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Fanfiction

Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Die Jungfrau und der Steinbock

von Muggelchen

Die Liste mit den vielen Pflanzenarten der Ordnung „Ranunculales“ war Severus endlich durch. Über 1.500 Kräuter, Büsche und Lianen hatte er nachgeschlagen und deren Werte überprüft. Er konnte zwar eine Menge der von Hermine notierten Pflanzen streichen, weil sie alle bereits einen festen Wert in der Arithmantik besaßen, aber es waren noch viel zu viele übrig. Eine von den 323 nicht magischen Pflanzen musste die fehlende Zutat für den Heiltrank darstellen. Hermine müsste mit jeder einzelnen Pflanze einen Test machen, indem sie diese erst nach Takedas Anleitung liebevoll großzog und dann den Wert bestimmte. Eine Aufgabe, die Jahre dauern würde.

Gestresst schloss Severus die Augen. Das Licht in den Kerkern tat ihm nicht gut. Früher hatte er sich kaum an der spärlichen Beleuchtung gestört, die die Fackeln oder die paar Öllampen von sich gaben. Durch die täglichen Spaziergänge mit seinem Hund und durch die Arbeit in der Apotheke war er mittlerweile helles Licht gewohnt. Tageslicht. Das Flackern der Kerzen beeinträchtige seine Stimmung. Die tanzenden Schatten an den kalten Steinwänden taten ihr Übriges, um seine Laune auf den Nullpunkt sinken zu lassen.

Missgelaunt durch die Atmosphäre und die Tatsache, dass es noch so viele Pflanzen waren, die als fehlende Zutat in Frage kamen, räumte er die Pergamente zusammen. Er hatte genug von dieser Schule, von diesen Kerkern. Es zog ihn nach draußen. Den Hund nahm er mit, als er die Stufen hinauf ins Erdgeschoss stieg, um etwas frische Luft zu schnappen, sich vielleicht unter einem Baum zu setzen und zu warten, bis es nicht mehr zu früh war, um Hermine aufzusuchen.

Die Unwetter der vergangenen Tage machte es draußen trotz Sonnenschein sehr ungemütlich. Überall war der Boden mit Pfützen übersät, die Erde war matschig. Den Spaziergang hielt er kurz, obwohl Harry sich prächtig amüsierte, aber Severus wollte sich nicht länger die Schuhe schmutzig machen. Nachdem der Hund seinem Bedürfnis nachgekommen war, ging Severus mit ihm zurück in die Kerker, um zur Apotheke zu flohen. Sollte Hermine noch nicht wach sein, könnte er sich die Zeit auch selbst vertreiben, vielleicht mit einem Band aus ihrem Bücherregal. Er würde es sogar hinten im Garten lesen, aber nur, wenn es einen Platz im Schatten gab. Außerdem hatte Severus Hunger. Ein Frühstück in der Apotheke versprach zudem die ersehnte Ruhe vor den ganzen Schülern, die sich wegen der UTZe kurz vor oder schon mitten in einer Nervenkrise befanden.

Er fand Hermine im Labor vor, als er vorsichtig hineinlugte. Da sie so konzentriert las und sich sogar Stichpunkte mit der Feder machte, wollte er sie nicht stören. In der Küche schlug er ein paar Eier in die Pfanne und schnitt sich etwas vom Toastbrot ab. Das konnte zwar mit dem Frühstück der Hauselfen in Hogwarts nicht mithalten, aber es war selbstgemacht.

Als die einfache Mahlzeit zubereitet war, wagte er es, Hermine zu stören.

„Hermine?“ Sie blickte auf. „Appetit auf ein paar Eier?“
„Guten Morgen, Severus“, erwiderte sie mit fröhlichem Gesicht. „Ja gern.“

In der Küche ließ sie sich von ihm bedienen. Auch Tee und Kaffee waren gemacht und das Rührei verströmte einen appetitanregenden Duft.

„Ich wusste gar nicht“, sie hielt kurz inne, weil sie den üppig gefüllten Teller beäugte, „dass du gern kochst.“ Gleich darauf kostete sie von dem deftig gewürzten Frühstück.
„Ich kochte nicht gern“, offenbarte er, als er gegenüber von ihr Platz nahm. Weil sie ihn verwundert anschaute, versuchte er zu erklären: „Ich empfinde es als lästig. Nur weil ich es gut kann, heißt das nicht, dass ich es gern mache. Es ist eher zu vergleichen mit dem Unterricht in Hogwarts oder mit dem Saubermachen – es musst getan werden.“
„Saubermachen kann aber jeder.“ Sie nahm noch einen Happen in den Mund, kaute und schluckte. Ein wonniger Seufzer entwicht ihr. „Wenn ich so kochen könnte, würde ich es gern machen.“
„Ich könnte es dir beibringen, Hermine, aber weil das nicht gerade mein Steckenpferd ist, musst du damit rechnen, dass ich ein sehr ungeduldiger Lehrer sein werde.“
„Meine Eltern haben es mir nie beigebracht und Molly hat sich an mir die Zähne ausgebissen. Wie hast du kochen gelernt?“
Severus zögerte. „Gar nicht, ich habe es mir von meiner Mutter abgeschaut. Nachdem sie gestorben ist, blieb diese Arbeit an mir hängen.“
„Inwiefern?“
„In den Ferien musste ich Zuhause selbst kochen, wenn ich etwas anderes außer Dosenessen, Porridge oder dünnen Suppen haben wollte. Mein Vater konnte ebenfalls kochen und das gar nicht mal schlecht, er war nur die meiste Zeit nicht mal mehr dazu in der Lage, aufrecht zu gehen.“
„Weil er betrunken war“, ahnte Hermine laut und Severus nickte ihr zustimmend zu. „Hör mal, du musst hier nicht kochen, wenn du das nicht gern machst. Ich könnte mich doch darum küm…“
Mit hochgehaltener Hand unterbrach er sie. „Nein, das ist nicht notwendig.“
„So schlimm schmeckt das nicht, was aus meinen Töpfen kommt.“
„Ich sagte, es ist nicht notwendig.“

Er ließ nicht mit sich diskutieren. Vorgetäuscht eingeschnappt widmete sie sich ihrem Frühstück. Nach einer Weile wollte sie ihn über die Fortschritte in Kenntnis setzen.

„Die Lösung ist übrigens entschlüsselt“, sagte sie nebenher, als hätte sie nur ein belangloses Thema angesprochen. Severus hingegen war ganz Ohr. „Septina musste noch jemanden fragen, weil das von mir errechnete Ergebnis nicht komplett arithmantisch war.“
„Wie ist das möglich?“
„Da fragst du mich zu viel. Septina meinte, dass sie meine Berechnung für sehr kompliziert, aber auch für vorbildlich durchgeführt hält.“ Gegen das stolze Grinsen konnte Hermine nichts tun. „Die Lösung war zusätzlich astronomisch und astrologisch angehaucht. Meine Zutatenwerte waren identisch mit den astronomischen Maßangaben für die Ausdehnung von Himmelsobjekten.“
Severus stutzte. „Und wie exakt ist diese Übereinstimmung?“
„Sehr exakt, Severus. Ich hab alles nachgeprüft. Das gesamte Himmelsgewölbe beherbergt auf 88 Sternbildern verteilt über 41.000 dieser Quadratgrade! Es wäre schon ein seltsamer Zufall, dass die nicht nur mit den Werten für die Zutaten übereinstimmen, sondern darüber hinaus auch noch die Daten für eine Bauanleitung liefern.“
Diese Information überforderte ihn. „Hermine, ich befürchte, du hast mich nicht ganz auf dem Laufenden gehalten. Was für eine Bauanleitung?“
„Ich hab es auch erst erfahren und wollte mich deswegen in die Materie einarbeiten, bevor ich in die Verlegenheit komme, mich bei einer Erklärung dir gegenüber völlig zu blamieren.“
„Um dich zu blamieren reicht es völlig aus, wenn du einmal für mich kochst.“
Sie gab ihm an seinem Oberarm einen leichten Stoß mit dem Handrücken. „Das wird mir ewig nachhängen, oder? Da hat Harry ja ganze Arbeit geleistet, meine Künste in ein schlechtes Licht zu rücken, dabei hat er nur einen einzigen Keks von mir gekostet.“
Einer seiner Mundwinkel zuckte amüsiert. „Zurück zum ‘Sternbild des steinharten Kekses‘.“ Warnend kniff sie bei seiner Überleitung die Augen zusammen, woran er sich nicht störte. „Du sprachst von einer Bauanleitung.“
„Korrekt. Du hast ja gesehen, dass ich auch geometrische Formen errechnet habe. Mit Hilfe aller Zahlen hat Aurora ein Konstrukt zu Papier gebracht, das man auch als Multi-Blumentopf bezeichnen kann. Komm mit, ich zeig es dir.“

Ihre Unterlagen waren im Nu aus Küche und Labor zusammengesucht. Die Kanne Kaffee musste mit, als sie ihn ins Wohnzimmer bat. Auf dem viel zu kleinen Tisch breitete Hermine die von Aurora gezeichnete Bauanleitung aus, die Severus aufmerksam musterte.

„Ein dreieckiges Gebilde, in dem mehrere Pflanzen gezogen werden“, murmelte er, als ihm die Pfeile aufgefallen waren, die jeweils auf einen der insgesamt neun Vertiefungen deuteten.
„Ich bin im Moment dabei, mich mit magischer Schreinerei auseinander zu setzen, um ihn zu bauen.“
„Tatsächlich?“, fragte er, als würde er ihr ein handwerkliches Geschick gar nicht zutrauen.
„Ja, ich habe mir zwei Bücher gekauft, in denen alles drin ist, was ich für einen Bau dieser Größenanordnung benötige.“
„Darf ich mal sehen?“ Seine Frage hatte Hermines Bewegungen einfrieren lassen. „Hermine? Darf ich die Bücher bitte mal sehen?“
„Nein, die sind doch überhaupt nicht wichtig! Lass mich den Kasten einfach bauen, ich mache da schon keinen Fehler.“
„Vielleicht möchte ich dir ja helfen? Ich kenne keine Handwerkszauber und würde gern einen Blick hineinwerfen.“

Die beiden Bücher hatte er längst unter einem Stapel Pergamente entdeckt. Es war ihm jedoch ein Rätsel, warum sie sich so sträubte.

