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Fanfiction

Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Fügung des Schicksals

von Muggelchen

Der beigefarbene Fluch, den Hermine dem vermeintlichen Gauner entgegengeschleudert hatte, schoss in hohem Tempo auf Severus zu. Kurzerhand nahm der Tränkemeister eine Abkürzung und sprang über das Geländer. Der Fluch traf die Stufen und verpuffte lautlos. Severus hingegen landete weniger geräuschlos auf einem antiken Beistelltisch aus Mahagoni mit fein gedrechselten Beinen und eingearbeiteter Schublade, der krachend unter ihm zusammenbrach.

Fassungslos hielt sich Hermine eine Hand vor den Mund. Ihre Augen waren weit aufgerissen, als sie die Situation begriff. Sie hatte das Feuer auf Severus eröffnet, der wahrscheinlich nur mit ihr zusammen zu Mittag essen wollte. Das Kleinholz unter ihm, das einst ein edler Tisch gewesen war, lag in allen Richtungen verteilt auf dem Boden. Als er aufstehen wollte, sog er Luft durch die Zähne ein. Das abgesplitterte Stück der Schublade hatte sich in seinen Oberschenkel gebohrt. Nicht tief und schon gar nicht tödlich, doch schmerzhaft war es allemal.

„Ich werde nachlässig“, schimpfte er mit sich selbst, während er seinen Umhang nach oben zog, um die Wunde zu betrachten. Es blutete nur wenig. Das spitze Stück Holz war durch die Hose gedrungen und saß in etwa einen Zentimeter tief im Fleisch. Ohne zu Murren zog er es hinaus. Sein Zauberstab war wegen des ganzen Holzes auf die Schnelle nicht am Boden auszumachen, so dass er Hermine anblickte. Wut verspürte er keine mehr, als er die Reue in ihrem Gesicht bemerkte. Sie war noch immer geschockt. „Dir auch einen schönen guten Tag.“
„Oh Severus“, endlich konnte sie sich wieder regen, „es tut mir so leid.“
„Sei so nett und stopp die Blutung.“ Sofort kniete sie neben ihm nieder und tat, was er verlangte. „Und danach, junge Dame, unterhalten wir uns mal über gesellschaftliche Umgangsformeln – Lektion 1: die Begrüßung.“
Ganz zerknirscht blickte sie ihm in die Augen „Der Mann war hier! Er hat den Vielsafttrank gestohlen.“
„Was?“

Obwohl die Wunde noch nicht ganz verheilt war, war er in Windeseile auf den Beinen. Er reichte ihr seine Hand und half Hermine hoch.

„Ich habe unten etwas gehört“, erklärte Severus, „du hast geschrien.“
„Er ist appariert. Ich habe ihm gewünscht, er möge zersplintern.“
„Hat er dir was angetan?“ Um sie zu betrachten, nahm er sie bei den Oberarmen. Besorgt wanderte sein Blick über ihr Gesicht und weiter nach unten.
„Dieser Mistkerl hat mir einen Vergissmich entgegengeworfen.“
„Der offenbar nicht getroffen hat, sonst wüsstest du davon nichts mehr.“ Erleichtert darüber, dass sie unverletzt war, atmete er langsam aus. „Er hat also den Vielsafttrank?“ Sie nickte. „Welchen Behälter hast du ihm gegeben?“, wollte er plötzlich wissen.
„Irgendeines aus Glas.“

Neugierig hinkte Severus zum Labor hinüber. Durch den Sturz würde er mit vielen blauen Flecken zu rechnen haben. Als es unter seinen Füßen knirschte, erspähte er den zerbrochenen Mörser. Sie musste ihn zur ihrer Verteidigung geworfen haben, dachte Severus. Sein geschulter Blick registrierte die Zerstörung, mit der er den Tathergang rekonstruierte, als sie sich zu ihm gesellte.

„Er stand ungefähr hier, wo ich jetzt stehe.“ Severus ging weiter ins Labor hinein. „Der Vergissmich hat das Glas mit dem Ingwer erwischt. Du hast dich hierher gerettet.“ Er deutet auf die Stelle, die er meinte.
„Woher weißt du das?“
„Weil der Mörser dort stand. Du hast damit und mit dem Stößel geworfen.“ Severus ging zurück zu der Stelle, wo Stringer gestanden hatte. „Hier ist Blut. Mit irgendetwas musst du ihn getroffen haben.“ Aufmerksam blickte er sich um, bis er den großen Bronzestößel bemerkte, der nicht an seinem Platz stand. Er ging hinüber und nahm ihn in die Hand, fühlte mit leichten auf und ab Bewegungen das Gewicht. „Mit dem hier hast du ihm zugesetzt. Wo hast du getroffen?“
„Im Gesicht.“
Mitleidig verzog Severus selbiges, als er sich den schweren Stößel anschaute. „Welches Gefäß hast du für den Vielsafttrank genommen?“
„Ich weiß nicht. Er hat es mir gegeben.“

Mit wachem Auge betrachtete er die bereitstehenden Glasbehälter, die für die Mitnahme durch Kunden gedacht waren. Eines der Abgabegefäße fehlte.

„Verdammt“, fluchte er leise.
„Was ist?“
Severus zeigte auf das Glasgefäß neben der Lücke. „Ich habe das daneben für unseren Freund bereits mit einem Fahndungszauber belegt. Schade, dass er sich für ein anderes entschieden hat. Ansonsten wüssten wir nun, wo er sich befindet.“
„Sollen wir irgendjemandem Bescheid geben, dass sich ein Verbrecher Vielsafttrank besorgt hat?“, fragte sie kleinlaut.
„Wem denn? Dem Ministerium vielleicht? Damit machen wir uns selbst strafbar, denn der Trank hätte angemeldet werden müssen. Es hätte funktionieren können, den Mann zu fassen, aber leider wurde nichts daraus.“
„Ich könnte Tonks davon erzählen. Sie macht das bestimmt nicht offiziell. Ich kann den Mann gut beschreiben!“
„Hat er Mann sonst noch etwas gesagt oder getan?“, fragte er sie neugierig.
„Nein, er meinte nur, dass er arm wäre, aber nicht dumm.“
Severus schnaufte. „Das trifft auf eine Menge Leute zu.“ Zaghaft ergriff er sie am Oberarm. „Mit was für einen Fluch hast du mich überhaupt angegriffen?“
„Das möchtest du bestimmt nicht wissen, Severus“, erklärte sie beschämt.
„Sag schon.“
„Den habe ich von den Zwillingen gelernt, die haben ihn erfunden. Es ist ein leichter Fluch, der keine bleibenden Schäden hinterlässt, aber nichtsdestotrotz sehr wirkungsvoll ist und die Person für mindestens fünf Minuten außer Gefecht setzt.“
„Und?“, forderte er sie auf.
Ihr Gesicht versuchte sie so unschuldig wie nur möglich aussehen zu lassen, als sie ehrlich antwortete, wenn auch sehr leise: „Fred nennt ihn schlichtweg ‘Eierquetscher‘.“
Um seiner Erleichterung Ausdruck zu verleihen, fasste sich Severus an die Brust. „Da bin ich aber heilfroh, dass ich schnell genug reagiert habe.“

An der Tür zur Apotheke hörte man es plötzlich laut klopfen. Schnell wurde es zu einem Pochen. Beide begaben sich in den Verkaufsraum. Sie sahen George an der gläsernen Tür. Er blickte durch die Scheibe, woraufhin Hermine grüßend winkte, doch er sah sie nicht. Selbst als Severus hinüber zur gläsernen Tür ging und direkt vor George stand, wurde er nicht von dem jungen Mann wahrgenommen. George ging ein paar Schritte hinüber zum Schaufenster und klopfte dort. Mit einer Hand am Türknauf bemerkte Severus, dass sie sich nicht öffnen ließ.

„Der Dieb hat gesagt, er hätte einen Illusionszauber gesprochen und man würde von außen auch nichts hören können.“
„Ah“, machte Severus erleuchtet, denn den passenden Gegenzauber kannte er. Hermine war so geistesgegenwärtig, mit einem Aufrufezauber Severus‘ Zauberstab herzuholen, der noch immer bei dem zerbrochenen Tisch lag.

Mit einem Wutsch seines Stabes waren die Täuschungszauber entfernt. George erschrak, als er scheinbar aus dem Nichts Hermine und Severus auftauchen sah. Irritiert betrat er die Apotheke.

„Von außen sah es aus, als wäre geschlossen.“ Sein verwirrter Blick wanderte zu Severus hinüber. „Guten Tag, Professor Snape.“
Höflich entgegnete er: „Guten Tag, Mr. Weasley.“

Man teilte George brühwarm mit, was eben in der Apotheke vorgefallen war. Für Severus schien es fast so, als würde sich der junge Mann Vorwürfe machen.

„Warum haben es nur alle auf dich abgesehen, Hermine?“
„Ich habe einfach nur Pech gehabt, das ist alles. Mach dir keine Sorgen, selbst ohne Zauberstab konnte ich mich bestens wehren.“ Hermine verspürte keine Angst, so wie nach dem Überfall auf dem Weg zu Gringotts.

George nickte, dennoch fühlte er sich verantwortlich, weil er nicht schon ein paar Minuten früher zu ihr gekommen war, um wie üblich gemeinsam die Einnahmen wegzubringen.

„Gehen wir noch zu Gringotts?“
„Ja, ich komme mit. Warte einen Moment.“

Mit Severus‘ Hilfe sammelte sie die Säcke mit den abgezählten Galleonen zusammen. In der Zeit, die Hermine bei der Bank verbrachte, zauberte Severus eine schnelle Mahlzeit in der Küche zusammen. Seine Gedanken schwirrten um den Verbrecher und darum, dass Hermine ihm nur mit viel Glück entkommen war. Es hätte böse enden können. Severus konnte es gar nicht mehr abwarten, die Schule zu verlassen. Dann würde er sich wenigstens keine Sorgen mehr machen müssen. Wer aber, fragte er sich, wollte mit dem Vielsafttrank etwas anstellen?

Fogg stellte sich eine ähnliche Frage, nur nicht die, wer etwas mit dem Vielsafttrank anstellen wollte, sondern warum sie von dieser Idee nicht längst abgelassen hatten. Spätestens als Stringer plötzlich ohne linken Fuß im gemieteten Zimmer des Wirtshauses erschien, war für Fogg klar, dass er keine Aufregung dieser Art mehr haben wollte. Der gläserne Behälter mit dem Vielsafttrank rollte unversehrt auf dem Boden umher, auf dem Stringer zusammengesackt war und sich vor Schmerzen krümmte. Mit einer Hand hielt er sich den Kiefer, mit der anderen griff er nach dem fehlenden Fuß.

„Herrje, was ist denn mit dir passiert? Wo ist dein Fuß? Den brauche ich, um ihn wieder anzusetzen!“ Als hätte der Wirt das Flehen von Fogg gehört, stürmte der auch schon das Zimmer. Mit vor Ekel verzogenem Gesicht hielt er in seiner Hand den vermissten Fuß, der an der abgetrennten Stelle nicht nur schlimm aussah, sondern auch bestialisch stank.
„Ihr Freund tauchte plötzlich in der Küche auf und als er wieder apparierte, ließ er den Fuß zurück“, erklärte der Wirt, der Stringer am Boden liegen sah. „Um Himmels Willen, wir müssen den Fuß wieder anbringen, sonst ist er verloren.“

Das Zersplintern war eine schmerzhafte Angelegenheit. Die magisch abgerissene Gliedmaße musste sofort wieder mit entsprechendem Zauberspruch angefügt werden. Zum Glück lernte man diesen Notfall-Spruch, wenn man seine Apparier-Lizenz machte. Zusammen mit dem Wirt fügte Fogg den stark nach Buttersäure riechenden Fuß wieder an.

„Ich glaube“, begann der Wirt besorgt, „Ihrem Freund fehlt noch etwas ganz anderes.“
Fogg kniete sich neben den Verletzten und griff nach dessen Hand, mit der er sich noch immer den Kiefer hielt und nichts zu hören schien. „Lass mal sehen.“ Nur zögerlich zeigte Stringer seinen mit Blut verschmierten Mund. Ein Teil der Wange war dick und in den buntesten Farben angeschwollen. Die Unterlippe blutete stark. Als Fogg in den Mund seines Freundes schauen wollte, konnte der ihn nicht öffnen. Stringer atmete heftig, die Augen waren fest zusammengepresst und der Schweiß ließ ihm von der Stirn, was den ekelhaften Körpergeruch nur verstärkte. „Was genau tut weh?“, wollte Fogg wissen. Sein Freund deutete auf den Unterkiefer. „Ist er gebrochen?“ Stringer nickte, fuhr wegen des unerwarteten Schmerzes zusammen, den diese kleine Bewegung mit sich zog.
Der Wirt hatte alles mit angehört. „Soll ich einen Heiler rufen? Ich kenne einen, der billig ist, und der stellt auch keine Fragen.“
„Ich weiß nicht“, murmelte Fogg, blickte dann vom Wirt zu seinem Freund. „Sollen wir einen Heiler holen?“

Mehr als einmal nicken konnte Stringer nicht und selbst das verursachte so große Schmerzen, dass er sich wünschte, in Ohnmacht zu fallen. Fogg kümmerte sich um seinen Freund genauso gut, wie der sich vor zehn Jahren schon um ihn gekümmert hatte, nachdem ein Werwolf ihn so schlimm zugerichtet hatte.

Den Vorfall in der Apotheke würde Stringer nicht so schnell vergessen. Auch bei Hermine war das Erlebnis noch immer sehr präsent, aber ohne die begleitende Angst, es konnte nochmals geschehen. Severus äußerte die Vermutung, dass der Mann zurückkommen könnte, um sie zum Schweigen zu bringen. Hermine hingegen hatte das Gefühl, dass der Dieb alles daransetzen würde, ihr nie wieder über den Weg zu laufen. Diese Aussage beruhigte Severus kaum. Einzig die Aussicht, dass er die kommenden Tage wegen des Wolfsbanntrankes die meiste Zeit bei ihr sein würde – auch nachts – ließ ihn einigermaßen gut schlafen. Außerdem hatte er wegen der beginnenden ZAG- und UTZ-Prüfungen endlich Zeit, die Apotheke mit Zaubersprüchen gegen Überfälle abzusichern. Die Schüler waren kurz vor der Prüfungszeit so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie ihre Lehrer in Ruhe ließen. Die fünften und siebten Klassen würden in ein paar Tagen bereits geprüft werden, was für Severus eine Menge Freizeit bedeutete, denn wegen der Prüfungstermine fielen meist die regulären Unterrichtsstunden für diese Klassen aus. Mit seinen Kollegen hatte er bereits ein paar Stunden getauscht, so dass er früher Feierabend haben würde.

Der Andrang für den Wolfsbanntrank war schon vor dem 31. Mai groß. Vorbestellungen gab es so viele, dass Severus kurzfristig einen zweiten großen Kessel kaufen musste, damit jeder Kunde bedient werden konnte. Die Tage vor Vollmond arbeiteten Severus und Hermine wie die Brunnenputzer.

„Mr. Fogg“, grüßte Hermine den Kunden freundlich, der noch so spät am 1. Juni für seinen Trank kam.

Er rang sich ein Lächeln ab. Sie wusste nicht – davon war er überzeugt –, dass sein Freund derjenige gewesen war, der sie überfallen hatte. Sie hatte Stringer übel zusammengerichtet. Zwar hatte sein Freund kein Wort über den Vorfall verloren, aber Fogg ahnte, dass sie ihn ohne Zauberstab angegriffen haben musste. Der vom Wirt empfohlene Heiler hatte den Kiefer wieder richten können, auch die Zähne wieder an ihren Platz geschoben, doch der Schmerz würde noch einige Zeit bleiben. Irgendeinen Nachteil musste die Behandlung durch so einen Quacksalber ja haben, nörgelte Fogg in Gedanken.

