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Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Wege nach Rom

von Muggelchen

Im Traum hätte Harry die Chance gehabt, Pettigrew daran zu hindern, einem Schulkameraden das Leben zu nehmen, doch wieder kam etwas dazwischen. Harrys Stab war wie eine Lakritzstange in seiner Hand. Als er Pettigrew mit einem Schockzauber aufhalten wollte, gab die weiche Masse der Schwerkraft nach und bog sich gen Boden. Pettigrew grinste Harry fies an und schleuderte mit sichtbaren Vergnügen dem jungen Hufflepuff einen Todesfluch entgegen. Er traf. Wie schon viele Male musste Harry auch dieses Mal mit ansehen, wie von einer Sekunde zur anderen das Leben aus Cedrics Augen entwich.

Die Schlafparalyse hinderte Harry daran, aus dem Albtraum hochzuschrecken. Stattdessen war er durch seinen noch schlafenden Körper ans Bett gefesselt, während sein Geist bereits hellwach war. Wenige Minuten später konnte er sich endlich regen. Seine Atmung war unwesentlich schneller, doch Schweiß stand ihm auf der Stirn.

Sein erster Weg führte ihn ins Bad. Aus anfangs ein paar Spritzern kaltem Wasser wurden zwei Hände voll. Harry genoss die Erfrischung und schloss einen Augenblick die Augen, um sich klarzumachen, dass Cedric nicht erst vor wenigen Minuten gestorben war, sondern vor fast genau zehn Jahren. Es war nach all der Zeit jedoch das gleiche dumpfe, machtlose Gefühl, das dieses Szenario in Harrys Brust zurückließ. Er blickte auf. Seine Haare standen durch unzählige Wirbel nach allen Seiten ab und hatten die Narbe auf seiner Stirn freigelegt. Dieses kleine unscheinbare Symbol stand noch immer für all das Elend, das Harry in seinem Leben widerfahren war. Das weiße, im Zickzack verlaufende Zeichen Voldemorts würde ihn bis ans Lebensende begleiten. 'Wenigstens hab ich noch mein Leben', dachte Harry. Viele Menschen musste er sterben sehen, viele Verbündete waren im Krieg gefallen. Manchen von ihnen stand er im Augenblick des Todes zur Seite, weil ihm selbst der Gedanke Unbehagen bereitete, in so einem Moment vollkommen auf sich allein gestellt zu sein. Einige von den lieb gewonnenen Freunden, die in seinen Armen lagen oder deren Hand er hielt, selbst völlig fremde Menschen schienen ihren Schmerz in seiner Nähe vergessen zu haben, denn sie hatten gelächelt, kurz bevor ihre Augen glanzlos wurden. Beinahe – Harry schloss erneut die Augen – wäre Hermine ein spätes Opfer des letzten Krieges geworden.

Im Wohnzimmer hörte er das Gefieder seiner beiden Freunde rascheln, als er sich zu ihnen gesellte. Hedwig hatte ihm im Krieg viele Dienste geleistet. Sie hatte sich furchtlos ins Getümmel gestürzt, um wichtige Nachrichten zu übermitteln; flog folgsam in Gebiete, die man bei den Muggeln „an der Front“ nennen würde. Sie hatte sich ein sorgenloses Leben verdient, das er mit ihr teilen wollte. Schneeeulen wurden allgemein nicht sehr alt, aber magische Eulen konnten durchaus zehn oder fünfzehn Jahre älter werden als ihre nicht-magischen Verwandten; doppelt so alt, wie auch Zauberer und Hexen doppelt so alt werden konnten wie Muggel. Harry hoffte, Hedwig noch lange an seiner Seite zu haben.

„Albtraum?“, hörte er Ginnys verschlafene Stimme leise hinter sich fragen. Er nickte, denn seiner eigenen Stimme traute er nicht. All der Kummer wäre zu hören. Sie musste die Bewegung seiner Silhouette im Licht des Mondes gesehen haben. „Es ist doch alles gut gegangen, Harry.“ Wieder konnte er nur nicken. Eine zarte Hand fand den Weg zu seiner Schulter. Ginny stand hinter der Couch, auf der er saß. Sie umarmte ihn von hinten, drückte ihr Gesicht an seinen Hals. Seinen Kummer konnte sie teilen. Sie selbst hat Schlimmes erlebt.
„Es war so wie früher“, flüsterte er unerwartet.
Dicht an seinem Ohr hörte er die Frage: „Was war so?“
„Ron und ich“, er schluckte. „Wir haben mit allem gerechnet, waren bereit zu töten. Bereit für einen Kampf um Leben und Tod.“ Das letzte Wort war kaum zu hören. Sie gab ihm einen Kuss auf die Schläfe, doch Worte des Trosts kamen nicht über ihre Lippen, weil sie nicht helfen würden. Nach einem Moment ging sie um die Couch herum, setzte sich neben ihn. „Wann hört das auf?“, wollte er von ihr wissen. Eine Frage, auf die niemand eine Antwort hatte, auch nicht Ginny. „Ich hätte beinahe zugesehen“, sagte er über sich selbst beschämt.

Ginny, die nur aus den Erzählungen des Vorabends erfahren hatte, was geschehen war, konnte mit Harrys Beichte wenig anfangen. 'Zugesehen wobei?', fragte sie sich selbst. Ihr Verlobter sah abgekämpft aus, womöglich aufgrund des Traumes, der wie all seine Träume sehr intensiv gewesen war. Seinen Kopf drückte sie an ihre Brust, als sie sich in das weiche Polster der Couch sinken ließ. Menschliche Nähe konnte in vielen Situationen Wunder wirken, so auch bei Harry, denn er fand den Mut zu erklären, was er meinte.

„Ich wollte zusehen“, gestand er. Selten erlebte man Harry wütend, doch jetzt, als er seinen eigenen Wunsch reflektierte, da konnte man auch heraushören, dass selbst er die Beherrschung verlieren konnte. „Zusehen wie sie es Pettigrew heimzahlen“, zischte er und er wirkte dabei so andersartig, so gefährlich. Mit „sie“, dass wusste Ginny, meinte er Remus, Sirius und Severus. Sie spürte, wie Harry die Zähne zusammenbiss. „Ich wollte nicht, dass er davonkommt. In Askaban ist er sicher, das hat er nicht verdient. Er sollte für alles bezahlen, für ...“ Ginny spürte, wie er seinen Kopf schüttelte. Dann umarmte er sie, als wollte er Halt suchen. „Ich glaube, sie hätten es getan, wenn ich sie drum gebeten hätte. Hätten ihn auseinander genommen.“

Könnte er mit der Schuld leben, die drei für seine Zwecke missbraucht zu haben? Diese Frage beantwortete er sich selbst, denn wiederholt schüttelte Harry den Kopf, was Ginny an ihrer Brust spürte.

