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Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Die Schuld von einst

von Muggelchen

Es war bereits Mittag durch, da ließ sich Sid Duvall im Vorzimmer des Ministers sehen und wurde sogleich hereingebeten. Arthur wollte die Angelegenheit schnellstmöglich bereinigt haben.

Sid übergab ihm einen ganzen Stapel vollgeschriebener Pergamente, den Arthur entgegennahm und vor sich auf den Schreibtisch legte, bevor er seinen Gast bat, einen Moment Platz zu nehmen, was diesen hinsichtlich seiner Person ein wenig überraschte, doch Sid kam dem Wunsch seines obersten Dienstherren wortlos nach. Er schaute dabei zu, wie der Minister das Zimmer mit einem Schwung seines Stabes mit einem Stillezauber belegte. Für das, was Arthur zu sagen hatte, holte er einmal tief Luft.

„Ich kann nicht umhin, Mr. Duvall, Ihnen für Ihre Leistungen meinen Glückwunsch auszusprechen. Leider lassen es die Umstände nicht zu, dass dies öffentlich geschieht. Wir können froh sein, dass die Situation für alle Beteiligten so glimpflich gelöst werden konnte. Das lässt mich zu weiteren Punkten kommen.“
„Herr Minister, ich weiß, dass der Auftrag ein Schleudersitz war. Hätte ich den Fall verloren, wäre ich als unfähig hingestellt und im Dienstgrad herabsetzen worden. Womöglich hätte man mich sogar entlassen. Nicht anders wird es kommen, obwohl oder gerade weil ich den Fall zu Gunsten meines Mandanten entscheiden konnte. Sehen Sie, Herr Minister, normalerweise muss ich den Bericht über meine Arbeit meinem direkten Vorgesetzten vorlegen. Das sind nicht Sie und auch nicht Mr. Shacklebolt, folglich wird mir jemand versuchen, daraus einen Strick zu drehen. Sie werden mir jedoch beipflichten, Herr Minister, dass dieses Schriftstück nur für Ihre Augen bestimmt ist und für keinen sonst. Daher gestatten Sie mir, dass ich hiermit“, er reichte einen kleinen versiegelten Umschlag über den Tisch, „aus dem ministerialen Dienst ausscheide. Ich denke, das erspart uns beiden einige Unannehmlichkeiten.“
„Ja, Mr. Duvall. Ich fürchte, ich muss Ihr Ersuchen um Ihr dienstliches Ausscheiden leider akzeptieren.“
„Warum leider?“, fragte Sid irritiert nach. „Ich war bisher der Annahme, meine Person sei hier nicht länger erwünscht.“
„In der Politik geht nicht immer alles gerade Wege, um das zu erreichen, was man für das Richtige hält. Das habe auch ich erst lernen müssen. Im Klartext: Wenn ich so könnte, wie ich wollte, würde ich einen Bereich ins Leben rufen, der sich offiziell mit der Ausarbeitung neuer Gesetzesvorlagen beschäftigt und Sie zum Leiter machen. Dass ich das in der augenblicklichen Situation nicht kann, werden Sie einsehen.“

Sid nickte. Es wäre am besten, wenn er sich mit dem Minister nicht einmal sehen lassen würde. Es könnte ansonsten der Verdacht geweckt werden, sie hätten zusammen gemauschelt.

„Mr. Shacklebolt kümmert sich seit geraumer Zeit um diese Dinge. Er hat dabei Hilfe von einer Dame namens Miss Granger, die sich schon früher speziell für die Elfenrechte eingesetzt hat. Beide können diese gewichtige Aufgabe höchstens nebenbei erledigen, denn es fehlt nach dem Krieg einfach an fachkundigem Personal. Gesetzesänderungen sind aber eine Sache, die man, wenn man sie erfolgreich machen will, nicht nebenbei erledigen darf.“
„Und da beide zu Ihren persönlichen Vertrauten gehören, können Sie ihnen das nicht einfach so wegnehmen und ausgerechnet mir in die Hand drücken. Verstehe. Bevor wir an dieser Stelle beginnen, die Details unserer neuen inoffiziellen Zusammenarbeit zu besprechen, gestatten Sie mir eine dringende Anmerkung zum Beistandssystem, Herr Minister. Nur wenn sich der Inhaftierte keinen eigenen Beistand leisten kann, sollte dieser vom Ministerium gestellt werden. Sie sollten dennoch schnellstens dafür sorgen, dass alle weiteren Personen, die Sie bereits in den Status 'Beistand' erhoben haben, einen gewissen Grad an Unabhängigkeit innehaben. Das birgt Vorteile, aber auch Nachteile. Zum einen wird sich ein Fall wie meiner nicht noch einmal wiederholen, zum anderen verlieren Sie die direkte Verantwortung, erhalten aber nach Abschluss des Verfahrens die gesamten Unterlagen. Weitere Details können Sie meinem Bericht entnehmen, aber ich habe Sie unterbrochen, bitte fahren Sie fort.“

Den Hinweis von Sid bezüglich des Beistandssystems wollte Arthur sich zu Herzen nehmen. Zwischendurch ließ er zur Verwunderung seiner Vorzimmerdame Tee und etwas Gebäck bringen, bevor er sie anwies, seine Termine für die nächste Stunde nach hinten zu verlegen.

„Zurück zu meinem eigentlich Anliegen, Mr. Duvall. Da ich weiterhin auf die intensive Mitarbeit von Mr. Shacklebolt angewiesen bin, sind mir etwas die Hände gebunden. Dennoch möchte ich nicht auf Sie verzichten. Ich schätze Ihre Fähigkeiten und die möchte ich sehr ungern zur Tür hinausspazieren lassen. Wir können zusammen einen anderen Weg gehen, um unser Ziel zu erreichen. Was halten Sie davon?“

Auf den Kopf gefallen war Sid nicht. Er hatte durchaus verstanden, was der Minister von ihm wollte. Einerseits überlegte er, ob er den Einsatz nicht ein wenig erhöhen sollte, andererseits erkannte er, dass ihm der Minister quasi frei Hand bei der Ausarbeitung neuer Gesetzesvorlagen geben würde. Somit hatte er, Sid Duvall, die einmalige Möglichkeit, seine eigenen Ideen und Überzeugungen in die Gesetze der Zaubererwelt einfließen zu lassen. Er musste sich lediglich im Hintergrund halten, was für ihn kein Problem darstellte.

„Ich denke, dass ich damit leben kann“, antwortete er. Das „vorerst“ verkniff er sich.
„Gut. Ich würde Sie gern mit einem Mann von der 'Initiative für die Forderung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes für magische und nichtmagische Halbwesen' bekanntmachen. Sein Name ist Sirius Black. Wie wäre es Morgen mit einem gemeinsamen Abendessen in einem privaten Kreis? Da könnten wir das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Des Weiteren gehört Mr. Black zu der Gruppe, mit der Mr. Shacklebolt eng zusammenarbeitet, um die magischen Gesetze zu überarbeiten und außer ihm haben die anderen leider zu wenig Zeit für diese doch sehr komplexe Aufgabe.“
„Was bedeutet, dass Mr. Black und ich quasi allein zusammenarbeiten werden. Welche Unterlagen können Sie mir zur Verfügung stellen? Ich denke, dass ich die bereits bestehende Entwürfe und Vorgaben noch einmal überarbeiten werde. Was wir entwerfen, muss Hand und Fuß haben. Außerdem sollten die Dinge weitestgehend wasserdicht sein.“

Arthur nickte. Erst nach dieser nonverbalen Zustimmung biss Sid von einem kleinen Törtchen ab, während ihm der Name des genannten durch den Kopf ging. Sirius Black. Patenonkel des berühmten Harry Potter, Vertrauter des mächtigen Albus Dumbledore. Dessen Akte war ihm vertraut. Zwölf Jahre saß er unschuldig in Askaban. Weitere fünf Jahre war er im Krieg verschollen. Der Mann war jetzt bereits eine Legende und gerade er, Sid Duvall, ein kleines Licht der Zaubererwelt, sollte mit ihm zusammenarbeiten. Allein das rang ihm schon eine gewisse Ehrfurcht ab, auch wenn er diese niemals offen zeigen würde.

„Und jetzt, da wir soweit alles besprochen haben, möchte ich Ihnen Smokey vorstellen.“ Nachdem Arthur den Satz beendet hatte, erschien sofort ein kleiner Hauself mit aufgeweckten Augen neben seinem Sessel. Er strich sich seinen blauen Anzug glatt und nahm vor dem Minister und seinem Gast Haltung an.

„Smokey, das ist Mr. Duvall. Ich möchte, dass du auf seine Anweisungen und auf die Anweisungen von Mr. Black alle Papiere, Unterlagen, Bücher und sonstige Materialien heranschaffst, die die Herren für ihre Arbeit benötigen. Es ist allerdings erforderlich, Smokey, dass du über deine Tätigkeit für die Herren absolutes Stillschweigen bewahrst. Darunter fällt auch die Frage, für wen du derzeit arbeitest. Auf diese Frage antwortest du bitte ‘Für das Zaubereiministerium.‘. Deine Entlohnung erhältst du wie üblich vom Ministerium.“

Verwundert schossen Sids Augenbrauen bis zum Haaransatz hinauf, doch bevor er eine Frage stellen konnte, erklärte Arthur von sich aus die Situation.