„Nun, wenn du sie mir nicht gibst …“ Ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, langte er hinüber und zog die beiden Bücher hervor. Einen Augenblick betrachtete er ihre erröteten Wangen. Es war ein Anblick, der bei ihm Anklang fand. Gleich darauf schaute er sich die Titel an. Er verzog das Gesicht, als er sie mit hörbarer Geringschätzung laut vorlas: „‘Werkeln im Wohnbereich‘ und ‘Zimmern mit Zaubern‘?“ Ein Seufzer entwich ihm. „Beide sind von unserem ‘geschätzten‘ Gilderoy Lockhart verfasst.“
Sofort ging Hermine in den Selbstverteidigungsmodus über, als sie beteuerte: „Er hat die Zaubersprüche ja nicht selbst erfunden, sondern nur zusammengetragen! Die Bücher stehen im Handwerksbereich noch immer unter den Top Ten, genau wie seine Bücher mit Haushaltstipps! Das hat man mir jedenfalls bei Flourish und Blotts gesagt.“
„Und wenn ich daherkommen sollte und die wirkungsvollsten Schutzzauber gegen Dunkle Magie aufliste – die ich nicht einmal selbst erfunden haben –, sie auch noch in einem Buch zusammenfasse, dann ist es genauso wenig eine Meisterleistung wie die Bücher von Lockhart.“
Hermine zuckte mit den Schultern. „Es gibt noch kein solches Buch wie du es beschreibst, Severus. Das wäre eine Marktlücke.“
„Führe mich nicht in Versuchung, Hermine.“
„Nur keine Sorge, das würde bei mir ganz anders aussehen.“ Frech zwinkerte sie ihm zu, bevor sie sich wieder den Unterlagen widmete. „Die Werte für den Kasten stehen für den normalen Feldahorn. Es wird also nicht schwer werden, auch nicht besonders teuer, das Holz zu bekommen. Dank der gesammelten Zaubersprüche fürs Hobeln, Zuschneiden und dergleichen wird der Blumenkasten im Nu fertig sein.“
„Fehlt nur noch eine Pflanze oder hast du sie schon gefunden?“, fragte er hoffnungsvoll.
„Leider noch nicht, aber ich bin zuversichtlich. Ich werde erst einmal alles vorbereiten und zwischendurch fleißig weitersuchen.“ Hermine blickte ihm direkt in die Augen. „Mit der Liste schon weitergekommen?“
„Es stehen nur noch die Pflanzen darauf, die potenzielle Kandidaten darstellen. Trotzdem sind es zu viele, um daraus irgendetwas zu erkennen.“
Sie nickte. „Ich werde Neville mal die Liste geben. Vielleicht kann er etwas dazu sagen. Ich freue mich übrigens jetzt schon drauf, wenn ich ein paar Freunde darum bitten werde, sie mögen sich wie Harry um bestimmte Pflanzen kümmern.“
Hier riss er für einen kurzen Moment die Augen weit auf, um seine Überraschung kundzutun. „Was meinst du damit wieder?“
„Die Pflanzen müssen von Menschen umsorgt werden, die in einem bestimmten Tierkreiszeichen geboren wurden. Das Pfeilkraut ist dem Löwen zugeordnet. Es war purer Zufall, dass Harry sich bereits um diese Pflanze gekümmert hat“, erklärte sie gelassen.
Von ihrer Ruhe hatte Severus momentan nichts inne. „Wer muss denn noch mit einbezogen werden?“
„Mach dir da mal keine Sorgen. Die werden schon keine Fragen stellen, wenn ich sie darum bitte.“
„Sprich endlich!“, forderte er.
Einen Seufzer konnte sie nicht unterdrücken, bevor sie ihm alles erklärte. „Harry ist vom Sternzeichen Löwe.“
„Ja, das sagtest du bereits.“

Sie nahm eines der Papiere von Aurora zu Hilfe. Darauf waren die Sternzeichen notiert und dahinter die Pflanzen.

„Heißt also, Harry kümmert sich um diese Pflanzen“, sie tippe auf entsprechende Stelle auf dem Pergament. „Dracos Sternzeichen ist Zwillinge, er übernimmt diese hier.“
„Wer ist Fische?“
„Da musste ich wirklich eine Weile überlegen. Ich weiß zwar, wer wann Geburtstag hat, aber ich habe die Daten nicht im Kopf, wann ein Tierkreiszeichen endet und ein neues beginnt. Zum Glück steht in jeder Tageszeitung ein Horoskop. Das Symbol für dieses Tierkreiszeichen sind zwei Fische, die in entgegengesetzte Richtungen schwimmen. Ein Fischemann ist hin und hergerissen, hat aber ein sehr ausgeprägtes Gespür für seine Mitmenschen.“

Hermine stockte, weil sie nicht mehr weiterwusste, zauberte sich aber per Aufrufezauber den letzten Tagespropheten an den Tisch und schlug die Seite mit den Horoskopen auf.

„Ja, hier, Fische – 20. Februar - 20. März: Seine Persönlichkeit ist einfühlsam, er ist empfänglich für die Probleme seiner Freunde. Er sieht durch Schutzmauern hindurch und erkennt den wahren Kern eines Menschen. Er ist ein romantischer Träumer, der sich wegen der inneren Zerrissenheit nach einem Gleichgewicht seines eigenen Gemüts sehnt. Seine Hilfsbereitschaft, die auch in vollkommener Aufopferung enden kann, macht ihn zu einem treuen Freund, zu einem perfekten Trostspender. Er hat wegen dieser Eigenschaften fast keine Feinde. Fischemänner sind überaus vorsichtig und sehr schüchtern. Aus Beziehungen möchten sie sich oft herauswinden. Aber gerade die Neigungen des Fisches, durch sein sensibles Wesen in Selbstzweifeln zu ertrinken, kann von einem Partner ferngehalten werden.“
„Es reicht“, warf Severus ein, „ich habe eine Ahnung, von wem wir hier sprechen.“
„Ich habe doch nur die Beschreibung von einem Tierkreiszeichen vorgelesen, Severus. Von wem also sprechen wir denn deiner Meinung nach?“
„Lupin!“
„Der Punkt geht an dich! Es ist irgendwie unheimlich, dass die Beschreibung so gut passt. Das Element der Fische ist natürlich das Wasser. Das der Zwillinge ist die Luft.“
„Hat das eine wichtige Bedeutung?“ Eine Augenbraue wanderte gen Haaransatz. „Ich frage nur, weil mich dieses Thema in der Regel langweilt.“
Sie warf ihm einen Blick zu, der besagte, dass er nicht ungeduldig sein sollte. „Das Element des Löwen, also von Harry, ist das Feuer, beziehungsweise ist sein Planet die Sonne. Fällt dir dabei nichts auf?“

Er kniff die Augen zusammen und grübelte nach.

„Die Prophezeiung fällt mir dabei ein und ehrlich gesagt mag ich den Wortlaut in diesem Zusammenhang ganz und gar nicht.“
„An die Prophezeiung habe ich gar nicht gedacht“, gestand Hermine.
„Inwieweit sollte mir sonst etwas auffallen? Oder spielst du darauf an, dass diese Elemente auch genau die sind, mit denen man Pflanzen zum wachsen bringt?“
„Noch ein Punkt für dich, Severus!“
„Kann ich diese Punkte auch irgendwann einlösen oder sind die nur imaginär?“
„Wenn du genug beisammen hast, dann lasse ich mir etwas einfallen“, scherzte sie. „Natürlich gibt es nur vier Elemente, aber in der Rechnung hätten auch welche doppelt oder dreifach vorkommen können. Ich denke nicht, dass es Zufall ist, dass alle einmal vertreten sind.“
„Alle? Es fehlt aber noch ein Element, Erde!“
„Und da kommen wir beide ins Spiel“, sie legte einen Arm und seine Schulter, „wobei du nur ein paar Federn lassen musst, nicht mehr.“

Einen Augenblick länger als erwartet ließ sie ihren Arm dort, wo er war, bevor sie sich den anderen Zeitschriften zuwandte. Sie blätterte in einer Zeitschrift, die das Format des Klitterers hatte.

„Bei diesen Horoskopen muss ich sagen, stimmt die Beschreibung der Personen sehr genau. Bei Draco scheinen früher seine negativen Eigenschaften dominiert zu haben: unzuverlässig, launisch, unehrlich, oberflächlich. Ich erkenne sein damaliges Ich sehr gut wieder. Heute sieht es natürlich anders aus: schnelle Auffassungsgabe, freundlich, modern, mitfühlend, sprachgewandt. So sehe ich ihn heute auch.“
„Können wir wieder zum Thema zurückkommen oder muss ich noch mehr Punkte sammeln?“
„Ich bin Jungfrau“, sagte sie völlig unvorhergesehen, so dass Severus der Mund offen stand. Weil auch ihr die Zweideutigkeit im Nachhinein nicht entgangen war, machte sie deutlich: „Natürlich als Tierkreiszeichen.“
Sein Mund schnappte zu und man hörte ihn einmal schlucken, bevor er trocken erwiderte: „Jede andere Erklärung hätte auch meine Einschätzung von Mr. Weasleys Persönlichkeit zunichtegemacht. Was hat die Jungfrau bei der ganzen Angelegenheit für eine besondere Aufgabe?“
„Den Trank zu brauen, vorher die Pflanzen zu ziehen und dafür zu sorgen, dass sie unter dem richtigen Einfluss stehen.“ Sie blätterte in einer der Zeitschriften und hielt sie ihm unter die Nase, tippte dabei auf eine bestimmte Stelle. „Hier, lies mal! Die Übereinstimmung finde ich ganz außergewöhnlich, aber das Beste ist der Schluss.“

Es war eine Abhandlung über das Tierkreiszeichen Jungfrau, die zum Glück nicht allzu lang war. Er tat ihr den Gefallen und las still für sich.