„Sie wollten es tun“, er flüsterte, „wollten ihm eine Lektion erteilen, die er nie vergessen würde und ich war kurz davor, Gefallen daran zu finden; wollte sie noch ermutigen, aber ...“ Er fühlte ihre Hand in seinen Haaren. So viel Verständnis hatte er gar nicht verdient. Rache war ein Gefühl, mit dem er nur schwer zurechtkam. „... so bin ich nicht.“
„Nein, Harry“, stimmte sie monoton zu. Sie glaubte ihm nicht und er wollte ihr nicht böse sein, denn er konnte es sich selbst nicht weismachen. In der Vergangenheit hatte er bewiesen, dass er auch anders konnte.
„Ich hab Angst, Ginny. Wenn eines Tages etwas passieren sollte, das mich noch mehr aufwühlt, dann weiß ich nicht, ob ich mich im Zaum halten kann. Ich will nicht, dass das einmal passiert.“ Dann wäre er sich selbst fremd.
„Du, Harry, bist nicht mehr für die Todesser verantwortlich, die frei draußen rumlaufen. Die Auroren erledigen diese Aufgabe. Das mit Pettigrew gestern war reiner Zufall. Niemand hat damit gerechnet, dass er sich im Fuchsbau versteckt.“
„Und wenn noch etwas Zufälliges passiert? Ginny, ich hätte mich fast nicht mehr unter Kontrolle gehabt.“ Er hob den Kopf und versuchte, ihre Augen im Dämmerlicht zu erkennen. „Was geschieht, wenn ich eines Tages nicht mehr ich selbst bin?“
„Das wird nicht pass...“
„Und wenn doch?“

Harry traute sich selbst nicht mehr. Ginny hingegen schien viel mehr in ihm zu sehen, viel mehr von ihm zu halten, als er selbst. Beide Hände legte sie behutsam auf seine Wangen. Erst jetzt merkte sie, dass er zitterte, weil der eigene Einblick in seine unterdrückten Gelüste nach Vergeltung ihm zusetzte.

„Du wirst das Richtige tun.“ Vertrauen in ihn und seine Kontrolle waren vorrangig, doch er hörte diesen Satz auch als Anweisung ihrerseits.

Etwas Ähnliches hatte Anne gestern zu Sirius gesagt, nachdem er ihr von Pettigrews Ergreifung erzählte. Es war nicht bei Schilderungen über den Abend beim Fuchsbau geblieben. Anne hatte nachgefragt, weil sie bestimmte Namen wie Peter Pettigrew zwar mal gehört hatte, aber nicht zuordnen konnte. Deswegen waren auch Situationen aus der Vergangenheit aufgewärmt worden, zum Beispiel wie Sirius den anderen dreien – James, Remus und Peter – das erste Mal im Hogwarts-Express über den Weg gelaufen war. Peter war schon immer naiv gewesen, sagte Sirius, aber weil auch er in Gryffindor gelandet war, wurde er nicht von ihnen verspottet. Dafür hatten sie sich jemand anderen ausgeguckt. Jemanden, der es in ihren Augen verdient hatte, weil er sich an ein Mädchen aus Gryffindor heranmachen wollte. Was die Häuser eigentlich bedeuten würden, hatte Anne gefragt. Das war ihr noch immer ein Rätsel. Besonders gruselig fand sie den Gedanken, einen Hut auf dem Kopf zu haben, der mit einem sprechen konnte. Auf all ihre Fragen hatte Sirius gewissenhaft geantwortet und dabei festgestellt, dass Peter in der Schule ein netter Kerl gewesen war, dem man vielleicht einmal zu oft klargemacht hat, dass man ihn nicht als ebenbürtigen Mitschüler sah, sondern als jemanden, den man unter die Fittiche nehmen musste. Er war oft bevormundet worden, manchmal sogar herumkommandiert. Der Hut hatte damals, als die Rumtreiber eingeschult wurden, gesungen, dass man sich der Schwächeren annehmen sollte. Ein Ratschlag, dem die Gryffindors mit überheblichem Gehabe gefolgt waren. Als Anne anmerkte, dass mit den Schwächeren vielleicht auch Severus gemeint gewesen sein könnte, war Sirius still geworden.

Als er eingeschlafen war, hatte Anne ihn gehalten. Nun, wo er aufwachte, hielt er sie. Er ließ sich von fast vergessenen Erinnerungen treiben, die er sich zurück ins Gedächtnis rief. Damals wollte er Severus vor allen anderen als Feigling darstellen, hatte ihn deswegen neugierig gemacht und zur Heulenden Hütte gelockt. Nicht nur der Slytherin, sondern jeder Mensch hätte sich vor Angst beinahe in die Hosen gemacht, dachte Sirius. Er konnte sich noch gut an den Moment erinnern, als James ihm im Schlafraum der Gryffindors kurz vorm Zu-Bett-Gehen zugeflüstert hatte „Ich glaube, Remus ist ein Werwolf!“. Allein diese ausgesprochene Vermutung seines besten Freundes hatte ihm mehr als nur eine Gänsehaut beschert – es war ein Albtraum gewesen. Sirius hatte Angst.

„Du hast schlecht geträumt.“ Der potenzielle Werwolf hatte ihn mitten in der Nacht geweckt.
„Ich habe geträumt, du wärst ein Werwolf.“ Remus' Gesicht würde Sirius nie vergessen. Als wäre er in flagranti ertappt worden.
„Und wenn es so wäre?“, hatte Remus unsicher und als versteckte Antwort erwidert.
„Dann solltest du es deinen Freunden sagen.“

Das bisschen Zuspruch hatte bewirkt, dass sich Remus den anderen dreien offenbarte. Er sprach von einem Trank, den ein gewisser Damocles Belby derzeit erprobte und der hoffentlich in zwei, drei Jahren für jeden Menschen, der unter diesem Fluch litt, zugänglich sein würde, um die Gefahr, die von der Verwandlung in eine Bestie herrührte, zu mildern.

Jetzt, als Sirius bei Anne im Bett lag und ihrer ruhigen Atmung lauschte, wurde er sich das erste Mal darüber bewusst, wie dämlich es gewesen war, Severus in die Heulende Hütte zu locken. Der Wolfsbanntrank war zu dieser Zeit zwar in den Medien im Gespräch, aber es gab ihn noch nicht. Remus war zu Vollmond eine wilde Bestie. Natürlich musste man Angst haben; selbstverständlich hatte auch Severus Angst. Es war immer der Slytherin gewesen, der in Verteidigung gegen die Dunklen Künste die Frage des Lehrers beantwortet hatte. Ein Werwolf würde jeden anfallen, hatte er gesagt, auch Freunde und Familienmitglieder, wobei er primär töten würde. Selbst wenn man das Glück hätte, einen solchen Übergriff zu überleben, würde man vom Regen in die Traufe kommen, denn die Bisse wären ansteckend – man würde selbst zum Wolfsmenschen werden. Sirius gestand sich ein, dass Severus so viel Angst gehabt haben musste, weil er genau gewusst hatte, was ihm blühte. Und Remus war nach dem Vorfall wochenlang so sauer gewesen, weil ein böses Ende dieses unüberlegten Scherzes für ihn einen lebenslangen Aufenthalt in Askaban bedeutet hätte, womöglich sogar den Kuss eines Dementors, hätte er in seiner Werwolfsgestalt einen Mitschüler getötet. Aber das war nicht der größte Fehler seines Lebens gewesen, dachte Sirius. Der größte Fehler war es gewesen, Peter als Geheimniswahrer einzusetzen. Sie hätten Remus nehmen sollen oder sogar ihn, denn hätten die Todesser ihn gefangen genommen, wäre er lieber gestorben, als Lily und James zu verraten.

Sirius oder vielmehr seine Blase fasste den Entschluss, aufzustehen und auf die Toilette zu gehen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es nicht einmal sechs war. Als er im Bad in den Spiegel schaute, sah er zum ersten Mal sich selbst: einen 44 Jahre alten Mann, dessen Vergangenheit ihn gezeichnet hatte. Mit einer Hand fuhr er sich über das unrasierte Gesicht, das von Falten durchzogen war. Falten, die von seinem vergangenen Leid zeugten. Sorgenfalten. Da war kein junges Gesicht mehr im Spiegel, obwohl er sich jung fühlte, geradezu neugeboren. Das gealterte Antlitz erschreckte ihn jedoch nicht mehr. Mit der Zeit hatte er sich damit abgefunden, dass er fast zwei Jahrzehnte seines Lebens hatte einbüßen müssen, doch das neue Leben war es wert gewesen. Zu sehen, dass sein Patensohn schon eine Familie sein Eigen nannte, Frau und ein Kind. Sirius konnte es gar nicht erwarten, in Zukunft das erste Kind zu Gesicht zu bekommen, dass ein Enkelkind von Lily und James sein würde. Seine beiden Freunde lebten in Harry weiter und auch in dessen Kindern, zudem in den Herzen all jener, die Lily und James innig liebten.

