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Fanfiction

Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Wie ein Fisch im Wasser

von Muggelchen

Die folgende Woche bescherte viele volle Terminkalender.

Wie versprochen wollte Sirius vor seinem Treffen mit Sid noch kurz vor Ladenschluss bei Hermine vorbeischauen, um ihr das magische Schreibfederset zu überreichen, das schon seit Hermines Umzug bei Ginny zwischenlagerte. Womit er nicht gerechnet hatte, war der Ansturm in der Apotheke. Geduldig wartete er, bis der letzte Kunde bedient war und Hermine den Laden schließen wollte.

„Sirius!“ Sie hatte ihn erst jetzt gesehen, weil er sich dezent in eine Ecke der Apotheke zurückgezogen hatte. Unerwartet tauchte hinter Hermine noch ein anderes Gesicht auf. Anstatt ihren Gruß zu erwidern, hatte die Anwesenheit der anderen Person ihm die Sprache verschlagen, obwohl er damit hätte rechnen müssen.

„Black“, giftete Severus ihn an, bevor seine Lippen sich zu einem hämischen Grinsen verzogen. „Was führt Sie her? Ein Mittel gegen Staupe?“
„Muss das sein?“, zischelte Hermine leise über ihre Schulter, dennoch konnte Sirius es hören. Zu seinem Erstaunen zog sich Severus nach der Ermahnung wieder in die hinteren Räume zurück, so dass Hermine sich wieder ihm widmen konnte. „Sirius, egal was dich herführt: Es ist gut, dass du hier bist. Ich wollte dich nämlich um etwas bitten.“
„Mich? Wie könnte ich dir helfen?“
„Ich benötige ein Paar Hundehaare! Wärst du so lieb?“
Er schien dem Braten nicht zu trauen, kniff die Augen zusammen und fragte mit einem verschmitzten Lächeln: „Warum von mir? Severus hat einen Hund, nimm sie doch von ihm.“
„Nein, ich habe mich wohl falsch ausgedrückt. Ich brauche die Haare eines Animagus.“
Die richtiggestellte Frage von Hermine war ihm ebenfalls nicht geheuer. „Hermine.“ Unsicher lachend stieß er Luft durch die Nase aus, schüttelte seinen Kopf. „Warum …? Ich meine, was hast du vor? Willst du versuchen, ob es möglich ist, einen Vielsafttrank von einem Animagus herzustellen?“
„Nein, aber“, sie hielt kurz inne, „das wäre wirklich mal einen Test wert! Ich habe keine Ahnung, ob das geht.“
„Wofür brauchst du die Haare dann?“
„Ich möchte damit experimentieren. Mich interessiert, ob die Haare von einer Animagusform magische Eigenschaften besitzen. Rein theoretisch müssten sie, denn die Form wird durch Magie herbeigeführt.“
Sirius runzelte die Stirn. „Was willst du mit den Haaren tun, sollte sich deine Vermutung bestätigen? Vielleicht ein neues Sortiment an Trankzutaten anzubieten?“
„Nein, ich möchte nur wissen, was möglich wäre. Mich … Es interessiert mich, Sirius. Das ist ein Forschungsprojekt von mir.“

Hermine konnte nichts gegen die Röte auf ihren Wangen unternehmen, weil sie ihm nicht die ganze Wahrheit sagte. Diese Informationen mussten jedoch ausreichen.

„Ein Forschungsprojekt“, wiederholte er skeptisch nickend und mit scharfem Blick. „Von mir aus, aber stell damit ja keinen Unsinn an, Hermine.“
„Würde ich nie tun! Ich brauch nur ein Büschel Haare.“
„Okay“, stimmte er zu. „Willst du sie abschneiden? Wenn ich vorschlagen dürfte: Wenn du mich kämmst, bekommst du eine Menge Haare! Daraus könnte man beinahe einen Pullover stricken.“

Hermine schloss die Ladentür und bat Sirius nach oben in die Wohnung. Am Labor vorbeigehend bemerkte er durch die leicht offen stehende Tür, wie Severus irgendwelche Pflanzen betrachtete und sortierte. Oben angekommen verwandelte Hermine eine Packung Streichhölzer in eine Hundebürste, die sie ihm breit lächelnd zeigte. Mit seinen Gedanken war Sirius allerdings noch unten im Labor.

„Er arbeitet hier?“, fragte er flüsternd.
„Noch nicht fest, aber er wird bald anfangen.“
„Ah, deswegen das Getuschel der Schüler“, murmelte er. „Ich habe durch Zufall in Hogwarts erfahren, dass es wohl demnächst einen neuen Tränkemeister geben soll.“
Sie nickte. „Er macht das Schuljahr noch zu Ende und fängt ab Juli hier an.“ Nachdem sie seine Worte in Gedanken wiederholt hatte, wollte sie wissen: „Warum warst du denn in Hogwarts? Hast du Harry besucht?“
„Ja!“ Jetzt strahlte Sirius über das ganze Gesicht. „Das war mal wieder an der Zeit.“

Fröhlich erzählte Sirius von seinem Erlebnis mit Nicholas, was Hermines Augen glänzen ließ. Der Junge war ihr Patensohn. Sie machte sich die gedankliche Notiz, demnächst etwas mit ihm zu unternehmen. Sie würde ihn zu Eeylops Eulenkaufhaus mitnehmen. Sich die Vögel anzusehen würde ihm bestimmt Spaß machen. Später, wenn er älter wäre – das hatte sie sich vorgenommen – wollte sie mit ihm zusammen in der Magischen Menagerie nach einem Tier schauen, um das er sich kümmern könnte. Damals bei ihren Eltern hatte sie immer irgendwelche Tiere gehabt, meistens Kaninchen, die im Garten hinterm Haus in den Ställen untergebracht waren. Als Sirius etwas von Hochzeit sagte, war Hermine wieder hellwach.

„Ginny schien nicht sehr begeistert darüber, dass Molly ihre Hochzeit doch ein wenig umfangreicher gestalten will.“
Hermine musste kurz auflachen. „Das ist eben Molly. Man darf nicht vergessen, dass Ginny die Erste war, die Molly zur Großmutter gemacht hat – und jetzt auch die Erste ihrer Kinder sein wird, die den Bund der Ehe eingehen möchte.“
„Von den Zwillingen in dieser Hinsicht mal was gehört? Ich dachte, Fred wollte irgendwann seine Verity heiraten.“
„Das Gerücht besteht schon, seit sie ein Paar sind. Ich glaube, sie sind glücklich so wie es ist.“
„Was ist mit Bill und Fleur? Die wollten doch längst …“
Hermine unterbrach ihn. „Das kam während des Krieges alles etwas anders als geplant.“ Es war Bedauern in ihrer Stimme zu hören. „Bill und Fleur sind noch verlobt, keine Frage. Er war trotz seiner Verletzung ein wichtiger Verbindungsmann zu den Kobolden und …“ Sie seufzte. „Ich möchte jetzt nicht darüber reden“, bat sie kleinlaut, denn das würde zu viel wachrufen.
„Kein Problem, Hermine. Tut mir leid, wenn ich an schlechte Zeiten erinnert haben sollte.“
„Nein, schon gut. Als ich letztens in Frankreich war“, sie verbesserte, „was heißt ‘letztens‘? Das ist auch schon wieder einige Jahre her. Ginny und ich haben uns mit Bill und Fleur getroffen; haben eine Menge Fotos geschossen. Sie wollen heiraten, das hat er mir gesagt. Nur wann ...?“ Hermine hob und senkte ihre Schultern.
„Ist ja im Grunde auch nicht wichtig zu heiraten.“ Sirius betrachtete nebenbei das Zimmer, weil er das erste Mal bei Hermine in der Wohnung war.
„Und das sagt jemand, der selbst vor den Traualtar getreten ist. Wie geht es denn Anne?“
„Es geht ihr fantastisch. Hab ich erzählt, dass ihr Arbeitgeber hier in die Winkelgasse gezogen ist?“
„‘Stock & Hut‘, ja, das habe ich mitbekommen. Was treibt dich in die Winkelgasse? Der Hutladen hat längst geschlossen.“

Ihm fielen eine Menge Bücher auf, die hier herumlagen und deren Titel er überflog. Bücher, mit denen er wenig anfangen konnte, doch irgendwie schien eine immense Wichtigkeit von ihnen auszugehen – das spürte er. Das magische Schreibfederset, wegen dem er gekommen war, war längst vergessen.

„Ich besuche hier jemand, mit dem ich an den Gesetzesänderungen arbeite. Wenn das in dem Tempo weitergeht, haben Remus und Tonks bald grünes Licht. Der Mann, mit dem du mich hier zusammengebracht hast – du weißt schon, der nicht registrierte Werwolf …“ Hermine nickte. „Der hat sich der Initiative angeschlossen und noch drei Paare dazu überreden können, sich mit ihren Kindern zu zeigen. Der Fluch ist definitiv nicht durch pure Vererbung übertragbar, Hermine. Das allein ist schon ein großer Lichtblick.“
„Das ist erleichternd zu wissen!“ Sie winkte mit der Hundebürste. „Darf ich?“
„Sicher, aber bitte nicht gegen den Strich und am liebsten habe ich lange, gleichmäßige …“
„Jetzt mach schon!“, forderte sie ihn lachend auf.

Im Nu stand ein großer schwarzer Hund vor ihr, der sie mit treuen Augen anblickte. Das Fell bürstete sie erst zaghaft, dann mit etwas Druck, was Tatze zu gefallen schien. Von den Schulterblättern bis hin zu den Hinterläufen bürstete sie sein Fell in langen Strichen aus.

