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Fanfiction

Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Ohnmacht

von Muggelchen

In den eigenen vier Wänden angekommen entschloss sich Harry dazu, Nicholas zu baden. Zwar hatte ein Zauber vor Regen geschützt, aber trotzdem konnte man nicht dem klammen Gefühl entkommen, das das Unwetter mit sich brachte.

„Und weißt du, was noch viel schöner ist als baden?“, fragte Harry den fröhlichen Jungen, während er ihm das kleine Unterhemd auszog. „Baden mit Papi!“

Die Wanne füllte Harry mit so viel Wasser, dass der Junge gemütlich darin sitzen konnte. Die hohen Schaumkronen fand Nicholas besonders schön. Sowieso war das Bad für den Jungen mehr ein Spiel als Körperhygiene, was Harry schnell feststellte, als der Junge ihn nassspritzte, aber nicht nur ihn, sondern auch den Boden, die Handtücher und die Toilettenschüssel.

„Ich glaube, jetzt ist mehr Wasser da draußen als hier in der Wanne“, sagte Harry nebenher, als er Nicholas Ohren wusch.
„Sir?“
„AH, Himmelherrgott!“ Harry erschrak so sehr, dass er zusammenzuckte. „Wobbel! Ich sagte doch, du sollst mich nicht mehr so erschrecken.“
„Tut mir leid, Sir. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass Mrs. Weasley Sie während Ihrer Abwesenheit kontaktieren wollte. Es ging um die Hochzeitsvorbereitungen.“

Es machte Wobbel überhaupt nichts aus, dass Nicholas ihn freudestrahlend und laut quiekend mit einigen Spritzern Wasser bedachte, mit dem Quietscheentchen nach ihm warf und danach mit dem nassen Waschlappen. Momentan war er in die Rolle des dienenden Hauselfen geschlüpft, der stocksteif im Badezimmer die Neuigkeiten des Tages verkündete.

„Hat das nicht bis nachher Zeit, Wobbel?“
„Ich habe längst Feierabend, wie Sie wissen.“ Mit einem unterschwelligen Vorwurf machte Wobbel klar: „Sie haben diese Arbeitszeiten festgelegt.“ Der Hauself verkniff sich nur halbherzig ein Schmunzeln, was seinem Herrn nicht entging.
„Lust mit reinzuhüpfen?“, schlug Harry scherzhaft vor, während er mit einer Handbewegung flüchtig in die Wanne deutete.
„Nein, Sir. Sieht mir ein wenig eng aus, wenn mir die Bemerkung gestattet ist.“
„Bist du dann so nett und reichst mir den Waschlappen und mein Entchen?“
„Ihr Entchen?“, fragte Wobbel mit hochgezogener Augenbraue nach.
Harry zeigte auf den Jungen und verbesserte: „Seines.“ Trotzdem gab Harry das gelbe Entchen nicht an Nicholas weiter, denn der schlug gut gelaunt auf den Schaum ein. „Was wollte Molly?“
„Es ging um die Trauzeugen.“
„Ron ist meiner und Hermine die von Ginny.“
„Dachte ich mir“, bestätigte Wobbel. „Mrs. Weasley wollte sich dessen nochmal vergewissern. Ich war so frei, die Angelegenheit in Ihrem Namen zu klären, Mr. Potter.“
„Gut, danke für die Nachricht, Wobbel. Schönen Feierabend noch.“
„Bis Morgen, Sir.“ Wobbel verbeugte sich und verschwand.

Harry und Nicholas waren längst sauber, aber das Spiel in der Wanne war noch nicht zu Ende. Erst als der letzte Schaum unter Nicholas‘ Händen vergangen war, entschloss sich Harry dazu, das Bad zu beenden. Er stieg als Erster aus und zog sich seinen Bademantel über.

„Ich glaube, ich besorge mir mal ein Schiffchen. Ich hatte nie eines, musst du wissen.“ Vorsichtig hob er Nicholas aus der Wanne und kuschelte ihn in ein großes weiches Handtuch ein. „Dudley hatte eines, hat immer ewig damit gespielt. Das hat Onkel Vernon jedes Mal zur Weißglut gebracht, dass das Bad solange besetzt war.“

Zurück im Schlafzimmer war Nicholas im Nu abgetrocknet und mit einem Schlafanzug bekleidet.

„Jetzt geht’s aber sofort ins Bettchen.“

Dem Jungen wurde noch eine Geschichte vorgelesen, aber nicht der Inhalt von Schneewittchen, sondern der sanfte Klang von Harrys Stimme hatten Nicholas schnurstracks ins Traumland befördert.

Mit den Hausaufgaben seiner Erstklässler beschäftigte sich Harry, bis er sie vollständig korrigiert hatte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass Besenknechts Sonntagsstaat schon eine halbe Stunde geschlossen haben musste. Wo sie gerade schon in der Winkelgasse war, hatte Ginny sicherlich die Gelegenheit wahrgenommen, bei Hermine oder Fred und George vorbeizuschauen. Das lag nahe, dachte er und doch hatte er ein seltsames Gefühl im Bauch. Er würde sich hüten ihr hinterherzuspionieren. Als Hermine damals nach ihrem Vorstellungsgespräch beim Mungos nicht zurückgekommen war und er vor lauter Sorge sämtliche Bekannte anflohte, hatte Ginny ihm die Meinung dazu gesagt. Er würde völlig überreagieren, warf sie ihm damals vor. War das nicht aber eine der guten Eigenschaften, wenn man der Freund von jemandem war? Sich zu sorgen konnte nichts Schlechtes sein. Trotzdem ließ Harry es sein, sofort zum Kamin zu eilen, um die Zwillinge anzuflohen. Er könnte natürlich so tun, als würde er etwas von ihnen wollen, aber Ginny konnte er nichts vormachen. Also ließ er es sein und blickte stattdessen neben Hedwigs Käfig hinaus aus dem Fenster. Das Unwetter und die vielen Blitze zogen ihn magisch an.

Es blitzte auch in anderen Ecken des Landes. Die Schlechtwetterfront tobte in der Nähe von Clova noch schlimmer als anderswo. Durch die Gänge der uralten Festung pfiff der Wind. Keine Ritze war vor ihm sicher. Die Fenster des Gebäudes waren so marode, dass die Feuchtigkeit sich in allen Räumen ausdehnte, auch in Pablos Zimmer. Er hatte sogar das Feuer im Kamin entzündet, um es gemütlicher zu haben, doch die Wärme von draußen drückte den Rauch, der eigentlich abziehen sollte, zurück ins Zimmer. Pablo war gezwungen, sein Fenster zu öffnen, wenn er sich keine Rauchvergiftung einhandeln wollte. Gerade rechtzeitig sah er, wie vier Gestalten aus dem Nichts im Innenhof erschienen. Eine davon verschwand auf genauso mysteriöse Weise wieder und ließ die beiden Figuren zurück, die eine dritte Person trugen, die augenscheinlich bewusstlos war.

Sofort stürzte Pablo aus seinem Zimmer, um seinen Vater zu warnen, denn er rechnete mit einem Angriff aus der Zaubererwelt. Im Flur traf er auf andere Anhänger von Hopkins, die ebenfalls das Ereignis beobachtet hatten. Einer von ihnen war Mr. Andersen, ein Arzt, der er vor vier Wochen hergekommen war. Eine Gruppe von Zauberern hatte ihn vor ungefähr drei Jahren übel zugesetzt. Die meisten Verletzungen konnte man in einem Krankenhaus beheben, aber eine nicht. Er hatte keine Zehen mehr. Sie waren zwar nicht verschwunden, aber sie waren zusammengewachsen. Seine Füße hatten große Ähnlichkeiten mit denen von Puppen, bei denen die Zehen nur angedeutet waren.

„Greifen sie an?“, hörte man Eleanor, die älteste von allen, mit Furcht in der Stimme fragen.
„Blödsinn! Wie sollen drei Personen gegen uns eine Chance haben?“ Das fragte einer der Männer, der erst ganz neu eingetroffen war. In dem Wirrwarr konnte Pablo seinen alten Herrn ausmachen.
„Vater?“ Pablo winkte ihn zu sich heran. „Hast du es auch gesehen?“
„Nein, aber Eleanor hat mir Bescheid gegeben. Ich werde mit Tyler rausgehen und schauen. Immerhin erwarten wir ja einen bestimmten ‘Gast‘, also erweisen wir Mr. Potter die Ehre.“

In der Halle im Erdgeschoss wartete Tyler bereits. Er war nervös. In seiner Hand spielte er mit einer Handfeuerwaffe.

„Ah, Alejandro“, Tyler nickte ihm zu, „gehen wir und begrüßen Mr. Potter.“
„Wo ist Robert?“ Hopkins hatte sich in den letzten Wochen kaum sehen lassen.
Tyler zuckte mit den Schultern. „Müsstest du doch am besten wissen, kennst ihn am längsten.“
„Gehen wir.“
„Moment!“ Aus dem zweiten Halfter zog Tyler eine 9mm Browning und reichte sie Alejandro. „Nur für den Fall.“
„Ich glaube nicht, dass wir Potter etwas antun sollen. Hopkins will mit ihm die Hexen unter Druck setzen. Die sollen dorthin verschwinden, wo der Pfeffer wächst.“
Tyler grinste breit. „Oder auf dem Scheiterhaufen landen.“
„Bei dem Wetter wird das aber schwierig.“

Zusammen mit Tyler, der sich offenbar eine Auseinandersetzung herbeisehnte, damit er in den Genuss kommen würde, seine Pistole zu benutzen, ging Alejandro nach draußen. Es dauerte keine Minute, da war ihre Kleidung völlig durchnässt.

„Das sind Alex und Arnold“, registrierte Tyler. „Aber der Dritte sieht mir nicht nach Potter aus.“

Ein paar Schritte später waren sie bei den beiden Squibs angekommen. Völlig entgeistert betrachteten sie die junge Frau, die Arnold und Alex in ihre Mitte genommen hatten. Sie war bewusstlos. Ihr Gesicht war durch die langen Haare bedeckt. Durch den lauten Regen hörte man nur gedämpft die Stimme von Hopkins, der in einiger Entfernung den Innenhof betrat. Natürlich wollte er sich nicht entgehen lassen, die Ankunft von Potter live mitzuerleben. Sein Gesicht war fahl und dürr, die Augen und auch die Wangen eingefallen. Er sah aus wie der leibhaftige Tod. Den Regenschirm konnte er kaum halten.

„Wer ist das?“, fragte er launisch, nachdem er bei seinen Männern angekommen war. „Das ist nicht Potter!“ Mit vor Ekel verzogenem Gesicht griff Hopkins in den Haarschopf. „Rot! Hätte ich mir ja denken können“, kommentierte er die Haarfarbe der bewusstlosen Hexe. Unsanft riss er ihren Kopf nach oben und musterte das Antlitz. „Wer ist das?“

Alejandro wusste nur zu gut, wer das war, auch wenn sie etwas älter geworden war und sie längeres Haar hatte. Sie war die Frau, auf die man damals Sohn Pablo angesetzt hatte, um an den Zaubereiminister zu gelangen.

Alex übernahm die Antwort. „Das ist Potters Verlobte.“
„Was? Warum schleppt ihr die hier an? Der Auftrag lautete anders!“
„Sir“, beschwichtigte Arnold, der auf seinem noch immer verletzten Bein kaum stehen konnte, „die angeheuerten Zauberer waren nicht gerade eine große Hilfe. Ich glaube, sie haben absichtlich sabotiert.“
Das Gesicht von Hopkins verfinsterte sich wie der Himmel. „Haben sie das?“, knurrte er missgestimmt. „Dann sollten wir denen auch mal eine Lektion erteilen.“

Noch immer hielt Hopkins den Kopf der jungen Frau an ihren roten Haaren, damit er ihr hübsches Gesicht betrachten konnte. Wo sie war, würde Potter folgen. Vielleicht war es so herum sogar besser, dachte Hopkins. Auf diese Weise hatte er ein Druckmittel gegen Potter und den Minister in der Hand und beide würden aus Angst, die Verlobte und die Tochter zu verlieren, genau das tun, was er wollte. Und wenn er Potter an der kurzen Leine hielt, würde er Macht über die Magische Welt haben.

Unerwartet spuckte Hopkins der bewusstlosen Frau ins Gesicht. „Schafft sie in den Turm. Macht sie fest und sorgt dafür, dass sie schwach bleibt!“ Als die beiden Männer sich abwandten, bemerkte Hopkins, dass Arnold humpelte. „Was ist mit dir, mit deinem Bein?“
„Einer unserer ‘Verbündeten‘ hat mich angegriffen.“
„Lass das von Eleanor verarzten. Glaub mir“, Hopkins fasste sich an den Kopf, „ich weiß, wie du dich fühlst.“ Ihm selbst waren die Kopfschmerzen nun ein täglicher Begleiter, genau wie das Nasenbluten. Für seinen gesundheitlichen Zustand machte er Hexen verantwortlich. Hexen, die sich dafür rächen wollten, was sein Vorfahre Matthew Hopkins ihnen angetan hatte. Von Mr. Andersen, dem Arzt, wollte er sich aus dieser Überzeugung nicht untersuchen lassen.