Ein weiterer Blick in den Spiegel zeigte ihm, dass er unbemerkt eine Träne verloren hatte oder womöglich handelte es sich auch nur um einen Tropfen Wasser, weil er sich frisch gemacht hatte. Er trocknete sich das Gesicht und ersetzte die trübsinnigen Gedanken durch erfreuliche. Durch Gespräche, die er mit Mr. Bloom geführt hatte. Die „Initiative für die Forderung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes für magische und nichtmagische Halbwesen“ hatte es bereits ohne seine Hilfe durchsetzen können, dass Werwölfe aufgrund ihrer benachteiligten Lebensweise zumindest den Wolfsbanntrank bezahlt bekamen. Somit hatte das Ministerium sich offiziell für diese Menschen eingesetzt und deren Problem zu ihrem eigenen gemacht. Andere Länder, wie Frankreich und die Schweiz, wollten demnächst nachziehen. Es war kein Geheimnis, dass das Ministerium den Hintergedanken hatte, auf diese Weise endlich eine Übersicht über die Population der Werwölfe zu erhalten, denn bisher arbeitete man lediglich mit Dunkelziffern. Trotz seiner lockeren Art hatte Sirius es bisher nicht bewerkstelligen können, auch nur einem der Werwölfe die Information zu entlocken, ob sie Kinder hätten. Das war laut Kingsley ein Punkt, der Probleme bei der Gesetzesänderung machte – noch immer. Kein Werwolf wollte zugeben, in diesem Punkt gegen das noch geltende Gesetz verstoßen zu haben, indem er Kinder in die Welt gesetzt hatte, nachdem er dem Fluch erlegen war. Diejenigen, die schon vorher Kinder hatten, konnten sich glücklich schätzen. Menschen wie Remus durften keine zeugen, weil man nicht wusste, ob der Fluch möglicherweise an Nachkommen übertragbar war. Gerade deswegen würde Sirius nicht nachgeben und nach jemanden suchen, der beweisen würde, dass der Fluch nicht vererbt wurde.

An den Fluch, der auf ihn lastete, dachte auch Remus, der sich in seinem Bett schon längst nicht mehr hin und her wälzte, sondern bereits angekleidet an seinem Tisch saß und Hausaufgaben der Schüler korrigierte. Wenn er das jetzt schon erledigte, würde er den ganzen Samstag für sich haben. Die Arbeit hatte er noch vor sechs Uhr beendet, so dass seine Gedanken wieder zu Peter drifteten. 'Hat er sich so allein gefühlt, dass er zu den Todessern gehen musste?', fragte er sich selbst. Früher hat sein rundlicher Freund es immer geschafft, ihn aufzuheitern, wenn er wieder einmal niedergeschlagen war, doch diesmal betrübten ihn die Erinnerungen an seinen Mitschüler. Vieles hätte anders kommen können, hätte man Peter so gut gekannt, dass der sich jemandem anvertraut hätte. Möglicherweise hatten die Todesser Peter aufgelauert und ihn vor eine Wahl gestellt. Aufgrund seiner Angst könnte er sich falsch entschieden haben. Das eigene Leben vor das Wohl der Freunde zu setzen war eine Sache, die Remus nicht verstehen konnte. Er war sich nämlich sicher, dass James, Lily und Sirius genau das Gleiche für ihn getan hätten – lieber den eigenen Tod zu wählen, als einen Freund auf dem Gewissen zu haben. Ein Gewissen schien Peter gar nicht zu besitzen, Severus hingegen schon.

Für einen Moment stellte sich Remus ans Fenster, bevor er sich dazu entschloss, einen kleinen Spaziergang zu machen. Die Flure waren wie ausgestorben und erinnerten ihn an die Zeit, in der er mit Sirius oder James unter dem Tarnumhang versteckt über die Gänge schlich, um die Karte der Rumtreiber zu vervollständigen. Die müsste Harry noch haben, fiel ihm nebenher ein. Er war froh darüber, keinen einzigen Schüler anzutreffen, denn es war ihm nicht danach, Punkte abzuziehen, wozu er um diese Uhrzeit noch verpflichtet wäre. Ihm war nicht einmal danach, mit jemandem zu reden, doch als er die schwarze Gestalt oben auf dem Astronomieturm bemerkte, war ihm plötzlich nach Reden.

„Guten Morgen, Severus.“
Sein Kollege drehte sich um und war sichtlich über die Gesellschaft erstaunt. „Guten Morgen. So früh schon auf den Beinen?“
„Du doch auch.“

Als er vorn an der Brüstung angekommen war, direkt neben Severus, schaute Remus hinunter. Ob er sich kurz schütteln musste, weil der Wind eiskalt war oder weil er sich vorstellte, wie es sein müsste, in die Tiefe zu stürzen, war nicht sicher zu sagen.

„Hat er es Ihnen erzählt?“
Severus' Frage machte für Remus keinen Sinn. „Wer hat mir was erzählt?“ Sein eigener Gesichtsausdruck schien Severus zu belustigen, denn ein Mundwinkel zuckte, als würde er sich nicht trauen, sich ohne Scham nach oben zu bewegen.
„Albus, wie er alles“, er deutete mit seinem Finger über die Brüstung, „überstanden hat.“
„Nein, dir etwa? Ich würd's gern wissen, weil ich es mir einfach nicht erklären kann.“
„Dass er das Elixier des Lebens an dem Abend getrunken hat, als er den 'Tod' fand, wissen Sie aber, oder?“
„So etwas habe ich vermutet.“
„Also wissen Sie rein gar nichts?“
„Severus, spann mich nicht auf die Folter“, schimpfte Remus nicht ernst gemeint. „Erzähl es oder lass es bleiben, aber erspare mir Andeutungen, mit denen ich nichts anfangen kann.“

Severus war danach, sich mit jemandem zu unterhalten und nur deswegen erzählte er Remus, dass Albus den Stein der Weisen damals nie vernichtet hatte. Das aus dem Stein gewonnene Elixier des Lebens konnte einen Körper, egal wie übel er zugerichtet war, wieder heilen und somit den Tod besiegen. Der Phönix hatte Albus in dem Moment davongetragen, als das marmorne Grab sich aus dem weißen Rauch manifestierte. Ob beide unsichtbar waren oder der Rauch ihre Gestalten nur verhüllte, würde Severus den Direktor noch fragen müssen, aber alles andere hatte er bereits aus Albus' Mund erfahren. Remus hing ihm an den Lippen und Severus genoss das Gefühl, wichtig genug zu sein, dass man ihn ohne Unterbrechung erzählen ließ, denn nun kam der Teil mit Sirius. Remus riss die Augen weit auf, so gefesselt war er von der Schilderung, Albus hätte ihm vor dem Aufbruch ins Ministerium ebenfalls das Elixier gegeben.

„Ich weiß“, Severus atmete tief durch, „dass der Schleier im Ministerium nicht zu Albus' Plan gehörte.“
„Aber ...“ Remus war mit einem Male ruhig, weil er begriff, was das zu bedeuten hatte.

Still standen sie nebeneinander und betrachteten die Gegend, die langsam von der aufgehenden Sonne erhellt wurde. Remus war mit seinen Gedanken beim heutigen Umzug von Hermine, bei dem er helfen wollte.