„Guten Abend, Miss Granger.“ Aus seinem Umhang fischte er den Tränkepass, den er ihr stolz präsentierte.
„Ah, Sie haben sich registriert. Das ist gut. Hat Mr. Black Ihnen helfen können?“, erkundigte sie sich höflich.
Den Tränkepass legte Fogg auf die Theke, bevor er antwortete: „Hat er. Wenn die neuen Gesetze kommen, sieht es wahrlich rosig für mich aus.“ Seit dem Besuch bei der Initiative malte er sich jeden Abend vor dem Zu-Bett-Gehen aus, wie demnächst sein Leben verlaufen würde. Sorgenfrei und friedlich.
Ihr ehrlich gemeintes Lächeln galt nur ihm. „Das ist wunderbar, Mr. Fogg. Wenn Sie einen Moment warten möchten? Ich hole schnell den Trank.“

Der Trank war fix genommen, der Tränkepass – der echte – von ihr unterzeichnet.

„Sagen Sie, Miss Granger, ich suche etwas gegen Schmerzen. Was können Sie mir da empfehlen?“
Um den Kunden korrekt beraten zu können, fragte sie nach Details: „Was für eine Art Schmerzen? Da gibt es nämlich viele Mittel für verschiedene Körperstellen.“
„Ähm, es sind eher Zahnschmerzen.“
„Zahnschmerzen? Dann sollten Sie vielleicht lieber zu einem Heiler gehen.“
Fogg schüttelte den Kopf. „Es ist nicht für mich, sondern für einen Freund. Seit“, er stockte und dachte sich schnell eine Geschichte aus, „einer Schlägerei, wo er eine Menge abbekommen hat, hat er starke Zahnschmerzen. Er kann nichts Festes mehr essen.“
„So schlimm ist es? Ihr Freund sollte wirklich zu einem Heiler gehen.“ Sie ahnte, warum Fogg ihr auswich und fragte geradeheraus: „Geht es ums Geld? Wenn Ihr Freund einen Heiler nicht bezahlen kann, dann könnte ich ihn mir mal ansehen.“ Stolz deutete sie auf die Urkunde, die hinter ihr an der Wand hing. Die Urkunde vom Mungos, die bestätigte, dass auch sie eine Heilerin war. Bevor er absagen konnte, hängte sie schnell noch hintendran: „Umsonst.“
„Ich weiß das wirklich zu schätzen, Miss Granger, aber …“ Sie hatte befürchtet, dass ein Aber folgend würde.
„Was ist das Problem, Mr. Fogg? Ich kannte lange Zeit mittellose Menschen und mir macht es wirklich nichts aus, wenn Ihr Freund in einem heruntergekommenen Haus leben sollte oder“, sie zuckte mit den Schultern, „zerrissene Kleidung trägt. So etwas muss niemandem peinlich sein.“
So leise, dass sie es kaum verstehen konnte, murmelte Fogg: „Ich bin kein schlechter Mensch.“
„Mr. Fogg, ich würde Ihnen gern helfen.“
„Aber es geht nicht.“ Diesmal hörte sie seine leise gemurmelten Worte, als er zu sich selbst sprach: „Nicht Sie.“ Er war sichtlich verzweifelt, rieb sich nervös eine Augenbraue. „Bitte vergessen Sie einfach, dass ich gefragt habe.“
„Mr. Fogg, warten Sie!“

Widerwillig stoppte er an der Tür. Seit mindestens zehn Minuten hatte die Apotheke offiziell geschlossen. Hermine war an ihn herangetreten, betrachtete sein Profil. Er konnte ihr nicht in die Augen sehen.

„Beschreiben Sie mir genau, wo er Schmerzen hat und welcher Art die sind.“

Mit einer zitternden Hand berührte Fogg seine Wange, strich über den eigenen hohen Wangenknochen und ließ seine Finger übers Schläfenbein und das Kieferngelenk gleiten, bis er unten am Kinn angekommen war. Die Beschreibung der Verletzung konnte sie zweifelsohne einem bestimmten Mann zuschreiben, trotzdem behielt Hermine die Ruhe. Weil sie Severus im Labor arbeiten hörte, fühlte sie sich sicher. Wenn Mr. Fogg, wie sie vermutete, ein Freund von dem Dieb war, musste er wissen, dass die geschilderten Verletzungen sie aufmerksam machen würden. Er hatte es mit Absicht getan, hatte mit Absicht darauf hingewiesen, wer sein Freund war.

„Warten Sie einen Moment, Mr. Fogg. Ich werde etwas holen, das Ihrem Freund helfen wird.“

Schon war sie auf dem Weg ins Labor, in dem Severus die Kessel reinigte. Er blickte auf und wollte gerade eine Unterhaltung beginnen, da bemerkte er die Falte an ihrer Nasenwurzel – sie konzentrierte sich auf irgendetwas. Hermine stand nur da und dachte angestrengt nach.

„Hermine, kann ich dir bei irgendetwas helfen?“
„Ich weiß nicht.“ Sie wollte Mr. Fogg nicht in Schwierigkeiten bringen, wollte aber den Dieb zur Rechenschaft ziehen. „Was soll ich nur tun?“
„Sag mir einfach, was das Problem ist.“

Sollte sie ihm davon erzählen, würde Severus sofort hinausstürmen und sich das Freundchen zur Brust nehmen, aber das durfte nicht geschehen. Dann hatte sie eine zündende Idee. Sie griff zu einen kleinen Glasgefäß mit Binderrand, in dem einen Pulver untergebracht war, welches bei Knochenfrakturen Anwendung fand. Sie öffnete den Bindfaden, der das Papier löste, das den Inhalt vor Schmutz schützte, ihm aber genügend Sauerstoff zuführte.

„Severus, wie lange brauchst du, um das hier“, sie nahm eines der kleinen verschraubbaren Holzgefäße zur Hand, „mit deinem Fahndungszauber zu belegen?“
„Hermine?“
„Severus bitte! Es muss schnell gehen. Mach es einfach, wenn es in kurzer Zeit möglich ist!“

Auf der Stelle nahm Severus ihr das Holzgefäß ab und begann mit seinen komplizierten und offenbar selbst erfundenen Sprüchen, denn sie hatte keinen einzigen davon jemals gehört. In dieser Zeit war es ihm zu seinem Bedauern nicht möglich, die vielen Fragen zu stellen, die sich ihm aufdrängten. Im ersten Moment hatte er vermutet, der Dieb wäre hier, aber in der nächsten Sekunde war dieser Gedanke bereits zu den Akten gelegt. Hermine musste irgendeine Vermutung haben, aber er konnte erst später fragen.

Der letzte Spruch war gesagt. Severus reichte ihr das mit dem Fahndungszauber belegte Holzgefäß mit Schraubverschluss, in welches sie sofort etwas von dem Knochenpulver gab.

„Reich mir bitte das Zweihorn-Hornpulver.“
Ohne Widerworte gehorchte er, doch als sie das Pulver des Zweihorns unter das andere mischen wollte, griff er ein. „Das wird die Wirkung von dem Knochenpulver mindern!“
Ihr wissender Blick bestätigte seine Annahme, dass sie sich darüber im Klaren war. „Er darf ruhig etwas leiden“, sagte sie ungewöhnlich kaltherzig.
„Ist er etwa da draußen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, aber das hier wird uns hoffentlich zu ihm führen.“ Mit dem Deckel verschraubte sie die Öffnung des Gefäßes, schüttelte danach einmal kräftig.

Hermine hatte schon damit gerechnet, dass Mr. Fogg gegangen sein könnte, doch er wartete noch immer an der Tür, den Blick reumütig auf den Boden gerichtet.

„Hier, Mr. Fogg.“ Ihre Stimme ließ ihn kurz zusammenfahren. Misstrauisch beäugte er das kleine Holzgefäß in ihrer Hand. „Hiervon soll ihr Freund einen Teelöffel in einem Glas warmen Wasser auflösen und trinken. Heute Abend nur einmal, ab Morgen dreimal täglich.“
Fogg nahm ihr das Holzgefäß mit so großer Vorsicht ab, als würde es Gift enthalten. Mit bebender Stimme wollte er erfahren: „Es bringt ihn nicht um, oder?“

Jetzt war sich Hermine sicher, dass Fogg genau Bescheid wusste. Er hatte ihr absichtlich einen Hinweis gegeben, mit dem sie seinen Freund als den gesuchten Dieb identifizieren konnte. Trotzdem sorgte er sich und wollte auf keinen Fall, dass sein Kumpan leiden müsste.

„Nein, es wird ihn nicht umbringen“, beruhigte sie ihn. „Es wird den Schmerz lindern. Möglich, dass es etwas länger dauert.“
Seufzend betrachtete er nochmals das Gefäß. Er lehnte nicht ab, trotz seiner Bedenken. „Was bin ich Ihnen schuldig?“
„Ich sagte doch, es wäre umsonst.“

Dass Fogg dem Frieden nicht ganz traute, war ihm unverkennbar anzusehen. Seine Augen waren zusammengekniffen. Er spielte sehr wahrscheinlich mit dem Gedanken, den Schraubverschluss zu öffnen und am Inhalt zu riechen. Zu Hermines Überraschung schaute er ihr in die Augen, auch wenn ihn das eine Menge Überwindung kostete. Sehr lange konnte er den Blickkontakt nicht halten.

„Danke, Miss Granger.“
„Guten Abend noch, Mr. Fogg. Wir sehen uns Morgen zum zweiten Wolfsbanntrank?“

Er nickte zaghaft, als würde er nicht dran glauben, sondern eher mit einem Weltuntergang rechnen.

Der kurze Weg von der Winkelgasse in die Nokturngasse zog sich für Fogg ins Unermessliche. In der einen Sekunden überlegte er, das Holzgefäß wegzuwerfen, in der nächsten wollte er Stringer damit Erleichterung verschaffen, obwohl die Vermutung nahe lag, die Apothekerin hätte etwas getan. Es könnte das Heilmittel sein, das sie manipuliert haben könnte oder vielleicht das Gefäß selbst, befürchtete er. Wäre er an ihrer Stelle, würde er nach einer Möglichkeit zur Bestrafung seines Freundes suchen. Hätte man ihm so übel mitgespielt, würde einen hinterlistigen Plan aushecken. Andererseits war die Apothekerin so freundlich und nachsichtig, dass er von ihr nichts Böses erwartete.

Fogg entschloss sich dazu, Stringer das Mittel zu verabreichen. Die Konsequenzen wollte er tragen.

In der Zwischenzeit hatte Hermine die Apotheke geschlossen und war zu Severus ins Labor gegangen. Ein Stück Pergament lag auf dem Tisch vor ihm, über das er gebeugt stand. Auf dem Pergament hatte sich wie von Zauberhand eine Straßenkarte visualisiert, auf der ein roter Strich den Weg aufzeichnete, den Fogg mit dem verzauberten Gefäß in der Tasche genommen hatte.

„‘Der Gehängte‘ in der Nokturngasse“, sagte er, ohne aufzublicken.
„Wie bitte? Wer ist gehängt worden?“
„So heißt das Gasthaus dort, aber die Bezeichnung Bruchbude passt wesentlich besser. Unser Mr. Fogg hat dort augenscheinlich ein Zimmer genommen.“ Severus richtete sich auf. Der Rücken war durchgestreckt, die Augen aufgeweckt und voller Tatendrang. „Ich werde ihm nachgehen.“
„Nichts wirst du tun!“ Der Befehlston war selbst ihr unheimlich, dabei stammte er aus ihrer eigenen Kehle. „Ich meine“, begann sie zaghafter, „das hat noch Zeit. Die haben im Moment ganz andere Probleme. Der Dieb ist außer Gefecht gesetzt. Mein Mittelchen wird ihm nicht so schnell auf die Beine helfen und Mr. Fogg steht kurz vor der Verwandlung, wird also auch keinen Vielsafttrank einnehmen können, weil sonst die Wirkung des Wolfsbanntranks beeinträchtigt wird.“
„Aber …“
Sie fuhr ihm über den Mund. „Nein Severus, es ist unklug, sofort hinterherzugehen. Fogg wird misstrauisch sein und genau damit rechnen. Wir sollten bis nach Vollmond warten, damit sie nicht mehr so vorsichtig sind.“ Weil er seufzte, schlug sie vor: „Ich kann immer noch Tonks einen Tipp geben.“
„Hermine“, er wollte sich mit dem bestimmenden Ton durchsetzen, „das sind Verbrecher! Was kann es Wichtigeres geben, als sie für ihre Taten zur Rechenschaft zu ziehen?“
Mit todernster Miene erwiderte sie: „Einen Blumenkasten bauen.“

Severus verzog den Mund. Er war sauer, wollte sich aber nicht auf eine Diskussion mit ihr einlassen.

„Kommst du mit?“, fragte sie unverhofft.
„Wohin?“
„Nach Hogwarts. Ich wollte mit dem Kasten anfangen. Die Bretter sind schon da. Mein Arbeitsmaterial habe ich auch.“ Hermine griff nach den beiden Handwerks-Büchern von Lockhart und wedelte damit, weshalb er nochmals das Gesicht verzog. „Komm schon.“
„Und wann gedenkst du, den Wolfsbanntrank für den morgigen Tag zu beginnen?“
„Das wollte ich früh am Morgen machen.“
Severus schüttelte den Kopf. „Willst du durcharbeiten? Schon wieder? Das geht nicht lange gut.“ Er verschränkte seine Hände hinter dem Rücken und schlug vor: „Du gehst nach Hogwarts und ich beginne den neuen Trank.“
„Nein, Severus. Sobald ich weggefloht bin, machst du dich doch auf den Weg zu Fogg, richtig?“
„Möglich.“
Sie seufzte. „Der Dieb ist nur zweitrangig. Im Moment sind beide nicht dazu imstande, irgendetwas anzurichten. Lass Mr. Fogg Morgen und Übermorgen nochmal kommen und seinen Wolfsbanntrank nehmen. Ich habe im Gefühl, dass die beiden nicht weglaufen werden und selbst wenn“, Hermine zuckte mit den Schultern, „ist mir das ehrlich gesagt völlig egal. Es gibt momentan andere entscheidende Dinge, um die wir uns kümmern sollten.“

Mit ihrer Meinung war er gar nicht zufrieden, dennoch wollte er sich ihre Prioritäten annehmen. Er wollte sie nicht beunruhigen.

„Von mir aus“, er klang eingeschnappt, „dann werde ich Mr. Fogg eben keinen Besuch abstatten, aber ich werde trotzdem hier bleiben und mit den Tränken beginnen.“
„Aber …“
Er schnitt ihr das Wort ab. „Es sind zwischenzeitlich zwei große und ein mittlerer Kessel, die mit Zutaten gefüllt werden möchten. Du würdest es zeitlich nicht bewältigen können, diese Mengen an Wolfsbanntrank erst am frühen Morgen zu brauen. Geh schon nach Hogwarts und bastel ein wenig mit Hilfe von Lockharts einschlägigen Werken wie ‘Bauen für Blödiane‘. Ich kümmere mich um die Tränke.“

Es war eine Vertrauenssache, dachte Hermine. Zwar war sie sich sicher, dass es ihn geradezu zu Mr. Fogg zog, um gegen die Ungerechtigkeit vorzugehen, aber auf der anderen Seite vertraute sie ihm.