Alejandro, der sich immer näher an Hopkins herangetreten war, um ebenfalls unter dem Schirm stehen zu können, fragte aufgeregt: „Soll ich allen sagen, dass sie sich bewaffnen sollen? Wenn Potter herausbekommt, dass wir sie haben, wird er herkommen und zwar sehr bald.“
„Das hoffe ich“, bestätigte Hopkins. „Es sollen sich alle bewaffnen. Wir müssen jeden Moment mit einem Angriff rechnen. Ab jetzt will ich rund um die Uhr jemandem am Generator haben, damit wir im entscheidenden Augenblick auf die Scheinwerfer zugreifen können, sollten die uns nachts angreifen.“

Schwächlich stapfte Hopkins durch den Matsch zum Gebäudeeingang hinüber. Alejandro blickte ihm nach. Hopkins mag es geschafft haben, an die 300 Hexengegner aus der ganzen Welt hergelotst zu haben, aber die meisten von denen waren religiöse Fanatiker oder Anhänger des esoterischen Bereichs, die Hexen für sämtliches Unheil auf der Welt verantwortlich machten. Das konnte nicht das sein, was Hopkins erreichen wollte, dachte Alejandro. Kaum einer hatte wie er selbst uns ein Sohn miterleben müssen, wie Zauberer und Hexen für den Tod von Familienangehörigen verantwortlich waren. Nur wenige wussten, dass es wirklich Hexen mit teuflischen Kräften gab, die – ohne ihn auch nur anzurühren – einem Menschen die Kehle zerfetzen konnten. In der Festung hielt sich noch das Ehepaar auf, deren drei Söhne von maskierten Mördern mit grünem Nebel das Leben genommen wurde. Und Eleanor, die von ihrem Mann, einem Zauberer, des gemeinsamen Kindes beraubt wurde, als er sie verließ. Alex und Arnold, die ihren Eltern unangenehm waren, weil sie keine magischen Fähigkeiten besaßen und noch vor ihrer Volljährigkeit aus der Familie verbannt wurden. Es war nur eine Handvoll Leute hier, mit magischen Menschen in Berührung gekommen waren. Gebrochene Menschen, die einen begründeten Zorn auf Hexen und Zauberer hatten, doch der Rest? Alejandro schnaufte. Der Rest bestand aus Spinnern, die mit Wünschelruten durch die Gegend rannten, das Qui-Ja-Brett befragten oder ihr Schicksal auspendelten. Keiner spürte den Schmerz, vom dem Alejandro seit Jahren von innen aufgefressen wurde, wenn er an seine Frau und den Missbrauch durch die in schwarze Umhänge gehüllten Verbrecher dachte, die ihr die Ehre raubten. Nach dem Überfall brannte die Scham so sehr in ihrer Seele, dass sie Erlösung suchte, die sie nach ihrem eigenen Glauben nun nie mehr erfahren würde. Ihr Platz war nicht bei den Engeln. Wegen seiner Taten würde Alejandro eines Tages seine Frau bestimmt wiedersehen können, aber er wollte, wenn seine Zeit gekommen war, so viele Zauberer und Hexen mitnehmen, wie er nur konnte.

„Ach, Alejandro“, Hopkins drehte sich zu ihm um, „dein Sohn soll sich um die Hexe kümmern.“ Ein Widerwort war nicht geduldet. Hopkins wollte seine und die Loyalität seines Sohnes prüfen.
„Ja, Robert.“ Kein Widerwort, das wagte Alejandro auch gar nicht. Hopkins war unberechenbar geworden.

Wie arrhythmische Trommelklänge in unbekannten Gebieten des Kongos klang der Regen, der in sämtlichen Teilen des Landes vom Himmel auf die Dächer prasselte. Durch das Wetter herrschte auch eine trübe Stimmung im Hause Malfoy, woran aber auch der Brief schuld sein könnte, der heute mit einer Eule eingetroffen war. Schwester Marie hatte ihm geschrieben. Voller Freude über die Abwechslung in seinem Alltag, die der Brief versprach, rechnete er mit einem persönlichen Inhalt und war daher schwer enttäuscht, als sie nur das Gleiche schrieb wie schon Professor Puddle.

„Ich frage mich“, begann seine Frau, „warum du dich so sträubst. Hast du Angst, dass man dir in dem Krankenhaus nicht mit Respekt entgegenkommt?“
„Meine liebe Narzissa, das letzte Mal, als ich dort war, war ich als Verbrecher im Sicherheitstrakt des Krankenhauses untergebracht. Deine Vermutung könnte daher durchaus zutreffen.“ Mit gerümpfter Nase legte er den Brief auf dem Kaffeetisch ab und wandte sich seiner Frau zu, die gerade sich bewegende Bilder von Charles in ein Fotoalbum klebte.
„Es ist doch aber nett von der Schwester, dich auf die möglichen Nachteile hinzuweisen. Ich denke nicht, dass es zu ihrer Aufgabe gehört“, sie zeigte Lucius ein ganz besonders niedliches Bild des Enkels und lächelte dabei ganz breit, „den Patienten Briefe zu schreiben.“ Das Foto des Jungen bekam in dem dicken Fotoalbum eine eigene Seite. „Die Schwester sorgt sich, das konnte ich dem Wortlaut des Briefes entnehmen.“
„Ich habe keine Probleme mit den Augen“, versicherte Lucius, der sich auch die anderen Bilder gemeinsam mit seiner Frau anschaute.
„Hast du den Brief überhaupt gelesen?“, stichelte sie. „Es steht deutlich geschrieben, die Untersuchung sei zur Vorbeugung, damit erst gar nichts geschehen kann. Lass dich untersuchen, Lucius, oder möchtest du etwa erneut das Augenlicht verlieren?“

Schon bei Voldemorts letztem Angriff hatte Lucius kaum noch etwas in der Ferne sehen können, außer den unwirklichen Spielen zwischen Licht und Schatten und ein paar grobe Umrisse. Aus der Nähe war er durchaus noch in der Lage gewesen, das Gesicht seines Sohnes auszumachen – und das von Severus. Den Kampf hätte Lucius nicht überlebt, wäre er Voldemorts Befehlen gefolgt und hätte Hogwarts gestürmt. Die Gefahr war groß gewesen, nicht den vermeintlichen Feind, sondern andere Todesser zu treffen. Deren Rache wollte er nicht ausgesetzt sein. Als er seinem Sohn gegenüberstand, war es um ihn geschehen. Die Hoffnung, wenigstens er könnte diesen Krieg überleben, hatte Lucius dazu gebracht, die eigene Freiheit aufzugeben und sich zu ergeben.

Was danach kam, zeigten die Bilder, die nun liebevoll durch die schlanken Hände seiner Frau glitten und sortiert wurden. Ein Enkelkind und eine Halbblüterin als Schwiegertochter.

„Lade sie doch einmal zu uns ein, Lucius.“
„Wen?“
Eine dieser zierlichen Hände legte sich auf seine. „Ich meine die nette Krankenschwester, von der du so oft erzählt hast. Unsere Familie könnte neue Freunde gebrauchen.“
„Ja, das könnte ich tun. Sie würde dir gefallen.“
„Mmmh“, summte sie zustimmend, bevor sie ihm ein Bild unter die Nase hielt, auf dem nicht nur der Enkel zu sehen war, sondern auch er selbst – und zwar schlafend im Bett.
„Wann war denn das?“, fragte er verdutzt, als er ihr das Bild aus der Hand nahm, um es genauer betrachten zu können.
„Vor ungefähr zwei Wochen. Charles wollte unbedingt zu dir ins Bett krabbeln, aber du hast noch geschlafen. Er hat sich einfach neben dich gelegt.“

Ein zufriedenes Lächeln pflastert seine ansonsten so arrogant gekräuselten Lippen. Der Junge war einfach allerliebst. Ihn allein zu sehen, wie er mit zahnlosem Lächeln alle begrüßte, die sich ihm näherten, war schon eine Freude. Es wäre nicht auszudenken, sollte er ihn eines Tages nicht mehr sehen können.

„Das Krankenhaus führt auch samstags die Nachsorgeuntersuchung durch?“, fragte er seine Frau, woraufhin sie nickte.
„Ja, auch Morgen.“
Aufgrund ihres siegessicheren Lächelns seufzte Lucius. „Dann werde ich mich Morgen ins Mungos begeben. Wann machen die auf?“
„Geöffnet haben sie rund um die Uhr, aber um sechs Uhr morgens beginnt die normale Zeit für Patienten. Ich hab es extra nachgeschaut.“
„Gut, dann werde ich pünktlich zu sechs Uhr dort sein.“
Ihre Hand drückte die seine. „Warum so früh?“
„Ich hätte es gern hinter mich gebracht.“
Seiner Aussage traute sie nicht. „Hast du Angst, man behandelt dich dort schlecht.“
„Die Professoren werden sich hüten mich schlecht zu behandeln. Nein, meine Liebe, ich rechne nur damit, dass es um die Uhrzeit noch still ist. Ich möchte nicht von anderen gesehen werden.“
„Aber das ist doch …“
„Ich gehe doch hin, das wolltest du doch! Also lass mir meine frühe Morgenstunde.“
Narzissa blickte auf die Uhr. „Dann solltest du aber langsam ins Bett gehen. Es ist schon spät.“

Lucius folgte ihrem Blick und stimmte ihr innerlich zu. Ein letztes Mal warf er ein Auge auf die Fotos in ihrer Hand. Eines von Charles im Arm seiner Mutter. Der Junge hatte rotblonde Haare, was man immer deutlicher sehen konnte. Rotblond, dachte Lucius, war noch immer blond.

„Gute Nacht, meine Teuerste.“

Mit einem Kuss auf ihre Lippen verabschiedete sich Lucius von seiner Gattin. So ein Gutenachtkuss verschönte einem den Schlaf. Wenn man ihn ersehnte, ihn aber nicht bekam, konnte sich das ins Gegenteil wenden.

Auf der Couch war Harry über ein Buch eingeschlafen, das er nur gelesen hatte, um noch wach zu sein, wenn Ginny kommen würde. Mit steifen Hals wachte er auf und stöhnte, griff sich an den Hals.

„Ah, ich hab mich verlegen“, wimmerte er ins durch den Kamin beleuchtete Wohnzimmer hinein. Hedwig schuhute mitleidig. Als er sich aufrichtete, landete das Buch, das er ganz vergessen hatte, mit einem lauten Rums auf dem Boden. Wichtiger als es aufzuheben waren einigen Dehnübungen mit seinem Hals. Er ließ den Kopf kreisen, streckte sie Arme nach oben und räkelte sich. Nachdem das bisschen Bewegung ihn einigermaßen geweckt hatte, blickte er sich im Wohnzimmer um. Keine Spur von Ginny. Neugierig ging er ins Schlafzimmer hinein. Womöglich hatte sie ihn nicht wecken wollen, doch das Bett war leer und kalt. Dafür war das Kinderbett voller Leben. Mit beiden Händen hielt sich Nicholas am Gitter fest und blickte sehnlichst seinen Vater an. Demonstrativ warf er sein kleines Kopfkissen über die Stäbe.

„Frechdachs“, murmelte Harry, als er das Kissen mit einem Zauber zurück ins Kinderbett schweben ließ. Nicholas fing es giggelnd in der Luft und warf es nochmals hinaus. Ein neues Spiel war geboren. „Ich habe dazu jetzt keine Lust.“ Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es kurz nach zwei Uhr nachts war. „Ob ich bei den Zwillingen nachfragen kann?“ Ginny würde ihm wahrscheinlich die Ohren langziehen, aber lieber machte er mit übergroßen Ohren Wobbel Konkurrenz, als sich weiterhin um sie sorgen zu müssen.

Den Jungen ließ er im Bett, als er sich im Wohnzimmer an den Kamin kniete und die Wohnung über „Weasleys Zauberhafte Zauberscherze“ anflohte. Hätten Fred und George Besuch von ihrer kleinen Schwester, wären sie längst an den Kamin gegangen. Stattdessen kam das Gesicht eines verschlafenen Zwillings ans Tageslicht, der einmal laut gähnte. Wegen der Flammen konnte Harry nie genau sagen, wen er von den beiden dran hatte.