„Wird ganz schön ruhig werden, wenn Hermine nicht mehr da ist.“
„Mmmh“, summte Severus zustimmend.
„Mit ihr zu frühstücken war immer sehr erfrischend. Sie strahlt so eine Lebensfreude aus, hat immer ein nettes Wort auf den Lippen.“ Severus musste an eben erwähnte Lippen denken und summte nochmals gedankenverloren. „Ich bin froh, dass gestern nichts Schlimmes geschehen ist.“

Hierzu wollte Severus sich nicht äußern, denn dieser Gedanke, dass etwas hätte geschehen können – etwas, dass er schwer verkraftet hätte –, war der Grund, warum er in der Nacht kein Auge hatte zutun können.

„Tonks ist ...“ Remus verbat sich selbst den Mund, denn er war sich sicher, dass Severus nicht das geringste Interesse daran hatte, wie sehr er sich um sie sorgte.
„Tonks ist was?“
Die Nachfrage überraschte Remus. Ein Smalltalk dieser Art war neu für ihn. Er hätte nicht damit gerechnet, dass Severus tatsächlich noch ein wenig über Privates plaudern wollte. „Tonks ist jetzt gerade bei dem Todesserversteck. Sie schicken einen Animagus vor, eine Schneeammer.“ Die Vögel waren in Schottland so verbreitet wie Spatzen in anderen Ländern.
„Wenigstens ist die Form unauffällig“, warf Severus ein und Remus nickte bejahend.
„Tonks wird auf dem Besen um das Anwesen herum ...“ Vor lauter Aufregung bekam Remus einen ganz trockenen Mund.
Die Sorge seines Kollegen konnte Severus jedoch nachvollziehen. „Sie ist nicht allein“, beruhigte er. „Tonks ist eine erfahrene Aurorin, die ihr Ungeschick vor Arbeitsbeginn im Spind zurückzulassen scheint. Ich nehme an, Kingsley wird alles von vorn bis hinten durchdacht und geplant haben.“
„Wird er sicherlich“, hoffte Remus, obwohl er innerlich bejahen musste, denn er kannte Kingsley lange und gut. Er wusste jedoch auch, dass Pläne, egal wie gut sie waren, durchkreuzt werden konnten.

Bisher lief tatsächlich alles nach Plan, wovon Remus natürlich nichts wusste. Gruppe A, bestehend aus zwölf Auroren, die immer paarweise arbeiteten, hatte sich und die Besen unsichtbar gemacht und bereits strategisch günstige Position rund um das Hauptgebäude eingenommen. Der Desillulsionierungszauber wirkte mit der Einschränkung, dass nicht nur die Kollegen auf den Besen sich untereinander sehen konnten. Gruppe B und auch Kingsley und Alastor konnten die Auroren am Himmel beobachten. Die Sonne war noch nicht vollständig aufgegangen, doch die Sicht war klar.

Mit einem Gerät ähnlich einem Omniglas beobachtete Kingsley den kleinen Vogel – Kevin –, der mit kurzen Zwischenstopps auf dem Boden, damit seine Zielstrebigkeit nicht auffallen würde, sich dem Gutshaus näherte. Er war auf der Terrasse gelandet und putzte sein Gefieder, hüpfte dann hinüber zu einem nur mit Erde gefüllten Kübel, der auf dem Boden stand. Er tat so, als würde er etwas zu Fressen suchen; vielleicht täuschte er das nicht einmal vor. Schutz- und Abwehrzauber, selbst die der Todesser, wirkten nicht auf Tiere, doch Kevin würde sie als ein kribbelndes Gefühl spüren können. Ob Tiere ein unter Fidelius liegendes Gebäude sehen konnten, war für lange Zeit nicht geklärt. Es gab jedoch Beobachtungen, dass geschützte Häuser von Tieren betreten worden waren, also war es nicht auffällig, wenn ein Vogel sich in einem ungenutzten Blumenkübel nach Nahrung umsah. Bisher leuchtete in keinem der vielen Fenster Licht. Nirgends rührte sich was.

Auf der Terrasse beäugte Kevin mit schnellen Bewegungen seines Kopfes die Hausfassade, die für ihn in seiner kleinen Gestalt überwältigend groß wirkte. Bevor er die Fenster abflog, wollte er für noch mehr Tarnung sorgen. Er sang. Nach wenigen Minuten gesellten sich einige fröhlich zwitschernde Vögel seiner Spezies zu ihm, die die Samen herauspickten, die in der Erde friedlich auf ihre Keimzeit gewartet hatten. Um das Haus herum war es einigermaßen warm, was von dem Fidelius herrühren könnte. Magie war Energie. Bis auf den Fidelius hatte er nichts fühlen können. Wenn das Haus bewohnt war, fühlte man sich offenbar sicher.

Nachdem noch mehr Schneeammern herbeigerufen wurden, machten sie sich alle über die verschiedenen Blumenkästen her, aber sie verteilten sich auch auf dem Boden rund ums Haus, denn auch dort war die Erde nicht gefroren.

Ein Fenster öffnete sich abrupt und ein muskulös gebauter Mann mit schwarzen Haaren und Vollbart brüllte: „Scheiß Vögel!“ Er brummte missgelaunt und murmelte: „Jeden Morgen das Gleiche!“
'Rodolphus', dachte Kevin.

Die Schneeammern unter dem nun geöffneten Fenster waren in null Komma nichts aufgeschreckt davongeflattert, um sich nur wenige Meter weiter wieder auf dem Boden niederzulassen und laut trällernd der Morgensonne ihren Gruß entgegenzubringen. Für Rodolphus zu laut. Die Schneeammern hatten ganz offensichtlich auch ohne Kevins Hilfe vor einiger Zeit bemerkt, dass der Boden am Haus locker war und sich hier auch genügend kleine Insekten tummelten.

Ungefähr 150 Meter vom Gutshaus entfernt sagte Kingsley zu Alastor: „Rodolphus! Am Fenster!“ Er reichte ihm das Fernsichtgerät, so dass der ältere Auror hindurchschauen konnte.
„Ja, das ist der Bastard! Den kriegen wir. Hoffen wir, dass sein Brüderchen bei ihm ist und vielleicht noch ein paar andere Gestalten.“

Das offene Fenster war Kevin nicht geheuer, deshalb flog er ganz hinauf bis unters Dach und nahm sich vor, die Stockwerke von oben nach unten zu betrachten. Auf dem Dachboden stand ein kleines Fenster auf, durch welches sich schlanke Auroren zwängen könnten. Hier oben war nichts Ungewöhnliches zu sehen, so dass Kevin zum zweiten Stock flog. Hinter dem ersten Fenster befand sich ein scheinbar ungenutztes Schlafzimmer, was die vielen Staubflocken und Spinnweben verrieten. Die vielen anderen Zimmer im zweiten Stock zeigten das gleiche Bild.

Eine Etage tiefer begann das Leben. Kevin späte durch eines der Fenster und sah eine schlafende Gestalt im Bett, doch das Gesicht war abgewandt. Im Nebenzimmer schliefen zwei Frauen, die er nicht identifizieren konnte. Der gesamte erste Stock bestand aus Schlafzimmern und in jedem Bett ruhte mindestens eine Person. Insgesamt waren es schon vierzehn.

Im Erdgeschoss war Rodolphus in der Küche beschäftigt. Das geöffnete Fenster gehörte zu diesem Raum. Das Frühstück, dass er herbeizauberte, konnte eine ganze Kompanie sättigen. Drei Brote lagen auf dem langen Tisch in der Küche, auch viel Wurst und Käse, ein großer Räucherschinken und Butter. Er befeuerte gerade den altmodischen Herd, um Eier in die Pfanne zu hauen; in diesem Moment kamen drei junge Männer hinein. Kevin flog mehrmals am offenen Fenster vorbei, um einen Blick auf die Männer zu erhaschen. Keinen von ihnen kannte er von den unzähligen Akten und Suchmeldungen. Neugierig flatterte er nochmals zum offenen Fenster hinüber, doch er landete nicht auf dem Fensterbrett. Stattdessen fand er mit seinen kleinen Krallen Halt am Putz des Hauses direkt neben dem Fenster. Ungesehen konnte er so den Männern lauschen.

