daran, dass sich auch an den Augen Lachfältchen bildeten – sich ihm näherte.

„Mein alter Freund!“
„Lucius“, ein Handschlag folgte, „wie war die Reise?“
„Einfach nur fantastisch! Hast du die Ansichtskarte erhalten?“
Severus nickte. „Und vielen Dank dafür.“
„Ach, nicht der Rede wert. Narzissa hielt es für eine gute Idee, allen zu schreiben, denen wir diesen Urlaub zu danken haben.“ Lucius schlug Severus auf die Schulter und ließ die Hand dort verweilen. „Bist du gekommen, um ein wenig zu plaudern? Ich kann uns einen Kaffee machen.“
Es klang beinahe stolz, bemerkte Severus, denn Lucius hatte niemals zuvor selbst einen Finger in der Küche krumm gemacht. „Leider muss ich ausschlagen. Ich habe einen Termin bei Draco in genau …“ Severus blicket auf die Uhr an der Wand. „Jetzt!“
„Schade“, entwich es Lucius. Geknickt blickte er zur Uhr, dann wieder, diesmal mit aufgesetztem Lächeln, zu Severus. „Vielleicht danach?“
„Tut mir leid, da muss ich arbeiten.“
„Kann deine Verlobte nicht eine Stunde ohne dich auskommen?“
„Sie schon“, beteuerte Severus, „aber nicht die Kunden, die ihre Tränke wollen. Genau deshalb bin ich hier, Lucius. Ich suche weitere Tränkemeister.“ In diesem Moment wollte Severus seinen Freund nochmals auf eine wichtige Sache hinweisen, die sie am Abend der Geburtstagsfeier besprochen hatten. „Wärst du in die Geschäfte involviert, könnten wir beide das Gespräch führen.“
Lucius’ Mundwinkel zuckten, aber er schluckte die kleine Stichelei hinunter als wäre sie wohlschmeckend. „Wer weiß …?“
„Ich muss jetzt wirklich zu Draco.“
„Ich halte dich nicht auf.“

Im ersten Stock befand sich das Büro von Draco. Er ging gerade seine Karteikarten durch, um zu sehen, ob er eine Köchin, eine Reinigungskraft und zwei Hexen mit pädagogischen Fähigkeiten finden würde, die Harrys Ansprüchen genügten, als es klopfte. Nach der Aufforderung zum Eintreten stand er auf und begrüßte seinen Patenonkel wesentlich freundlicher als jeden anderen Kunden.

„Setz dich doch bitte. Möchtest du einen Kaffee?“ Severus nahm dankend an. „Wie kann ich dir helfen, Onkel?“ Die Anrede war Draco rausgerutscht. Die vertraute Umgebung des eigenen Zuhauses war daran schuld, denn hier war Severus für ihn immer mehr gewesen als nur ein Lehrer. Der schien sich daran jedoch nicht zu stören, bemerkte Draco erleichtert.
Severus deutete auf das Kästchen mit den Karteikarten. „Hast du auch Zaubertränkemeister im Angebot?“
„Ich glaube, einen Herrn habe ich.“
„Nur einen?“ Enttäuscht seufzte Severus. Er hatte damit gerechnet, dass er aus vielen die beiden Geeignetsten auswählen konnte.
„Ich mach das noch nicht lange“, rechtfertigte sich Draco, während er die Karteikarte durchsuchte. „Außerdem habe ich neulich erst einen ans Mungos vermittelt. Die Kunden kommen und gehen. Vor drei Wochen hatte ich fünf Tränkemeister auf einmal.“ Severus seufzte nochmals. „Keine Sorge, ich werde alle weiteren für dich zurückhalten. Ah!“ Die Karte war gefunden. „Hier ist er.“ Dracos Stirn schlug Falten. „Er ist schwer vermittelbar.“
„Warum? Ist er unfähig?“
„Nein, er hat sogar ganz ausgezeichnete Referenzen.“
„Dann will ich ein Gespräch mit ihm.“
„Er ist ein Kriegsopfer.“
Severus zuckte mit den Schultern. „Sind wir das nicht alle? Was soll ich tun? Einen Beitrag spenden?“
„Na gut“, Dracos Blick wurde hart, „wenn dir das egal ist?“
Es war Severus egal. „Wie läuft das ab? Muss ich ihn kontaktieren?“
„Du kannst mir gern einen Termin nennen. Ich sorge dafür, dass der Herr pünktlich bei dir eintrifft.“
„Bestens!“ Severus musste nicht lange überlegen. „Geht es auch sonntags?“
„Sicher.“
„Dann am kommenden Sonntag um acht Uhr.“
„Abends?“
Severus verzog den Mund. „Morgens!“
Draco notierte sich etwas auf einem Zettel. „Was bietet ihr? Vollbeschäftigung oder Teilzeit?“
„Voll.“
Wieder schrieb Draco etwas auf das Stück Papier. „Vierzig Stunden die Woche?“ Severus nickte. „Wie sieht es mit Überstunden aus?“
„Bekommt er extra bezahlt, wenn welche anstehen – und die werden anstehen. Freizeitausgleich ist derzeit nicht möglich.“
„Wie lang ist die Probezeit?“
„Ein halbes Jahr.“
„Mit welchem Gehalt könnte er rechnen?“

Zaubertränkemeister waren nicht billig. In Hogwarts hatte Severus lediglich das Gehalt eines Lehrers erhalten, das aufgrund seiner langen Beschäftigungszeit stetig erhöht wurde, aber in der freien Wirtschaft wäre er mittlerweile reich geworden. Andere Tränkemeister wollte Severus nicht benachteiligen, aber auch nicht sofort als gleichwertig betrachten. Die mussten sich erst beweisen.

„In der Probezeit bekommt er 330 Galleonen monatlich.“ Wenn die Währung stabil bleiben würde, wären das umgerechnet ungefähr 1.500 Pfund oder 1.800 Euro. Die magische Regierung belastete die Bürger zum Glück nur mit einer geringen Steuer. Bevor Draco die nächste Frage stellen konnte, stellte Severus klar: „Und er soll nicht anfangen zu feilschen. Nach der Probezeit sind vorerst 405 Galleonen vorgesehen.“
„Du hast das sehr genau berechnet.“
„Selbstverständlich! Ich komme doch nicht unvorbereitet zu einem Gespräch mit einem Malfoy, wenn es sich um Geld handelt.“ Damit brachte er Draco zum Grinsen. „Ich erwarte außerdem, dass er alle wichtigen Papiere mitbringt: Tränkemeisterlizenz, Gesundheitsnachweis, Lebenslauf, Zeugnisse, Referenzen und dergleichen.“
„Ihr braucht ihn nur fürs Labor, oder? Nur zum Brauen oder habt ihr vor, ihn im Verkaufsraum einzusetzen?“
„Nein, nur im Labor.“
„Gut, denn er hält sich für die Arbeit mit Publikumsverkehr nicht geeignet.“
Severus wurde stutzig. „Was ist das für ein Typ? Jemand, der streng nach Vorschrift arbeitet und nur das tut, zu dem er laut Vertrag verpflichtet ist?“
Draco schüttelte den Kopf. „Wenn ihr ihn bittet, wird er auch im Verkaufsraum aushelfen.“
„Gut, benötigst du sonst noch irgendwelche Informationen von mir?“, fragte Severus.
„Nein, ich werde den Termin weitergeben und er wird bei dir vorstellig werden.“ Den Notizzettel heftete Draco an die Karteikarte. „Möchtest du eventuell noch etwas wissen? Du hast nicht einmal gefragt, wie alt er ist oder ob er …“
„Was interessiert mich das? Solange er nicht tattrig ist und alles fallen lässt, was er in die Finger bekommt, spricht doch nichts gegen ihn.“
„Da hast du Recht. Ich gebe dir trotzdem seinen Namen. Das ist das Mindeste.“ Nicht einmal den hatte Severus erfragt. „Der Mann heißt Ignatius Lyon. Er wohnt etwas nördlich von London in St Albans.“

Letzteres interessierte Severus bereits nicht mehr. Er wollte den Mann im Labor beschäftigen und keine Freundschaft mit ihm schließen.

„Ich erwarte ihn am Sonntag um acht. Wenn andere Tränkemeister an dich herantreten sollten …“
„Dann sage ich dir sofort Bescheid.“
„Sag, was verlangst du überhaupt für das Gespräch und diesen Dienst?“ Severus war zwar Dracos Patenonkel, aber dennoch rechnete er nicht damit, etwas geschenkt zu bekommen.
„Von dir zwanzig Galleonen bei erfolgreicher Vermittlung und von Mr. Lyon ein Jahr lang fünf Prozent von dem, was ihr ihm monatlich zahlt. Sollte kein Vertrag zustande kommen, bekommst du zehn Galleonen zurück. Mr. Lyon zahlt mir ab der nächsten erfolgreichen Vermittlung ein Jahr lang sechs Prozent.“
„Warum plötzlich sechs?“
„Ich kann niemanden umsonst verwalten, Severus. Mit jeder versuchten Kundenvermittlung gibt es eine Steigerung von je ein Prozent, die erst beim Zustandekommen eines Arbeitsvertrages mit dem dritten Gehalt gezahlt werden muss.“
„Wenn er jetzt schon sechs Prozent an dich abtreten müsste, wenn wir ihn einstellen, heißt das, die Vermittlung war schon fünfmal erfolglos?“
„Ich sagte doch, dass er schwer vermittelbar ist“, wiederholte Draco.