„Gut, ich bin dann bei Neville. Soll ich Harry mitnehmen? Ich wollte Fellini auch mitnehmen.“
„Du hast dich schnell erholt“, sagte Severus erstaunt.
Sie blickte ihn fragend an. „Inwiefern?“
„Ich kann mich noch daran erinnern, als du auf der Straße überfallen worden bist. Du hattest tagelang damit zu kämpfen.“
„Vielleicht“, sie grübelte über die Wahrheit, die er ihr gerade an den Kopf geworfen hatte, „bin ich nur viel sicherer geworden, jetzt wo ich weiß, dass ich auch ohne Zauberstab solche Situationen meistern kann. Wie oft wird man schon überfallen? Den Zwillingen ist das nur zweimal passiert und das in all den Jahren. Ich hoffe, ich habe für die nächsten Jahre meine Ruhe. Aber du hast Recht, ich habe mich schnell erholt. Ich lasse mich nicht mehr aus der Ruhe bringen. Es war ja kein Inferi oder Todesser, der mich angegriffen hat, es war nur ein stinkender Dieb.“
„Und das nimmst du auf die leichte Schulter?“
„Nein!“, widersprach sie aufgebracht. „Aber was soll ich denn tun? Wenn ich eine Anzeige bei der Polizeibrigade machen sollte, dann wird herauskommen, dass ich den Vielsafttrank ohne Formular für einen Kunden gebraut habe und muss selbst mit einer Strafe rechnen. Ich kann nur Tonks Bescheid geben, dass sie sich die Sache mal ‘privat‘ anschaut.“
„Ich könnte genauso gut …“
„Aber ich will nicht, dass du dort hingehst! So wie dir geht es nämlich auch mir: Ich möchte mir auch keinen neuen Tränkemeister suchen müssen, sollte dir etwas passieren.“
„Nun gut, wie du meinst. Ich bleib hier in der Apotheke und bereite die Tränke vor. Nimm Harry mit, dann ist er wenigstens etwas draußen.“

Sofort begann er damit, die Zutaten an den Tisch zu holen, um den Wolfsbanntrank für den nächsten Tag vorzubereiten – parallel in allen drei Kesseln. Hermine beobachtete ihn noch einen Moment. Sie war sich sicher, dass er nichts Dummes anstellen würde.

Wegen der Tiere flohte sie zweimal, weil sie sie nicht auf einmal mit zu Harry und Ginny nehmen konnte. Nachdem sie auch den Hund geholt hatte, wurde sie fröhlich quiekend von dem kleinen Jungen begrüßt, der im Schlafanzug mit hochgerissenen Armen auf sie zugestolpert kam.

Der Hund war von dem Jungen auch sehr angetan und lief mit aufgestellten Ohren und hängender Zunge hinüber. Als er Nicholas neugierig beschnupperte, fiel der Junge durch einen kleinen Schubs mit der feuchten Nase auf den Allerwertesten. Mit großen Augen beguckte sich Nicholas den weißen Hund, bevor er mutig die kleinen Hände hob und das Fell knetete.

„Ein neues Tier.“ Harry schmunzelte. „Nicholas ist ganz verrückt nach Tieren. Hedwig musste schon ‘leiden‘ und sogar Fawkes hat sich von ihm anfassen lassen.“
„Fawkes?“, fragte Hermine nach. „Er lässt sich wieder anfassen?“
„Nein, nur von mir. Von Nicholas fühlt er sich wohl nicht bedroht. Bei Ginny und jedem anderen will er immer noch zuzuhacken.“ Harry schaute zur Seite und betrachtete Hermine, die wiederum Nicholas und den Hund beobachtete. „Hermine, du siehst irgendwie mitgenommen aus.“
„Das glaube ich dir sogar. Die letzten Ereignisse waren alles andere als schön.“
„Was ist passiert?“
„Man hat mich überfallen“, noch bevor Harry sich Sorgen machen konnte, entwarnte sie, „und der hat von mir mächtig eins auf die Rübe bekommen.“
„Meine Güte, was ist nur los?“ Er legte eine Hand auf ihren Rücken. „Was hast du nur an dir, dass jeder dich als Opfer auserkort?“
„Ich bin mir ganz sicher, dass es der gleiche Mann war, der mich schon auf dem Weg zur Bank abgefangen hat. Das erste Mal konnte ich ihn nicht sehen, aber riechen.“
Harry rümpfte die Nase. „Riechen?“
„Um es kurz zu machen: Er stank und zwar nach altem Schweiß, so stechend wie Buttersäure. Wirklich widerlich.“
„Nach dem Quidditch bin ich zwar auch reichlich durchgeschwitzt …“
Hermine schüttelte den Kopf. „Das ist aber frischer Schweiß, Harry. Der muss nicht unbedingt unangenehm riechen. ‘Mein‘ Dieb stinkt, als hätte er sich wochenlang nicht gewaschen und trotzdem immer wieder Quidditch gespielt.“
„Zeig das Schwein an!“
Auch hier musste Hermine den Kopf schütteln. „Das ist leider nicht so einfach. Ich habe da einen Fehler gemacht, den ich ausbaden müsste.“ Er öffnete bereits den Mund. „Nein Harry, das erzähl ich ein anderes Mal. Ich muss zu Neville. Er wartet schon.“

Unerwartet fühlte Hermine etwas an ihrem Umhang. Als sie hinunterschaute, stand dort Nicholas, der sich bei ihr festhielt. Sie setzte ihren Weg nicht fort, ohne vorher ihren Patensohn auf den Arm genommen und mit ihm ein wenig gekuschelt zu haben.

Kniesel und Hund folgten ihr, als sie in der Dämmerung zu den Gewächshäusern marschierte. Harry blieb draußen, aber Fellini wollte mit rein. Hinten im Gewächshaus sah sie bereits die Lieferung. Bretter aus Feldarhorn.

„Hermine“, grüßte Luna, mit der Hermine nicht gerechnet hatte. Neville war natürlich ebefalls da und auch Pomona. Letztere verabschiedete sich jedoch.
„Dann wünsche ich euch viel Spaß. Bis dann.“ Die Lehrerin für Kräuterkunde winkte den dreien freundlich zu, bevor sie sie allein ließ.
„So“, Neville atmete einmal tief durch, „das gesamte Gewächshaus gehört uns allein.“
„Tatsächlich? Das wäre gar nicht notwendig gewesen.“
„Auf die Weise haben wir aber mehr Ruhe, Hermine. Wir können tun und lassen, was wir möchten.“
Luna war bereites an der Ecke des Gewächshauses, wo die Bretter verstaut waren. „Dann schlage ich vor, wir fangen an.“
Aus ihrer Innentasche zog Hermine gerade den Bauplan, als sie aufhorchte. „Ihr wollt beide mithelfen?“
Die beiden nickten enthusiastisch. „Natürlich nur, wenn magische Influenzen das Projekt nicht gefährden“, gab Neville zu bedenken.
„Ich denke nicht. Das ist wirklich lieb von euch.“

Zusammen mit Neville und Luna betrachteten sie die Bauanleitung, auf der alle Maßangaben verzeichnet waren. Die Arbeit war schnell aufgeteilt. Luna kümmerte sich um die runden Blumenkästen, die später in das Gerüst eingefügt werden sollten, das Neville und Hermine gemeinsam errichteten. Der erste Schritt war, die Bretter in die richtige Länge zu sägen. Man mochte über Gilderoy Lockharts magischen Fähigkeiten sagen, was man wollte. Sein großes Geschick, die Arbeit anderer Menschen in einem Buch zusammenzufassen, war unschlagbar. Jeder einzelne Spruch, egal ob zum Sägen, Schleifen oder Fräsen, ging mit Leichtigkeit von der Hand. Das Schönste war jedoch, dass die drei während ihrer Arbeit eine Menge Spaß miteinander hatten und viel zusammen lachten. Fellini machte es sich derweil am Fenster bequem, wie er es damals schon gern getan hatte, als Hermine noch in Hogwarts wohnte. Neville hatte dem Kniesel eine alte Decke hingelegt. Harry tobte stattdessen draußen herum. Man konnte manchmal zwei Hunde bellen hören.

Nach einer ganzen Weile, die wegen der guten Laune wie im Flug vergangen war, klopfte es. Vorsichtig öffnete sich die Tür und ein zotteliger Kopf lugte hinein. Es war Hagrid.

„Professor Snape?“, fragte der Wildhüter.
Für einen Moment ließ Hermine von der Arbeit ab, um sich Hagrid zuzuwenden. „Der ist nicht da, worum geht es denn?“
„Das is‘ doch sein Hund, oder?“ An sich hinunterblickend stand der weiße Hund zwischen seinen Beinen und schnupperte die Luft des Gewächshauses.
„Ja, ich habe ihn mitgebracht“, bestätigte Hermine. „Ich wollte ihm nur etwas Auslauf geben.“
„Gut, ich muss nämlich jetzt in den Verbotenen Wald und nehm Fang mit. Es reicht, wenn ich auf einen Angsthasen aufpassen muss.“
Hermine stutzte. „Ist Harry auch ein Angsthase?“
„Weiß nich‘, er war noch nie mit.“ Durch seine Körpergröße hatte Hagrid einen wunderbaren Überblick über den Raum. Ihm entging nicht, dass Neville und Luna mit Holz hantierten. „Was macht ihr denn Schönes?“
„Wir, ähm, wir bauen einen Blumenkasten.“
„Feldahorn?“ Neugierig kam Hagrid einige Schritte näher, um einen Blick auf das Holz zu werfen. „Es gibt da ‘nen magischen Lack, der macht’s witterungsbeständig.“ Der Halbriese schaute zu Neville hinüber und lachte. „Aber wem erzähl ich das? Neville weiß das sicher.“

Im Schloss versuchten Harry und Ginny, den Jungen ins Bett zu bringen, doch der lief noch sehr munter im Wohnzimmer umher und suchte sich etwas zum Spielen. Die fliegende Stoffeule, die er eines Tages von Ron bekommen hatte, war eines seiner Lieblinge, doch wenn sich Hedwig in der Nähe aufhielt, war das Kuscheltier abgeschrieben.

„Er will einfach nicht ins Bett“, beschwerte sich Ginny. Als sie Nicholas mit Hedwig greifen sah, vermutete sie laut: „Vielleicht wird er bei seiner Tierliebe später mal Lehrer für die Pflege magischer Geschöpfe?“
„Hey“, warf Harry ein, „vor kurzem hast du noch gesagt, er würde mal ein berühmter Quidditch-Spieler werden.“
„Meine Vermutungen werden noch mehrmals die Richtung wechseln.“
Harry schnaufte. „Und wenn er anfängt zu sprechen, dann wird er deiner Meinung nach womöglich sogar ein Philosoph?“
„Nein“, winkte sie ab, „nicht bei dem Vater.“

Gerade wollte Harry gegen die nicht ernst gemeinte Beleidigung protestieren, da hielt er inne, denn er war nicht der leibliche Vater. Dieser Gedanke tat weh.

„Harry?“ Er schaute zu ihr hinüber. „Ich meine durchaus dich!“
„Gut, da bin ich aber beruhigt“, entgegnete er erleichtert und mit einem schüchternen Lächeln. Dann fiel ihm wieder ein, was sie kurz zuvor gesagt hatte und wetterte dagegen. „Du hältst mich also nicht für einen dieser großen Denker?“
„Nein.“ Mit aller Mühe versuchte Ginny ernst zu bleiben, doch es gelang ihr nicht, denn die Mundwinkel zogen sich wie von selbst nach oben.
„Na warte.“

Mit leicht gebückter Haltung und zu Krallen geformten Finger schlich er zu Ginny hinüber, die das Spiel schon kannte. Harrys Gesichtsausdruck brachte sie zum Lachen, denn er machte eine Hexe nach, wie man sie aus Muggelmärchen kannte. Ein Auge war leicht zugekniffen, das andere weit offen. Mit nach hinten gezogenen Lippen entblößte er seine Zähne.

„Du siehst echt gruselig aus, Harry. So müsste man dich mal fotografieren und das Bild dann zum Tagespropheten schicken. Ich bin sicher, nach der Veröffentlichung bekommst du keine Fanpost mehr.“ Als er näher kam, wich sie zurück, konnte sich aber nicht mehr zurückhalten und lachte einfach drauf los. „Vergiss es, Harry. Du wirst verlieren.“
Mit verstellter Stimme krächzte er: „Ich will doch nur deinen Finger fühlen, ob du schon genug drauf hast, damit ich dich verspeisen kann.“
Sie kicherte. „Zeig mir erst mal, was du drauf hast.“

Unerwartet stürmte Harry auf sie zu und umarmte sie, so dass sie ihre Arme nur noch eingeschränkt bewegen konnte. Mit ihren Fingern kitzelte sie ihn an der Seite, woraufhin er seinen Rumpf verdrehte, damit sie die empfindlichen Stellen nicht erreichen würde, aber er versagte. Lachend versuchte er, ihre Arme zu fassen zu kriegen, aber sie wehrte sich, schnaufte dabei abwechselnd vor Anstrengung und um gegen das Gelächter anzukämpfen, das aus ihr herausbrechen wollte. Plötzlich drehte sie den Spieß um, als sie ihn an den Handgelenken packte. Nun wehrte sich Harry etwas grober, bis beide auf dem Boden endeten. Ginny hatte Harry unter sich begraben und hielt seine Arme über dem Kopf fest.

„Ich sagte doch, dass du verlieren wirst“, sagte sie mit triumphierendem Grinsen. „Versuch nicht mit jemandem zu rangeln, der mit sechs großen Brüdern aufgewachsen ist.“
„Bei einem Zaubererduell sähe die Sache anders aus.“
„Ja, deswegen raufe ich mit dir auch viel lieber.“ Sie beugte sich nach vorn und gab ihm einen Kuss auf die lächelnden Lippen. „Wie sieht es aus? Darf der Sieger sich was wünschen?“
„Natürlich, aber nichts Unanständiges“, bestätigte er mit gespielt ernster Miene.

Dass Nicholas neben ihnen stand und auf die Eltern herabblickte, hatte keiner so schnell bemerkt. Wenig graziös setzte sich der Junge neben Harrys Kopf und griff nach der runden Brille.

„Oh nein, dabei habe ich sie erst vorhin geputzt“, stöhnte Harry, der Nicholas abzulenken versuchte, doch die Brille schien sehr interessant zu sein. Mit einem Male legte sich Nicholas einfach quer über Harrys Brustkorb.
„Ha!“, machte Ginny. „Ich habe Verstärkung bekommen.“
„Ihr habt euch gegen mich verschworen. Na warte …“ Harry begann den Jungen zu kitzeln, der sich mit hohen Schreien und lautem Quieken krümmte. „Du bist doch ganz müde“, versuchte er dem Kleinen einzureden. „Kannst die Augen gar nicht mehr aufhalten.“ Nicholas verstand natürlich noch nichts, aber er seufzte erschöpft.
„Wenn ich ihn in die Nähe des Bettes bringe, dann fängt er an zu nörgeln“, erklärte Ginny.
„Da hab ich eine Idee!“

Vorsichtig drehte sich Harry, der noch immer am Boden lag, auf den Bauch. Wie selbstverständlich kletterte Nicholas auf seinen Rücken. Als sich Harry behutsam aufrichtete, hielt Ginny den Jungen am Schlafanzug fest. Auf Händen und Knien bewegte sich Harry langsam auf das Schlafzimmer zu. Der Junge war so abgelenkt, dass er gar nicht merkte, auf dem Rücken seines Vaters in Richtung Bett zu reiten.

Kaum hatte Nicholas‘ Wange das kleine Kissen berührt, schloss er die Augen und schlief ein.

Schlaf war eine erholsame Angelegenheit, wenn man genug von ihm bekam. Stringer konnte wegen der Schmerzen in seinem Gesicht zwar einschlafen, wachte aber mehrere Male mitten in der Nacht auf. Das Trinken fiel ihm schwer. Weil er die Lippen nicht zu viel bewegen wollte, da das die Muskeln der Wange und somit die geschwollene Stelle reizte, passierte es häufig, dass das Wasser an seinen Mundwinkeln hinunterlief. Der Schmerz war nach der Einnahme des Pulvers, das Fogg ihm besorgt hatte, erträglich geworden, war aber immer präsent. Stringer konnte direkt fühlen, wie sich die Risse in seinem Kiefer wieder schlossen. Er wünschte sich nur, es würde schneller gehen, denn an dem Tag nach Vollmond, am Freitag, würde Potter mit seiner Verlobten in die Winkelgasse kommen. Der Plan schien wasserdicht. Selbst die beiden Squibs von Hopkins, die sich getraut hatten, nach einem Fortschritt zu fragen, waren von der Aussicht begeistert. Mit Hilfe des Vielsafttrankes sollte Fogg in Form von Sirius Black erst einmal Potter ablenken und in eine ruhige Gasse führen. Dort würde er warten, um Potter mit drei verschiedenen Zaubersprüchen handlungsunfähig zu machen. Zusammen mit Fogg und den beiden Squibs wollten sie mit ihrem Opfer zu Hopkins apparieren, wo sie das restliche Geld in Empfang nehmen würden. Eine Menge Geld, mit der sie sich sogar ein kleines Haus kaufen und zusätzlich einen Fluchbrecher engagieren könnten.