„Was Neues?“, hörte er Rodolphus fragen. Da niemand antwortete, gab es offenbar keine Neuigkeiten, doch woher wollten sie die auch bekommen? Seit gestern Abend hatte niemand das Gutshaus betreten oder verlassen, jedenfalls nicht durch die Tür. „Ist mein Bruder schon wach?“
„Nein, der schläft noch.“ Die Stimme klang sehr jung. Der Mann musste ihn Kevins Alter sein: Mitte zwanzig.
„Wie viele sind hier?“
Einer der anderen jungen Männer antwortete: „Gestern sind Eligius und Sixtus gekommen, Levente hat sich für heute Abend angekündigt. Varinka bringt Haroon und Kaine mit, rechnet aber nicht vor Übermorgen mit ihrer Ankunft.“
„Was ist mit Talin?“
„Der ist tot, hat jedenfalls Eligius gesagt.“

Kevin merkte sich alle Namen, bevor er das Küchenfenster verließ und eine kleine Runde drehte, um einen Blick in die anderen Zimmer im Erdgeschoss zu werfen. Im Wohnzimmer saßen zwei Herren mittleren Alters, die auf der Couch genächtigt haben mussten und eben erst erwacht waren. Aufgrund des Gesprächs, das er in der Küche belauscht hatte, musste es sich um Eligius und Sixtus handeln. Einer von ihnen wies eine unübersehbare Verletzung auf, denn das Gesicht war verbrannt. Die Haare waren an einer Seite nicht mehr auf der knallig rosafarbenen Haut nachgewachsen. Ein Augenlid sah aus wie geschmolzenes Wachs. Der andere Mann stand leicht gebeugt und nach dem Gesichtsausdruck zu urteilen unter starken Schmerzen einen Moment auf einem Fleck, nachdem er sich mit viel Mühe erhoben hatte. Er raufte sich die schwarz gelockten Haare und verzog das Gesicht. Mit krummem Rücken ging er schlürfenden Ganges in Richtung Küche, so dass Kevin nochmals ums Haus flog, um das zu erwartende Gespräch zu verfolgen.

„Eligius!“, grüßte Rodolphus. „Es ist gut, dich hier zu sehen. Talin hat es nicht gepackt?“ Der Mann schüttelte den Kopf, schien selbst dabei Schmerzen zu haben. „Brauchst du was gegen die Schmerzen? Rabastan hat erst gestern was gebraut.“
„Ich will erst einmal was essen“, hauchte Eligius erschöpft.
„Schlag dir den Bauch voll. Wir kümmern uns danach um dein Becken. Ich hab von Prospero gehört, ihr drei hättet dem Magischen Strafverfolgungskommando ziemlich eingeheizt?“
„Wohl eher andersherum“, murmelte Eligius. „Das Ministerium scheint in neue Ausrüstung investiert zu haben. Die sind verdammt schnell. Hatten Talin einfach vom Besen gefegt. Er wollte im Fall apparieren, aber die Schweine haben das verhindert. Überm Verbotenen Birkenwald ist er abgestürzt. Ich habe noch gesehen, wie eine Horde Zentauren über ihn hergefallen ist. Da war nichts mehr zu machen.“
Rodolphus kräuselte die Nase. „Verdammte Kreaturen. Die gehören allesamt abgeschlachtet. Drecksviecher.“
„Das hätten wir auch geschafft, wenn Macnair und seine Paladine damals nicht völlig unkoordiniert diese Versammlung von skurrilen Launen der Natur aufgemischt hätten“, zischte Eligius gereizt. Durch seine schwarze Mähne wirkte er wie eine wilde Raubkatze. „Man kann auch anders für Ordnung sorgen. Siehst du einen Kobold auf der Straße, dann leg ihn einfach um!“
„Ah, das erklärt dann wohl auch, warum ihr vor dem Magischen Strafverfolgungskommando fliehen musstet.“
„Wir tun wenigstens etwas, als nur hier herumzuhocken und ...“

Kevin hörte einen Stuhl, der auf dem Boden landete. Irgendjemand röchelte.

Mit nur einer großen Hand hatte Rodolphus den Hals von Eligius umfasst. Er drückte zu, als er klarstellte: „Ich plane, wann und wo wir zuschlagen werden!“ Eligius wurde ganz rot im Gesicht, die Lippen bereits bläulich. „Ich will mein Vorhaben nicht gefährdet sehen, weil dir vielleicht ein übereifriger Ministeriumsangestellter in der Hoffnung auf Beförderung folgt und unser Versteck findet.“

Rodolphus ließ den Schwarzhaarigen los, der sich sofort an die Kehle fasste und seinen Adamsapfel befühlte. Die drei jungen Männer hatten nur zugehört, nicht jedoch eingegriffen und schon gar nicht verbal für Ordnung gesorgt. Es war ersichtlich, dass Rodolphus das Sagen hatte.

„Habt ihr wenigstens eure Aufgabe erfüllt oder habt ihr nur nebenher ein paar Kobolden und Werwölfen das Licht ausgeblasen?“
„Wir waren da“, bestätigte Eligius. „Das Haus ist durch starke Zauber geschützt. Wir konnten sie nicht durchbrechen, auch nicht prüfen, sonst wäre der Alarm losgegangen.“
Gemächlich setzte sich Rodolphus. „Wie viele leben dort?“
„Die zwei Frauen und das Kind. Manchmal kommt der Vater und bleibt über Nacht oder übers Wochenende.“
„Irgendwelche Hauselfen?“
Eligius schüttelte den Kopf. „Wir haben keine gesehen. Sie machen alles selbst.“
„Selbst?“ Verachtend schnaufte Rodolphus, bevor er sich eine Tasse Kaffee einschenkte. „Was ist mit Lucius?“
Unerwartet antwortete eine Stimme an der Tür zur Küche. Sixtus, der Mann mit dem verbrannten Gesicht, antwortete: „Der ist noch nicht frei. Gab in den letzten Tagen keine Artikel mehr über ihn, jedenfalls nichts Neues. Scheint, als würde er Zeit schinden.“
Einer der jüngeren wollte erschreckt wissen: „Meint ihr, er hat uns verraten?“
„Mein lieber Schwager tut viel, um seinen Hals zu retten, aber das würde er nicht tun. Er weiß, dass er es dann mit mir zu tun bekäme.“ Rodolphus rührte gelassen seinen Kaffee mit einem Löffel um. „Außerdem kann er uns nicht verraten haben, denn das würde voraussetzen, er hätte hiervon“, er deutete mit einer Hand aufs Umfeld, „gewusst. Er war ja nicht mal eingeweiht, der Gute.“

Die Männer frühstückten in der Küche und Kevin konnte währenddessen viele Informationen sammeln. Er hörte heraus, dass noch 82 weitere Anhänger Voldemorts, die allesamt in den drei Jahre vor dessen Tod rekrutiert worden waren, dieses Gutshaus als Ziel hatten. Nach und nach hatten sie sich gefunden, hatten kleine Gruppen gebildet und Kontakt zueinander aufgenommen. Am Ende wollten sie als große Gemeinschaft ihre Gräueltaten im Namen ihres verstorbenen Meisters gemeinsam fortführen. Macnair, einer der ältesten Anhänger, hatte nicht warten wollen und war Mitte August letzten Jahres mit einer Handvoll Todesser, darunter Crabbe senior, Mulciber und dessen Sohn und Tochter, bei der Versammlung der „Initiative für die Forderung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes für magische und nichtmagische Halbwesen“ in Erscheinung getreten. Alle Todesser hatte man damals dingfest machen können.