Zwar wurde Severus’ Neugierde geweckt, aber auch seine Skepsis. Er unterließ es, nach einem Grund zu fragen. Das würde Draco denken lassen, er hätte sein Desinteresse an allen unwichtigen Informationen über den Bewerber verloren.

„Ich hoffe …“ Draco verbesserte sich. „Nein, ich weiß, dass du ihn nehmen wirst.“
Severus runzelte die Stirn. „Warum?“
„Weil du nicht oberflächlich bist.“ Draco lächelte. „Und Hermine auch nicht.“

Das Gespräch benötigte insgesamt nicht so viel Zeit, wie Severus es befürchtet hatte. Vielleicht lag es daran, dass er bei gewissen Dingen bezüglich eines Bewerbers anspruchslos war. Fähigkeiten hatten nichts mit dem Alter zu tun, daher war unter anderem dieser Punkt für Severus uninteressant.

Von Draco wurde er zur Tür begleitet.

„Ach, Severus, du hast sicherlich auch eine Einladung zu der Hochzeit bekommen, nehme ich an?“
„Remus und Tonks?“ Draco nickte, so dass Severus bestätigte. „Ja, habe ich. Ihr werdet kommen?“
„Susan und ich auf jeden Fall. Mutter möchte auch, aber Vater hat Bedenken wegen Dumbledore. In einer so kleinen Runde könnte es passieren, dass er von dem Direktor in ein Gespräch verwickelt wird. Harrys Hochzeit war da etwas umfangreicher, was die Gästeliste betraf. Da konnte man gewissen Leuten besser aus dem Weg gehen.“
„Dein Vater wird kommen“, versicherte Severus.

Mit diesen Worten verließ er das Büro, um den grünen Salon aufzusuchen. Hier traf er abermals auf Lucius, der diesmal in Gesellschaft seines Enkels war. Beide Hände des Kindes waren in gelber Knetmasse verschwunden.

Lucius schaute auf. „Ah, das Gespräch ist vorüber? Wie lief es?“
„Es hätte besser laufen können. Nur ein einziger Tränkemeister fand sich in den Akten.“
„Ach, das wird schon noch. Draco schaltet regelmäßig Annoncen in den gängigen Tageszeitungen. Immer mehr Leute melden sich bei ihm.“

Nicht nur wegen der Arbeitsvermittlung. Draco gab Kredite an Menschen, die von der Bank abgewiesen wurden. Eine Geschäftsidee, die er von seinem Vater übernommen hatte, nur ohne die fragwürdigen Methoden zum Geldeintreiben.

An der Haustür klingelte es. Mittlerweile hatte sich Lucius daran gewöhnt, selbst die Tür öffnen zu müssen.

„Wirst du zusammen mit Narzissa zur Hochzeit gehen?“, fragte Severus, als er Lucius in die Halle folgte.
„Es wird mir nichts anderes übrig bleiben“, erwiderte der Hausherr, der dabei viel weniger gequält schien als sonst, wenn er glaubte, sich den familiären Zwängen unterwerfen zu müssen. Lucius hatte die Tür erreicht und öffnete sie. Vor ihm stand niemand anderes als … „Mr. Potter, guten Tag. Treten Sie ein.“ Höflich war Lucius, doch den Worten fehlte es an aufrichtiger Freundlichkeit.
„Guten Tag, Mr. Malfoy.“ Harrys Blick fiel auf die andere Person in der Halle. „Severus!“ Eine grüßende Geste folgte, die Severus mit einem Kopfnicken erwiderte.
„Sagen Sie, Mr. Potter, warum nutzen Sie nicht den Kamin? Ich bin mir sicher, dass mein Sohn Ihnen dieses Angebot gemacht hat.“
„Wenn es Sie nicht stören sollte, werde ich künftig gern den Kamin benutzen.“
„Danke, das erspart mir nämlich den Weg zur Tür.“ Lucius deutete die Treppe hinauf. „Sie wissen, wo sich das Büro befindet?“
„Ja, vielen Dank. Ich finde allein hin.“

In der Winkelgasse wurden ebenfalls Kunden empfangen, die Hilfe verschiedenster Art benötigten.

Bei Weasleys Zauberhafte Zauberscherze fragte ein Jugendlicher beispielsweise, ob man die Zutaten der Nasch-und-Schwänz-Leckereien auch in einem Kuchen verarbeiten könnte. Offenbar hatte der junge Mann mit einem baldigen Geburtstagskind noch eine Rechnung offen.

In der Granger Apotheke war man schon dabei, die Vorbestellungen für den Wolfsbanntrank entgegenzunehmen. Percy war so frei, die veränderte Variante mit Vanillegeschmack mit einem offiziellen Stempel zu versehen, denn nur so war es Hermine und Severus möglich, Lizenzen für ihr Patent an andere Apotheken zu vergeben. Zwar könnten sie nicht mit einem Gewinn rechnen, dafür aber mit einer Entlastung, weil die Werwölfe sich wieder auf die anderen Tränkemeister verteilen würden.

Einiges los war auch im Büro der IFAH – der Initiative für die Forderung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes für magische und nichtmagische Halbwesen. Die Abkürzung passte viel besser auf den Briefkopf, wie Sirius es bei der Begutachtung der gerade gelieferten Papierbögen mit einem selbstzufriedenen Lächeln feststellte. Es war seine Idee gewesen. Sid meinte, solange eine Abkürzung nicht wie eine Krankheit klingen würde, hätte er nichts dagegen.

Als es klingelte, warf Sirius das blütenweiße Stück Papier mit dem neuen Aufdruck zurück in die Kiste und rief: „Sie sind da!“ Wo immer sich Sid auch befinden sollte, das musste er gehört haben. Sirius öffnete dem Gast die Tür. Der Mann war pünktlich zum Termin erschienen. „Mr. Fogg, treten Sie herein.“ Sein Blick fiel auf die Begleitung. Schon einige Male hatte der Kunde seinen Bekannten mitgebracht. „Mr. Stringer.“
„Mr. Black, schön Sie zu sehen“, sagte Fogg mit zittriger Stimme. Er war aufgeregt.
Sirius zeigte zur Tür. „Kommen Sie ins Büro.“ Das Büro war nichts anderes als ein gemütliches Wohnzimmer mit Sitzgruppe, Kaffeetisch und Schreibtisch. „Mr. Duvall sollte gleich …“
„Ich bin schon da“, meldete sich Sid zu Wort. In seinen Händen hielt er eine Akte und unzählige Papiere, die er durchblätterte.
Nachdem man Platz genommen hatte, erkundigte sich Fogg: „Hat alles geklappt?“ In seiner Stimme schwang die Angst mit, etwas wäre schiefgelaufen.

Sids ordentliches Wesen und seine Vorliebe für schwarze Anzüge, wie die feinen Herren in der Muggelwelt sie trugen, kombiniert mit edlen Kleidungsstücken aus der Zaubererwelt, machten ihn als Zauberer bereits zu einem Unikat. Es war jedoch seine Liebe zu gehobener Sprache, zu Spitzfindigkeiten und den gesetzlichen Details, die er gern für seine Vorteile drehte und wendete, die ihn für die IFAH unentbehrlich machten. Einfachen Leuten wie Stringer und Fogg konnte er mit einem einfachen Blick imponieren. Ehrfürchtig betrachteten die Gäste ihn, als er Platz nahm und sich ein bestimmtes Blatt vor Augen hielt.