„Kannst du nicht schlafen?“, hörte Stringer neben sich die verschlafene Stimme von Fogg.
„Nein.“ Wegen der geschwollenen Wange hörte sich das Wort sehr dumpf an.
„Du solltest von der Suppe essen, sonst klappst du noch zusammen.“ Gerade eben richtig erwacht streckte sich Fogg und drehte sich auf den Rücken. „Du hast seit dem Unfall nichts mehr gegessen. Wenn du die Sache durchziehen möchtest, brauchst du deine Kräfte.“ Stringer murrte, woraufhin Fogg vorschlug: „Wir können noch immer verschwinden. Ich bin mir ganz sicher, dass wir in Zukunft viel Glück haben werden.“
„Du bist viel zu optimistisch“, nuschelte Stringer. „Was muss noch alles passieren, damit du nicht mehr voller Zuversicht bist?“
„Auch wenn schlimme Dinge passieren, kann etwas Gutes folgen.“
Bei dem hellen zunehmenden Mond konnte Fogg sehen, dass sein Kumpel mit den Augen rollte. „Nenn mir auch nur ein Beispiel“, forderte Stringer mit giftigem Tonfall.
„Ich wurde von einem Werwolf gebissen und habe danach einen sehr guten Freund kennen gelernt“, kam wie aus der Pistole geschossen. Fogg hatte Stringer damit mundtot gemacht.

Ohne zu fragen machte Fogg per Zauber etwas von der Hühnersuppe warm, die Stringer abends nicht hatte essen wollen. Mit einer Tasse kam er zurück zum Bett und reichte seinem Freund die kräftigende Brühe. Stringer begann mit kleinen Schlucken und tatsächlich tat es nicht mehr so weh.

„Stell dir vor“, begann Fogg, als er sich an das Kopfende des Bettes lehnte, „wir würden in ein paar Monaten zu Geld kommen. Zu sehr viel Geld. Würde es sich dann nicht lohnen, die restliche Zeit nur von ein paar Almosen zu leben? Keine Raubzüge mehr, keine Straftaten. Nur warten, bis das Leben wieder schön wird.“
Höhnend fragte Stringer: „Sag mal, hattest du eben einen Traum oder warum erzählst du so einen Mist? Wenn das Warten Glück und Geld bringen soll, hätten wir uns deiner Theorie schon früher widmen können.“
„Ich meine es ernst!“
Jetzt wurde Stringer hellhörig. „Was hast du geplant? Den großen Coup, nachdem wir uns zurücklehnen können?“
„Hörst du mir überhaupt zu? Ich habe gesagt, keine Straftaten mehr!“ Fogg stand nochmals auf, um das zweite Fenster zu öffnen. Das andere war wegen des Gestanks die ganze Nacht sperrangelweit auf. Sein Blick fiel auf den Mond. Noch zwei Tränke und dann würde er sich in einen Werwolf verwandeln. Den Vollmond hat er seit zehn Jahren nicht mehr gesehen, nicht durch menschliche Augen.
„Hast du etwa deine Frau kontaktiert?“, fragte Stringer barsch.
Fogg schnaufte. „Bin ich irre? Nein, ihre Eltern haben mir damals klar gemacht, was passieren wird, sollte ich mich mir ihr nähern.“
„Mmmh“, machte Stringer, „ich dachte nur, weil du scheinbar von ihr geträumt hast.“
Fogg setzte sich erneut aufs Bett, war im ersten Moment mit der Anmerkung überfordert. Nach einem kurzen Augenblick konnte er sich dazu äußern. „Warum sollte ich von ihr geträumt haben?“
„Ach, vergiss es einfach“, murmelte Stringer in seine Tasse mit Brühe, deren letzte Pfütze er hinunterkippte. Er wollte das Thema nicht weiter behandeln. „Wenn du mir beweisen kannst, dass wir in Zukunft ein besseres Leben haben könnten, dann lasse ich mich vielleicht davon überzeugen, von der Entführungssache die Finger zu lassen.“

Genau das war Foggs Problem. Er wusste, wie herrisch Stringer werden konnte. Wüsste der von dem Vermögen, das ihm zustand, würde Stringer ihm dazu raten – nein, eher dazu drängen –, jetzt schon beim Ministerium das Hab und Gut zurückzufordern. Doch erst nach den neuen Gesetzen könnte man in solchen Fällen das Vermögen vor beiden Seiten in Sicherheit bringen, bevor ein Urteil gefällt werden würde. Jetzt bestand noch die Möglichkeit, und so schätzte Fogg seine Schwiegereltern ein, dass sie alle wertvollen Gegenstände und die Galleonen aus dem Verlies wegbringen würden. Stringer war kein geduldiger Mensch, wenn es um Reichtum ging. Er durfte ihm nichts sagen, versuchte es deshalb auf andere Weise.

„Und wenn ich dir mein Wort gebe?“ Von Stringer nahm Fogg die leere Tasse entgegen, die er auf den Nachttisch stellte.
„Dein Wort?“ Das Wort von Fogg zählte viel, auf jeden Fall mehr als sein eigenes, dachte Stringer. Der Mann log einfach nie, es sei denn, um an Geld zu kommen, damit sie etwas zu essen besorgen konnten. So verkniff sich Stringer jeden Kommentar und kam ins Grübeln. „Was hast du vor?“
Fogg seufzte. „Die von der Initiative …“
„Herrje“, unterbrach Stringer, „ich wusste, dass die dein Gehirn gewaschen haben.“
„Das ist nicht wahr. Die sind sehr nett gewesen. Glaubst du, wir sind die Einzigen in der Zaubererwelt, denen man Unrecht tut?“
„Nein, bitte keine Moralpredigt. Nicht um“, er blickte auf die Uhr, deren Zeiger er im Mondlicht erkennen konnte, „halb drei in der Frühe. Ich bin jetzt wirklich nicht aufnahmefähig.“
Foggs gedrückte Stimmung ließ ihn flüstern: „Ich will Potter nicht entführen.“
„Und ich will mir nicht länger jeden Morgen die Frage stellen, wie wir den Tag überstehen können. Gute Nacht.“

Am folgenden Tag nahm Fogg seinen zweiten Wolfsbanntrank in der Granger Apotheke ein. Sofort hatte sich Hermine erkundigt, wie es seinem Freund gehen würde. Foggs Befürchtung, sie würde ihnen die Polizeibrigade auf den Hals hetzen, war umsonst gewesen. In seinen Augen schien sie nicht einmal besorgt oder nachtragend, obwohl beide wussten, denn Zweideutigkeiten wurden absichtlich fallengelassen, dass der Dieb und sein Freund ein und dieselbe Person war.

„Wo gehen Sie eigentlich hin, wenn Sie sich verwandeln?“, wollte sie am Tag vor Vollmond wissen, als er als letzter Kunde für den Tag seinen dritten Trank einnahm.
„Im Sommer gehe ich meistens in den Wald. Diesmal hat der Wirt aber angeboten, den Keller zu benutzen. Er will den Raum schalldicht zaubern und möchte zusätzlich, dass ich eingesperrt werde.“
„Es ist gut, dass er Sie im Haus lässt. Für Morgen sind heftige Gewitter angesagt.“ Sie versuchte ermutigend zu lächeln. „Eine unterschwellige Angst wird bei den Menschen wohl immer bleiben.“
„Ich nehme es ihm auch nicht übel“, versicherte Fogg. „Bisher haben mich alle fortgejagt, wenn sie davon erfahren haben. Ist schon ein Wunder, dass der Wirt überhaupt das Angebot gemacht hat.“
Mit mitleidigem Gesichtsausdruck nickte Hermine. „Was ist mit Ihrem Freund? Ist er auch ein Werwolf?“
„Nein, der hat ganz andere Probleme.“
„So?“ Hermine drehte sich um und suchte im Regal nach etwas, das sie fand und in die Hand nahm. Sie hielt dem Kunden provozierend ein Stück parfümierte Seife entgegen, doch der schüttelte nur den Kopf.
„Das wird nicht helfen.“
„Hat er es schon versucht?“
Er bestätigte mit einem Nicken. „Das macht es noch schlimmer.“ Weil sie auf weitere Informationen wartete, fügte er hinzu: „Es ist ein Fluch müssen Sie wissen.“
„Ein Fluch? Von so einem habe ich noch nie gehört.“
„Wir auch nicht. Und das Mungos war ebenfalls ratlos. Sie haben ihn nach nur zwei Tagen abgewiesen.“
Verständnisvoll presste sie die Lippen zusammen. „Ich würde ja meine Hilfe anbieten, denn in der Regel interessieren mich solche außergewöhnlichen Fälle, aber unter diesen Umständen ist mir nicht wohl bei dem Gedanken.“
„Das ist auch gar nicht notwendig, Miss Granger. Außerdem verstehe ich Ihre Abneigung voll und ganz. Ich wünschte, es wäre anders gekommen. Alles.“

Weil Mr. Fogg nicht ging, sondern an der Theke stehen blieb, betrachtete sie ihn einen Moment. Er schien seine Taten zu bereuen. Sein Kumpan war scheinbar aus einem anderen Holz geschnitzt und er wusste das.

„Was haben Sie vor?“, wollte sie wissen. Sie hoffte, dass er diese Frage in Bezug auf den Vielsafttrank verstehen würde, wie es von ihr gedacht war.
Fogg wurde unruhig. „Ich versuche es abzuwenden.“
„Was haben Sie vor?“ Diesmal fragte sie viel bestimmender.
Auch Foggs Stimme war tonangebend. „Ich habe es unter Kontrolle!“
„Mr. Fogg“, sie entschloss sich für ihre warme Stimme, „wenn Sie Hilfe benötigen …“
Er schnaufte ungläubig. „Sie haben wohl in jeder Lebenslage einen guten Tipp.“
„Natürlich, das steht sogar in meinem Horoskop.“ Die Situation war wieder aufgelockert. Fogg schien amüsiert, weshalb Hermine ihr Anliegen vorbrachte. „Wenn Sie nicht weiter wissen – und Sie können mir glauben, dass ich dieses Gefühl in- und auswendig kenne –, dann gebe ihn Ihnen gern einen Ratschlag. Erst neulich hat mir jemand gesagt, muss man manchmal einfach vertrauen können.“ Hermine beugte sich über die Theke zu ihm. „Sie brauchen auch keine Angst zu haben, dass ich gleich zu den Auroren laufe.“
„Nein, dass Sie das nicht tun, haben Sie bereits bewiesen.“
„Sehen Sie?“, hielt sie ihm scherzhaft vor Augen.
Fogg nickte. „Eines Tages werde ich Ihnen das Geld zurückgeben, das verspreche ich. Auch das für den Vielsafttrank.“ Dies war das erste deutliche Schuldeingeständnis seinerseits. „Ich weiß Ihr Hilfsangebot zu schätzen, Miss Granger, aber ich kümmere mich allein drum. Es wird nichts passieren, dafür sorge ich.“
„Das hoffe ich, Mr. Fogg. Ansonsten wissen Sie, wie Sie mich erreichen können.“

Nachdem Fogg gegangen war, verschloss sie die Tür hinter ihm. Als sie sich umdrehte, stand Severus mit verschränkten Armen an den Türrahmen gelehnt.

„Tut mir leid, wenn ich das sagen muss, aber deine Gutmütigkeit grenzt an Dummheit.“
Beleidigt schoss sie zurück: „Ich denke nicht, dass es dumm ist, eine Straftat ohne Polizeiaufgebot zu verhindern. Es kann reichen, einfach mal zu den Menschen durchzudringen und an sein Gewissen zu appellieren.“
„Schon daran gedacht, dass er dich nur an der Nase herumführen könnte? Naive Menschen nutzt man gern aus.“
„Ach“, machte sie aufgebracht, „jetzt bin ich plötzlich naiv? Ich fasse es ja nicht!“
„Du gibst dich ihm gegenüber blauäugig, auch wenn du es nicht bist. Leider kannst du nicht in seinen Kopf schauen, ob er dir nur den reumütigen Ganoven vorspielt oder ob es ihm ernst ist.“
„Stimmt, ICH kann nicht in seinen Kopf schauen. Vielleicht wirst du wirklich nachlässig, Severus, sonst wäre dir längst die Idee gekommen, Legilimentik anzuwenden.“
„Jetzt wirst du wirklich frech!“, beschwerte er sich. „Du reitest uns immer mehr in diese Sache rein und wirfst mir vor, nachlässig zu werden?“
„Meine Güte“, stöhnte Hermine, „die Situation ist sowas von verfahren.“ Ein entschuldigender Blick traf den seinen. „Severus, wir können da nichts machen. Wenn ich das anzeige und die Sache mit dem Vielsafttrank rauskommt, wird denen egal sein, was mein Motiv war. Ob ich die Sache persönlich klären wollte oder nicht – ich hätte den Trank nicht ohne Formular brauen dürfen. Kommt dieser Verstoß ans Tageslicht, werden mir alle Braulizenzen entzogen, die eine Absegnung vom Ministerium benötigen und da ist leider auch der Wolfsbanntrank mit bei. Das kann ich nicht riskieren!“
„Noch weniger kannst du riskieren, dass die beiden in anderer Gestalt irgendeinen Unfug anstellen und dabei erwischt werden. Dann wird man sie nämlich befragen. Ich glaube nicht, dass du den Dieben so viel bedeutest, dass sie dich um jeden Preis schützen wollten. Man würde herausbekommen, von wem der Vielsafttrank stammte. Sollte es so ablaufen, machst du dich nicht nur dem illegalen Tränkebrauen schuldig, sondern auch als Mittäterin einer Straftat. Ich will mir nicht einmal vorstellen, wie schlimm das enden kann.“
„So eine verdammte Scheiße!“, brach es unkontrolliert aus Hermine heraus.
„Einen Wortschatz derber Art heiße ich in der Regel nicht gut, aber an dieser Stelle stimme ich dir voll und ganz zu.“

Ihre Hand zitterte, als sie mit ihr die Augen bedeckte. Sie war mit den Nerven am Ende. Endlich war sie fast am Ziel, was einen Heiltrank für Severus betraf und dann passierte ihr so ein Missgeschick, bei dem ihre Karriere nur noch an einem seidenen Faden hing. Kurz nachdem der Dieb den Trank bestellte, hätte sie das Ministerium informieren müssen. So wäre es leichter gewesen zu behaupten, die Bestellung wurde nur aus Furcht entgegengenommen, weil der Mann ihr sonst etwas angetan hätte. Nun war der Trank längst gebraut und in den falschen Händen. Es war zu spät.

Hermine spürte Finger an ihrem Handgelenk. Severus zog die Hand von ihrem Gesicht weg. Die Misere, in der sie sich befand, konnte er nachvollziehen.

„Wir regeln das auf meine Weise, Hermine. Keine Widerrede!“ Er führte sie in die Küche, wo längst das Teewasser kochte. Während er ihr einschenkte, erklärte er seinen Plan. „Wir wissen, wo die beiden untergekommen sind und wie ihre momentane gesundheitliche Verfassung ist. Mr. Fogg wird durch seine Verwandlung in der Nacht zum Freitag wenig zu gebrauchen sein. Wir wissen von Lupin, dass ein Werwolf am Tag nach der Verwandlung zu keiner großen Leistung fähig ist.“
„Und was schlägst du vor?“
Er setzte sich neben sie und hielt den Blickkontakt. „Da wir sie weder anzeigen noch anonym anschwärzen können, bleibt nichts anderes übrig, als deren geplante Tat zu vereiteln.“ Ihre zitternden Hände machten ihm Sorgen. „Hermine, wie ist deine Beurteilung als Heilerin? Das Pulver, dass du Mr. Fogg für dessen Freund mitgegeben hast, wie schnell wird das den Kiefer heilen und wann glaubst du, wäre der Mann wieder auf dem Damm?“

Um eine Diagnose zu stellen, ging sie einen Moment in sich. Sie hatte ihn mit dem Bronzestößel den Kiefer gebrochen, das hatte sie hören können. So eine Verletzung würde mit dem durch Zweihorn-Hornpulver verunreinigten Heilmittel einige Tage benötigen.