„Fred?“
„Nein, George. Und ich rate dir, dass es etwas Wichtiges ist. Wir können nämlich leider nicht ausschlafen.“
„Tut mir echt leid, George. Ich dachte, Ginny wäre bei euch, aber ich habe mich wohl geirrt.“
Die Sorge in Harrys Stimme machte George mit einem Mal hellwach. „Was ist mit Ginny? Seit wann ist sie weg?“
„Wir waren in der Winkelgasse bei Besenknechts Sonntagsstaat und ich bin schon früher gegangen. Das Geschäft macht um 18 Uhr zu.“
„Alle Läden hier machen um 18 Uhr dicht. Ich habe Ginny heute nicht gesehen. Hast du bei Hermine mal nachgefragt? Könnte mir vorstellen, die beiden machen einen Weiberabend oder sowas.“
„Habe ich noch nicht, aber werde ich machen. Und entschuldige, dass ich dich geweckt habe.“
„Kein Ding, Harry. Komm demnächst mal wieder vorbei. Wir haben ein neues Sortiment, dass du unbedingt ausprobieren musst!“
„Mach ich.“

Hermine war über den Kamin im ersten Stock nicht zu erreichen. Sie stand nämlich unten vor der Tür der Apotheke und diskutierte mit Severus.

„Lass mich wenigstens mitkommen!“, forderte sie. Störrisch hatte sie ihre Arme vor der Brust verschränkt. Durch den vielen Regen war es mittlerweile etwas kühler geworden.
„Ich sage, ich mach das auf meine Weise! In meinem Plan ist nun einmal kein Platz für dich. Geh schlafen, Hermine.“
„Severus“, hielt sie ihn erneut auf, als er gehen wollte. Ohne dass sie es sehen konnte, rollte er mit den Augen.
„Du bleibst hier!“
„Und wenn dir etwas passiert? Ich könnte im Gehängten auf dich warten und aufpassen. Das sind Gauner, Severus!“

Unruhig schob er sie zurück in den Laden und schloss die Tür hinter sich.

„Jetzt hör mir mal zu: Nur ungern zähle ich das zu meinen Referenzen, aber ich war über zwanzig Jahre lang ein Todesser! Ein Spielball der beiden mächtigsten Zauberer der Welt, umgeben von den übelsten Menschen, die das magische Großbritannien hervorbringen konnte. Ich bin, auch wenn du es nicht glauben magst, ohne Zweifel prädestiniert dafür, zwei lumpige Gauner zu observieren. Das ist im Vergleich zu dem, was ich früher tun musste, genauso leicht wie einem Kind die Windeln zu wechseln.“
„Hast du einem Kind schon einmal die Windeln gewechselt?“, fragte sie bierernst.
Im ersten Moment war Severus über ihre Frage erstaunt. „Ich gebe zu, dass dies ein schlechter Vergleich war. Glaube mir einfach, dass nichts geschehen wird.“
„Würde ich ja gern“, jammerte sie und schaute ihn dabei mit ihren großen braunen Rehaugen an. Es fiel ihm schwer, sich einfach umzudrehen und zu gehen.
„Schau nicht so!“, verbat er sich den herzzerreißenden Blick ihrerseits. „Und jetzt geh schlafen!“
„Severus …“
„Und hör auf zu Nörgeln, das ist ja grauenvoll.“

Schweren Herzens ließ sie ihn ohne ein weiteres Widerwort gehen. Noch während er sich entfernte, hörte sie ihn leise fluchen.

Bevor Severus in die Nokturngasse einkehrte, machte er sich mit einem Desillusionierungszauber unsichtbar, was den Regen jedoch nicht davon abhielt, seinen Umriss abzuzeichnen. Zum Glück war weder bei dem schlechten Wetter noch zu dieser Uhrzeit jemand unterwegs. Ungesehen und ungehört verschaffte er sich Zutritt zum Gasthof „Der Gehängte“. Zu seinem Erstaunen brannte hier und da noch Licht in der Schankstube, obwohl seit Stunden geschlossen war. Von oben hörte er Schritte. Jemand lief auf und ab, manchmal quietschte eine Diele.

Vorsichtig schlich Severus nach oben und machte an der einzigen Tür Halt, unter der Licht hervortrat. In diesem Zimmer schien eine Menge los zu sein. Er hörte mindestens drei Männerstimmen. Eine davon war beruhigend, die andere aufgebracht und die dritte neutral. Severus presste sein Ohr an die Tür. Als er so nahe an dem Türspalt war, durch den es wie Hechtsuppe zog, roch er den von Hermine beschriebenen Gestank nach „alten Füßen“, wie sie sich salopp ausgedrückt hatte. Seine Frage, wie „junge Füße“ riechen würden, hatte sie vorhin mit einem leichten Schlag auf seinen Oberarm beantwortet. Der Dieb war also im Raum. Die Stimme von Mr. Fogg, die er bereits kannte, hörte er jedoch nicht. Stattdessen eine säuselnde Stimme, die einen Zauber zu singen schien und die neutrale Stimme des Wirts, der ihm flüchtig bekannt war.

Unmerklich öffnete Severus die Tür. Alle Männer hatten ihm den Rücken zugedreht, so dass er sich hineinschleichen konnte.

„Er soll endlich machen!“, forderte der Mann, von dem der üble Geruch ausging. Der rundliche Gastwirt versuchte ihn mit sanften Worten zu beruhigen, schaffte es jedoch nicht. Auf dem Bett, das konnte Severus gut erkennen, lag Mr. Fogg. Er regte sich kaum, atmete flach. Neben ihm saß ein Mann, der seinen Zauberstab auf Foggs Kehle gerichtet hatte. Ein Tuch lag auf Foggs Hals. Es war mit Blut vollgezogen. Der Mann mit dem Zauberstab sang Worte, die Severus bekannt vorkamen. Sie sollten offene Wunden heilen, aber der Scharlatan traf nicht die richtigen Töne. Die Wunde schloss sich halb und öffnete sich erneut.

„Ich bin mit meinem Latein am Ende“, gab er Kurpfuscher zu. „Ich kann dem Mann nicht helfen.“ Nachdem er sich aufgerichtet hatte, wandte er sich an den anderen Dieb. „Das macht vier Galleonen.“
„Wie bitte? Ich hör wohl nicht recht!“, schrie Stringer den Mann an. „Sie können ihm nicht helfen und wollen Geld dafür?“
„Das ist der Preis für die Anreise“, rechtfertigte sich der Möchtegern-Heiler.
„Anreise?“, spottete Stringer. „Sie wohnen einen Block entfernt.“
„Und habe schon tief und selig geschlafen. Mein Geld, bitte!“

Stringer gab dem Mann kein Geld, sondern ging auf ihn los. Der kräftige Wirt versuchte, die beiden Männer auseinander zu halten, geriet aber mitten ins Gerangel. Genau diesen Zeitpunkt nutzte Severus, um sich dem Mann auf dem Bett zu nähern. Foggs Gesicht war weiß, die Augenlider nur halb geöffnet. Er schien wegen des Blutverlusts nicht ganz bei sich zu sein, weswegen Severus es wagte, das rote Tuch vom Hals zu entfernen, um einen Blick auf die Verletzung zu werfen. Ein Stich. Jemand hatte dem Mann sehr wahrscheinlich mit einem Messer in den Hals gestochen. Für Stichwunden kannte Severus einen hervorragenden Zauberspruch aus der „Hausapotheke“ seiner Mutter, denn Tobias Snape kam nachts nicht selten betrunken aus dem nächst gelegenen Pub, wo er aus lauter Trotteligkeit in eine der recht häufig vorkommenden Messerstechereien geraten war. Da hatte es ihn nie gestört, wenn ein Zauberspruch an ihm angewandt wurde, dachte Severus. Vielleicht war sein Vater in diesem Momenten aber auch nur zu betrunken gewesen, um davon überhaupt Kenntnis zu erlangen.

Eine leichte Bewegung am Hals ließ Fogg zur Besinnung kommen. Als er sah, dass der improvisierte Verband sich anhob, da flüsterte er hoffnungsvoll: „Miss Granger?“
Sofort drehte sich Stringer zu seinem Freund um, kam schnellstens ans Bett. „Was hast du gesagt?“
Nur röchelnd könnte er antworten: „Jemand ist hier im Raum.“

Bevor Stringer Zeit fand, seinen Zauberstab zu ziehen, materialisierte sich der Eindringlich plötzlich. Erst sah Stringer nur die schwarzgekleidete Gestalt, weswegen er seinen Stab zog, doch als er genauer hinsah, lief ihm eine Gänsehaut den Rücken hinunter. Vor ihm stand ein Todesser, den er aus Zeitungen kannte. Vor lauter Schreck ließ er seinen Stab fallen und wagte es nicht, sich nach ihm zu bücken.

„Ich bin kurz davor, mir selbst lobend auf die Schulter zu klopfen“, spottete Severus amüsiert. „Noch niemals zuvor habe ich jemanden mit meiner bloßen Anwesenheit entwaffnet. Es gibt immer ein erstes Mal.“

Stringer war geschockt und konnte sich nicht rühren. Gegen einen Todesser hatte er keine Chance. Dem Quacksalber ging es genauso, doch der Gastwirt bewies Mut und führte seine Hand hinter die dreckige Schürze. Mit seiner Zunge erzeugte Severus ein schnalzendes Geräusch, als wollte er jemanden auf einen Fauxpas hinweisen.

Er blickte den Wirt an und flüsterte angriffslustig: „Nicht doch, Väterchen, sonst werden wir noch zu Frost.“ Bedrohlich winkte er dem Wirt mit seinem Stab zu, so dass der von seinem Vorhaben abließ. Hoch erhobenen Hauptes entfernte sich Severus vom Bett des Verletzten und näherte sich Stringer, den er aus sicherer Entfernung fragte: „Wo ist der Vielsafttrank?“
„Verbraucht“, kam wie aus der Pistole geschossen.
„Tatsächlich? Und wie, wenn ich fragen darf, ist es zu dieser Verletzung gekommen?“ Andeutungsweise zeigte Severus auf Fogg.
„Das waren Squibs“, erwiderte Stringer, doch Severus glaubte ihm nicht.
„Sie wollen mir weismachen, ein paar Squibs hätten Sie und Ihren Bekannten überwältigt?“
„Nun ja …“, druckste Stringer herum. „Sie haben gedroht, ihm die Kehle zu durchtrennen, wenn ich sie nicht an einen bestimmten Ort bringe. Sie haben nicht nur gedroht, wie man sehen kann.“
„Welchen Ort?“
„Clova.“

Bei Severus schrillten die Alarmglocken. Clova. Ganz in der Nähe sollte die Festung von Hopkins liegen, wie er vor Ewigkeiten von Remus erfahren hatte. Vielleicht nur Zufall. Ein Zufall ohne jeglichen Zusammenhang.

„Was spielte der Vielsafttrank für eine Rolle?“
„Es hat sowieso nicht geklappt, was wir vorhatten“, antwortete Stringer, der mehrmals einen sorgenvollen Blick zu Fogg hinüberwarf. „Die wollten ihn abstechen. Ich musste sie dorthin bringen! Wir haben mit denen nichts mehr zu schaffen.“ Stringer ging einen Schritt aufs Bett zu, doch Severus richtete seinen Stab auf ihn. „Ich wollte doch nur …“ Zaghaft nickte er zu seinem Freund. „Man kann ihm nicht helfen.“
„Er“, mit ausgestrecktem Zeigefinger deutete Severus auf den Quacksalber, „kann ihm nicht helfen.“ An entsprechende Person gewandt kritisierte er: „Sie sollten Noten lernen, bevor Sie sich an solchen Sprüchen versuchen. Und jetzt gehen Sie! Ich rate Ihnen, kein Sterbenswörtchen von dem zu verlieren, was hier vorgefallen ist. Haben wir uns verstanden?“
Der Mann, der von dem Wirt geholt worden war, um Fogg zu helfen, nickte eingeschüchtert und verschwand geräuschlos, weil er kein Aufsehen erregen wollte. Der Wirt blickte zur Tür hinüber und fragte dümmlich: „Soll ich auch gehen?“
„Ja bitte, obwohl ich mir über Ihre Rolle noch nicht ganz im Klaren bin. Sind Sie ein Mittäter oder tatsächlich nur der treudoofe Gastwirt, der von nichts eine Ahnung hat.“
„Letzteres, Sir.“
„Verschwinden Sie schon“, zischelte Severus. „Für Sie gilt das Gleiche: Kein Sterbenswörtchen kommt über Ihre Lippen!“ Nachdem auch der Wirt gegangen war, blickte er Stringer an. „Nun zu Ihnen.“ Er näherte sich dem eingeschüchterten Mann. „Wenn Sie vermeiden möchten, dass ich mir einen gemeinen Spitznamen für Sie ausdenke“, Severus rümpfte angeekelt die große Nase, „und glauben Sie mir, es fallen mir viele ein, dann nennen Sie mir Ihren richtigen Namen.“
„Stringer.“
„Mr. Stringer also. Wenn ich Sie nun bitten darf, mir von Ihrem misslungenen Plan zu erzählen. Lassen Sie nichts Wichtiges aus, aber halten Sie sich trotzdem kurz, denn erst danach werde ich entscheiden, ob ich Ihrem Freund helfen werde oder nicht.“

Ein paar Ecken weiter in der Winkelgasse lief Hermine im Wohnzimmer aufgeregt hin und her. Sie malte sich die übelsten Szenarien aus, stellte sich vor, wie Severus in ein Duell geraten war oder wie man ihn überwältigt hatte. Als ihre ausgeprägte Fantasie ihr sogar zeigte, wie jemand seinen Leichnam entsorgte, war sie drauf und dran, zum Gasthaust zu gehen. Es würde ihr reichen, Severus lebendig zu sehen, aber er hatte ihr verboten, ihm zu folgen.