„Der gute Smokey hier war nach dem Krieg, wie einige andere auch, herrenlos und hat sich im Ministerium beim 'Amt für die Neuzuteilung von Hauselfen' gemeldet, weil er nicht wusste, wohin er gehen sollte. Ein Mr. Thomas hat sich um ihn gekümmert.“ Die Augen des Elfen zeugten von großer Dankbarkeit bei der Erwähnung des Namens. „Nach den Gesetzen war Smokey jedoch frei und durfte nicht neu zugeteilt werden. Eine Zwickmühle für ihn, aber auch für Mr. Thomas, der mir daraufhin den Vorschlag unterbreitete, Hauselfen für das Ministerium einzustellen. Ich verfolge das Ziel, in naher Zukunft nur noch Elfen zu beschäftigen, die sich aus freien Stücken in unsere Dienste stellen möchten. Arbeitsvertraglich sind Entlohnung und ein Ausgleich für die Freizeit geregelt. Wie sie die verbringen, obliegt ihnen allein. Im Übrigen auch ein Teil Ihrer Arbeit, Mr. Duvall, aber dazu wird Ihnen Mr. Black Näheres erklären können. Danke Smokey, das wäre dann alles.“

Der Elf nickte dem Minister zu, danach Sid und verschwand mit einem kaum hörbaren Ploppgeräusch.

Sid sah sehr viel Arbeit auf sich zukommen.

„Wo sollen wir die Hauptarbeit erledigen? Im Ministerium würde man zu schnell Fragen stellen, was meine Person betrifft“, erkannte Sid zutreffend.
„Am besten besprechen wir das morgen Abend gemeinsam mit Mr. Black. Ich lasse Ihnen beiden freie Hand, wo Sie arbeiten möchten. Mr. Bloom, der Vorsitzender der Initiative, stellt uns einen Raum zur Verfügung, den wir für eine gemeinsame Unterredung nutzen können.“

Er hatte mit seiner Meinung über den Minister Recht behalten und auch damit, dass er der Richtige für einen Neuanfang in der Zaubererwelt war, denn der Falsche hätte ihn ohne Weiteres gehen lassen. Es lag Arthur daran, für das Wohl der magischen Gesellschaft zu handeln, weswegen er mögliche persönliche Differenzen beiseiteschieben konnte.

Der Minister erhob sich und machte Sid damit deutlich, dass es an der Zeit war, sich ebenfalls zu verabschieden, also tat er es ihm gleich. Die beiden Männer reichten sich die Hand und verabschiedeten sich – jeder für sich mit dem Gefühl im Herzen, einen großen Schritt gegangen zu sein.

Arthur atmete einmal tief durch, denn der schwerste Teil dieser Operation stand ihm noch bevor. Er musste Sirius davon überzeugen, dass Duvall trotz seiner eventuell nervenden und kleinkarierten Art eine Bereicherung für die Gesetzesreform wäre.

Ein Raum im Haus von Mr. Bloom war für die Unterredung am nächsten Abend schnell klargemacht. Mr. Bloom fühlte sich sehr geehrt, dass der Minister die persönliche Zusammenarbeit mit der Initiative so ernst nahm. Als nächstes schrieb Arthur eine Einladung an Sirius mit versteckten Andeutungen, die – das wusste er – Sirius so neugierig machen würden, dass er heute Abend sicherlich etwas früher in den Grimmauldplatz Nr. 12 kommen würde, um ihm vorab schone etwas von seinen Plänen zu unterbreiten.

Die Genugtuung, Duvall für die eigenen Interessen gewonnen zu haben, ließ ihn den Fall Malfoy fast vergessen. Sollte der ruhig durch die neue Welt marschieren und mit seiner altertümlichen Betrachtungsweise anecken, wo er nur konnte.

Dass Lucius gerade genau das tat, an was Arthur dachte, war keinem von beiden bewusst.

Der erste Ausflug in die freie Welt, in die Lucius entlassen worden war, hatte ihn ernüchtert. Es war ein Markt gewesen, den er zusammen mit Narzissa aufsuchte. Die ersten Male empfand er es lediglich als unhöflich, dass die Menschen ihn anstarrten und hinter vorgehaltener Hand tuschelten, doch als sich die Händler sogar weigerten, ihn zu bedienen, geschweige denn, ihm etwas zu verkaufen, wurde sich Lucius bewusst darüber, dass sie ihn nicht als Kunden sahen, wie sie es sollten. Sie erkannten in ihm den Todesser, der vom Ministerium auf freien Fuß gesetzt worden war. Im Tagespropheten war lediglich ein winziger Artikel über ihn gedruckt worden, denn der Name Rodolphus Lestrange zierte fast täglich die Schlagzeilen. Es war jedoch die Muggelpost, die nicht wie jedes andere Blatt über Rodolphus, sondern über Lucius Malfoy geschrieben hatte. Einzelheiten gab es nicht, nur die vage Vermutung, dass die Freilassung von ihm gleich nach der Festnahme seines Schwagers darauf hindeuten könnte, er hätte etwas mit der Ergreifung der vielen Todesser zu tun. Er hoffte nur innig, dass Rodolphus niemals eine Zeitung in die Hand nehmen würde, die das Wort „Muggel“ im Titel trug.

Am späten Nachmittag kamen sie von einem genüsslichen Essen im Restaurant zurück nach Malfoy Manor. Sein Sohn, mit Charles auf dem Arm, hielt sich zufällig in der Eingangshalle auf und grüßte seine Eltern.

„Vater, ich würde gern mit dir sprechen.“ Er hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen und folgte daher seinem Sohn in das Arbeitszimmer. Unter vier Augen – Charles zählte nicht einmal als halbe Person – klärte Draco ihn über den unerwarteten Besuch der Ministeriumsangestellten auf.

„Sie wollten dich sprechen. Sie haben mir gesagt, dass du den Betrag noch nicht bezahlt hast.“ Finanzielle Angelegenheiten hatte Lucius früher nie schleifen lassen, auch keine Verbindlichkeiten, doch dieses Mal sah es anders aus.
„Von was denn bitteschön hätte ich das begleichen sollen? Mir gehört nichts, schon vergessen?“, rieb er seinem Sohn unter die Nase.
„Du hättest mich fragen können. Die Sache wäre im Nu erledigt gewesen.“

Lucius erwiderte nichts. Es widerstrebte ihm, bei seinem eigenen Sohn Bittgesuche stellen zu müssen, wie es normalerweise die Kunden taten, die die Bewilligung eines Darlehens erreichen wollten. Draco schien zu ahnen, was in ihm vorging, denn er sprach genau dieses Thema an.

„Es war dir unangenehm, mich zu fragen.“
„Was glaubst denn du?“, zischte Lucius. „Wie glaubst du fühle ich mich wohl, wenn ich bei meinem Sohn darum bitten muss, wenigstens über einen Teil meines eigenen Vermögens verfügen zu dürfen?“ Draco hatte den Nerv zu lächeln.
„Natürlich habe ich daran gedacht, wie es dir bei dem Gedanken ergehen könnte. Für dich war Geld immer gleichgesetzt mit Macht und wenn ich ehrlich bin, entspricht das der Realität. Ich wollte nie, dass du dich hier zurückgesetzt fühlst, aber ich gebe zu, dass ich gehofft habe, du würdest an mich herantreten.“ Draco seufzte. „Wie dem auch sei. Ich habe mit Gringotts alles geklärt. Du hast Zugriff auf ein bestimmtes Verlies, welches ich immer wieder aufstocken werde. Du kannst damit tun, was immer du möchtest.“
„Ah, zweifelsohne befürchtest du, ich könnte mich mit dem gesamten Vermögen aus dem Staub machen.“
„Es steht dir frei zu gehen. Mit dem Geld, das ich dir zuspreche, kannst du dir ein ansehnliches neues Leben schaffen, wenn es das ist, was du möchtest.“ Er wechselte den Arm, mit dem er den schlafenden Charles trug. „Aber ich sage dir ganz offen, dass es nicht das ist, was ich möchte. Wenn du es auch nicht glauben magst: Ich bin froh, dass du hier bist!“
„Darf ich fragen, was du von mir erwartest?“
Draco legte den Kopf schräg und kniff die Augen zusammen. „Was meinst du?“
„Soll ich hier lediglich als Relikt deiner Kindertage umherwandeln? Als jemand, den du an deiner Seite haben möchtest, weil du ihn von früher gewohnt bist? Du kannst dir denken, dass das Aussichten sind, die mir nicht gefallen.“
„Warum siehst du dich selbst, wie du es so schön ausgedrückt hast, als ‘Relikt‘? Ist es so schwer, dich in dein neues Leben zu fügen? Erschweren wir dir das etwa? Ich glaube, uns kannst du nicht die Schuld daran geben, dass dir die Eingewöhnungsphase so schwerfällt. Womit du dir deine Zeit vertreibst, schreibt niemand dir vor.“ Draco wollte seinem Vater keinesfalls einen Freibrief geben, weswegen er schnell noch anfügte: „Es sollte sich aber in legalen Richtungen bewegen, denn ich werde nicht zulassen, dass der Ruf der Familie Malfoy einen Rückschlag erleidet.“

Von innen biss sich Lucius auf die Unterlippe. So sehr, dass sie zu bluten begann. Draco machte ihn selbst für dieses Leben verantwortlich, dabei war er es, der es so grundlegend geändert hatte. Die Enttäuschung und die Wut, die vor ein paar Tagen bei einem Streit in ihm entflammt war, als er erfahren musste, dass fast alle Gegenstände seiner schwarzmagischen Sammlung veräußert worden waren, kam mit einem Schlag wieder.