„Wenn der Mann hart im Nehmen ist, wird er frühestens Samstag wieder einigermaßen fit sein, wenn auch schwächlich, weil er keine feste Nahrung aufnehmen konnte. Sollte er aber den Vielsafttrank nehmen, würden die Schäden an seinem Kiefer wieder größer. Ich denke, das weiß er auch.“
„Das ist doch schon mal ein guter Anhaltspunkt. Der Vielsafttrank wäre regulär am Freitag fertig. Der Dieb wird ihn vorerst wegen seiner Verletzung nicht einnehmen, bleibt also nur Mr. Fogg. Aber wegen der Tortur, die der Körper des Werwolfs in der Nacht zuvor durchmachen wird, ist er am darauf folgenden Tag wahrscheinlich unfähig, überhaupt das Haus zu verlassen. Der erste Tag, an dem man bei beiden Männern wieder mit Aktivitäten rechnen kann, ist der Samstag. Ich werde mich in der Nacht zum Samstag ins Wirtshaus schleichen, damit ich die ganze Zeit ein Auge auf sie werfen kann.“
„Du könntest auch ein Zimmer nehmen“, schlug sie vor.
„Ich sagte, wir machen es auf meine Weise. Ein neuer Gast in dem Wirtshaus wäre viel zu auffällig. Am besten sehe ich mich mit einem Desillusionierungszauber dort um. Sollte ich den unangerührten Vielsafttrank finden, ist die Sache für uns erledigt. Ist der erst einmal verschwunden, kann uns egal sein, was sie vorhaben. Ohne Vielsafttrank führen keine Anhaltspunkte mehr zur Apotheke.“
„Das hört sich so einfach an, wenn du das sagst.“
„Ist es aber nicht. Ich bitte dich nur, mir nicht in die Quere zu kommen.“
Hermine schüttelte den Kopf. „Ich werde mich hüten.“

Der dritte Juni – Vollmond. Fogg wurde vom Wirt in den Keller geführt. Die morschen Holzverschläge gaukelten Sicherheit vor oder aber der rundliche Gastwirt wusste nicht, wie viel Kraft ein Werwolf haben konnte. Fogg sagte nichts. Er hatte nicht vor, für Ärger zu sorgen. Draußen regnete es bereits kräftig. Der Himmel bedeckte sich immer mehr. Schlechtes Wetter war für das gesamte Wochenende angesagt. Er hatte keine Lust, mit durchnässtem Fell im Wald nach einem trockenen Plätzchen zu suchen. Wie der Wirt es versprochen hatte, zauberte er den kleinen Verschlag schalldicht, so dass die Nachbarn nicht durch das Jaulen und Knurren in der Nacht beunruhigt würden.

Die Verwandlung dauerte sehr lange und war schmerzhafter als sonst, was oft der Fall war, wenn der Vollmond erst für den Morgen angekündigt war. Dieses Mal sollte er erst kurz nach sechs Uhr zu sehen sein, aber der Fluch brach schon bei Anbruch der Dunkelheit durch. Gegen zwei Uhr war die Zwangsmetamorphose vollendet. Schlapp kroch der Werwolf zu einem leeren Kartoffelsack hinüber, in dem eine Menge Ungeziefer hauste, und ließ sich darauf nieder.

Einige Zeit später war ein Riegel zu hören. Die Kellertür öffnete sich. Die zahme Bestie spitzte die Ohren, als jemand die Treppe hinunter kam. Das menschliche Bewusstsein in der tierischen Gestalt vermutete, dass es sich um den Wirt handeln könnte, der einen Werwolf mal aus der Nähe sehen wollte, doch es war Stringer. Hinter ihm schwebten zwei Schüsseln.

„Du hast mal gesagt“, Stringer sprach sehr leise, „nach der ersten Verwandlung hast du immer schrecklichen Kohldampf.“

Der Geruch von gekochtem Fleisch stieg dem Wolf in die Nase. Von seinem Hunger getrieben stand er auf und lief zur Tür hinüber, die lediglich aus ein paar zusammengenagelten Brettern bestand. Selbst Stringer könnte den gesamten Verschlag einreißen, würde er sich kräftig dagegenwerfen. Der hilfsbereite Freund fand keine Lücke, durch die er die Schalen schieben konnte, also öffnete er furchtlos die Tür mit einem Zauberspruch. Der Werwolf war nur wenige Zentimeter von ihm entfernt.

„Und wir beide müssen doch auf der Höhe sein, also dachte ich …“

Stringer zeigte auf die beiden Schalen, die er abgestellt hatte. Eine war mit frischem Wasser gefüllt, die andere mit einem grob zerkleinerten Wildschweinbraten, den er aus der Küche gestohlen hatte. Hungrig stürzte sich der Wolf auf die Mahlzeit, wurde dabei von Stringer beobachtet, der ehrfürchtig bemerkte: „Man, bist du riesig.“ Nur selten hatte er seinen Freund nach der Verwandlung zu Gesicht bekommen, weil Fogg sich normalerweise rechtzeitig in die Büsche schlug.

Vor zehn Jahren, nein, elf waren es bereits, hatte sich Stringer nach einem erfolgreichen nächtlichen Raubzug in den Wäldern versteckt. Dort traf er auf Fogg. Am ganzen Körper mit Kratzwunden übersät war die lebensbedrohliche Wunde am Hals die Einzige, die Stringer dazu angehalten hatte, bei dem Mann nach dem Rechten zu sehen. Sollte er sterben, hatte Stringer damals gedacht, könnte er den Toten wenigstens noch nach Wertgegenständen absuchen. Der Verwundete war kaum ansprechbar, warnte den fremden Helfer aber immerzu vor einem Wolf. Mit einem Mal war jedes Geräusch in der Finsternis zu einem schrecklichen Omen geworden. Jeder sich biegende Ast, jedes Rascheln war in der Einbildung plötzlich ein Werwolf. Stringer wusste, dass diese Kreaturen ohne Wolfsbanntrank gefährliche Wesen waren. Warum er Fogg damals mitgenommen hatte, konnte Stringer heute nicht erklären. Entweder war es tatsächlich aus Mitleid gewesen oder die Angst hatte seine Fähigkeit zu denken getrübt. Eine verlassene Holzfällerhütte von Muggeln war damals Stringers Versteck gewesen. Dort hatte er sich um Fogg gekümmert. Die Bücher sagten ihm, dass Foggs mehrtägiges Fieber als ein unumstößlicher Hinweis auf die Infektion durch den Werwolfbiss zu deuten war. Ab dem Tag an, das wusste Stringer, würde Fogg sich monatlich einmal verwandeln.

Heute sah er den Werwolf und verspürte keine Angst, so nahe an einem Wesen zu sein, das ihm mit einem Prankenhieb das Genick brechen könnte.

„Ich gehe wieder, brauche noch ‘ne Mütze voll Schlaf“, sagte er verabschiedend. Der große Werwolf blickte kurz auf. Da waren sie, die menschlichen Augen in der Bestie. Stringer würde diesen Wolf unter hunderten als seinen Kumpel erkennen.

Am nächsten Morgen fühlte sich Fogg wie gerädert. Der Rücken schmerzte, als er seinen Umhang über den nackten verschmutzten Körper überzog. Er konnte jede einzelne Rippe fühlen. Die Wanzen, die ihn als Wolf nicht gestört hatten, erregten nun Ekel. Sie waren auch in die Kleidung gekrochen, die er für die Zeit nach der Rückverwandlung mitgenommen hatte. Mit einem Stein zermalmte er die größte der Kellerasseln. Sich nur vorzustellen, dieses Tier wäre des Nachts über seinen Körper gekrochen, ließ ihn eine Gänsehaut den Rücken hinunterlaufen. Weil noch niemand hier war, der ihn herauslassen würde, wartete er geduldig.

Eine halbe Stunde später rief er zaghaft durch den Verschlag, doch dann erinnerte er sich an den schalldichten Zauberspruch. Man hörte ihn nicht. Überall, ob eingebildet oder in Wirklichkeit, fühlte er die kleinen Beine von unzähligen Krabbeltieren auf seiner Haut. Sehnlichst wünschte er sich ein heißes Bad und einen kräftigen Säuberungszauber für seine Kleidung, doch sein Stab war oben im Zimmer. Der Wald wäre trotz des feuchten Wetters eine angenehme Alternative gewesen. Trockene Zufluchten gab es überall, aber auch genauso viele Kriechtiere. Fogg konnte durch das winzige und völlig verdreckte Kellerfenster den Regen mehr hören als sehen. Es roch sogar feucht. ‘Kein Wunder‘, dachte Fogg, ‘es regnet ja auch durch.‘ Wie oben im gemieteten Zimmer war auch das Kellerfenster alles andere als dicht.

Endlich, gegen neun Uhr morgens, ließ der Wirt ihn hinaus. Die angestrebte Unterhaltung brach Fogg mit der Begründung ab, sich erst einmal gründlich waschen zu wollen, was der Wirt natürlich verstand.

„Stringer?“ Vorsichtig betrat Fogg das Zimmer. Mit jedem Schritt verspürte er einen fast schon lähmenden Muskelkater, der Bewegung jeglicher Art unterbinden wollte. Nochmals sagte er leise den Namen seines Freundes, doch der schien tief und fest zu schlafen. Fogg ließ ihn schlafen, während er in aller Stille ein Bad nahm. Er spielte sogar mit dem Gedanken, die Fenster zu verdunkeln und per Zauber den Lärm von der Straße zu blocken, damit Stringer verschlafen würde, denn heute gegen 16 Uhr erwartete man Harry Potter in die Winkelgasse, der seine Hochzeitsgarderobe anprobieren wollte.

Dieser Termin zur Anprobe war auch in Hogwarts ein Gesprächsthema zwischen Ginny und Harry – und zwar ein ständiges. Nach dem Frühstück erinnerte sie ihn bereits zum vierten Mal daran, dass sie heute zusammen in die Winkelgasse gehen wollten.

„Ginny, ich habe es langsam begriffen“, sagte er ein wenig gereizt.
„Entschuldige, aber ich bin so aufgeregt.“
„Warum? Wir ziehen nur ein paar Sachen an, die von ein paar Leuten begutachtet werden und das war’s.“ Er konnte einfach nicht nachvollziehen, warum sie so hektisch war.
„Du wirst heute das erste Mal mein Hochzeitskleid sehen. Bedeutet dir das gar nichts?“
Die Antwort wollte gut überlegt sein. In solchen Dingen waren Frauen sehr verletzlich. „Du hast es mir schon im Katalog gezeigt“, erinnerte er sie, doch dafür erntete er nur einen Blick von einem böse funkelnden Augenpaar.
„Aber heute trage ich es und …“ Eine wirre Handbewegung später begann sie einen neuen Satz. „Vergiss es, wir gehen einfach hin, aber wir müssen pünktlich sein. Sehr pünktlich sogar, denn Mr. Masamator persönlich will unsere Kleidung begutachten und er mag es nicht, wenn man ihn warten lässt.“

In Gedanken wiederholte er ständig diesen Namen. Harry wurde das Gefühl nicht los, dass Ginny voraussetzte, ihm würde der Name Masamator etwas sagen. Desto unangenehmer war es, als er ein paar Minuten später verlegen fragte: „Ähm, wer ist Mr. Masamator?“ Der Blick seiner Verlobten untermalte nur die Befürchtung, er müsste diese Person kennen und wenn nicht, dann würde er als ungebildeter Mensch dastehen.
„Dem Mann gehören alle Filialen von Besenknechts Sonntagsstaat, selbst die im Ausland. In Paris, Harry.“
„Aha.“ Trotzdem sagte der Mann ihm nichts, so dass Ginny ihm auf die Sprünge helfen wollte.
„Liest du denn nie die Hexenwoche?“
Seinen Ruf verteidigend erwiderte er vorgetäuscht erbost: „Das ist ein Klatschblatt für Weiber! Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, hatte ich noch alle Merkmale eines Mannes an mir. Ich lese sowas nicht.“
Ginny grinste. „Wenn du aber mal einen Blick reinwerfen würdest, wäre dir der Mode-Ratgeber von Mr. Masamator aufgefallen. Kommt immer auf Seite fünf nach dem Hauptartikel.“
„Hat der Typ etwa Lockhart beraten? Denn wenn ja, dann lass ich mir meine Garderobe lieber von Mr. Filch schneidern.“
„Nun sei mal nicht so. Masamator hat sich zwar aus dem Geschäft zurückgezogen und macht nur noch seine Kolumne in der Hexenwoche, aber bei besonderen Anlässen will er mit seinem Können glänzen.“
„Von wegen“, winkte Harry ab. „Glänzt der überhaupt noch allein oder will er sich nur mit mir an seiner Seite ins rechte Licht rücken?“
„Er will, dass die Kleidung aus seinem Geschäft gut an dir aussieht, deswegen will er sich drum kümmern.“
Harry verstand die Welt nicht mehr. „Die Verkäuferinnen waren doch allesamt nett und haben mich gut beraten. Was die mir empfehlen, würde ich jederzeit tragen.“
„Du willst aus diesen Termin heute unbedingt einen Elefanten machen, oder?“
„Dazu braucht’s erst einmal eine Mücke, dann können wir weiterreden“, schäkerte er und gab ihr einen Kuss.

Ginnys Aufregung verging nicht, aber sie war mit diesem Gefühl nicht allein. Ihrer besten Freundin ging er genauso. Hermine machte am Freitag ganz normal ihre Arbeit. Sie bediente Kunden, mischte Pulver zusammen oder händigte Bestellungen aus. Während dieser Zeit war sie ihre Gedanken bei Severus, der für morgen seine Observation plante. Einige Überlegungen war er schon durchgegangen, zum Beispiel den Vielsafttrank mit einem Aufrufezauber zurückzuholen, doch das würde sehr wahrscheinlich misslingen. Es gab einen schwarzmagischen Zauberspruch, der auch aus der Entfernung bestimmte Dinge vernichten konnte, doch Hermine hatte ihm das ausgeredet. Sollte sich jemand in der Nähe des Vielsafttrankes befinden, würde dessen Leben ebenfalls ausgelöscht werden. Die Gefahr war zu groß, unbeteiligte Personen zu verletzen oder zu töten, also blieb es bei dem Plan, bereits heute Nacht das Wirtshaus aufzusuchen, indem Mr. Fogg und Mr. Dieb untergeschlüpft waren.

Diese beiden nahmen gerade ihr Frühstück im Gehängten ein. Stringer versuchte mit viel Mühe, ein Stück Brot zu kauen, wechselte aber schnell zur Suppe über. Sein Magen rumorte. Er hatte großen Hunger, konnte aber nichts Festes zu sich nehmen. Sein Kiefer schmerzte noch immer. Fogg war durch die Verwandlung am Vorabend geschwächt. Alle Sehnen, Muskeln und Gelenke taten ihm weh, aber Hunger hatte er wegen der nächtlichen Zwischenmahlzeit, die sein Freund ihm gebracht hatte, nicht.

„Wir sollten …“ Fogg kam gar nicht dazu, sein Anliegen vorzubringen, denn Stringer wusste nur zu gut, was er sagen wollte.
„Jetzt hört auf damit, wir ziehen das heute durch!“
„Ich fühle mich nicht gut.“
Stringer rollte mit den Augen. „Kommt jetzt die Ausrede mit der Migräne? Ich werde nachher die Lage überprüfen. Wenn Potter da ist, wirst du den Trank nehmen und versucht nicht noch einmal, mir das auszureden.“
„Ich werde nach den Gesetzesänderungen meinen Besitz wiederbekommen.“

Es war endlich raus, dachte Fogg erleichtert. Vielleicht war die Aussicht auf ein Leben in Saus und Braus auch für Stringer Grund genug, schmutzigen Geschäften bis dahin aus dem Weg zu gehen.