In dieser Zeit überlegte sie, was Severus für eine Gestalt haben würde. Von Minerva und aus Büchern wusste Hermine, dass eine Animagusform ganz ähnlich wie ein gestaltlicher Patronus von der Persönlichkeit des Zauberers abhing und keinesfalls von Äußerlichkeiten. Ob sie ihn so gut kannte, dass sie von selbst darauf kommen würde? Sie verneinte, denn selbst wenn sie grob seine Charakterzüge einem Tier zuschreiben würde, wären da noch so viele Feinheiten, die ausschlaggebend für die endgültige Form waren. Trotzdem sie wusste, dass das Aussehen nichts mit der Animagusform zu tun haben würde, hatte sich aufgrund der Farbe unweigerlich das Bild eines Raben in ihre Überlegungen eingeschlichen. Raben waren intelligent, konnten sogar komplexe Abläufe im Vorfeld planen und sie kamen darüber hinaus in mythologischen Überlieferungen sehr gut weg, litten allerdings sehr unter der Verteufelung durch christianisierte Völker. Allerdings – und das schied diesen Vogel in Hermines Augen als Animagusgestalt aus – waren Raben sehr gesellige und soziale Tiere, die meist auch sehr keck waren. Das Gegenteil von Severus. ‘Und eine Fledermaus?‘, überlegte Hermine. Die waren nachtaktiv wie Severus und hielten sich tagsüber gern in Höhlen und Felsspalten auf, was den Kerkern gleichkam. Doch auch diese Tiere waren für ihr enorm ausgeprägtes Sozialverhalten bekannt, auch wenn es sporadisch Einzelgänger gab, wie wohl bei jeder Tierart. Fledermäuse kämpften nicht, stellten sich lieber tot, wenn Gefahr drohte. Severus würde sich höchstens totstellen, wenn er damit seinen Gegner in Sicherheit wiegen könnte, nur um dann unvorhergesehen zum vernichtenden Schlag auszuholen. Fledermäuse kamen jedoch über ihre Drohgebärden nicht hinaus.

Immer mehr Haare sammelten sich zwischen den weichen Borsten, als sie Tatze lang und ausgiebig bürstete. Als sie genug hatte, hörte sie auf. Tatze winselte einmal, verwandelte sich aber gleich wieder zurück.

„Und was genau hast du nun damit vor?“, fragte er, als er ihr auf die Treppe nach unten ins Labor folgte.
„Ich mache Tests.“
„Jaaa“, sagte er lang gezogen, als er nach ihr das Labor betrat. „Das hast du bereits gesagt.“ An Severus Anwesenheit störte er sich nicht. „Ich kann mir nur nicht vorstellen, wie diese Tests aussehen sollen und zu welchem Zweck du sie durchführen willst.“

Auf die beiden war Severus natürlich aufmerksam geworden. Er blickte von seinem Kessel auf und ließ es sich nicht nehmen, Sirius vor Augen zu halten, dass er ihn nicht gerade für helle hielt.

„Selbst wenn Hermine es Ihnen erklären sollte, würden Sie es nicht verstehen, also lassen Sie es lieber, Black, bevor Sie sich die intellektuelle Blöße geben.“
„Dich hat niemand gefragt.“ Ein Blick auf die Uhr neben Severus an der Wand verriet ihm, dass er schon zehn Minuten zu spät zu seiner Verabredung mit Sid war. In dem Wissen, damit Severus zu ärgern, sagte er an Hermine gewandt mit verführerisch warmer Stimme: „Dir, Hermine, danke ich vielmals für die sehr angenehme Ganzkörpermassage.“ Zur Verabschiedung drückte er ihr unerwartet einen Kuss auf die Wange. „Bis dann.“ Severus verabschiedete er mit den Worten: „Lass ja nichts überkochen!“

Mit ihrem Stab öffnete Hermine die Ladentür, durch die Sirius hinaustrat, um den Weg zu Sid anzutreten. Als sich Hermine zu Severus umdrehte, deutete sie mit flatterndem Zeigefinger auf den Kessel.

„Severus, Achtung!“

Gerade noch rechtzeitig reduzierte er die Temperatur unter dem Kessel, bevor das Euphorie-Elixier überkochen konnte. Schnaufend legte er den hölzernen Löffel beiseite, vermied dabei den Augenkontakt mit Hermine, obwohl er sie die ganze Zeit davor mit zusammengekniffenen Augen ins Visier genommen hatte, nachdem das Wort „Ganzkörpermassage“ gefallen war.

Als wäre nichts gewesen näherte sie sich dem Tisch, um die Haare aus der Bürste zu entfernen und sie Büschel für Büschel in eine Schale zu legen. Gleich darauf zog sie ihren Stab. Severus beobachtete sie mit einer Miene, die ihr seine schlechte Laune zeigen würde, sollte sie zu ihm hinüberblicken, was sie nicht tat. Momentan war sie damit beschäftigt, die Hundehaare auf mögliche magische Wirkstoffe zu überprüfen. Dank ihrer Ausbildung beim Mungos beherrschte sie nicht nur die einfachen Zaubersprüche, sondern auch die komplexen, die selbst geringste Mengen magischer Wirkung aufzeigen würden. Nach und nach wandte sie die verschiedenen Aufschlüsselungszauber an und mit jedem Spruch materialisierte sich ein Pergament, auf dem das Resultat der Untersuchung festgehalten wurde. Der letzte Zauber sengte das zu untersuchende Objekt an.

„Hier riecht’s irgendwie nach verbrannten Hundehaaren“, beklagte sich ein mürrischer Severus.
„Ich habe ja auch eben die Haare unter Einwirkung von Hitze getestet.“

Das letzte Pergament schwebte auf den kleinen Stapel herab, so dass sie endlich Zeit fand aufzublicken. Die Muskeln in seinem Kiefer waren angespannt. Wenn er die Zähne zusammenbiss, war das ein Anzeichen dafür, dass ihn irgendetwas verärgert hatte. Die Pergamente nahm Hermine in die Hand, um sie zu überfliegen, doch dass sich Severus so verdrossen zeigte, ließ ihr keine Ruhe.

„Severus, was ist los? Habe ich irgendwas getan?“
Es schien, als hätte er nur auf ihre Frage gewartet, denn er pfefferte sofort zurück: „Das frage ich mich allerdings auch. Was habt ihr beide da oben getrieben?“ Weil sie nicht zu verstehen schien, warf er ihr ein einziges Wort vor die Füße. „Massage?“
Jetzt verstand Hermine, weshalb er so ungenießbar war. Sie wollte die Stimmung daher mit etwas Witz etwas auflockern. „War das ein Angebot?“ Sie fasste sich an das eigene Schulterblatt. „Ich bin wirklich verspannt.“ In seiner Mimik wich die schlechte Laune seiner Überraschung, was sie zum Lachen brachte. Sie griff zur Hundebürste und winkte ihm damit zu. „DAS war damit gemeint. Ich habe nur einen Hund gebürstet.“ Frech legte sie ihren Kopf schräg. „Je nachdem, was bei dir rauskommt …“ Sie winkte nochmals mit der Bürste, als sie ihm das Angebot unterbreitete.

Einen Augenblick lang schaute er sie zurückhaltend an, bevor er kurz schnaufte und sich wieder seiner Arbeit widmete. Seine Laune hatte sich um 180 Grad gedreht. Er war wieder versöhnlich gestimmt, so dass Hermine die benötigte innere Ruhe fand, die Ergebnisse zu studieren. Nach einer Weile sagte sie Bescheid, dass sie sich von oben ein paar Bücher holen würde. Sie kam schnell wieder zurück, setzte sich und wälzte dicke Nachschlagewerke, während Severus die neu eingetroffenen Lenkpflaumen abwog.

„Hermine?“
„Mmmh?“, machte sie gedankenverloren.
„Ist diese Waage korrekt adjustiert?“
Sie blickte auf. „Ja, warum?“
„Weil ich das wissen muss, bevor ich den Händler wegen Betrugs beim Ministerium anzeige.“ Interessiert hob sie beide Augenbrauen, so dass er erklärte: „Alle Zutaten aus der Lieferung wiegen 18 bis 34 Gramm weniger, als es im Lieferschein deklariert wurde. Das mag bei einer so preiswerten Zutat wie Flubberwürmern nicht weiter ins Gewicht fallen, aber 34 Gramm Einhornhaar einzubehalten bringt dem Händler einen Gewinn von immerhin fast zwei Galleonen. Für uns im Jahr hochgerechnet ein enormer Verlust, den ich nicht zu tragen bereit bin.“

Hermine war froh, dass er solche Dinge überprüfte. Sie selbst wäre bei der Menge Arbeit nicht auf die Idee zu kommen, die Lieferscheine so genau mit der erhaltenen Ware zu überprüfen. Bei ihr zählte nur, ob alles frisch war.

„Wie wäre es, wenn du persönlich zu dem Händler gehst und ihm deine Meinung über den Betrug mitteilst? Aber nur, wenn ich zugucken darf.“
Es war nur ein Spaß ihrerseits gewesen, doch er hatte sie offenbar missverstanden, weil er enttäuscht fragte: „Hältst du mich für kleinlich?“
„Nein, keinesfalls!“, wies sie vehement zurück. „Ich dachte nur, weil solche Angelegenheiten übers Ministerium immer so lange … Nein, schon gut. Eine Anzeige ist in Ordnung.“ Sie nickte zustimmend, doch noch immer schien er nicht sonderlich glücklich über ihre vorherige Äußerung zu sein. „Ich halte dich nicht für kleinlich, Severus“, beteuerte sie.
„Gut, denn ich befürchte, ich werde diese Eigenschaft nicht ändern können“, gab er ihr zu seinem Leidwesen zu verstehen.
„Du musst dich überhaupt nicht ändern.“

Das Lächeln, das sie ihm schenkte, brachte die Muskeln seiner Wangen dazu, sich so zu kräuseln, dass er es erwiderte, was das ihre nur noch breiter werden ließ. Beide fuhren mit ihrer Arbeit fort, ohne einem bedrückenden Gefühl ausgesetzt zu sein.

Wieder widmete sich Hermine den Büchern. Sie war nie großartig dazu gekommen, nach der Schule Arithmantik anzuwenden, obwohl sie dieses Fach immer sehr gern hatte. Es war eine schwierige Aufgabe, die erhaltenen Ergebnisse aus den Tests mit den Animagushaaren auf ihre mögliche Wichtigkeit in Tränken umzurechnen. Sie wusste jedoch, dass nur dieser Weg genaue Resultate versprach, wenn sie es richtig anpackte.