„Keine Sorge, Mr. Fogg. Alles ging so vonstatten, wie ich es vorgesehen habe.“ Er blickte auf. „Der von mir beim Ministerium eingereichte Antrag auf die Stilllegung der Verliese 101, 103 und 112 zur Überprüfung des rechtmäßigen Eigentümers sowie die vorübergehende Unterlassung auf Veräußerung sämtlicher …“
Sirius unterbrach: „Lass mich mal bitte.“ Er wandte sich Fogg zu. „Was mein Kollege zu sagen versucht“, Sid warf ihm einen bösen Blick zu, „ist Folgendes: Ihre Frau und Schwiegereltern kommen zurzeit weder an das Geld in den Verliesen noch dürfen Sie Eigentum veräußern, bis geklärt ist, wer der Eigentümer ist. Diese Anträge benötigen in der Regel …“
Hilfe suchend schaute er zu Sid, der an dieser Stelle übernahm: „Solche Anträge werden beim Ministerium innerhalb von vier bis acht Wochen bearbeitet, nie früher. Das Positive ist, dass Sie Ihren Familienangehörigen frühzeitig die Möglichkeit genommen haben, Geld oder Gegenstände vor Ihnen in Sicherheit zu bringen.“
Sirius nickte. „Interessieren sich Ihre Verwandten für Gesetze?“
„Nein, sie waren niemals in irgendeiner Weise politisch interessiert. Gesetze finden sie langweilig.“
„Gut, dann waren sie im Vorfeld sehr wahrscheinlich nicht darüber informiert, was ihnen blühen könnte.“
Fogg schüttelte den Kopf. „Ich glaube vielmehr, sie haben nicht einen Gedanken daran verschwendet, ich könnte mir mein Zeug wiederholen wollen.“
„Und genau das“, warf Sid ein, „war das Überraschungsmoment.“ Auf einem der Papiere las er eine Notiz ab, die er sogleich weitergab. „In just diesem Moment sind Ministeriumsangestellte in Ihrem Haus, die mit entsprechenden Zaubern dafür sorgen, dass kein Gegenstand das Grundstück verlassen kann. Außerdem werden Ihre Verwandten rechtlich aufgeklärt.“
Fogg spielte mit seinen zittrigen Fingern, strich sich wiederholt über einen Daumennagel. „Können sie Einspruch erheben?“, fragte er unsicher nach. Seine Schwiegereltern würden ihm nichts kampflos überlassen.
Sid hob und senkte die Schultern. „Sie können und dürfen, aber Ihr Antrag hat Vorrang. Die Sperre wird vor der Prüfung nicht aufgehoben. Da Ihr Antrag erst nach Inkrafttreten der neuen Gesetze bearbeitet wird, müssen Sie sich absolut keine Gedanken machen. Es wird zu Ihren Gunsten entschieden werden, Mr. Fogg. Die Gesetze sind in dieser Hinsicht unmissverständlich. Eine Enteignung durch Angehörige ist nicht rechtens. Sie sind nur ein Werwolf und nicht jemand, der seinen Verstand eingebüßt hat.“
Stringer lachte. „Na, manchmal bin ich mir bei ihm nicht so sicher.“
Sein Freund war über die Anmerkung erbost. „Und dich habe dich als seelische Unterstützung mitgebracht! Vielen Dank auch.“
„Das war ein Scherz“, versicherte Stringer. „Nimm es doch locker, verflucht nochmal.“ Stringer wandte sich an Sirius und Sid. „Wann kann man mit einer endgültigen Entscheidung vom Ministerium rechnen?“
Sid wägte ab. „Ich schätze, spätestens November. Die Fälle werden nach Eingangsdatum bearbeitet. Mr. Foggs Anliegen wird sicherlich den ersten Fall dieser Art darstellen und somit als Erstes bearbeitet werden. Wenn das erst einmal durch die Presse geht, wird sich das Ministerium vor Mehrarbeit nicht mehr retten können.“
„Ja!“, stimmte Sirius mit ein. „Das wird eine Welle von Anträgen geben. Squibs, Werwölfe – alle, denen Unrecht widerfahren ist, werden ihren Teil einfordern.“
„Das …“ Fogg ließ sich das durch den Kopf gehen. „Das wird aber eine ganze Menge sein.“ Allein wenn man all die Squibs betrachtete, die von ihren Familien nur deshalb verstoßen wurden, weil sie nicht zaubern konnten.
„Korrekt“, bestätigte Sid. „Deshalb suchen wir aufgrund des in den nächsten Monaten zu erwartenden Andrangs noch einige Kräfte, die uns bei der Arbeit unterstützen.“
„Mmmh“, machte Fogg und kratzte sich am Kinn. „Was müsste man denn alles können?“
Die Erklärung hierfür übernahm ebenfalls Sid. „Man müsste sich in die neuen Gesetze einlesen, müsste die ganzen Formulare kennen und den Hilfe Suchenden dabei zur Hand gehen, diese auszufüllen. Manchmal müssten die Kunden ins Ministerium begleitet werden. Sind Sie interessiert?“
„Sicher! Momentan habe ich einen undankbaren Teilzeitjob bei einem Bäcker.“
„Sie backen?“, fragte Sirius nach.
„Nein, ich mache dort sauber.“

Das Reinigen in all seinen Arten, ob man nun die Fenster putzen oder den Boden wischen musste, zählte zu den Dingen, die regelmäßig erledigt werden wollten. Vielleicht war es deshalb eine Aufgabe, die kaum jemand gern, geschweige denn freiwillig tat. Das war ein Grund, warum einige diese Hausarbeit bei anderen erledigten und sie sich bezahlen ließen. So jemanden suchte Lucius noch immer.

Hermine gehörte eher zu denen, die die Zähne zusammenbiss und sich der Arbeit selbst widmete. Haushaltssprüche und Reinigungszauber waren im Labor tabu. Die Überreste eines am Boden zertretenen, angetrockneten Flubberwurms waren mehr als nur beschwerlich zu entfernen. Der Schleim der bräunlichen Würmer eignete sich zwar hervorragend zum Andicken von Zaubertränken, aber ohne andere Flüssigkeiten wurde er hart wie Stein. Hermine schrubbte seit zehn Minuten die gleiche Stelle.

„Geh ab, du blödes …!“, drohte sie dem zermalmten Getier, das sich davon nicht mehr einschüchtern ließ. Was könnte Schlimmeres kommen als der Tod? Und den hatte der Flubberwurm bereits hinter sich. Hermine hörte plötzlich Schritte, dann die Tür.
„Hermine?“
„Hier, unterm Tisch.“ Als sie hervorkroch und sich streckte, spürte sie jeden einzelnen Wirbel.
„Sonntag früh kommt ein Mr. Lyon“, informierte Severus sie.
„Ein Bewerber?“
„Ganz recht.“ Mit wachem Blick schaute sich Severus im Labor um. „Ist noch viel zu erledigen?“
„Nein, nur noch der Boden. Daphne hat geholfen, bevor sie Mittagessen gegangen ist.“
„Kann ich noch helfen?“ Er drückte sich selbst die Daumen, dass sie verneinen würde.
„Es reicht, wenn ich den Muskelkater bekomme.“ Sie wollte gerade wieder unter den Tisch krabbeln, da fiel ihr etwas ein. „Ach, du kannst die Post durchsehen. Da sind wieder Anfragen zum Farbtrank gekommen und die erste Apotheke zeigt bereits Interesse an dem Wolfsbanntrank mit Vanillegeschmack.“
„Na bitte! Ich hoffe, das spricht sich schnell herum.“

Wie Hermine es vorgeschlagen hatte, kümmerte sich Severus um die Post. Ein Brief vom Ministerium war dabei. Das kürzlich erst eingereichte Patent für seinen Bluttrank – natürlich nur die theoretische Fassung – war bestätigt. Man wies ihn ausdrücklich darauf hin, dass er ab dem 1. September dank der neuen Gesetze durchaus aktiv daran forschen dürfte. Wenn die wüssten, dachte er mit einem Grinsen im Gesicht. Er wollte sich lediglich die Idee sichern. Seine theoretische Arbeit war so ausgefeilt, dass es die Ministeriumsangestellten nicht wundern sollte, würde er ihnen schon im Oktober mit einem perfekten Trank zur Reduzierung des Blutdurstes bei Vampiren seine Aufwartung machen.

Ideen bekamen viele Menschen. Geistesblitze kamen einem nicht selten bei wenig anspruchsvollen Tätigkeiten wie beispielsweise der Entleerung des Darms, und einige Ideen waren genauso wenig brillant wie dessen Inhalt, aber selbst so etwas konnten kluge Köpfe zu Gold machen.

Bleiben wir aber bei den interessanten Einfällen. Ein purer Gedanke ersetzte nicht die Beschwerlichkeiten harter Arbeit. Um ihn zu verwirklichen, durfte man nie aufgeben. Vor Strapazen hatte Kingsley Shacklebolt noch nie Ausriss genommen. Sein erster Schritt war es gewesen, Geoffreys und dessen Sohn Joel in die Liste seiner Muggelfreunde aufzunehmen. Die Gefahr, die durch Vergissmich ausging, war auf diese Weise gebannt. Kingsleys Freundesliste war vom Minister persönlich abgesegnet worden. Der zweite Schritt war schon schwieriger gewesen, aber auch den hatte er ohne Mühe genommen. Mit genehmigtem Antrag auf die Nutzung eines der ministeriumseigenen Denkarien hatte Kingsleys seine eigenen Erinnerungen an die Nacht in Hogsmeade an Geoffreys weitergeben können, um dessen Lücken zu füllen. Treibende Kraft war dabei der Squib Dr. Fueller gewesen, in dessen Schränken sich ebenfalls die Patientenakten von Gregory Goyle, Eleanor Monaghan und seit kurzem auch Ginevra Molly Potter befanden. Dr. Fueller, der seit der Festnahme von Robert Hopkins eng mit dem Zaubereiministerium zusammenarbeitete und unter anderem Muggel betreute, die mit der Magischen Welt in Berührung gekommen waren, hatte Kingsley bei seiner Idee unterstützt. Nur so war es möglich, das Vertrauen von Geoffreys zurückzuerlangen – und das war wegen des dritten Punktes so wichtig.

Der letzte Schritt war oftmals auch der schwierigste. Kingsley hatte nur bedingt Einfluss darauf, dass seine Idee von einer Verbindungsperson zwischen den Geheimdiensten der Muggel und der Zaubererwelt tatsächlich an den Premierminister herangetragen werden würde. Wäre Arthur nicht auch ein guter Freund, wäre Kingsley an dieser Stelle gescheitert, doch der Zaubereiminister hatte ihn nicht enttäuscht. Bei einem der beinahe schon wöchentlichen Termine der beiden Minister schlug Arthur nicht nur die Idee vor, sondern auch gleich den ehemaligen MI5-Geheimdienstler Geoffreys, der für diese Rolle bestens geeignet wäre.

Es war gar nicht so lange her, da hatte Geoffreys ihm während eines Boxkampfes berichtet, dass das MI5 ihn zurückhaben wollte. Alle drei Schritte hatte Kingsley mit viel Geduld erfolgreich nehmen können. Da Dr. Fueller dem Muggel seine psychische Gesundheit bescheinigte, sollte nun die Eingewöhnungsphase an die Magie folgen.

