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Fanfiction

Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Der verrückte Professor

von Muggelchen

Am Frühstückstisch der Gryffindors lasen die meisten Schüler die Briefe ihrer Eltern und Geschwister. Manche bekamen ein oder zwei Galleonen für das nächste Hogsmeade-Wochenende zugesteckt, andere erhielten die Drohung, das Taschengeld gekürzt zu bekommen, sollten sie die UTZe oder ZAGs nicht zur Zufriedenheit der Familie bestehen. Ginny las einen ganz anderen Brief. Er war von Besenknechts Sonntagsstaat, dem Bekleidungsgeschäft in Hogsmeade.

Eine ihrer Mitschülerinnen hatte ein paar Wörter des Schreibens lesen können und stieß sie mit dem Ellenbogen an.

„Ist das Kleid endlich fertig? Los, lies schon vor!“, wurde sie aufgefordert.
Ginny räusperte sich: „Wir freuen uns Ihnen mitteilen zu dürfen, dass die Hochzeitsgarderobe nach Ihren individuellen Vorstellungen fertig geschneidert in unserer Filiale in der Winkelgasse auf eine Anprobe wartet.“
„Das hört sich doch gut an. Wann ist die Hochzeit nochmal?“
Lächelnd erwiderte Ginny: „Am 26. Juni.“ Noch knapp sechs Wochen.

Manchmal gab es unerklärliche Begebenheiten, die auch ungeklärt bleiben würden, weil man sie nicht einmal erkennen könnte. So würde Hermine nicht einmal vermuten, dass sie plötzlich an die Hochzeit von Harry und Ginny denken musste, nur weil es ihrer besten Freundin im Augenblick genauso ging.

„Meinst du“, richtete Hermine das Wort an Severus, „ich sollte schon zwei, drei Wochen vorher ein Schild anbringen, dass wir am 26. Juni geschlossen haben?“
Severus blickte von seinem Kessel auf und runzelte die Stirn. „Wieso? Was ist denn da?“
Sie kam nicht drumherum, mit den Augen zu rollen. „Da gehen wir beide zu einer Hochzeit, schon vergessen?“

Dass sie gemeinsam gehen würden, hatten sie längst geklärt. Nur eine Sache stand noch aus, die Hermine unbedingt zu ihren Gunsten entscheiden wollte. Keiner von beiden bemerkte, wie sich die Tür vom Geschäft öffnete und ein Mann eintrat.

„Natürlich habe ich das nicht vergessen“, redete sich Severus raus.
„Ich erwarte …“, Hermine verbesserte, „nein, ich fordere mindestens einen Tanz und ein ‘Nein‘ zählt nicht.“ Als Antwort erhielt sie von Severus eine Mischung aus murmelnden und grunzenden Lauten, während er den Kopf schüttelte. „Was war das bitte?“, fragte sie herausfordernd nach.
„Ich sagte nein!“

Die Person, die den Verkaufsraum betreten hatte, ging einige Schritte an der Theke vorbei, um dem Gespräch im Labor zu lauschen.

„Das ist die Hochzeit meines besten Freundes und ich werde dort mit demjenigen tanzen, der mich begleitet!“ Trotzig stemmte Hermine ihre Hände in die Hüfte.
„Ich dachte, Mr. Weasley wäre dein bester Freund.“
„Beide sind meine Freunde! Hör auf, auf solchen Kleinigkeiten herumzureiten. Harry und Ginny heiraten nur einmal im Leben. Es ist eine Sache, auf einer Versammlung von Tränkemeistern nicht tanzen zu wollen oder auf einer Siegesfeier nach einem Quidditch-Spiel, aber eine Hochzeit …!“
Er fiel ihr ins Wort: „Eine Hochzeit ist nichts anderes. Es ist eine Gelegenheit, viele Menschen auf engstem Raum miteinander agieren zu lassen. Es wird einige Reden geben, gutes Essen – das hoffe ich zumindest – und Musik. Bei Letzterem werden sich unzählige Personen blamieren und ich werde keinesfalls dazugehören!“

Die Person im Verkaufsraum trat noch näher an die Tür heran, die zum Labor führte. Sie stand offen, so dass der Mann, der eigentlich nur die Apothekerin sprechen wollte, sie jetzt sogar sehen konnte. Der Tränkemeister war außer Sichtweite, aber dennoch gut zu hören.

„Ist es das? Du befürchtest, dich zu blamieren? Da brauchst du wirklich keine Angst zu haben, denn ich weiß, dass mindestens ein Gast anwesend sein wird, der mit Sicherheit seinem Tanzpartner ständig auf die Füße treten wird und ich mag sie trotzdem.“

Nicht nur Severus, sondern auch die Person, die dem Gespräch lauschte, musste sofort an Tonks denken. Die junge Aurorin machte sich überhaupt nichts aus ihrer Tollpatschigkeit, und es interessierte sie nicht, was andere von ihr hielten.

„Warum kannst du ein Nein nicht einfach akzeptieren?“, grummelte der Tränkemeister.
Hermine seufzte. „Ach Severus, eine Hochzeit ohne Tanz ist wie ein Schrumpftrank ohne Gänseblümchen.“
„Ohne diese Zutat wäre es kein Schrumpftrank!“
„Genau das meine ich doch! Es fehlt etwas. Kannst du nicht einfach mal über deinen Schatten springen, anstatt dich zu verstecken oder läuft es wieder darauf hinaus, dass du in einer Ecke stehst und die anderen beobachtest?“ Das folgende Murmeln war für den Lauscher und auch für Hermine zu unverständlich, so dass sie ihrem künftigen Partner vor Augen hielt: „Hast du mal mitgezählt, wie oft ich in dieser Angelegenheit eine Abfuhr von dir bekommen habe?“
„Ah, führen wir jetzt schon eine Strichliste?“

Hermine war nicht mehr zu halten. Sein Mangel an Kooperation trieb sie zur Weißglut. Entsprechend grantig klang sie auch.

„Wie wäre es, wenn du dir ein Tanz-Euphorie-Elixier braust?“
Ein Schnaufen war zu hören. „So etwas gibt es gar nicht.“

Die beobachtende Person sah, wie Hermine einen Stapel Pergamente in die Hand nahm.

„Dann erfinde einen!“, wetterte sie. „Es kann nicht schwerer sein als das, was ich hier mache!“ Mit dem Stapel Pergamenten winkte sie Severus zu hinüber, bevor sie verärgert zur Tür marschierte.

Der heimliche Zuhörer eilte so leise wie möglich zurück in den Verkaufsraum, um sich eine kleine Dose aus dem Regal zu nehmen, der er seine ganze Aufmerksamkeit widmen wollte.

Als Hermine den Verkaufsraum betrat, fand sie Sirius vor, aber sie kam nicht dazu, das Wort an ihn zu richten, denn Severus war ihr wutentbrannt gefolgt und ergriff sie am Oberarm.

„Du brauchst nicht zu glauben“, schnauzte er Hermine in einem Ton an, der sie an eine damalige Stunde Zaubertränke erinnerte, „dass du deswegen“, er schlug einmal mit der flachen Hand auf die Pergamente, „das Recht dazu hast, mich zu Gegenleistungen zu nötigen!“
„Nötigen?“, wiederholte Hermine erbost. „Ich glaube nicht, dass es überhaupt möglich ist, in irgendeiner Weise Zwang auf dich auszuüben.“
„Dann lass es gefälligst und akzeptiere ein Nein!“

Als Severus sich umdrehte, um den Verkaufsbereich wieder zu verlassen, fiel sein Blick auf Sirius, der still an einem Regal stand und vortäuschte, das Gezanke nicht bemerkt zu haben.

„Black!“ Sirius drehte sich zu Severus um. „Kann ich Ihnen helfen?“ Der Blick des Tränkemeisters fiel auf die Dose in seinen Händen. „Darf es noch etwas anderes sein als eine Creme gegen Hämorrhoiden?“
Erschrocken stellte Sirius die Dose wieder zurück. „Nein danke, ich habe mich nur etwas umgesehen.“
„Umgesehen oder eher umgehört?“
Sirius schnaufte erregt. „Willst du mich als Spitzel darstellen? Ich dachte, das wäre eher deine Aufgabe.“

Severus wollte schon auf Sirius zustürmen, doch er wurde von Hermine aufgehalten. Sie bat ihn wortlos, zurück ins Labor zu gehen, um den Vielsafttrank für den stinkenden Kunden zu brauen. Er kam, auf wenn er äußerst schlecht gelaunt war, ihrer Bitte nach und verschwand. Sirius blickte ihm skeptisch hinterher und als Severus außer Hörweite war, sprach er die Auseinandersetzung an, weil Hermine genauso traurig aussah wie auf dem Bild, das er einmal vor dem Papierkorb gerettet hatte.

„Worum ging es?“
„Ach“, Hermine winkte ab, „es wird nie geschehen.“
„Was? Dass er mit dir tanzt? Kann ich gar nicht verstehen, wie man sich da so zieren kann.“ Er lachte über Severus und zog dessen Verhalten ins Lächerliche, was Hermine gar nicht gefiel. Sofort verteidigte sie ihren zukünftigen Geschäftspartner.
„Vielleicht liegt es an den Erfahrungen, die er im Laufe seines Lebens sammeln musste?“
Den Zusammenhang ihrer Worte verstand Sirius nicht. „Was für Erfahrungen?“
Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern, doch ihre Zunge war spitz. „Ich meine gewisse demütigende Erlebnisse aus Schultagen, die eventuell mit einem Weihnachtsball zu tun haben könnten.“

Es war ihm anzusehen, dass er sofort begriffen hatte. Seine Augenbrauen wanderten ein kleines Stückchen in Richtung Haaransatz und sein Blick richtete sich schuldbewusst auf die Theke, als er sich das damalige Ereignis ins Gedächtnis zurückrief; sich daran erinnerte, dass er an diesem Abend mit zwei Mädchen getanzt hatte, während Severus und der Ravenclaw Georgi Popovich leer ausgegangen waren.

„Über solche Dinge sollte man nach so langer Zeit längst hinweg sein.“

Seine Rechtfertigung war nur halbherzig. Er selbst hielt noch immer an dem Gefühl fest, das er damals für Severus empfunden hatte. Sirius stellte sich die Frage, wie er von anderen verlangen könnte, über vergangene Zeiten hinweg zu sein, wenn er selbst noch von den Gefühlen von gestern eingenommen war. Seinem Freund Remus war es viel leichter gefallen, neu anzufangen und sich sogar mit Severus zu unterhalten, ohne dass man eine Eskalation befürchten musste. Vielleicht, dachte Sirius, war es die Schuld der verlorenen Lebensjahre, die er in Askaban und später in der Nicht-Welt des mysteriösen Torbogens lassen musste. Möglicherweise hinderte ihn das Fehlen an Lebenserfahrung daran, von alten Gewohnheiten loszulassen. Severus war nichts anderes als eine dieser alten Gewohnheiten. Allein dessen Anwesenheit appellierte an Sirius‘ Gehässigkeit, auch wenn er es gelernt hatte, sich einigermaßen zurückzuhalten. Sein Patensohn und sein bester Freund hatten ihm mehr als nur einmal ans Herz gelegt, alte Streitigkeiten zu vergessen und das Kriegsbeil zu begraben, aber genau das fiel Sirius so schwer, denn wenn er mit Severus diese kleinen Boshaftigkeiten austauschte, fühlte er sich wieder so jung wie damals in der Schule. Jetzt war er aber keine zwanzig mehr, er wäre in ein paar Monaten 44 Jahre alt, genau wie Severus.

„Wolltest du etwas Bestimmtes?“ Mit ihrer mürrisch gestellten Frage riss Hermine ihn aus seinen Gedanken.
„Was?“ Als ihm bewusst wurde, was sie gefragt hatte, verneinte er. „Ich wollte nur mal reinschauen. Bin gerade auf dem Weg zu Duvall.“ Eigentlich wollte er ihr das Schreibfederset bringen, aber ihm war eine Idee gekommen, wie er mit Severus ein für allemal reinen Tisch machen konnte, aber dafür benötigte er Hermines Handschrift.
„Ach, wo du gerade hier bist“, mit einem Male war ihre schlechte Laune verschwunden. „Ich habe einem Werwolf geraten, dich aufzusuchen. Er hat Angst, das war nicht zu übersehen. Registriert ist er auch nicht, hat mich um drei Tränke geprellt, aber er scheint umgänglich zu sein, wenn er nichts befürchten muss.“
„Wie heißt er?“
„Sein Name ist Fogg. Ich weiß nicht, wann oder ob er sich bei dir melden wird, aber ich wollte dich trotzdem vorwarnen.“
„Mmmh“, summte Sirius gedankenverloren. „Danke fürs Bescheid sagen. Ich werde dann mal gehen. Wir kommen mit der Arbeit schnell voran. Kingsley liest schon den ersten Teil der Gesetzesänderungen und bisher kam von ihm kein Veto.“
Hermine strahlte über das ganze Gesicht. „Das ist schön, das freut mich. Ich drücke die Daumen, dass ihr schnell fertig werdet.“
„Danke Hermine, bis dann.“

Soeben hatte Sirius die Apotheke verlassen, da traf er in der Winkelgasse auf Anne. Sie hielt eine Tüte in der Hand, die wahrscheinlich ein spätes Mittagessen beinhaltete. Misstrauisch blickte sie erst ihn an, dann den Eingang der Apotheke.