Während sich andere Menschen zu dieser Stunde im warmen Daunenfederbett niederlegten, versank Hermine in Tabellen und Zahlenwerten und verglich verschiedene Strukturen auf ihre Muster. Hermine musste die Gesamtheit aller Aussagen, die auf dem Gebiet der Zauberei und des Tränkebrauens galten, exakt beachten und für ihre Zwecke in Zahlen umwandeln. Die Resultate der Tests mit den Hundehaaren mussten ebenfalls vollständig isoliert werden, um eigene Zahlenwerte darzustellen, denn für die gab es keine festgelegten Ausgangswerte. Wie Severus schon sagte, hatte auch er noch nie gehört, dass es Zutaten von Animagi geben würde. Hermine versuchte sich hier an etwas völlig Neuem. Könnte sie den Hundehaaren erst einmal einen Wert zuordnen, würden weitere Berechnungen demnach logisch erfolgen. Bei der Arithmantik kam es nicht nur darauf an, Ordnung in die Zahlenwerte zu bringen, mit denen man Rechnen wollte. Je nachdem, wie genau sie die Werte von Tatzes Haaren bestimmen könnte, desto treffender versprach das Gesamtergebnis zu werden.

Hermine schrieb und schrieb, hielt manchmal inne, um verträumt in die Gegend zu schauen, während ihr Kopf rechnete. Erneut kritzelte die Feder das Ergebnis nieder, das mehrmals auf seine Richtigkeit geprüft wurde. Wie sehr wünschte sie sich in diesem Moment das magische Schreibfederset herbei, das Severus ihr geschenkt hatte. Andererseits würden ihr dann zwar nicht die Finger vom Schreiben wehtun, dafür wäre sie aber vom Diktieren ganz heiser.

Bei ihren Berechnungen beschränkte sich Hermine auf ein Minimum an Wahrscheinlichkeiten, begann daher immer wieder von vorn, bis sie am Ende jene Zahlenwerte isolieren konnte, die sie den Haaren und ihrer Wirkung zuschreiben konnte. Wie hatte Professor Vektor damals in der Schule so schön gesagt? ‘Schätzungen sind etwas für Anfänger‘, hallte die Stimme der Professorin in Hermines Kopf wider.

Trocken, wie manch einer glauben mochte, war Arithmantik nicht, jedenfalls nicht für Hermine. Jeder einzelne Zahlenwert stand für eine Zutat und deren Beschaffenheit, Alter, Erntebedingung und Qualität. Andere standen für eine Temperatur, die verwendete Kesselbodendicke oder sogar für das Material, aus dem der Löffel war, den man zum Umrühren benutzte. Das alles konnte sie vor ihrem inneren Auge sehen. Ron und Harry konnten sich damals nie etwas unter dem Fach vorstellen, wenn sie davon erzählt hatte. Selbst wenn die beiden es belegt hätten, da war sich Hermine sicher, hätten sie nicht so ein umfangreiches Bild vor Augen gehabt wie sie. Die meisten sahen weiterhin nur Zahlen auf dem Pergament, doch Hermine sah den gesamten Vorgang glasklar in ihren Gedanken – von den verwendeten Arbeitsmitteln und Zutaten bis hin zum eigentlichen Brauprozess. Arithmantik war für sie lebendig.

Etwa vier Stunden später konnte sie sich mit den ermittelten Werten der Hundehaare auf die eigentliche Arbeit konzentrieren. Das rechnerische Erfassen des Zusammenspiels mit anderen Zutaten stand nun an erster Stelle sowie eine mathematische Klärung der Kausalität. Kurzum: Ursache und Wirkung wollten berechnet werden. Hermine braute einen Trank nach dem anderen und das alles nur auf dem Papier. Viel Zeit verbrachte sie mit Begründungen ihrer Rechnungen, gerade weil sie wenig schätzen wollte. Alles sollte am Ende nachvollziehbar, besonders aber so präzise wie nur möglich sein. Dank der Tatsache, dass mittlerweile logische Schlussfolgerungen gefragt waren, hatte sie es wieder leichter. Logik lag ihr.

Den Duft von Tee nahm sie nur nebenher wahr, doch die Hand auf ihrer linken spürte sie sehr deutlich. Hermine drehte sich zur Seite. Severus hatte neben ihr Platz genommen und Tee gebracht, sogar etwas zu Essen. Seine Hand ließ wieder los, nachdem er ihre Aufmerksamkeit erlangt hatte.

„Wie kommst du voran?“, wollte er wissen.
„Gut!“ Ihre Stimme klang sehr euphorisch. „Ich habe endlich Werte, mit denen ich rechnen kann.“
Severus blickte auf ihre Aufzeichnungen. „Arithmantik? Ich dachte, du würdest normale Brauberechnungen durchführen.“
„Wie sollte ich das können?“ Sie legte ihre Feder in die Halterung, widmete sich danach wieder ihm. „Es gibt keine Daten oder Aufzeichnungen über die Arbeit mit Animagus-Ingredienzien. Ich bin darauf angewiesen, mit Hilfe der Zahlen vorherzusagen, was für eine Wirkung diese Haare in einem Trank haben würden.“
„Wahrsagen mit Zahlen“, sagte er abwertend. „Ich habe nie viel von Wahrsagen gehalten.“
„Das ist viel präziser als nur ‘Wahrsagen‘, Severus. Ich habe keine Zeit, Experimente mit den Haaren durchzuführen. An einem Tag würde ich höchstens zwei Tests im Labor machen können. Hier“, sie wedelte mit ihren Pergamenten, „habe ich in wenigen Stunden schon fünfzehn Testläufe durchgeführt – theoretisch auf der Basis von Begriffsbestimmung und Wertezuordnung.“
„Humbug“, hörte sie ihn murmeln, was sie verletzte.
„Das hier ist Fachrechnen mit einem Hauch Wahrsagen – und ich meine wirklich nur einen Hauch, weil ich sehr genaue Werte bestimmt habe! Dafür ist die meiste Zeit draufgegangen.“ Sie atmete tief durch und bemerkte erst jetzt, wie müde sie war.
„Ich sag ja gar nichts“, verteidigte er sich.

Diesmal war sie es, die das Wort „Humbug“ wiederholte und ihm somit vor Augen hielt, wie sehr er mit diesem einzigen Begriff ihre Bemühungen herabgewürdigt hatte. Er versuchte, sie wieder milde zu stimmen.

„Wenn diese Berechnungen helfen …“
„Ich bin sehr zuversichtlich, Severus. Die Haare der Animagusform haben Magie inne. Man muss nur noch prüfen, wie sie wirkt.“ Hermine ließ ihren Blick einen Moment auf ihrer Arbeit ruhen; nicht auf den einzelnen Berechnungen und Formeln, sondern auf dem Ausmaß an Pergamenten. Über eine Sache war sie sich im Klaren und das ließ sie bedrückt durchatmen. „Wenn ich mit dem Ergebnis zufrieden bin, werde ich alles nochmal machen müssen.“
Fragend blickte er sie an. „Warum?“
„Ich werde mit dem Teil deiner Animagusform von vorn beginnen müssen.“ Ihre Erschöpfung schlug sich mit einem Male in der Stimme nieder. „Erst die Aufschlüsselungszauber, dann die zeitintensive Wertezuordnung und am Ende unzählige Berechnungen. Es ist egal, was ich von dir erhalten sollte, den Wert davon werde ich erneut bestimmen müssen. Nichts gleicht sich, ob nun Haare, Schuppen oder Federn.“

Mit dieser Aussage bekam Severus tatsächlich ein schlechtes Gewissen. Sie machte sich all die Mühe nur aus dem Grund, ihm zu zeigen, dass sie von der Theorie der Vesta Lovegood überzeugt war. Hermine war der Meinung, dass ein Teil seiner Animagusform eine wichtige Zutat des Gegenmittels zum Ewigen See darstellen würde. Nun saß sie hier und rechnete stundenlang eine Zutat durch, die sie niemals verwenden würde, nur um ihn mit dem Ergebnis dazu zu bewegen, sich seiner persönlichen Tiergestalt zu widmen. Sie vergeudete ihm zuliebe ihre Zeit mit Blacks Haaren.

„Dann lass die Berechnungen vorerst bleiben“, schlug er vor.
„Nein, nicht doch! Das ist wichtig, Severus.“ Mit ihrem Blick flehte sie, jetzt nicht aufhören zu müssen. „Wir kommen doch endlich voran.“
„Wir werden auch in Zukunft vorankommen“, beruhigte er sie. „Ich werde jedoch nicht dabei zusehen, wie du deine Zeit weiterhin mit Hundehaaren verschwendest. Vielleicht …“

Er räusperte sich und griff nach einem ihrer Pergamente, das er in Augenschein nahm. Nicht die vielen Zahlen und Tabellen, die sie niedergeschrieben hatte, nicht die Kalkulationen und Formeln waren der Grund für den Kloß in seinem Hals, sondern einzig ihr Bestreben, nichts unversucht zu lassen, um ihm zu helfen.