Das Fenster wurde geschlossen, nachdem der Dunst von gebratenem Speck und Eiern die Küche verlassen hatte. Kevin flog schnurstracks zu Kingsley, um einen Bericht abzugeben. Bei all den Namen, die er Alastor, Tonks und Kingsley nannte, schüttelten die nur mit dem Kopf.

„Ich kenne keinen Einzigen von denen“, gab Kingsley zu. „Tracey, geh ins Ministerium und weise Dawlish an, er soll mit seinen Leuten nachsehen, ob diese Menschen schon einmal in Erscheinung getreten sind. Er soll die Verwandten und Bekannten der Todesser überprüfen, die uns geläufig sind. Nott senior ist ebenfalls noch auf freiem Fuß. Entweder wird der demnächst auch hier antanzen oder er ist in einem der anderen beiden Verstecke, die Macnair uns zu Beginn seiner Haft genannt hat. Ich will nicht, dass wir es am Ende mit insgesamt drei unter Fidelius stehenden Gutshäusern zu tun haben, in denen jeweils knapp hundert Todesser hocken.“

Tracey verschwand und Alastor beobachtete das Gutshaus mit einem Fernsichtgerät, so dass Tonks den Moment der Ruhe nutzte.

„King? Wann werden wir zuschlagen?“ Sie ahnte, wie die Antwort ausfallen würde.
Er atmete er tief durch, bevor er sehr ernst antwortete: „Das hier wird eine der größten Observationen werden, die das Ministerium jemals durchgeführt hat. In nur drei Tagen ist das nicht erledigt. Du hast doch gehört: Es kommen noch viele andere.“ Er wollte ihr die bevorstehende Arbeit schmackhaft machen und fügte hinzu: „Ist es nicht eine erleichternde Vorstellung, alle auf einen Schlag zu erwischen?“
„Wie lange?“
„Wochen“, er seufzte, „vielleicht Monate.“
Tonks schloss die Augen.

Während die Arbeit der Auroren erst begann, war die bei Hermine bereits beendet. Nachdem sie einmal ausgeatmet hatte, öffnete sie ihre Augen und betrachtete ihr leeres Zimmer in Hogwarts. Der Erste war Remus gewesen, der sich mittags bei Hermine hatte sehen lassen. Der Umzug war schneller vonstatten gegangen als angenommen, denn jeder, der Zeit hatte, war vorhin zu ihr gekommen, sogar Anne und Sirius, was eine große Überraschung gewesen war. Selbst Hagrid hatte kräftig mit angepackt. Mit seinen riesigen Händen konnte er viele Kisten mit verkleinertem Hab und Gut auf einmal nehmen, wofür durchschnittlich große Menschen dreimal hätten laufen müssen. Die meisten Weasleys wollten sich dieses kleine Ereignis ebenfalls nicht entgehen lassen, allen voran Molly, die ein schlechtes Gewissen zu haben schien, dass Hermine von Pettigrew ausgerechnet im Fuchsbau angegriffen worden war. Die Schlafzimmermöbel wurden von Ron sorgfältig verpackt. Wie versprochen hatte Angelina ihn begleitet, die viel ausgeglichener war als sonst. Womöglich lag es daran, dass sie nun in einer Flugbesenschule arbeitete und nicht mehr tag ein, tag aus mit Ron zusammen auf dem Quidditchfeld war. Hermine mochte sie und war nicht mehr befangen, ihr gegenüberzutreten. Auch Draco hatte das freie Wochenende nicht genutzt, um bei Susan zu bleiben. Er hatte sich der vielen Bücher angenommen, die alle für den Transport verstaut werden wollten. Als Letzte, aber noch immer pünktlich, waren Luna und Neville eingetroffen. Sie erwiesen sich beim Umzug als sehr nützlich, auch wenn sich nichts mehr gefunden hatten, das sie tragen, verkleinern oder schweben lassen konnten. Es waren so viele helfende Hände in Hermines Räumen anwesend, dass Luna und Neville die Koordination des Umzugs an sich gerissen hatten.

Die Wohnung in der Apotheke, selbst die Küche, war nur mit dem Notwendigsten eingerichtet. Ihre Helfer waren längst gegangen, bis auf Harry und Ginny, die ihr noch Gesellschaft leisteten, als Hermine still Abschied von ihrem Wohnzimmer nahm, an dem sie wegen der schönen Erinnerung sehr hing. Sie hatte sich viel zu schnell eingelebt. Auf dem Boden neben Hermine stand der große Katzenkorb, in den sie nachher Fellini stecken würde. Hinter sich hörte sie, wie Harry sich räusperte.

„Hermine?“ Sie drehte sich zu ihm um. „Es ist schade, dich nicht mehr hier zu haben.“ Es war so leicht, Kontakt aufrecht zu erhalten, wenn man im gleichen Gebäude lebte. Man hatte sich häufig zu den Essenszeiten gesehen und nach der Arbeit.

Sie lächelte ihre beiden Freunde schweren Herzens an. Der Abschied, auch wenn er keinesfalls für immer war, fiel ihr schwer. Sobald sie dieses Zimmer verlassen hätte, würde sie nicht mehr dazugehören, nicht mehr zu Hogwarts gehören. Für sie stand sozusagen ein ganz neues Leben vor der Tür.

„Es war eine schöne Zeit hier.“ Sie wollte so viel sagen, doch ein Wort mehr und sie würde wahrscheinlich in Tränen ausbrechen. Dass Hogwarts ein Zuhause sein konnte, wie es das für Harry früher schon immer gewesen war, verstand sie erst in diesem Moment. Hier hatte sie sich wohl und geborgen gefühlt. Sie mochte die Räume und die vielen einzigartigen Dinge, die man nur hier erleben durfte, wie die Hausgeister, die vielen Gemälde oder die Türen, die sich nur öffnen ließen, wenn man sie an der richtigen Stelle kitzelte. Sie hatte die Menschen lieb gewonnen. „Ich werde mich bei Severus verabschieden, bevor ich gehe.“ Die anderen hatten ihr bereits alles Gute und viel Erfolg gewünscht: Minerva und Albus, die anderen Lehrer, sogar einige der Schüler. Es fehlt nur noch Severus.

Sie verstaute Fellini im Katzenkorb und begleitete Harry und Ginny bis ins Erdgeschoss, wo sie sich von ihnen trennte, denn ihr Weg führte noch weiter hinunter in die dunklen Kerker. Selbst die würde sie vermissen. Sie rechnete damit, Severus in seinem Büro anzutreffen, wo er sicherlich Hausaufgaben durching. Sie klopfte und öffnete höflichkeitshalber erst, nachdem sie sein grummelndes „Herein“ vernommen hatte. Vielleicht ging er von einem Schüler aus, der ihn bei seiner Arbeit zu stören wagte, denn sein Tonfall änderte sich schlagartig, als er sie sah.