„Anne, du hier?“
„Ich arbeite in dieser Einkaufsstraße, schon vergessen? Was hattest du da verloren?“ Sie nickte zur Apotheke hinüber, während Sirius sich ihr bereits näherte und ihren Arm um den seinen legte. Er ging einige Schritte, so dass sie ihm folgen musste.
„Ich benötige deine Hilfe, Anne. Deine Meinung ist mir wichtig, aber das werden wir heute Abend Zuhause klären.“
„Um was geht es denn?“, wollte sie wissen.
„Das kann ich dir jetzt noch nicht sagen. Lass mich dir nur soviel sagen, dass ich etwas wiedergutmachen möchte.“

Abrupt blieb Anne stehen, weswegen er einen Ruck am Arm spürte, mit dem er sie führte.

„Und das hat mit Hermine zu tun?“
Sirius nickte. „Aber nur indirekt. Es geht um ihren …“ Er fragte sich, wie man ihn nennen könnte.
Anne vermutete korrekt: „Severus?“
„Genau, um Severus.“
„Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass du etwas tun möchtest, das ihn betrifft. Ihr könnt euch nicht ausstehen. Das wird nicht gut gehen.“
„Deswegen will ich ja deine Meinung hören. Ich habe da eine vage Idee, brauche dafür nur noch einen Hauch Weiblichkeit.“
„Du sprichst in Rätseln, Sirius. Du hättest Orakel werden sollen – oder Direktor von Hogwarts. Denk daran, dass Severus mir das Leben gerettet hat. Ich möchte auf keinen Fall in irgendetwas verwickelt werden, das ihm schaden könnte. Mir gefällt das ganz und gar nicht.“
„Ach Anne, jetzt hör aber auf. Du weißt ja nicht mal, um was es sich handelt.“ Sie wollte ihm bereits mehr Informationen entlocken, doch er hielt stoppend eine Hand nach oben. „Nein, heute Abend! Und jetzt begleite ich dich erst einmal zu ‘Hut und Stock‘.“
„Stock und Hut“, verbesserte sie.
„Richtig, richtig.“

In Sirius‘ Gedanken nahm die Idee immer mehr Gestalt an, aber erst heute Abend würde er es mit Anne bereden. Sollte sie auch nur den kleinsten Zweifel hegen, würde er von seinem Vorhaben Abstand nehmen. Er ahnte jedoch, dass Anne begeistert sein würde.

Wenig begeistert war Hermine wegen der kleinen Streitigkeit mit Severus. Er wollte einfach nicht verstehen, dass eine Hochzeit von den engsten Freunden mehr war als nur eine Veranstaltung, die man zu seinen Pflichten zählte. Sie verstand jedoch auch, dass Severus besonders in der Anwesenheit von Sirius keinen Grund für Lästereien geben wollte – und Sirius als Harrys Patenonkel würde auf jeden Fall zu Gast sein. Hermine seufzte, denn die Situation schien ausweglos.

Mit hängenden Mundwinkeln ging sie ins Labor, wo Severus dem Vielsafttrank gerade Florfliegen untermischte. Er blickte über seine Schulter, als er sie kommen hörte.

„Der Trank muss noch eine halbe Stunde aufkochen, danach für zwei Tage ziehen“, erklärte er mit monotoner Stimme. Er rührte das Gebräu noch einige Male um, bevor er den Löffel am Rand des Kessels abklopfte und damit zum Waschbecken hinüberging, um ihn abzuwaschen. „Noch irgendwelche Aufträge?“
Hermine war am Tisch angelangt und stand direkt hinter ihm. „Einen Felix Felicis, zwei Gripsschärfungstränke und eine Murtlap-Essenz. Haben wir noch eingelegtes Murtlap-Rückengewebe?“
„Ich habe vorgestern welches bestellt. Es sollte Morgen bei der Lieferung dabei sein.“
Weil er an alles dachte, musste Hermine lächeln, was er auch an ihrer Stimme hören konnte, als sie ihm erzählte: „Poppy hat auch zwei Liter Skele-Wachs bestellt. Man merkt, dass in Hogwarts die Quidditch-Saison voll im Gange ist.“

Er nickte, trocknete dabei den Löffel ab, den er gleich darauf an seinen Haken hängte. Dass Hermine sich ihm genähert hatte, spürte er erst, als sie seine Hand nahm und ihre andere um seinen Unterarm legte. Die Wärme ihrer Wange konnte er an seinem Oberarm fühlen, an den sie sich gelehnt hatte. Stocksteif wartete er darauf, was diese Situation bringen würde. Als er eine Vermutung hatte, sprach er es freiheraus an, wenn auch flüsternd.

„Ich lasse mich nicht überreden, Hermine.“
„Nein, das will ich auch gar nicht versuchen.“ Wieder seufzte sie, doch diesmal erleichternd, weil der Streit längst vergessen war. „Du sollst nur wissen, wenn du deine Meinung übers Tanzen ändern solltest, dann bin ich allzeit bereit.“
Er wandte seinen Kopf zur Seite und traf mit seinen Lippen auf ihr Haar. „Was wollte Black?“
„Nichts Bestimmtes. Er hat sich sicher nur die Zeit bei mir vertreiben wollen. Ich habe nämlich gesehen, dass er sich draußen mit Anne getroffen hat.“ Nur langsam brachte Hermine wieder ein wenig Abstand zwischen sich und Severus, aber noch immer umfasste sie seinen Unterarm. „Ich benötige noch mehr Federn. Eine sollte vorerst reichen. Ich treffe immer wieder auf neue Zubereitungsmöglichkeiten und muss prüfen, wie die Feder auf bestimmte Verarbeitungsmethoden reagiert.“
„Sofort?“
„Für heute Abend brauche ich sie.“ So dicht bei ihm und seine Wärme spürend schloss sie die Augen. „Ich bin müde.“
„Du solltest nicht immer die Nächte durcharbeiten. Die Apotheke führt sich nicht von selbst.“
„Du bist doch da!“, erinnerte sie ihn frech. „Du denkst an alles, was ich vergesse. Gehst du eigentlich regelmäßig die Zutaten durch?“
„Natürlich! Man kann nur Qualität bieten, wenn man verdorbene Zutaten aussortiert und immer für ein vorhandenes Mindestmaß an Standardbestückung sorgt.“ Severus legte eine Hand auf ihre Schulter und drückte sie ein wenig von sich weg, damit er ihr in die Augen sehen konnte. „Wie kommst du voran?“, fragte er mit unsicherer Stimme.
„Besser als ich erwartet habe, wenn ich ehrlich bin. Die Übung mit den Hundehaaren hat wirklich geholfen. Ich bin viel sicherer bei der Frage, wie ich effektiv vorgehen muss, um eine Lösung zu finden. Und“, sie drückte seine Hand, „zwei Zutaten für einen Gegentrank habe ich schon! Einmal ist es das Pfeilkraut, beziehungsweise deren Rhizom. In diesen Wurzeln wird ein Wirkstoff gespeichert, der wachstumsstärkende Eigenschaften besitzt und zwar auf alles.“
„Pfeilkraut hat doch aber keine magischen Eigenschaften!“
Hermine strich sanft über seinen Unterarm. „Erinnerst du dich noch an die Wasserpflanzen, die wir bei Takeda gesehen haben?“ Severus nickte, so dass sie erklärte. „Er hat gezeigt, dass sie magische Eigenschaften haben können. In seinem letzten Brief schrieb er …“
„Er hat dir geschrieben?“
„Oh“, machte Hermine verlegen. „Hab ich ihn dir gar nicht gezeigt?“

Natürlich hatte sie nicht, weswegen sie den Brief, den sie ihren Pergamenten beigefügt hatte, herauszog und Severus zu lesen gab. Er las und las, dabei wurden seine Augen immer größer.

„Takeda hat die magischen Eigenschaften des Pfeilkrauts sogar schon getestet?“
„Und mir eine Probe der Pflanze geschickt, mit der ich selbst arbeiten konnte.“
„Das ist“, Severus schluckte kräftig, „eine Neuheit im Bereich der Zaubertränke!“ Summend stimmte sie ihm zu. „Und was für eine Pflanze ist die andere?“
„Zuckerbüsche! Stellt das genaue Gegenteil vom Gespenstischen Steinregen dar. Die Blume soll dafür sorgen, dass die Seelenteile, die nachwachsen werden, unabänderlich mit dem Kern verschmelzen und wieder eine Einheit mit ihm bilden. Der Gespenstische Steinregen spaltet alles Mögliche, die Zuckerbüsche hingegen sind bekannt für ihre fusionierende Wirkung.“
„Werden Zuckerbüsche nicht auch in der Trankversion des Dauerklebefluchs verwendet?“
Hermine nickte selbstsicher, denn davon hatte sie erst gestern gelesen. „Ja, was mit Hilfe von Zuckerbüschen verbunden wurde, lässt sich nicht mehr lösen.“
„Es sieht tatsächlich so aus, als kämest du voran.“
„Ich werde natürlich nichts überstürzen und lieber mehrmals nachrechnen, bevor sich noch ein Fehler einschleicht. Erst einmal muss ich sämtliche möglichen Zutaten testen und in meine Berechnungen einbinden. Was mir in Takedas Brief aufgefallen ist, war seine Methode, die er dem Pfeilkraut zugute kommen ließ. Er hat regelmäßig mit der Pflanze gesprochen, sie berührt und auf diese Weise mit seiner Magie gefüttert. Das werde ich auch tun müssen, ich weiß nur noch nicht, in welchem Ausmaß. Könntest du demnächst noch etwas von meinem Farbtrank brauen? Ich werde selbst einige Pflanzen anbauen müssen, um Tests zu machen.“
„Sicher.“

Auf einem Stück Pergament notierte sich Severus all das, was er noch brauen müsste, als er abrupt innehielt und in Gedanken versank. In seinem Kopf spielte sich immer wieder das Bild ab, in welchem Takeda die nicht-magischen Pflanzen berührte, die daraufhin vor lauter Zauber zu glühen begangen. Vor seinem inneren Auge tauschte er Takeda gegen eine andere Person aus, die er gut kannte.

„Was hast du, Severus?“

Sein Gesicht war bleich, sein Ausdruck jedoch euphorisch, geradezu erschreckend enthusiastisch.

„Harrys Magie!“, sprudelte es aus ihm heraus.
„Was?“
„Harry soll die Pflanzen ziehen und zwar nach Takedas Methode!“

Da war sie wieder, die Hoffnung in seinen Augen. Hermine verfiel in eine Art Trance, denn sie begann bereits damit, diese Information zu verarbeiten, zu berechnen. Sein Einfall war Gold wert. Wenn Harrys Magie sich schon in purer Form heilend auf Severus auswirken konnte, dann würden die Pflanzen, die sie für den Gegentrank benötigte, sicherlich aus dieser kräftigen Magie einen Vorteil ziehen.

„Brillant, Severus! Einfach nur brillant. Ich werde ihm eine Pflanze geben, um die er sich kümmern soll. Danach werde ich testen, inwiefern sich die Eigenschaften des Pfeilkrauts durch ihn verändert haben.“
„Sofort!“
„Severus, wir sollten es nicht übereilen.“
„Hermine, es kann Wochen dauern, bis die Pflanze die Magie annimmt. Hat Takeda selbst geschrieben! Wir sollten keine Zeit verlieren.“

So impulsiv hatte Hermine ihn selten erleben dürfen, weshalb sie seinen Wunsch nicht abschlagen konnte. Severus‘ braune Augen glitzerten wie die von Albus, wenn der sich mächtig über etwas freute. Sie konnte nicht anders, als ihm um den Hals zu fallen und ihn an sich zu drücken.

„Ich bin sicher, dass es funktionieren wird!“, hörte er ganz dicht an seinem Ohr.

Wange an Wange standen sie da, bis sich seine Arme um ihre Taille legten und er die Augen schloss, einfach nur um das Gefühl zu spüren, das so tief in ihm vergraben war und das ihre Nähe auch auslösen konnte, wenn auch nicht so stark, wie es notwendig wäre, um es am Leben zu erhalten. Er konnte beinahe danach greifen, aber immer wieder entwischte es ihm.