„Warum?“ Seine Stimme war so leise, dass Hermine sie beinahe nicht wahrgenommen hätte.
„Warum ich all das mache?“ Sie sah ihn kräftig schlucken, bevor er lediglich mit einem Nicken antwortete, weil er seiner Stimme nicht zu trauen schien. Hermine wollte ehrlich sein, wie sie auch zu jedem anderen Freund aufrichtig sein würde. „Ich hab dich gern, deswegen.“

Diesmal war ihre Stimme fast so unhörbar leise wie der Flügelschlag einer Eule gewesen. Er warf ihr einen nervösen, wenn auch neugierigen Blick zu und Hermine glaubte, er hätte sie nicht verstanden. Es war jedoch nicht auszuschließen, dass er ihre Worte zwar gehört hatte, aber womöglich seinen Ohren nicht traute. Hermine war so mutig, ihre Worte zu wiederholen und ihm dabei – was ihr noch mehr Tapferkeit abverlangte – in die braunen Augen zu sehen. In diesen eben erwähnten Augen regte sich das Leben hinter einer scheinbar meterdicken Eisschicht, die sie zu schmelzen gewillt war. Wie es schien, waren ihre Worte schon beim ersten Mal keinesfalls ungehört geblieben, doch erst beim zweiten Mal bewahrheitete sich auch für ihn ihre soeben bekundete Zuneigung, die er anfangs nur seiner Fantasie entsprungen glaubte. Mit sich selbst uneins wägte er eine Äußerung gleichen Inhalts ab. Etwas hielt ihn jedoch davon ab, denn auch wenn er wusste, was er zu empfinden imstande war – und diese Fähigkeit hoffentlich auch in Zukunft wiedererlangen zu können –, würde er jetzt lügen, denn nach dem von Harry ermöglichten Ausflug in die ihm so fremde Gefühlswelt war jetzt alles wieder beim Alten. Seine Empfindungen waren hinter Schloss und Riegel. Sie beschränkten sich auf ein Minimum dessen, wozu er eigentlich fähig war. Severus wusste, wie er für sie empfand, aber im Moment war dieses Gefühl weiter weg als ihm lieb war. Er hoffte, sie würde das verstehen.

„Ich …“ Er musste sich räuspern. „Ich weiß das sehr zu würdigen, Hermine. Bitte verwechsle aufgrund meiner momentanen Lage meine Reserviertheit nicht mit Ablehnung. Ich weiß, dass ich unter anderen Umständen nicht minder empfinde.“ Im Moment, das war Hermine nun auch bewusst, waren seine Gefühle für ihn selbst unerreichbar. In seiner Seele war durch den Ewigen See der Winter eingebrochen, den man mit Hilfe eines einzigen Sommertages nicht zu vertreiben imstande war. „Dennoch …“ Er ergriff ihre Hand und blickte ihr in die Augen. „Ich schätze die Arbeit mit dir. Sie ist sehr“, eine Augenbraue zuckte, „inspirierend, geradezu erfrischend. Dein Eifer beeindruckt mich in hohem Maße und deine Gesellschaft ist eine Bereicherung, auf die ich nicht mehr verzichten möchte.“ Ein Mundwinkel wanderte nach oben, doch bei seinen nächsten Worten war Sarkasmus durch Neckerei ersetzt. „Und ich hoffe, das Gleiche werde ich von deinen Eltern sagen können.“

Das alles konnte er guten Gewissens zu ihr sagen, denn es entsprach der Wahrheit. Versuchte er jedoch, sich an das Gefühl zu klammern, das er am Tag des großen Quidditch-Spiels erfahren durfte, blieb ihm nur die blasse Erinnerung und das Wissen um seine Sehnsucht, die in ihm schlummerte. Nur Nerhegeb war dazu befähigt, dieses Fünkchen Begehren unverhüllt zu zeigen.

Hermine tätschelte zufrieden seine Hand. Er war ihr dankbar, dass sie so verständnisvoll reagierte. Nachdem sie sich gestreckt hatte, räumte sie ihre Sachen zusammen. Für heute hatte sie genug.

„Ich glaube, wir sollten Schluss machen. Es ist bestimmt schon spät.“
„Nein, es ist früh.“
„Wieviel Uhr ist es denn?“ Ihre eigene Frage beantwortete ein Blick auf die kleine Pendeluhr. „Halb acht morgens? Herrje …“
„Ich werde etwas zum Frühstücken besorgen. Oder möchtest du dich lieber noch eine Stunde hinlegen?“
„Bloß nicht! Sonst fühle ich mich den ganzen Tag wie gerädert. Ein Frühstück wäre schön.“ Sie lächelte ihn an. „Ich mache Kaffee.“

Die Zeit war bei den ganzen Berechnungen unbeachtet an Hermine vorbeigezogen. Sie hatte den ganzen Abend und die ganze Nacht gerechnet. Dafür sah ihr Labor wie geleckt aus, denn Severus hatte sich selbst beschäftigt und sich offenbar jeder noch so kleinen Unordnung angenommen, um sie nicht allein hier sitzen zu lassen.

Um die Zeit, zu der Severus und Hermine frühstückten, saßen auch die Malfoys zusammen am Tisch. Draco hatte sich diesen Morgen dazu entschlossen, das üppige Frühstück in der großen Halle mit all den fröhlichen Mitschülern gegen ein dezentes Mahl in der kühlen Atmosphäre seiner Familie zu tauschen. Heimelig war nur die Umgebung, nicht aber das Schweigen am Tisch. Sein Vater hatte sich schwungvoll die Serviette über den Schoß geworfen, bevor er zu den Rühreiern griff – zeitgleich mit Susan. Es ging ihm zwar gegen den Strich, was sei verzogener Mund und der missbilligende Blick untermalte, doch er ließ ihr höflich den Vortritt.

„Ich frage mich“, begann Lucius, während er darauf wartete, bis die Damen sich bedient hatten, „warum ich den Tag überhaupt so früh beginne? Ein, zwei Stunden mehr Schlaf könnten mir nicht schaden.“
Von seinen Worten zu einer Unterhaltung animiert, die jeder gern unterstützte, damit nur die frostige Stimmung verschwand, erwiderte Narzissa: „Weil es um diese Zeit nun einmal Frühstück gibt, Lucius. Das war schon immer so.“ Als er noch im Ministerium gearbeitet hatte, war halb acht eine angenehme Zeit gewesen, um die erste Mahlzeit des Tages einzunehmen.
„Das macht den Tag doch nur länger“, hielt er dagegen.
„Es hat dich doch sonst nie gestört.“
„Aber es stört mich jetzt!“ Ohne es zu wollen hatte er seine Stimme leicht erhoben.

Die Unterhaltung wollte niemand mehr bei diesem unangenehmen Verlauf fortführen, so dass sich jeder stillschweigend um seinen Teller kümmerte. Aus der Wiege, die nur wenige Meter entfernt stand, hörte man plötzlich Charles schreien. Lucius und Susan standen beide gemeinsam auf, doch er fühlte sich allein durch ihre Anwesenheit in die Schranken verwiesen, weswegen er beleidigt wieder Platz nahm, während Susan sich um das Kind kümmerte.

„Ach Draco, hat man dir mitgeteilt, dass ich Zeuge des ersten Spontanzaubers von Charles war?“
„Ja, Susan hat es mir erzählt. Ich wäre zu gern dabei gewesen. Ich kann es kaum erwarten, die Schule endlich hinter mir zu lassen.“
„Ja, die Schule“, murmelte Lucius gedankenverloren. „Wie sind deine Noten?“

Für einen Moment stutzten alle über seine Worte, er selbst am meisten. Es war früher, wenn Draco in den Ferien Zuhause war, vollkommen normal gewesen, über die schulischen Leistungen zu sprechen, doch solche Gespräche hatte es lange Zeit nicht mehr gegeben. Draco riss sich zusammen, auch wenn ihn diese Frage auf einen Schlag in die Vergangenheit katapultiert hatte.

„Meine Noten sind bestens, Vater. Ich rechne damit, dass ich fast überall ein ‘Ohnegleichen‘ erhalten werde. In ‘Geschichte der Zauberei‘ werde ich wohl nur ‘Erwartungen übertroffen‘ bekommen.“
„Warum das?“, fragte Lucius so interessiert wie damals.
„Weil ich nichts dagegen tun kann, bei Professor Binns dann und wann von Schlaf übermannt zu werden.“
Man hörte Lucius amüsiert, aber sehr leise lachen. „Ein ‘E‘ in diesem Fach ist nicht deine Schuld. Es liegt an Dumbledore. Ich verstehe nicht, wie er weiterhin einen Geist als Professor beschäftigen kann? Und dazu noch einen so langweiligen.“
Narzissa verteidigte entweder Professor Binns oder den Direktor, indem sie ihm vor Augen hielt: „Du hast erzählt, dir hätte das Fach immer sehr gefallen.“
„Ja, meine Liebe, aber auch nur, weil ich dort Zeit fand, Briefe an dich zu verfassen oder Hausaufgaben nachzuholen, die ich vergessen habe. Das ist auch der Grund, warum ich die gleiche Note bekam, die unser Sohn jetzt erwartet.“

Susan kam wieder an den Tisch zurück und hörte der nur leicht angespannten Unterhaltung zu.

„Wie sieht es in ‘Pflege magischer Geschöpfe‘ aus, Draco? Das Fach hat dich nie sehr interessiert.“
Draco holte tief Luft, denn wenn er sagen würde, wer das Fach unterrichtete, würde die Stimmung mit einem Male von etwas kühl auf Minusgrade umschlagen. „Auch dort erwarte ich ein ‘O‘. Professor Lupin“, sein Vater blickte erstaunt auf, „kann den Stoff sehr gut vermitteln. Selbst die Theorie ist nicht mehr so langweilig wie … Na ja, wie früher eben.“
„Lupin? Dumbledore lässt wieder diesen Werwolf unterrich…“
„Lucius“, mahnte Narzissa leise.
„Wissen die anderen Eltern davon? Ich denke nicht.“ Ein fieses Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Es gehört sich nicht, so eine Bestie in einer Schule für …“
„Lucius!“, fauchte Narzissa. „Professor Lupin – Remus – ist ein sehr netter und kompetenter Lehrer, zudem der Verlobte meiner Nichte, also ein Mitglied unserer Familie. Ich lege dir ans Herz, genau das zu bedenken, bevor du etwas sagst oder tust, das dir später leidtun wird.“
„Ich befürchte trotzdem, dass ein Internat kein geeigneter Ort für ihn ist, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen oder, Draco?“

Verlegen stocherte Draco in seinem Rührei. Gern wollte er seinem Vater zustimmen, nur um mit ihm überhaupt mal wieder einer Meinung zu sein, doch er konnte nicht. Nicht bei diesem Thema.