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen“, Lucius‘ Tonfall klang gereizt, „dass ich derjenige bin, der den Ruf der Familie in den Dreck zieht. Das hast du allein schon gut bewerkstelligt.“
„Ach“, winkte Draco ab, „ich dachte eigentlich, das Thema hätten wir geklärt. Wenn du noch ein einziges Mal über meine Ehe negativ sprichst, mein Kind abfällig behandelst“, hier stutzte Lucius, denn mit dem Jungen war er stets freundlich umgegangen, „oder meine Freunde beleidigst, werde ich dir persönlich Manieren beibringen. Severus‘ Lektion hat dir wohl nicht gelangt.“

Die Luft im grünen Salon war dick. So dick, dass er am liebsten in den Wintergarten hinausgehen wollte, doch die Erinnerung an die gebrochene Nase, die ihm auch noch von diesem Schlammblut gerichtet worden war, stoppte ihn. Als er mit ansah, wie Draco den kleinen Kopf mit dem roten Haar küsste, verzog er das Gesicht.

„Verhätschel ihn nicht! Es reicht, wenn die Frauen das tun.“ Für einen Moment genoss Draco noch den Duft des Babys und die zarte Haut an seiner Wange, bevor er aufblickte und mit seinen Augen Dolche in die Richtung seines Vaters schoss.
„Ich werde ihm immer zeigen, dass ich zu ihm stehe.“ Seine Stimme wurde weicher, auch wehmütiger. „Er soll keinen Augenblick lang glauben, sein Vater würde ihn nicht lieben.“

Einer der Dolche, die Draco eben noch allein mit seinen Blicken nach ihm geworfen hatte, wurde von diesem letzten Satz gelenkt und traf Lucius tief in dessen Herz.

„Du …“ Der unterschwellige Vorwurf seines Sohnes hatte ihn aus der Fassung gebracht. Er musste sich erst sammeln, bevor er ein Wort herausbrachte. Diesmal war ein Vorwurf in seiner Stimme zu hören, als er Draco zurechtwies. „Du würdest dich nicht so äußern, wenn du wüsstest, wie ich mit dir umgegangen bin, als du noch klein warst.“
„Aber ich habe es miterlebt.“
„Ich meinte die Zeit nach deiner Geburt. Die Zeit, bevor sich dein Großvater in die Erziehung eingemischt hat.“

Für Draco war dieses Thema Neuland. Er konnte sehen, dass sein Vater sich dafür verfluchte, es überhaupt zugegeben zu haben, dass Abraxas Malfoy sich mehr gekümmert hatte, als es seinem Vater recht war. Sein Großvater, das wusste Draco noch zu gut, hatte sich sehr dafür eingesetzt, den Enkelsohn mit den alten Ansichtsweisen und Traditionen der Familie zu prägen.

„Warum erzählst du es mir nicht?“ Sein Vater zögerte, weshalb Draco entschloss, bestimmender zu werden. „Erzähl mir, wie du mir mit umgegangen bist, wenn ich noch zu klein war, mich daran erinnern zu können.“

Sein Vater schwieg. In seinem Gesicht jedoch stand all das geschrieben, was Draco gern gehört hätte. Die Beteuerung, ihn immer vergöttert zu haben, immer das Beste für ihn gewollt zu haben. Er war sich sicher, niemals in seinem Leben diese Worte aus dem Munde seines Vaters hören zu werden.

„Du hast mich so erzogen, wie Großvater es von dir erwartet hat. Selbst nach seinem Tod hast du so weitergemacht, anstatt deinen eigenen Weg zu finden, mich auf das Leben vorzubereiten. Weißt du, was ich bedaure?“ Sein Vater schüttelte nicht einmal den Kopf, aber Draco wollte es endlich loswerden. „Wir haben so gut wie nie von früher gesprochen. Was war mit Großmutter? Ich habe sie nie kennen gelernt. Du hast mir nur ein einziges Mal gesagt, Großvater hätte sie weggeschickt.“ Nur für einen kurzen Augenblick spiegelten die Augen seines Vaters großen Kummer wider. Den Schmerz eines Kindes, das seine Mutter verloren hatte, doch kaum hatte Draco diese Gefühlsregung bemerkt, war sie auch wieder aus dem hellen Gesicht verschwunden. „Ich weiß bis heute nicht, was mit Großmutter geschehen ist. Ob sie noch lebt oder gestorben ist.“
Resignierend gab sein Vater zu: „Das weiß ich auch nicht.“
„Warum Großvater sie weggeschickt hat oder ob sie noch lebt?“
„Ob sie noch lebt.“

Lucius wollte nicht darüber sprechen, was seine Mutter hatte durchmachen müssen. Es war schon schmerzlich genug gewesen, an diese Zeit erinnert worden zu sein, als Professor Puddle ihn seinerzeit nach Erkrankungen in der Familie gefragt hatte. Damals hatte Lucius miterlebt, was mit seiner Mutter geschehen war. Innerhalb eines halben Jahres hatte sie ihre magischen Fähigkeiten verloren, konnte nicht einmal mehr die einfachsten Zaubersprüche ausführen. Durch seinen Sohn nun erneut dazu gezwungen, an sie denken zu müssen, hörte er die Stimme seiner Mutter, die ihm als Siebenjährigen ins Ohr geflüstert hatte: ‘Du darfst Vater nicht sagen, dass es mir nicht gut geht. Es wird bestimmt von allein wieder besser werden.‘ Lucius hatte ihr glauben wollen, hatte seinem Vater gegenüber nie erwähnt, dass seine Mutter in dessen Abwesenheit ihre Aufgaben wie ein Muggel erledigte, den Zauberstab derweil nur noch wie ein Accessoire mit sich herumtrug.

„Vater?“ Dracos Stimme unterbrach die Stille und seine Gedanken.

Die Erinnerungen an seine Mutter hatten Lucius belastet. Noch schlimmer war die Erkenntnis darüber, nach dem Tod seines Vaters dem Fall nicht auf eigene Faust nachgegangen zu sein. Obwohl er mehrmals in seinem Leben mit dem Gedanken gespielt hatte, war eine Suche nach ihr ausgeblieben.

So leise wie das raschelnde Laub, in dem ein verängstigtes Kaninchen zitterte, offenbarte Lucius seinem Sohn: „Sie hat ihre Magie einbüßen müssen.“ Eine Tragödie für den kleinen Lucius, eine Schande in den Augen von Abraxas.
„Entschuldige, ich habe dich nicht verstanden.“ Sein Vater hatte viel zu leise gesprochen.
Nicht gewillt, seine Worte zu wiederholen, winkte Lucius niedergeschlagen ab. „Lass gut sein, Draco. Wozu in der Vergangenheit leben. Du selbst hast gesagt, dass die Zeiten sich geändert haben.“
Draco nickte. „Weißt du, Vater, man kann nur in Frieden in der Gegenwart leben, wenn man mit der Vergangenheit abgeschlossen hat. Das ist allerdings nur möglich, wenn es keine unerledigten Dinge von damals gibt, denn die zählen weiterhin zum Hier und Heute. Man wird sich bis zum Rest seines Lebens damit beschäftigen, wenn bestimmte Angelegenheiten noch ungeklärt sind.“

Es war für Lucius schnell und unerwartet gekommen, doch Draco hatte ihm mit diesen Worten einen Floh ins Ohr gesetzt. Die Erinnerung an seine Mutter, an all das, was sie für ihn getan hatte, waren nur gute. Das Verbot seines verblichenen Vaters, niemals ein Wort über sie in den Mund zu nehmen, sie nie wieder zu erwähnen, hatte er bereits bei dem Gespräch mit Professor Puddle in den Wind geschlagen. Als er an Puddle dachte, an den Krankenhausaufenthalt und an die Behandlungen, die er wegen seiner Augen und Narzissa wegen ihrer hellen Haut über sich ergehen lassen mussten, schoss Lucius wie aus heiterem Himmel ein Gedanke durch den Kopf. Wäre es wohl möglich, fragte er sich selbst, dass seine Mutter nur an einem erblich bedingten Defekt gelitten hatte? Die Klarheit darüber schien ihm ins Gesicht geschrieben zu sein, denn Draco sprach ihn abermals an.

„Geht es dir gut, Vater? Du wirkst so blass.“
„Es geht mir gut, danke der Nachfrage“, log er, denn ihm war schlecht geworden. Die Frage ließ ihn nicht mehr los, ob seine Mutter womöglich hätte behandelt werden können. Stattdessen hatte sein Vater ihr die kalte Schulter gezeigt, nachdem er über ihre missliche Lage unterrichtet worden war. Mit so einer ablehnenden Haltung der eigenen Frau gegenüber war es leicht gewesen, sie in einen Nervenzusammenbruch zu stürzen, den er als Anlass genommen hatte, sie in ein Sanatorium einzuweisen. Seitdem hatte Lucius nie wieder etwas von ihr gehört. Schuld breitete sich in ihm aus, weil er nie einen Finger gerührt hatte, der Sache auf den Grund zu gehen.

„Wenn du mich bitte entschuldigen würdest, Draco?“
„Nur noch eine Sache.“ Auf dem Weg zur Tür hielt sein Vater inne und lauschte, als Draco bat: „Gib mir den Schein vom Ministerium, damit ich den Geldtransfer einleiten kann.“

Mit Geld hatte auch gerade Hermine zu tun, denn sie beschäftigte sich mit der wohl trockensten Arbeit, die man sich vorstellen konnte. Buchführung. Mit Zahlen konnte sie gut umgehen, das bewiesen auch ihre Noten in Arithmantik. Buchführung hingegen fand sie sterbenslangweilig, aber sie hatte es für heute wenigstens hinter sich. Der Umsatz konnte sich sehen lassen. Die Galleonen der letzten Woche hatte sie in ihren Geldtaschen untergebracht, damit sie sie in ihr Verlies bei Gringotts bringen konnte. Bei dem vielen Geld würde sie demnächst zweimal in der Woche zur Bank gehen müssen.