„Du solltest den Zutaten auch die besondere Behandlung zukommen lassen, Hermine“, murmelte er in ihr Ohr.
„Ach ja?“
„Ja“, bestätigte er. Ihr musste klar sein, dass sie ebenfalls eine positive Wirkung auf ihn ausübte, sonst hätte er diesen Vorschlag nicht gemacht. Wie es aussah, hatte sie ihn nicht missverstanden, denn sie drückte noch kräftiger zu.

In genau diesem Augenblick umarmten sich eine Menge Menschen auf dieser Welt, auch in Hogwarts, wie die Schüler Meredith und Gordian, die sich auf dem Astronomieturm getroffen hatten oder Harry und Ginny, die keinen Grund benötigten, um den anderen zu herzen.

„Das Kleid ist fertig, Harry. Kommst du mit, wenn ich es nächste Woche anprobiere?“
Harry löste die Umarmung. „Ich dachte immer, es bringt Unglück, wenn ich dich vorher im Kleid sehe.“
„Das ist doch Blödsinn. Bei den Muggeln mag es laut Volksmund Unglück bringen, aber ich weiß, dass eine Menge Paare ihre Kleidung aufeinander abstimmen und deshalb auch zusammen einkaufen gehen. Was ist mit deinem Anzug?“
„Ich hab noch gar nicht …“ Ginny schaute ihn erstaunt an und Harry versuchte, sich zu rechtfertigen. „Es sind doch noch sechs Wochen! Als ich mich das letzte Mal in einem Geschäft umgeschaut habe, meinten die Verkäufer, dass ich noch viel Zeit hätte.“
„Zeit, die sehr schnell vergehen kann. Dann komm einfach mit, wenn ich das Kleid anprobiere. Du kannst dir dort gleich ein paar Anzüge ansehen.“ Sie kam ins Schwärmen. „Die haben ganz wundervolle Kataloge, Harry.“

Als es klopfte ließen die beiden vollends voneinander ab. Harry ließ den unerwarteten Gast hinein.

„Hermine! Komm rein, schön dich zu sehen.“ Sein Blick fiel sofort auf das gläserne rundliche Gefäß, das sie in den Händen hielt. Am Boden hatte sich viel Erde abgesetzt, aber zur gleichen Menge war Wasser hinzugegeben. Aus der augenscheinlich überwässerten Erde sprossen über den Rand des Glases hinaus einige grüne Stängel, die an ihren obersten Enden dreiblättrige weiße Blüten aufwiesen.
„Hallo Harry“, sie blickte zu ihrer Freundin hinüber, „Ginny, wie geht’s?“
„Ganz wunderbar, danke der Nachfrage.“

Auf dem Boden sah Hermine ihren Patensohn mit magischen Bauklötzen spielen, die nicht sofort umfielen, wenn sie ein wenig schief aufeinander gestapelt wurden. Dementsprechend hoch war bereits ein so schräger Turm gebaut, der den schiefen Turm von Pisa mit Leichtigkeit in den Schatten stellte. Als Nicholas sie bemerkte, grinste er breit. Zwei Schneidezähne konnte man andeutungsweise erkennen. Der Junge riss freudig die Arme hoch, ließ dabei den einen Klotz achtlos auf den Boden fallen.

„Ist das nicht mein kleiner Patensohn?“ Das runde Glasgebilde stellte Hermine auf dem Tisch ab, doch bevor sie zu Nicholas gehen konnte, hielt Ginny sie auf.
„Geh in die Knie“, riet ihr die Rothaarige, „und ruf ihn.“

Neugierig kam sie der Aufforderung nach und ging in die Knie. Mit ihren Händen klatschte sie einmal, bevor sie sie dem Jungen entgegenstreckte. Der machte gleich darauf ein paar akrobatische Bewegungen, drückte sich vom Boden weg und …

„Er steht!“ Hermine konnte es noch gar nicht fassen.
Stolz kündigte Harry an: „Es kommt noch viel besser.“

Nicholas stand auf wackeligen Beinen. Nachdem er einen Schritt gemacht hatte, stolperte er über den fallengelassenen Klotz und landete auf dem Allerwertesten, doch er weinte nicht. Noch immer grinste er fröhlich, als er sich ein zweites Mal aufrappelte, dabei von Hermine in höchsten Tonlagen animiert wurde. Sie rief ihn, klatschte immer wieder in die Hände. Mit rudernden Armen machte Nicholas zwei Schritte, bis er endlich die Couch erreicht hatte. Zwischen Couch und Tisch hindurch hielt er sich an beiden Gegenständen fest, damit er nicht mehr fallen würde.

„Na komm her, Nicholas.“ Mit gurgelnden Singlauten kam der Junge immer näher, bis er von Hermine in den Arm geschlossen und am Kopf mit Küssen bedeckt wurde. „Fein gemacht.“ Sie hob ihn hoch. In dem Moment, als sie den vielen Speichel an seinem Kinn bemerkte, war Ginny schon mit einem weichen Taschentuch zur Stelle.
„Das ist wegen der Zähne“, erklärte Ginny. „Ich hab überall Tücher bereitgelegt und bin ständig dabei, ihm den Mund abzuwischen. Mama hat gesagt, das ist völlig normal.“
Hermine wiegte den Jungen hin und her. „Dann wird es Zeit für einen Beißring, damit es nicht so wehtut, wenn die Zähne kommen.“
Harry schnaufte. „Hat er schon, nimmt er aber selten. Er kaut lieber auf allem anderen herum, aber nicht auf den Sachen, die wir ihm dafür geben.“

Mit Nicholas im Arm nahm Hermine Platz und unterhielt sich mit Ginny über die schnellen Fortschritte des Kindes.

„Kaum konnte er alleine stehen, hat er sich ständig irgendwo hochgezogen, bis er ein paar Schritte machen konnte. Das ging wirklich fix. Harry und ich saßen wie gebannt auf der Couch und haben zugesehen. Das war spannender als jedes Quidditch-Spiel.“
„Das glaub ich“, stimmte Hermine zu, die Nicholas ansehen konnte, dass er nun müde war, denn er hatte seine Wange an ihre Brust gelegt, und die kleinen Augenlider flatterten angestrengt, als er versuchte wach zu bleiben. „Hat er schon einen Spontanzauber ausgelöst?“
Harry runzelte die Stirn. „Einen was?“
Die Erklärung übernahm Ginny, während sie Harrys Hand nahm und sie abwesend streichelte. „Das sind Zauber, die einfach so passieren können. Muss nicht immer so sein, aber viele Kinder können plötzlich etwas tun, was sie nicht kontrollieren können.“ Sie lächelte Harry an. „So ähnlich wie mit deiner Gabe.“
„Ich bin aber keine zehn Monate alt, Ginny“, erwiderte er vorgetäuscht beleidigt. „Ich glaube ich weiß, was ihr mit Spontanzauber meint. Neville hat damals erzählt, was sein Großonkel Algie alles mit ihm angestellt hat, um eine magische Reaktion zu provozieren.“
Hermine, die sich auch noch gut an Nevilles Erzählungen erinnern konnte, warf erbost ein: „Solche Methoden gehören verboten! Neville wäre fast ertrunken, als sein Onkel ihn vom Pier gestoßen hat. Und stellt euch vor, bei dem Sturz aus dem Fenster hätte sich herausgestellt, Neville wäre ein Squib gewesen! Gar nicht auszudenken, wie schlimm die Verletzungen gewesen wären, wenn er das überhaupt überlebt hätte.“
„Das ist unter Reinblütern leider sehr verbreitet gewesen“, erklärte Ginny.
Harry schüttelte den Kopf. „Aber warum?“
Einen Moment zögerte sie, doch letztendlich gab seine Verlobte ihm die Antwort. „Viele Reinblüterfamilien haben den Tod eines Familienmitglieds in Kauf genommen, wenn sich bei solchen waghalsigen Aktionen herausgestellt hat, dass es ein Squib war.“

Schockiert über diese Information war Harry einen Moment sprachlos. Als er sich wieder gefangen hatte, war seine ganze Entrüstung in seiner Stimme und seiner Körpersprache auszumachen.

„Einfach ein Kind aus dem Fenster werfen und wenn es ein Squib war, dann hat man halt Pech gehabt?“ Er atmete heftig und schüttelte den Kopf. „Das ist aber heutzutage nicht mehr so oder?“ Niemand antwortete. „Ginny! Das ist heute nicht mehr so, oder?“
„Ich weiß es nicht. Man kann nicht ausschließen, dass manche Familien das noch immer so handhaben. Neville war allerdings der Einzige, von dem ich damals solche Geschichten gehört habe. Das lässt hoffen, dass die Zauberer und Hexen davon abgekommen sind.“
Harry war außer sich vor Wut. „Aber man weiß es nicht! Ist ja auch kein Wunder, denn welcher Squib kann über diese unmenschlichen Behandlungen noch reden, wenn er tot ist?“
„Harry, ein bisschen leiser bitte“, rügte Hermine, denn der dösende Nicholas war wegen der Lautstärke in ihrem Arm zusammengezuckt.

Aufgebracht fuhr Harry sich durchs wirre Haar. Er konnte sich nicht vorstellen, dass seine Eltern jemals so gehandelt hätten. ‘Wer weiß‘, dachte er, ‘vielleicht war es seinem Vater so ergangen? Immerhin war er reinblütig gewesen. Womöglich musste Draco Ähnliches durchleben, nur sprach er nicht darüber.‘

„Harry?“ Durchs Ginnys Stimme wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Noch immer liebkoste sie seine Hand. „Vielleicht solltest du mit meinem Vater darüber reden? Oder besser noch mit Sirius. Vielleicht haben sie das in den Gesetzesänderungen gar nicht beachtet und könnten das für den Schutz von Squibs einarbeiten.“
„Das werde ich tun! Ihr wisst ja gar nicht, was für scheußliche Bilder sich gerade in meinem Kopf formen. Ich will sicher sein, dass kein Kind solchen ‘Erziehungsmethoden‘ ausgesetzt ist!“

Die Erziehungsmethoden waren von Familie zu Familie unterschiedlich. Manche verhätschelten ihre Kinder und dabei war völlig zweitrangig, ob ein Squib zur Welt gekommen war oder der Nachwuchs magische Fähigkeiten besaß. Andere zeigten ihren Sprösslingen, dass sie besser dran wären, wenn sie das elterliche Haus verlassen würden – somit die Familie vor der Schande bewahrten.

Bei den Malfoys waren bis zum Tode von Abraxas, dem Vater von Lucius, sehr viel strengere Sitten an der Tagesordnung gewesen. Einige von denen hatte auch Draco miterleben müssen. So gehörte es zum Beispiel nach Ansicht von Abraxas zum guten Ton einer reinblütigen Familie, dass die Familienmitglieder ein Instrument beherrschten. Lucius wie auch Draco wurden von klein auf am Klavier unterrichtet, doch nachdem Abraxas, der sich gern und oft in die Erziehung seines Enkels eingemischt hatte, an Drachenpocken zugrunde gegangen war, ruhte der Unterricht.

Eines Tages, nachdem die Beerdigung und die Trauer einigermaßen überwunden waren, fragte der neunjährige Draco seinen Vater, als beide sich im Musikzimmer aufhielten, ob er üben sollte. Lucius hatte bejaht und sich mit einer Ausgabe des Tagespropheten auf den Hocker neben das Klavier gesetzt, als sein Sohn zu spielen begann. Bei der ersten falschen Note zuckte Draco zusammen und hielt sich seine kleinen Hände schützend vor die Brust, doch der befürchtete Schlag mit dem Rohrstock, mit dem sein Großvater stetig die Lernfähigkeit seines Schützlings verbessern wollte, war ausgeblieben. Sein Vater störte sich nicht an der falschen Note.

‘Beginn einfach nochmal von vorn‘, waren die Worte seines Vaters gewesen, die auch jetzt wieder in Dracos Ohren hallten, als er sich im Musikzimmer aufhielt, um dort ein paar Reinigungszauber anzuwenden. Als er das helle Klavier aus Vogelaugenahorn vom Staub befreite, wurde ihm klar, dass nach diesem einen Tag weder er noch sein Vater jemals wieder darauf gespielt hatten. In gewisser Weise stellte das den ersten Bruch mit einer Tradition des Hauses Malfoy dar, dachte Draco, als er die Klappe öffnete, unter der sich die Klaviatur befand. Gedankenverloren setzte er sich und schlug wahllos ein paar Tasten an. Als er blind drauf losspielen wollte, musste er feststellen, dass er es nicht mehr konnte.