„Du verarschst mich“, sagte Stringer monoton. Er glaubte seinem Freund kein Wort.
„Nein, der Antrag ist schon ausgefüllt. Nach den neuen Gesetzen wird bei Einreichung des Antrags das Vermögen vom Ministerium verwaltet, bis der Fall entschieden ist. In meinem Fall wird alles mir zufallen. Meine Frau bekommt nur etwas, wenn ich es möchte, denn es liegt auf der Hand, dass sie nichts getan hat, um ihre Eltern aufzuhalten. Meine Zwangsenteignung ist Grund genug, ihr wegen schwerer Verfehlungen keinen Knut geben zu müssen.“
Wie versteinert starrte Stringer ihn an, bis tief durchatmete und grantig zischte: „Schön für DICH! Herzlichen Glückwunsch.“
„Verstehst du denn nicht? Wir haben dann ein eigenes Haus und genügend Geld, damit wir irgendein Geschäft aufziehen könnten.“
„Ich höre hier immer ‘wir‘.“
Fogg nickte. „Ich stehe in deiner Schuld.“
„Ah“, machte Stringer herablassend, als wäre für ihn nun alles klar. „Dann bekomme ich einen kleinen Obolus und darf danach zusehen, wo ich bleibe?“
„Sag mal, willst du nicht verstehen?“ Verärgert ballte Fogg seine Hände zu Fäusten. „Ich will mit dir teilen, du Idiot!“
„Und wenn das nicht klappt?“, fragte Stringer wütend. „Wenn es Lücken im Gesetz gibt, die deinen Schwiegereltern ermöglichen, alles für sich zu behalten? Oder was ist mit deiner Frau, wenn du zurückkehrst und sie dich mit einem einzigen Wimpernaufschlag verzaubert? Für dich wird dann alles wieder beim Alten sein und in diese Familienidylle passe ich wohl kaum rein.“
„Meine Frau kann mir gestohlen bleiben!“, versicherte Fogg.
„Das sagst du jetzt.“
Wie von der Tarantel gestochen stand Fogg auf. „Und ich meine es so! Sie hat mich fallenlassen, als ich sie am meisten gebraucht habe. Du hast es doch damals mitbekommen. Du bist zu ihr gegangen und hast ihr gesagt, du hättest mich gefunden – gebissen von einem Werwolf. Sie wollte mich ja nicht einmal sehen. Ihre Eltern haben stattdessen mit mir gesprochen und von dem damals ganz neu in Kraft getretenem Anti-Werwolf-Gesetz Gebrauch gemacht. Sie konnten mir alles wegnehmen, mich von allem ausgrenzen und das auch noch mit Absegnung des Ministeriums!“
„Und jetzt erhoffst du dir Hilfe gerade von denen, die damals solche Gesetze geschaffen haben?“
Fogg schüttelte den Kopf. „Der Minister ist neu, völlig anders als die vorigen. Er hat wenigstens noch Ehrgefühl, was man von den anderen nicht sagen konnte.“
„Ich habe keine Lust, mich so kurz vor unserer Aufgabe in ein politisches Gespräch zu vertiefen“, beendete Stringer die Unterhaltung.
„Politisches Gespräch?“ Fogg ergriff seinen Freund an der Schulter. „Es geht darum, ob wir in Askaban enden oder in einem schicken Herrenhaus.“
„Warum forderst du jetzt nicht schon dein Vermögen ein? Wenn du das machst, blasen wir die Sache heute ab!“
„Nein, das ist doch gerade der Grund, warum ich es dir gar nicht sagen wollte. Sollte ich jetzt einen Antrag stellen, werden meine Schwiegereltern die Verliese räumen und alle Gegenstände aus dem Haus schaffen und behaupten, es wäre alles verbraucht.“
Stringer war nicht zu überzeugen. „Ich traue der Sache sowieso nicht. Ich glaube einfach nicht daran, was du erzählst und genau deswegen werden wir heute unseren Job erledigen.“
„Ich will Potter nicht entführen!“
„Du wirst! Oder fällst du mir jetzt in den Rücken? Was, wenn die Initiative dir nur Hoffnung gemacht hat und am Ende nichts für dich herausspringt? Ich werde auf das Geld von Hopkins nicht verzichten. Selbst wenn du mir schwarz auf weiß gibst, dass du in ein paar Monaten einen Haufen Galleonen hast. Warum solltest du die auch mit mir teilen? Etwa wirklich, weil ich dir das Leben gerettet habe?“ Ungläubig schüttelte Stringer den Kopf. „Ich wäre ganz schnell bei dir abgeschrieben. Mit Leuten wie mir gibt man sich nicht ab, mit Dieben und Betrügern. Ich habe auch dich zu einem gemacht, schon vergessen?“
„Und wenn ich den Vielsafttrank nicht nehme?“, provozierte Fogg absichtlich.

Mit einem Male fühlte Fogg die Hände seines Freundes an dem vernarbten Gewebe an seinem Hals.

„Stell dich ja nicht gegen mich, sonst werde ich mal anständig mit dir Schlitten fahren und das wird nicht sehr angenehm werden“, drohte Stringer.
„Du bist viel zu pessimistisch“, scherzte Fogg. „Wir müssen das heute nicht tun, nur weil wir Geld brauchen.“
„Hilfst du mir oder bist du kein Freund, auf den man sich verlassen kann?“
Resignierend schloss Fogg kurz die Augen, bevor er versicherte: „Ein Freund ist auch da, um den anderen vor einer Dummheit zu bewahren.“
Die Hand an seinem Hals drückte zu und Stringer zischte: „Also lässt du mich im Stich? Bist nicht besser als deine Frau.“
„Der Vergleich hinkt und das weißt du.“

Unerwartet klopfte es, so dass Stringer von Fogg abließ.

„Herein“, grunzte Stringer in Richtung Tür.
Der Wirt öffnete. „Guten Tag, Mr. Stringer.“ Fogg hatte er heute Morgen bereits gesehen, weswegen er ihm nur zunickte. „Die beiden Herren von neulich wollen Sie sprechen. Ich habe Sie vorerst auf der Straße warten lassen, ich will keinen Ärger.“

Alex und Arnold, dachte Stringer. Sie wollten sich die Sache aus der Nähe ansehen. Ein Blick zum Fenster zeigte, dass es in Strömen goss.

„Lassen Sie die beiden noch zehn Minuten draußen warten, die haben es nicht anders verdient. Schicken Sie sie danach zu uns rauf.“
Als der Wirt verschwand, wandte sich Fogg ein letztes Mal an seinen Freund: „Wir haben zehn Minuten, um die Sache für uns zu beenden.“
„Nimmst du den Vielsafttrank oder nicht?“, wollte Stringer wissen, der darin eine Art Freundschaftsbeweis zu sehen schien. Schweren Herzens nickte Fogg.

Das Opfer der geplanten Entführung bürstete sich gerade vor dem Spiegel im Badezimmer die Haare, was aber kaum eine sichtbare Veränderung mit sich brachte. Noch immer standen die Strähnen wirr von seinem Kopf ab. Harry betrachtete seinen Schopf, bevor er mit den Schultern zuckte und die Bürste beiseite legte.

Vom Wohnzimmer aus rief Ginny: „Bist du fertig, Harry?“
„Schon seit heute früh, als du gesagt hast, wir dürfen auf keinen Fall zu spät sein.“
„Ziehst du Nicholas noch die Schuhe an?“
„Klar.“ Als er aus dem Badezimmer trat, spielte der Junge schon mit den Schuhen, die er gleich tragen würde. „Komm her, Spatz.“ Schon hatte er Nicholas auf dem Arm, die kleinen Schuhe in der anderen Hand. Zusammen mit dem Kind setzte er sich aufs Bett. „Schau mal“, Harry zeigte auf den Schuh, auf denen eine breit lachende Sonne abgebildet war. „Eine Sonne.“ Als Antwort kam nur ein unverständliches Gebrabbel zurück, aber nichtsdestotrotz zeigte Nicholas mit einem kleinen Finger auf die gelbe Stickerei. „Sonne“, wiederholte Harry, was Ginny hörte, als sie das Schlafzimmer betrat.
„Das ist noch zu früh, Harry. Erst ist knapp ein Jahr alt. Wart noch eines und dann kannst du dich mit ihm unterhalten.“
„Es kann aber nicht schaden, jetzt schon mit ihm zu sprechen. Er hat immerhin ‘Bada‘ gesagt.“
„Und was heißt das?“
Harry zuckte mit den Schultern, während er die Schnürsenkel von dem kleinen Schuh lockerte.
„Heißt wahrscheinlich Sonne.“
Ginny nickte und grinste dabei so breit wie die Sonne auf dem Kinderschuh. „Klingt auch sehr ähnlich.“ Um sich selbst die Schuhe anzuziehen, setzte sie sich neben Harry aufs Bett. „Nehmen wir den Wagen mit oder die Tragetasche?“
„Nichts von beiden. Ich nehme ihn und wenn wir unsere Garderobe anprobieren, dann kann Nicholas auf dem Boden herumkrabbeln.“ Mit verschmitztem Lächeln schaute den Jungen an und sagte nur so leise, dass Ginny es noch verstehen musste: „Und dann darfst du den ganzen hübschen Mädels unter den Rock gucken und alle werden das ganz niedlich finden.“
Mit ihrem Ellenbogen stupste sie Harry an: „Was muss ich denn da hören? Bring ihn bloß nicht auf Ideen.“
„Meine Ideen sind bestimmt nicht schlimmer als die von Onkel Forge und Onkel Gred.“

Der zweite Schuh war endlich angezogen und Harry ließ den Jungen auf den Boden. Mit Schuhen an den Füßen stolperte er viel häufiger als wenn er barfuß war. Er blieb lieber bei Harry und kroch zurück auf Vaters Schoß.

„Weißt du, was Mum mir heute gesagt hat?“ Sie machte ihn extra neugierig, denn selbstverständlich hatte er von ihrem Gespräch über den Kamin nichts mitbekommen.
„Dass sie die böse Hexe ausgeladen hat, weil die Zahl dreizehn eine Unglückszahl ist?“, fragte er bierernst zurück, womit er sie zum Lachen brachte.
„Du bist heute gut drauf, wie es aussieht.“ Mit leicht gespitzten Lippen gab sie Harry einen Kuss auf die Lippen. Nicholas streckte daraufhin seine Arme nach ihr aus und imitierte die Lippenform, so dass Ginny nicht widerstehen konnte. „Ja, du kriegst auch einen.“ Der laute Schmatz gehörte Nicholas ganz allein. „Mum hat mir gesagt, dass Dad den Fuchsbau wieder aufbauen möchte, nur ohne das oberste Stockwerk. Diesmal soll es komplett unter Schutz stehen, damit kein Muggel es mehr ausfindig machen kann.“
„Habt ihr noch Angst wegen …“ Er druckste verlegen herum. „Du weißt schon, wegen deinem Ex-Spanier.“
„Pablo? Nein, von dem haben wir ewig nichts gehört. Die Muggelpolizei wollte sich um ihn kümmern. Ich habe keine Ahnung, wie der Stand der Dinge ist. Um den Fuchsbau kümmert sich Dad, weil er als Minister nicht mehr bei Verwandten wohnen wollte, aber auch keines dieser protzigen Häuser kaufen möchte.“
„Ich fand den Fuchsbau immer sehr gemütlich. Das war mein zweites Zuhause.“
„Ich dachte, Hogwarts war dein zweites Zuhause.“
Harry schüttelte den Kopf. „Nein, das ist mein erstes Zuhause.“
„Das Haus deiner Verwandten bedeutet dir gar nichts, oder?“, fragte Ginny vorsichtig nach.
Seine Antwort war eindeutig. „Weder das Haus noch die Verwandten.“
„Dann sollte ich dich auf jeden Fall darüber informieren“, begann sie zögerlich, „dass meine Mum tatsächlich versucht hat, deine Verwandten zur Hochzeit einzuladen.“
„WAS?“
„Ich habe es auch zu spät erfahren, sonst hätte ich ihr gesagt, dass du das nicht möchtest. Sie war der Meinung, es gehört sich einfach so.“
Es dauerte keine Minute, da hatte Harry die Ruhe wieder inne. Gelassen erklärte er: „Sie werden sowieso nicht kommen, also ist es auch egal, ob sie eine Einladung erhalten haben oder nicht.“
„Ich wollte nur, dass du es weißt und nicht aus allen Wolken fällst, sollten sie …“
„Sie kommen nicht, Ginny. Sie hassen alles, was mit der Magischen Welt zu tun hat – inklusive mir. Haben sie schon immer.“
Bedrückt kniff sie die Lippen zusammen. „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass jemand ein Kind hassen kann.“ Sie deutete auf Nicholas, dessen Augen wie die von Albus glänzten. „Wie kann man so einen Knirps nicht lieb haben?“
„Gehen wir, Ginny. Ich bin fertig und Nicholas auch.“ Die gute Stimmung wollte er sich mit Erinnerung an seine eigene Kindheit nicht verderben lassen.

In der Winkelgasse, wo man Harry bereits erwartete, machte man sich ebenfalls bereit.

„Bist du fertig?“, fragte Stringer. Fogg verzog das Gesicht, nickte jedoch. Er hoffte so sehr, dass der Plan, Potter zu entführen, durch irgendwelche Gewalten verhindert werden würde, denn ansonsten müsste er sabotieren, was ihn einen langjährigen Freund kosten würde. Stringer mochte verbittert und radikal sein, aber es war die Not, die ihn zu einem rücksichtslosen Menschen gemacht hatte. „Gut“, Stringer ging zur Tür, „ich checke die Lage und wenn Potter aufkreuzt, machen wir schnell den Trank fertig.“
„Wo sind die beiden Squibs?“
Bei der Erwähnung von Alex und Arnold verzog diesmal Stringer das Gesicht. „Ich habe ihnen gesagt, sie sollen einen großen Abstand halten. Nicht dass die mir noch dazwischenfunken.“ Er musterte Fogg. „Änder deine Kleidung. Black hat in den Zeitungen immer einen weißen Kragen.“
„Vielleicht hat er den auch nur, wenn er mit der Presse rechnen muss? Ich glaube nicht, dass Potter so sehr auf Kleidung achten wird.“
„Du machst was ich sage!“
„Ja, Mama“, stichelte Fogg missgelaunt.

Stringer warf einen letzten Blick auf den köchelnden Vielsafttrank. Das Haar von Black hatte er noch immer in seiner Brusttasche und da war es sicher. Seinem Freund würde er mittlerweile zutrauen, das Haar gegen ein anderes auszutauschen, aber bisher war es unangetastet. Mit verschiedenen Schutzzaubern hatte er dafür gesorgt, dass nur er den Umschlag mit dem Haar berühren konnte.

„Ich mach mich auf den Weg.“ Schon hatte Stringer das Zimmer verlassen. Vorbei an dem Geist des Gehängten, der im Schrankraum von seinem Balken baumelte, ging er schnurstracks auf die Straße. Das, was vom Himmel hinunterkam, konnte man nicht mehr nur als Regen bezeichnen. Es waren sintflutartige Niederschläge. Der Himmel war so schwarz, dass man mit dem Weltuntergang rechnen musste. Wenigstens war die Nokturngasse nicht mehr voller zwielichtiger Gestalten. Nur ein paar vermummte Gestalten huschten durch die Gasse und verschwanden in anrüchigen Geschäften. Er sprach einen Impervius, damit er vor dem Regen geschützt war.

Der schmale Weg an Flourish und Blotts vorbei führte zur Winkelgasse. Die Londoner Filiale von Besenknechts Sonntagsstaat war nicht weit. Schräg gegenüber befand sich der Eingang zu einer anderen Gasse, die nicht ganz so düster war wie die Nokturngasse, aber dennoch von aufrichtigen Bürgern gemieden wurde. Dort wollte Stringer sich positionieren, um das Bekleidungsgeschäft zu beobachten. Leider traf er in dieser Gasse auf zwei alte Bekannte.