Es war bereits Freitag. Die Apotheke war seit 16 Uhr geschlossen und jetzt, knapp zwei Stunden später, machte sie sich auf den Weg zur Koboldbank. Es war schon dunkel draußen, aber nicht nur wegen der Jahreszeit. Schwarze Wolken hingen über London und kündigten ein Gewitter an. Den ganzen Tag über hatte es bereits geregnet, wenn auch nie lang, aber vereinzelt. Das war Grund genug für die Kunden, heute lieber Zuhause im Trockenen zu bleiben. Die Winkelgasse war wie ausgestorben. Alle anderen Läden hatten ebenfalls geschlossen, denn es waren nicht mehr die Lichter aus den Verkaufsräumen, die die Gasse erhellten, sondern die spärlichen Laternen. Nur bei den Zwillingen brannte oben in der Wohnung noch Licht. Nicht viele Geschäftsinhaber lebten in der Winkelgasse.

Ihr Weg führte sie vorbei an dem Sportgeschäft „Qualität für Quidditch“, bei dessen im Schaufenster angepriesenen Rennbesen sie immer an Ron und Harry denken musste. Als nächstes passierte sie „Flourish und Blotts“, somit auch den schmalen Weg neben dem Buchladen, der zur Nokturngasse führte. Im Vorbeigehen bemerkte sie die Silhouetten von zwei Gestalten, die an der Kreuzung Nokturngasse standen und die Köpfe zusammengesteckt hatten. Dort war merkwürdiges Gesindel unterwegs, dachte Hermine kurz. Die „Magische Menagerie“ lenkte sie wieder ab, denn sie musste schweren Herzens an Krummbein denken, den sie einst hier erstanden hatte.

Sie erschrak fürchterlich, als sie Schritte hinter sich hörte. Plötzlich legte jemand eine Hand über ihren Mund; jemand, der von Körperhygiene nicht viel zu halten schien. Gleichzeitig hielt dieser jemand ihr die Hände hinter dem Rücken fest. Eine weitere Person griff blitzschnell in ihren Umhang, streifte mit der Hand flüchtig ihre Brust. Erst bei dieser als intim empfundenen Berührung geriet sie in Panik. Sie zappelte wie wild, doch sie konnte sich nicht befreien, rutschte stattdessen auf dem Schlamm aus, den der geschmolzene Schnee und die nasse Erde gebildet hatten, doch die Person hinter ihr hielt sie aufrecht. Der andere, vermummte Mann hatte ihren Stab aus der Innentasche gezogen und ihn weit weg geworfen, bevor er nochmals seine Hand in ihren Umhang tauchte und ihre drei gefüllten Geldtaschen an sich nahm. Es waren keine zehn Sekunden vergangen.

„Danke, Schätzchen“, hauchte eine raue Stimme hinter ihr, bevor sie mit einem groben Schubs zu Boden gestoßen wurde und sich den Kopf an der Stufe von der Magischen Menagerie stieß. Hinter sich hörte sie zwei knallende Geräusche. Als sie sich in Panik umdrehte, war niemand mehr zu sehen. Die Männer mussten appariert sein, doch auch wenn sie allein zu sein schien, war sie voller Angst. Mit einem stablosen Accio gelang sie wieder an ihren Zauberstab, den sie wie einen Grabendolch vor sich hielt, doch die Angreifer waren längst über alle Berge. Es war eine Sache, gegen Inferi oder Todesser kämpfen zu müssen, aber eine ganz andere, ohne jeden Übergang beraubt zu werden.

Wie von der Tarantel gestochen rannte Hermine den Weg zurück, begann derweil wegen der Ungerechtigkeit, die ihr widerfahren war, zu weinen. An ihrem eigenen Laden vorbei pochte sie aufgeregt an die Türen des gegenüberliegenden – an den Eingang von „Weasleys Zauberhafte Zauberscherze“ und sie hörte damit nicht auf, bis ihr geöffnet wurde. Verity ließ sie ein und schien völlig überfordert mit der aufgelösten Hermine zu sein, doch zum Glück kam George von oben hinuntergeeilt – oder war es Fred?

„Hermine, was ist passiert?“

Sie zitterte am ganzen Leib, schluchzte und verstand die Welt nicht mehr. Die Wut über sich selbst, die Geldbeutel nicht mit einem Zauber gegen Räuber geschützt zu haben und auch der Zorn gegen die Grobheit der Diebe ließ sie mit der Faust auf die Theke schlagen. Der andere Zwilling war ebenfalls in den Verkaufsraum gekommen und näherte sich ihr, legte eine Hand auf ihre Schulter und flüsterte ihr Worte zu, die sie beruhigen sollten. Als sie aufblickte und beide Zwillinge durch wässrige Augen miteinander vergleichen konnte, da wusste sie, dass George bei ihr stand.

„Man hat mich überfallen“, wimmerte sie. „Die Wocheneinnahmen sind alle weg!“
„Ach du meine Güte.“ Verity hielt sich erschrocken eine Hand vor den Mund. „Ich ruf die Magische Polizeibrigade!“ Fred stimmte seiner Freundin zu, bevor er George mit einer Geste signalisierte, dass er und Hermine in die Wohnung kommen sollten.

Oben im gemütlichen, wenn auch unordentlichen Wohnzimmer verarztete man ihre kleine Wunde am Kopf.

Ein Herr und eine Dame von der Magischen Polizeibrigade waren in weniger als fünf Minuten zur Stelle, um Hermines Aussage aufzunehmen. Keine Täterbeschreibung, keine besonderen Merkmale. Eine raue Stimme hatten nicht wenige Männer. Man musste ihr mitteilen, dass es aussichtslos schien, die Diebe fassen zu können, dennoch würde man ihre Anzeige bearbeiten.

Eine andere Anzeige machte gerade Harry zu schaffen und das war die Anzeige der Tafel, die den Quidditch-Spielstand zeigte. Die abendliche Runde mit Dracos Team gegen die Hufflepuffs ließ die Slytherins nicht gut dastehen. Andererseits war dieses Spiel kein offizielles Training, sondern nur ein Spiel aus Freude, an dem Harry nicht als Sucher, sondern als Jäger teilnahm und das mehr schlecht als recht. Schon im letzten Sommer hatte er bei einem Spiel mit Schülern als Hüter fungiert, wobei sich herausstellte, dass er keine Bälle abwehren konnte. Trotzdem machte es Spaß, wieder einmal auf dem Besen zu sitzen und sich zu bewegen. Manchmal, wenn der Schnatz an ihm vorbeihuschte, war er drauf und dran, dem goldenen Ball zu folgen, doch das war diesmal nicht seine, sondern Gordians Aufgabe. Harry musste zugeben, dass der Schüler sich sehr gut dabei machte.

Ginny und Arturo, ein stämmiger Hufflepuff im letzten Schuljahr, warfen ihm wenn möglich keinen Quaffel mehr zu, denn Harry hatte arge Schwierigkeiten, mitten im Flug einen Ball in die Finger zu bekommen. Wie hatte Ron im letzten Jahr so nett gesagt? ‘Nein, das ist nichts für dich. Du, Harry, bist ein Sucher!‘, hallte die Stimme seines besten Freundes in genau dem Schädel wieder, der um Haaresbreite einem der beiden tiefschwarzen eisernen Klatscher entkam.

„Hör auf zu träumen!“, hörte er Ginny von irgendwoher rufen.

Es begann zu nieseln, wie schon häufig an diesem Tag. Solang jedoch die Fingerspitzen weder blau anliefen noch am Besen festfroren, war keiner der Schüler gewillt, das spannende Spiel abzubrechen. Der Besen, den er von Mr. Whitehorn, Firmengründer von „Nimbus Rennbesen“, geschenkt bekommen hatte, war ein temporeiches kleines Miststück. Auf dem Stil des Twister konnte sich Harry manchmal kaum noch halten, wenn er eines seiner gewagten Wendemanöver ausprobierte. Der Besen beschleunigte schon in wenigen Sekunden von Null auf Hundert und konnte im Flug eine sofortige 180 Grad-Wendung hinlegen, bei der man sich ganz besonders kräftig festhalten musste.

Während des gesamten Spiels hatte Harry ein einziges Tor geworfen – immerhin eines! Er genoss viel lieber das Gefühl, auf einem Besen zu sitzen und dabei den flinken goldenen Ball zu beobachten, den er nicht fangen durfte, obwohl sein Innerstes förmlich danach schrie. Der Wind in seinen Haaren, die Rufe der Spieler, das sausende Geräusch der fliegenden Besen … Würde Harry jetzt die Augen schließen, was in zwanzig Metern Höhe ein törichtes Unterfangen darstellte, würde er bestimmt Angelina fluchen hören, weil ihr Wurf vom Hüter abgeblockt worden war oder Katies schrille Jubelschreie, weil sie ihren Quaffel durchs gegnerische Tor gebracht hatte. Er würde sicher das Gelächter von Fred und George vernehmen können, weil ein Slytherin von dem Klatscher getroffen worden war, dem sie ihm entgegengeschlagen hatten. Harry schloss die Augen und in diesem Moment hörte er die anspornenden Worte von Oliver, die hörbar über das gesamte Feld schallten.