Als der Kamin zischte, fuhr sie vor lauter Schreck zusammen, eilte dennoch hinüber, falls es Severus war.

„Hermine? Offensichtlich habe ich dich nicht geweckt. Ist Ginny bei dir?“
„Nein Harry, ich habe sie heute nicht gesehen.“
Ihm war die Sorge in ihrem Gesicht nicht entgangen. „Was ist mir dir?“
„Ach, es ist nur Severus. Ich hatte Probleme mit einem Kunden und er, ähm, kümmert sich gerade drum.“
„Gut, dann stör ich nicht länger. Wollte nur wissen, wo Ginny ist.“
Erst jetzt wurde Hermine skeptisch. „Wann hast du sie das letzte Mal gesehen?“
„Bei Besenknechts Sonntagsstaat. Ich bin um halb sechs gegangen, sie ist aber noch geblieben.“

Hermine blickte auf die Uhr. Es kurz vor drei Uhr mitten in der Nacht. Sie kannte ihre Freundin und wusste, denn Molly hatte es ihren Kindern eingebläut, sich immer zu melden, falls mal etwas geschehen sollte. Das ungute Gefühl übermannte sie, dass tatsächlich etwas geschehen sein könnte.

„Vielleicht ist sie nur bei Fred und George?“, vermutete Hermine laut, hoffte gleichzeitig, dass es so war.
„Nein, da habe ich schon gefragt.“
Hermine grübelte. „Ihr habt bei Besenknechts Sonntagsstaat die Kleider anprobiert?“ Weil Harry nickte, ahnte Hermine etwas. „Dann ist sie vielleicht von ihren Freundinnen abgefangen worden. Weißt ja, wie die jungen Leute so sind, wenn eine aus ihrem Kreis heiratet. Schau im Gemeinschaftsraum der Gryffindors nach. Ich könnte wetten, die trinken dort heimlich Feuerwhisky.“
„Das ist eine gute Idee! Danke, Hermine.“

Sofort machte sich Harry auf, um seinen alten Gemeinschaftsraum zu besuchen. Als ehemaliger Gryffindor war ihm der Zugang erlaubt. Das Passwort war von Minerva nicht nur an ihn, sondern auch an Remus weitergegeben worden. Für den Notfall war es besser, wenn mehrere Lehrer die Passwörter ihrer Häuser kannten.

Die fette Dame schlief. Harry weckte sie so gefühlvoll wie nur möglich auf, indem er sie leise ansprach und sich mehrmals räusperte. Endlich öffnete sie ihre Augen.

„Professor Potter, meinen Sie nicht, es ist etwas spät für …“
„Herzensdame“, sagte Harry, blickte der fetten Dame dabei in die Augen. Sie fühlte sich offensichtlich geschmeichelt.
„Aber Professor Potter“, schäkerte sie.
„Das ist doch nur das Passwort!“
„Ah natürlich.“

Um einer peinlichen Konversation zu entgehen, öffnete sie in Windeseile den Zugang zum Gemeinschaftsraum – zum leeren Gemeinschaftsraum, wie Harry feststellen musste, als er ihn betrat. Einzig die bewegten Bilder regten sich im Schlaf. Möglicherweise, dachte Harry, saß Ginny mit ihren Freundinnen oben im Schlafraum und schilderte die Anordnung jeden einzelnen Nadelstichs, den man für ihr Brautkleid ausgeführt hatte. Ohne nachzudenken ging er die Stufen nach oben zu den Schlafräumen, öffnete die Tür und löste damit den schrillen Alarm aus, der die Mädchen vor aufdringlichen Mitschülern schützen sollte.

„Verdammt“, murmelte Harry zu sich selbst. Daran hatte er gar nicht mehr gedacht. Das Geräusch war vermutlich meilenweit zu hören und so laut, dass Harry sich die Ohren zuhalten musste.

Es dauerte keine fünf Minuten, da waren sämtliche Schüler im Gemeinschaftsraum versammelt, aber auch eine aufgeweckte Minerva mit strengem Blick, die den Alarm beendete. Neben ihr stand ein sehr verschlafener Remus mit zerzaustem Haar, der das Gähnen unterdrückte.

„Was ist hier los?“ Mit Minervas Blick war klar, dass sie ihre Frage an Harry gerichtet hatte.
„Ich suche Ginny.“
Minerva ließ ihren Blick über die Schüler schweifen. „Nun, wie Sie sehen, ist Miss Weasley nicht hier.“ An die Schüler gerichtet befahl sie: „Ab ins Bett, es handelt sich nur um ein Missverständnis.“

Murmelnd folgten die Schüler der Anweisung ihrer Hauslehrerin und verschwanden wieder in ihren Betten. Als die drei allein waren, blickte Minerva Harry böse an.

„Was haben Sie sich dabei gedacht, Harry?“
„Ich weiß nicht, wo Ginny abgeblieben ist. Wahrscheinlich ist sie nur bei einer Freundin und übernachtet dort, aber ich weiß es nicht und mache mir deswegen große Sorgen.“
Der strenge Blick wich einem mitfühlenden, als Minerva ihm eine Hand auf die Schulter legte. „Gehen Sie schlafen und warten Sie den morgigen Tag ab. Vielleicht hat sie nur einem ihrer Brüder Gesellschaft geleistet?“
Harry schüttelte den Kopf. „Bei den Zwillingen ist sie nicht, Bill weiß auch von nichts. Ron habe ich noch nicht erreichen können und Percy hat sie auch nicht gesehen.“
Remus schmunzelte. „Hast du die alle mitten in der Nacht aus dem Bett geholt?“
„Ja“, erwiderte Harry mit unschuldiger Miene.
„Du kannst von Glück sagen, dass dir niemand den Kopf abgerissen hat.“ Remus drängte sich zwischen Minerva und Harry, um ihm einen Arm um die Schulter zu legen. „Komm mit.“ Minerva bedeutete er mit einem Blick, dass er sich um Harry kümmern würde.

Remus führte Harry nach unten ins Erdgeschoss, wo sich dessen Räume befanden. Er setzte Harry aufs Sofa und bestellte bei einem Hauself, der genauso verschlafen aussah wie er selbst, ein wenig Tee und Gebäck.

„Harry“, begann er ruhig, „ich weiß ganz genau, was in dir vorgeht. Wenn Tonks auf einer ihrer geheimen Missionen war, dann …“
„Nein Remus, das ist was anderes. Da wusstest du, dass sie sich nicht bei dir melden darf. Du wusstest, dass sie einen Auftrag vom Ministerium hatte und außerdem wusstest du, dass Kingsley an ihrer Seite war. Würde ich das wissen, könnte ich mich in Ruhe zurücklehnen.“
Remus äußerte sich nicht sofort, sondern nahm von dem Hauself den Tee entgegen, den er sofort einschenkte. Als er Harry eine Tasse reichte, fragte er: „Seit wann vermisst du sie denn?“
„Seit halb sechs habe ich sie nicht mehr gesehen. Der Laden, indem sie war, macht um sechs zu.“
Auf die Uhr blickend rechnete Remus sich aus, dass es bereits über acht Stunden waren. „Hat sie wirklich gar nichts gesagt? Vielleicht andeutungsweise, dass sie irgendwo hin möchte. Frag doch mal bei Hermine nach.“
„Hab ich auch schon. Ginny ist nicht da und niemand weiß, wo sie sein könnte. Langsam wird mir das unheimlich.“
„Es ist bestimmt nichts Schlimmes passiert“, versuchte Remus ihm weiszumachen, doch Harrys Blick überzeugte ihn vom Gegenteil. „Was willst du denn tun, Harry? Jeden Bekannten anflohen und fragen? Um diese Uhrzeit?“
„Natürlich, sie würde das Gleiche für mich tun!“
Ein Seufzer entwich Remus, bevor er empfahl: „Hast du Molly schon angefloht?“
Harry schüttelte den Kopf. „Nein.“
„Na, dann mal los!“

Es war eine gute Idee, Molly zu kontaktieren und ihr davon zu berichten, dass Ginny nicht auffindbar war. Sie war so außer sich, dass sie sich bereit erklärte, sämtliche Bekannten anzuflohen, denn auch sie fand es genau wie Harry mehr als nur seltsam, dass Ginny sich nicht meldete.

„Harry, nur für den Fall …“ Remus druckste herum. „Ich will ja nicht pessimistisch erscheinen, aber du solltest auch beim Mungos fragen, ob sie dort vielleicht eingeliefert wurde.“
„Ja“, Harrys Magen spielte verrückt bei dem Gedanken, „ja, das werde ich tun.“

Vor dem Kamin kniend warf er das Flohpulver ins Feuer und rief das Mungos. Er wartete auf eine Verbindung. Währenddessen stellte er sich sehr bildhaft alle möglichen Verletzungen vor, die Ginny haben könnte. Einen verstauchten Fuß, ein gebrochenes Bein. Womöglich war sie am ganzen Körper mit blauen Flecken übersät. Was, wenn sie gestürzt war und so böse mit dem Kopf gegen etwas gefallen wäre, dass sie sich nicht mehr an ihn oder Nicholas erinnern könnte?

Genau jene Körperstellen, an die Harry gedacht hatte, begannen in der gleichen Reihenfolge bei Ginny zu kribbeln. Erst zuckten ihre Füße, die Zehen spreizten sich. Gefühl breitete sich im ganzen Körper aus, was sie dösig zur Kenntnis nahm. Die Augen konnte sie noch nicht öffnen, aber endlich war es ihr möglich, die Umgebung ein wenig wahrzunehmen. Ihre Beine waren kalt, fast so, als würde sie keine Hose tragen. Als sie versuchte, sie zu bewegen, spürte sie einen Steinboden und etwas Stroh. In einem Bett war sie also nicht, das konnte sie ausschließen. In ihrem Kopf rauschte und hämmerte es unentwegt. Die Luft war feucht, aber sehr angenehm. Ihre Lungen atmeten einmal tief durch. Vage erinnerte sie sich an den süßlichen Geruch, der ihr die Sinne geraubt hatte. Ihre Gedanken waren wirr, doch dann, als sie sich wieder daran erinnerte, dass sie überfallen worden war, riss sie die Augen auf. Es war Nacht, aber durch den gerade wieder abnehmenden Mond hell genug, um drei schmale Öffnungen an den Wänden zu erkennen, durch die er in den runden Raum hineinschien. Nicht in ihrem Kopf war das trommelnde Geräusch zu vernehmen, sondern von draußen, denn es regnete heftig. Ginny legte den Kopf in den Nacken und blickte nach oben. Der Raum schien kein Dach zu haben. War sie etwa in Hogwarts? Dort waren manche Räume so hoch, dass man die Decke nicht sehen konnte.

Langsam kam sie wieder zu Sinnen. Ihre rechte Hand schmerzte, auch die Schulter, doch als Ginny versuchte, sich ihre Hand zu betrachten, spürte sie ein Ziehen. Sie konnte ihre Hand nicht an den Oberkörper führen, denn irgendetwas hielt sie fest. Erschrocken darüber, vielleicht nicht allein in diesem Raum zu sein, blickte sie an ihrem rechten Arm nach oben. Der Anblick, der sich ihr offenbarte, war noch viel unheilvoller als der Gedanke an einen Fremden. Um ihr zierliches Handgelenk herum befand sich eine breite Schelle aus massivem Eisen. Sie zerrte ein wenig, doch weder gab die eiserne Kette nach, die an der Handschelle und der Wand befestigt war, noch konnte sie ihre Hand aus der engen Öffnung befreien. Da ihr Arm die ganze Zeit über in einer unnatürlichen Stellung verharrte, schmerzte die Schulter am meisten. Sie musste aufstehen, um ihren Arm und das Gelenk zu entlasten, doch das war leichter gesagt als getan. Ihre Beine gehorchten ihr noch nicht.