„Hermine“, erklang seine Stimme nun alles andere als mürrisch. „Verzeihen Sie, wenn ich mich bei der heutigen Aktion in Ihren Räumen rar gemacht habe. Ich kann Ihnen aber versichern, dass Sie auf mich zählen können, sollten Sie jemals wieder von einem Todesser bedrängt werden.“
Sie musste schmunzeln. „Ist schon gut. Ich weiß ja, dass so viele Menschen auf einen Haufen nicht Ihr Ding sind.“ Aus ihren Worten konnte man den allgemeinen Trübsinn heraushören, der sie momentan eingenommen hatte. Es tat weh, Hogwarts zu verlassen. So viele Erinnerungen waren mit diesem Schloss verbunden.
„Sie bedauern Ihren Schritt doch nicht etwa?“
Über seine Vermutung ganz erschrocken riss sie die Augen auf und verteidigte sich: „Nein, das tu ich nicht. Es ist nur ...“
Nach einem Augenblick, den er ihr schenkte, um den Satz beenden zu können, nutzte er ihre anhaltende Sprachlosigkeit, um zu fragen: „Was? Trauen Sie sich nicht zu, Ihr Leben so zu gestalten, wie Sie es sich wünschen?“
„Was man sich wünscht, muss nicht zwingend in Erfüllung gehen!“, konterte sie ein wenig schnippisch und bereute es sogleich. Wie hatte es Albus so nett ausgedrückt, bevor sie in den Spiegel sah? 'Sie dürfen es gern wagen, Hermine, doch sollten Sie sich dem, was Sie sehen werden, nicht verschreiben. Lassen Sie sich von nichts aus der Bahn werfen, sondern nehmen Sie es locker. Es ist nicht verboten, auf das, was Nerhegeb einem zeigt, hinzuarbeiten, aber es ist auch nicht Ihre Pflicht', hallten seine Worte in ihrem Kopf wider, 'Klarheit ist der Schlüssel.' Hermine war verwirrt; handlungsunfähig.

Selbstverständlich dachte sie während ihres Besuches bei Severus an das, was Nerhegeb ihr gezeigt hatte. So ruppig wollte sie gar nicht zu ihm sein, als er allgemein über Wünsche gesprochen hatte. Er wusste ja nicht, was es mit ihren Wünschen auf sich hatte. Kleinlaut folgte eine Entschuldigung aufgrund ihrer schnippischen Worte, die er gelassen abwinkte.

„Hängen Sie nicht den Erinnerungen nach“, gab er ihr als Tipp. Sie war kurz davor, diesen Ratschlag an ihn zurückzugeben, hütete jedoch ihre Zunge.
„Sie haben gesagt, Sie würden mich besuchen kommen.“ Ihre Stimme barg so viel Hoffnung, dass es sie selbst überraschte.
Severus nickte. „Ja, ich habe Ihnen versprochen, Sie ein wenig zu triezen. Ich halte meine Versprechen.“

Wieder musste Hermine schmunzeln, diesmal so sehr, dass sich dabei ihre Nase kräuselte, was ihn zu faszinieren schien. Ein wenig von den angenehmen Gewohnheiten würde sie durch seine Besuche mit in ihr neues Leben nehmen können.

„Außerdem sind wir bereits für das nächste Wochenende verabredet“, fügte er nüchtern hinzu.
Sie runzelte die Stirn. „Sind wir?“
„Ihre Präsentation, schon vergessen?“
„Oh natürlich.“ Den Text sollte sie einmal laut vor ihm lesen. Wegen der vielen Aufregung hätte sie das fast vergessen. Sie würde ihn auch noch auf der Versammlung der Körperschaft der Tränkemeister treffen, denn seine Zusage, sie zu begleiten, hatte er längst gemacht.

Hermine kam sich momentan etwas verloren vor. Da stand sie hier in seinem Büro mit der Absicht, sich zu verabschieden, aber es wollten sich keine Worte finden, mit denen sie sich am besten ausdrücken könnte. Sie wollte sich gar nicht verabschieden, wollte nicht gehen. Ihre Füße hatten Wurzeln geschlagen.

„Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?“, hörte sie ihn fragen.
„Darf ich Sie anflohen, wenn irgendwas ist?“
Im ersten Moment schien er ein wenig erstaunt. „Sie würden mich sogar kontaktieren, wenn ich es Ihnen verbieten sollte.“ Ein zuckender Mundwinkel verriet ihr, dass er scherzte. Severus schien über etwas nachzudenken, bevor er sich einen Ruck gab. „Gehen wir doch einen Moment zu mir hinüber.“

In seinem Wohnzimmer fühlte sie sich genauso heimisch wie in ihrem eigenen Zimmer. 'Meinem ehemaligen Zimmer', verbesserte sie in Gedanken. Kaum hatte sie den Korb mit Fellini abgestellt, kam der Hund angelaufen, um das eingesperrte Tier durch die Gitter zu inspizieren.

Severus deutete auf den Korb und schlug vor: „Lassen Sie Ihren schwarzen Begleiter ruhig noch ein wenig umherstreifen.“ Ohne Umschweife kam sie dem Vorschlag nach und ließ Fellini frei, der daraufhin sofort mit Harry zu spielen begann. „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“

Nach ihrem Kopfnicken bestellte er etwas bei einer Elfe. Sie war froh, dass er sie bewirtete, denn das würde bedeuten, sie müsste nicht sofort gehen. Er bot ihr sogar einen Platz an und setzte sich direkt neben sie.

„So wie Sie, Hermine, habe ich mich auch einmal gefühlt.“
„Wirklich? Wie fühle ich mich denn?“ Ihre eigenen Gefühle konnte sie kaum in Worte fassen und so war sie froh, dass er das für sie erledigte.
„Sie wagen einen Schritt ins Ungewisse, verlassen das bekannte Territorium. Ihre Fähigkeiten, Dinge zu planen und Situationen vorherzusehen, haben sich mit einem Schlag minimiert, denn Sie können nicht mehr absehen, was in Zukunft geschehen könnte.“ Anstatt zu trösten hatten seine Worte sie nur noch mehr aufgewühlt, doch das bemerkte er, weswegen er anfügte: „Aber wenn Sie Routine erlangt haben, werden Sie genauso sicher sein wie zuvor; wie Sie es hier waren.“
„Ich hoffe nur, ich falle mit er Apotheke nicht auf die Nase.“
„Warum sollten Sie? Sie sind fähig, was man von vielen Menschen nicht behaupten kann. Bei manchen Tränkemeisters ist es mir ein Gräuel, sie 'Kollegen' nennen zu müssen.“
Sie erinnerte sich an Percys Schilderung. „Ich habe gehört, Sie hätten vor einiger Zeit beim Ministerium eine Beschwerde gemacht.“ Seine in Falten gelegte Stirn glättete sich wieder, als sie erörterte: „Wegen eines bestimmten Tränkemeisters, dessen Wolfsbanntrank verunreinigt war.“
„Ah“, entwich ihm aufgrund der Erleuchtung. „So etwas darf nicht passieren. Der Mann kann von Glück reden, dass die Verunreinigung die Wirkung des Trankes nicht gemindert oder gar aufgehoben hat.“
„Hoffentlich mache ich keine Fehler.“
„Ihre Selbstzweifel sollten Sie sich abschminken.“

Das Bild von Nerhegeb war immer in ihrem Kopf präsent. Die Zeit wäre gekommen, ihm davon zu erzählen, stattdessen redete sie um den heißen Brei herum.