„Ah, mein Lieblingsarschloch“, grüßte Stringer den einen Squib mit gebleckten Zähnen. Von Arnold war er neulich erst entwaffnet und angefallen worden.
„Da sieht man mal wieder, wie ungehobelt Zauberer sich ausdrücken.“ Arnold wandte sich seinem jüngeren Bruder zu. „Und die sollen uns überlegen sein? In Manieren sicherlich nicht.“
„Verschwindet von hier, alle beide!“
„Wir haben den Auftrag sicherzustellen, dass eurer Plan …“
„Ihr stört meine Pläne, also macht eine Fliege und sucht euch einen anderen Ort!“ Um seine Worte zu unterstreichen, zog Stringer kurzerhand seinen Stab. Mit ihm war er den beiden tatsächlich überlegen und das wussten sie. „Na los, haut ab!“
„Komm Alex, gehen wir. Die Luft hier ist sowieso unerträglich.“ Die Anspielung auf seinen strengen Körpergeruch überhörte Stringer.

In der Nähe schlug eine Uhr halb vier. Fast zeitgleich sah er zwei Gestalten, die aus Richtung des Tropfenden Kessels kamen. Eine Frau und ein Mann, der ein Kind auf dem Arm trug. Potter.

In Windeseile huschte er zurück zum Wirtshaus.

„Fogg, er ist da!“ Mit bebenden Händen zog Stringer den Umschlag aus seiner Innentasche und entnahm das darin enthaltene Haar. Mit seinem Zauberstab schnitt er es klein. Die Haarstücken waren so leicht, dass sie sichtbar auf der schlammigen Oberfläche des Vielsafttrankes liegenblieben. Erst mit einem hölzernen Löffel konnte Stringer sie untermischen. „Komm her“, befahl er seinem Freund.

Fogg näherte sich dem Gebräu. Die Menge würde gerade mal ein kleines Glas füllen. Stringer goss den warmen Trank, der Fogg für eine Stunde in Sirius Black verwandeln sollte, in einen Becher um.

„Schon mal einen genommen?“, wollte Stringer wissen.
„Nein, aber ich befürchte, er schmeckt genauso eklig wie er aussieht.“
„Da hast du leider Recht.“ Mit ausgestrecktem Arm hielt er Fogg den Becher hin, den der zögernd entgegennahm. „Auf unser Wohl, und jetzt runter mit dem Zeug.“

Wie damals, als seine Eltern ihm bei einer Krankheit übel schmeckende Heilmittel verabreicht hatten, hielt Fogg einfach die Nase an und stürzte den Trank hinunter. Sein Hals begann zu brennen. Der Geschmack erinnerte an faule Essensreste. Das Herz in seiner Brust verdoppelte seinen Schlag.

„Mir wird schlecht!“, waren die letzten Worte, bevor Fogg ins Badezimmer stürmte.
„Bring nicht zu viel heraus, sonst war es umsonst“, rief Stringer ihm noch als gut gemeinten Ratschlag hinterher.

Zwar war ihm schlecht, aber er musste sich nicht übergeben. Der Magen schien von innen heraus zu brennen. Dieses Gefühl breitete sich schlagartig auf den gesamten Körper aus. Zuerst schlug die Haut an seinen Händen Blasen, dann die im Gesicht. Bei dem widerlichen Anblick schloss er die Augen. Jetzt musste er durch, denn ein Zurück gab es nicht mehr. Sein Körper streckte sich unmerklich und um die Hüfte wurde er noch schmaler, obwohl er selbst wenig auf die Waage brachte. Noch immer traute sich Fogg nicht, in den Spiegel zu sehen. Erst als die Verwandlung vonstatten gegangen war, blickt er auf. Er war jemand anderes, doch er war nicht Sirius Black.

Mit weit aufgerissenen Augen blickte Fogg in den Spiegel. Keine braunen wie die seinen, auch keine grauen wie Blacks, sondern himmelblaue Augen schauten zurück. Pechschwarze Haare umrandeten ein faltenarmes helles Gesicht mit ausgeprägten Wangenknochen. Fogg streckte den Hals und sah keine Narbe, fühlte auch nicht die Bewegungseinschränkung, mit der er sonst zu kämpfen hatte.

Jemand klopfte an die Badezimmertür, die im gleichen Moment auch geöffnet wurde.

„Alles klar bei …“ Die Worte blieben Stringer ihm im Hals stecken, als er den Fremden das erste Mal zu Gesicht bekam. Er ergriff den Mann, bei dem es sich nur um Fogg handeln konnte, an den Oberarmen und musterte ihn von oben bis unten. „Wer zum Teufel bist du?“
„Ich habe keine Ahnung, aber ich seh‘ gut aus!“
„Was zum Henker …?“ Stringer sah aus, als würde er das Leben an sich vorbeiziehen sehen. „Wie konnte das passieren?“ Völlig aus dem Gleichgewicht geworfen fuhr sich Stringer durchs Haar. „Kennt Potter diesen Mann? Wer ist das?“
„Ich weiß es nicht!“, schnauzte Fogg ihn an, doch dann, als er sich an den Tag bei der Initiative erinnerte, sah er in Gedanken diesen Mann, der erst mit einem Kobold gesprochen hatte. „Warte mal. Das ist ein Bekannter von Black.“ Er musterte sein fremdes Spiegelbild. „Der war an dem Tag auch da. Er hat mir seine Hilfe angeboten, mein Vermögen zurückzubekommen. Der hieß …“ Er schnippte aufgebracht mit den Finger. „Donell? Dewell? Ich weiß nicht mehr, wie der Typ hieß. Vielleicht Deville? Nein nein nein, es war Duvall! Der hieß Duvall, ich bin mir ganz sicher.“
Vor lauter Schreck musste Stringer auf dem Toilettendeckel Platz nehmen. „Verdammt, verdammt, verdammt“, murmelte er ununterbrochen, raufte sich dabei die Haare. „Wie konnte das passieren? Du hast das Haar doch direkt von Black genommen, richtig?“
„Klar!“, log Fogg, denn er hatte es lediglich von der Rückenlehne der Couch stibitzt.
„Wieso hat der eine Kerl die Haare des anderen auf sich, kannst du mir das erklären?“, jammerte Stringer verzweifelt.
„Vielleicht haben die was miteinander?“ In dieser Situation war Fogg zum Scherzen zumute, seinem Freund hingegen überhaupt nicht.
„Kennt Potter diesen Devil?“
„Duvall!“, verbesserte Fogg.
Mit erhobener Stimme keifte Stringer. „Du glaubst gar nicht, wie egal mir der verfluchte Name ist! Ich will wissen, ob Potter ihn kennt, denn wenn ja, ist es noch nicht zu spät.“
„Wieso? Was hast du vor?“
Stringer packte ihn am Oberarm und zerrte ihn aus dem Bad hinaus. „Komm mit! Und zieh deine Kapuze bis übers Gesicht, nur für den Fall, dass wir jemandem begegnen, der dich kennt.“

Der Himmel hatte alle Schleusen bis zum Anschlag geöffnet. Der Regen preschte mit so einer hohen Geschwindigkeit hinunter, dass die Tropfen fast einen Meter wieder nach oben spritzten, wenn sie auf eine der vielen Pfützen in der Winkelgasse trafen. Die Sicht war sehr getrübt.

Ein starker Regenschutzzauber sorgte dafür, dass Ginny, Harry und Nicholas trocken bei Besenknechts Sonntagsstaat ankamen. Sie wurden schon erwartet und das nicht nur von den drei netten Damen, sondern auch von einem älteren Herrn, dessen goldene Haarpracht die von Gilderoy Lockhart wie Schlacke aussehen ließ.

„Miss Weasley, Mr. Potter.“ Der Mann stolzierte hohen Hauptes auf sie zu. Ginny bekam einen galanten Handkuss, Harry hingegen – und darüber war er froh – wurde nur kräftig die Hand geschüttelt. „Masamator ist mein Name, aber ich bin mir sicher, dass Sie mich kennen.“
Harry, der erst heute etwas über diesen Mann erfahren hatte, sagte vorgetäuscht interessiert: „Sie schreiben doch die Mode-Kolumne in der Hexenwoche, richtig?“
„Ja“, Mr. Masamator fühlte sich geschmeichelt, „aber offenbar wird die nicht von jedem gelesen.“ Sein kritischer Blick wanderte an Harry auf und ab. „Aber dafür bin ich ja hier.“ Masamators Blick fiel auf den Jungen in seinem Arm. „Nein, was für ein goldiger Knabe. Es ist doch ein Junge, oder?“
Ginny bestätigte die Vermutung. „Nicholas heißt er.“
„Wie drollig.“ Masamator schnippte mit einem Finger. „April, kümmer dich doch bitte um den süßen Fratz, während wir uns um Mami und Papi kümmern.“

Der erste Eindruck war, wenn man wissenschaftlichen Erkenntnissen Glauben schenken wollte, entscheidend dafür, ob man jemanden mochte oder nicht. Harry war sich in diesem Moment darüber klar geworden, dass er Mr. Masamator nicht besonders leiden konnte, aber er wollte ihm eine weitere Chance geben.

Während sich eine der jungen Verkäuferinnen wirklich rührend um Nicholas kümmerte, wurden Ginny und Harry jeweils in eine Kabine gebeten. Eine der Verkäuferinnen folgte Ginny in die Kabine, um ihr beim Ankleiden behilflich zu sein. Als Mr. Masamator sich Harry anschließen wollte, hielt der den Mann zurück.

„Ich kann mich allein anziehen, Sir. Das habe ich früh genug gelernt.“
„Mr. Potter, ich wollte doch nur …“
„Vielen Dank, Sir.“ Schon schloss Harry die Kabinentür und widmete sich seiner Garderobe.

Bei seinem ersten Besuch mit Ginny hatte sich Harry für einen in der Zaubererwelt traditionellen Gehrock mit passender Weste und schwarzer Hose entschieden. Die Schneiderinnen hatten sofort Maß genommen und sich an die Arbeit gemacht, die er nun, während er sich entkleidete, vor sich an einem Haken hängen sah. Die Garderobe sah so schon perfekt aus und er konnte es kaum erwarten, sie zu tragen.

Harry war der Erste, der die Kabine wieder verließ. Bei Ginny dauerte das Ankleiden wesentlich länger. Es war sein Pech, dass Mr. Masamator sich sofort auf ihn stürzte und ihn auf einen kleinen Podest schob. Vor Harry breitete sich ein riesiger Spiegel aus, so dass er sich vollständig begutachten konnte. Er fand nichts, was man ändern müsste.

„Herrje“, stöhnte Mr. Masamator, „da müssen wir noch einiges machen.“
Verdutzt blickte Harry an sich hinunter, dann nochmal in den Spiegel. „Es sieht doch gut aus, wie es ist.“
„Sie haben auch keinen Blick für die Feinheiten, Mr. Potter.“
„Was habe ich nicht?“
„Einen Blick für die Details.“ Mr. Masamator kam auf ihn zu und zurrte an den Hosenbeinen. „Hier zum Beispiel.“
„Ich sehe überhaupt nichts. Können wir das nicht einfach einpacken? Ich nehm es gleich mit.“
Empört über Harrys Äußerung schnaufte Mr. Masamator. „Lassen Sie mich hier und da etwas ändern, dann sehen wir weiter.“
„Aber …“
„Sie, Mr. Potter, wollen doch einen guten Eindruck machen?“ Unsicher nickte Harry „Dann bitte ich Sie inständig, mich meine Arbeit machen zu lassen.“

Verzweifelt blickte Harry hinüber zur anderen Kabine. Dort sah er ein paar Arme in der Luft, konnte aber nicht genau sagen, ob die zu Ginny oder Verkäuferin gehörten. Er war Mr. Masamator ausgeliefert.

Sich seinem Schicksal ergebend stimmte Harry zu: „Von mir aus, Sir.“
„Wollen Sie denn nicht gut aussehen?“
„Doch“, bestätigte Harry.
„Aber natürlich nicht so gut, dass Sie Ihrer Braut die Show stehlen.“
„Ich würde ihr nicht einmal die Show stehlen, wenn ich mich in Gold tunken würde.“
Mr. Masamator lachte amüsiert. „Eine wahrlich erotische Vorstellung, aber unpassend für eine Hochzeit.“
‘Erotisch?‘, wiederholte Harry in Gedanken. Er wollte so schnell wie möglich den Laden verlassen, aber schon hatte er einen aufdringlichen Modespezialisten am Rockzipfeln hängen, oder besser ausgedrückt an seiner Beinbekleidung. Da wurde gezupft und gezerrt.
„Wir müssen es enger machen. Hier im Schritt.“
Innerlich stöhnte Harry. So etwas hatte ihm schon mal jemand gesagt. „Warum ausgerechnet im Schritt? Ich mag dort etwas Beinfreiheit.“
„Die Hose sitzt sonst schlecht. Sie haben … Wie soll ich mich korrekt ausdrücken?“ Mr. Masamator suchte nach Worten, die niemanden in Verlegenheit bringen würden. „Ihr Gesäß ist wenig ausgeprägt, deswegen sollte die Hose in diesem Bereich auf jeden Fall etwas enger genäht sein.“
„Ach so.“ Wenn es nur das Gesäß gemeint war, dachte Harry, könnte er damit leben.

Während Mr. Masamator seine Arbeit verrichtete, vertiefte sich Harry in seine Gedanken. Ginny hatte nie etwas an ihm auszusetzen, weder an seinem Gesäß noch an seinem …

„Mr. Potter?“
Harry hatte das Gefühl, eine Frage verpasst zu haben. „Ja?“
„Ich bat Sie, einmal so zu machen.“ Mr. Masamator streckte seine Arme weit von sich und Harry ahmte die Bewegung nach. „Zwackt es irgendwo?“
„Nur wenn Sie an mir herumziehen.“
„Ich ziehe nicht“, verbesserte der Schneidermeister, „ich passe die Kleidung an. Wie Sie übrigens bemerkt haben dürften, haben wir bei dem Schnitt des Gehrocks auf die opulenten Manschettenärmel verzichtet. Dafür ist der Kragen großzügiger gestaltet. Die Detailfreudigkeit haben wir allgemein dezent gehalten, obwohl der Gehrock sehr reich mit ornamentalem Muster verziert ist.“

Harry verstand nur die Hälfte, aber das machte nichts. Er musste den Gehrock zum Glück nur tragen und sich nicht mit ihm über Mode unterhalten.

„Ich habe die Mustereinleserin der Seidenmanufaktur mit einer schwierigen Aufgabe bedacht, aber sie hat sie zu meiner vollsten Zufriedenheit gemeistert.“ Mr. Masamator trat zu Harry auf den Podest und strich mit einer Hand über die goldene Stickerei am Kragen. „Sie werden, wenn Sie ganz genau hinsehen, auf beiden Seiten jeweils die Anfangsbuchstaben Ihrer Vornamen finden. Hier“, ein Zeigefinger malte das Muster nach, „der Buchstabe H und hier …“ Mr. Masamator fuhr den anderen Buchstaben nach, den Harry erst jetzt bewusst wahrnehmen konnte.
„Ein G!“ Fasziniert von diesem optischen Versteckspiel berührte Harry ehrfürchtig die seidene Stickerei.
„Ich dachte mir, dass Ihnen das gefallen könnte.“

Mit sich selbst zufrieden fuhr Mr. Masamator mit seiner Arbeit fort, während Harry nach vorn in den Spiegel schaute und breit grinsend das betrachtete, was man nur sehen konnte, wenn man wusste, wo man schauen musste. Für ihn waren die ineinander verschlungenen Buchstaben nun so deutlich zu erkennen wie die Narbe auf seiner Stirn. Harry und Ginny – bereits vereint auf genau dem Kleidungsstück, das er an seinem großen Tag tragen würde. Mr. Masamator war ihm auf einmal sympathisch.