Tief Luft holend sammelte Ginny Kraft. Ihr fiel auf, dass Nase und Mund trocken waren, die Schleimhäute sogar leicht angeschwollen. Sie führte es auf die süßliche Flüssigkeit zurück, die sie eingeatmet hatte. Mit ihrer linken Hand tastete sie ihre Kleidung ab, aber der Zauberstab war weit und breit nicht zu finden. Sie sammelte sich, um einen wortlosen Aufrufezauber anzuwenden, doch wie sie es befürchtet hatte, war sie geistig nicht dazu in der Lage. Sie konnte sich einfach nicht konzentrieren, war zu schwach. Das spürte sie besonders, als sie versuchte sich aufzurichten. Langsam zog sie sich mit der rechten Hand an der Kette hoch, stieß sich mit der linken von der steinernen Wand ab. Ihre Knie zitterten. Wie ein geplagtes Arbeitspferd begann sie wild zu schnaufen. Das bisschen Bewegung raubte ihre letzte Energie, so dass sie resignierend wieder auf dem Boden Platz nahm. Sie trug tatsächlich keine Hose. Ihr Hemd war feucht, aber das hatte man ihr wenigstens gelassen.

Wenn sie sich auch kaum rühren konnte, dann wollte sie sich zumindest mit dem Ort ihrer Gefangenschaft beschäftigen. Sie konnte einen Tisch ausmachen, auf dem aber nichts bis auf einen weichen Stoffhaufen abgelegt war, den sie als ihre Hose identifizieren wollte. Die Regale an den Wänden waren leer. Zwei kleine Schränke standen links und rechts von einer Tür. Eine Tür – ein Ausweg! Nochmals betrachtete Ginny die drei schmalen Öffnungen. Eine war direkt über der Tür angebracht und unterschied sich in der Größe von den beiden anderen, denn sie waren nicht so hoch angelegt. Draußen konnte sie rein gar nichts erkennen, also blickte sie sich wieder im Raum um. Rechts von ihr lag ein großer Haufen Wäsche. Links führte eine steinerne Wendeltreppe an genau der Wand nach oben, an der sie mit der rechten Hand angekettet war. Gern würde sie sich der Fessel widmen, aber die war zu weit oben und aufstehen konnte sie noch nicht. Mit den Augen der Wendeltreppe folgend sah sie, dass es weiter oben leicht versetzt noch mehr von diesen schmalen Öffnungen gab, die wie Schießscharten aussahen.

Ginny ließ entkräftet den Kopf hängen. Ihr Blick fiel dabei auf die linke Armbeuge, auf der etwas klebte. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie mit Lippen und Zähnen das klebende Etwas entfernt hatte. Darunter, direkt in ihrer Armbeuge, erkannte sie etwas Dunkles. Vorsichtig fuhr sie mit ihrer Zunge drüber. Da war ein bitterer Geschmack auszumachen, aber auch Blut konnte sie deutlich schmecken. Ginny war nicht so dumm nach Hilfe zu rufen. Stattdessen versuche sie erneut sich aufzurichten und diesmal ging es schon leichter. Ihr Kreislauf, das verrieten die hellen Blitze an den Seiten ihres Sichtfelds, war noch nicht sehr stabil, aber je mehr sie sich bewegte, desto besser schneller kam sie auf die Beine.

Neugierig beäugte sie die eiserne Fessel an ihrem rechten Handgelenk. So sehr sie sich auf anstrengte, ihr Daumen vereitelte jeden Versucht, aus der Schelle zu schlüpfen.

Ein Geräusch an der Tür ließ sie hochschrecken. Dreimal drehte sich ein Schlüssel, der den schweren Riegel umschlug. Zittern beobachtete sie, wie die Tür aufgestoßen wurde und zwei Personen hereintraten, von denen sie nur die schwarzen Umrisse sehen konnten, denn sie blendeten sie mit etwas Hellem.

„Ich sagte dir doch, dass die Dosis zu gering war. Sorg dafür, dass sie bis Morgen durchschläft!“, blaffte eine verschlafene Stimme.
Der andere widersprach: „Das geht aufs Herz. Da darf man nicht zu viel nehmen.“
„Ist doch scheißegal. Ich hab keine Lust, dreimal in der Nacht aufzustehen, nur weil unser Prinzesschen wach ist.“

Kein Wort kam über Ginnys Lippen. Sie war starr vor Angst. Diese Männer waren ihr nicht wohlgesinnt, das spürte sie mit jeder Faser ihres Körpers. Sie beobachtete, wie einer aus seiner großen Tasche zwei einzelne Teile herausnahm, deren Schutzhüllen er entfernte, bevor er sie zusammensetzte. Den länglichen Gegenstand hielt er in der rechten Hand, während er mit der linken eine Ampulle aus der Tasche zog. Von dem zuvor zusammengesetzten länglichen Gegenstand entfernte er eine Kappe ab und stach in die Ampulle. Etwas von der Flüssigzeit zog er aus dem kleinen Glasbehälter hinaus. Als sie sich ihr damit näherten, begann Ginny zu wimmern.

„Wer sind Sie?“, fragte sie eingeschüchtert. Sie machte sich nichts vor. Angekettet an der Wand und ohne ihren Zauberstab war sie so gut wie hilflos. „Was wollen Sie?“
„Die Kleine ist mir schon ein wenig zu wach, Kumpel. Gib ihr lieber zwei Dosen.“
„Sei still und halt sie fest“, zischte der Mann mit dem länglichen Gegenstand in der Hand. Der andere hielt die Taschenlampe, griff mit der anderen Hand nach Ginnys linkem Arm. Ein kalter Wattebausch reinigte ihre Armbeuge. Sofort wehrte sie sich, doch beide Männer waren zu stark. Als das zylinderförmige Objekt sich im Schein der Lampe ihrem Arm näherte, bemerkte sie die lange Nadel.
„Nicht! Das können Sie doch nicht machen!“

Sie konnten.

Gegen beide Männer kam sie nicht an, auch nicht dagegen, dass sich die Nadel in ihren Unterarm bohrte. So etwas hatte sie noch nie am eigenen Leib erlebt. Von Klassenkameraden hatte sie einmal gehört, was es mit Impfungen in der Muggelwelt auf sich hatte. Der unangenehme Moment war schnell vorüber. Die Nadel wurde entfernt, aber die Flüssigkeit war in ihr. Es hat nicht wehgetan und gerade das jagte ihr Angst ein. Wieder klebte man ihr etwas auf den Unterarm. Davon bekam sie kaum noch etwas mit, denn ihr Herz pumpte das Beruhigungsmittel durch den ganzen Körper.

Fünf Herzschläge, sechs, sieben.

Langsam sackte sie zusammen und schloss ihre Augen.

Einige Kilometer von ihr entfernt öffnete Harry gerade die seinen. Im Mungos waren drei Frauen über Nacht eingeliefert worden, aber das waren eine Blonde und eine Brünette. Die einzig Rothaarige war über sechzig Jahre alt.

„Fehlanzeige“, seufzte Harry. Remus klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. „Ich hab schon Luna und Neville angefloht, Ron erreiche ich noch immer nicht.“
„Vielleicht ist sie mit ihm unterwegs?“
„Nein Remus, das glaube ich nicht. Ich schicke Ron am besten meinen Patronus.“

Harry benötigte drei Anläufe, um seinen gestaltlichen Patronus zu formen, was Remus wiederum vor Augen hielt, wie angeschlagen Harry war, wie sehr er sich um Ginny sorgte. Der silberfarbene Hirsch rannte davon. Die weiteren Schritte, die er unternehmen könnte, sausten ungeordnet in Harrys Kopf umher.

„Sollte ich die Polizeibrigade verständigen?“
Ein Kopfschütteln war Remus‘ Antwort. „Du hast mit Molly gesprochen und ich bin mir sicher, dass sie Arthur so lange in den Ohren liegt, bis er King oder Tonks rausschickt.“
„Ja, da kannst du Recht haben.“ Harry seufzte. „Ich muss bei Verstand bleiben. Vorhin habe ich nicht einmal mehr an den Alarm gedacht, der auf den Mädchenschlafsälen liegt.“
„Mach dir da mal keine Sorgen, Harry. Minerva hat es auf die leichte Schulter genommen. Und außerdem“, Remus grinste, „hast du damit wieder einmal bewiesen, wie viel von James in dir steckt. Der hat den Alarm damals nämlich auch ausgelöst.“
„Wirklich?“, fragte Harry mit einem Schmunzeln nach. Jede Abwechslung von seiner Sorge war willkommen. „Ich kann mir vorstellen, dass er aber ganz andere Intentionen hatte als ich.“
„Damit könntest du sogar richtig liegen“, bestätigte Remus, der sich erlaubte, für einen Moment in Erinnerungen zu schwelgen. „Das lass dir am besten von Minerva erzählen, wenn sie nach dem heutigen Vorfall nicht selbst das dringende Bedürfnis verspürt, dich über die damaligen Flausen deines Vaters zu unterrichten.“

Der Kamin knisterte und Harry hoffte, dass Ginny sich melden würde. Es war ihm sogar egal, wenn sie sturzbetrunken wäre, nur wünschte er sich, sie würde es sein. Die Stimme hörte sich ähnlich an wie Ginnys, aber nicht mehr so hell. Es war ihre Mutter.

„Harry?“
„Ja Molly, ich bin hier.“
„Gut, mein Junge, gut!“ Molly war völlig aufgekratzt. „Ich bin die gesamte Gästeliste durchgegangen. Niemand, den ich erreicht haben, weiß etwas über ihren Verbleib.“
„Was kann ich denn jetzt tun? Soll ich eine Vermisstenanzeige aufgeben?“
„Mach mal Platz, Arthur und ich kommen rüber.“

Das Flohnetzwerk war eine umwerfende Erfindung. Im Nu stiegen Arthur und Molly aus dem Kamin. Arthur trug noch oder wieder seinen Anzug, Molly hingegen war im Nachthemd gekommen und hatte sich lediglich ein selbstgestricktes Jäckchen übergezogen.

Bevor Harry irgendetwas sagen konnte, fragte Arthur bereits: „Harry, wo und wann hast du Ginny das letzte Mal gesehen.“ Gewissenhaft antwortete Harry seinem Schwiegervater in spe. „Besenknechts Sonntagsstaat.“ Arthur summte nachdenklich. „Ich werde Kingsley hinschicken.“
Remus warf ein: „Und Tonks.“
„Und Tonks“, wiederholte Arthur, als wäre es seine Idee. „Die beiden sollen sich den Laden ansehen und sollen die Verkäuferinnen aufsuchen und befragen.“
„Da war noch ein Mann“, erklärte Harry, „ein Mr. Masamator, der sich persönlich um uns gekümmert hat.“
Hier war es Molly, der der Name nicht fremd war. „Ach tatsächlich? Der war dort?“
Harry nickte lediglich, denn Arthur ließ die anderen an seinen Plänen teilhaben. „Dann werde ich herausfinden, wo der Mann wohnt. Wir machen aber noch keine offizielle Sache draus, Harry! Wenn wir das tun sollten, wird das Morgen in den Zeitungen stehen. Das muss nicht sein.“ Aufgeregt begann Arthur seine Brille zu putzen. „Harry, was ist mit deinem Hauself? Hast du ihn schon gebeten, sich auf die Suche zu machen?“
„Nein, das wollte ich als Nächstes tun, aber da habt ihr mich angefloht. Ich habe vorher mit dem Mungos gesprochen. Dort ist niemand eingeliefert worden, auf den Ginnys Beschreibung passt.“
„Gut, dass du das schon erledigt hast, sonst hätte ich das nämlich in Angriff genommen.“ Noch immer war Arthur nicht damit fertig, seine Brille zu putzen und das tat er immer, wenn ihm etwas unangenehm war. Endlich rückte Arthur mit der Sprache raus. „Sag mal, ihr habt euch nicht gestritten, oder?“
Das war es also, dachte Harry, was ihn so sehr beschäftigt hatte. „Nein, haben wir nicht. Die Anprobe dauerte bei Ginny nur etwas länger, deswegen sagte sie, ich sollte mit Nicholas schon nachhause gehen.“
Mollys Augen begannen zu leuchten. „Wo ist denn der kleine Spatz?“
„Im Schlafzimmer“, war die Antwort und gleichzeitig für Molly die Erlaubnis, nach Nicholas zu sehen.