Kingsley klingelte an der Tür von Geoffreys. Geöffnet wurde ihm von Joel, der ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter machte.

„Du kannst später mal mit ins Ministerium kommen“, sagte Kingsley, der zu ahnen schien, warum Joel missgestimmt war.
„Wann ist später?“
Aus dem Hintergrund hörte man Geoffreys Stimme sagen: „Lass ihn in Ruhe, Junge. Wenn er sagt, du kannst später mal mit, dann heißt das genau das: später.“
Joel schnaufte und ging von der Tür weg, damit Kingsley eintreten konnte. „Im September läuft Hellboy an! Was muss ich tun, wenn ich mit Harry mal ins Kino will?“, wollte der junge Muggel wissen. „Einen Antrag mit dreifachem Durchschlag ausfüllen und einreichen?“
Ganz Unrecht hatte Joel nicht, dachte Kingsley. „Willst du dich mit ihm treffen? Ich kann ihm …“
„Wie umständlich“, nuschelte Joel, bevor er mit betrübter Miene ins Wohnzimmer schlenderte.
Geoffreys zog sich sein Jackett über. „Bin sofort fertig. Muss ich irgendwas mitnehmen? Meinen Ausweis?“
„Nein, Sie bekommen sowieso einen von uns.“
„Ah“, machte Geoffreys erleuchtet, bevor er Kingsley mit kräftigem Handschlag und freundlichem Schulterklopfen persönlich grüßte. „Dann bin ich fertig.“ Er drehte seinen Kopf in Richtung Wohnzimmer. „Ich bin in etwa …“
„Geh doch endlich! Sonst schleiche ich euch hinterher.“
„Wir sollten wirklich gehen“, Geoffreys grinste, „sonst macht er die Drohung wahr.“

Ihr Weg führte sie ins Zentrum von London. Geoffreys dachte sich nichts dabei, als Kingsley eine Straße einschlug, die zu einer heruntergekommenen Gegend führte. Erst als Kingsley eine defekte Telefonzelle betrat, griff er in die Innentasche seines Jacketts und zückte sein mobiles Telefon.

„Hier“, bot er an.
Kingsley stutzte im ersten Moment, bevor ihm einleuchtete, was sein Freund meinte. „Ach, das ist eines dieser tragbaren Kommunikationsmittel.“
„Man nennt es auch Handy. Wen wollen Sie anrufen?“ Lässig klappte er die Muggeltechnik auf. „Soll ich für Sie wählen?“
„Nein, kommen Sie rein.“ Der breite Auror hielt dem ebenfalls mit Muskeln bepackten Geheimdienstler die Tür der Telefonzelle auf.
„Da passen wir doch nie im Leben gemeinsam rein.“

Mit Ach und Krach hatten sich die beiden breiten Herren in die defekte Telefonzelle gepresst.

„Die ist kaputt“, bemerkte Geoffreys ganz richtig.
„Sehen Sie zu.“

Kingsley nahm den Hörer in die Hand und tippte die Nummer 62443, ohne vorher Geld einzuwerfen. Den Hörer hielt er Geoffreys ans Ohr, der darin eine Frauenstimme vernahm, die für ihn recht seltsame Belehrungen von sich gab. Kaum war der Gesprächspartner verstummt, bewegte sich die Zelle.

„Keine Angst, jetzt geht es nach unten ins Ministerium“, erklärte Kingsley bedächtig.
„Nach unten? Das Gebäude liegt unterhalb der Stadt?“
„Sie werden es gleich sehen.“

Einige Meter lang sah man durch die Fensterscheiben lediglich Erde. Einen Augenblick später landete die Telefonzelle im gut besuchten Eingangsbereich des Zaubereiministeriums, und Kingsley öffnete die Tür.

Geoffreys kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Schon allein der Weg ins das Gebäude war seiner Meinung nach bemerkenswert. Wer würde auf so eine Idee kommen?

„Bleiben Sie dich bei mir, sonst verlaufen Sie sich noch und glauben Sie mir“, Kingsley lächelte milde, „selbst ich könnte mich hier noch verlaufen.“

Rechts und links von Geoffreys traten Hexen und Zauberer in oder aus Kamine. Andere erschienen aus dem Nichts, machten dabei ein knallendes Geräusch. Manche schauten ihn genauso verdutzt an wie er sie, was an der Kleidung liegen konnte.

„Folgen Sie mir. Ich mache Sie zunächst mit Minister Weasley bekannt. Danach erhalten Sie Ihre Karte. Die wird einige Extras haben, damit wir ohne Telefon Kontakt aufnehmen können.“

Geoffreys war hellauf begeistert. Was er heute sehen durfte, war ihm den Verlust einiger Erinnerungen durchaus wert.

Im Büro des Ministers wurde Geoffreys herzlich empfangen.

„Ich bin Arthur Weasley. Freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen.“ Arthur schüttelte dem Muggel die Hand, zeigte danach auf dessen Kleidung. „Das steht Ihnen! Ich mag Muggelkleidung. Die ist so leger und trotzdem elegant.“

Arthur war aufgeregt, deswegen konnte er nicht aufhören zu reden. Geoffreys grüßte höflich zurück. Ihm blieb nichts anderes übrig als den Mund zu halten und sich einige Details anzuhören. Zum Reden kam er nicht. Er hörte zu, wie der Minister von der engen Zusammenarbeit zwischen Muggeln und Magiern schwärmte, die es so offenbar noch nie gegeben hatte. Erst jetzt wurde sich der Geheimdienstler darüber bewusst, dass er selbst etwas Besonderes darstellte und das machte ihn stolz.

„Mr. Geoffreys, ich denke, Sie werden sich hier gut einleben. Mr. Shacklebolt wird Sie sicherlich noch etwas herumführen.“
Kingsley nickte. „Wir besuchen jetzt Mrs. Malfoy. Sie ist die stellvertretende Leiterin der Abteilung für magische Strafverfolgung. Sie gibt Ihnen den speziellen Ausweis.“

Arthur führte die beiden zur Tür hinaus. Auf dem Flur erhaschte Geoffreys immer wieder einen Blick auf das, was die Angestellten mit ihren Zauberstäben anrichten konnten. Aber auch die fliegenden Memos weckten sein Interesse. Diese Welt war voller Wunder.

Weiter weg vom Trubel des Ministeriums, in seinem riesigen Haus – Dracos Haus – war Lucius hingegen der Ansicht, dass seine Welt von Langeweile bestimmt wurde.

Allein der Gedanke daran, dass Charles gerade ein Schläfchen hielt, machte ihn dösig. Nach einem Buch war Lucius nicht zumute. Noch viel weniger Interesse hatte er daran, den Garten zu pflegen, der es bitter nötig hätte. Seine Frau besuchte die Schwester, die Schwiegertochter war bei der Arbeit und Draco im Büro. Um nicht auf der Couch einzuschlafen, schlenderte Lucius durch das Haus. Mehrmals am Tag – und zwar immer, wenn er die Eingangshalle durchquerte – wurde er daran erinnert, was anders war. Der Marmorboden war weiß, nicht mehr schwarz mit den lavaartigen Streifen, die wie Risse in einer vulkanischen Landschaft aussahen. Der helle Boden war weniger beindruckend, schon gar nicht furchterregend. Er war anders. Genauso anders, wie sein Leben, und als er so darüber nachdachte, kam er erneut zu dem Schluss, dass dieses Leben langweilig war.

Nicht einmal mit seinem Sohn konnte er reden, weil der mit Kunden sprach. Draco verrichtete die Arbeit, die Lucius schon in jungen Jahren auf die Beine gestellt hatte. Kontakte knüpfen, in Verbindung bleiben, Menschen abhängig machen – meist finanziell – und zu guter Letzt Informationen austauschen. Sein Sohnemann hielt es mit der Diskretion allerdings besonders streng. Es wurden keine pikanten Informationen an den Höchstbietenden verkauft. Das hatte immer am meisten Geld eingebracht und zudem Vergnügen bereitet.

Lucius seufzte. Während er die Treppe nach oben ging, schnipste er mit seinem Zauberstab den Staub vom Geländer und reinigte mit einem Wutschen den Teppich. Haushaltszauber waren noch ermüdender.

Gerade oben angelangt hörte er, wie sich die Tür zum Büro öffnete. Draco führte den Kunden hinaus, der nach Potter gekommen war. Ein einfacher Mann, geradezu ärmlich gekleidet, mit abstehenden Ohren und schlaksigem Äußeren. In Lucius’ Augen kein fähiger Zauberer.