„Es ist schon richtig, dass Professor Lupin sehr kompetent ist, sonst hätte ich sicherlich eine schlechtere Note zu erwarten. Und zu seinem, ähm, Problem: Die Schüler und Eltern wissen es und es macht ihnen nichts aus.“

Seinem Gesichtsausdruck konnte man entnehmen, dass Lucius gern etwas anderes gehört hätte. Statt seinen Standpunkt energisch zu vertreten, ließ er das Thema fallen, denn es war eine ermüdende Erfahrung, ständig drei Personen gegen sich zu haben. Zu seinem Glück begann Charles in seiner Wiege erneut zu schluchzen. Wie von selbst erhob sich Lucius, diesmal davon irritiert, dass Susan am Tisch sitzen blieb. Zunächst zögerlich, dann jedoch davon überzeugt, die stille Erlaubnis erhalten zu haben, sich um den Jungen kümmern zu dürfen, nahm er ihn aus der Wiege.

Draco blickte Susan fragend an, wurde jedoch von seinem Vater abgelenkt, der wissen wollte, ob Charles schon seine Flasche bekommen hatte. Susan verneinte, so dass Lucius sich wie selbstverständlich in die Küche begab. Als sein Vater außer Hörweite war, beugte sich Draco zu seiner Frau hinüber.

„Was sollte das? Hast du Charles nicht eben gefüttert?“
„Nein, hab ich nicht. Du hast doch gehört, dass dein Vater nichts mit seiner Zeit anzufangen weiß. Ich dachte, er könnte ihm die Flasche geben.“
„Das hast du so eingefädelt?“ Nachdem Susan genickt hatte, musste Draco grinsen, denn irgendwie erinnerte ihn ihr Handeln an sich selbst.
Seine Mutter nutzte es ebenfalls aus, dass sich Lucius gerade nicht im Raum befand, denn sie legte ihrem Sohn nahe: „Schatz, könntest du mal mit deinem Vater reden? Es geht um eine Nachuntersuchung seiner Augen. Er will einfach nicht ins Mungos gehen, dabei ist das so wichtig.“
„Ich glaube nicht, dass er auf mich hören wird, aber ich werde es versuchen.“

Jetzt konnte Draco der Bitte seiner Mutter nicht mehr nachkommen, wenn er pünktlich zum Unterricht erscheinen wollte. Er verabschiedete sich und nahm den Kamin, der ihn im Nu nach Hogwarts zurückbrachte.

Der Schultag verging ruhig, so schien es jedenfalls. Severus war etwas durcheinander. Der Unterricht rauschte so schnell an ihm vorbei wie die Landschaft am Fenster, wenn man in einem Abteil des Hogwarts-Express saß. Einerseits wollte er Hermine den Gefallen tun und seine Animagusform zum Vorschein bringen, andererseits war er nicht gewillt, Minerva um Hilfe zu bitten. Allein würde er es jedoch nicht bewerkstelligen, weil er eine nicht zu leugnende Abscheu gegen diese Art der Verwandlung hegte und gerade diese ablehnende Haltung einem Erfolg im Wege stehen würde. Er war unschlüssig. Minerva würde ihm sicherlich in Windeseile das Wissen vermitteln, das er für eine erfolgreiche Verwandlung benötigte, doch ihm gefiel nicht, sich ihr auf diese sehr persönliche Weise offenbaren zu müssen.

Es war die Hoffnung, eines Tages wieder fühlen zu dürfen, die den Entschluss für ihn fällte.

„Minerva?“ Die Angesprochene blieb auf ihrem Weg in die große Halle, in der gerade das Abendessen serviert wurde, stehen. „Ich möchte dir ein Anliegen vorbringen. Unter vier Augen, wenn möglich.“
„Du möchtest etwas von mir, Severus?“ Nur ihre Stirn kräuselte sich vor Verwunderung, während sie ihn mit ansonsten neutralem Gesichtsausdruck musterte. „Da bin ich aber gespannt.“

Sie folgte ihm ins Lehrerzimmer, das sie nun zur Essenszeit ganz für sich allein hatten und begutachtete ihren jungen Kollegen geduldig. Severus gab nicht sofort preis, über was er mit ihr reden wollte. Einen Moment gönnte sie ihm noch, beobachtete währenddessen die deutliche Zerrissenheit, die für ihn sehr untypisch war. Er blickte sie mehrmals an, versuchte ein Gespräch zu beginnen, doch stoppte er sich jedesmal wieder selbst, um seine Worte zu überdenken. Als er tief durchatmete, war für Minerva ersichtlich, dass er sich zusammenriss.

„Ich wäre gezwungen, dir einen Fluch entgegenzuwerfen, solltest du mich wegen der Bitte, die ich gleich an dich richte, verspotten.“
Gemächlich legte sie eine Hand in die andere und blickte ihn dabei streng an. „Das, Severus, ist wahrlich der falsche Weg, um an mich heranzutreten, denn wie du ja bereits betont hast, bist du derjenige, der etwas von mir möchte.“ Sie schnaufte echauffiert. „Mir drohen? Ich bitte dich!“
„Es war lediglich als Aufforderung gedacht, mich ernst zu nehmen.“
„Was mir schwerfällt, wenn du so von mir denkst. Ich bin kein Feind, den man im Vorfeld zurechtweisen muss, Severus. Wir sind Kollegen, also behandle mich entsprechend.“
„Du musst meine Worte nicht überbewerten. Würde es einen einfacheren Weg geben, wäre ich nicht gezwungen, deinen Rat einzuholen.“

Minerva spitzte die Ohren. Noch nie war sie von Severus nach Rat gefragt worden, nicht in schulischen Belangen und schon gar nicht in persönlichen. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit.

„Severus, was ist? Geht es um einen Schüler? Ist etwas vorgefallen?“
„Nein“, beruhigte er, „nichts dergleichen. Es geht um eine Fähigkeit, in der ich Einweisung benötige.“
„Fähigkeit?“, platzte es ungläubig aus Minerva heraus. Was, fragte sie sich, könnte sie besser als er selbst? „Geht es um einen komplizierten Verwandlungszauber? Du weißt, Severus, dass ich für schwierige Aufgaben dieser Art immer zu haben bin“, verkündete sie stolz. „Nun sprich!“
„In gewisser Weise geht es um Verwandlung. Um genau zu sein, um tierische Formen.“
„Ah“, machte sie, als sie begriffen hatte. „Es geht um die Animagusform. Wer deiner Schützlinge ist es denn, der Potenzial zeigt?“
„Wie schon gesagt geht es nicht um einen Schüler.“

Eine Weile blickte sie ihn an, blinzelte dabei nachdenklich. Sie wollte nicht sagen, was ihr auf der Zunge lag, denn sie würde sicher falsch damit liegen, dass er sich selbst meinen könnte. Sie rief sich seine Worte ins Gedächtnis zurück. ‘Es geht um eine Fähigkeit, in der ich Einweisung benötige‘, hörte sie seine Stimme. Sie konnte sich nicht irren.

„Du selbst?“
Severus nickte. „Ich wäre dir sehr verbunden, würdest du mir hilfreiche Lektüre empfehlen, damit ich …“
Sie war so erstaunt, dass sie ihn unterbrach, ohne es selbst zu merken. „Du möchtest deine Animagusform finden?“ Missgestimmt über ihre Unterbrechung nickte er lediglich. „Das ist …“ Sie war sprachlos.
„Ein paar Buchtitel“, fuhr er fort, „Anleitungen für Konzentrationsübungen und die Klärung wichtiger Abläufe, mehr benötige ich nicht, Minerva.“

Endlich war sie wieder bei Sinnen. Breit grinsend zeigte sie ihm ihre Beglückwünschung zu dieser Entscheidung, die er mit verzogenem Mund kommentierte. Wenige Augenblicke später war Minerva voll in ihrem Element.

„Jedes Buch über die Wandlung zum Tier wird dir ans Herz legen, niemals allein nach dem Wesen in dir zu suchen. Es ist viel zu gefährlich!“
Ihren Ratschlag schlug er mit einem hämischen Grinsen in den Wind. „Das lass nur meine Sorge sein, Minerva.“
„Nichts da, Severus. Ich werde so eine risikobereite Ansicht nicht auch noch unterstützen. Die Mahnung, in Anwesenheit einer zweiten Person an der Animagusform zu arbeiten, kommt nicht von ungefähr.“
„Was meinst du mit risikobereit? Ich möchte so lernen, wie immer. Viele Dinge habe ich mir autodidaktisch angeeignet. Ich benötige kein Aufsichtspersonal.“
„Wie ich sehe, wäre es angemessen, deinen Dickkopf zunächst mit einer ganz anderen Lektüre zu füllen. Es gibt nicht wenige Berichte über Menschen, die sich verloren haben.“ Solche Warnungen würde Minerva nicht aus Jux und Tollerei von sich geben, das wusste Severus. Geduldig hörte er ihrer Ausführung zu. „Vor lauter Euphorie über die erste geglückte Verwandlung zum Tier ist so manch einem Alleingänger die Fähigkeit abhanden gekommen, sich auch wieder in einen Menschen zurückverwandeln zu können. In solchen Fällen muss die Person einschreiten, die du als ‘Aufsichtspersonal‘ bezeichnest. Es gibt Gründe, warum das Ministerium jeden Animagus registriert sehen möchte. Nicht weil sie dann Kontrolle über sie haben, sondern weil es einem nicht registrierten Tier sehr schwerfallen würde, auf sich und sein Problem bei der Rückverwandlung aufmerksam zu machen. Versuch nur mal als Schnecke, mit einem Menschen Kontakt aufzunehmen.“
„Als Schnecke?“
„Oder was auch immer du sein magst.“
Er kniff die Augen zusammen. „Ganz sicher nicht so ein träges Tier. Warum nennst du gerade das als Beispiel?“
„Verzeih mir, ich habe wohl an die ganzen Gläser denken müssen, die in deinem Büro stehen.“ An die schleimigen Kreaturen in ihnen, dachte sie mit zurückhaltend belustigter Miene.

Wieder schien Severus abzuwägen, wie er reagieren sollte. Minerva glaubte, es wäre an der Zeit, ihre Hilfe direkt anzubieten.