Arthur blickte seiner Frau hinterher, bis sie im anderen Raum verschwunden war, erst dann, ganz leise, sprach er: „Ich hoffe, es ist nichts Ernstes mit Ginny. Dir brauche ich nicht zu sagen, dass es nicht zu ihrem Charakter passt, einfach unauffindbar zu sein. Seit dem Krieg hat sie, wenn sie ihre Ruhe haben wollte, immer einem ihrer Brüder Bescheid gegeben, wo sie sich aufhält. Wenn ich ehrlich bin, Harry, schätze ich ihr Verschwinden als ernste Angelegenheit ein.“
„Warum?“, fragte Harry nach, aber dann, urplötzlich, fiel ihm die Antwort selbst ein. „Wegen ihrem Ex?“
„Möglich“, murmelte Arthur. „Ich will nicht den Teufel an die Wand malen, aber ich denke auf jeden Fall, dass etwas geschehen ist, was sie handlungsunfähig gemacht hat. Das Mungos ist nicht der einzige Ort, wo Menschen eingeliefert werden. Jemand sollte die anderen Einrichtungen kontaktieren.“
Wie selbstverständlich meldete sich Remus für diese Aufgabe. „Ich mach das! Ich werde mir gleich alles Wichtige raussuchen.“
„Gut, dann sag ich Kingsley Bescheid, dass er mit Tonks …“

Im Hintergrund öffnete sich die Tür. Molly kam mit einem sehr wachen Nicholas im Arm ins Wohnzimmer zurück.

„Hellwach stand er da in seinem Bettchen, der kleine Spatz.“ Sie strahlte genauso breit wie Nicholas, der seine Stoffeule am Flügel hielt, damit sie nicht wegflattern konnte.
„Molly, wir sollten jetzt lieber gehen“, schlug Arthur zaghaft vor, denn er wusste, wie schwer es war, seine Frau von ihrem Enkel zu trennen.
„Ja, na dann“, sie gab den Jungen an Harry ab, „wir sehen uns sicherlich noch vor der Hochzeit.“

Ohne es zu wollen hatte Molly mit dieser Anmerkung einen dunklen Schatten über die Anwesenden geworfen. Besonders Harry fragte sich, ob er jemals dazu kommen würde, Ginny tatsächlich zu heiraten. Was, wenn etwas so Schlimmes geschehen war, dass er …? Er wagte es nicht, diesen Gedanken fortzuführen.

Unerwartet stolperte jemand durch den Kamin und landete auf dem Boden. Es handelte sich um Ron, der ein oder zwei Gläser Alkohol zu viel hatte.

„Harry?“, säuselte er angetrunken. „Wassn los? Hab dein‘ Patronnnuss gesehen.“
„Ronald Weasley!“ Bei der Stimme seiner Mutter verzog er das Gesicht und gab sich alle Mühe, aufrecht zu stehen, was er durchaus zustande brachte, aber er schwankte. „Wie kannst du dich nur in diesem Zustand jedem zeigen?“, schimpfte Molly.
„Wenn Harry ruft, dann komm isch“, nuschelte er.
Weil er ihn Zuhause nicht angetroffen hatte, fragte Harry neugierig: „Wo warst du? Ich habe die ganze Nacht versucht, dich über den Kamin zu erreichen.“
„Ich war …“ Ron überdachte seine Worte und begann von vorn. „Ich habe mich mit der ‘Quidditch-Interessengemeinschaft‘ getroffen.“ Es war ein Wunder, dass Ron dieses Wort ohne zu nuscheln herausgebracht hatte.
Harry schnaufte. Die normale Situation mit seinem Freund ließ ihn glauben, alles wäre in Ordnung. „Ihr habt ein Spiel gewonnen und euch in einem Pub die Kante gegeben“, verbesserte er seinen Ron.
„Um was geht‘ denn?“, wollte der Angetrunkene wissen, womit er gleichzeitig auch von seinem Team-Besäufnis ablenken wollte.
Die Realität war auf einen Schlag wieder da und Harry klärte ihn auf. „Wir vermissen Ginny und niemand weiß, wo sie steckt. Bei dir war sie nicht zufällig?“
Er schüttelte den Kopf. „Seit wann ist sie weg?“

Man erzählte Ron alles, was man wusste. Gleich darauf folgte er seinen Eltern durch den Kamin, damit er von seiner Mutter einen Trank bekommen konnte, der ihn wieder nüchtern machen sollte. Remus machte sich daran, von seinem Kamin aus sämtliche Einrichtungen zu kontaktieren, wo man Ginny hingebracht haben könnte. Harry war wieder allein und rief seinen Hauself.

„Wobbel?“ Geräuschlos erschien der Elf im Wohnzimmer. „Wobbel, ich brauche deine Hilfe. Ich vermisse Ginny und ich möchte …“
„Nein, Sir …“
Harry überhörte die Warnung, weil er so in Gedanken war. „… dass du sie suchst und …“
„Sagen Sie es nicht!“
„… herholst!“ Wobbel seufzte und schloss resignierend die Augen. „Was ist, Wobbel?“
„Sir, sofern sich Miss Weasley in der magischen Welt aufhält, sehe ich kein Problem. Ich darf jedoch laut Gesetz nicht auf Befehl meines Herrn in die Muggelwelt. Schon gar nicht darf ich dort mit meinen magischen Fähigkeiten einwirken. Ich werde Ihnen also keine Hilfe sein, sollte sich Miss Weasley bei den Muggeln aufhalten.“
Seinen Befehl hätte Harry unter Umständen anders ausdrücken können, um seinem Elf mehr Freiheit zu lassen, doch jetzt war es dafür zu spät. „Daran habe ich gar nicht mehr gedacht.“ Ein Seufzer entwich ihm. „Aber du darfst mir doch sicher Bescheid geben, sollte sie in der Muggelwelt sein, oder?“
„Das schon, Sir.“
„Mehr will ich gar nicht. Sofern ich weiß, wo sie ist, werde ich sie holen und zwar persönlich!“

Das Gleiche dachte Hermine, nur dass sie nicht Ginny persönlich holen wollte, sondern Severus. Er war ihrer Meinung nach schon viel zu lange weg. Sie befürchtete, ihm könnte etwas geschehen sein. Unruhig ging sie ihn ihrem Wohnzimmer umher und störte somit den Kniesel bei seinem Schlaf. Dass er wohlauf war, konnte sie nicht wissen.

Severus hatte sich über Fogg gebeugt und die Stichwunde am Hals mit dem richtigen Gesang geheilt.

„Sie benötigen einen Trank, der den Blutverlust ausgleicht.“
„Haben Sie einen dabei?“, fragte Stringer.
„Ich trage nichts bei mir, dass Sie einfach stehlen könnten“, hielt er dem Dieb vor Augen. „Die Geschichte, die Sie mir erzählt haben, macht wenig Sinn. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie mir wichtige Details vorenthalten haben.“ Stringer hatte die Anmut zu erröten. „Dachte ich’s mir.“ Mit einem Schwung seines Stabes warf Severus einen Zauber auf Stringer und Fogg.
Stringer befürchtete das Schlimmste. „Was war das?“
Gelassen erklärte Severus: „Ein Fahndungszauber. Sollten Sie es wagen zu apparieren, werden Sie meinen Zorn zu spüren bekommen. Jetzt helfen Sie Ihrem Freund auf. Wir gehen ein paar Blocks.“
„Wohin?“
„Zur Apotheke, wo Sie in den Genuss kommen werden, meine Befragungsmethoden kennen zu lernen.“

Laut und deutlich hörte man Stringer schlucken. Es war durch alle Zeitungen gegangen, wem Severus Snape gedient hatte. Selbst wenn er einen Merlin für seine tapferen Taten während des Krieges erhalten hatte, waren ihm die Methoden der Todesser mit Sicherheit nicht fremd, dachte Stringer.

Mit Foggs Arm über seiner Schulter half Stringer seinem Freund den ganzen Weg über, indem er ihn beim Gehen stützte. Nachdem sie die Nokturngasse verlassen hatten, trafen sie in der Winkelgasse auf zwei Gestalten, die an der Tür von Besenknechts Sonntagsstaat standen und hineinlugten. Bei dem verregneten Wetter war das äußerst auffällig. Severus wandte sich den beiden Dieben zu.

„Sie warten hier und denken Sie gar nicht erst daran zu verschwinden!“ Schon war Severus zu den beiden Personen hinübergegangen, die, als sie ihn bemerkten, sich ihm näherten.
„Severus?“, fragte Kingsley erstaunt. „Was machst du denn hier um diese Zeit?“
„Das Gleiche könnte ich fragen. Gibt es Ärger?“
Tonks beäugte die beiden Gestalten, die ein paar Meter abseits standen und fragte: „Wer sind die?“
Ihrem Blick folgend erklärte er: „Zwei Diebe, mit denen Hermine und ich ein Wörtchen zu reden haben.“
„Diebe?“, wiederholte Kingsley erstaunt. „Sollen wir sie festnehmen?“
„Nein, das regeln wir unter uns“, winkte Severus ab. „Also, was ist hier los?“
„Hat Harry nicht Bescheid gegeben?“
„Wenn er mich erreichen wollte, wird er mich nicht angetroffen haben“, stellte Severus klar, der endlich wissen wollte, warum zwei Auroren mitten in der Nacht bei strömendem Regen vor einem Bekleidungsgeschäft standen. Er hatte ein ungutes Gefühl.
Tonks war so gütig, ihn einzuweihen. „Ginny wird vermisst.“

Für einen Moment konnte Severus sich nicht äußern. Zu sehr verschmolz die Erklärung der beiden Diebe mit seiner Vermutung, Harrys Verlobte könnte Teil der unvollständigen Geschichte sein.

„Seit wann wird sie vermisst?“ Severus wollte für später, wenn er die beiden befragen würde, zumindest schon ein paar Anhaltspunkte haben.
„Harry hat sie zuletzt um ungefähr 17:30 Uhr gesehen.“
„Seitdem kein Zeichen von ihr?“ Beide Auroren schüttelten den Kopf. „Dann werde ich mich jetzt auf den Weg zu Hermine machen. Ich bin mir sicher, Harry hat sie bereits über die Situation informiert.“

Höflich verabschiedete sich Severus von den beiden, bevor er zu Stringer und Fogg hinüberging. In dem Augenblick, als er Stringer – im wahrsten Sinne des Wortes – Dunstkreis betrat, verzog Severus angewidert das Gesicht.

„Wer waren die beiden?“
Severus blickte den Mann, der so einen üblen Gestank verbreitete, drohend an. „Gerade Ihnen steht es nicht zu, solche Fragen zu stellen. Aber damit Sie es wissen: Das waren zwei befreundete Auroren.“
„Ach du scheiße“, entwich es Stringer, ohne die Worte aufhalten zu können.
„Folgen Sie mir!“

Severus ließ die beiden vorangehen, damit er sie im Auge behalten konnte. An der Apotheke angekommen überraschte es ihn nicht, dass er Licht sehen konnte. Überrascht war er jedoch, als er nach Betreten des Verkaufsraums nicht nur von Hermine empfangen wurde, sondern auch von Fred und George Weasley. Alle drei blickten die beiden Männer an, die Severus mit seinem Stab bedrohte. Hermine warf ihre bösesten Blicke in Richtung Stringer.

„Sieh an“, Severus nickte den beiden Gästen zu, „Besuch um diese Zeit.“
„Mr. Snape.“ Die Zwillinge nickten ihm grüßend zu. „Wen haben Sie denn da mitge…“ George hielt inne. Seine Augen wurden ganz rund, als er Stringer von oben bis unten betrachtete. „Sie haben uns ein Doppelpack Tagträume geklaut!“
„Oh, Mist“, murmelte der Beschuldigte.
„Severus?“ Hermine winkte ihn zu sich heran. „Wir müssen miteinander reden, allein.“
Er nickte und wandte sich den Zwillingen zu. „Wenn Sie beide so freundlich wären, ein Auge auf meine ‘Gäste‘ zu werfen? Und halten Sie sich nicht zurück, sollten sie fliehen wollen. Sie haben mein Einverständnis, Ihre ungewöhnlichen, aber zugegebenermaßen sehr kreativen Flüche an den beiden ausprobieren zu dürfen.“
Skeptisch kniff Fred die Augen zusammen. „Auf was spielen Sie an, Mr. Snape?“
„Auf einen Fluch, der, wie ich erfahren habe, sehr effektiv auf die männlichen Keimdrüsen einwirken soll.“
„Wie Sie erfahren haben?“, wiederholte George mit hochgezogenen Augenbrauen.
Fred hakte nach. „Doch nicht am eigenen Leib, oder etwa doch?“ Zeitgleich warfen sie Hermine einen Blick zu, die die Situation erklärte.
„Ich habe nicht getroffen.“
„Oh schade“, Fred grinste, als er Severus anblickte, „dabei hätte ich so gern die Meinung eines Fachmannes gehört.“
„Die werden Sie von mir hoffentlich nie erhalten. Wenn Sie uns nun kurz entschuldigen würden? Und achten Sie auf die beiden Herren, die offenbar auch lange Finger in Ihrem Geschäft gemacht haben.“

Auf der Stelle zogen die Zwillinge ihre Stäbe und richteten sie auf Stringer und Fogg, während Severus sich von Hermine ins Labor führen ließ.