„Ich habe Ihnen gesagt“, hörte Lucius seinen Sohn gereizt sagen, „dass ich es versuchen werde. Das muss reichen. Wenn ich Sie nun zum Kamin begleiten darf?“ Jetzt wurde Lucius bemerkt. „Oh, guten Tag, Vater.“

Lucius nickte seinem Sohn zu, auch dem Kunden, obwohl der keinerlei Aufmerksamkeit verdient hatte. Als Draco den Herrn nach unten begleitete, ging Lucius in sein altes Büro. Die gemütliche Atmosphäre durch die warmen Farben und die großzügige Raumverteilung weckte Erinnerungen, die seinem Herzen kleine Stiche versetzten. In diesem Büro saß er schon vor über zwanzig Jahren – mit seinem kleinen Sohn auf dem Schoß, der nach allem griff, was auf dem Schreibtisch nicht niet- und nagelfest war, wie beispielsweise das Bild, das dort stand. Lucius ging um den Schreibtisch herum und erwartete ein Hochzeitsfoto von Draco und Susan, doch was er sah, rammte den unsichtbaren Dolch, der bisher nur gestichelt hatte, mit einem Male zielsicher ins Herz. Es war das Bild seiner eigenen Hochzeitsreise. Lucius nahm es in die Hand. Seine Gedanken waren damit beschäftigt, gleichermaßen der Vergangenheit nachzutrauern und sich zu fragen, warum Draco das Bild nicht längst ausgetauscht hatte.

„Oh“, hörte Lucius seinen Sohn überrascht sagen. „Wolltest du etwas von mir?“
Das Bild stellte Lucius wieder auf den Tisch, bevor er kurz darauf zeigte. „Warum keines von dir?“
Draco zuckte mit den Schultern und näherte sich gleich darauf seinem Vater. „Ich finde es schön.“
„Mmmh“, stimmte Lucius zu. Er wollte weg von den Erinnerungen. „Und? Wie laufen die Geschäfte?“
„Im Moment bin ich genervt. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“

Severus hatte es ihm empfohlen – mehr als einmal –, sich in die Geschäfte seines Sohnes einzubringen. Womöglich war das der passende Zeitpunkt. Er müsste es wenigstens probieren, wenn er nicht an Langeweile sterben wollte. Mittlerweile war Lucius der Überzeugung, diese Todesursache würde es geben, nur wäre sie noch nicht bekannt.

„Darf ich dir behilflich sein?“ Falsch, dachte Lucius. Er durfte seinem Sohn keine Wahl lassen und fügte gleich hinzu: „Um was geht es?“
„Das St. Mungos ist für die Entlassung eines Squibs verantwortlich, weil der während des Dienstes Alkohol getrunken haben soll. Jetzt will der Squib auf Wiedereinstellung klagen.“
„Ach“, winkte Lucius ab. „Den kriegen wir schon klein. Du musst nur die Nachteile auflisten, die die Beschäftigung einer nicht-magische Person in einer so etablierten und wichtigen Einrichtung mit sich bringt. Glaube mir, das sind viele. Der Squib wird keine Chance auf Wiedereinstellung haben und du bist fein raus aus der Sache.“
Draco räusperte sich. „Da gibt es nur einen winzigen Haken, Vater.“
Lucius hob interessiert die Augenbrauen. „Und der wäre?“
„Ich vertrete den Squib.“
„Oh!“ Diesmal war Lucius überrascht. Er überlegte kurz und winkte die Sache mit einer Hand ab, als wäre das nur halb so wild. „Nun, dann müssen wir eben kreativ umdisponieren. Zeig mir mal die Unterlagen.“ Von Draco erhielt er eine Mappe mit der Kopie des Kündigungsschreibens. „Ah, Professor Puddle.“ Lucius’ Gesichtsmuskeln sorgten für ein fieses Grinsen. „Wusstest du, dass er während des Krieges Schmiergelder vom Ministerium angenommen hat?“
„Äh …?“
„Und genau das ist der Rückfahrtschein für Mr. …“, er überflog das Schreiben, „Shunpike.“ Ein Blatt fiel aus der Mappe. „Was ist das? Eine weitere Kündigung?“ Der Stempel war ihm vertraut. „Die Poststelle? Sag mal, Draco, ist Mr. Shunpike tatsächlich dem Alkohol zugetan?“
„Ich befürchte ja.“
„Das könnte Schwierigkeiten bereiten. Anderseits“, er machte einen Schritt auf seinen Sohn zu, „hat Professor Puddel so einen Gewohnheitstrinker in seinem Arbeitsumfeld verdient. Gibt mir Feder und Papier.“
Draco hielt beide Hände in die Höhe. „Ich arbeite nicht nach deinen Methoden, Vater. Du kannst den Heiler nicht einfach erpressen?“
„Nun male nicht den Teufel an die Wand“, beruhigte Lucius ihn. „Ich werde ihn nur an etwas erinnern.“
„Oh Merlin“, murmelte Draco, bedeckte dabei seine Augen mit einer Hand.
„Mit einem einzigen Satz bringe ich ihn dazu, den Herrn wieder einzustellen. Wir können gern eine Wette abschließen, wenn du möchtest.“
„Du wirst mich noch in Schwierigkeiten bringen.“
Lucius war das erste Mal seit langem wieder enthusiastisch. „Ach, wo denkst du hin? Es kommt nur darauf an, wie man seine Worte wählt. Niemand wird etwas herauslesen können, außer natürlich Puddle selbst. Man muss ganz geschickt eine bestimmte Assoziation wecken. Wenn er die mit dem Namen Malfoy in Zusammenhang bringt – und das wird er allein schon wegen des Briefkopfes –, wird er klein beigeben.“

Draco atmete einmal tief durch. Den Fall Shunpike hatte er längst abgeschrieben. Der Mann war nach der dritten Abmahnung entlassen worden, weil man ihn mit einer Flasche erwischte.

„Hat man denn gesehen, dass er getrunken hat?“, wollte Lucius wissen.
„Eine zerschmetterte Flasche Whisky lag auf dem Boden. Was braucht man mehr an Beweisen?“
„Dann wurde er nur aufgrund eines Umstandes entlassen, der lediglich auf die große Wahrscheinlichkeit der vorgeworfenen Tat schließen lässt?“ Weil Draco nickte, wurde Lucius deutlicher. „Die hatten keine Beweise, nur ein Indiz. Womöglich gehörte die Flasche ihm gar nicht.“
„Sie gehörte ihm. Er hat’s mir gesagt.“
„Hat er es auch den Heilern gegenüber gestanden?“
„Nein.“
„Na bitte, damit kann ich doch wenigstens arbeiten!“

Lucius rückte Dracos Stuhl an den Tisch und begann damit, sich auf einem Blatt Papier Notizen zu machen. So aufgeweckt hatte Draco seinen Vater in letzter Zeit nicht erlebt – und er wollte nichts tun, dass diese neu geweckte Freude beeinträchtigen würde.

Der Besuch bei ihrer Schwester Andromeda und deren Mann Ted war eine schöne Abwechslung gewesen. Narzissa mochte ihr Leben, selbst wenn sie manchmal durch bestimmte Dinge daran erinnert wurde, dass es einmal anders verlaufen war. Sie war sich klar darüber, dass sie ihr altes Wesen niemals komplett abschütteln könnte. Das musste sie auch gar nicht. Die Vergangenheit war nur ein Teil von ihr, der ihr bruchstückhaft und oberflächlich bekannt war. Und alles, was diese vergangene Zeit ausmachte – Furcht, Unruhe, Trauer und Enttäuschung – lag wie ein schwerer, grauer Stein tief unten im Meer des Lebens. Sie könnte seine Existenz nie ignorieren, würde und wollte niemals geliebte Menschen wie Regulus und Bellatrix vergessen. Der Unterschied zwischen damals und heute war jedoch deutlich, denn die Gegenwart war nicht grau, sondern bunt und schuf die Möglichkeit, die Zukunft zu ändern, damit der Blick zurück nicht mehr nur düster sein würde.

Solange sie sich eingestehen konnte, wer sie einst war, stand ihr nichts im Weg, ihr Leben zu genießen. Sie wünschte sich aus tiefstem Herzen, dass Lucius das ebenfalls erkennen würde. Es war ihr größter Wunsch, mit ihm gemeinsam dieses neue Leben zu führen.

Im grünen Salon fand sie ihren Gatten nicht, auch nicht in der Küche, weshalb sie die Treppe hinaufging. Oben im ersten Stock hörte sie Dracos Stimme aus dem Büro kommen. Zu ihrem Erstaunen vernahm sie auch die ihres Mannes. Bisher hatte er sich aus den geschäftlichen Belangen herausgehalten. Leise öffnete Narzissa die Tür einen Spalt. Auf dem Boden sah sie Charles sitzen, für den man Plüschtiere und Bauklötze ins Büro gebracht hatte. Ihr Enkel bemerkte sie und grinste sie zahnlos an, winkte ihr heftig zu und widmete sich wieder seinem Spiel. Ihre beiden Männer waren in einer Unterhaltung vertieft, die keinesfalls hitzig verlief. Durch die Ernsthaftigkeit der beiden war zu erkennen, dass es sich um etwas Wichtiges handelte.