‘Die ordnungsliebende Jungfrau ist für ihren scharfen Verstand und ihren Arbeitseifer bekannt, beobachtet zudem ihre Umwelt sehr kritisch und hinterfragt alles und jeden. Durch ihr Pflichtbewusstsein und ihre Pünktlichkeit gilt sie häufig als Streber, kann aber Sympathie erwecken, wenn sie auf weniger perfekte Mitmenschen eingeht und nicht mit ihrem Wissen prahlt. Durch den Merkur besitzt sie ausgeprägte und intellektuelle Fähigkeiten, wodurch die Basis für Vernunft und methodische Analyse geschaffen ist. Zufälle und Unordnung verabscheut sie, nur bei systematischer und durchstrukturierter Arbeit fühlt sie sich wohl. Ihr Auge für Details lässt sie Aufgaben erledigen, die andere als lästig empfinden. Fehler will sie immer vermeiden, sucht und analysiert sie daher bei sich selbst und bei anderen. Mit ihrer beeindruckenden Allgemeinbildung und ihrem wachen Geist ist sie darüber hinaus ein begehrter Gesprächspartner und ein hervorragender Ratgeber. Die Jungfrau ist immerzu erpicht darauf, ihren Geist zu schulen, entpuppt sich dabei nicht selten als Klassenbeste. Selbst mit einem Partner soll alles geregelt ablaufen, auch wenn sie keinesfalls auf einen Mann angewiesen ist. Sie ist selbstsicher und lässt sich nicht blenden, behält immer einen klaren Kopf, um ihre Beziehung objektiv zu beurteilen. Hinter dieser kühl wirkenden Strategie verbirgt sich jedoch eine romantische Seele, die nicht verletzt werden will. Bei Kollegen und Freunden bevorzugt sie glasklare Aussagen. In der Partnerschaft schätzt sie vernünftige Kompromisse. Der Jungfrau wird das Element Erde zugeordnet, ihre Farben sind goldbraun und gelb, ihre Pflanze der Weinstock. Sie mag Himbeeren und Kräutertees, Diskussionen und Dokumentationen. Ihre Wohnung richtet sie zweckdienlich mit einer unverkennbaren Liebe zum Detail ein.‘

Severus stutzte einen Moment und blickte sich im Wohnzimmer um. Das Bücherregal machte beinahe die halbe Möblierung aus. Auf einem Schränkchen stand als Blickfang angeordnet ihr Bonsai-Bäumchen. Kitschiges war kaum vorhanden und wenn doch, dann aus dem elterlichen Haus. Severus las noch den letzten Satz in Gedanken.

‘Tiere, die man mit der Jungfrau in Zusammenhang bringt, sind kleinere Haustiere wie Katzen, Kaninchen und Kniesel, aber auch außergewöhnliche, wie den Drachen oder den Sekretärvogel.“

Spätestens jetzt war der Moment gekommen, in welchem er zumindest versuchen wollte, der von ihm immer so abwertend behandelten und mit Vorurteilen gesehenen Astrologie vielleicht doch eine Chance zu geben. Aber nur unter der Voraussetzung, dass er seine Sprache wiederlangen würde.

„Das ist …“ Noch immer fehlten im die Worte.
„Genau so ging es mir auch. Mir sind die Augen rausgefallen, als ich die Zeitungen von Luna durchgegangen bin.“
Bevor er nachdenken konnte, fragte aus einem Reflex heraus: „Du hast Miss Lovegood darüber informiert?“
„Nein Severus, ich wusste nur, dass der Klitterer mal einige Ausgaben herausgebracht hat, die sich sehr ausführlich mit Astrologie und Sternzeichen befassten. Die habe ich bei ihr angefordert und auch bekommen.“

Die Zeitschrift, in der er gelesen hatte, nahm sie ihm einfach aus der Hand, obwohl es auf der nächsten Seite mit dem Tierkreiszeichen Jungfrau noch weiterging. Als sie den Klitterer weglegen wollte, schnappte er ihn sich.

„Ich war noch nicht fertig.“
„Den Rest brauchst du nicht lesen“, machte sie ihm weis. „Da steht nichts Interessantes.“
„Darf ich das bitte selbst beurteilen?“
„Es ist nicht wichtig!“

Ohne auf ihr seltsam sträubendes Verhalten einzugehen entriss er ihr kurzerhand das Magazin und blätterte zu der Seite, die er eben noch gelesen hatte. Hermine wollte es ihm vermiesen.

„Du glaubst doch gar nicht an so einen Humbug.“
Severus schnaufte. „Wer hat mir denn eben vor Augen gehalten, wie genau so eine Beschreibung sein kann?“
Als wäre es die beste Art zu kontern, zog sie eine andere Zeitschrift aus dem Stapel. „Dann lese ich eben über den Steinbock.“
„Mach doch.“

Beide lasen über das Tierkreiszeichen des anderen. Als er Hermine schnaufen hörte, fragte er, was sie so amüsieren würde.

„Hier steht es endlich mal schwarz auf weiß: Du bist stur!“
„Unsinn!“, entgegnete er trotzig.
„Soll ich vorlesen?“, fragte Hermine mit einer hochgezogenen Augenbraue, die ihm verriet, dass sie es auch tun würde, sollte er verneinen. „Also, hier steht: ‘Auf der positiven Seiten des Steinbockmannes stehen dank Saturn seine Willensstärke und Ernsthaftigkeit, aber es befinden sich auch viele sture Schwarzseher unter ihnen.“ Mit einer eingelegten Pause wollte sie das Vorgelesene dramatisch untermalen, was er mit einem gelangweilten Gesichtsausdruck kommentierte. Sie las sogleich weiter: „‘Ganz wie das Tier überwindet er steile Wege mit überlegten Sprüngen. Geduld und Gründlichkeit nehmen bei ihm den gleichen Stellenwert ein wie die Konzentration. Ist er sich einer Sache sicher langt er zu und bleibt bei seiner Entscheidung, denn ein dauerhafter Erfolg ist ihm wichtig. Mit bemerkenswerter Zielstrebigkeit erkämpft er sich auf der Karriereleiter den Weg nach oben. Er sucht sich eine Partnerin …“
„Ich denke, ich habe genug gehört. Das ist alles Hokuspokus.“ Der erhoffte Erfolg, sie am Weiterlesen zu hindern, blieb aus.
Hermine wiederholte den letzten Satz: „‘Er sucht sich eine Partnerin, die ihn dabei begleitet. Der Steinbock kann sich menschenfreundlich geben, obwohl er meist kühl und wortkarg auftritt. Selten ist er ein gesehener Gast bei Gesellschaften jeder Art.‘“
„Siehst du? Wenn es sogar in den Sternen steht, dass ich mich auf Hochzeiten und dergleichen nicht wohl fühle, willst du da noch wiedersprechen?“, hielt er ihr mit einem Schmunzeln vor Augen.
„Herrje, Severus. Eben war es noch Unsinn, was hier geschrieben steht, und plötzlich versteckst du dich hinter astrologischen Aussagen. Man nimmt eben nur die Passagen, die man für seine Zwecke auslegen kann, richtig? Mal sehen, was hier noch steht. ‘Seine Ernsthaftigkeit legt er nie vollkommen ab. Gut geeignet ist er für tiefsinnige Gespräche. Seine Zurückhaltung und Unfähigkeit, offen zu reden, sorgt häufig für Missverständnisse.‘“
„Das ist eine Frechheit und auch eine Lüge!“
„Es passt doch wunderbar“, verteidigte sie die Beschreibung im Klitterer. „Aber es kommt noch besser: ‘Positiv wirkt sich der weiche Kern aus, den meist nur eine Partnerin unter der harten Schale entdeckt.‘“
„Ich höre mir das nicht länger an!“

Beleidigt stand Severus auf und wollte gerade das Wohnzimmer verlassen, da vernahm er ihre Stimme, die weiter vorlas. Er blieb stehen, denn in Wahrheit wollte er es hören.

„‘Steinböcke nehmen die Liebe äußerst ernst. Von der Partnerin fordert er bedingungslose Treue, die auch ihn selbst auszeichnet. Ehen mit ihm sind dauerhaft, was am Durchhaltevermögen des Steinbocks liegt. Ihm wird das Element der Erde zugeordnet, seine Farben sind allgemein dunkel gehalten; Schwarz oder Dunkelblau. Er mag deftiges Essen und bittere Getränke, Berufslektüre, Sach- und Wissensbücher. Die Wohnung ist mit soliden Möbeln eingerichtet, wirkt dadurch etwas nüchtern. Tiere, die man mit dem Steinbock in Zusammenhang bringt, sind Huftiere wie Rehe, Esel und Pferd. Seine Pflanze ist die Birke.‘“ Hermine blickte von der Zeitschrift auf. „Was hältst du von dem Teil?“
„Ich habe Appetit auf etwas Deftiges bekommen“, erwiderte er, bevor er nach unten zur Küche ging.

Dem Hund gab er etwas zu fressen und weil er gerade dabei war, dem Kniesel auch. Severus dachte über Astrologie nach und wie sehr er dieses Getue verabscheute. Astrologie wurde gern als Humbug gesehen, genauso wie Wahrsagen, aber meist von Muggelgeborenen, die das Thema nur aus ihrer Welt kannten. In der Magischen Welt hatten Wahrsagen, Kartenlegen oder Teeblätter-Lesen eine ganz andere Bedeutung, vor allem aber waren es brauchbare und anerkannte Methoden zur Zukunftsdeutung, denn sonst würde Hogwarts diese Dinge nicht lehren.

Wütend öffnete er den Vorratsschrank und griff sich den Schimmelkäse. Es war einer von der Sorte, bei dem Hermine immer die Nase rümpfte. Auf einer Seite war es ihm unangenehm, dass die Beschreibung des Steinbocks so gut auf ihn zutraf. Die der Jungfrau war für Hermine ebenso treffend. Er fragte sich, ob man das dem Zufall zuschreiben könnte, doch dass selbst Remus bei den Fischen zu erkennen war, machte ihn am Ende stutzig. Besonders aber schwirrte eine Zeile in seinem Kopf umher. Es handelte sich um die letzte Zeile, die bei der Jungfrau stand, denn dort wurde das Thema behandelt, welches andere Sternzeichen perfekt zu ihr passen würde.