„Ginny wird …“
„Vermisst“, vervollständigte Severus. „Ich habe eben Tonks und Kingsley getroffen. Sie haben mich darüber unterrichtet.“
„Harry ist ganz außer sich vor Sorge. Niemand weiß, wo sie abgeblieben ist. Wir müssen zu ihm und ihm helfen!“
„Nein, Hermine. Ich werde zunächst unsere beiden Gäste dazu ermutigen, ein wenig zu singen. Ich habe den Verdacht, dass sie uns in der Angelegenheit vielleicht sogar weiterhelfen könnten.“

Als Hermine seine Worte verdaute, wurde sie ganz bleich um die Nasenspitze.

„Severus?“ Ihre Stimme war zart und zerbrechlich. „Meinst du, die beiden könnten was mit Ginnys Verschwinden zu tun haben?“
„Es wäre möglich.“

Sämtliche Farbe verschwand aus ihrem Gesicht, als sie sich die Situation vor Augen führte.

„Der Vielsafttrank ist schuld“, murmelte sie. „Ich bin schuld!“Die Feststellung ließ ihre Knie zittern.
„Das wissen wir noch nicht. Soweit ich erfahren habe, kam der eigentliche Plan mit dem Vielsafttrank gar nicht zum Tragen. Ich werde die beiden ein wenig durch den Wolf drehen und hoffentlich ohne weitere Hilfsmittel herausbekommen, was genau am Vorabend geschehen ist.“
„Ich könnte es nicht ertragen, wenn Ginny durch meine Schuld …“
„Hermine!“ Er ergriff sie an den Oberarmen, so dass sie zu ihm aufblickte. „Der Vielsafttrank spielte überhaupt keine Rolle! Jetzt reiß dich zusammen. Ich brauche deinen Verstand.“
Sie blinzelte einige Male, bevor sie einmal kräftig schluckte. „Okay.“ Mehr brachte sie nicht heraus.

Zurück im Verkaufsraum, in dem die Zwillinge Fogg und Stringer in Schacht hielten, richtete Severus ohne Umschweife das Wort an die beiden Diebe.

„Sie werden mir jetzt wahrheitsgemäß antworten, ansonsten werde ich Sie zur Wahrheit zwingen!“ Sobald dieser Standpunkt klargemacht war, stellte er die erste Frage: „Hat Ihr Vorhaben direkt oder indirekt mit dem Verschwinden von der Tochter des Zaubereiministers zu tun?“
Stringer hielt den Mund, doch Fogg, trotz seines geschwächten Zustands, nickte. „Nicht wir haben damit zu tun, sondern …“
„Was fällt dir ein?“, rügte Stringer seinen Freund.
Seinen Willen zu reden verteidigte Fogg. „Ich mach mir an so etwas nicht die Finger schmutzig!“
„Meine Herren“, schlichtete Severus den kleinen Streit, „Sie reden mit mir, nicht miteinander, verstanden?“
„Wie ich schon sagte“, fuhr Fogg fort, „es hat nur indirekt mit uns zu tun. Wir hatten etwas ganz anderes vor, was sich zum Glück in Wohlwollen aufgelöst hat. Hätte das Schicksal uns keinen Streich gespielt, hätte ich unser Vorhaben sowieso sabotiert.“
„Du Mistkerl! Ich wusste, ich konnte dir zum Ende hin nicht mehr trauen.“
„Mr. Stringer“, warnte Severus, „Sie sind ruhig!“ Stringer biss sie von innen auf die Unterlippe, so dass er den Mund nicht mehr öffnen würde. „Mr. Fogg, wenn Sie bitte fortfahren würden. Mich interessieren besonders die beiden Squibs und die Drahtzieher, die dahinterstecken.“
„Die Squibs hatten den Auftrag …“
„Hör auf“, warten Stringer, „du reitest und nur noch mehr rein!“
„So, ich habe jetzt genug.“ Severus richtete seinen Stab auf Stringer und knebelte ihn magisch. So sehr er sich auch anstrengte, er konnte kein Geräusch mehr erzeugen. „Mr. Fogg?“
„Ja“, Fogg wandte seinen Blick von Stringer ab. „Ach so, ja.“ Ihm war schwindelig. Er hatte viel zu viel Blut verloren. „Warten Sie, gleich hab ich den Faden wieder.“
„Hermine, reich dem Herrn bitte ein blutbildendes Mittel.“

Nur widerspenstig kam sie der Bitte nach, denn in ihren Augen hatte nicht einmal mehr Fogg ein Stein bei ihr im Brett. Nach dem Trank fühlte er sich schon wieder wesentlich besser.

„Die Squibs hatten den Auftrag, uns zu überwachen“, gab er zu. „Man traute uns offenbar nicht, dass wir unseren Auftrag erledigen.“
„Was war Ihr Auftrag?“, fragte Severus nach.
„Wir sollten Harry Potter entführen.“
Von hinten hörte man Gelächter. Fred und George trauten ihren Ohren kaum. „Harry entführen? Ist die Nummer nicht ein wenig zu groß für euch?“
„Ich wollte ja auch gar nicht mehr!“, versicherte Fogg. „Wir haben einen Vorschuss erhalten und schon mehrmals überlegt, ob wir damit nicht einfach untertauchen, aber dann kamen ständig diese beiden Squibs und machten Druck. Wir hatten nicht mal eine Idee, wie wir diesen Irrsinn durchführen könnten. Stringer schlug den Vielsafttrank vor.“
„Und in welcher Gestalt wollten Sie sich Potter nähern?“
„Sirius Black!“
Von Hermine hörte Severus ein geflüstertes „Oh Gott!“ und als er sich umdrehte, erklärte sie: „Ich habe ihn zur Initiative geschickt, direkt in Sirius‘ Arme.“ Sie knabberte an ihrem Daumennagel, war kreidebleich im Gesicht. Ganz offensichtlich hielt Hermine sich selbst für die Hauptschuldige.
Severus wandte sich wieder Fogg zu. „Dann haben Sie also ein Haar von Mr. Black genommen und …“
„Nein, Sir.“ Ein verstohlenes Grinsen zierte für wenige Sekunden Foggs Gesicht. „Ich habe irgendein Haar genommen, das auf der Rückenlehne der Couch lag. Hätte auch von dem Kobold sein können, der an dem gleichen Tag dort war, aber es war von einem Mr. Duvall gewesen.“

Weil Stringer nicht reden konnte, gab er Fogg für alles, was er gesagt und getan hatte, einen Tritt vors Schienbein. Der schrie auf, hüpfte dabei auf einem Bein, weil er das andere mit den Händen hielt.

„Na, na, na, Mr. Stringer“, mahnte Severus, bevor er abermals seinen Stab auf den Mann richtete und ihn mit einem Incarcerus am gesamten Körper fesselte. Stringer schlenkerte und fiel auf das Gesäß. „Mr. Fogg, Sie dürfen fortfahren.“
Mit mitleidiger Miene blickte Fogg zu seinem Freund hinunter, kam der Aufforderung des ehemaligen Todessers jedoch nach. „Wir wussten nicht, ob Potter diesen Duvall überhaupt kannte, aber Stringer wollte es unbedingt versuchen, also sind wir zu Besenknechts Sonntagsstaat gegangen und haben gewartet.“ Fogg grinste. „Wie der Zufall es wollte, war der echte Sirius Black in der Nähe und fing Potter ab, als der aus dem Geschäft kam. Wir hatten keine Möglichkeit, uns ihm zu nähern, was mir ganz recht war. Potter und Black haben wir aus den Augen verloren. Wir wollten gerade gehen, da kommen die beiden Squibs, die das beobachtet haben. Sie haben uns überwältigt und …“
Hier unterbrach Fred schnippisch: „Überwältigt? Zwei Squibs haben gegen zwei Zauberer gesiegt? Lassen Sie sich etwas Besseres einfallen!“
„Es war so! Glauben Sie mir! Diese beiden sind wirklich hinterlistig. Der eine lenkt einen ab und der andere entwaffnet einen. Mein Freund hier“, er blickte zu Stringer hinunter, „war zu dem Zeitpunkt unfähig zu handeln. Er hatte sich den Kiefer an der Wand gestoßen, der – wie Miss Granger weiß – noch nicht ganz verheilt war. Mich hat man niedergeschlagen. Ich habe nur eine verschwommene Erinnerung an das, was danach geschehen ist. Da war eine junge Frau, die sich über mich gebeugt hat. Ich habe ihr noch gesagt, sie soll fort, aber …“ Fogg schüttelte den Kopf. „Ich bin ohnmächtig geworden. Hab was an den Kopf bekommen.“
„Dann wird an dieser Stelle Mr. Stringer den Tathergang schildern.“
George meldete sich zu Wort. „Ich möchte ja nicht stören, aber könnten wir bitte die Fenster aufmachen?“
„Ja“, bestätigte Fred, „langsam aber sicher stinkt’s mir.“
„Das ist nachvollziehbar.“ Severus schaute Fogg in die Augen. „Ein Fluch?“ Er spielte damit auf den Gestank von Stringer an. Fogg nickte und Severus imitierte diese Bewegung unbewusst. „Sehr wahrscheinlich auch zu Recht.“

Es wurde Frischluft hineingelassen, ganz zu Fred und Georges Erleichterung. Fogg durfte auf einem Stuhl Platz nehmen, während Stringer von Severus entfesselt wurde. Auch der magische Knebel wurde gelöst.

Das Erste, was aus Stringers Mund kam, waren die Worte: „Ich werde gar nichts sagen!“
„Machen Sie bloß keine Versprechungen, die Sie nicht halten können. Sie haben drei Möglichkeiten, Mr. Stringer. Sie können freiwillig auf meine Fragen antworten, was die humanste Lösung wäre. Ansonsten bleibt Ihnen noch die Qual der Wahl zwischen Veritaserum und Legilimentik. Beides ist äußerst unangenehm.“
Stringer schaute nachdenklich drein. „Ich hab gehört, beides wäre gar nicht so schlimm.“
„Mag sein, aber da ich es sein werde, der das bei Ihnen anwenden wird, wird es bestimmt unangenehm. Entscheiden Sie sich, die Uhr läuft.“ Severus verschränkte die Arme vor der Brust und wartete.

Fogg warf seinem Freund nicht nur Blicke zu, sondern nickte heftig – wollte ihn ermutigen, einfach die Wahrheit zu sagen.

„Also gut“, begann Stringer mit gelangweilter Stimme. Die Ereignisse zählte er monoton auf. „Fogg lag am Boden. Einer der Squibs hat eine Frau angeschleppt. Die haben sie betäubt und dann haben sie mich gezwungen, sie nach Clova zu apparieren. Ach ja, sie haben mich unter Druck gesetzt, indem sie meinem Freund die Kehle aufschlitzen wollten, womit sie schon angefangen haben, wie man sehen kann. Ich habe ihm das Leben gerettet.“ Mit zusammengekniffenen Augen starrte er zu Fogg hinüber. „Schon das zweite Mal!“
„Wie ehrenhaft von Ihnen“, warf Severus genauso eintönig gesprochen ein. „Wer war die Frau?“

Stringer schloss den Mund und spitzte die Lippen. Es war klar, dass er nicht reden wollte. Noch zwei Mal stellte Severus die gleiche Frage, bevor er seinen Stab zog. Mit weit aufgerissenen Augen blickte Stringer auf die Stabspitze.

„Wer war die Frau?“, wiederholte Severus. Gleich im Anschluss sprach er leise: „Legilimens.“

Aufgrund seiner Frage befand sich die Antwort gleich an der Oberfläche des Bewusstseins. Die Szene spielte sich aus Stringers Sicht ab. Ginny wurde von hinten festgehalten. Der Mann drückte ihr ein Tuch über Mund und Nase. Als sie sich wehrte, hielt der andere ihre Beine fest. Es war selbst für Severus schockierend mit anzusehen, wie schnell die Bewegungen von Ginny lahmer wurden, bis sie sich nicht mehr rührte. Die Squibs forderten von Stringer, ihn zu Hopkins zu bringen, doch der wollte nicht. Als einer von ihnen Fogg mit einem Messer malträtierte, da stimmte Stringer zu.

Severus beendete die Legilimentik.

„Und?“, wollte Fred wissen.
„Wie es aussieht, Mr. Weasley, befindet sich Ihre Schwester in den Händen von Muggeln in der Nähe des Örtchens Clova.“
Die Zwillinge waren im ersten Moment sprachlos, bis die Wut sie übermannte. „Wir gehen dort hin!“
„Nein, wir werden erst Harry und Ihren Vater unterrichten. Auf eigene Faust unternehmen wir nichts!“, befahl Severus mit seiner von damals so bekannten Lehrerstimme, die keine Widerrede zuließ. Er wandte sich an einen der beiden. „Sehen Sie draußen nach, ob …“

Er wollte einen der Zwillinge bitte, nach Kingsley oder Tonks zu schauen. Plötzlich zog etwas an seinem Umhang. Es war Hermine, die ihn mit treuen Hundeaugen ansah und zu sagen versuchte, was ihr blühen würde, sollte die Sache mit dem Trank offiziell werden.