„Du kannst nach dem Abendessen in mein Büro kommen, um alle Aspekte zu besprechen, die dich interessieren. Ich werde es dennoch nicht zulassen, dass du in dieser Angelegenheit allein tätig wirst. Jeder erfolgreiche Animagus hat mit einem Vertrauten zusammengearbeitet, Severus. Viele von denen, die es ohne Hilfe überwinden wollten, wurden von der Panik übermannt, als die Rückverwandlung auf sich warten ließ.“

Den Termin für eine Unterredung nahm Severus sofort an. Nach dem Abendessen fand er sich sehr pünktlich bei Minerva ein, womit er ihr ungewollt die Dringlichkeit offenbarte.

„Severus, tritt ein und nimm Platz.“

Mit einer Geste ihrer Hand deutete sie auf einen Sessel am Kamin, der von seinem Zwillingsbruder durch ein kleines Beistelltischlein getrennt war. Auf dem anderen nahm sie Platz, bevor sie in lehrerhafter Stimme mit den Fakten begann.

„Ein Animagus kann in jedem Zauberer und in jeder Hexe darauf warten, erweckt zu werden. Ihn zu finden schreckt viele leider ab. Es gibt Menschen, die Vorlieben und Abneigungen gegenüber gewissen Tierarten haben.“ Sie blickte ihn an. „Gibt es ein Tier, dem du weniger zugetan bist?“
Gelassen hob und senkte er seine Schultern. „Nein, es ist mir gleichgültig.“
„Das ist die beste Voraussetzung, Severus. Selbst ich konnte es damals nicht vermeiden, unbewusst das eine Tier zu bevorzugen und ein anderes zu verabscheuen. Nur sehr schwer hätte ich die Form eines Reptils akzeptieren können.“
„Warum warst du damals so darauf erpicht, deine Animagusform zu finden, wenn du nicht ausschließen konntest, womöglich zu einem Tier zu werden, das du widerlich findest?“
„Weil es am Ende auch mir egal war. Die Chance war gering, dass meine Persönlichkeit einem Waran entsprechen könnte. Du weißt sicherlich, dass ein Animagus der Persönlichkeit entspringt. Einmal gefunden wird er ewig diese Gestalt beibehalten, dein zweites Ich werden und zusammen mit dir altern.“

‘Zweites Ich‘, wiederholte Severus in Gedanken. Mit einem Male war auch er von Hermines Theorie überzeugt, sein Animagus würde eine eigene Seele besitzen. Was ihm Sorgen machte, war die Vermutung, sich mit seiner momentan beschränkten Fähigkeit zu Emotionen überhaupt in ein Tier verwandeln zu können. Er war dennoch bereit, es wenigstens zu versuchen. Wenn selbst so ein durchschnittlich begabter Mensch wie Pettigrew in der Lage gewesen war, eine Gestalt zu finden, würde es ihm nicht sonderlich schwerfallen dürfen.

„Darf ich nach deinen Ambitionen fragen, Severus?“
„Darfst du nicht“, erwiderte er knapp, was sie verärgerte.
„Ich frage aus einem bestimmten Grund und nicht aus Neugierde. Eine hohe Erwartungshaltung an sich selbst kann den Erfolg nämlich vereiteln. Sich zu einer Verwandlung zu entscheiden sollte nicht aus einem inneren Druck heraus resultieren.“ Minerva dachte an einige ehemalige Studenten, die ihre Animagusform unbedingt finden wollten, um somit ihren Beruf als Auror zu bereichern, doch gerade dieser innige Wunsch behinderte den Fortschritt.
„Lass mich dir versichern, dass ich nicht unter psychischem Druck stehe. Ich will den Versuch starten. Sollte es mir versagt bleiben, eine Form zu finden, werde ich daran sicherlich nicht zerbrechen.“

Seinen Worten mussten sie innerlich zustimmen. Severus wirkte nicht wie jemand, der alles in seiner Macht stehende tun würde, seine Form zu erlangen und noch weniger würde er daran zugrunde gehen, sollte er bei diesem Vorhaben scheitern.

„Nun gut, dann sollten wir mit der Theorie beginnen.“ Minerva ging hinüber zu einem Bücherregel zog einen dicken Wälzer hinaus, den sie mit zurück zum Sessel nahm. „Wie in jedem Fach muss man sich zunächst darüber informieren, was summa summarum auf einen zukommt. Du lässt deine Erstklässler auch nicht sofort mit Zutaten hantieren und sie nach Lust und Laune fröhlich in einen Kessel werfen.“

Dass Minerva ihn indirekt als Schüler betrachtete, konnte er nur schwer verdauen. Trotzdem musste er sich eingestehen, dass sie Recht hatte. Er war hier, um sich durch ihr Wissen und mit Hilfe ihrer eigenen Erfahrungen in die Materie einzuarbeiten.

„Zu den wichtigsten Punkten: Die erste Verwandlung ist nicht nur entscheidend, sondern stellt zudem die schwierigste Prozedur dar. Die Arbeit ist aber noch lange nicht erledigt, solltest du deinen Animagus gefunden haben. Die Rückwandlung ist genauso anstrengend. Hast du beides ein einziges Mal erfolgreich bewerkstelligt, wird es dir nie wieder Probleme bereiten.“ Interessiert blickte Severus auf, als Minerva ein Beispiel nannte. „Das ist wie mit Besenfliegen, das verlernst du auch nicht mehr.“

Severus wusste, was sie meinte. Lange Zeit hatte er einen Besen nicht mehr angerührt, doch als er damals von Albus während Harrys erstem Schuljahr zum Schiedsrichter eines Quidditch-Spiels bestimmt wurde, war es zwar ein ungewöhnliches Gefühl, wieder auf einem Besen zu sitzen, aber er beherrschte es einwandfrei.

„Du, Severus, meisterst etwas, das dir dabei hilft, deinen Geist von allen beeinflussenden Dingen zu leeren.“
„Die Vorstufe der Okklumentik“, vermutete er laut.
„Ganz genau. In der Regel würde nun eine Meditationstechnik folgen, mit der du dich von allen Wünschen bezüglich deiner Form lösen kannst.“
„Ich habe keine Wünsche, Minerva“, brachte er in Erinnerung.
„Das sagtest du bereits. Konzentrationsübungen wie die, die man beim Erlernen der Okklumentik anwendet, werden dir helfen, dich von allen äußeren Einflüssen abzuschotten, damit du in aller Ruhe in dich hineinsehen kannst. Suche nicht nach einer bestimmten Form – such einfach.“
„Wie soll ich das anstellen?“ Severus war ratlos. Man konnte nur nach etwas suchen, wenn man eine vage Vorstellung davon hatte, wie es aussehen könnte.
„Du wirst es finden, auch wenn du nicht weißt, nach was du Ausschau halten sollst. Viele finden ihre Form nicht, weil sie nach ihren Vorlieben suchen oder weil sie sich auf das, was sie aufspüren, nicht einlassen möchten.“ Mit strenger Miene blickte Minerva zu ihm hinüber. „Sag mir, Severus: Was würdest du tun, solltest du einen Hirsch in dir finden? Nimmst du die Gestalt an oder verachtest du sie?“

Daran hatte er bisher keinen Gedanken verschwendet. Er wusste nicht, wie er reagieren würde, sollte seine Animagusform mit der seines ehemaligen Rivalen übereinstimmen. Grauenvoller wäre es für ihn, sollte eine Ratte in ihm schlummern oder ein Hund.

„Willst du absichtlich Aversionen schüren, damit es mir schwerer fällt?“
„Ich will dich vorbereiten, mein lieber Kollege. Wenn du ein Animagus werden willst, dann muss es dir vollkommen gleichgültig sein, wie deine Form aussehen wird.“
„Wie bitte soll ich nach etwas suchen, von dem ich nicht die geringste Ahnung habe, wie es überhaupt aussehen könnte?“
„Kein Grund, so grantig zu werden“, mahnte sie ihn. „Sei offen für alles, was deine Persönlichkeit dir an Form anbietet. Lass mich dir etwas vorlesen, das seit fast zweihundert Jahren in fast jedem Buch über Animagusformen zitiert wird.“

Das dicke Buch auf ihrem Schoß schlug sie auf, aber sie blätterte nicht viel herum, sondern widmete sich gleich dem Vorwort, das sie mit ruhiger Stimme und hörbarer Verzückung vorlas.

„Wenn mein ruheloser Geist in die Verachtung aller Dinge und Menschen zurücksinkt, berauscht sich mein tierischer Leib an allen Trunkenheiten des Lebens. Ich liebe den Himmel wie ein Vogel, die Wälder wie ein schweifender Wolf, die Felsen wie eine Gemse, das hohe Gras, um mich darin zu wälzen, um mich wie ein Pferd darin zu tummeln, und das klare Wasser, um wie ein Fisch darin zu schwimmen. In mir schauert etwas von allen Tieren, von allen Instinkten, von allen dumpfen Begierden der niederen Geschöpfe. Ich liebe mit einer tierischen, tiefen, heiligen und erbärmlichen Liebe alles, was lebt, was wächst, was man sieht.“

Minerva schloss das Buch und ließ Severus einen Moment über diese Worte nachdenken. Den Sinn hatte er sicherlich verstanden, doch sie wollte es klar und deutlich aussprechen.

„Es ist vollkommen egal, was du bist, Severus. Du wirst an jeder Form Gefallen finden, denn es ist nicht nur die Form selbst, sondern das, was du mit ihr wahrnehmen wirst. Die Welt um dich herum wird deine Sinne bereichern. Das ist es, was diese Worte vermitteln können.“
„Von welchem Zauberer stammt der Text?“
„Oh“, sie lächelte und schüttelte den Kopf, „von keinem Zauberer. Derjenige, der die Gefühle für seine Umwelt auf diese Weise festgehalten hat, war ein Muggel.“
„Ein Muggel?“
„Guy de Maupassant, ein französischer Schriftsteller. Jemand, der ohne es zu wissen jedem Animagi aus dem Herzen sprach.“

Gefühlvoll strich Minerva mit ihren Fingern über den ledernen Deckel, bevor sie Severus das Buch reichte.