„Es war doch nur Spaß“, hörte er sie von der Tür aus reumütig sagen. „War doch nicht ernst gemeint. Mich interessieren Horoskope und Tierkreiszeichen überhaupt nicht.“ Sie kam einige Schritte näher an ihn heran und es wurde schwer, sie weiterhin zu ignorieren. „Ich finde trotzdem lustig, wie alles zu passen scheint. Wahrscheinlich hat man die Beschreibungen der Eigenschaften so allgemein gehalten, dass sie auf jeden zutreffen würden. Was bei der Jungfrau steht, passt nämlich auch wunderbar zu dir.“
„In der Welt der Astrologie gibt es nur zwölf Tierkreiszeichen.“ Gemächlich schnitt er den weichen Käse und legte ihn auf sein Brot. „Man kann nicht alle Menschen der Welt in nur zwölf Kategorien einteilen.“

Mit dem fertigen Brot in der Hand drehte er sich zu ihr. Wie erwartet rümpfte sie die Nase beim Anblick des Schimmelkäses.

„Ich könnte wetten, als du die Vorratskammer aufgemacht hast, ist er“, sie nickte zum Käse, „dir schon freudig entgegengelaufen.“
„Da kannst du Recht haben.“

Gemeinsam nahmen sie am Küchentisch Platz. Hermine hatte einige der Unterlagen und Zeitschriften mitgenommen.

„Während du isst, kann ich dir noch etwas Interessantes erklären.“
„Nein“, winkte er ab, „ich habe genug von Sternzeichen und Astrologie.“
„Es geht um Harrys Sternzeichen, um den Löwen. Das ist wirklich lesenswert.“
Er seufzte. „Gut, dann lies vor.“
Damit er in Ruhe essen konnte, kam sie seiner Bitte nach und las: „Der Löwe-Mann ist die Lebensbejahung in Person. Das Kind der Sonne strahlt Wärme und Freude aus und verfügt dank seines Charismas über ausgezeichnete Führungskräfte. Wie das Tier bewegt auch er sich in seinem Leben frei und selbstbewusst. Wenn der Löwe brüllt, horcht jeder auf, denn sein Wort hat Gewicht.“

Unweigerlich musste Hermine an Harrys Auftritte denken, als Phönixorden und DA noch eins waren. Keines der älteren Mitglieder hatte sein Wort je angezweifelt. Severus hingegen hatte Bilder der Ordensverleihung vor Augen, wo Harry mit seiner Rede jeden zum Schweigen gebracht hatte.

Hermine las weiter: „Von seiner Großherzigkeit profitieren alle; er hat ein Herz aus Gold. Dank seines feurigen Planeten verfügt er über unglaubliche Energien, die ihn zu einer wahren Lichtgestalt heranwachsen lassen. Sein Einsatz für die Schwächeren ist in materieller und auch emotionaler Hinsicht schier grenzenlos uneigennützig. Hat er erst seine Maske mit negativen Eigenschaften abgelegt, wird er die Umwelt mit seiner Herzenswärme fluten. Einschränkungen in seinem Handeln sind dem Löwen zuwider.“
Mit hoch gehaltener Hand unterbrach Severus sie und bestätigte: „Mit seinen nächtlichen Wanderungen über das Schulgelände hat er seine Abneigung gegen Einschränkungen, sprich Schulregeln, schon sehr früh zum Ausdruck gebracht.“
„Ich war ja manchmal auch mit dabei, als wir zum Beispiel mitten in der Nacht hinter Professor Quirrell her waren.“
„Dafür verdient ihr heute noch eine Tracht Prügel und zwar alle drei! Das zeigt mal wieder, wie ignorant und unbelehrbar Gryffindors sind.“
Hermine schnaufte. „Nicht alle. Neville wollte uns einmal aufhalten. Tut mir heute noch leid, dass ich an ihm meinen ersten Petrificus Totalus ausprobiert habe. Albus hat ihm dafür sogar Punkte gegeben, dass er sich uns in den Weg gestellt hat, erinnerst du dich?“
Seine Zähne knirschten. Verbissen nickte er. „Ich erinnere mich nur zu gut. Slytherin hat in diesem Jahr den Hauspokal abtreten müssen.“ Er seufzte, bevor er sie dazu aufforderte weiterzulesen, was sie auch tat.

„Der Löwe setzt seinen Kopf durch, denn er muss sich frei entfalten, damit er ein Lichtgeber werden kann wie sein Planet. Durch seine mit der Zeit gewonnenen Ausgeglichenheit und seinen schöpferischen Fähigkeiten eignet er sich bestens als Kindergärtner oder Lehrer, ist aber auch als Künstler ein As, denn er hat einen Blick für Motive und ein Gehör für Klänge. Er braucht keine feste Hand, die ihn führt, aber eine starke Frau an seiner Seite ist dennoch herzlich willkommen. Der Löwe will eine gleichwertige Partnerin haben, mit der er zusammen sein Heim verteidigt. Das Element Feuer steht für den Löwen, seine Farben sind daher Gold und Leuchtweiß. Seine Pflanzen sind die Palme, der Goldregen und natürlich die Sonnenblume. Er mag seine Mahlzeiten herzhaft, auch fruchtig oder mit vielen Kräutern, trinkt dazu Rotwein oder Kürbissaft. Die Wohnung des Löwen ist prunkvoll eingerichtet, wobei sehr auf Farbenprächtigkeit geachtet wird. Löwen lesen gern Abenteuerromane, sind wenig philosophisch interessiert. Dem Sternzeichen Löwe wird neben sämtlichen katzenartigen Raubtieren auch einige Adlerarten zugeordnet, aber auch der Hirsch, Drache oder gar der Goldfisch.“

Langsam klappte Hermine den Klitterer zu. Severus verspeiste gerade den letzten Happen seines Brotes, als die goldene Sonne aus seinem Traum wieder sehr präsent wurde, doch er teilte seine Gedanken nicht Hermine mit, genau wie es im Klitterer für den Steinbock geschrieben stand. Innerlich seufzte er. Er konnte tatsächlich nicht offen über alles reden, egal wie vertraut er mit Hermine war. Insgesamt hatte er ein ungutes Gefühl, denn wenn die Prophezeiung von Sibyll wahr werden sollte, würde er sich auf etwas gefasst machen müssen. Trotz seiner eingedämmten Fähigkeit, emotional reagieren zu können, spürte er den Atem der Furcht in seinem Nacken. Gänsehaut. Er schüttelte sich.

„Ist dir kalt?“ Hermine blickte neben sich auf das Thermometer. „Es sind 22 Grad.“
„Nein.“ Natürlich sprach er nicht an, was ihn bedrückte. „Ich habe nur gerade feststellen müssen, dass der Goldregen, den man dem Löwen zuspricht, eine Zutat im Heiltrank ist.“
„Wieder einer dieser Zufälle. Langsam glaube ich wirklich nicht mehr daran.“

Ein Themenwechsel musste her, dachte Severus. Astrologie gefiel ihm nicht, weil er sich in diesem Fach nicht auskannte und die erfahrenen Einzelheiten mit ihrer hohen Trefferquote Unbehagen bereiteten. Vermeiden wollte er unbedingt das dazugehörige Thema des perfekten Partners. Solche Gespräche lagen ihm ganz und gar nicht.

„Hat der Halunke gesagt, wann er den Vielsafttrank abholen möchte?“ Der Themenwechsel war perfekt eingeleitet. Hermine erschauerte beim Gedanken an den Überfall und an den üblen Geruch des Mannes.
„Nein, hat er nicht. Er meinte nur, wir sehen uns in einem Monat.“
„Er scheint zu wissen, wie lange der Brauvorgang dauert. Vielleicht hat er das schon öfters getan?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe ihm gesagt, es dauert einen Monat.“
„Ah“, machte Severus erleichtert. „Dann besteht wenigstens die Möglichkeit, dass du ihn auf eine spätere Uhrzeit vertröstest, wo ich auf jeden Fall hier bin. Ich möchte dich ungern mit diesem Mann allein wissen.“
„Machst dir Sorgen um mich?“ Ihre nette Schäkerei untermalte sie mit einem Zwinkern. Severus behielt seine ernste Miene bei.
„Ich habe lediglich erfahren müssen, dass man die Apotheke nicht allein führen kann. Nur ungern möchte ich dich verlieren und mich mit einem anderen Tränkemeister zusammentun.“
Ihren Schmollmund fand er ganz entzückend, als sie beleidigt sagte: „Das hättest du aber auch netter sagen können.“
„Dann versuche ich es auf andere Weise: Wir beide haben eine so präzise aufeinander abgestimmte Arbeitsweise entwickelt, dass ich sie nicht missen möchte.“
Ihr Lächeln kam zurück, sogar ein wenig verlegen. „Geht mir auch so“, gab Hermine offen zu. „Ich werde jetzt ein paar Bretter aus Feldahorn bestellen.“
„Wo willst du den Kasten bauen?“
„Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Hogwarts wäre perfekt. Am besten bei Neville in einem der wenig genutzten Gewächshäuser.“
Die Idee wägte Severus einen Moment ab, bevor er dagegenhielt: „Ich werde ab Juli hier sein.“
„Ja schon, aber Remus und Harry sind in Hogwarts. Außerdem kann Neville sich um die Pflege kümmern, wenn wir arbeiten. Draco wird die Schule zu der Zeit sehr wahrscheinlich hinter sich gebracht, wird aber sicherlich nach Hogwarts kommen, um seine Aufgabe zu erfüllen. Ich finde, Hogwarts ist der beste Platz dafür.“
Er hatte sie überredet. „Wie du meinst.“

In den nächsten Tagen war Hermine damit beschäftigt, Remus, Harry und Draco für ihr Projekt zu gewinnen. Bei Draco machte sie den Anfang. Der hatte anfangs gestutzt, als sie ihn darum bat, in einem der Gewächshäuser in Hogwarts regelmäßig eine Blume zu berühren. Er schien sogar kurz davor, sie ins Mungos einweisen zu wollen, doch ihre Erklärung, dass die Magie der Personen auf Pflanzen übergehen konnte, diese dadurch unentdeckte magische Wirkstoffe entfalteten, überzeugten ihn.