„Dann hättest du nichts dagegen?“, fragte Lucius. Narzissa lauschte ungesehen, obwohl das nie zu ihren Eigenarten gehört hatte.
„Warum sollte ich etwas dagegen haben?“, fragte Draco zurück. „Sie gehört zur Familie.“
„Ich muss fragen, weil es dein Haus ist.“
„Vater!“ Draco zügelte sich wieder. „Es ist eine Formalität, weiter nichts. Das Haus gehört dir genauso wie Mutter oder Susan. Und alle zusammen machen wir das Haus Malfoy aus.“ Einen Moment lang schwiegen beide, bevor Draco anfügte: „Sicher kann Großmutter hier wohnen, wenn sie es möchte. Ich bin nur etwas überrascht. Du hast mir nie gesagt, was mit ihr passiert ist.“
„Weil ich es selbst nicht wusste, Junge.“
„Was sagt Mutter dazu?“
„Mit deiner Mutter habe ich ausführlich über dieses Thema gesprochen. Sie ist meiner Meinung. Es kommt nur noch darauf an, was deine Frau dazu sagt.“
„Susan wird nichts dagegen haben.“
Ein Schnaufen war zu hören. „Ich möchte nicht riskieren, die Luft noch mehr zu verpesten als sie …“
„Hier ist nichts verpestet. Warum empfindest du das nur so? Susan ist nicht oft Zuhause, höchstens am Wochenende. Ihr würdet besser miteinander auskommen, wenn du sie nicht ständig ignorieren würdest.“
„Das tue ich gar nicht!“, versuchte sich Lucius zu verteidigen, aber gegen Dracos Beispiele kam er nicht an.
„Du sprichst Susan nicht an, zu keiner Gelegenheit, nicht einmal, wenn du beim Frühstück fragst, ob jemand noch eine Tasse Kaffee möchte.“
„Das ist ja lächerl…“
„Und“, unterbrach Draco, „du sprichst sie meistens noch mit Mrs. Malfoy an. Kommst du dir dabei nicht komisch vor?“ Bevor sein Vater etwas sagen konnte, lockerte er das Gespräch wieder auf, indem er scherzte: „Vielleicht sollten wir euch beide einfach mal in einen Raum sperren, für ein paar Tage. Dann müsst ihr euch miteinander befassen.“
„Genau da sprichst du einen wichtigen Punkt an, mein Sohn. Deine Frau meidet mich nämlich genauso wie ich sie.“
„Weil sie nicht weiß, wie du reagieren würdest, wenn sie eine Unterhaltung beginnen sollte.“
„Na, dann haben wir ja etwas gemeinsam.“
„Ich lege dir ans Herz, sie selbst zu fragen“, schlug Draco vor. „Susan gehört genauso zur Familie wie Großmutter.“
„Ich …“ Lucius stockte. „Ich werde erst einmal das Panagiotis Genesungsheim aufsuchen. Wer weiß … Vielleicht will sie nichts mit mir zu tun haben.“

An dieser Stelle entschied Narzissa, ihre Anwesenheit kundzutun. Sie klopfte und trat gleich darauf ohne Aufforderung hinein.

„Meine Liebe“, grüßte ihr Mann, „wie war es bei deiner Schwester?“
„Ganz wundervoll. Ich würde mich freuen, wenn du mich das nächste Mal begleiten würdest.“
„Ich werde sehen“, redete er sich heraus. „Ich sprach mit Draco gerade über meine Mutter. Bevor wir eine Entscheidung fällen, werde sich sie erst aufsuchen.“

Bei dem Gedanken schnürte sich seine Kehle zu. Diese Unsicherheit war ihm fremd. Die Angst, auf Ablehnung zu stoßen, war sehr groß. Wenn Lucius seinen eigenen Lebenslauf objektiv betrachten müsste, waren durchaus einige Punkte dabei, die ihn in ein schlechtes Licht rückten. Sehr viele sogar, verbesserte er in Gedanken.

„Darf ich dir Gesellschaft leisten, wenn du …?“
„Nein“, unterbrach er abrupt, „das möchte ich allein hinter mich bringen.“
„Hast du schon einen Termin ausgemacht?“, fragte seine Frau.
Lucius schüttelte den Kopf. „Marie sagte, man könnte während der Besuchszeit unangemeldet erscheinen.“

Damit wollte er erreichen, dass seine Mutter sich nicht auf ein Wiedersehen vorbereiten konnte, sich womöglich sogar Dinge zurechtlegte, die sie ihm an den Kopf werfen konnte. Zudem hielt er sich eine Hintertür offen, falls er sich der belastenden Situation kurzfristig entziehen wollte. Den nächsten Tag hatte er sich für einen Besuch vorgenommen.

Abends im Bett, während Narzissa bereits schlief, gingen ihm einige Dinge durch den Kopf, die er von Marie erfahren hatte. Es war keinesfalls der Verstand, den seine Mutter eingebüßt hatte, obwohl sein Vater ihm das weismachen wollte.

Aufgrund des Verlustes ihrer Magie hatte sie einen Nervenzusammenbruch erlitten. Ihre magischen Fähigkeiten waren nicht besser als die eines Erstklässlers, aber Abélia Estelle Malfoy war nicht vollends ohne Magie.

Die Gedanken an seine Mutter ließen ihn nicht los. Er wollte sie sehen und er wollte mit ihr reden. Als sein Vater sie hatte einweisen lassen, war Lucius gerade mal acht Jahre alt. Die Erinnerungen, die er an sie hatte, waren allesamt wunderschön. Sie musste ein Engel gewesen sein, denn nicht ein einziges Mal hatte sie ihn geohrfeigt, ihn nie bösartig ausgeschimpft und ihn auch nicht in irgendeiner Art und Weise für eine Missetat bestraft. Stattdessen hatte sie ihn abgöttisch und bedingungslos geliebt. Lucius spürte, dass es seine Pflicht war, sie aufzusuchen – egal wie viel Angst er vor dem hatte, was er finden würde.

Schwester Marie war so freundlich gewesen, ihm die Adresse des Panagiotis Genesungsheims zu geben, in welchem seine Mutter jetzt lebte. Einige Angestellte des Heims wären Squibs, hatte sie gesagt. Schon früher fragte sich Lucius immer, was Squibs mit sich und ihrem wertlosen Leben anzufangen gedachten, aber hier hatte er eine Antwort: Sie arbeiteten – und zwar auf Muggelart.

Die Nacht war unruhig. Sein Unterbewusstsein war vom Horror Vacui befallen und versuchte, die Leere des schlummernden Geistes mit Sinn und Unsinn zu füllen. Ästhetische Traumgebilde wechselten sich mit grotesken Abscheulichkeiten ab. Letztere wurden von Abraxas Malfoy verkörpert, der seinen Sohn mit Schimpfwörtern bedachte, die zu hören ihn mehr schmerzte als sie selbst gegen andere auszusprechen.

Trotz der wilden Nacht war Lucius am Morgen ausgeruht.

Das Frühstück verlief angespannt. Wie so oft war die fröhlichste Person am Tisch Charles. Der Junge unterhielt alle anderen mit seinem unverständlichen Brabbeln. Susan war wie immer freundlich und aufmerksam. Als Lucius zur weit entfernt stehenden Marmelade greifen wollte, schob sie das Glas zu ihm hinüber. Sie wagte, ihm ein wohlwollendes Lächeln zu schenken, welches bei seiner strengen Miene sofort verblasste. Den Moment wollte er dennoch nutzen. In der familiären Runde sollte es zu keiner Auseinandersetzung kommen.

„Mrs. Malfoy?“ Nicht nur sie blickte ihn neugierig an. „Susan“, revidierte er als Zeichen seines Entgegenkommens. „Vielleicht hat Draco Ihnen schon mitgeteilt, dass man meine Mutter gefunden hat.“
Als sie nickte, wedelten die langen roten Haare gefährlich nahe über ihrem Teller hin und her. „Ja, hat er. Ich habe absolut nichts dagegen, wenn sie hier einziehen sollte.“
Ihre Antwort erstaunte ihn. Sie hatte ihm sogar erspart, eine Frage zu formulieren. „Das ist sehr freundlich.“ Was sollte er sonst sagen, fragte er sich.
„Vielleicht“, begann Susan, „sollten wir nochmal versuchen, eine Haushaltshilfe zu finden. Für den Fall, dass Ihre Mutter Pflege benötigt.“
„Sofern ich unterrichtet bin, soll sie sich selbst versorgen können.“
„Das ist schön zu hören, Mr. Malfoy.“

Eine unangenehme Stille legte sich über den Tisch. Lucius wusste, dass man ihm die Möglichkeit ließ, ihr im Austausch ein Angebot zu machen. Wenn es alle glücklich machte …

„Sie dürfen mich mit Vornamen ansprechen.“

Da, es war gesagt. Und es schien tatsächlich alle zu erfreuen. Jeder strahlte. Sie sollten sich nur nicht daran gewöhnen, dachte er. Jeden Tag eine gute Tat war nicht sein Motto, würde es auch nie werden.

Nachdem Susan den Weg zur Arbeit angetreten hatte, Draco seinen ersten Kunden empfing und Narzissa sich gut gelaunt in die Gartenarbeit stürzte, wählte Lucius seine Kleidung für den heutigen Besuch im Genesungsheim.

Er war zu stolz, um auf seine prachtvolle Garderobe zu verzichten. Lucius zog mit seiner feinen Bekleidung und dem edlen Spazierstock die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich, als er aus einer unbelebten Seitenstraße, in die er eben appariert war, heraustrat. Majestätisch anmutend schritt er erhobenen Hauptes an dem hölzernen Palisadenzaun entlang, bis er zum Eingang des Heimes gelangte. Dort stand ein kleines Häuschen, bei dessen Pförtner man sich offenbar ankündigen musste.