„Lies die ersten drei Kapitel. Morgen beginnen wir mit der Suche.“
„Morgen kann ich leider nicht, Minerva.“
„Warum? Es wird Hermine nicht umbringen, wenn du einen Samstag mal fernbleiben wirst. Meine Zeit ist auch begrenzt, Severus.“
Mit einem Blick, der töten könnte, rügte er Minerva für ihre ausfallende Bemerkung, bevor er sich dazu aufraffte, ihr den wahren Grund zu nennen. „Nicht die Apotheke ist mein morgiges Ziel, sondern der Herr, der es Hermine erst ermöglichte, sie zu erwerben.“
„Wie soll ich das verstehen?“
Severus erhob sich von seinem Stuhl. Das Buch klemmte er unter den Arm. „Ich werde morgen mit Mr. und Mrs. Granger zusammentreffen.“
„Oh“, war ihr einziges Wort, mit dem sie ihrer Überraschung Ausdruck verleihen konnte.

„Oh“ machte auch Harry, der von Sirius eine Eule erhalten hatte. Eine Abschrift des Gesetzestextes bezüglich der Arbeitsrechte für Werwölfe war ihm zugesandt worden. Anbei auch eine Kopie der geplanten Regelungen für Kobolde und Hauselfen, die demnächst Zauberstäbe tragen durften, wenn sie es wünschten.

„Was hast du da?“ Ginny war ins Wohnzimmer getreten und betrachtete die dicke Mappe, die von einer sehr großen und kräftigen Eule gebracht worden war.
„Sirius hat mir was geschickt. Ach ja, Ginny, ich treffe mich heute mit Luna, wenn du nichts dagegen hast.“
„Warum sollte ich etwas dagegen haben? Grüß sie von mir.“

Per Apparation suchte Harry das Haus von Lunas Vaters auf. Nachdem er den Garten betreten hatte, sah er überall die wunderschönen Blumen aus der Erde sprießen. Der Mai sorgte für eine wahre Augenweide. Er schritt an Blumen mit herzförmigen Blüten vorbei und an welchen mit so vielen Blättern, dass man sie nicht einmal zählen könnte. Weiter hinten in der Nähe zweier Birnenbäume bemerkte er die Überreste eines großen Schuppens. Laut Lunas Aussage hatte ihre Mutter dort früher Experimente gemacht. Nach der Explosion, bei der ihre Mutter starb, hatte ihr Vater es nicht übers Herz gebracht, die Überreste des Gebäudes abzureißen.

An der Tür angekommen klopfte er. Es war ihr Vater, der ihn begrüßte.

„Mr. Potter! Das ist schön, dass wir uns mal wieder gegenüberstehen. Es muss mehr als ein Jahr her sein, als Sie das letzte Mal hier waren.“ Harrys Hand wurde so sehr geschüttelt, dass er sie für einen Augenblick in Gefahr sah.
Von hinten hörte man Lunas Stimme sagen: „Wir werden nicht bleiben, Vater. Harry und ich gehen ein wenig raus, damit wir unsere Ruhe haben.“
„Sicher, Schatz. Viel Spaß euch beiden. Und Mr. Potter …?“ Harry drehte sich nochmals zu Lunas Vater um. „Es wäre mir eine Ehre, Sie für ein Interview für den Klitterer zu gewinnen.“
Harry runzelte die Stirn. „Über was möchten Sie mich denn befragen?“
„Ihre Meinung zu Heliopathen und ihre heutige Rolle für den Minister. Oder auch über Schrumpfhörnige Schnarchkackler und wie sie …“
„Bis nachher, Dad.“

Luna nahm Harry am Oberarm und rettete ihn vor den seltsamen Themen, über die man ständig im Klitterer lesen konnte. Sie gingen zusammen in die Nähe des anliegenden Waldes.

„Es tut mir leid, wenn mein Vater …“
„Nein, nein“, winkte Harry ab. „Es ist in Ordnung. Den Klitterer lese ich sehr gern, weißt du? Habe ihn sogar abonniert. Er ist um Längen interessanter als der Tagesprophet und enthält auch viel weniger Lügen.“
Dankbar lächelnd drückte sie einmal seine Hand. „Es würde Vater gefallen, wenn er wüsste, dass du so über seine Zeitschrift denkst.“
„Wo gehen wir hin?“, wollte Harry wissen, als sie ihn in den Wald zu führen gedachte.
„Ganz in der Nähe ist ein See. Wir können uns auf die Baumstümpfe setzen und unser Interview halten.“ Mit leuchtenden Augen fügte sie hinzu: „Und wenn wir Glück haben, dann sehen wir den sprechenden Fisch.“
„Den sprechenden Fisch?“
„Meine Mutter hat mir früher das Märchen vorgelesen.“
„Wäre es aber nicht besser, den Fisch nicht zur zu sehen, sondern auch reden zu hören?“ Harry grinste. „Ich meine nur, damit man auch weiß, dass es der Richtige ist.“
„Mir würde es schon reichen, ihn nur zu sehen“, beteuerte Luna.

Der See war schnell erreicht. Wie Luna es gesagt hatte fanden sich hier Baumstümpfe, die dem letzten großen Sturm offenbar nicht standgehalten hatten. Einige Stämme ragten bis ins Wasser.

„Wo setzen wir uns hin?“ Harry blickte sich um, um nach einem hübschen Plätzchen zu suchen und bemerkte, wie Luna ihre Schuhe und Strümpfe auszog und barfuß auf einen der Stämme zuging, von dem ein Ende über dem Wasser schwebte. „Pass auf, Luna!“
„Setzen wir uns hier hin.“

Sie hatte bereits den Baumstamm betreten und ging so weit, wie es möglich war, bevor sie sich setzte und die Füße im Wasser baumeln ließ. Harry folgte ihr, jedoch mit Schuhwerk. Luna hatte längst ihre magische Schreibfeder ausgepackt, die vor den beiden in Kopfhöhe schwebte. Vorsichtig, damit er nicht hineinfallen würde, hockte er sich erst hin und ging dann in eine sitzende Position über. Erst jetzt hatte er einen Augenblick Zeit, sich die Gegend anzusehen. Sie war so traumhaft schön, dass es ihm den Atem verschlug. An den Seiten des Sees wuchs eine Art Schilf. Jeder Grünton war hier vertreten. Die Bäume rundherum trugen längst ihr Blätterkleid und an ihren Wurzeln hatte sich Moos niedergelassen. Harry kam es so vor, als würde er alles wie durch einen Weichzeichner sehen. Die Gegend schien einem Märchen entsprungen. Sollte Luna sich seit ihrer Kindheit häufiger hier aufhalten, dachte Harry, dann war es verständlich, warum sie diesen verträumten Blick innehatte. Der Ort konnte verzaubern und das ganz ohne Magie.

„Gibt’s hier Grindelohs?“, wollte er wissen, als er Lunas Füße unter der Wasseroberfläche verzerrt ausmachen konnte.
„Wenn, dann hat mich all die Jahre nie einer angefallen.“ Luna winkte in Richtung ihrer Schreibfeder, die in Reichweite über dem Schreibblock schwebte. „Du besitzt einen Hauself, Harry.“ Harry war von der plötzlich schreibenden Feder irritiert wie auch von Lunas abrupten Themenwechsel. Das Interview hatte begonnen. „Wie beschreibst du dein Verhältnis zu ihm?“
„Ich, ähm, ich würde sagen, freundschaftlich. Ja, freundschaftlich“, bestätigte er nochmals. „Ich mag ihn und ich denke, er mag mich auch.“
„Was ist seine Aufgabe?“
„Er kümmert sich um unser Kind, wenn Ginny noch in der Schule ist und ich bei der Arbeit.“
„Ein Kindermädchen?“
Sich Wobbel mit der Bezeichnung Kindermädchen vorzustellen war seltsam. „Ja, so eine Art. Ich würde ihn als Betreuer bezeichnen.“
Die Feder schrieb alles mit. „Was tut er noch?“
„Eigentlich macht er alles, beziehungsweise will er alles machen, aber manche Dinge möchte ich allein erledigen. Außerdem gibt er mir gute Ratschläge, wenn ich mal nicht weiter weiß.“
„Wenn du es ihm befielst?“, fragte sie provozierend.
„Nein! Ich befehle ihm nichts, ich bitte ihn. Manchmal macht er von sich aus Vorschläge. Er arbeitet sehr selbstständig. Mir gefällt, dass er mitdenkt und nicht einfach alles hinnimmt.“
Luna nickte und spielte dabei mit ihren Füßen im Wasser. „Glaubst du, dein Elf hat es gut bei dir?“
Einen Moment lang überlegte Harry, obwohl es da nichts zu überlegen gab. „Er hat es gut bei mir, aber sicher kann ich mir nur sein, wenn er nicht mein Elf wäre, sondern nur für mich arbeiten würde. Gegen Bezahlung meine ich.“
„Dann befürwortest du die Bezahlung von Hauselfen für ihre Arbeit?“
„Ja, das tu ich. Ich weiß aber auch, dass die meisten Elfen das nicht möchten. Das ist schade. Ich kenne zwei freie Hauselfen. Der eine kommt mit seiner Situation bestens zurecht, die andere leidet darunter. Es ist wohl tief in ihrer Geschichte verankert, dass Hauselfen sich für ihren Herrn aufopfern wollen, ohne Rücksicht auf Verluste.“
„Was meinst du mit ‘ohne Rücksicht auf Verluste‘?“, fragte Luna nach.
„Na ja, nicht jeder Elf wird von seinem Herrn gut behandelt. Es gibt Schläge und andere Bestrafungen für Missgeschicke oder Fehler, die ein Elf macht. Das ist nicht richtig.“
„Die Elfen stören sich nicht daran.“
„Luna!“ Aufgebracht schüttelte er den Kopf. „Die Elfen würden sich nie gegen ihre Herren auflehnen oder sie zurechtweisen, das weißt du doch. Es ist nicht notwendig, den Elfen zu sagen, dass körperliche Bestrafung falsch ist – man muss es den Hexen und Zauberern beibringen!“

Luna lächelte verträumt. Natürlich wusste sie, was Harry meinte, aber nur auf diese Weise kam ein Gespräch zustande, das sie für einen journalistischen Beitrag überarbeiten konnte.