Im grünen Salon saßen sich Hermine und Draco gegenüber. Er war der perfekte Gastgeber, achtete immer darauf, dass sie zu trinken hatte und sich rundum wohl fühlte.

„Muss ich auf irgendetwas achten?“, wollte er wissen.
„Nein, es reicht fast schon, die Pflanze regelmäßig zu berühren. Man muss sie nicht einmal streicheln oder mit ihr reden, aber das macht der Professor gern, der mir seine Entdeckung mitgeteilt hat.“
Ihre Erklärungen imponierten ihm. „Das alles wird durch deinen Farbtrank sichtbar? Selbst bei Pflanzen?“
Nickend stimmte sie zu. „Das war unglaublich, das hättest du sehen müssen! Die ganzen Büsche und Blumen haben eine magische Einheit gebildet. Als Takeda eine Wasserpflanze berührt hatte, begann auch sie zu leuchten. Das Pfeilkraut, um das sich Harry gekümmert hat, leuchtet noch immer. Offenbar vergeht die übertragene Magie nicht.“
„Weiß jemand davon?“
„Wovon?“, fragte Hermine nach.
„Von deinen Entdeckungen mit den Pflanzen und der Magie?“ Weil sie den Kopf schüttelte, zog er erstaunt beide Augenbrauen in die Höhe. Gelassen schlug er ein Bein über das andere. „Benötigst du Werbefläche?“
„Was bitte?“
„Werbefläche. Ich habe da einige Zeitungen an der Hand, da könnte ich bestimmt etwas arrangieren. Für dich zum Freundschaftspreis, vielleicht sogar umsonst. Ich bin sowieso der Meinung, dass du aus der Apotheke nicht das Beste herausholst. Mit deinem Vanille-Wolfsbanntrank hättest du längst den Markt an dich gerissen!“
„Ich will den Markt gar nicht an mich reißen, Draco. Schon jetzt stürmen die Leute den Laden, wenn der Vollmond nahe ist.“
„Ah“, machte er, als wäre er erleuchtet worden. „Mundpropaganda! Selbst da könnte ich dir helfen, dass man sogar an Orten von dir spricht, wo du noch nicht bekannt bist.“
„Draco, ist das eine Art Geschäftsgespräch, das wir hier gerade führen?“
„Ja, warum denn nicht? Wie sieht es mit deiner Buchführung aus? Schaffst du das allein?“

Hermine war sich nicht sicher, ob Draco von ihr eine Gegenleistung für seine Mithilfe erwartete – das wäre typisch Slytherin. Andererseits kannte sie ihn heute viel besser.

„Warum fragst du?“
Er setzte sich wieder aufrecht hin. „Ich vermittle in Zusammenarbeit mit der Initiative für die Forderung eines … Du weißt, welche Initiative ich meine, du bist dort Mitglied. Ich vermittle Jobs für benachteiligte Bürger. Das wäre doch ganz in deinem Interesse, oder?“

Jetzt dachte Hermine ernsthaft über das Angebot nach. Weder sie noch Severus mochten die anfallende Buchführung, doch wie das Saubermachen oder Kochen gehörte es zum Leben dazu.

„Ein Squib vielleicht?“ Er wollte es ihr schmackhaft machen. „Einer, der in der Muggelwelt eine Ausbildung absolviert hat? Vielleicht ein Werwolf oder eine andere Person, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen aus der Gesellschaft verbannt wurde?“
„Draco, stopp! Ich muss solche Dinge mit Severus besprechen. Ich kann nicht einfach jemanden einstellen.“
Er nickte. „Gut, berede es mit ihm, aber mach das auch! Noch hast du freie Auswahl. Die Kandidaten überprüfe ich persönlich.“
„Was springt für dich dabei heraus?“, fragte sie unverblümt. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass du aus reiner Herzensgüte Jobs vermittelst.“
„Einmalig 100 Galleonen von dir, wovon die Hälfte an die Initiative geht, die Hälfte in mein Geschäft fließt.“
Das war logisch, dachte sie. „Was machst du eigentlich geschäftlich? Ich habe gehört, du bist der alleinige Sponsor von Eintracht Pfützensee.“
„Deren Trikots übrigens alle dein Logo tragen könnten, aber das nur nebenbei erwähnt.“ Ein charmantes Lächeln zierte sein spitzes, blasses Gesicht. „Ich mache alles, was Vorteile verspricht, aber ich haue niemanden übers Ohr, falls man das von mir erwarten sollte. Besprich es einfach mit Severus. Ihr wisst ja, wo ihr mich findet.“ Er nahm einen Schluck Tee. „Zurück zu den Pflanzen. Ich muss nur regelmäßig in einem der Gewächshäuser ein bisschen Zeit mit einer Pflanze verbringen und ihr magisches Leben einhauchen?“
„So ähnlich, ja. Harry hat es auf die harte Tour gemacht, weil ich dachte, die Pflanze muss ständig bei einem sein. Eine neue Erkenntnis von Takeda besagt aber, dass es hauptsächlich regelmäßiger Kontakt über einen bestimmten Zeitraum sein muss, aber ein inniger Kontakt. Auch hat er geschrieben, dass der Pflanze die Magie wieder entzogen wird, wenn man selbst schlechte Laune hat. Bleib also lieber Zuhause, wenn du verstimmt bist, sonst war die Arbeit umsonst.“
„Die Aufgabe hört sich leicht an. Wann geht es los?“
„Ich werde rechtzeitig Bescheid geben, denn eine Pflanze fehlt mir noch. Sie müssen aber zusammen gezogen werden.“
Ihr trüber Blick war nicht zu übersehen, weswegen Draco fragte: „Warum machst du das eigentlich?“
Erschrocken blickte sie auf. „Was?“
„Einen skurrilen Blumenkasten bauen, Pflanzen ziehen und diese von Menschen betutteln lassen. Was für einen Sinn hat das?“

Zwiespalt. Ein Gefühl, das Hermine in den letzten Wochen mehrmals durchleben musste. Draco war einigermaßen mit dem Thema vertraut, hatte bei seinem Patenonkel selbst diese sichtbaren Veränderungen wahrgenommen.

„Ich will Severus helfen, wieder vollständig zu werden“, flüsterte sie so leise, als würde sie befürchten, das Universum würde ihren Plan zunichte machen, sollte sie es laut aussprechen.
„Vollständig? Hat das mit seinen Gefühlen zu tun?“ Hermine nickte. Mehr wollte sie nicht zugeben. „Dann machst du die Pflanzen zu Zutaten, die normalerweise gar keine sein können?“
„Auf einige von ihnen trifft das zu. Andere besitzen eigene Magie, die noch beeinflusst werden muss.“
„Hast du schon einmal darüber nachgedacht, über dieses Thema ein Buch zu schreiben? Ich habe da zwei Verlage an der Hand …“
„Du tust es schon wieder“, unterbrach sie höflich.
„Tut mir leid, Hermine. Ich habe kürzlich von meinem alten Herrn gelernt, keine Gelegenheit außen vorzulassen.“
„Du bist ein gelehriger Schüler“, brachte sie lachend heraus.
Eine dritte Stimme stimmte unerwartet zu: „In der Tat, das ist er.“

Im Türrahmen stand Lucius, der einen Moment zögerte, den Raum zu betreten, sich aber ins Gedächtnis zu rufen schien, dass es auch sein Haus war.

„Guten Tag, Mr. Malfoy“, grüßte Hermine höflich distanziert.
„Miss Granger.“ Lucius verbeugte sich galant, wenn auch nicht sehr tief. „Ich vernahm den Namen eines alten Freundes.“ Ohne einen einzigen Schlenker schnürte Lucius wie ein Fuchs hinüber zu seinem Sohn und Hermine. „Was fehlt ihm denn?“
„Das ist privat, Mr. Malfoy.“

Er schenkte ihr ein nicht ernst gemeintes Lächeln, legte dabei den Kopf leicht schräg. Wäre er nicht von so eigennütziger Persönlichkeit, könnte er mit Leichtigkeit Frauen um den Finger wickeln, dachte Hermine.

„Miss Granger, Severus und ich sind zwar nicht immer einer Meinung, besonders nicht in Bezug auf Frauen“, er musterte sie von oben bis unten, „aber dennoch empfinde ich eine ganz besondere Kameradschaft für ihn.“
„Dann, Mr. Malfoy, sollten Sie ernsthaft in Erwägung ziehen, Severus einen Besuch abzustatten und ihn selbst nach seinem Wohlbefinden zu fragen.“
„Vielleicht werde ich das sogar tun.“

Höflich verabschiedete sich Hermine von Draco und Lucius, um per Flohnetzwerk Remus in Hogwarts aufzusuchen. Nachdem sie gegangen war, blickte Lucius seinen Sohn fragend an, doch auch der sagte kein Wort.

„Draco, willst du mich nicht ins Bild setzen?“
„Wie Hermine schon sagte, ist das eine sehr private Angelegenheit, bei der ich mich nicht einmischen werde.“
„Na gut“, Lucius klang eingeschnappt, „dann bleibt mir nichts anderes übrig, als Severus tatsächlich einmal zu besuchen.“

Dabei verzog er das Gesicht, denn wenn er Hogwarts betreten sollte, würde Dumbledore in Windeseile davon erfahren, und Gespräche mit dem alten Mann waren ihm zuwider. Der Direktor machte sich häufig einen Spaß daraus, ihn mit unangenehmen Zweideutigkeiten zu torpedieren.

„Eigentlich komme ich wegen einer ganz anderen Angelegenheit zu dir, mein Sohn. Es geht um die Finanzen, die keinesfalls schlecht aussehen. Im Gegenteil.“
Draco lächelte einseitig. Mit Hilfe seines Vaters hatte er sich an einem Unternehmen beteiligt und endlich das bisher immer abgelehnte Mitspracherecht in der Geschäftsführung erhalten. „Wie kann ich dir helfen?“
„Ich hätte gern 20.000 Galleonen.“
„Darf ich fragen, wofür die sein sollen?“

Sein Vater presste die Lippen zusammen, weil er es unverschämt fand, von ihm gefragt zu werden. Früher waren Geldangelegenheiten nie ein Thema, das man ausdiskutieren musste.