„Wenn ich’s mir recht überlege, ist unser Keller ganz gemütlich. Dort werden Sie zwei“, er sprach die beiden Gauner an, „bleiben, bis wir die Sache geregelt haben. Ich rate Ihnen, nichts zu berühren. Die meisten Gegenstände sind verflucht.“ Eine Lüge, wie Hermine wusste. „Meine Herren, folgen Sie mir!“

Mittlerweile überbrückte Harry die Zeit mit dem Anflohen von Freunden, die ihm allerdings versicherten, dass Molly sie schon kontaktiert hatte. Weitere Versuche ließ er bleiben. Er fühlte sich so ohnmächtig, so nutzlos. Am liebsten würde er seinen Besen nehmen und die Gegend absuchen oder Mr. Masamator persönlich ausfragen. Er muss der Letzte gewesen sein, der Ginny lebend gesehen hatte. ‘Lebend‘, wiederholte er in Gedanken. Sollte ihr etwas zugestoßen sein, würde er nie wieder glücklich werden. Wäre er nur nicht ohne sie gegangen, schalt er sich selbst.

Als es klopfte, rannte er voller Hoffnung zur Tür, doch nicht Ginny, sondern Remus begehrte Einlass.

„Nichts Neues“, offenbarte sein Freund mit betretener Miene. „Ich habe alle möglichen Krankenhäuser, Heime und Notfallstationen abgeklappert. Es gab kaum Neuzugänge in der Nacht und wenn doch, dann war Ginny definitiv nicht darunter.“
„Was soll ich jetzt nur tun? Wo kann sie sein? Ich weiß nicht mehr weiter“, seufzte Harry.
„Hast du deinen Hauself …?“
Harry unterbrach. „Der ist schon unterwegs und schaut überall nach, aber er hat keine Anhaltspunkte. Seine Suche ist genauso blind wie meine. Remus“, verzweifelt flüsterte er, „was soll ich tun?“

Unerwartet flammte der Kamin in Harrys Wohnzimmer auf. Nacheinander stürmten die Zwillinge, Severus und Hermine den Raum.

„Was ist denn jetzt …?“
Dieses Mal wurde Harry unterbrochen und zwar von Severus, dem es aufgrund seiner eingeschränkten Gefühlswelt nicht schwer fiel, ihm die Fakten nüchtern mitzuteilen: „Miss Weasley wird offenbar in Clova von Muggeln festgehalten.“

Der Name der kleinen Stadt sagte Remus etwas. Er war der Erste, der begriff, wie ernst die Situation war, sollte das zutreffen, was er vermutete. Während der letzten Ordenstreffen hatte man häufig über Hopkins gesprochen, dessen Festung in Clova in der Nähe des Verbotenen Birkenwaldes stand. Dessen Aktivitäten waren in letzter Zeit stark zurückgegangen, nachdem der Muggelminister ihn mit Steuerprüfungen und anderen Unannehmlichkeiten drangsaliert hatte. Hopkins war ruhig geworden. Offenbar war das nur die Ruhe vor dem Sturm gewesen. Ohne von den anderen beachtet zu werden, ging Remus hinüber zum Kamin und flohte Arthur an, damit auch er anwesend sein würde. Der kam auf der Stelle, noch bevor Severus irgendetwas hatte erklären können. Ron – nun nüchtern – und Molly folgten ihm.

„Severus?“ Arthur war völlig außer Atem. „Hast du etwas rausgefunden?“
„Wie ich gerade Harry sagte, ist deine Tochter nach Clova gebracht worden. Ich nehme an, man hält sie dort noch immer fest.“
Auch Arthur reagierte auf den Namen der kleinen Stadt noch stärker als Remus. Seine Sorge zeichnete sich mit so tiefen Falten an der Stirn ab, als wäre sie mit einem Pflug gezogen worden. „Woher weißt du das?“
„Von einem Herrn, der die Entführung beobachtet hat.“

Arthur fasste sich an die Stirn. Der Schmerz, den er empfand, konnte jeder an seinem Gesicht ablesen. Die Angst um die Tochter, um das Nesthäkchen.

„Was ist in Clova?“, fragte Harry aufgebracht.
„Hopkins“, hauchte Arthur.

Nicht sofort sagte ihm der Name was. Harry hatte sich wenig mit diesem Thema beschäftigt, aber als er sich an ein Gespräch mit Hermine erinnerte, war er genauso schockiert wie Arthur.

„Hopkins? Dieser weltfremde Kerl, der uns Zauberer für gefährlich hält?“
„Oh Merlin“, stöhnte Arthur und raufte sich die Haare.
„Was tun wir jetzt?“ Harry blickte jeden einmal an, doch alle hatten ihre Augen auf Arthur gerichtet – auf den Minister. Der dachte nach, auch wenn es ihm in diesem Moment sehr schwerfiel. Immer wieder wurde seine Konzentration durch Sorge um seine Tochter unterbrochen.
„Wir …“ Arthur schüttelte den Kopf. „Ich werde …“ Wieder beendete er den Satz nicht. Seine Verzweiflung raubte selbst Harry die letzte Ruhe. Endlich schien Arthur sich gefunden zu haben. Mit ernster Miene richtete er das Wort an die Anwesenden und verkündete allen Ernstes: „Ich werde als Minister zurücktreten.“
„WAS?“, sagten vier Personen gleichzeitig.
„Warum willst du zurücktreten?“, wollte Harry genauer wissen.
Arthur war im Zwiespalt mit sich selbst. Mit vor Wut erhobener Stimme stellte er klar: „Weil ich es muss! Ich werde sonst nichts ausrichten können, versteht ihr das denn nicht?“
Von seiner Frau erhielt er den ersten Einspruch. „Das kannst du nicht machen!“
„Aber ich muss, Molly. Das sind Muggel, es ist ein Muggelgebiet. In solchen Fällen bin ich verpflichtet, mit dem anderen Minister eine Vorgehensweise auszuarbeiten.“
Wie langsam die Mühlen der Muggel-Bürokratie mahlen konnten, wusste Hermine nur zu gut. „Dann kann es aber längst zu spät sein! Wir müssen sofort etwas unternehmen.“
„Ich kann nicht! Wenn ich gegen diese Gesetze verstoße, werde ich meines Amtes enthoben und alles, für was ich gearbeitet habe, wird nichtig werden.“
„Das wird aber auch passieren“, warf Remus nicht gerade leise ein, „wenn du zurücktrittst, weil kein anderer Minister dort weitermachen würde, wo du aufhörst! Eine dritte Alternative muss her, aber schleunigst!“ Die Gesetzesänderungen standen auf dem Spiel und noch viel mehr.

Eine kurze, aber hitzige Diskussion entfachte, die Harry dafür nutzte, um in sich zu gehen. Während sich die anderen darüber den Kopf zerbrachen, ob man Auroren schicken durfte oder nicht, ob der Muggel-Minister schnell helfen könnte oder nicht, ob, ob, ob …

Es wurde Zeit, dachte Harry, dass jemand diesen Hopkins mal an die Kandare nahm. Dieser jemand wollte er sein. Seine Freunde suchten verzweifelt nach einem Ausweg. Arthur traf es von allen am härtesten. Er war durch die Gesetze zum Schutz der Muggel – Gesetze, die er selbst geschaffen und befürwortet hatte – an Händen und Füßen gefesselt. Harrys Blick fiel auf die Zwillinge, die sich genauso still verhielten wie er selbst, jedoch die Köpfe zusammensteckten und selbst einen Plan zu schmieden schienen, um ihre Schwester, für die sie alles opfern würden, nachhause zu holen. Sein Blick fiel auf Remus, der wegen seiner ausgeprägten Empathie Arthur am besten verstehen konnte, aber innerlich so eigennützig sein wollte, um die Gesetzesänderungen nicht zu gefährden. Er dachte an das Wohl vieler. Harry konnte das nachvollziehen. Er selbst wünschte für Remus und Tonks, dass sie endlich eine Familie gründen dürften. Ron, sein bester Freund, versuchte schlichtend zwischen seinen Eltern einzugreifen. Sein Gesicht war knallrot. So sah er immer aus, wenn der Zorn ihn übermannt hatte. Nicht auf seine Eltern war er wütend, sondern auf die Situation, auf die Muggel, auf Hopkins. Von Ron schaute er hinüber zu Hermine. Sie war so bleich, dass sie jeden Moment umzufallen drohte. In ihrem Gesicht, dessen Feinheiten er in all den Jahren der Freundschaft so genau kennen gelernt hatte und zu deuten wusste, sah er neben der großen Sorge auch Schuld. Gerade sie, die immer so viel gab und wenig nahm, sollte sich nicht schuldig fühlen müssen, nur weil sie genauso wenig unternehmen konnte wie all die anderen.

Direkt hinter ihr stand Severus, doch der schaute nicht Arthur an. Die Blicke von Severus und Harry trafen sich. Die Augen des Tränkemeisters fixierten ihn. Er wartete geduldig, er wollte seine Meinung hören.

‘Was ist deine Entscheidung?‘, fragte Severus‘ eindringlicher Blick.

Einige Male blinzelte Harry. Seine Entscheidung war getroffen. Er wollte niemanden hier im Raum gefährden. Das hier war kein Kampf gegen Inferi oder Todesser, sondern einer, den Harry allein tragen wollte. Es war seine Ginny, Hopkins war sein Gegner. Die anderen sollten ihren Frieden behalten.

„Arthur?“ Auf der Stelle war Ruhe im Zimmer, als Harry das Wort ergriff. Jeder wartete auf das, was er zu sagen hatte. „Arthur“, wiederholte er ruhig, „geh nachhause. Nimm Molly mit.“
„Aber Harry …“
„Geh nachhause, Morgen ist alles wieder gut.“

Die Ohnmacht über die für ihn ausweglose Situation traf Arthur hart, denn er hatte verstanden, dass er gar nichts tun könnte, um seiner Tochter zu helfen. Vertrauen war das Einzige, das er noch hatte und er legte all seine Zuversicht in Harrys Hände, als er nickte und Molly, an deren rosige Wangen die Tränen hinunterrollten, an der Hand hinter sich herzog.

Die grünen Flammen verschluckten den Minister und seine Frau, brachten sie an einen Ort, der sicher war.

„Okay Harry, wir sind ganz Ohr!“, beteuerte Ron, der auf einen Plan wartete. Seine Ohren glühten. Ron war so geladen, dass er den nächsten, der es wagen würde, ein Späßchen über seine Haarfarbe zu machen, in der Luft zerreißen würde. Auch die Zwillinge warteten wie in alten Zeiten geduldig auf Harrys Anweisung, die sie ohne Prostest ausführen würden. Hermine setzte sich auf die Couch. Bei ihr war der Punkt erreicht, an dem sie ihrem Kreislauf nicht mehr traute. Remus und Severus hingegen waren kampfbereit, das zeigten ihre entschlossenen Gesichter, die festen Blicke.
„Harry?“ Einer der Zwillinge riss Harry aus seinen Gedanken. Er sammelte sich einen Augenblick, bevor er sich dazu entschloss, aktiv zu werden.
„Hermine?“ Als sie aufblickte, rief er ihr ins Gedächtnis: „Du bist die Patentante, vergiss das nicht.“

Alle waren über seine Worte so verdutzt, dass niemand ihn aufhielt, als er das Zimmer verließ. Von außen sprach er die kräftigsten Schutzzauber, die sich über das gesamte Zimmer verbreiteten. Niemand würde in der nächsten Stunde hinauskommen, nicht einmal durch die Fenster oder den Kamin.

„Harry!“, hörte er von drinnen die Stimme seines besten Freundes, dann dessen Fäuste, die gegen die Tür trommelten. „Harry, lass uns mitkommen!“

Niemanden von seinen Freunden, von seiner Familie, wollte Harry mehr in Gefahr sehen. Mit ein paar Muggeln würde er selbst zurechtkommen. Keiner müsste sich strafbar machen, keiner sollte sein Leben aufs Spiel setzen. Seine Wut über Hopkins hatte ihm Scheuklappen aufgesetzt, mit denen er blind durch Hogwarts‘ Gänge marschierte. Nichts anderes mehr zählte, als Ginny an seine Seite zu holen und Hopkins das Fell über die Ohren zu ziehen.


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Wir haben immer schon gespürt, dass sich zwischen Ron und Hermine etwas entwickelt, obwohl ich und Emma uns dessen nicht bewusst waren. Doch in diesem Film gestehen beide sich das ein. Als Hermine mit Viktor Krum auf dem Weihnachtsball erscheint, kapiert Ron endlich, dass er etwas für sie empfindet.
Rupert Grint