„Wäre das nicht etwas für Sie, eine Apotheke zu führen?“
Gelassen schüttelte er den Kopf. „Ich glaube nicht, dass sich Kunden finden würden, denen meine pure Gegenwart keinen Schauer über den Rücken laufen ließe.“
Mit einem Schalk im Nacken stupste sie in mit der Hand an. „Ach, so schlimm wäre das nicht. Sie sind ein anerkannter Zaubertränkemeister. Immerhin sind Sie Platz 3 bei den Schokofroschkarten.“
Er musste lächeln und machte nicht einmal den Versuch, es zu unterdrücken. „Laufen Sie etwa mit Ihrer Schokofroschkarte in der Innentasche Ihres Umhangs durch die Gegend und versuchen, damit Vergünstigungen jedweder Art zu erheischen?“
„Ich hab's noch nie gemacht“, scherzte sie, „sollte ich aber vielleicht mal probieren?“
„Wir könnten uns einmal treffen, um es zu spielen.“
Von diesem Vorschlag war Hermine völlig überrascht. „Sie mögen das Spiel?“
Er zuckte mit den Schultern. „Einen gewissen Unterhaltungswert kann man diesem Kartenspiel nicht abstreiten.“ Mit ernster Miene, die er zu halten versuchte, erklärte er: „Wie sonst könnte ich ungestraft Black in den sicheren Tod schicken als mit einem Zug dieses Spiels?“
„Oh“, machte Hermine übertrieben, als würde sie Gefahr riechen. „Sie können ihn noch immer nicht besonders ausstehen oder?“
„Das Einzige, was ich Black entgegenbringen kann, ist ein sehr ausgeprägtes Gefühl der Abneigung.“
„Das wird sich wohl in Zukunft auch nicht ändern.“ Bestätigend schüttelte er den Kopf. „Und Remus?“
„Er ist bis zu einem gewissen Maß erträglich.“
„So wie ich?“, wollte sie wissen.
Er schien beleidigt zu sein. „Das müssen Sie fragen?“
„Sie haben mir oft genug gesagt, dass Sie mich für aufdringlich halten.“
„Waren Sie auch, sehr sogar.“
„War? Ich werde es auch noch eine Weile bleiben, Severus.“
„Warum müssen Sie mir drohen?“, fragte er amüsiert.
Selbstbewusst und fest entschlossen erwiderte sie: „Weil ich wegen Ihnen weitermachen werde.“ Mutig schaute sie ihm in die braunen Augen, deren Anblick sie in ihrem Vorhaben nur noch bestärkte. „Ich werde einen Weg finden, das rückgängig zu machen, was der Ewige See bei Ihnen angerichtet hat.“ Verlegen blickte er weg, was sie zum Anlass nahm, ein wenig zu sticheln. Mit frechem Grinsen auf den Lippen hielt sie ihm vor: „Sie haben wirklich gedacht, wenn ich gehe, dann ist damit Ruhe?“ Er warf ihr einen bösen Blick zu, doch Hermine schüttelte nur den Kopf. „Nein Severus, ich werde eines Tages vor Ihrer Tür stehen und Ihnen die Lösung präsentieren.“
„Ich dachte“, seine Stimme war zittrig, „dass Sie nun wichtigere Dinge im Kopf haben würden.“
„Das ist wichtig!“ Bevor er widersprechen konnte – und das wollte er – stellte sie klar: „Für mich!“
„Hängt denn Ihr Seelenheil von dem meinen ab?“
„Ich befürchte, ja.“ Das Flüstern hatte ihre Aufrichtigkeit nur noch gewichtiger gemacht. „Ich weiß, dass Sie damit nichts zu tun haben wollen. Trotzdem werde ich noch Ihre Hilfe benötigen. Ich muss genau wissen, wie Sie den Trank gebraut haben, wie viel Sie eingenommen haben und was es für ein Schutztrank war, den Sie vor dem Ewigen See getrunken haben.“

Er schüttelte den Kopf und wollte gegen ihre vielen Fragen protestieren, doch ihr angehängtes, leise gesprochenes „Bitte!“ brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Was waren schon ein paar Antworten, wenn er selbst sich um nichts anderes kümmern müsste? Albus hatte ihm geraten, die Hilfe nicht abzuschlagen. Trotzdem war es für ihn unmöglich, darüber offen zu sprechen. Der Ewige See war eine Dummheit von ihm gewesen, die er schnell bereut hatte. Das gesamte Thema war ihm unangenehm. Es gab damals sogar eine Zeit, in der er peinlich berührt gewesen war, als er etwas über die Zutaten gelesen hatte, die Bestandteil des Ewigen Sees waren. Severus wollte nicht über diese Sache reden, wollte seine Torheit nicht mit anderen diskutieren.

Ein Blick zur Seite ließ ihn in ihre warmen Augen sehen. Braune Augen. Ein wenig heller als der Farbton, den er selbst nun seit wenigen Wochen bei sich selbst im Spiegel sehen konnte. Der Schrecken war groß gewesen, nun nicht mehr nur eine unerklärliche Veränderung seines Gefühlslebens durchmachen zu müssen, sondern auch noch eine physische wahrzunehmen. So sehr er sich auch anstrengte, er konnte es nicht mehr verneinen, dass er auf dem Weg der Besserung war, auch wenn sich ihm nicht erschließen wollte, aus welchem Grund. Warum tat sich etwas bei ihm?

„Einige Wochen, bevor ich geflohen bin“, er schluckte, „habe ich etwas in meinem Büro hinterlassen. Etwas, das demjenigen, der es finden würde, alle wichtigen Einzelheiten meines Lebens vor Augen führen würde.“ Severus musste wegsehen, weil er ihren aufmerksamen Blick nicht ertragen konnte. Dankbar war er dafür, dass sie ruhig blieb. Sie sagte keinen Ton, sondern wartete geduldig, auch wenn es ihr schwerfallen musste. „Es sind mehrere Erinnerungen, aneinandergereihte Schlüsselerlebnisse, erklärende Einblicke in mein Leben. Ereignisse, von denen ich zu Lebzeiten niemals jemandem auch nur ein Sterbenswörtchen gegenüber erwähnt hätte.“ Er seufzte. „Ich habe es zurückgelassen, weil ich nicht damit rechnete, den Krieg zu überstehen. Zumindest nach meinem Tod sollten einige meiner Entscheidungen für andere Menschen nachvollziehbar werden.“ All seinen Mut zusammennehmend blickte er sie erneut an. „Es war ernüchternd, nach meiner Rückkehr zu erfahren, dass niemand diese kleine Hinterlassenschaft angerührt hat. Wahrscheinlich habe ich es einfach zu gut versteckt.“
„In einem der vier Geheimverstecke in Ihrem Büro?“, fragte sie schnell gesprochen. Diese vier Verstecke in den Wänden und im Boden hatte sie bereits damals gefunden, als sie nachschaute, was er dort verstaut hatte. Wie sich herausgestellt hatte, waren es die Aufzeichnungen über den ersten Traum seit zwanzig Jahren gewesen, den er nach der Einnahme des Ewigen Sees hatte.
„Ah, wie ich sehe, waren Sie bereits gründlich, aber nicht gründlich genug, Hermine. Es sind fünf!“
„Fünf Verstecke? Und es ist noch da?“ Er nickte zustimmend. „Und Sie erzählen mir jetzt davon, weil Sie wollen, dass ich ...“
„Lassen Sie sich nicht von mir dabei erwischen, denn ich befürchte, dass ich nicht dabei zusehen kann, wie Sie zu meinen Lebzeiten das an sich nehmen, das ich erst nach meinem Tode zu geben bereit bin.“

Sie war völlig perplex. Da sagte er ihr schon, es gäbe etwas, das er in seinem Büro versteckt hätte und das die genaue Erinnerung an das Brauprozedere des Ewigen Sees beinhaltete, ermahnte sie aber gleichzeitig, sie sollte sich nicht von ihm ertappen lassen, wie sie es heimlich an sich reißen wollte. Genauso gut könnte eine Mutter zu ihrem Kind sagen „Geh bloß niemals in der stillgelegten Mine spielen!“ und das Kind würde denken „Es gibt eine stillgelegte Mine? Cool!“.

„Warum sagen Sie mir das erst jetzt, wo ich Hogwarts verlasse?“
„Damit haben Sie sich Ihre Frage selbst beantwortet.“
„Aber wenn ich damit Ihr Problem längst hätte lösen können, warum erst jetzt? Warum haben Sie es mir nicht gleich am Anfang gegeben, damit ich selbst sehen kann, was Sie für Tränke gebraut und eingenommen haben?“, fragte sie frustriert.
„Weil ...“ Er seufzte. „Hermine, es geht bei diesen Erinnerungen nicht nur um den Trank. Das ist mehr, viel mehr. Es ist mein Leben!“


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