„HARRY, PASS AUF!“

Oliver hatte in seiner Erinnerung eine viel zu hohe Stimme, was wohl daran lag, dass es Ginny war, die gerufen hatte und das keinesfalls nur in seinen Gedanken. Es war jedoch zu spät, denn gleich darauf spürte er einen harten Schlag an seinem Rücken, genau seitlich unter den Rippen. Für einen Moment blieb ihm die Luft weg und zwar so lange, dass er Panik bekam und das Gleichgewicht verlor. Harry fiel in die Tiefe, sah noch im Fall drei Besen auf sich zujagen, bevor ihm schwarz vor Augen wurde.

Als Harry zu sich kam, nahm er einen Geruch wahr, der ihn sehr an den Zaubertränkeunterricht erinnerte. Was das zu bedeuten hatte, wusste er nur zu gut. Er lag in einem Bett im Krankenflügel und wurde von Poppy betreut. Murmelnde Frauenstimmen waren zu hören, die weit weg schienen, so dass er die Augen öffnete. Er musste ein paar Mal blinzeln, obwohl es nicht hell im Krankenzimmer war. An den hohen Steinwänden waren die Fackeln entzündet worden, die dem Raum ein angenehm warmes Licht spendeten. Sein Blick wurde nach jedem Blinzeln klarer und er erkannte Poppy und Minerva, die drei Betten weiter bei einem anderen Patienten standen, mit dem sie sich unterhielten. Es war Gordian Foster – einer von denen, die Harry auf sich hatte zufliegen sehen.

„Ah, Professor Potter“, nannte Minerva ihn in Anwesenheit des Schülers höflich. Sie hatte von seinem Erwachen Kenntnis genommen und lächelte, worüber er froh war. Jetzt könnte er es nicht ertragen, würde sie ihm eine Standpauke über unangemessenes Benehmen beim Quidditch halten. Poppy und Minerva näherten sich seinem Bett.
„Wie spät ist es?“, fragte Harry müde.
Poppy schaute auf ihre Uhr. „Es ist schon fast Mitternacht. Haben Sie noch Hunger? Ich könnte etwas bringen lassen.“
„Nein danke. Ich würde gern auf mein Zimmer.“
„Damit müssen Sie noch warten, bis die Rippe wieder verheilt ist, die sich in Ihre Milz gebohrt hat.“ Die Worte Rippe und Milz hatte Poppy extra betont, weswegen Harry das Gesicht verzog. Schmerzen hatte er keine, sehr wahrscheinlich dank ihrer Tränke.
„Aber“, Minerva legte eine Hand in die andere und schien beeindruckt, „immerhin haben Sie den Schnatz gefangen, auch wenn Ihre Mannschaft dafür keine Punkte erhalten hat. Sie wissen ja, dass nur der Sucher den Schnatz fangen darf.“
„Ich hab den Schnatz gefangen?“ Harry traute seinen Ohren kaum.
Nickend bestätigte Minerva. „Während Sie stürzten, sind Sie wohl noch in der Luft auf ihn gefallen und haben ihn mit zu Boden gerissen.“
„Was der Grund dafür ist“, fügte Poppy erklärend hinzu, „dass Sie beim Aufprall unglücklich auf ihn gefallen sind und sich die Rippe gebrochen haben. Sie können von Glück reden, dass drei Schüler jeweils mit einem Mobilcorpus den Sturz abschwächen konnten.“
Harry blickte hinüber zu Gordian. „Mr. Foster, haben Sie auch den Mobilcorpus angewandt?“
Frech schmunzelnd antwortete der Schüler: „Nein Sir, ich war nur an dem Schnatz interessiert, der sich in Ihrem Umhang verfangen hat.“
„Natürlich hat Mr. Foster Ihnen geholfen“, bestätigte Minerva, die alle Aussagen der Spieler angehört hatte.
Poppy reichte Harry einen Trank. „Falls Sie nicht schlafen können. Sie bleiben heute Nacht am besten hier. Morgen ist zum Glück ein schulfreier Samstag. Erholen Sie sich am Wochenende.“

Harry nickte und schloss die Augen, um sich die verordnete Erholung zu gönnen.

Etwa 300 Kilometer von Hogwarts entfernt konnte Sirius momentan gar nicht von Erholung sprechen. Wie Arthur es erwartet hatte kam Sirius zum Treffen im Gimmauldplatz früher – und zwar eineinhalb Stunden. Sirius war nicht überrascht darüber, dass Arthur längst auf ihn wartete.

„Schon hier?“, tat Sirius überrascht.
„Sirius, wie lange kennen wir uns jetzt?“, war seine einzige Antwort, die keines weiteren Kommentars bedurfte.

Da sich Arthur bei seiner Einladung sehr bedeckt gehalten hatte, musste er natürlich früher kommen, um sich von Sirius Löcher in den Bauch fragen zu lassen. Arthur ließ ihn gewähren. Nach einer kurzen Erläuterung reichte er Sirius eine Personalakte über Duvall und bat ihn, diese in Ruhe durchzublättern, was er zu Arthurs Erstaunen umgehend tat. Erst danach wollte er ihm die gegenwärtige Situation erklären, in der er sich befand.

„Du bist ein ganz schön abgefeimter Politiker geworden“, sagte Sirius nicht sehr ernst, denn er lachte dabei.
„Man wächst mit seinen Aufgaben oder geht daran zu Grunde“, gab Arthur zurück, der von einem Moment auf den anderen von 'alter Freund' auf 'Minister' umgeschaltet hatte, aber schließlich lachte er auf, weil Sirius die Gesichtszüge entgleist waren. Die schwierigste Aufgabe war, Sirius ein wenig über Sid Duvall zu erzählen, denn bislang war der Mann nur ein Name auf einem Pergament. Dieses Mal sollte Sirius den Mund nicht mehr zubekommen.

„Arthur, wir sind alte Freunde und kennen uns seit der Schule, aber das“, er schüttelte den Kopf, „kannst du einfach nicht von mir verlangen. Das geht nicht, tut mir wirklich Leid.“ Es war damit zu rechnen, dachte Arthur, dass Sirius eine ablehnende Haltung einnehmen würde. Immerhin war Sid Duvall der Grund, warum Malfoy freigekommen war.

„Jetzt überlege doch mal, Sirius! Was würdest du an meiner Stelle tun? Dieser Mann hat in Windeseile alles ausgehebelt, was auszuhebeln war und damit auch noch Recht behalten. Wir haben Fehler begangen, die leicht hätten schiefgehen können. Zum Glück handelte es sich nur um Lucius. Duvalls Erfolg hätte uns weit mehr zu schaffen gemacht, hätte es sich bei seinem Klienten um Rookwood gehandelt oder – noch schlimmer – um deinen lieben Schwager.“ Dieses Szenario sollte sich Sirius vorstellen, weswegen er eine kleine Pause einlegte. „Duvall hat sich an die Gesetze gehalten, die wir ausgearbeitet haben! Wäre es klug, so einen Mann auf die andere Seite zu treiben oder möchte man ihn lieber auf der eigenen wissen?“

Mit dem, was er sagte, hatte Arthur natürlich Recht. Seine Ausführungen klangen durchaus plausibel und das Ganze war wohl durchdacht, dennoch hatte Sirius seine Zweifel, ob er mit Duvall klarkommen würde – mit dem Mann, der dafür gesorgt hatte, dass Lucius Malfoy fast straffrei ausgegangen war.

„Ich weiß nicht, ob ich mit einem Mann zusammenarbeiten möchte, der gut Freund mit Malfoy ist“, gab Sirius zu bedenken.
„Oh, glaub mir“, Arthur schüttelte den Kopf, „die sind alles andere als 'gut Freund' miteinander. Duvall hat Lucius unmissverständlich mitgeteilt, dass er nur ein Fall war, mit dem er sich nicht länger befassen möchte. Du hättest sehen sollen, wie er Lucius eine Abfuhr erteilt hat, als der ihn für sich gewinnen wollte. Das hat mir vor Augen gehalten, dass ich jetzt zuschlagen muss und das will ich, Sirius. Ich will Duvalls Fähigkeiten, bevor jemand anderes sie bekommt, der uns damit schaden könnte!“

Schlussendlich hatten Arthurs Argumente ihn überzeugt und er sagte für das morgige Treffen zu. Auch er würde Persönliches ganz weit von sich weisen müssen, um das, worum es eigentlich ging, sachlich behandeln zu können. Vielleicht würde das Treffen mit Duvall ihm helfen, in Zukunft auch andere Menschen mit ein wenig Distanz zu betrachten.

Nachdem Sirius wieder Zuhause angekommen war, schmiegte er sich an Annes schlafenden Körper. Ihm schossen noch einige Dinge durch den Kopf, die er bei dem Gespräch mit Duvall ansprechen wollte, doch er fand keine Zeit, sich Notizen zu machen, denn in Windeseile schlief er mit seiner Frau im Arm ein.

Hermine hingegen fiel es schwer, sich nach dem Überfall einfach ins Bett zu legen und zu schlafen. George hatte sie vorhin über die Straße begleitet und war noch ein Moment bei ihr geblieben, doch jetzt, wo sie allein war, bemerkte sie erst, wie sehr ihr der Zwischenfall zu schaffen machte. Ängstlich hatte sie bei allen Türen und Fenster nachgesehen, ob die abgeschlossen waren. Außerdem war sie noch jeden Raum abgegangen, weil sie befürchtete, in ihrer Abwesenheit hätte jemand einbrechen können. Sie malte sich aus, dass die Diebe sie schon eine Weile beobachtet haben könnten, was sie daran hinderte, zur Ruhe zu kommen. Immer wieder blickte sie vom dunklen Schlafzimmer durchs Fenster hinunter auf die Straße, falls sich dort das Gesindel herumtreiben würde. Bei jedem Geräusch schreckte sie auf, nur um am Ende festzustellen, dass die Dielen knarrten und knackten, wie es für arbeitendes Holz normal war.