„Du spielst?“ Auf der Stelle hielt Draco seine Finger still und er drehte sich um. Im Türrahmen stand sein Vater, der das Zimmer betrat, nachdem seine Anwesenheit nicht länger verborgen war.
„Ich hab es verlernt“, gab Draco offen zu. Gerade wollte er den Deckel wieder schließen, da hinderte sein Vater ihn daran.
„Versuchen wir es zusammen.“ Lucius nahm links von seinem Sohn Platz. „Nehmen wir etwas Leichtes, etwas, dass du mit Sicherheit noch kannst.“
„Ich hab alles vergessen, Vater.“
Lucius machte drei schnelle Schnalzgeräusche mit seiner Zunge. „Nicht doch, Junge. Versuch es wenigstens.“
Er würde sich blamieren, so viel stand für Draco fest. „Und was schlägst du vor?“
Sein Vater überlegte nicht lange: „Sur le Pont d'Avignon. Ich werde dich mit zerlegten Akkorden begleiten.“

Das Kinderlied, das wegen seiner Einfachheit wohl zu jedem Klavierunterricht dazugehörte, hatte Draco tatsächlich noch sehr munter in Erinnerung, wie auch die Methoden seines Großvaters. Dracos Hände schwebten über den Tasten, aber er begann nicht zu spielen. Stattdessen zitterten seine Finger bei der Erinnerung an das sogenannte „Tatzen“, wie die Schläge auf die Handfläche bezeichnet wurden. Sein Vater bemerkte die aufkommende Abneigung.

„Mir geht es wie dir.“ Lucius und schlug wahllos eine Taste an. „Schlechte Erinnerungen, die einem die Freude am Spielen nehmen.“ Noch eine Note erklang. „Es war eine Art Todsünde, dem eigenen Vater zu widersprechen, aber glaub mir: Ich habe ihn mir mehrmals zur Brust genommen und seine Verfahrensweise kritisiert. Leider hat es ihn nicht interessiert, was ich davon halte.“

Verschwommen konnte sich Draco an einige Begebenheiten erinnern. An kleine Auseinandersetzungen zwischen Vater und Großvater, nachdem es einen Schlag auf die Finger gegeben hatte.

Sehr leise fügte Lucius hinzu: „Er hat mich undankbar genannt.“ Ein reumütiger Seufzer entwich Lucius, doch gleich darauf atmete er tief durch, sammelte Kraft aus dem Hier und Jetzt. Es schien, als würde das Wetter die Trostlosigkeit aus dem Zimmer vertreiben wollen, denn die Wolken rissen auf und das Musikzimmer badete in den letzten Strahlen der Abendsonne. Es hatte etwas Heiliges an sich.

„Also, spielen wir?“, forderte Lucius ihn begeistert auf.

Draco nickte seinem Vater zu und begann mit dem Lied, das sein Erstes gewesen war, nachdem er die Tonleiter beherrschte. Sein Vater begleitete ihn zu den fröhlichen Klängen und mit einem Male war das Klavier nicht mehr mit negativen Erinnerungen verknüpft, sondern wurde in diesem Moment mit einem neuen Gefühl geprägt. Dem Gefühl, seinem eigenen Vater wieder etwas näher gekommen zu sein. Vernachlässigte Gewohnheiten wurden auf neue Weise wiederbelebt, ganz ohne Zwang, und das Musikzimmer wurde ohne jeden Übergang lebendig.

Beide waren aus der Übung, Draco mehr als sein Vater. Das Tempo stimmte nicht und einige Töne waren falsch. Ihr Spiel war keinesfalls perfekt, es war viel besser – es war vollkommen.

So saßen Vater und Sohn beisammen und spielten ein Lied aus Kindertagen, während die Sonne ins Musikzimmer schien und die Holzverkleidung samt dem rotbraunen Parkett eine heimelige Wärme ausstrahlte. Die gleiche sonnige Wärme verspürte Draco auch in seinem Brustkorb und er vermutete, dass es seinem Vater ähnlich erging.

Als sie fertig waren, denn besonders lang war das Stück nicht, blieben beide noch wortlos nebeneinander auf dem Hocker sitzen, weil sie diesen einzigartigen Moment genossen. Sein Vater war es, der nach einer Weile die Stille durchbrach.

„Danke für die kleine Abwechslung.“
„Ich danke dir“, gab Draco gut gelaunt zurück. Sein Vater legte ihm daraufhin eine Hand auf die Schulter und drückte willkommen zu, bevor er sich erhob und den Raum verlassen wollte. „Warte!“ Lucius drehte sich um und wartete geduldig auf das, was seinem Sohn auf der Zunge brannte. „Ich dachte, du könntest mir vielleicht den einen oder anderen Tipp geben.“
Sein Vater legte den Kopf schräg. „In Bezug auf was?“
„Ich bin der einzige Sponsor von Eintracht Pfützensee und frage mich, ob ich Werbefläche verkaufen sollte, zum Beispiel auf der Sportbekleidung.“
Lucius war erstaunt, was er auch nicht verbergen wollte. „Da fragst du gerade mich? Ich dachte eigentlich, man hätte mich in dieser Hinsicht abgeschrieben.“
„Vater bitte …“

Der Moment der Zusammengehörigkeit sollte nicht so schnell wieder zerstört werden. Draco benötigte tatsächlich Hilfe. Er hatte zwar einige Partner und war hier und da in vielversprechende Geschäfte eingestiegen, aber wie er jeweils das Beste herausschlagen konnte, war ihm nicht bewusst.

„Nun“, begann Lucius mit überheblichem Tonfall, den Draco ihm nicht übel nehmen wollte, „dann sollten wir deine Unterlagen mal gemeinsam durchgehen. Morgen?“
„Nach der Schule habe ich Zeit.“
„Gut, dann Morgen in meinem“, er verbesserte schweren Herzens, „in deinem Arbeitszimmer.“
„In unserem“, stellte Draco richtig, womit er ein zufriedenes Lächeln auf das Gesicht seines Vaters zauberte.

Ein zufriedenes Lächeln hatte sich auch auf Hermines Gesicht niedergeschlagen, als sie Nicholas beim Schlafen beobachtete. In ihren Armen fühlte er sich so wohl, dass ihn die Geräusche der Umgebung, die Unterhaltung zwischen ihr und seinen Eltern, absolut nichts ausmachten.

„Hermine? Erklärst du mir auch, warum du ein Aquarium mitgebracht hast?“ Harry nickte zu dem runden und mit Wasser und Pflanzen gefüllten Gefäß, indem kein einziger Fisch schwamm.
„Es gibt da eine Sache, um die ich dich bitten möchte. Du hast damals gesagt, wozu auch immer ich deine Hilfe benötige, du würdest es tun.“
„Ah, es geht um …“ Er warf Hermine einen bedeutungsschwangeren Blick zu, den Ginny mit einem Augenrollen kommentierte.
„Ich bin nicht blöd. Es geht um Snape, soviel habe ich von all eurem Getue längst mitbekommen!“ Ginny schaute zu Hermine, dann zu Harry. „Soll ich gehen?“
Verneinend erklärte Hermine: „Es geht um die Pflanzen. Harry, du musst mir einen Gefallen tun. Ich will gar nicht zu sehr ins Detail gehen, weil es dich langweilen würde.“
„Versuch es doch einfach mal“, forderte er sie auf, woraufhin Hermine stutzte, seiner Bitte aber nachkam.
„Neulich in Japan habe ich erfahren, dass nicht-magische Pflanzen wie dieses Pfeilkraut“, sie deutete zum gläsernen Gefäß, „fremde Magie aufnehmen können und auf diese Weise auch eigenständige magische Wirkstoffe aufweisen.“
„Siehst du, ich hab’s verstanden“, beteuerte er grinsend.
„Gut, denn was ich von dir verlange, mag sich im ersten Moment etwas seltsam anhören.“ Ginny und Harry warteten gespannt auf ihre Anweisung, die sie ohne Umschweife gab. „Ich möchte, dass du dich ganz besonders um diese Wasserpflanzen kümmerst.“
„Warum?“, fragte er erstaunt nach.
Ginny schlug ihm scherzhaft auf den Unterarm. „Sag mal, hast du nicht zugehört? Hermine hat gesagt, dass diese Pflanzen fremde Magie aufnehmen können. Ergo möchte sie, dass sie deine Magie aufnehmen.“
„Okay, kein Problem. Was muss ich tun?“
Den Jungen auf ihrem Unterarm legte Hermine etwas mehr in die Horizontale, damit ihr die Gliedmaße nicht einschlafen würde. „Du musst die Pflanzen berühren, mit ihnen sprechen und wenn möglich immer in deiner Nähe haben.“
„Abends kein Problem, aber was ist tagsüber während des Unterrichts?“, gab Harry zu bedenken. „Ich kann schlecht zu jeder Klasse mit einem Aquarium unter dem Arm auftauchen.“
Ginny zuckte mit den Schultern. „Warum denn nicht? Ich werde das Gerücht verbreiten, dass es sich um ein Experiment handelt, das du immer im Auge behalten musst. Da wird niemand Fragen stellen.“
„Sieht trotzdem ein bisschen komisch aus, findet ihr nicht?“ Mit dieser Meinung stand er offensichtlich allein da, weswegen er resignierend mit den Schultern zuckte. „Gut, dann nehme ich die Pflanze eben auch zum Unterricht mit. Solange ich nicht mit ihr schlafen muss ...“ Er lachte, war aber der Einzige, so dass ihm das Lachen im Halse stecken blieb. „Das ist nicht dein Ernst, Hermine!“
„Nein, natürlich nicht, obwohl man das Glas durchaus so verzaubern könnte, dass es im Bett nicht umkippen würde.“
Harry bekam größere Kulleraugen als Wobbel. „Es kommt auf den Nachttisch, basta. Das muss reichen.“
Hermine grinste amüsiert und nickte zustimmend. „Das wird auch reichen. Die Hauptsache ist, dass du immer in der Nähe bist und die Pflanze sich immer in deinem Magiekreis aufhält. Trotzdem vergiss nicht, das Pfeilkraut auch regelmäßig zu berühren und …“
Harry unterbrach: „Mit ihr zu sprechen, verstehe schon. Wenn ich gut drauf bin, darf sie auch dabei sein, wenn ich Nicholas ein Gute-Nacht-Lied vorsinge.“
„Du singst ihm was vor? Ist das goldig“, schwärmte Hermine. „Darf ich mal dabei sein?“
„Nein!“, wehrte sich Harry. „Da schmeiß ich Ginny auch immer raus, bevor ich …“
Er wurde von seiner Verlobten unterbrochen. „Ich habe gelauscht und es ist wirklich ganz herzallerliebst!“
„Ich sollte Eintrittskarten verkaufen“, murmelte Harry. An Hermine gerichtet wollte er wissen: „Darf ich fragen, was du im Anschluss damit vorhast?“

Diesmal blickte Hermine zu Ginny hinüber, denn jetzt war das Thema tatsächlich auf Severus und sein Problem gelenkt worden und sie wollte kein Wort verlieren, das zu viel Einblick geben könnte. Mit ein wenig Geschick drückte sie sich so aus, dass sie nicht zu genau wurde.

„Ich hoffe, mit deiner Hilfe wird aus dem Pfeilkraut eine Zutat für den Heiltrank werden.“
Harry blinzelte einige Male. „Tatsächlich?“ Als Hermine bejahte, schien ihm ein Stein vom Herzen zu fallen. „Wusste gar nicht, dass du schon so weit bist.“
„Ich gebe mir alle Mühe, Harry. Da war eine Menge, das ich in Erfahrung gebracht habe; eine Menge Informationen, die mir geholfen haben. Trotzdem werde ich später noch Hilfe benötigen, da bin ich mir ganz sicher.“
Mit erhobener Hand beteuerte Harry: „Bin zur Stelle, wenn du mich brauchst.“
„Danke. Ach, bevor ich es vergesse, Harry: Ich habe auch welche von den 30-Sekunden-Farbtränken mit. Nur damit du in etwa weißt, wie groß der Radius deiner Magie ist, wie dicht also das Glas immer sein muss.“ Dem schlafenden Kind im Arm gab sie einen Kuss auf die samtweiche Stirn. „So, mein Kleiner. Ich muss jetzt wieder los. Severus wartet auf mich.“
„Er ist bei dir?“, fragte Harry erstaunt.
„Ja.“ Die nicht gestellte Frage ‘Warum?‘ schwang in Hermines Tonfall mit.
„Nur so“, winkte Harry ab. Als Hermine zur Tür ging, stutzte er. „Warum nimmst du nicht den Kamin?“
„Weil ich kurz noch bei Neville vorbeischauen möchte. Also“, Hermine nickte ihren beiden Freunden zu, „bis dann!“

Nachdem Hermine gegangen war, starrte Ginny auf das Glasgefäß mit der Pflanze. Kurz darauf blickte sie Harry an, bevor sie die Vermutung aufstellte: „Läuft zwischen den beiden irgendwas?“
„Hey, frag nicht mich. Ich bin immer der Letzte, der über sowas in Kenntnis gesetzt wird.“
„George meinte neulich, Snape wäre fast jeden Tag bei ihr.“
Harry nickte. „Ist auch sein gutes Recht, ihm gehört immerhin die halbe Apotheke.“
„Und außerdem hat Fred mir erzählt – das weiß er von seinen Nachbarn –, dass Snape sich in der Winkelgasse wegen einer Wohnung umschaut, aber bisher waren ihm alle zu teuer.“
„Na also, da hast du doch die Antwort auf deine erste Frage! Er könnte auch bei Hermine einziehen, wenn er wollte, aber er tut’s nicht.“ Sein Blick fiel auf den Tisch. Er überreichte Ginny den schlafenden Jungen. „Und jetzt lass mir einen Moment, Schatz. Ich muss mich um meinen neuen besten Freund kümmern.“

Gelassen näherte sich Harry der Pflanze und berührte vorsichtig den Teil, der über das Wasser hinausragte. Mit seinen Fingerspitzen strich er über die bandförmigen grünen Blätter.