„Wenn du es denn unbedingt wissen möchtest: Gründlich habe ich mir überlegt, den Ruf der Familie wie damals zu verbessern, indem ich Spenden überreiche.“
„Ah!“ Draco verstand. „Und welche Institutionen hast du im Auge?“
„Meine Güte“, ein Seufzer war zu vernehmen, „ist das deine Neugierde oder traust du mir nur nicht?“
„Nimm es mir nicht übel, Vater, aber es ist eine Mischung aus beidem.“
„Es ist doch immer wieder erfrischend zu erfahren“, stichelte Lucius, „wie die eigene Familie über einen denkt.“
Draco besaß die Frechheit aufzulachen. „Ich sagte doch, Vater, dass du es mir nicht übel nehmen sollst. Wenn Borgin & Burke's auf deiner Gönnerliste stehen sollte, wäre ich nicht sehr angetan von deinem Vorhaben.“
„Die benötigen ganz bestimmt keine Spende. Mit den Objekten, die du denen verkaufst hast – meine Sammlerstücke! –, wird sich der Laden gesundstoßen. Ich bin drauf und dran, den ein oder anderen Artikel zurückzukaufen.“
„Das werde ich nicht zulassen. Schwarze Magie übt sich negativ auf die Zauberer und Hexen aus, die ihr ausgeliefert sind. Warum sagst du mir nicht einfach, welcher Einrichtung du gern etwas spenden möchtest?“
„Also gut, wenn es dich so interessiert. Es gibt ein Genesungsheim mit geringem Jahresbudget, weil sie sich auf eine“, er druckste herum, „Erkrankung spezialisiert haben. Die Aussicht für die Patienten scheint hoffnungslos. Möglicherweise hilft eine Spende, ein wenig nach vorn zu blicken.“
„Und zusätzlich den Namen Malfoy mit etwas Positivem zu behaften“, warf Draco treffend ein.
„Ist das nicht in deinem Sinne?“
„Doch Vater, nur zu. Wie heißt das Genesungsheim?“
„Du magst es nicht glauben, aber ich habe den Namen vergessen. Geleitet wird es aber von einem Herrn Panagiotis, der die Opfer von Dementoren behandelt. Die Adresse habe ich in unserem Büro.“

Man konnte es drehen und wenden wie man wollte. Es war egal, ob sein Vater aus Nettigkeit spenden wollte oder aus Imagegründen. So oder so würde es dem Heim und auch den Malfoys zugute kommen.

„Welche noch?“ Langsam war Draco neugierig geworden.
„Ein Heim für muggelgeborene Zauberer und Hexen. Ich habe gehört, es wäre im Krieg von Todessern angegriffen worden.“ Damit dieser Satz nicht allein im Raum stehen würde, fügte Lucius rechtfertigend hinzu: „Ich schwöre, ich war nicht dabei – ich wusste davon nicht einmal etwas!“
„Ich habe nicht vor, dich an den Pranger zu stellen, Vater.“
„Gut“, erleichtert atmete Lucius aus, „es reicht nämlich vollkommen, dass ich auf sämtlichen Märkten und anderen Einkaufsgegenden wie Luft behandelt werde für die Dinge, die ich damals …“
„Du musst dich mir gegenüber nicht rechtfertigen“, beteuerte Draco, doch sein Vater hatte andere Pläne. Lucius war sichtlich aufgewühlt.
„Wenn es einer erfahren darf, dann du. Wärst du nicht gewesen, Draco, und auch nicht deine Mutter, hätte ich mit Severus zusammen …“ Verzweifelt suchte Lucius in Gedanken nach den damaligen Überlegungen, die er durchaus gehabt, aber nie mit jemanden geteilt hatte. Fluchtgedanken, die er immer für sich behalten hatte, weil das Leben von Frau und Kind auf dem Spiel stand. „Severus wurde genauso vom Dunklen Lord an der Nase herumgeführt wie ich. Ich hätte …“ Wieder fehlten ihm die Worte und er verfluchte die Unfähigkeit, seine Gefühle von damals korrekt ausformulieren zu können. „Ich habe nicht viel von Muggeln gehalten, das gebe ich zu. Noch heute ist es schwer für mich nachzuvollziehen, warum du unbedingt eine Muggelgeborene mit der gewichtigen Aufgabe der Trauzeugin zum Mitglied unserer Familienbande gemacht hast.“
„Das ist einfach, Vater. Ich sehe den Menschen, nicht mehr dessen Herkunft, denn sie tun es genauso. Man kann leichter mit Mitmenschen umgehen, wenn man sie auf den größten gemeinsamen Nenner bringt.“

Lucius konnte sich gegen das realitätsnahe Erlebnis nicht erwehren, dass ihn in diesem Moment übermannte. Mit einem Male schien er ein Jahr in der Zeit zurückgereist zu sein und er hörte glasklar die Stimme von Schwester Marie sagen: „Sie, Mr. Malfoy, sowie jeder andere Patient, egal ob Squib, Muggelstämmiger oder Halbblüter, sind alle auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, ob Sie es glauben oder nicht, und dieser gemeinsame Nenner ist meine Grundlage für den Umgang mit Patienten.“

„Vater? Geht es dir nicht gut?“
Von der Stimme seines Sohnes zurück in die Gegenwart geholt nickte er. „Du hast dich eben angehört wie meine Krankenschwester.“
„Wie wer?“, fragte Draco nach.
„Schwester Marie.“

Zufälle gab es ohne Zweifel. Jeder erlebte sie, manchmal sogar, ohne von ihnen zu wissen. So fragte in der Winkelgasse Sirius gerade bei seinem Kollegen Sid nach, weil er den Namen nicht korrekt verstanden hatte.

„Wer?“
Sid antwortete: „Schwester Marie.“
Ein wohlwollendes Lächeln, das man bis dato noch nie bei ihm gesehen hatte, ließ sich auf Sirius‘ Gesicht nieder. „Eine Krankenschwester also, mmmh?“ Mit dem Ellenbogen stieß Sirius seinen Kollegen motivierend an. „Wie oft sehen Sie Marie?“
Verschüchtert betrachtete Sid die Unterlagen vor sich, verstand aber kein Wort von dem, was er selbst geschrieben hatte, weil er an sie denken musste. „Miss Amabilis ist …“
„‘Miss Amabilis‘? Reden Sie nur in meiner Gegenwart so höflich über sie oder nennen Sie Ihre Herzensdame auch nicht beim Vornamen, wenn Sie mit ihr allein sind?“
„Ich würde es bevorzugen, wenn Sie Begriffe wie ‘Herzensdame‘ vermeiden würden.“
„Kommen Sie schon, Sid.“ Das erste Mal verwendete Sirius dessen Vornamen, was der mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nahm. „Sag schon.“ Auch die persönliche Anrede wurde gestattet, zumindest wurde Sirius nicht von Sid zurechtgewiesen. „Sid?“
„Ich habe sie lange nicht mehr gesehen“, gestand der ehemalige Ministeriumsangestellte.

Auf der Stelle war Sirius still, doch in seinem Kopf hörte er die ganzen anfeuernden Worte, die er damals schon James gegenüber fallen gelassen hatte, um ihm den Rücken zu stärken, damit er endlich die Rothaarige aus dem eigenen Haus ansprechen würde. Bei Sid wusste Sirius nicht, welchen Tipp er sich zu Herzen nehmen würde. Bei James war es leicht gewesen, ihm Ratschläge zu erteilen. Immerhin war sein bester Freund zu der Zeit ein Teenager gewesen, der selbst merkwürdigste Ideen beherzigte. Sid war anders, völlig anders als James war. Reserviert, ordnungsliebend, anständig. Da war nicht der Anflug eines Lausbuben in ihm zu erkennen.

„Schreib ihr doch mal“, war der erste zaghafte Versuch, Sid einen Schubs in die richtige Richtung zu geben.
„Und wenn sie sich nicht mehr an mich erinnern kann?“
Sirius stöhnte laut und ausgedehnt. „Meine Güte, Sid. Schon daran gedacht, dass sie genauso an dich denken könnte wie du an sie? Weiß sie, wie sie dich kontaktieren könnte?“
„Nein, sie wusste nur, dass ich als Beistand beim Ministerium beschäftigt war, aber dort arbeite ich nicht mehr.“
„Da haben wir es doch!“, machte Sirius ihm klar, doch Sid verstand die Welt nicht mehr, so dass Sirius ihm auf die Sprünge half. „Stell dir vor, sie will dich wiedersehen. Wie soll sie dich finden? Das Ministerium wird ihr wohl kaum deine neue Adresse geben. Aber selbst wenn sie deine Adresse auf kuriosen Umwegen erhalten sollte, gibt es einen sehr großen Störfaktor, der ihren Versuch vereiteln wird: der Fidelius über deinem Haus.“

Einsichtig nickte Sid. Daran hatte er nicht gedacht. Insgeheim hatte er sich schon oft ausgemalt, sie würde mit einem Male vor seiner Tür stehen, aber das war nicht möglich, selbst wenn sie den gleichen Gedanken hegen sollte.

„Aber wenigstens weißt du, wo sie arbeitet. Du bist am Zug, Sid. Schreib ihr.“
„Und was soll ich ihr …“ Weil Sirius mit den Augen rollte, stoppte sich Sid und überlegte. Er hätte in der Tat eine Menge zu berichten. Seine neue Arbeit für die Initiative war etwas, auf das er sich was einbilden konnte.

Verträumt stellte Sid sich vor, wie Marie sich gerade liebevoll um einen Patienten kümmerte oder im Schwesternzimmer Krankenakten sortierte. Letzteres war tatsächlich ihre momentane Beschäftigung. Sie überprüfte Akten von Patienten, die zur Nachsorgeuntersuchung erschienen waren. Als sie am Ende die Stapel sortiert hatte, war nur eine Akte übrig. Die Akte eines ehemaligen Patienten, der nicht einmal auf die beiden Briefe des Mungos geantwortet hatte. Professor Puddle bemerkte, wie Marie die Mappe aufschlug.