Diebe, Einbrecher und Gewalttäter verfolgten sie auch im Traum, nachdem sie endlich die Augen geschlossen hatte. All diese gesichtslosen Kriminellen streckten ihre Hände nach ihr aus. Die Winkelgasse war im Traum noch viel verwinkelter als sie schon in der Realität war. Da waren Gassen, die ins Nichts führten und abzweigende Wege, die so eng waren, dass niemand dort hindurchgehen konnte. Sie wollte weg, niemanden mehr sehen und von niemandem gesehen werden. Um den Schurken zu entkommen flüchtete sie sich in den Schatten eines Kellereingangs, nur um dort auf Severus zu treffen, der sie mit einem vor den Mund gehaltenen Zeigefinger begrüßte. Mit einem Schlag machte sich Erleichterung in ihr breit und obwohl sie noch die schattenhaften Gestalten ihrer Verfolger wahrnehmen konnte, fühlte sie sich sicher.

„Ich hab heute Nacht von Ihnen geträumt“, waren die ersten Worte, als sie Severus begrüßte, der sich überraschend zum Frühstück eingeladen hatte. Im ersten Moment schien er überrascht, geradezu verwundert, bis er schmunzeln musste.
„Ich hoffe doch, es war tugendreich.“

Ohne auf ihre Antwort zu warten – er bemerkte nicht einmal die zarte Rötung ihrer Wangen – ging er in die Küche, um das gekaufte Frühstück aus den vielen Tüten zu zaubern.

Während sie gemütlich beisammensaßen, lenkte er das Gespräch auf seinen neulich gemachten Vorschlag.

„Wie Sie es sich denken können, Hermine, wird es mir nicht leicht fallen, gewisse Dinge zu bereden.“ Sie ahnte, dass er von seinem eigenen Vorschlag Abstand nehmen wollte.
„Also doch ein Rückzieher“, murmelte sie in ihre Tasse.
„Keinesfalls, nur die Warnung, dass“, er machte eine kurze Pause, „ich ungnädig auf Ihre Fragerei reagieren könnte.“
„Und das soll mich überraschen?“, schäkerte sie zurück. Weil er ein Gesicht zog, entschärfte sie ihre vorangegangenen Worte. „Ich werde Sie nicht drängen. Wir versuchen es einfach. Wann hatten Sie vor …?“
„Wie wäre es mit heute?“, schlug er vor.
„Oh, heute schon! Gern.“

Eine peinliche Stille trat ein, die beide damit überbrückten, indem sie sich noch etwas auf ihre Teller taten.

„Ach“, Severus war etwas eingefallen, „Sie wissen es sicher schon, aber falls nicht: Harry hatte einen Sportunfall.“
„Nein, das wusste ich nicht.“ Mit etwas Schlimmem rechnete sie nicht, denn Severus hätte es ihr ansonsten sofort gesagt, anstatt nur beiläufig zu erwähnen.
„Er ist während des Quidditch‘ vom Besen gefallen.“
Sie nickte. „Ich habe gehört, dass er wieder regelmäßig spielt. Hat er sich was getan?“
„Die Milz war gestern gerissen und eine Rippe gebrochen.“

Poppy hatte das sicherlich über Nacht heilen lassen, deswegen war Hermine auch nicht besorgt.

Ihren Kopf dicht an seinen führend fragte sie heimlich: „Soll ich Ihnen mal ein Geheimnis verraten?“ Seine Augen waren selten so dicht vor den ihren, doch bevor sie sich darin verlor, erzählte sie: „Ron hat eine Überraschung geplant. Ein Quidditchspiel zwischen Eintracht Pfützensee und ehemaligen Hogwarts-Schülern.“
„Tatsächlich? Weiß Albus …?“
„Er ist eingeweiht. Der Termin ist am sechsten März, also ziemlich bald. Um genau zu sein, nächste Woche.“
Wie er es häufig machte, bevor er eine nette Boshaftigkeit zum Besten gab, lächelte er halbseitig. „Dann müsste Harry bis dahin rund um die Uhr trainieren. Er schien nicht mehr ganz“, er kräuselte die Lippen, „fit.“
„Ach, wenn der erst einmal einen goldenen Schnatz vor der Nase hat, dann gehorcht er auf ‘Such!‘ wie jeder gute Hund.“

Severus‘ Gesicht war ernst, doch Hermine erkannte es, wenn er ein Lächeln verbarg, denn die Fältchen an den Augenwinkel waren zu sehen.

„Weiß er, dass Sie mit anderen so über ihn sprechen?“
„Ich nehme es an“, bejahte sie. „Ich spreche ja auch so über ihn, wenn er dabei ist.“

Diesmal war sie es, die lächeln musste, aber sie versteckte es nicht. Als sie sich ansahen, verstarb ihr Lächeln und er konnte vorhersagen, dass sie auf etwas Ernstes zu sprechen kommen wollte. Er hatte sich nicht geirrt.

„Ich bin gestern Abend überfallen worden.“ Ihre Worte musste er ein paar Mal in Gedanken wiederholen, bevor sich ihm die gefährliche Situation offenbarte.
„Wie bitte?“ Er konnte es nicht glauben. „Ich hoffe, Sie haben sich nichts getan!“

Sorge war in seiner Stimme zu vernehmen, auch in seinen Augen, als er sie mit seinem kritischen Blick musterte. Da war die kleine Stelle an ihrer Augenbraue, an der sie gestern Bekanntschaft mit den Steinstufen von der Magischen Menagerie gemacht hatte. Dank der Salbe, die sie gestern aufgetragen hatte, war kaum noch was zu sehen, doch er hatte es bemerkte.

„Mir ist nichts weiter passiert, nur habe ich meine Wocheneinnahmen einbüßen müssen. Ich war danach völlig verängstigt.“
„Das ist verständlich! Wer war es? Haben Sie die Polizeibrigade gerufen?“
Sie nickte. „Ich bin zu den Zwillingen rübergelaufen. Sie haben sich um mich gekümmert.“
Erleichtert nickte er. „Ich bin froh, dass Freunde in Ihrer Nähe wohnen. Da darf ich nur hoffen, dass einer der beiden Mister Weasley Ihnen das Angebot gemacht hat, Sie demnächst zu begleiten. Wenn Sie Ihre Wocheneinnahmen dabei hatten, gehe ich dann Recht in der Annahme, dass Sie die Bank aufsuchen wollten?“ Hermine nickte. „Wenn keiner der beiden die Zeit finden sollte, dann flohen Sie mich an, Hermine.“
Dass er sich so sehr kümmerte, tat ihr gut. „Das werde ich, vielen Dank.“

Nach dem Frühstück blieben sie noch sitzen, um sich zu unterhalten. Manchmal kamen Fellini und Harry in die Küche, aber da sie nichts von den Tellern bekamen, verzogen sie sich wieder in den oberen Stock.

„Ich habe schon eine Menge Eulen von der Körperschaft erhalten. Bisher haben sich 19 Interessierte gemeldet, darunter auch die Dame vom Gorsemoor-Sanatorium. Wegen des Informationsmaterials …“
Er unterbrach. „Geben Sie nicht zu viele Informationen heraus, Hermine. Die Interessenten dürfen selbst forschen. Sie müssen nicht erfahren, dass die beiden Squibs, an denen Sie den Trank testen konnten, nur wenig Ergebnisse brachten.“
„Aber es waren Ergebnisse! Anzeichen von geringer Magie war bei beiden vorhanden.“
„Lassen Sie den anderen ruhig ein Erfolgserlebnis, Hermine. Wenn Sie schreiben, an Squibs wurde der Farbtrank nicht getestet, wird es das erste Experiment sein, auf dass sich die Leute stürzen. Lassen Sie die anderen Tests mit Vampiren und Werwölfen durchführen. Die Ergebnisse wird man Ihnen zukommen lassen.“
„Ich bin schon sehr gespannt, was Professor Panagiotis für Ergebnisse erzielen wird.“

Hier blieb Severus stumm, denn die Erwähnung dieses Mannes verband er mit der bevorstehenden Unterhaltung über den Ewigen See. Hermine ahnte genau das und sprach es an.

„Möchten Sie jetzt drüber sprechen?“
„Von mir aus“, gab er unmotiviert zurück.
„Dann fangen wir einfach an.“
„Nein, nicht hier.“ Die Küche wollte er in Zukunft nicht mit bedrückenden Gesprächen in Verbindung bringen.
„Wo dann? Das Wohnzimmer?“
„Ich möchte nicht, dass diese Zimmer gewisse Assoziationen wecken, sollte ich wieder einmal hier zum Frühstück oder oben zu einem Glas Wein erscheinen.“
„Mein Schlafzimmer werde ich bestimmt nicht zur Verfügung stellen“, stellte Hermine klar. „Aber …“ Sie hielt kurz inne, bevor sie sich erhob. „Kommen Sie bitte mit?“

Im ersten Stock öffnete Hermine die Tür zu dem Zimmer, für welches sie keine Verwendung hatte. Es glich ein wenig einer Abstellkammer, doch zum Glück besaß sie nicht viele ungenutzte Gegenstände. Hier befanden sich zwei Schränke, ein kleiner Tisch und drei Stühle. Durch das Fenster schien die Sonne, obwohl es regnete.