„Hallo, ich bin der Harry“, sagte er mit fröhlichem Singsang in der Stimme und einem breiten Grinsen im Gesicht. Als er zu Ginny hinüberschaute, giggelte sie gleich darauf los.
„Oh Merlin, lass das bloß niemanden sehen, sonst wirst du noch ins Mungos eingewiesen.“

Auch wenn er in diesem Moment einen Scherz darüber machte, mit der Pflanze zu sprechen, so wusste er von dem Experiment mit Draco, dass die Magie auf einen anderen Menschen übergehen konnte, denn das hatte er selbst erlebt. Wenn Hermine sagte, die Magie würde auch auf Pflanzen einwirken, glaubte er ihr das ungesehen. Vielleicht konnte er Severus auf diese Weise den Wunsch erfüllen, ihm einen Teil seiner Magie zu geben. Mit all der Hoffnung, diese Pflanze zu einer wirkungsvollen Zutat für ein Heilmittel zu machen, befühlte Harry die drei weißen Blütenblätter.

Genau das stellte sich Hermine gerade vor. Sie dachte daran, wie Harry das Pfeilkraut berührte und sah vor ihrem inneren Auge die Magie, die von ihm auf die Pflanze übersprang. Sie stellte sich allerdings auch gleich vor, wie sie die Magie von Harry in Zahlen umrechnen würde. Ihr Weg führte sie zu den Gewächshäusern der Schule. In einem brannte noch Licht. Es war Gewächshaus Nummer vier.

„Neville?“, fragte sie, nachdem sie die Tür geöffnet und den Kopf hineingesteckt hatte.
Eine weibliche Stimme antwortete ihr. „Hermine, guten Abend. Kommen Sie bitte rein. Neville ist jeden Moment wieder da.“
„Hallo Pomona.“

Die rundliche Lehrerin für Kräuterkunde kam freudig auf Hermine zu und begrüßte sie, hielt ihr dafür die mit Erde beschmutzte Hand entgegen, doch als sie selbst ihre schmutzigen Fingernägel bemerkte, zog sie die Hand wieder zurück.

„Tut mir leid, dreckige Hände sind wohl Berufsrisiko.“
„Das macht ganz und gar nichts.“ Hermine schaute sich in dem Gewächshaus um. Rechts von ihr, wo Luna einmal gestanden hatte, blühten die Blumen nur noch kräftiger.
„Haben Sie für Neville wieder eine Aufgabe?“, wollte Pomona wissen.
„Oh ja, ich hoffe, das ist in Ordnung, wenn er für mich etwas hier auf dem Schulgelände anbaut.“
„Da machen Sie sich mal keine Sorgen, Hermine. Auf diese Weise lernt Neville noch viel mehr und das wird sich später bei seiner Prüfung positiv auswirken.“

Die Tür öffnete sich. Mit seinem Zauberstab brachte Neville fünf Säcke frischer Erde ins Gewächshaus. Erst als diese in einer Ecke verstaut waren und er sich umblickte, bemerkte er Hermine. Die Begrüßung war herzlich.

„Was kann ich für dich tun? Wieder etwas säen?“
„Wie kommst du nur darauf?“, schäkerte sie. „Mein Wunsch ist diesmal aber etwas ausgefallender.“
Pomona beruhigte sie. „Es gibt nichts, was Neville nicht ziehen kann.“ Sie schlug ihm kräftig auf den Rücken, so dass er einen Schritt nach vorn machte, um die Wucht auszugleichen. „Nicht wahr, mein Guter?“
Er lächelte verlegen, doch weder bestätigte noch dementierte er ihre Aussage. Er war zu bescheiden.
„Neville, es geht um Zuckerbüsche. Ich brauche da eine besondere Art.“
Ungläubig blickte er Hermine an. „Das wird schwierig.“
„Warum?“
„Weil Zuckerbüsche nur sehr schwer zu kultivieren sind, aber reizen würde mich das schon.“ Er knabberte kurz an seiner Unterlippe, als er nachdachte. „Weißt du, dass die Zuckerbüsche echte Ur-Blumen sind?“ Hermine schüttelte den Kopf. Sie wusste viel, aber natürlich nicht alles, also hörte sie interessiert zu, als Neville erzählte: „Damals, als alle Kontinente noch eins waren, da gab es sie schon. Als Gondwana, der südliche Kontinent, vor circa 150 Millionen Jahren auseinanderbrach, nahm er diese Pflanze mit. Es gibt die Zuckerbüsche heute nur in südlichen Regionen, wo es besonders warm ist und ein eher trockenes Klima herrscht. Das in einem Gewächshaus nachzuahmen ist …“
„Nicht unmöglich!“, fiel Pomona ihm ins Wort. „Zuckerbüsche sind kälteempfindlich, aber das bekommen wir schon hin. In Gewächshaus Nummer drei können wir einen Teil des Raumes abschirmen, um dort entsprechendes Klima nachzuempfinden.“ Pomona lächelte freundlich. „Für ein ‘Schulprojekt‘ ist das schon eine außergewöhnliche Sache, aber für deine Prüfung, Neville, ein absolutes Plus. Wenn du es schaffst, diese Blumen zu ziehen, wird kein Prüfer an dir zweifeln.“

Nevilles Wangen wurden rot, aber er lächelte zuversichtlich. Mit Hilfe von Pomona würde er diese Aufgabe zu Hermines Zufriedenheit bewältigen können. Es war nur noch die Frage des Preises zu klären, dachte Hermine.

„Was würden die Samen kosten?“
Hilfesuchend blickte Neville zu Pomona, die aufgrund ihrer Erfahrung sicherlich eine Antwort geben konnte und er irrte sich nicht, denn sie erwiderte an seiner Stelle: „Man kann die Samen auch in Europa bestellen, aber ich schlage vor, wir nehmen einen Händler aus Australien, Südchina, Afrika oder Japan.“
„Japan?“, wiederholte Hermine verdutzt. „Da kenne ich jemanden. Ich werde fragen, ob er mir Samen schicken kann und wenn das möglich wäre, dann lass ich sie gleich zu dir schicken, Neville. Wenn das in Ordnung ist, heißt das.“
„Aber sicher“, er stockte, dachte kurz nach. „Japan? Takeda?“
„Genau der!“

Mit breitem Lächeln verließ sie Neville und Pomona, um den Heimweg anzutreten. Es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass sie Zuhause nicht allein war, sondern jemand auf sie wartete.

„Macht er es?“, waren die begrüßenden Worte von Severus.
„Harry? Natürlich macht er es, was für eine Frage.“
„Es hätte ja sein können, dass er irgendeine Gegenleistung erwartet.“ Severus füllte gerade die beiden frischen Gripsschärfungstränke ab, die Kunden bestellt hatten.
„Was sollte er schon als Gegenleistung erwarten? Höchstens doch, dass es am Ende so klappt, wie ich es mir vorstelle.“ Langsam näherte sie sich ihm. „Ich muss Takeda einen Brief schreiben. Wie schicke ich den am besten? Per Eule würde es ewig dauern. Und wenn ich an den Weg denke, den sie zurücklegen muss, tut mir das Tier jetzt schon leid.“
„Muggelpost.“
„Was?“
Severus verkorkte die zweite Flasche und blickte danach Hermine an. „Ich sagte, per Muggelpost. Viele Zauberer und Hexen halten zwar nicht viel von Muggeln, aber in einigen Dingen haben deren Methoden Vorteile.“

Ihr schoss durch den Kopf, dass Harry und viele ihrer Freunde zur Schulzeit Briefe von ihren Muggelverwandten bekommen hatten.

„Wie geht das überhaupt? Ein Muggel schickt einen Brief über die Post ab und der Zauberer bekommt ihn – wie geht das?“
Anscheinend wusste Severus die Vorgehensweise von Albus und lieferte daher eine annehmbare Erklärung. „In jeder Postfiliale wird mindestens ein Squib oder Zauberer arbeiten. Die Post, die wegen einer nicht zustellbaren Adressierung liegen bleibt, wird von diesen Personen bearbeitet. Die meisten Briefe werden dann auf magischem Wege weitergeleitet, beziehungsweise an ein Posteulenamt abgetreten.“
„Also soll ich Takeda über die Muggelpost einen Brief schreiben, damit es nicht zu lange dauert?“
„Genau das schlage ich vor.“

Severus betrachtete Hermines Gesicht, ihre Augen, die Lippen, die Wangenknochen und dann, ohne dass sie es vorhersehen konnte, stand der Sekretär vor ihr. Sie musste lächeln. Der Vogel gefiel ihr. Er war recht groß und wirkte wegen seiner rot umrandeten Augen und den schwarzen Kopffedern sehr anmutig. Vorsichtig breitete der Vogel einen seiner Flügel aus und führte den Kopf ans Gefieder. Mit einer ruckartigen Bewegung hatte er eine seiner Schwungfedern herausgerissen, die er nun mit seinem nach unten gebogenen Schnabel Hermine präsentierte. Sie ging in die Knie und nahm die Feder entgegen, bedankte sich sogar bei ihm, doch Severus verwandelte sich nicht sofort zurück. Er stand nur da und betrachtete sie. Wie schon zuvor, das konnte Hermine aus der Nähe erkennen, blickte er erst in ihre Augen, dann auf den Mund und auf ihre Wangen. Sie erschrak nicht, als er auf sie zukam. Wie in Zeitlupe legte er seinen Kopf auf ihrer Schulter ab. Sie glaubte, aber sie könnte es sich auch eingebildet haben, den Vogel seufzen zu hören, als er das Gesicht in ihren Haaren vergrub. Kleine Katzenbabys mochten die Stelle zwischen Nacken und Haaransatz ebenfalls, weil die Haare des Menschen eine Assoziation zum Fell der Mutter darstellten und das Gefühl der Geborgenheit aufkommen ließen. Hermine konnte nicht anders, als über die an den Körper gelegten Flügel zu streichen. Noch einen Moment verweilten sie so, bis der Vogel sich abrupt von ihr abwandte und Severus sich zurückverwandelte.

Der Hauch eines rötlichen Schimmers war auf seinen Wangen auszumachen, als er verlegen auf den Tisch schaute und wissen wollte: „Ist noch irgendeine Arbeit zu erledigen?“
„Nein.“ Weil er enttäuscht aussah, empfahl sie: „Poppy braucht das Skele-Wachs zwar erst nächsten Monat, aber sie wird bestimmt nichts dagegen haben, wenn sie es früher bekommt.“

Schon war Severus in seinem Element. Er holte sich die Arbeitsmittel und Zutaten an den Tisch, um mit dem komplizierten Trank zu beginnen.

„Was dagegen, wenn ich hier sitze und meine Arbeit mache?“ In Gedanken ergänzte sie: ‘Wenn ich hier sitze und rechne?‘
„Natürlich nicht.“

Im Nu hatte Hermine all ihre Unterlagen ins Labor geholt. Eine Ecke des Tisches gehörte ihr ganz allein. Dort breitete sie ihre Nachschlagewerke mit den arithmantischen Formeln aus, Zutatenlisten und natürlich ihre vielen Pergamente, auf denen sie sich Stichpunkte machte oder Berechnungen anstellte. Severus‘ Anwesenheit half ihr bei der Konzentration und stärkte zudem ihr Durchhaltevermögen.