Von der Vorfreude bei Besenknechts Sonntagsstaat war außerhalb des Bekleidungsgeschäfts nichts zu spüren, besonders nicht bei Stringer. Er hatte Fogg in der Gestalt von Duvall hinter sich hergezogen, bis sie in der Gasse zum Halt kamen, von der aus man in das Geschäft hineinsehen konnte. Man hätte an einem strahlenden Sonnentag sogar durch die Schaufenster erkennen können, was sich drinnen abspielte, doch nicht heute. Der Himmel war schwarz. Blitze waren das einzig Helle an diesem späten Nachmittag.

„Mir tut alles weh“, jammerte Fogg, der den kurzen Weg bis hierher in jedem einzelnen Knochen spürte.
„Sind die das?“ Stringer deutete mit einer Handbewegung zum Bekleidungsgeschäft hinüber. „Ist da überhaupt jemand drin? Wir müssen näher ran und durch die Fenster schauen.“
„Bist du wahnsinnig?“ Am Oberarm hielt Fogg seinen Freund fest. „Bei dem Regen dort am Schaufenster zu stehen macht uns doppel und dreifach verdächtig.“
„Hast du eine bessere Idee?“
„Ja“, Fogg nickte heftig, „lass uns abhauen!“
„Ich habe dir gesagt, wir versuchen es wenigstens und jetzt sei still.“

Schräg gegenüber sah man durch die Fenster nur die Silhouetten von zwei Personen. Die eine davon schien erhöht zu stehen.

Mr. Masamator hatte sein ganzes Augenmerk auf Harrys Hose gerichtet.

„Der Gehrock sitzt perfekt, Mr. Potter, den können Sie ausziehen.“ Gesagt, getan. Eine der Verkäuferinnen nahm ihm das edle Stück ab. „So, Mr. Potter“, der Schneidermeister markierte noch eine Stelle am Hosenbund, „das war’s. Nach der Änderung sitzt die Hose wie angegossen.“
Harry blickte zur Kabine von Ginny hinüber, die noch immer nicht herausgekommen war. „Was ist mit meiner Verlobten?“
„Es ist etwas aufwändiger das Kleid anzuziehen. Ihre Verlobte hat auch ein Korsett bestellt. Sie müssen nicht warten, Mr. Potter. Es bringt sowieso Unglück, die Braut vor der Hochzeit in voller Montur zu sehen.“
„Ich bin nicht abergläubig.“
„Aber ich“, beteuerte Mr. Masamator. „Ich möchte keine bösen Geister auf mein Geschäft aufmerksam machen, nur weil Sie Ihnen trotzen.“ Der Schneidermeister meinte es weniger ernst als es klang, was sein sanftes Lächeln untermalte.
Von der Kabine aus rief Ginny: „Harry, du kannst mit Nicholas ruhig schon gehen. Ich glaube, das dauert noch eine Weile. Die vielen Haken und Ösen wollen nicht so wie wir wollen.“
„Wenn es dir nichts ausmacht?“
„Ich würde es sonst nicht vorschlagen. Geh ruhig schon, ich komme alleine nach.“

Draußen war es mittlerweile auch noch stürmisch geworden. Das Unwetter, vor dem in der Muggel- und auch der Zaubererwelt frühzeitig gewarnt worden war, war voll im Gange. Stringer und Fogg warteten ungeduldig in der Gasse und behielten den Eingang von Besenknechts Sonntagsstaat im Auge.

„Und wenn Potter länger braucht als eine Stunde?“ Nur noch dreißig Minuten blieben ihn in Duvalls Erscheinung.
„Da“, aufgeregt zeigte Stringer zum Eingang des Geschäfts, „es kommt jemand raus.“
Fogg kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. „Das ist Potter und er trägt ein Kind auf dem Arm.“ Besorgt wegen der bevorstehenden Auseinandersetzung bat Fogg seinen Freund eindringlich. „Lass es uns abbrechen. Nicht dass dem Kind noch etwas geschieht.“
„Du gehst jetzt sofort dort hinüber und lockst ihn hierher!“

Mit beiden Händen hielt Stringer seinen Freund an den Schultern, weil er ihn auf die Straße schubsen wollte, da hielt er inne, als sich eine andere Person Potter näherte.

„Was soll das? Muss denn wirklich alles schiefgehen?“, schimpfte Stringer. „Wer ist das?“
Eine Hand schützend an die Stirn gehalten, damit er wegen des starken Regens überhaupt noch etwas sehen konnte, vermutete Fogg laut: „Das sieht aus wie Black.“

Per Zauber formte Stringer eine durchsichtige Blase an seine Stabspitze, durch die er die Gegend vergrößert wahrnehmen konnte. Trotzdem war die Sicht schlecht, aber er konnte zumindest den Mann bei Potter erkennen.

„Das darf nicht wahr sein, das ist tatsächlich Black. Verflucht und zugenäht!“ Mit weit aufgerissenen Augen starrte Stringer hinüber. „Ich fasse es nicht! Genau so sollte es ablaufen. Siehst du?“ Stringer rückte Fogg in die richtige Position, damit er die beiden sehen konnte. „Das da drüben solltest eigentlich du sein, verdammt nochmal!“

Unruhig lief Stringer in der Gasse auf und ab, blickte immer wieder zu Potter hinüber. Der stand vor dem Regen geschützt unter einem Dachüberstand von Besenknechts Sonntagsstaat und unterhielt sich prächtig mit seinem Patenonkel, der gerade auf dem Weg zu Duvall war. Stringer verstand die Welt nicht mehr. Voller Wut trat er gegen eine Mülltonne, weshalb sich Fogg erschreckte.

„Lass das, sonst hören die uns noch!“, warnte Fogg.
„Ist doch sowieso alles egal!“ Wieder schaute er zu Potter hinüber, der von Black geführt unter dem Regenschutz entlang eine abgelegene Ecke aufsuchte. „Das ist doch wohl alles nicht wahr“, regte Stringer sich auf, „das ist mein Plan! Irgendeine Übermacht hat mein Drehbuch geklaut und spielt die Szenen mit anderer Rollenbesetzung nach. Bei Merlin …“
„Merlin wird sich an solchen Dingen nicht die Finger schmutzig machen.“
„Hör auf dich über mich lustig zu machen.“ Plötzlich bekam Stringer einen seltsamen Gesichtsausdruck, der dem einen wahnsinnigen glich. „Aber natürlich“, flüsterte er unheilvoll. „Du hast gesagt, Mr. Dewell kennt Black. Geh zu den beiden rüber!“
Fogg wehrte sich, als Stringer ihn packte und zur Straße drängte. „Das werde ich nicht tun!“ Er befreite sich. „Vielleicht ist es Schicksal, dass es nicht klappen will.“

Verzweifelt schlug Stringer mit beiden Fäusten gegen die Backsteinwand. Dabei stolperte er und schlug mit dem Gesicht gegen den Stein. Wenige Sekunden später sackte er resignierend zusammen, hielt sich dabei den schmerzenden Kiefer. Fogg kniete sich neben ihn. Sein Freund war mit den Nerven am Ende. Wie Stringer gerade auf der Erde kauerte, gab er der Redewendung „völlig am Boden zerstört“ eine sehr anschauliche Verbildlichung.

„… zu nichts zu gebrauchen“, murmelte Stringer jeder Hoffnung beraubt.

Fogg blickte zur Potter und Black hinüber und war froh, dass es so gekommen war. Bei welchen Mächten er sich auch für diese Einmischung ins Schicksal auch bedanken müsste, er würde stellvertretend alle in sein Abendgebet einschließen. Stringer war noch nicht dazu zu bewegen, wieder aufzustehen und der Zukunft ins Auge zu blicken. Mit einem Schlag 30.000 Pfund verloren zu haben war für einen armen Mann mit dem Verlust des Lebenswillen gleichzusetzen, war die Einbuße jeglichen Hoffnungsschimmer. Stringer hatte nur das Geld haben wollen, um sich damit von seinem Fluch zu befreien, denn erst dann wäre es ihm möglich, einen Beruf zu ergreifen und ein normales Leben zu führen. Jetzt würde er weiterhin wegen des Gestanks von allen Menschen gemieden werden, dafür hatte die betrogene Ehefrau gesorgt.

Das zweite Mal, als Fogg über die Straße schaute, war niemand mehr zu sehen. Potter und Black waren gegangen. Er wartete noch eine Weile, bis er diese Information an seinen Freund geben würde. Er wollte nicht noch Salz in die Wunde streuen.

Als zwei Gestalten angerannt kamen, stand Fogg auf und zog seinen Stab. Nach wenigen Schritten waren die beiden völlig durchnässten Squibs bei ihm. Beide waren sichtlich irritiert.

„Wer zum Teufel sind Sie?“, fragte Arnold und erst da wurde sich Fogg wieder darüber bewusst, dass er Mr. Duvalls Äußeres zur Schau stellte.
„Ich bin Fogg.“
Arnold schien zwar skeptisch, glaubte der Aussage jedoch. „Was ist mit dem?“ Lax deutete er mit einer Hand auf Stringer. „Da ist wohl einiges bei eurem Plan in die Hose gegangen. Ich wusste es, dass ihr …“
„Halt’s Maul!“ Den Zauberstab richtete Fogg auf den Squib, der furchtlos der Bedrohung ins Auge sah.
Arnold kam der Aufforderung nicht nach. „Wer war der Typ bei Potter?“
„Der echte Sirius Black.“
„Ah“, machte Arnold lang gezogen, womit er seine ganze Verachtung zum Ausdruck bringen wollte. „Der ‘echte‘ Sirius Black. Du bist ja nicht mal der Falsche, also was läuft hier? Habt ihr das mit Absicht gemacht? Habt ihr sabotiert?“ Arnolds Gesicht verfinsterte sich genauso wie der Himmel, als er durch die Zähne zischte: „Denn wenn ja, das schwöre ich, wird Hopkins euch jagen und verbrennen, wie er es mit all den anderen getan hat.“
Fogg traute seinen Ohren kaum. „Was hat er getan?“, flüsterte er schockiert über diese Neuigkeit.
Der andere Squib lenkte seinen Bruder ab. „Arnold, sieh mal.“

Auch Fogg folgte mit seinem Blick dem ausgestreckten Zeigefinger und sah zu Besenknechts Sonntagsstaat hinüber. Die Tür war geöffnet. Jemand verabschiedete eine junge Dame. Ginevra Molly Weasley, die Tochter des Zaubereiministers.

„Was führt ihr im Schilde?“

Kaum hatte Fogg diese Frage gestellt, wurde er von beiden Squibs angegriffen. Den älteren, Arnold, traf er noch mit einem Fluch, der ihm eine klaffende Wunde am Unterschenkel bescherte. Alex hatte zu einem Mülltonnendeckel gegriffen, mit der er Fogg mit aller Wucht gegen den Hinterkopf schlug. Sofort ging der Zauberer zu Boden. Er landete vor Stringers Füßen, der das unwirkliche Szenario wie in einem Traum erlebte. Vor ihm lag bewegungslos sein Freund, links von ihm der Squib, der sich in Schmerzen wandte. Alex verschaffte sich in Windeseile einen Überblick über die Situation und entschloss, dass Stringer keine große Gefahr zu sein schien, so abwesend wie der Zauberer dreinblickte. Trotzdem nahm er ihm vorsichtshalber den Stab ab, wogegen sich der Mann nicht einmal wehrte.

„Arnold?“ Alex kniete sich neben seinen Bruder und betrachtete den Unterschenkel, der stark blutete. „Ich bin gleich wieder da, Arnold!“ Seine Hand tauchte Alex in das viele Blut, um es an seinem hellen Hemd abzuwischen, bevor er aufstand und der jungen Frau nachlief.

Ginny war froh, dass die Änderungen an ihrem Kleid nur geringfügig waren. Das Ankleiden hatte mehr Zeit in Anspruch genommen als die Begutachtung durch Mr. Masamator. Auf ihrem Weg zum Tropfenden Kessel hörte sie plötzlich jemanden hinter sich. Sofort zog sie ihren Stab und drehte sich um. Der Mann, der ihr gefolgt war, blieb abrupt stehen. Das Blut auf seinem Hemd ließ sie erschauern.

„Können Sie uns bitte helfen? Ein schlimmer Unfall ist passiert. Mein Freund liegt mitten auf der Straße und verblutet“, rief ihr der Mann hastig zu, der auch schon wieder davonrannte und heimlich hoffte, sie würde ihm folgen.
„Warten Sie!“

Er hört sie nicht, weshalb sie ihm nachrannte. Der Weg war nicht weit. In der Gasse sah sie drei Männer am Boden liegen. Einer war bewusstlos, einer am Bein verletzt und der dritte schien einen Schock zu haben.

„Um Himmels Willen, was ist nur geschehen?“
„Helfen Sie meinem Bruder, bitte!“ Der junge Mann deutete auf die Person, die eine klaffende Wunde am Bein hatte und mit schmerzverzerrtem Gesicht zur ihr aufblickte. „Die zwei Zauberer haben uns überfallen, weil sie Squibs nicht leiden können.“
„Warten Sie“, Ginny zog ihren Stab, „ich hole Hilfe.“
„Helfen Sie erst meinem Bruder!“, befahl er. Viel sanfter bat er: „Bitte, er hat große Schmerzen.“

Der Verletzte zog sein Hosenbein in die Höhe. Der Schnitt war tief, aber solche Wunden konnte Ginny heilen. Um Verletzungen dieser Art hatte sie sich in Kriegszeiten häufig kümmern müssen. Im Nu kniete sie bei dem Mann und richtete den Stab auf die Wunde, aus der bereits eine Menge Blut geflossen war. Mit einem beigefarbenen Zauberspruch stoppte sie Blutung, bevor sie die Wunde reinigte schloss.

Weil sie mit dem Rücken zu dem anderen Squib gewandt war, bemerkte sie nicht, dass der eine kleine Flasche aus der Hosentasche zog.

„Das sollte erst einmal reichen, bis …“ Ein Röcheln war von dem hübschen Schwarzhaarigen zu hören, der gerade das Bewusstsein wiedererlangte. Sie robbte zu ihm hinüber. „Sir? Hören Sie mich?“

Die Augenlider zuckten, wenn Regentropfen sie berührten. Seine Lippen bewegten sich, aber sie konnte nichts verstehen, so dass sie sich zu ihm beugte. Dann hörte sie die abgehackten Worte.

„Appa-rieren Sie … ver… verschwinden Sie …“ Mehr konnte Fogg nicht sagen, aber er hoffte, sie würde den Ernst der Lage begreifen.

Ihr wurde heiß und kalt. Im Bruchteil einer Sekunde fühlte sie sich wie an einem der Tage, als ihr und ihren Freunden eine drohende Gefahr bewusst wurde. Todesser. Inferi. Voldemort. Das Bauchgefühl befahl ihr, sofort zu verschwinden.

Es ging alles so schnell.

So schnell.

Ginny drehte sich um, wollte den Mann, der sie hergelockt hatte, verhexen. In der drehenden Bewegung entriss ihr der Squib mit der Beinverletzung den Zauberstab. Sie griff nach der einzigen Waffe, mit der sie sich wehren könnte. Plötzlich legte sich etwas Weiches, Feuchtes auf ihr Gesicht. Nase und Mund waren mit einem Tuch bedeckt. Den Stab ließ sie los, krallte stattdessen ihre Fingernägel in die Hand vor ihrem Gesicht. Sie holte Luft, atmete somit das erste Mal Unheil ein.

Panik übermannte sie. Ihre Schreie wurden durch das Tuch und die kräftige Männerhand unterdrückt. Beim nächsten Atemzug tränten die Augen. Ihre Bewegungen wurden schwächer. Sie hielt die Luft an, wandte sich in den Armen des Schurken, trat blindlings drauf los. Jemand hielt ihre Beine fest. Sie spürte die Berührung kaum noch. Ginny musste Luft holen, atmete mehr und mehr von der flüssigen Besinnungslosigkeit. Ihre Glieder wurden müde, die Bewegungen träge. Sie spürte nur ihren eigenen Herzschlag, alles andere war unempfindlich geworden. Die Augenlider flatterten. Die Farben der Welt verschwanden. In ihren getrübten Gedanken erschienen ihr ein letztes Mal Harry und Nicholas.

Einen Flügelschlag später schwanden ihre Sinne.


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