„Ihr Sprechzimmer ist etwas karg eingerichtet“, scherzte er, obwohl er nun wusste, dass dies der Raum sein würde, in dem er ihr Dinge über sich preisgeben sollte, die niemand sonst zu hören bekommen würde.
„Es ist kein ‘Sprechzimmer‘, Severus. Ich benutze den Raum überhaupt nicht. Wollen Sie Platz nehmen?“

Ihrem Vorschlag kam er nach, doch die kleine und dazu noch sehr harte Sitzfläche behagte ihm nicht. Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl hin und her.

„Möchten Sie etwas Bequemeres? Ich könnte ein Polster draufzaubern?“, bot sie höflich an.
„Die ganze Situation ist unbequem“, blaffte er sie an, „da bringt ein Polster auch keine Abhilfe.“

Gekränkt zog sie ein Gesicht und ließ Severus zappeln, wenn der ihr Angebot schon so schroff in den Wind schlug. Der kleine Tisch war mit einem Wutsch vom Staub befreit. Hermine legte Pergament, Tintenfass und Feder auf den Tisch und öffnete noch schnell die Fenster, damit die leicht abgestandene Luft gegen frische ausgetauscht werden würde. Severus legte derweil einen Unterarm auf den Tisch, an dem er seitlich saß, damit er Hermine nicht in die Augen sehen musste. Sein Mittelfinger spielte nervös mit einem Niednagel am Daumen. Die Sehnen an seinem Unterkiefer spannten und Entspannten sich. Mit starrem Blick fixierte er die Tür, um neben dem Fenster den einzig weiteren Fluchtweg des Raumes im Auge zu behalten.

„Was belastet Sie, Severus?“
Mit einem unerwartet heftigen Ruck wandte er seinen Kopf und warf ihr einen spottenden Blick entgegen, bevor er fragte: „Wie viel Zeit haben Sie für die Unterredung eingeplant, wenn Sie so eine Frage stellen? Vielleicht sollten Sie an der Tür Ihres Geschäfts erst ein Schild anbringen: Für das nächste Vierteljahr geschlossen!“

Sie hatte damit gerechnet, dass es mit ihm schwer werden würde, aber dass er wieder so gemein wurde, überraschte sie. Es würde besser laufen, hätte sie sich Gedanken über diese von ihm angebotenen Treffen gemacht, anstatt davon auszugehen, dass es gemütlich ablaufen würde, wenn sie beispielsweise gemeinsam bei einem Glas Wein im Wohnzimmer saßen und sich über seine Probleme unterhielten. Während ihrer Ausbildung im Mungos hatte sie mit vielen Patienten zu tun, die ablehnend auf sie reagiert hatten. Häufig hatte sie das Vertrauen der Patienten schnell gewonnen, weil sie, wie ihre Professoren es immer hervorhoben, so einfühlsam und verständnisvoll gewesen war. Bei Severus wollte sie nicht zu einfühlsam sein, denn wie sie ihn kannte, würde er es mit Mitgefühl verwechseln und sie dafür sicherlich grob tadeln.

Mit der Schreibfeder in der Hand spielte sie herum, während sie sich eine Frage ausdachte. Sie könnte fragen, warum er den Ewigen See eingenommen hatte, auch wenn sie es sich nach all der Zeit, die sie mit ihm verbrachte, längst denken könnte. Sie könnte auch fragen, was gleich nach der Einnahme geschehen war. Mit der grauen Gänsefeder strich sie sich über die gespitzten Lippen. Als sie aufblickte, ertappte sie ihn dabei, wie er die Federspitze beobachtete und, nachdem sich ihre Blicke getroffen hatte, schnell die Augen abwandte.

„An was denken Sie gerade?“, wollte sie von ihm wissen.
Wieder – oder noch immer – fuhr er sich mit dem Mittelfinger über das Nagelbett des Daumens. „Ich hatte neulich einen Traum“, offenbarte er.
‘Ein Anfang!‘, dachte Hermine euphorisch, bevor sie laut fragte: „Von was handelte der Traum?“
„Sie aßen eine Himbeere.“
„Ah“, machte sie, weil sie sich daran erinnerte, neulich erst bei einem Frühstück mit ihm die Süßspeise mit Himbeeren gegessen zu haben. „Dann haben Sie nur das geträumt, was zuvor in der Realität geschehen ist. Sie wissen schon: Als sie die drei Körbe aus Hogwarts mitgebracht haben.“
Er nickte, doch erklärte trocken, ohne sie dabei anzusehen: „Den Traum hatte ich in der Nacht zuvor.“
„Oh.“ Möglicherweise, vermutete Hermine, hatte er einfach nur eines dieser seltsamen Erlebnisse gehabt, bei denen ein Traum durch Zufall wahr geworden war. „Meinen Sie, es war Zufall?“
„Sie sind hier diejenige, die das Puzzle zusammenfügen soll und nicht ich!“, raunzte er sie an. Von einer Sekunde zur anderen wieder verträglich fragte er neugierig nach: „Sie hatten vorhin erwähnt, Sie hätten von mir geträumt?“ Dieses Mal war sie an der Reihe, ihm bestätigend zuzunicken. „Das ist interessant, finden Sie nicht? Was habe ich in Ihrem Traum getan?“
„Sie standen im Schatten herum.“
„Das ist zweifelhaft sehr“, höhnend wanderte eine seiner Augenbraue in die Höhe, „‘ungewöhnlich‘. Haben Sie in einem Ihrer Bücher nachgeschlagen, was das wohl bedeuten könnte?“
„Ich besitze keine Traumbücher. Die Bibliothek in Hogwarts hatte genügend Nachschlagewerke, als ich damals Ihren Traum analysieren wollte.“
„Sollte!“
„Wie bitte?“, fragte sie zaghaft nach.
„Sie sollten den Traum deuten. Ich habe es bei Ihnen in Auftrag gegeben.“
„Aber ich wollte es auch.“ Sie hatte nicht nur das Gefühl, dass ihr erstes Gespräch schlecht verlief.
„Was habe ich in Ihrem Traum noch getan, als nur im Schatten herumzustehen?“ Er schnaufte verächtlich, als würde er ihrem Unterbewusstsein viel einzigartigere Dinge zumuten, als so ein einfallsloses Szenario.
„Sie haben nichts getan, mir nur bedeutet, dass ich still sein soll.“
„Ja, das kann ich im Moment sehr gut nachempfinden“, seufzte er.

Er verschränkte seine Arme vor der schmalen Brust und blickte starr zur Tür, ignorierte Hermine, die rechts von ihm saß. Plötzlich hörte er, wie die Feder auf dem Pergament kratzte. Sie schrieb etwas.

„Was schreiben Sie da? Wir haben doch kaum etwas besprochen?“ Unvorhergesehen langte er über den Tisch und griff sich das Pergament, welches er so schnell wegzog, dass der Federkiel einen langen Strich aufs Blatt zeichnete.

„Was soll das? Warum …?“
Kaum hatte er ihre zu Pergament gebrachten Worte gelesen, unterbrach er sie und zeterte: „Ich soll mich abweisend verhalten?“ Mit einem lauten Knall schlug er das Blatt zurück auf den Tisch und verschränkte gleich darauf wieder seine Arme.
Sie zog ihre Schultern nach oben und ließ sie gelassen fallen. „Sie mögen nicht viel sagen, das ist wahr, aber Ihre Körpersprache ist sehr aufschlussreich.“
„Ich habe Ihnen nicht die Erlaubnis erteilt, mich mit Ihrem psychoanalytischen Halbwissen auseinander zu nehmen! Wenn ich meine Arme verschränke, dann könnte das einerseits heißen, dass es hier dank der offenen Fenster ein wenig zu frisch ist oder andererseits, dass meine Hände keine heiße Tasse Kaffee haben, an der sie sich wärmen könnten!“

Hermine biss sie Zähne zusammen und starrte ihn aus verengten Augenlidern an, als wollte sie ihm jeden Moment an die Gurgel gehen. Ohne dass er damit gerechnet hatte, stand sie abrupt auf, so dass der Stuhl für einen Augenblick auf zwei wackligen Beinen balancierte, bevor sie das Zimmer türknallend verließ. Er selbst blieb gelassen sitzen, obwohl der feuchte Februarwind ihm in den Nacken blies.

Zehn Minuten später kam sie mit einem kleinen Tablett zurück, welches sie vor sich herschweben ließ und das sehr unsanft auf dem Tisch landete. Der Duft von Kaffee breitete sich in dem ausgekühlten Raum aus.

„Es ist noch immer unangenehm frostig hier drinnen.“
Sie legte den Kopf schräg und giftete zurück: „Na dann passt es ja bestens zu Ihrem derzeitigen Benehmen.“
Ihre Mimik imitierend bat er zischelnd: „Würden Sie es bitte schließen?“

Während Hermine das Doppelfenster schloss, schenkte sich Severus etwas aus dem Kännchen ein und stutzte. Er führte seine Hakennase an die Tasse, bis die Nasenflügel bebten, als er den Geruch endlich unverkennbar zuordnen konnte.

„Mokka?“
„Ja, und eines kann ich Ihnen versichern: Sie haben ihn sich nicht verdient!“

Aufgewühlt nahm sie wieder auf ihrem Stuhl Platz, zerknüllte das Pergament und warf es ihn hohem Bogen in Richtung Papierkorb, den sie verfehlte. Ein Blick in sein Gesicht verriet ihr, dass er kurz davor war, ihr ein hämisches Grinsen zu schenken, doch sie nahm ihm den Wind aus den Segeln, indem sie ihm ein übertrieben breites und darüber hinaus falsches Lächeln hinüberwarf. Von seinem Vorhaben ließ er ab, stattdessen nahm er sich des Mokkas an und kostete.