Dank der Informationen, welche Zutaten im Ewigen See verwendet wurden, hatte Hermine einen so guten Anhaltspunkt, dass sie in dieser einen Nacht fast alle Zutaten berechnen konnte, die für ein Heilmittel notwendig waren. Nur eine fehlte und sie kam beim besten Willen nicht drauf, welche Pflanze das sein könnte. Ihr enttäuschtes Stöhnen machte Severus auf sie aufmerksam.

„Verrechnet?“, fragte er mit einem Schmunzeln.
„Nein, nicht verrechnet. Ich habe hier Werte, die ich keiner Pflanze zuordnen kann.“
„Vielleicht handelt es sich um einen organischen Stoff?“, warf er ein. „Im Ewigen See finden die Leuchtorgane des Drachenfischs Verwendung.“
„Nach der Zahl bin ich mir sicher, dass es ein pflanzlicher Stoff sein muss. Die Werte von organischen Stoffen liegen in den Zehntausendern, aber in keinem Arithmantikbuch finde ich den Zahlenwert, den ich errechnet habe. Das ist so, als hätte ich die Nummer eines Personalausweises, aber nicht den Namen der Person, nicht mal ein Foto von ihr. Ich weiß einfach nicht, wie ich die gesuchte Pflanze finden kann.“ Genervt schlug Hermine ein Buch zu und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen.
„Vielleicht handelt es sich um eine nicht-magische Pflanze, die erst mit Takedas spezieller Behandlung magische Wirkstoffe produziert“, vermutete Severus.
„Wenn das so wäre, dann müsste ich erst einen Anti-Alterungstrank für mich brauen, denn um alle nicht-magischen Pflanzen auf diese Weise zu ziehen und zu testen, brauche ich mehr als nur ein Leben. Ich würde sterben, bevor ich das herausfinden könnte.“
„Kannst du den Zahlenwert wenigstens einer bestimmten Pflanzengruppe zuordnen?“

Hermine stutzte, blätterte dann in ihren Unterlagen und in einem Buch. Es gab tatsächlich „von-bis“-Zahlenwerte und ihr Wert passte in eine bestimmte Gruppe.

„Ranunculales.“
„Na bitte.“ Severus schien zuversichtlich, doch Hermine konnte dieses Gefühl nicht teilen.
„Hast du eine Ahnung, wie viele Pflanzen zu den Ranunculales zählen?“ Um ihm korrekte Informationen zu geben, blätterte sie in einem Buch für Kräuterkunde, las eine Stelle und erklärte dann: „Da gibt es über fünfzig Gattungen, über 1.500 Arten. Alles in allem beinhaltet sie Sträucher, jede Menge Kräuter und sogar Lianengewächse.“ Erneut schlug sie das Buch zu. „Ich würde vielleicht nur noch hundert Jahre benötigen, anstatt 500, um die richtige Pflanze zu finden, auf die meine Zahl zutrifft.“
„Dann schätze einfach.“
Hermine machte ganz große Augen. „Schätzen?“, fragte sie nach, als hätte er gerade etwas Unmögliches vorgeschlagen. „‘Pi mal Daumen‘ ist nicht unbedingt ein Rechenweg, der mir zusagt.“
„Wie wäre es dann“, er setzte sich neben sie, „wenn du jene Pflanzen der Ranunculales streichst, die bereits mit einem festen Zahlenwert in den Büchern vertreten sind? Von den über 1.500 Arten sollten auf diese Weise einige wegfallen und du kannst am Ende mit dem arbeiten, was übrig bleibt.“
„Ah“, machte sie einsichtig, „also nach dem Ausschlussprinzip. Das gefällt mir schon besser, auch wenn ich mir sicher bin, dass eine ganze Menge Pflanzen übrig bleiben werden und wahrscheinlich alle von der Sorte, die als nicht-magisch geführt werden. Ich werde Neville fragen. Vielleicht kann er mir einen Tipp geben, wie ich am besten vorgehen kann.“ Die ganzen Pergamente ordnete sie liebevoll, währen sie murmelte: „Ein Computer wäre schön.“
Severus wusste, dass das ein Gerät aus der Muggelwelt war, das Hermine schon benutzt hatte, um Informationen über Hopkins zu sammeln. „Dann besorgt dir einen.“
Sie schnaufte. „Der würde hier nicht funktionieren. Die ganze Magie in der Winkelgasse würde stören. Ich habe keine Lust darauf, stundenlang an einer Tabelle zu arbeiten, die mit dem nächsten Aufrufezauber in unmittelbarer Umgebung zunichte gemacht wird; vielleicht noch die ganze Festplatte löscht, wie es mir bei meinen Eltern mal passiert ist. So sauer habe ich meinen Vater noch nie erlebt.“

Elektrische Geräte waren nicht so anfällig wie kompliziertere elektronische Geräte. Eine normale Lampe mit Glühbirne, die durch Strom betrieben wurde, war viel sicherer vor den unerklärlichen Entladungen der Magie als ein modernes chipgesteuertes Auto oder eben ein Computer.

„Und wenn du deine Eltern besuchst?“, schlug er vor.
„Könnte ich natürlich machen, aber ich müsste eine Menge Zeit investieren. Ich weiß nicht, ob mein Vater bereit sein wird, mir seinen PC so lange zur Verfügung zu stellen. Er macht seine Abrechnungen darüber.“ Sie atmete tief durch. „Fragen schadet wohl nicht.“

Letzteres dachte sich auch ein Erstklässler, der am nächsten Tag noch vor Unterrichtsbeginn zu Harry an den Pult kam, auf die Pflanze im Glas deutete und wissen wollte: „Was ist das, Sir?“
„Das“, Harry schaute ebenfalls zum Pfeilkraut, „ist ein Experiment, auf das ich achten möchte. Deshalb nehme ich sie mit, wohin ich auch gehe.“
Skeptisch blickte der neugierige Erstklässler auf das Glas. „Ist das ein Experiment mit Dunkler Magie?“
„Was?“ Harry schnaufte. „Natürlich nicht!“

Es läutete zum Unterricht und der Schüler ließ ihn zum Glück in Ruhe. Harry stellte das Glas neben seinen Stuhl auf den Boden, damit es zwar in seiner Nähe war, aber nicht für jeden sichtbar.

Das Gleiche tat er auch beim Mittagessen, doch als Remus neben ihm Platz nehmen wollte, stieß der versehentlich gegen das Glas und etwas Wasser schwappte über.

„Oh, entschuldige bitte.“
„Kein Problem.“ Mit beiden Händen schob er das Glas direkt unter seinen Sitz. „So, jetzt sollte es nicht mehr in Weg sein.“
Remus setzte sich, blickte Harry dabei fragend an. „Was machst du damit? Ist es das, was die Schüler sich erzählen? Das unheimliche ‘Experiment‘?“
„Wow, das ging aber schnell mit dem Informationsfluss. Aber ja“, Harry nickte, „das ist mein Experiment.“
„Aha“, machte Remus etwas verwirrt. „Und was genau …?“
Harry unterbrach. „Da darf ich nicht drüber reden.“ Er zwinkerte Remus verspielt zu, der die Antwort einfach zur Kenntnis nahm und sich von dem Rostbraten auftat.

So wie an diesem Tag verliefen auch die darauf folgenden. Die Schüler hatten sich bereits an Professor Potters komisches Experiment gewöhnt, die Kollegen – bis auf Severus – jedoch nicht. Als Harry eines morgens mit dem Glas unterm Arm ins Lehrerzimmer kam, es wie gewohnt unter seinen Stuhl abstellte und seine Unterlagen über die Noten der Schüler aus seiner Tasche zog, sprach Neville ihn an.

„Harry? Um was für ein Experiment geht es eigentlich?“
„Ähm“, Harry war verlegen, denn Neville und er waren nicht die einzigen im Raum. Da war noch Minerva, die ihn neugierig anblickte und ebenfalls auf eine Antwort zu hoffen schien, ebenso wie Filius, Albus, Aurora, Septina und auch Remus. „Das ist eine …“ Er begann von Neuem: „Ich meine, ich mache das für eine Freundin. Sie, ähm …“

Severus, der ihm genau gegenübersaß, konnte sich aufgrund seiner Erklärungsnot ein amüsiertes Schmunzeln nicht verkneifen, äußerte sich jedoch nicht zum Thema, obwohl Harry hoffte, dass ihm irgendjemand aus der Patsche helfen würde.

„Wenn ich Sie nicht so gut kennen würde“, begann Filius frech grinsend, „dann würde ich meinen, es wäre ein Ausdruck geistiger Umnachtung, wenn jemand ständig eine Blume mit sich führt.“
„Da möchte ich zustimmen“, kam es von Minerva. „Die Schüler haben mir berichtet, Sie würden sogar mit der Pflanze sprechen.“
Harry fühlte, dass er rot wurde, denn seine Wangen glühten. „Ich habe den Schülern gesagt, dass es sich um ein Experiment handelt. Es wird auch bestimmt nicht mehr lange dauern. Es tut mir ja furchtbar leid, wenn ich einen kauzigen Eindruck mache, aber ich versichere Ihnen allen, dass meine geistige Gesundheit nicht angegriffen ist.“
Severus konnte es sich nicht verkneifen zu sagen: „Jedenfalls nicht mehr als sonst auch.“
Harry bewarf Severus mit einem der in goldenes Papier eingewickelten Bonbons, die auf dem Tisch lagen. „Das ist ja wohl die Höhe, dass gerade du mir in den Rücken fällst!“, regte er sich künstlich auf. „Na warte, das zahle ich dir irgendwann heim.“ Harry versuchte, so fies wie nur möglich zu grinsen, aber darin war Severus viel besser als er.
Albus hatte die Skepsis der Lehrer und die Unterredung aufmerksam verfolgt, so dass er nun sein Urteil fällen konnte, indem er mit einem Lächeln beteuerte: „Also, auf mich wirkt alles vollkommen normal. Ganz so wie immer.“ Professor Binns stimmte dem Direktor zu, allerdings hatte er auch gar nicht mitbekommen, um was es überhaupt ging.

Nach Unterrichtsschluss kehrte Harry in seine Räume ein. Ginny fütterte gerade Nicholas und Wobbel machte nebenbei mit dem Schnippen seiner Finger in Windeseile sauber. Das runde Glasgefäß stellte er auf dem Tisch ab, bevor er sich mit einem lauten Seufzer auf die Couch warf.

„Weißt du, wie man mich nennt?“
Mit dem Löffel Kindernahrung blieb sie auf halbem Weg zum kleinen Mund stehen, den Nicholas erwartungsvoll aufgerissen hatte. „Der Pflanzenflüsterer?“
„Herrje, das ist schon bis zu dir durchgedrungen?“
„Nicht ganz, ich war nämlich diejenige, die dir den Spitznamen verpasst hat.“
„Vielen Dank auch, Ginny. Langsam halten mich wirklich alle für wunderlich.“ Er nahm die Brille von der Nase, um sie mit einem Taschentuch zu putzen, beobachtete dabei Ginny, die den Jungen fütterte. „Hat sich Hermine gemeldet? Langsam müsste die Zeit doch reichen, die ich mit dem Pfeilkraut verbracht habe.“
Ginny schüttelte den Kopf. „Immer, wenn ich sie in der Apotheke angefloht habe, war nur Snape da. Er sagte, sie wäre bei ihren Eltern.“
„Na klasse, Hermine macht sich einen schönen Tag bei ihren Eltern im Garten und mich hält man für einen verrückten Professor.“
„Ach Harry, mach dir keine Sorgen. Laut meiner letzten Umfrage unter den Mitschülern liegt Trelawney noch immer an erster Stelle, was die kauzigen Lehrer von Hogwarts betrifft. Du näherst dich ihr allerdings mit großen Schritten.“ Weil Harry ihr einen warnenden Blick zuwarf, musste Ginny lachen. „Jeder andere hätte längst aufgegeben, weil es ihm peinlich wäre.“
Wortlos verneinte Harry. „Was kümmert es mich, was die anderen von mir denken?“
„Oho“, machte Ginny, „das sah früher aber mal anders aus. Ich sage nur ‘Tagesprophet‘.“
„Das ist doch was völlig anderes.“
„Lass gut sein, Harry. Ich mag spleenige Professoren.“ Sie zwinkerte ihm frech zu. „Ich weiß auch, wie man sie noch mehr zerstreuen kann.“ Jetzt ließ sie noch die Augenbrauen auf und ab tanzen.
„Ach ja? Wie?“, fragte Harry unschuldig nach.
Ein verführerisches Lächeln zauberte sich auf ihr Gesicht. „Das zeig ich dir, wenn wir uns schlafengelegt haben.“
Demonstrativ gähnte Harry. „Habe ich schon erwähnt, wie müde ich bin? Ich glaube, ich gehe sofort ins Bett.“

Während Ginny wie versprochen bei Harry für Zerstreuung sorgte, stellte sich Severus die Frage nach dem zu Bett gehen noch lange nicht. Er musste in der Apotheke seinen Mann stehen, während Hermine ihn mit der Arbeit allein ließ und bei ihren Eltern eine Liste der Pflanzenarten am Computer erstellte. Nach über einer Woche war es um ihn so bestellt, wie es ihr in den ersten Wochen ergangen war. Er war überarbeitet. Allein waren die Aufgaben kaum noch zu bewältigen. Noch schaffte er es, Tränke und Cremes fristgemäß herzustellen, doch bald müsste der Zeitpunkt eintreten, wo er nachhinken würde. Er hoffte innig, dass Hermine vor diesem Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab, zu ihm stoßen würde, denn sonst würden die Kunden wegen zu langer Wartezeit wegbleiben. Natürlich fragte sie ihn jeden Tag, ob er zurechtkommen würde und stets hatte er bejaht. Dass er genau wie sie die Nächte durchmachte, davon wusste sie nichts. Auch nicht davon, dass er seit Tagen weniger als zwei Stunden Schlaf pro Nacht bekam. Er putschte sich mit literweise Kaffee und einigen Wachmacher-Tränken auf. Lange würde das nicht mehr gutgehen. Seine Lider wurden immer träger, aber er riss sich zusammen. Hermine benötigte Zeit, um der Lösung näher zu kommen und wenn er ihr schon nicht bei den Berechnungen helfen konnte, dann müsste er wenigstens dafür sorgen, dass sie den Rücken frei haben würde.