„Guten Tag, der Herr. Ich möchte jemandem einen Besuch abstatten“, sagte Lucius. Die arrogante Tonlage brachte den Mann mit Schiebermütze dazu, mit einer einzigen Mimik dem Besucher seine Verachtung mitzuteilen.
„Und wen möchten Sie bitte besuchen?“, fragte der Pförtner gelangweilt.
„Mrs. Malfoy, Mrs. Abélia Estelle Malfoy“, erwiderte Lucius. Nun war es der Pförtner, der verächtlich eine Augenbraue in die Höhe zog und kurz darauf die Tasten einer für Lucius völlig fremdartigen Maschine bearbeitete.
„Mrs. Malfoy bewohnt das Zimmer 213, Station 4.3 im Westflügel“, entgegnete der Pförtner monoton.
Lucius hatte sich alles gemerkt, fragte jedoch: „Wie bitte gelange ich am schnellsten dorthin?“
„Gar nicht, wenn Sie Ihren Zauberstab nicht vorher abgeben.“
„Ich höre wohl nicht Recht?“ Lucius lachte erhaben. „Ich soll ohne …?“
„Ja“, unterbrach der Mann ernst. „Treten Sie ein und nutzen Sie eines der Schließfächer. Sie bekommen Ihren Stab nach dem Aufenthalt bei uns zurück.“
„Aber mein Stab ist Teil meines Gehstocks.“
„Sie sehen nicht aus, als würden Sie einen Gehstock benötigen, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten.“
Lucius schnaufte. „Nein, die gestatte ich Ihnen nicht! Mein Spazierstock ist kein billiger Ziegenhainer aus Kornelkirschholz. Es handelt sich hierbei“, er hob seinen Stock, „um ein kostspieliges Accessoire mit Schlangenkopf aus echtem Silber.“ Er wollte nicht extra erwähnen, dass dieser zusätzlich mit Rubinen besetzt war und darüber hinaus aus dem hochwertigen Holz eines Baumes gefertigt war, dessen Namen dieser Pförtner sicherlich nicht einmal auszusprechen vermochte.
Der Mann mit Schiebermütze ließ sich nicht beirren: „Das sind die Regel, Mister. Aber ich kann auch deutlicher werden: Zauberstäbe sind drinnen nicht erlaubt! Entweder geben Sie ihn ab oder Sie kommen nicht rein – die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen.“

Ohne Stock setzte Lucius seinen Weg fort. Mit Hilfe einiger Schwestern fand er auch bald die richtige Station. Mit einem Male, jetzt wo er am Ziel war, schlug sein Herz wie wild. Es war ihm nicht mehr möglich, distanziert und besonnen zu bleiben, wo er doch jeden Augenblick seiner Mutter gegenüberstehen würde.

„Kann ich Ihnen helfen, Mr. …?“, fragte eine hagere Schwester mit schmalen Lippen und hohen Wangenknochen, die einen Kopf größer war als er selbst.
Nachdem Lucius den Kloß im Hals hinuntergeschluckt hatte, antwortete er mit fester Stimme: „Ich bin hier, um Mrs. Malfoy einen Besuch abzustatten.“
Die Frau lächelte. „Es ist schön, dass Mrs. Malfoy jetzt häufiger Besuch bekommt. Die eine Dame, die hier ab und an …“
„Ja“, fuhr Lucius ihr über den Mund. „Sie meinen Miss Amabilis. Ich kenne die Dame. Eine gute Bekannte.“
„Mrs. Malfoy wird sich sicher freuen! Wer, wenn ich fragen darf, sind Sie?“, wollte die Schwester neugierig wissen. Noch bevor er antworten konnte, hatte sie ihn von oben bis unten gemustert. Ihre Stirn runzelte sich, als sie nachfragte: „Sind Sie etwa mit ihr verwandt?“

Lucius nannte der Schwester weder seinen Namen noch sein Begehren. Ein Nicken sollte als Antwort genügen. Er rechnete schon mit Schwierigkeiten, doch entgegen seiner Befürchtung zeigte sie ihm den Weg.

Die hochgewachsene Frau öffnete eine nur angelehnte Zimmertür. Lucius folgte. Er bemerkte als Erstes ein ordentlich gemachtes Bett, über das eine dunkelrote Decke geworfen worden war. An dem einzigen Tisch im Raum saß eine Frau mit dem Rücken zur Tür, die sich mit Stricken die Zeit vertrieb.

„Mrs. Malfoy? Sie haben Besuch“, sagte die Schwester lächelnd, und diese Freundlichkeit schlug sich in der Stimme nieder.
„Besuch?“, fragte die Frau mit leicht gebrochener Stimme zurück, aus der man jedoch eine Menge Freude heraushörte.
„Ja, Besuch, Mrs. Malfoy! Ich hole Ihnen beiden etwas Kuchen und Kaffee, wenn’s Recht ist?“, fragte die Schwester, die nebenbei die Tischdecke auf dem Tisch glatt zog. Die ältere Dame nickte zustimmend. Bevor die Schwester das Zimmer verließ, sagte sie an Lucius gerichtet: „Setzen Sie sich doch, ich bin gleich zurück.“

Nur zögerlich steuerte Lucius den Tisch an. Die ältere Dame, deren schneeweißes, hochgestecktes Haar er verzückt von hinten betrachtete, legte ihr Strickzeug zur Seite und versuchte aufzustehen, um ihren Gast willkommen zu heißen. Es kostete sie sichtbar Mühe, weshalb er einschritt.

„Bemühen Sie sich nicht. Behalten Sie bitte Platz, meine Teuerste.“

Sie hielt einen Moment inne, nachdem sie seine Stimme vernommen hatte. Kurz darauf sank sie zurück in ihren Stuhl. Lucius näherte sich und nahm neben ihr Platz. Als er ihr das erste Mal ins Gesicht blickte, bemerkte er sofort, dass jegliche Farbe aus ihren Augen verschwunden war, die in seiner Erinnerung stets hellblau gestrahlt hatten. Seine Mutter war blind. Obwohl ihn Marie vorgewarnt hatte, war er von der sichtbaren Veränderung getroffen.

Seine Mutter erstarrte für einen Augenblick. Ihre Nasenflügel bebten, als sie mehrmals tief Luft holte.

Nachdem sie sich aus ihrer Starre gelöst hatte, sagte sie freundlich, aber schleppend: „Ich bin etwas überrascht. Ich bekomme nicht häufig Besuch, müssen Sie wissen. Meist kommen Bekannte, die ebenfalls hier leben oder einige von den Kindern.“ Hier stutzte Lucius und er fragte sich, welche Kinder sie meinen könnte. „Wie kann ich Ihnen helfen, mein Herr? Sind Sie vom Amt?“, wollte seine Mutter wissen.

Seine Augen fixierten das knautschige Gesicht. Durch die verwelkte Schönheit hindurch erkannte er Zug für Zug seine Mutter wieder, so wie er sie in Erinnerung hatte. In Gedanken straffte er ihr Gesicht, tönte ihre graue Haut vornehm blass und schminkte sie so, wie er sie aus der Vergangenheit kannte. Immer wieder spielten sich verblasste Szenen in seinem Kopf ab, die jetzt, als er ihr wahrhaftig gegenübersaß, an Farbe und Intensität gewannen: Seine Mutter, wie sie ihm den schnellsten Besen spendierte, damit er mit seinen Freunden Swivenhodge spielen konnte; wie sie ihm erlaubte, im Koboldstein-Club Mitglied werden zu dürfen, obwohl er noch so jung war oder wie sie ihm zum Geburtstag einen stummen Fwooper mit farbenprächtigem Gefieder schenkte, obwohl sie selbst gegen diese magischen Vögel allergisch war. Am schönsten waren die Erinnerungen an den Sprachunterricht, den sie ihm samstags und sonntags erteilt hatte. Im Sommer hatten sie im Garten unter Bäumen gesessen, während sie es sich in der kalten Jahreszeit im warmen Wintergarten gemütlich gemacht hatten, um ihm das Erlernen einer der schönsten Sprachen der Welt durch eine schöne Umgebung zu erleichtern.

Sein Atem stockte, als ihm bewusst wurde, dass er tatsächlich hier bei ihr saß – bei seiner Mutter, die er auf Befehl seines Vaters hin einfach vergessen hatte.

Lucius konnte nichts auf ihre Fragen erwidern, denn die dürre Schwester kam mit einem Tablett in der Hand herein und verteilte Kaffee und Kuchen. Nachdem serviert worden war, hielt die Schwester sich noch immer im Zimmer auf und zupfte hier und da an der Bettdecke oder an den Gardinen herum, was Lucius nicht sehr geduldig verfolgte.

„Ich mag Obstkuchen“, sagte seine Mutter mit fröhlicher Stimme, bevor sie einen kleinen Bissen von der aromatischen Erdbeertorte zu sich nahm.
Während die Schwester im Raum war, wollte Lucius nicht reden, so dass er, von ihrer Anwesenheit bereits sehr verärgert, eindringlich bat: „Wäre es wohl möglich, uns einen Moment allein zu gönnen?“

Die Schwester betrachtete ihn misstrauisch, bevor sie nickte und den Raum verließ. Die Zimmertür schloss sie nicht.

Ohne dem Kuchen Beachtung zu schenken sagte Lucius mit unsicherer Stimme: „Mrs. Malfoy, ich weiß nicht recht, wie ich Ihnen begreiflich machen soll, wer ich bin. Ich …“

Sein Blick fiel auf die offene Tür, die ihn so sehr störte, dass er sich kurz entschuldigte, um sie zu schließen. Kaum hatte er sich gesetzt, wurde die Tür wieder geöffnet. Die dürre Schwester kam abermals herein, um eine Frage mit vorgeschobener Dringlichkeit zu stellen. Lucius war erbost über dieses lästige Verhalten.