„Von wem ist die?“, wollte er wissen.
„Von Mr. Malfoy. Er war noch nicht hier.“
„Bringen Sie die Akte trotzdem wieder ins Archiv.“
Maries Kopf schnellte hoch. „Aber Professor, wollen Sie ihn nicht noch einmal darauf aufmerksam machen, wie wichtig diese Nachuntersuchung ist?“
„Soll ich jedem Patienten hinterherlaufen, der sich dem Rat eines anerkannten Heilers und eines Professors auf so ignorante Weise entzieht? Nein Marie, weg mit der Akte. Er soll nur nicht heulend angelaufen kommen, wenn der Zauber auf seiner Netzhaut sich am Ende doch als instabil erweist und langsam vergeht.“

Ohne auf eine Antwort von Marie zu warten, verließ Professor Puddle das Schwesternzimmer. Einen Augenblick lang saß Marie ruhig auf ihrem Stuhl, bis sie die Akte von Mr. Malfoy nochmals aufschlug. Als Erstes war oben links die neue Adresse notiert. Die Angabe des Zellentraktes in Askaban war durchgestrichen und durch „Malfoy Manor“ ersetzt worden. Offensichtlich war das Gebäude so bekannt, dass Eulen keine weiteren Angaben wie einen Straßennamen benötigten. Mit einem Zauber ließ sie alle Akten hinter sich herschweben, als sie den Weg zum Archiv einschlug. Danach hätte sie Feierabend. Gedankenverloren, weil sie in Erwägung zog, Mr. Malfoy persönlich zu schreiben, ging sie an ihrem Kollegen Mike vorbei, der nun ihre Schicht übernahm.

„Was machst du denn für ein Gesicht? Und seit wann grüßt du mich nicht mehr?“
Marie fuhr zusammen. „Mike, erschreck mich doch nicht so.“
Neugierig beäugte er die Akten, die hinter ihr in der Luft darauf warteten, weiterfliegen zu dürfen. „Malfoy?“, las er vor. „Du vermisst unseren Blonden doch nicht etwa?“
„Ich mag diese Spitznamen nicht. Ich mag es allgemein nicht, wenn ihr Patienten mit Spottnamen belegt.“
„Dann vermisst du vielleicht den Bürohengst?“ Ihr warnender Blick ließ ihn schmunzelnd erklären: „Er ist kein Patient.“
„Warum geben wir uns eigentlich nicht gleich gegenseitig Spitznamen? Ellen hat schon einen bekommen: Tölpelhafte Planschkuh.“
Mike runzelte die Stirn. „Von wem?“
Grinsend erwiderte sie: „Damals von Mr. Malfoy. Ich wette, alle Patienten haben auch für uns ihre eigenen Beinamen erfunden. Finde deinen heraus, Mike.“
„Ich will meinen gar nicht wissen“, winkte er ab. „Wir sehen uns nächste Woche. Schönen Feierabend.“
„Dir auch.“

Der „Bürohengst“ war derjenige, an den sie häufig denken musste. Die ganze Umgebung des Krankenhauses erinnerte sie an Mr. Duvall, selbst das Schwesternzimmer, in dem er mit ihr gesprochen hatte. Ihre Briefe ans Ministerium mit ihm als Empfänger waren allesamt zurückgekommen, die Frage an die Personalstelle, ob Mr. Duvall dort noch arbeiten würde, wurde ohne weitere Informationen verneint.

Im Archiv angekommen hatte sie beim Einordnen der Akten den Entschluss gefasst, Mr. Malfoy persönlich zu schreiben, ihm zu erklären, warum diese Nachuntersuchung nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Zuhause, in ihrer einsamen Zwei-Zimmer-Wohnung in London, verwirklichte sie den Brief an den ehemaligen Patienten, der ihr auf seltsame Weise ans Herz gewachsen war.

Am nächtlichen Himmel, während die meisten Zauberer und Hexen schliefen, fand reger Verkehr statt. Viele Posteulen flogen die Nacht hindurch, weil sie um diese Uhrzeit nicht mit Besenfliegern rechnen mussten. Bis auf die anderen Posteulen waren höchstens Fledermäuse unterwegs, die mit ihrem natürlichen Radar jedem Hindernis auswichen. Manchmal machten die Eulen auf einem hohen Ast Rast, um dem spektakulären Gesang einer Nachtigall zu lauschen. Auf diese Weise erhielt jeder magische Mensch schon früh am Morgen seine Post, auch die Schüler und Angestellten von Hogwarts.

Zwei Eulen landeten direkt vor Neville. Es gab nicht viele Menschen, die ihm schrieben, weswegen er im ersten Moment damit rechnete, die Eulen wären für die Person rechts oder links von ihm, aber beide verharrte stur vor seinem Teller. Auf beiden Umschlägen stand tatsächlich sein Name. Blickfang war eine bunte Briefmarke, die eine gemalte Biene zeigte. Die Zahl „60“ war das Einzige, das ihm von all den fremden Zeichen bekannt war. Den zweiten Brief beachtete er gar nicht mehr.

„Japan“, flüsterte Neville ehrfürchtig. Ein Brief von Takeda. Auf der linken Seite des Umschlags war der Stempel einer hiesigen Posteulerei zu sehen, die den Brief aus der Muggelpost übernommen und an ihn weitergeleitet hatte. Vorsichtig betastete er den dicken Umschlag und fuhr zusammen, als beide Eulen plötzlich laut schuhuten. Die eine wollte ihren Brief loswerden, die andere wollte ihre Bezahlung. „In der Eulerei gibt es Wasser, Futter und einen Platz zum Ausruhen.“ Die Eule verstand und schwirrte ab. Die andere ließ sich den zweiten Brief abnehmen, den er zunächst beiseite legte.

„Na, Neville“, grüßte Harry ihn im Vorbeigehen. Weil sein Freund nicht reagierte, kam Harry auf ihn zu, bemerkte dabei den Brief in Nevilles Händen. „Machst du ihn auf oder versuchst du, ihn mit Gedankenkraft zu öffnen?“
„Was?“
„Du stehst ja völlig neben dir, Neville, was ist los?“, fragte Harry mit einem Schmunzeln.
Völlig ernst erwiderte Neville: „Ein Brief!“
„Ja, das kann ich sehen. Von wem …“
„Takeda! Er hat mir geschrieben. Mir!“ Nevilles Begeisterung wich der Erinnerung an das Gespräch mit Hermine. Ein wenig enttäuscht erklärte er: „Natürlich hat er mir geschrieben. Hermine hat ihn darum gebeten.“
„Ist das der Professor, den Hermine neulich mal besucht hatte?“

Die Identität von Takeda war mit wenig Worten geklärt. Mehr konnte Harry nicht aus Neville herausbekommen, denn der verließ den Frühstückstisch, um in einem der Gewächshäuser den Brief und die mitgelieferten Samen der Zuckerbüsche in Augenschein zu nehmen. Der japanische Professor hatte ihm einige Tipps gegeben, für die Neville dankbar war.

Am Frühstückstisch hielt jeder der Lehrer einen Brief in den Händen, nur Harry nicht. Severus, der wie üblich neben ihm saß, las seinen Brief sehr aufmerksam. Als Harry sich umblickte, stand momentan keiner der Lehrer für ein lockeres Gespräch zur Verfügung. Jeder hatte seine Nase in das Schreiben gesteckt, selbst Remus.

„Ich komme mir etwas blöd vor“, murmelte Harry, der mit seinen Händen nichts anderes anzufangen wusste, als sich das Essen auf den Teller aufzutun.
„Warum?“, hörte er Severus neben sich fragen, der noch immer den Blick auf den Brief gerichtet hatte. „Weil du keine Einladung bekommen hast?“
„Eine Einladung wofür?“ Es traf Harry tatsächlich, dass offenbar alle Kollegen dieses bisher unbekannte Privileg miteinander teilten, nur er wurde außen vorgelassen.
„Ein Einladung zu deiner Hochzeit!“ Ein gemurmeltes „Idiot“ klang noch nach, doch Harry überhörte es großzügig, weil er gar nicht anders konnte, als breit zu lächeln.
„Tatsächlich? Das sind die Einladungen zur Hochzeit? Darf ich mal sehen?“

Severus‘ Stirn schlug Falten, doch er reichte Harry den Brief, der sofort begierig gelesen wurde.

„Wir heiraten in einem Schloss? Wow!“
„Warum so überrascht?“, wollte Severus wissen. Sein junger Kollege war so sehr von Zufriedenheit eingenommen, dass sie auszustrahlen schien. „Wusstest du etwa nicht, wo die Hochzeit stattfinden wird?“
„Wenn ich ehrlich bin: nein. Molly organisiert alles wunderbar. Wenn uns wichtige Dinge eingefallen sind und wir ihr Bescheid gaben, meinte sie nur, das wäre längst erledigt. Ihre Planung ist wirklich fantastisch, aber der Informationsfluss lässt ein kleines bisschen zu wünschen übrig.“
„Du wirst nicht einmal über den Ort der Zeremonie informiert?“
„Ist bestimmt keine Absicht“, winkte Harry gelassen ab. „Mich stört es nicht einmal. Ginny sagte neulich auch, es wäre ihr egal, wo, wann oder wie wir heiraten. Für sie zählt nur, dass wir heiraten und mir geht es genauso.“

Harry strahlte bis über beide Ohren, blickte sich dabei um und bemerkte, dass jeder, der diese Einladung zu Ende gelesen hatte, freundlich zu ihm hinüberblickte. Filius, Minerva, Poppy, Hagrid – Molly hatte niemanden vergessen. In den nächsten Tagen würde er nach dem Unterricht zusammen mit Ginny in die Winkelgasse gehen, um die Hochzeitsgarderobe ein letztes Mal anzuprobieren.