„Die Elfen sind für viele nur eine Sache, die sie nach Lust und Laune behandeln können“, rief sie ihm ins Gedächtnis zurück.
„Leider ist das so!“, stimmte Harry ihr zu. „Es ist einfach nicht richtig. Haustiere werden viel besser behandelt als Hauselfen, dabei können sie so viel tun und sind so nett. Mein Hauself ist mein Freund! Ich habe ihn nie als Eigentum betrachtet und auch niemals so behandelt, kannst ihn fragen.“
„Ein Elf würde jemand anderem gegenüber nicht die Wahrheit sagen, wenn er damit gegen den Willen seines Herrn verstoßen würde.“
Harry schnaufte. „Dann muss man es eben so regeln, dass die Elfen eine Anlaufstelle haben, falls sie misshandelt werden. Man darf sich nicht als Mensch bezeichnen, wenn man wie eine Bestie handelt.“
„Oh Harry, das war ein wunderschöner Satz. Den übernehme ich eins zu eins“, schwärmte Luna, die ihn damit aus dem Gleichgewicht brachte, denn er hatte sich gerade warm geredet.

Eine Weile redeten sie noch über Elfen und ihre Aufgabe in der Zaubererwelt, zudem über Zauberer und Hexen, die die Verantwortung für diese Mitlebewesen übernahmen. Harry hatte Luna die Gesetzesentwürfe gezeigt, so dass sich ihr Thema bald nicht mehr nur auf die Elfen beschränkte, sondern auch – wie Sirius es schon vorgeschlagen hatte – über die Möglichkeit, ihnen Zauberstäbe zu gewähren. Geschickt lenkte Luna das Thema auf die wirtschaftlichen Aspekte, die so eine gesetzliche Entscheidung mit sich bringen würde.

Die Werwölfe waren das nächste Thema. Oft musste sich Harry zurückhalten, um Remus nicht beim Namen zu nennen, denn bei fast jedem Satz dachte er nur an ihn und wie schwer er es gehabt hatte, einen anständigen Job zu finden. Wolfsbanntränke, verbesserte Arbeitsgesetze, mehr Aufklärung und weniger Vorurteile waren die Dinge, die Harry mit seiner Meinung über Werwölfe zu vermitteln hoffte. Langsam wurde es dunkler, so dass Luna das Ende des Interviews ansteuerte.

„Erzähl mir, was du so in deinem Leben machst, Harry.“
Er konnte nichts dagegen tun, sein Gesicht zu verziehen. „Warum willst du unbedingt darüber schreiben?“
„Weil die Menschen nach dem Krieg nichts mehr von dir gehört haben. Journalisten stürzen sich auf deine Freunde und ehemaligen Klassenkameraden, die nur vereinzelt Informationen über dich preisgeben. Die Öffentlichkeit weiß nur, dass du jetzt in Hogwarts als Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste arbeitest und dass du mit Ginny verlobt bist. Man weiß nicht, wie du dein Leben verbringst, aber die Leute würden es sehr gern wissen.“
„Ich weiß nicht, Luna …“
„Der Artikel würde viel mehr wirken, wenn er gleichzeitig Neuigkeiten über dein Leben enthält und nicht nur deine Meinung zu politischen Themen. Du musst aber nicht.“

Die Frage war, ob er der magischen Gesellschaft in dieser Hinsicht etwas schuldig war. Er wollte verneinen, dachte aber an die vielen Briefe, die man ihm besonders in den ersten Monaten nachdem dem Krieg geschickt hatte. Briefe von Kindern, die ihm mit einem gemalten Bild ihre Anerkennung zeigten. Briefe von Menschen, die ihm ihr Leben verdankten. Leute, von denen er niemals etwas gehört hatte, schrieben ihm noch heute und teilten ihm mit, wie glücklich sie wären, dass Voldemort nicht mehr existierte. Diesen Menschen hatte er nur äußerst selten persönlich geantwortet. Vielleicht war ihm mit dem Artikel die Möglichkeit gegeben, einen Dank an alle nachzuholen.

„Na gut“, stimmte er zu. „Was willst du über mich schreiben?“
„Wie gefällt dir deine Arbeit als Lehrer?“
Ein seliges Lächeln zierte sein Gesicht. „Es ist schön. Mir gefällt es, mit Kindern zu arbeiten. Ich kann mir vorstellen, mit noch jüngeren etwas zu machen. Vielleicht mit denen, die seit dem Krieg keine Eltern mehr haben.“
„Die meisten haben wieder Eltern, Harry. In der magischen Welt geht das schneller als in der Muggelwelt. Kinder bleiben nicht lange allein.“
„Hört sich an“, sagte er grinsend, „als würdest du aus Erfahrung sprechen.“
Ihr fröhliches Gesicht änderte die Miene nicht, als sie erzählte: „Nachdem meine Mutter gestorben war, musste Vater ins Krankenhaus. Er war am Arm verletzt, war zu dicht am Schuppen dran, als der explodierte. Und später, da war mein Vater so traurig über ihren Tod, dass sie ihn noch im Krankenhaus behalten mussten. Man hat mich gefragt, bei wem ich leben möchte, bis es ihm wieder gut geht.“
„Tatsächlich?“, flüsterte er. „Das wusste ich gar nicht.“
„Es waren nur acht Monate. Die Nachbarn haben mich aufgenommen. So war ich immer in meiner vertrauten Umgebung.“
„Mmmh“, summte Harry. „Scheint so, als würden die Zauberer sich prächtig um die Kinder ihrer Welt kümmern.“
„Solange diese Kinder zaubern können …“
Irritiert schaute er zur Seite, um ihr Profil zu studieren. „Wie meinst du das?“
„Squibs sind nicht beliebt. Sie finden keine Eltern. Keiner will sie.“

Ein Gefühl der Ohnmacht kam in Harry auf, als er von dieser Ungerechtigkeit hörte. Squibs waren genauso freundliche und verspielte Kinder wie Zauberer und hatten es verdient, die gleiche Behandlung zu erhalten.

„Aber dagegen muss man doch was tun können?“, murmelte er gedankenverloren.
„Vielleicht wirst sogar du später mal etwas dagegen tun. Aber zurück zu dir. Wie lange hast du vor, in Hogwarts zu arbeiten?“
„Das kann ich nicht genau sagen. Albus hat mir nach dem Krieg die Schule als Unterschlupf angeboten; der Lehrerjob ergab sich als Zufall. Den vielen Menschen wollte ich mich nicht auf den unzähligen Siegesfeiern stellen. Ich konnte einfach nicht. Mit so etwas kann ich wenig anfangen, auch wenn ich verstehe, dass sie mich sehen wollen, mit mir reden wollen. Ich möchte eigentlich nur meine Ruhe haben. Es ist nicht böse gemeint, aber endlich habe ich nach seinem Tod …“, er verbesserte, „nach Voldemorts Tod die Möglichkeit, ein normales Leben zu führen. Normal zu sein.“
„Warst du als kleines Kind denn nicht normal?“, wollte sie wissen, weswegen er betreten das Gesicht verzog. „Harry, würdest du deine Kindheit als normal beschreiben?“
„Es gibt Menschen, deren Kindheit weitaus schlechter verlaufen ist als meine. Natürlich hätte meine auch besser sein können. Auf sehr vieles musste ich verzichten, darunter waren einige Dinge, die man einem Kind nicht vorenthalten sollte.“
„Und das wäre?“

Harry schluckte. Der Presse hatte er nie von seinen Muggelverwandten erzählt und er wusste nicht, ob er überhaupt wollte, dass fremde Menschen davon erfahren würden.

„Geburtstagsfeiern“, nannte er zögerlich als erstes Beispiel. „Ich hab nie eine Torte oder Geschenke bekommen, außer zu meinem elften. Da hat mir Hagrid einen Kuchen geschenkt.“ Seit dem Tag hatte sich sein Leben schlagartig verändert. Luna wartete geduldig, bis er weitere Beispiele nannte, auf die er als Kind verzichten musste. „Ich hatte keine Freunde, kaum Spaß und …“ Er musste kräftig schlucken. „Zuneigung fehlte völlig. Was meine Eltern mir vor ihrem Tod an Liebe gegeben haben, musste für die nächsten zehn Jahre reichen.“ Normal hatten seine Verwandten ihn nie behandelt. Für sie war er eine Missgeburt gewesen, die man zwar durchfüttern musste, aber nicht lieben brauchte.
„Und jetzt?“ Luna blickte nach oben gen Himmel und beobachtete die Wolken, die über die Baumwipfel zogen. „Geburtstagsfeiern, Geschenke, Freunde?“ Sie forderte ihn auf nette Weise auf, noch ein wenig zu erzählen.
„Nachdem ich das erste Mal Hogwarts betrat, war das so, als würde ich mit nur einem einzigen Schritt mein altes Leben verlassen. Schon im Zug bin ich auf jemand getroffen, der bis heute mein bester Freund ist. So etwas erfahren zu dürfen ist unbezahlbar. Freunde meine ich. Freunde sind unbezahlbar. Kein Geschenk ist wertvoller.“

Völlig unerwartet fand er sich mit einem Armvoll Luna wieder, die ihn so fest an sich drückte, dass er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Plötzlich hörten beide hinter sich ein glucksendes Geräusch, weil etwas im Wasser gesprungen war.

„Da, der sprechende Fisch!“

Mit Harry im Arm schaute Luna hinter sich und zeigte aufgeregt auf die Stelle, und als Harry sich ebenfalls umdrehte, begann der Stamm zu wackeln. Beide klammerten sich aneinander, bis sie am Ende doch die Balance verloren und rücklings ins Wasser plumpsten.


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