Er bat die Schwester vor die Tür, um mit ihr zu reden. Die Tür schloss er wohlweislich, bevor er wütend zischelte: „Ist es denn zu viel verlangt, um ein wenig Ruhe zu bitten, während ich bei Mrs. Malfoy bin?“
Die Schwester schenkte ihm einen verachtenden Blick und erwiderte bösartig: „Ich weiß jetzt genau, wer Sie sind, und ich weiß, was Sie auf Ihrem linken Unterarm tragen! Glauben Sie ja nicht, dass ich das Leben einer Patientin aufs Spiel setze, nur weil ihr ’ach so lang verschollener Sohn sich endlich dazu herablä…“
„Sie wissen überhaupt nichts!“ Seine Lautstärke zügelte er zwar, doch sein Zorn war nicht zu übersehen. Die sonst so blassen Wangen waren bereits mit einem roten Teint versehen. „Ich rate Ihnen …“ Lucius kam nicht dazu, eine Drohung auszusprechen.
Die Schwester, einen Kopf größer als er selbst, nahm ihn plötzlich am Schlafittchen und drückte ihn gegen die Wand. „Wir wissen sehr wohl, was Sie und ihresgleichen von Squibs halten. Ich werde nicht zulassen, dass Sie Ihrer Mutter irgendetwas antun, Mr. Malfoy.“

Die Worte der Schwester verletzten ihn. Dass sie dachte, er wäre zu so etwas fähig, machte ihm erst deutlich, wie andere Menschen – Fremde – ihn einschätzten. Das Verständnis für ihre Annahme kam für Lucius völlig unerwartet. Es war immerhin sein eigener Vater gewesen, der sie verbannt hatte, nur weil die Magie sich ihr verweigerte. Wie der Vater, so der Sohn. Die Redewendung hat sich niemand aus purer Freude ausgedacht, denn viele Kinder gerieten nach den Eltern, übernahmen deren Verhaltensweise und häufig die Ansichten. Aufgrund dessen konnte er ihre Befürchtungen verstehen, auch wenn er sich ungerecht behandelt fühlte. Resignierend nickte Lucius der Schwester zu, die daraufhin sofort von ihm abließ.

Bevor sich die Schwester jedoch ihrer Arbeit widmete, sagte sie im Befehlston: „Die Tür bleibt auf!“ So eine Unhöflichkeit hätte er sich normalerweise nicht gefallen lassen und doch gab er nach, nickte abermals, bevor er zurück ins Zimmer seiner Mutter ging. Die Tür ließ er angelehnt.

„Ich hoffe, es ist alles in Ordnung?“, fragte seine Mutter.
„Alles bestens“, log er.
„Oh, setzen Sie sich doch bitte und kosten Sie den Kuchen“, sagte seine Mutter verzückt.

Gefühle wallten auf und das nur wegen der Worte der Schwester. Lucius malte sich aus, was geschehen wäre, hätte seine Mutter erst während des zweiten Krieges ihre Magie verloren. Als Gefolgsmann von Voldemort wäre es seine Pflicht gewesen, sich dieser Schmach zu entledigen, doch Lucius hätte diesen Umstand eher verborgen und sie in Sicherheit gebracht. Zu Severus womöglich. Um seinen Jungen hatte der Freund sich vorbildlich gekümmert. Die Familie stand höher als alles andere, hörte er in Gedanken Narzissa sagen.

Mehr und mehr wurde ihm klar, dass seine Mutter ein Squib geworden war. Das war der einzige Grund, weshalb er sein Leben lang auf ihre Nähe zu verzichten hatte. Befreundete Familien, das wusste er, hatten das gleiche Schicksal durchgemacht. Stellte sich beim Nachwuchs heraus, dass es sich um einen Squib handelte, war man auf der Stelle das Gespött der höheren Gesellschaft. Man wurde verachtet und verlacht. Wenn es Draco getroffen hätte …

Lucius konnte nicht mehr denken. Er fand keinen Weg, der älteren Dame zu verstehen zu geben, dass er ihr Sohn war. Er hatte Angst vor ihrer Reaktion. Sie hätte jedes Recht dazu, ihm Vorhaltungen zu machen, ihm übel zu nehmen, dass er nie zuvor nach ihr gesucht hatte. Wie würde er an ihrer Stelle reagieren? In Gedanken ging er sämtliche Möglichkeiten durch, doch so sehr sich auch anstrengte, die Situation einzuschätzen, er kam zu keinem Ergebnis. Unter Umständen musste er sogar damit rechnen, hinausgeworfen zu werden, sollte er seine Identität preisgeben. Dann lieber einen Moment in ihrer Nähe bleiben, sich vergewissern, dass es ihr gut ging, bevor sie ihm an den Kopf warf, was für eine Enttäuschung er für sie war.

Still aß Lucius seinen Kuchen, während er der Stimme seiner Mutter lauschte, die sich kaum verändert hatte. Sie schwärmte von den Kindern des nahe gelegenen Horts, deren fröhliches Giggeln stets ihr Herz erwärmte. Die Kinder, so erzählte sie, würden ihr ab und an Bilder bringen, die sie für sie gemalt hätten. Als er sich im Zimmer umsah, fiel sein Blick auf einige Kinderzeichnungen, die seine Mutter an den Wänden hatte aufhängen lassen. Das sonst recht trostlos eingerichtete Zimmer war mit ihnen viel farbenfroher gestaltet.

„Ich kann zwar nur hell und dunkel wahrnehmen, aber die Kinder erzählen mir immer ganz genau, was auf den Bildern zu sehen ist“, sagte seine Mutter mit einem verträumten Lächeln auf den Lippen, bevor sie einen Schluck Kaffee zu sich nahm. Lucius fühlte sich derweil daran erinnert, wie er damals sein Büro im Ministerium mit Dracos Erstlingswerken verschönt hatte. Mit tiefer Wehmut in der Stimme gestand sie ihm leise: „Wissen Sie, ich habe auch einen Sohn.“

Das jahrelange Vergessenmüssen hatte den Schmerz, den Ausdruck des Verrats an der eigenen Mutter, stets gering gehalten. In diesem Augenblick, wie ein plötzlich aufkommender Sturm, entfaltete sich die Schuld in seiner Brust mit schmerzhafter Wucht, zerriss dabei jegliche Selbsttäuschung – und Selbstbetäubung. Sein Gewissen forderte unverfälschte Gefühle. Unverhofft schossen ihm Tränen in die Augen, liefen über die Wangen hinunter. Bei jedem Atemzug bebte sein Körper. Mit zitternder Hand legte Lucius die Kuchengabel auf den Teller und griff zu seinem Taschentuch. So geräuschlos wie nur möglich wollte er seine Wangen trocknen, doch ihr Gehör schien ausgezeichnet zu sein.

Wenn Kinder traurig waren, trösteten die Mütter, so auch seine. „Oh, bitte nicht weinen.“

Ihre Gutmütigkeit ließen seine Tränen nicht versiegen. Stattdessen wurde er zu seinem Leidwesen von Schluchzern geschüttelt. Es wäre ein Leichtes, sich herauszureden, lag es doch in der Natur der Menschen, die eigene Schuld nicht sehen zu wollen. Alles auf seinen Vater abzuwälzen wäre eine bequeme Alternative, aber sich selbst zu entkommen, der Anklage durch das eigene Gewissen, war unmöglich.

Seine Mutter tastete mit einer runzligen Hand auf dem Tisch umher, bis sie seinen Unterarm spürte und einmal liebevoll darüberstreichelte. „Ich habe immer gewusst, dass deine Wege dich eines Tages zu mir führen werden, Lucius.“

Der Schreck über die plötzliche Enthüllung seiner Identität hielt nur kurz an. Er schloss die Augen und spürte die beinahe himmlische Behaglichkeit, die den Schmerz und die Angst verdrängte. Die erste Hürde war genommen. So gern hätte er gefragt, woher sie wusste, dass er es war, doch er traute seinem instabilen Befinden nicht, besonders nicht seiner Stimme. Stellvertretend für Worte legte er eine Hand auf ihre.

„Ich war mir erst nicht sicher.“ Mit beiden Händen umschloss sie die seine. „Vielleicht war es nur eine vage Ahnung“, sie tätschelte seine Hand, „oder deine Stimme. Aber ich halte es für denkbar, dass eine Mutter niemals den Duft ihres eigenen Kindes vergisst.“

Vorsichtig legte er seinen Arm um ihre Schulter und drückte sie an sich, als wären sie nie getrennt gewesen. Er war erleichtert, als er die Erwiderung seiner Geste spürte. Es gab keine Hürden mehr, hatte nie welche gegeben. Befreit von allen unbegründeten Ängsten atmete er tief durch, als er die Hand an seinem Kopf spürte. Und er bemerkte, dass seine Mutter genauso vertraut nach Veilchen duftete wie früher.


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Ich will mehr wie jeder andere, dass Joanne K. Rowling mit meiner Luna zufrieden ist, denn es ist ihr Charakter. Ich hatte schon einen Albtraum davon, auf der After-Show-Party zu sein, Jo zu treffen und sie schüttelt nur ihren Kopf und schaut traurig. Das ist mein Irrwicht. Aber bis jetzt hat sie sich mir gegenüber positiv verhalten, also bin ich optimistisch.
Evanna Lynch