Die Posteulen suchten natürlich auch andere Orte auf, wie Malfoy Manor und auch die Apotheke. Langsam wurde Hermine der Papierkram zu viel. Schriftlichen Bestellungen wollten aufgenommen werden und die Kunden erwarteten die Beantwortung ihrer Anfragen nach Lieferzeit und möglichen Preisnachlässen. Ein Brief war dabei, den sie als Erstes lesen wollte und das war nicht die Einladung zur Hochzeit von Harry und Ginny.

Das Feldahornholz sollte gegen einen Aufpreis für die Expresssendung im Laufe des Nachmittags nach Hogwarts geliefert werden, natürlich aber nicht von Eulen, sondern von Angestellten des Sägewerks. Neville und Pomona waren informiert, dass sie die Lieferung entgegennehmen sollte. Hermine hielt die Rechnung in der Hand, die sie bei ihrem nächsten Besuch bei Gringotts begleichen wollte, also heute in der Mittagspause zusammen mit George. Erst jetzt öffnete sie den Umschlag mit der Einladung zu Ginnys und Harrys großem Tag. Die ganze Zeit über, als sie las, wurde der Bereich ihres Herzens wärmer und wärmer. Sie freute sich für ihre Freunde und war froh für die beiden, dass nach dem ganzen Hin und Her, nach dem Krieg und all den schlechten Erfahrungen endlich der Zeitpunkt gekommen war, den sie sich schon so lange ersehnt hatten. Auf ein Mal hatte sie einen unangenehmen Geruch in der Nase.

„Ihren Stab bitte“, hörte Hermine eine raue Stimme flüstern. Jemand, mit dem sie noch nicht gerechnet hatte, war an die Theke getreten und es war nicht George. Es war der Mann, der den Vielsafttrank bestellt hatte. Er richtete seinen Stab auf sie und wiederholte: „Ihren Stab, bitte! Tun Sie, was ich Ihnen sage. Ich möchte Sie nur ungern verletzten.“

Erschrocken blickte Hermine durch die Fenster auf die taghelle Winkelgasse. Die Menschen gingen an ihrem Schaufenster vorbei, blieben sogar stehen und schauten hindurch, aber niemand sah, dass sie bedroht wurde.

„Die Tür ist dicht, die Fenster mit einem Illusionszauber belegt. Schreien hilft auch nichts. Machen Sie keine Probleme und geben Sie mir endlich Ihren Stab.“

Seine Hand zitterte, doch sein Blick war kalt und entschlossen. Er würde nicht davor zurückschrecken, den gemeinen Fluch, der ihm unzweifelhaft auf der Zunge lag, auch anzuwenden.

„Miss Granger!“ Er wurde ungeduldig.

Langsam hob sie eine Hand, um nach ihrem Zauberstab zu greifen, den sie in ihrer Innentasche mit sich führte. Sie hätte nur eine Chance, den Mann zu überwältigen, aber es sah schlecht für sie aus. Er war auf der Hut, beobachtete jede ihrer Bewegungen. Würde sie auch nur den Mund leicht öffnen, wäre es bereits um sie geschehen, bevor sie überhaupt „Ex…“ rufen könnte – vom fehlenden „…pelliarmus“ ganz zu schweigen. Einer von den wenigen wortlosen Zaubersprüchen, die Harry der DA eingebläut hatte, war das Einzige, das helfen konnte, aber es war bereits zu spät, denn kaum, dass er ihren Zauberstab sah, wurde er ihr schon entrissen.

„Danke, Miss Granger“, sagte der Gauner, der ihren Stab vorsichtshalber einsteckte. „Und jetzt führen Sie mich zu meiner Bestellung, wenn ich bitten darf.“ Die auffordernde Bewegung mit seinem Stab ließ sie zusammenzucken. „Oh, keine Sorge“, besänftigte er sie ohne Erfolg. „Auf meiner Verbrechensliste ist Notzucht nicht verzeichnet, nur Diebstahl und Betrug. Ich möchte lediglich den Trank haben.“
„Aber …“ Sie war erschrocken, wie unsicher allein dieses Wort klang. „Er ist noch nicht fertig.“
Der Kunde mit dem üblen Körpergeruch schnaufte verachtend. „Nehmen Sie mich nicht auf den Arm. Ich weiß sehr genau, dass der Trank die letzten Tage nur noch etwas durchziehen muss. Er ist fertig und ich will ihn haben – sofort!“

Sie schluckte kräftig, doch der Kloß in ihrem Hals wollte nicht verschwinden. Wie in Zeitlupe begab sie sich ins Labor. Ihm war es zu langsam, weswegen er ihr einen Stoß gab.

„Gehen Sie schon schneller, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!“

Mit einem Tuch abgedeckt fand sich im Labor sehr schnell der Kessel mit dem Vielsafttrank, der kurz vor der Einnahme nur noch einmal aufgekocht werden müsste und das, dachte sich Stringer, könnte er auch allein bewältigen.

„Zum Mitnehmen bitte“, scherzte Stringer, als er mit einem Wingardium Leviosa eines der gläsernen Abgabegefäße zu ihr hinüberschweben ließ.
„Hören Sie, Mister …“
„Nein, keine Unterhaltungen.“
„Ich dachte, wir hätten einen Deal“, rief sie ihm ins Gedächtnis zurück.
„Sicher hatten wir den. Sie glauben doch nicht, dass ich so einfältig bin und in die Falle tappe, die Sie mir ohne Zweifel stellen wollen. Was hatten Sie geplant?“ Er legte seinen Kopf schräg und zog beide Augenbrauen in die Höhe. „Leute von der Magischen Polizeibrigade, die mir auflauern? Nein, Miss Granger. Ich mag arm sein, aber ich bin nicht dumm.“

Hermine seufzte, füllte jedoch wie gefordert den Vielsafttrank behutsam in den Behälter um. Es war viel zu früh, um auf Severus‘ plötzliches Auftauchen zu hoffen, es sei denn, er wollte den Mittag mit ihr verbringen wollen. Nur eine Viertelstunde noch, dann würde George kommen, doch ob sie den Verbrecher so lange hinhalten konnte, bezweifelte sie. Als sie mit dem Umfüllen fertig was, versiegelte sie das Gefäß und stellte es auf den Tisch im Labor ab.

„Da ich es als erbärmlich empfinde, Sie mit dem Geld zu bezahlen, dass ich Ihnen gestohlen habe“, weder sie noch ihn überraschte es, dass beide sich über diesen Punkt im Klaren waren, „habe ich mich dazu entschlossen, für diesen Trank gar nicht zu bezahlen.“ Resignierend kniff Hermine die Lippen zusammen. Mit etwas anderem hatte sie auch gar nicht gerechnet. „Also dann, Miss Granger.“ Er hob seinen Stab.
„Warten Sie! Was haben Sie vor?“
Er wartete tatsächlich einen Moment, doch nur um zu erklären, was er im Schilde führte. „Ich kann nicht zulassen, dass Sie sofort die Bluthunde auf meine Fährte ansetzen.“
„Ich werde niemandem was sagen!“
Sein Gelächter hätte man bis zur Straße gehört, hätte er die Apotheke nicht schalldicht gezaubert. „Das glaube ich Ihnen sogar, dass Sie niemanden etwas sagen würden, denn die Sache ist die: Sie werden sich an gar nichts mehr erinnern können.“
„Was?“ Ihr Magen drehte sich einmal um sich selbst, als sich ihr eröffnete, dass der Mann sie mit einem Vergissmich-Zauber belegen wollte. Die aufkommende Panik unterdrückte sie schnell wieder. Sie musste einen klaren Kopf behalten. Sie musste Zeit gewinnen. „Tun Sie das nicht, ich bitte Sie!“ Ihre Augen suchten die nahe Umgebung ab, um irgendetwas zu finden, mit dem sie sich wehren könnte.
„Es wird nicht wehtun. Bleiben Sie einfach da stehen, wo Sie jetzt sind.“

Stringer hob seinen Stab und zielte. In diesem Moment sprang Hermine unerwartet zur Seite. Der Vergissmich traf das Glas mit dem eingeweckten Ingwer, das hinter ihr zerbarst. Sie griff nach dem ersten Gegenstand, den sie in die Finger bekam. Es war ein kleiner Mörser, den sie ihm entgegenwarf. Stringer duckte sich, feuerte gleich darauf nochmals einen Fluch ab, traf aber nur den Labortisch. Den zum Mörser gehörigen kleinen Stößel warf sie als nächstes. Stringer duckte sich erneut, doch als er den Gegenstand auf dem Boden fallen sah, lachte er auf.

„Wirklich goldig, wie Sie kämpfen, Miss Granger.“ Der handliche Stößel rollte unschuldig am Boden entlang. „Damit wollen Sie mich abhalten? Mit diesem süßen kleinen …“

Als er aufblickte, sah er nur noch, wie sich ein sechzig Zentimeter langer Bronzestößel seinem Gesicht näherte. So ein massives Werkzeug war mit dem menschlichen Kiefer nicht kompatibel, was man auch sehr gut hören konnte. Stringer schwankte einige Schritte, stürzte auf den Labortisch. Ein hölzernes Klappern war zu vernehmen, als ihr Zauberstab aus seiner Tasche fiel und auf den Boden aufschlug. Als er den Mund öffnen wollte, durchfuhr ihn ein stechender Schmerz. Der Kiefer war angebrochen, einige Zähne waren nach Hermines unerwarteter Attacke sehr locker. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass sie sich nach ihrem Stab bückte. Um ihr zu entkommen, griff er sich den Behälter mit dem Vielsafttrank und apparierte trotz seiner schlimmen Verfassung an einen ihr unbekannten Ort.

Obwohl er sie nicht mehr hören konnte, schrie sie ihm aus voller Kehle hinterher: „Ich hoffe du zersplinterst, du Mistkerl!“

Unverhofft waren Schritte zu hören, die eilig die Treppen hinunterkamen. Vielleicht war der Gauner wegen seiner Verletzung nicht weit appariert, vermutete Hermine. Mutig sprang sie aus dem Labor hinaus in den Flur, den Stab auf die Person gerichtet, die so schnell die Stufen hinuntergelaufen kam.

Der Fluch war gesprochen, bevor sie bewusst registrieren konnte, dass es sich um Severus handelte, der ihr zu Hilfe eilen wollte.


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