Der letzte Trank für heute blubberte in einem Kessel. Danach hätte Severus knapp noch zweieinhalb Stunden Zeit, um ein wenig Schlaf zu finden, bis der Unterricht in Hogwarts beginnen würde. Er war so froh, dass er die Schule demnächst hinter sich lassen würde. Im Moment empfand er die Beschäftigung als Lehrer nur noch als Belastung.

Ihre Eltern wohnten gar nicht so weit weg von der Winkelgasse. Severus musste an Hermine denken, als er das Euphorie-Elixier für einen Kunden fertigbraute. Ein Trank, den sie beileibe nicht nötig hatte.

Ein paar Kilometer entfernt saß Hermine beim dämmrigen Licht einer Nachttischlampe am Schreibtisch ihres Vaters und hielt kurz inne, als sie das wohlige Gefühl überkam, eine ihr bekannte Person wäre im Raum, aber da war niemand. So fuhr sie mit ihrer Arbeit fort und erstellte eine Tabelle aller Pflanzen der Ordnung „Ranunculales“. Die Arten erst einmal zu finden war die zeitintensivste Tätigkeit. Sie sammelte schon seit Tagen ihre Informationen aus Büchern und aus dem Internet und nur mit dieser Kombination fand sie alle der über 1.500 Arten. Endlich notierte sie die letzte Pflanze. In den nächsten Tagen müsste sie mit dem Streichen der Pflanzen beginnen, müsste aussortieren, welche auf keinen Fall auf den Zahlenwert zutrafen, den Hermine als Zutat für den Heiltrank errechnet hatte. Diese Arbeit konnte sie mit Büchern über Trankzutaten überwinden, denn im Internet würde sie darüber rein gar nichts finden. Die Liste war fertig. Hermine hatte sich gleich zu Beginn dazu entschlossen, nur die lateinischen Namen der Pflanzen zu notieren, denn es gab für manche Blumen oder Sträucher zwei, manchmal noch mehr Namen in ihrer Sprache.

Ihre Tabelle formatierte sie noch, damit sie einen Ausdruck machen konnte. Der Tintenkopf huschte nicht gerade lautlos über das Papier. Es verwunderte sie nicht, dass sie damit ihre Eltern weckte, die im Nebenzimmer schliefen.

Es klopfte und ihr mit einem Bademantel bekleideter Vater trat ein. In der Hand hielt er eine Tasche aus Stoff.

„Es tut mir leid, Dad. Ich wusste nicht, dass der Drucker so laut ist und auch nicht, dass es schon“, sie blickte auf die Uhr und sog erschrocken Luft ein, „halb fünf morgens ist.“
„Der Wecker klingelt sowieso in einer Stunde, also was soll’s?“ Gelassen zuckte er mit den Schultern, bevor er den Chefsessel vom Arbeitsplatz seiner Frau zu Hermine hinüberrollte, damit er neben ihr Platz nehmen konnte. „Ich will dich wirklich nicht loswerden, Schatz, aber du weißt, was ein Monatsabschluss ist, oder?“
„Natürlich.“
Er nickte ruhig. „Du weißt auch, dass jetzt die Zeit ist, wo man in der Regel einen Monatsabschluss in Angriff nehmen muss?“
„Lass mich das nur noch ausdrucken, Dad. Ich verspreche …“
Sie stoppte sich, als ihr Vater seine Hand auf die ihre legte. „Ich kenne dich lang genug, um sagen zu können, dass du etwas wirklich Wichtiges hier machst.“ Er deutet auf die vielen Bücher und die Tabelle, die auf dem Monitor zu sehen war – das Fenster mit dem Druckstatus zeigte 22 von 75 Seiten an. „Du musst Papier nachlegen.“
„Wie bitte?“
„Papier! Soviel ist nicht im Drucker.“

Hermines Vater stellte die Tasche auf dem Boden ab und kümmerte sich um das Nachlegen des Papiers. Im Nu war das Fach voll und der Druckvorgang wurde nicht einmal unterbrochen.

„Was ich sagen wollte, Hermine“, er reichte ihr die Tasche, „das ist für dich.“

Völlig perplex nahm sie die schmale Tasche entgegen. Sie wog in etwa eineinhalb Kilo.

„Was ist das?“
„Mach auf, dann siehst du es.“

Mit allem Möglichen hatte sie gerechnet, aber nicht mit einem Laptop.

„Ich …“ Sie war sprachlos, was ihr Vater gut verstand.
„Ich weiß, was dir durch den Kopf geht. Es wird bei dir nicht funktionieren. Zu viel Magie. Wir haben ja gesehen“, er seufzte, „was das letzte Mal passiert ist, als du in der Nähe meines Rechners gezaubert hast. Du kannst den Laptop überall mit hinnehmen, im Sommer in einem Park sitzen und arbeiten oder irgendwo in den Highlands.“ Sie setzte gerade an, etwas zu sagen, da schien er ihre Gedanken gelesen zu haben. „Die Frage mit dem Strom, ich weiß. Da sind drei Akkus bei. Wir können das so machen, dass wir in der Küche immer zwei am Ladegerät haben. Wenn deiner leer ist, apparierst du kurz her und tauschst ihn aus. Wenn dir das alles nicht zu umständlich ist, dann gehört er dir.“
Hermine standen Tränen in den Augen. „Danke Dad!“ Sie umarmte ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
„Nichts zu danken. Nachdem Severus das Geld überwiesen hat, dachte ich, könnte ich dir damit ein Geschenk machen, das du auch wirklich brauchst. Ich weiß“, er tätschelte ihren Rücken, „dass es schwer werden wird, die Technik mit der Magie zu vereinbaren, aber du bekommst das schon hin. Und jetzt“, er drückte sie von sich weg, „mach ihn an.“
„Jetzt?“
„Natürlich! Du willst doch sicherlich deine Daten mitnehmen.“

Mit einem Datenkabel konnte Hermine mit Leichtigkeit ihre Dateien vom Rechner ihres Vaters auf ihr neues Laptop kopieren. Als sie damit fertig waren, wurde gerade die 67. Seite ihrer Tabelle gedruckt.

„Weißt du, was schade ist?“ Ihr Vater legte seinen Arm um ihre Schulter. „Dass du jeden Abend hier warst, wir dich aber nur für wenige Minuten zu Gesicht bekommen haben. Das holen wir nach, Liebes. Wie wäre es mit einem gemeinsamen Urlaub? Wir laden dich ein.“
„Das ist lieb, aber ich kann im Moment nicht an Urlaub denken. Ich habe zu viel zu tun. Ich würde gern, aber im Augenblick ist es unmöglich.“
„Das Angebot steht für unbegrenzte Zeit, Minchen. Wenn du eine Pause nötig hast, dann sag einfach Bescheid.“

Mit dem Geschenk ihres Vaters apparierte Hermine zurück in ihre Wohnung, ohne daran gedacht zu haben, dass vielleicht schon die Magie der Apparation den Laptop beschädigen könnte. Sie würde es merken, wenn sie ihn das nächste Mal anschaltete. Jetzt lag all ihr Interesse darin, etwas Schlaf zu finden, als sie unten im Labor plötzlich etwas hörte.

Neugierig ging sie die Stufen hinunter und lugte in den Raum hinein, in dem Severus dabei war, die Liste mit Bestellungen durchzugehen, die er heute nicht mehr geschafft hatte.

„Severus, du bist noch hier?“ Er sah vollkommen übermüdet aus, rang sich dennoch ein schiefes Lächeln ab.
„Du verfügst über eine überaus subtile Auffassungsgabe.“
„Warst du zwischenzeitlich in Hogwarts oder hast du dir die ganze Nacht um die Ohren geschlagen?“ Er antwortete nicht. „Severus? Wächst dir das über den Kopf?“
„Ich bin in meinem Leben schon mit viel schwierigeren Aufgaben konfrontiert gewesen!“, rechtfertigte er sich.
„Das ist keine Antwort auf meine Frage!“

Für einen Moment schloss er die mit den geplatzten Äderchen überzogenen Augen. Alles an ihm wies auf Übermüdung hin: die Körpersprache, die Ringe unter den Augen, seine unpräzisen Bewegungen. Unerwartet richtete er das Wort an sie.

„Wirst du noch mehr Zeit bei deinen Eltern verbringen?“
„Nein, ich bin dort fertig.“
Sie hörte ihn erleichtert durchatmen. „Das ist schön zu hören. Ich werde mich dann verabschieden.“ Als er einige Schritte machte, torkelte er schlaftrunken.
„Du kannst auch hier übernachten“, bot sie an.
„Danke für das Angebot, aber ich ziehe ein Bett vor. Wenn die Zeit zum Schlafen schon so begrenzt ist, sollte es nicht noch an Komfort mangeln.“
„Mein Bett ist groß.“
„Das, ähm, das wäre …“
Sie wusste, was er sagen wollte. Es wäre unmoralisch, keine gute Idee oder einfach nur überstürzt, doch sie steuerte dagegen. „Wir haben schon einmal in einem Bett zusammen übernachtet und da haben wir uns nicht einmal geduzt. Da ist doch gar nichts dabei.“

Er erinnerte sich an Aberdeen und befand die jetzige Situation für genauso harmlos wie die damalige, so dass er zustimmte. In seinem ruhebedürftigen Zustand wollte er es keinesfalls auf eine Diskussion mit ihr ankommen lassen, denn die würde er verlieren. Er wollt einfach nur schlafen.

Die letzten Male hatte er vergessen, den schuleigenen Hauselfen den Auftrag zu geben, sich um seinen Kamin zu kümmern, denn erst im Hochsommer wärmten sich die Kerker so sehr auf, dass man kein Feuer mehr machen musste. Ihr Schlafzimmer hingegen war den ganzen Tag über auf natürliche Weise von der Sonne aufgeheizt worden. Hier war es auch ohne brennenden Kamin angenehm warm. Hermine hatte sich sehr schnell zu Bett begeben und schlief bereits, als er aus dem Badezimmer kam. Auch Severus benötigte nicht viel Zeit, um sich ins Traumland zu begeben. Er war todmüde.

Gerade erst war er eingeschlafen, wurde er auch schon wieder geweckt. Die einfallenden Sonnenstrahlen zeugten allerdings davon, dass er tatsächlich fest geschlafen haben musste und nur dem Gefühl erlegen war, erst vor fünf Minuten die Augen geschlossen zu haben.