„Viel zu mild“, bemängelte er.
„Severus!“ Aufgrund ihres harschen Tonfalls blickte er sie endlich wieder ernsthaft an. „Severus“, sagte sie viel sanfter, „Sie wollten kooperativ sein.“
Langsam schüttelte er den Kopf. „Nein Hermine, Sie wollten, dass ich kooperativ bin.“
„Sie haben eingeschlagen!“, erinnerte sie ihn nachdrücklich an den Handschlag. „Ich glaube, wir hätten das doch lieber mit Blut besiegeln sollen.“

Sie seufzte, griff nach der Feder und legte sie resignierend in den kleinen Ständer neben dem Tintenfass ab. Mit Patienten zu reden war eine ihrer Aufgaben im Krankenhaus gewesen, aber nichts davon war mit einem therapeutischen Gespräch zu vergleichen, bei welchem sie ganz offensichtlich versagte. Schmollend verschränkte sie nun die Arme vor der keineswegs zu schmalen Brust und ignorierte ihn, suchte in der Zwischenzeit nach einer Lösung, dieses unsäglich verlaufende, erste Treffen in eine anständige Bahn zu lenken. Sie hörte ihn schlürfen, wahrscheinlich weil der Mokka noch zu heiß war, doch davon ließ sie sich nicht ablenken. Irgendwie müsste sie ihn aus der Reserve locken, damit er sich über die Ernsthaftigkeit bewusst wurde. Nochmals hörte sie ihn geräuschvoll schlürfen und wurde das Gefühl nicht los, dass er das mit Absicht tat.

Kaum hatte sie zu ihm hinübergeschaut, tat er überrascht und sagte: „Ah, da sind Sie ja wieder.“

Zum Lachen war ihr nicht zumute, obwohl sie bemerkte, dass er sie milde stimmen wollte. Sie war nicht mehr missgelaunt, aber die Art, die er an den Tag legte, hatte sie traurig gemacht. Ein Signal ihrerseits wäre angemessen, dachte sie, um ihm zu zeigen, dass sie ihm verzeihen würde und so schenkte sie ihm ein Lächeln, das einfach keines werden wollte, weil der Trübsinn in ihren Augen jeden Ausdruck von Freude zunichte machte.

Es erschütterte ihn, ihre offene Freundlichkeit aufgrund seiner abweisenden Haltung – er gestand sich ein, dass sie damit Recht behielt – zugrunde gehen zu sehen. Eines der Dinge, die er so an ihr mochte, war nun seiner Boshaftigkeit erlegen. Er hatte ihr Lächeln auf dem Gewissen.

Verzweifelte suchte er nach einer Möglichkeit, ihr seine Bereitschaft zur Kooperation zu zeigen, aber je mehr er sich anstrengte, desto weniger wollte ihm etwas einfallen, von dem er zwanglos erzählen konnte. Kein Gesprächsthema wollte ihm in den Sinn kommen, über das er ungehemmt reden konnte, kein einziges. Sein ganzes Leben bestand aus bedrückenden Situationen, die auch unbeteiligten Personen zusetzen könnten. Immer wieder hatte er ihr in den letzten Monaten Brocken in der Hoffnung zugeworfen, dass sie verstehen würde, doch mit so wenigen Informationen könnte sich der klügste Kopf nichts Anständiges zusammenreimen. Von seinem Vater hatte er kurz erzählt, von seiner Mutter, von Brenda und auch Lily. ‘Zu wenig‘, dachte er. Dass aber Hermine noch immer hier bei ihm saß, rechnete er ihr hoch an. Er selbst wäre längst über alle Berge, hätte in jemand so behandelt, doch sie blieb hartnäckig. Diese Eigenschaft sollte belohnt werden, dachte er und so riss er sich zusammen, um seinen guten Willen zu zeigen.

„Es war ein paar Tage vor meinem zwanzigsten Geburtstag …“ Er bemerkte, wie sie sich versteifte, doch sie strengte sich an, genauso bewegungslos dazusitzen wie schon zuvor, um einfach nur zuzuhören. Er begann nochmals von vorn. „Es war ein paar Tage vor meinem zwanzigsten Geburtstag, als ich das dunkle Mal annahm.“ Sie blickte ihn nicht an, nicht ein einziges Mal, weswegen er Kraft schöpfen konnte, auch wenn seine Stimme immer leiser wurde. „Lucius erzählte ständig von seinen Treffen.“ Severus musste kräftig schlucken, als er sich daran erinnerte, wie geschmeichelt er sich damals gefühlt hatte, als Lucius ihm von Voldemort erzählte und wie sehr der von seinen Fähigkeiten im Tränkebrauen angetan wäre. „Viele von Voldemorts Anhängern kannte ich aus der Schule. Regulus war einer von ihnen. Ich hatte nicht einmal Angst, als Lucius mir eine Einladung überreichte. Ich fühlte mich so“, er suchte hilflos und peinlich berührt nach einem passenden Wort, „beflügelt.“ Die aufkommende Scham für sein Handeln wollte er mit einem Lachen überspielen, doch das war hörbar mit Reue durchtränkt. Damit sie verstehen konnte, was damals in seinem bedenkenlosen jugendlichen Ich vorgegangen war, fügte er flüsternd hinzu: „Es war wie eine Audienz beim Papst.“

Verlegen bedeckte er seine Augen mit der Handfläche und erst in diesem Moment wagte Hermine, zu ihm hinüberzuschauen. Von der einstigen Begeisterung war nichts mehr übrig, stattdessen war sie durch Gewissensbisse ersetzt worden. Nur ein einziger falscher Schritt auf dem holprigen Weg durchs Leben und man konnte wie Severus enden, dachte Hermine mitfühlend. Der vermeintlich bequeme Weg hatte sich für ihn als der schwierigste entpuppt, den er noch heute bereute. Man hatte nicht nur seine Vorliebe für Tränke und Dunkle Künste ausgenutzt, um ihn in diesem finsteren Zirkel willkommen zu heißen, sondern auch seine Stellung als sozial isolierter Außenseiter, der nach Anerkennung strebte. Hermine blickte wieder weg, damit er weiterreden würde, nachdem er sich gesammelt hatte.

Er sprach leise. Seine Stimme war so gebrochen wie die eines alten Mannes. „Nur ein paar Monate später habe ich Sibyll belauscht, als sie Albus die Prophezeiung machte. Ich dachte, diese Information würde mich in Voldemorts Rängen aufsteigen lassen.“ Er schnaufte verachtend wegen seiner eigenen Dummheit. „Ich habe mich geirrt. Voldemort traute seinen Leuten nicht und mir, dem Neuen, schon gar nicht. Er hatte seine Gründe.“ Erneut legte Severus seinen Unterarm auf den Tisch und fuhr mit den Fingerspitzen am weißen Porzellan der Untertasse entlang, während sein Blick auf den Boden gerichtet war. „Ich habe mich viel mit Regulus unterhalten. Von ihm habe ich einige Hinweise auf – wie sagt man so schön? – ‘interne Unstimmigkeiten‘ erhalten, vor allem aber Informationen über die anderen Todesser. Ich hatte mich einer Reihe von Mördern angeschlossen und habe es nicht einmal gemerkt.“ Severus Hand begann zu zittern. „Ich wollte, dass mich jemand da rausholt. Zuerst hab ich ihr Briefe geschickt.“ Hermine wusste, wer gemeint war. Er hatte sich hilfesuchend an die einzige Person gewandt, die er noch als Freund sah. „Den vierten haben beide beantwortet und ich habe endlich Hoffnung gesehen.“ Er sprach von Hoffnung und klang gleichzeitig so lebensmüde. „Selbst den Schmerz, als sie mir schrieb, sie würde ein Kind erwarten, konnte ich ertragen. In der Zeit hat Regulus versucht, mir etwas zu sagen, aber ich fand keine Zeit für ihn.“ Wieder legte er seine Hand über die Augen. „Er starb“, hauchte er kleinlaut. „Für eine gute Sache, wie ich hörte. Er wollte meine Hilfe. Zu zweit hätten wir es schaffen können, den Horkrux zu zerstören. Nach seinem Tod fiel mir die Prophezeiung wieder ein. Von Lily“, das erste Mal hatte er ihren Namen sagen können, „wusste ich von dem Kind, von dem errechneten Termin. Eins und eins waren schnell zusammengezählt. Ich geriet in Panik und …“

Er atmete so heftig, dass er eine Pause einlegen musste. Severus war erschrocken darüber, wie sehr ihn die Erinnerungen aufwühlten. Nachdem er den Ewigen See eingenommen hatte, waren Gedanken an damals wie ein Film vor seinem inneren Auge abgelaufen und nur wenn er Lily sah, spürte er Schmerz.

„Das war früher nicht so“, offenbarte er flüsternd.
Hier konnte Hermine ihm nicht mehr folgen, so dass sie in gleicher Lautstärke fragte: „Was war früher nicht so?“
„Mich hat es nie berührt, wenn ich daran denken musste, aber jetzt ist es anders – jetzt tut es weh.“

Sie wollte schon fragen, wo er Schmerzen verspürte, doch da legte er seine Fingerspitzen auf eine Stelle, die er vor vielen Monaten nach dem Vorfall mit einer gewissen Decke schon einmal Harry gezeigt hatte. Eine Stelle über dem Herzen, über die Remus erfahren hatte, dass das sich dort befindliche Organ, der Thymus, von Aristoteles und Platon als Sitz der Seele bezeichnet worden war.


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