„Severus, du musst aufstehen“, hörte er ihre warme Stimme. „Eine halbe Stunde nur noch, bis der Unterricht beginnt und bevor ich die Apotheke öffnen muss. Steh doch auf.“ Ein mürrisches Grummeln war die Antwort. „Ich wusste gar nicht“, schäkerte sie gut gelaunt, „dass du ein Morgenmuffel bist.“ Er murmelte daraufhin irgendwas ins Kopfkissen. „Was war das?“
Den Kopf hob er ein wenig an, damit er seinen Satz verständlich wiederholen konnte. „Bin ich nicht!“
„Ich hab Frühstück gemacht, falls du noch was essen möchtest, bevor du den lieben Kinderchen erklären musst, was man beim Tränkebrauen auf keinen Fall tun darf.“
Zu Scherzen war ihm gar nicht zumute. Verschlafen stöhnte er: „Ich spiele das erste Mal in meinem Leben ernsthaft mit dem Gedanken, mich aus vorgetäuschten Gründen krank zu melden.“
„Ja klar“, er fühlte einen leichten Schlag auf seinem Oberarm, „und wenn du das von meinem Kamin aus machst, wird Albus gleich den richtigen Eindruck von dir bekommen. Jetzt komm schon, steh auf.“
„Ist Kaffee fertig?“
„Natürlich!“

Mit dem Zauberwort „Kaffee“ hatte Hermine ihn aus dem Bett locken können. In der Küche waren beide sehr wortkarg, weil er noch nicht in Stimmung für Unterhaltungen mit komplizierten Inhalten war. Auch Hermine wollte einfach nur ihren Toast essen und Tee trinken. Nur zwei Stunden Schlaf zu bekommen machten selbst sie viel schweigsamer, als man es von ihr gewohnt war.

„Severus? Sagst du Harry bitte Bescheid, dass ich ihn heute Abend besuche? Ich möchte das Pfeilkraut abholen.“
„Werde ich tun. Ich vermute, er wird erleichtert sein.“
Hermine stutzte. „Warum das denn?“
„Weil die ganze Schule über ihn tuschelt.“ Seine Tasse Kaffe stellte Severus gemächlich auf dem Tisch ab. „War es wirklich notwendig, ihn auch tagsüber damit herumlaufen zu lassen? Ich möchte nicht, dass das auf mich zurückfällt.“
„Hat irgendwer die Vermutung angestellt, es könnte mit dir zu tun haben?“, wollte sie wissen.
„Das nicht, aber …“
„Warum regst du dich dann auf?“
„Wenn ich mich aufrege, sieht das anders aus. Ich hatte nur befürchtet, dass jeder wissen könnte, was es mit der Pflanze auf sich hat; was wir mit ihr vorhaben.“
Beruhigend schüttelte Hermine den Kopf. „Keine Sorge, von mir weiß niemand was und Harry sagt auch nichts weiter.“
„Dann bin ich erleichtert.“

Genauso erleichtert war Harry, als ihm Severus zur Mittagszeit die Nachricht überbrachte, Hermine würde das Pfeilkraut heute Abend abholen wollen.

„Auf einer Seite“, begann Harry, „ist er mir ans Herz gewachsen?“
„‘Er‘? Es heißt ‘das‘ Pfeilkraut.“
„Es heißt aber auch“, konterte Harry, „‘die‘ Pflanze, also ist sie weiblich. Ist mir eine echte Freundin geworden.“
„Du nimmst mich auf den Arm!“
„Nein, keinesfalls. Weißt du“, Harry schaute einmal liebevoll unter seinen Stuhl, „ich habe mit ihr gesprochen und nie kam eine Widerrede, geschweige denn, irgendein sarkastischer Kommentar.“ Harry grinste in sich hinein.
„Ah, verstehe. Weiß Miss Weasley von deinen tiefen Gefühlen zu der Pflanze?“
„Ha!“, machte Harry völlig unerwartet. „Also doch ‘der‘ Pflanze.“

Mit toternster Miene schaute Severus seinen jungen Kollegen an, bevor sein Blick auf den hinteren Teil von Harrys Hals fiel. Mit einer Hand hielt Severus ihn plötzlich leicht am Oberarm fest.

„Halt einen Moment still, Harry.“
Mit der anderen Hand wischte Severus etwas mit zaghaft streichenden Bewegungen von seinem Rücken. „Was? Was ist da?“ Beinahe verrenkte sich Harry den Kopf, als er nach hinten schauen wollte.
„Du hast den Schalk im Nacken“, Severus klopfte ihm noch zweimal auf den Rücken, als wollte er ein paar Fusseln entfernen. „So, jetzt ist er weg.“

Es ging nicht anders: Harry musste laut lachen. Die Köpfe der Schüler drehten sich fast zeitgleich, um zum Lehrertisch aufzublicken. Jetzt, dachten sie, hätte Professor Potter vollends seinen Verstand verloren.

Wie versprochen besuchte Hermine ihn am Abend, um das Pfeilkraut abzuholen, aber auch, um ein wenig zu plaudern. Ihren Besuch hielt sie so kurz wie möglich, denn sie war ganz erpicht darauf, die Pflanze zu testen.

„Hermine, du bist ja ganz zappelig“, stellte Harry fest, als er sie unruhig auf der Couch hin und her rutschen sah.
„Tut mir leid, ich würde am liebsten sofort nachhause und einige Tests durchführen.“
„Du musst dich wirklich nicht verpflichtet fühlen, mit uns Zeit zu verbringen. Geh ruhig. Es interessiert mich ja selbst, ob es was gebracht hat. Und ehrlich gesagt hoffe ich sehr, dass es nicht umsonst war. Manchmal kam ich mir schon reichlich dämlich vor.“ Harry lächelte, also konnte es so schlimm nicht gewesen sein, dachte Hermine.
„Dann seid ihr mich nicht böse, wenn ich gleich wieder gehe?“

Von Ginny und Harry bestärkt nahm sie das Glas mit dem Pfeilkraut und flohte in die Apotheke, wo sie schon erwartet wurde.

Verblüfft schaute Severus sie an, als sie ins Labor trat. „Schon zurück?“
„Ich konnte es nicht abwarten.“ Den rundlichen Glasbehälter mit dem Pfeilkraut stellte sie auf dem Labortisch ab, bevor sie sich den Umhang auszog, den Severus ihr freundlicherweise abnahm, um ihn aufzuhängen. „Ich möchte sofort nachsehen, inwiefern sich die Pflanze verändert hat.“
„Niemand hält dich auf. Kann ich dir behilflich sein?“
„Du brauchst einfach nur hier sein, das reicht.“

Hermine testete, notierte sich etwas, rechnete und testete nochmals. Neben ihr hatte sich Severus an der Liste versucht, die Hermine bei ihrem Vater ausgedruckt hatte. Auf jeder der 75 Seiten im Querformat waren 20 Pflanzennahmen notiert. Gleich dahinter hatte Hermine eine Spalte für Notizen freigelassen. Severus‘ Aufgabe war es, die Liste von Anfang an durchzugehen und die Pflanzen zu streichen, die in der magischen Welt bereits einen festen arithmantischen Zahlenwert besaßen und somit nicht die von ihr gesuchte Pflanze darstellen konnte. Er durchstrich eine Menge der lateinischen Namen, aber noch immer waren am Ende zu viele übrig.

Als er aufblickte, wurde sein Blick auf Hermines Zunge gelenkt, die zwischen ihren Lippen hervorlugte. Vor lauter Konzentration fiel ihr gar nicht auf, was sie für erheiternde Eigenschaften ans Tageslicht brachte. Sie rechnete, nahm dabei unbewusst die Finger zur Hilfe. An ihrem Gesichtsausdruck erkannte er, dass sie bisher mit ihrem Weg sehr zufrieden sein musste.

„Möchtest du etwas essen?“, fragte er zuvorkommend.
„Mmmh?“
„Essen! Nahrungszufuhr – du erinnerst dich sicher noch daran, dass Organismen wie der unsere Energie benötigen.“
Hermine winkte dankend ab. „Gib mir einfach einen Stärkungstrank.“
„Kommt nicht in Frage. Es ist davon abzuraten, solche Tränke häufiger anzuwenden, weil sie …“
Sie vervollständigte seinen Satz: „… sonst nicht mehr wirken. Ich weiß. Was gibt es denn zu essen?“
„Ich werde einfach sehen, was deine Vorratsschränke beinhalten.“
„Mmmh“, murmelte sie abwesend, weil sie wieder in ihren Zahlen versunken war. Sie hörte ihn nicht einmal stöhnen.

Eine Minute später – oder waren es dreißig? – kam Severus zurück ins Labor.

„Komm in die Küche“, sagte er im scharfen Befehlston, weil sie jede Bitte sicherlich überhört hätte.
„Noch einen Moment.“
„Jetzt!“
Gereizt fauchte sie: „Nicht jetzt! Ich bin knapp vor dem Ziel, Severus. Ich bin schon dabei, die Lösungswege zu notieren.“
„Wie kannst du bei der Lösung sein, wenn du nicht einmal weißt, was für eine Pflanze dir fehlt?“
„Ich habe ja ihren Zahlenwert. Damit kann ich bereits rechnen, auch wenn ich noch nicht weiß, wie sie heißt oder wo ich sie finde.“
„So kurz vor dem Ziel solltest du dir eine Verschnaufpause gönnen.“
„Du verstehst wohl nicht, was das“, sie nahm ihre Pergamente in die Hand, „bedeutet?“ Sie schien wütend, als wollte er sie ihres Lebensziels berauben.
„Ich glaube, du unterschätzt meine Auffassungsgabe, Hermine.“ Mit beiden Händen stützte er sich neben ihr auf dem Tisch ab, so dass sein Kopf dicht an ihrem war. „Das, was du in deinen Händen hältst, bedeutet Freiheit für mich und eine Menge Herzblut deinerseits.“

Seine Worte hatten bei ihr blitzartig für Ruhe innere Ruhe gesorgt. Ohne Murren ließ sie sich in die Küche führen. Mit dem ersten Bissen bemerkte sie, wie hungrig sie eigentlich war. Aus dem gemeinsamen Essen und der Unterhaltung mit ihm schöpfte sie tatsächlich wieder Kraft.

Gestärkt und voller Tatendrang rechnete sie danach weiter, bis sie am Ende die Lösung hatte. Eine Lösung, die aus Formeln zusammengesetzt war, die sie nicht verstand. Wieder und wieder überflog sie die fünf Seiten, die nach dem Gleichheitszeichen herausgekommen waren.

„So ein Mist!“, fluchte sie leise, doch er hatte sie gehört.
„Was ist jetzt wieder?“
Sie zeigte ihm die fünf Seiten, auf denen in ihrer Handschrift unzählige Zahlen und mathematischen Symbolen niedergeschrieben waren. „Das hier soll die Lösung sein! Es ist richtig gerechnet, daran zweifle ich gar nicht, aber was ist das?“

Severus überflog ihre Rechnung, stieß dabei auf einige Symbole für Körper und Ring, auch auf Mengenformeln und …

„Ist das eine Vektorrechnung?“, fragte er erstaunt, woraufhin sie nickte „Ich muss leider gestehen, dass ich damit nichts anfangen kann.“
„Prima, wenn soll ich denn jetzt fragen? Harry und Ron scheiden aus, die haben da keine Ahnung von und Neville kennt sich mit Pflanzen aus, aber nicht mit Arithmantik. Und warum zum Teufel bekomme ich eine Teillösung, die aus dem Bereich der Elementargeometrie stammt? Da kann doch was nicht stimmen.“
„Geometrie?“
„Ja, schau hier!“ Sie tippte auf ein Dreieckssymbol, hinter der mehrere Zahlen standen. Severus war vollkommen hilflos. „Sagt dir nichts, oder?“, stellte sie traurig fest.
„Wie ich schon sagte, ich bedauere sehr, dass ich hier keine Hilfe bin.“
„Macht ja nichts. Ist nur ein seltsames Gefühl, die ersehnte Lösung schwarz auf weiß zu haben und trotzdem auf der Stelle zu treten.“

Müde ordnete sie ihre Pergamente in eine Mappe ein. Es war unbefriedigend. Genauso musste sich ein Archäologe fühlen, der endlich den Eingang zu einer alten Ruinenstadt entdeckt hatte, nur um festzustellen, dass er die Tür nicht öffnen konnte, weil er die Symbole des Türmechanismus nicht verstand.

„Ich werde es nachrechnen müssen, bleibt mir ja nichts anderes übrig“, murmelte sie wütend.
„Verstehe ich recht, dass du die Lösung meines Problems bereits in deinen Händen hältst, damit aber nichts anfangen kannst?“
„So könnte man es sagen, Severus“, gab sie schweren Herzens zu. „In der Theorie ist alles fertig. In der Praxis muss ich nur noch diese eine Pflanze finden, mit deren Wert ich bereits gerechnet habe und ich muss verstehen, wie die Lösung gemeint ist.“
„Dann sind wir dicht dran?“, fragte er vorsichtig.
Hermine lächelte ihm aufmunternd zu. Mit Daumen und Zeigefinger zeigte sie einen Zentimeter Abstand und sagt: „So dicht, Severus!“


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Ich sollte nur lesen, aber ich habe die Damen im Hörverlag davon überzeugt, dass es viel schöner ist die Figuren zu spielen, als nur zu zitieren.
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