von Muggelchen
Aus der Ferne sah Severus einige Muggelfahrzeuge, deren grell leuchtende Sirenen endlich nicht mehr jaulten, langsam dem Fuchsbau näher kommen. Immer mehr hatte er sich von dem brennenden Haus entfernt und war ins Unterholz gegangen. Severus wollte weder zu dicht bei Black stehen noch Dawlishs skeptischem Blick ausgesetzt sein, so dass er nun bereit in den anliegenden Wald schlenderte und von dort die Situation beobachtete, ohne selbst gesehen zu werden. Ganz in seiner Nähe standen etliche Möbel, die aus dem Haus gezaubert worden sind, damit dem Feuer nichts weiter zu fressen blieb als die hölzernen Wände und Treppen.
Mit wachem Blick verfolgte Severus, der seinen Stab vorsichtshalber in der Hand hielt, wie der Rotschopf neben Harry einen Zauberspruch sagte. Zwar hörte Severus nichts, aber anhand der Bewegung wusste er, dass es sich um einen Aufrufezauber handeln musste. Kurz darauf hörte Severus ein lautes Rappeln. Sofort drehte er sich um und beäugte das Mobiliar, dessen Anordnung skurril anzusehen war, denn es schien, als würde sich mitten im verschneiten Wald ein Wohnzimmer befinden. Es war einer der kleinen Schränke, von dem das rumpelnde Geräusch herrührte. Um genau zu sein kam es von der untersten Schublade, die sich nicht öffnen ließ, weil ein Schirmständer aus Massivholz sie blockierte.
Eine Vorahnung ließ Severus auf der Hut sein, als er den Schirmständer entfernte. In Gedanken hatte er sich bereits mehrere Zaubersprüche zurechtgelegt, die er in einer bestimmten Reihenfolge anwenden würde, sollte er mit seiner Vermutung Recht behalten. Er ging einen Schritt zurück. In Windeseile öffnete Severus mit einem wortlosen Spruch die Schublade. Eine Ratte sprang heraus, mit der Severus fest gerechnet hatte. Ohne Umschweife traf ein weiterer Zauberspruch die Ratte, die sich auf der Stelle in einen Menschen verwandelte und es verhinderte, die Animagus-Form erneut anzunehmen. Es war Pettigrew! Der kleine Mann drehte sich um und sah in kohlrabenschwarze Augen, die sich zu schmalen Schlitzen verengt hatten und nichts Gutes verhießen.
Pettigrew begann mit einem Male zu röcheln, als kleine Funken seinen Körper bedeckten, was Severus zum Anlass nahm, mit leiser bedrohlicher Stimme zu empfehlen: „An deiner Stelle würde ich nicht versuchen, die Form der Ratte anzunehmen. Es ist dir nicht mehr möglich, dich zu verwandeln.“ Severus kannte die Tricks der Auroren und hatte sich einige angenommen.
Der klein gewachsene Mann, der es vollbracht hatte, seinen Feinden auf beiden Seiten immer wieder zu entkommen, schaute Severus durch wässrige Augen an. In ihnen stand Furcht geschrieben, was für Severus nur wenig Genugtuung brachte.
„Severus?“, flüsterte Pettigrew vorsichtig. „Mein alter Verbündeter!“
Von diesen Worten angeekelt und gleichermaßen aufgebracht stürmte Severus zu ihm und rammte ihm das Knie in den Magen. Auf der Stelle krümmte sich Pettigrew, hielt sich mit einer Hand den Bauch; die andere mit der schweren Hand aus Silber baumelte wie ein Pendel an seinem Körper hin und her.
„Ich war niemals dein Verbündeter!“, fauchte Severus wütend, bevor er ihm mit dem Fuß nicht sehr sanft anstieß, so dass Pettigrew auf dem Gesäß landete.
Eine Stimme war es, die ihn davon abhielt, Pettigrew noch mehr zu piesacken. Es handelte sich um Sirius, der gelassen mit einem Stab in der Hand zu den beiden hinüberschlenderte. Das gemeingefährliche Funkeln in seinen grauen Augen war beim Anblick des am Boden Liegenden wieder aufgefrischt.
„Severus, Severus, Severus“, sagte Sirius mit einem überspitzt fröhlichen Singsang in der Stimme bei jedem Schritt. Er ließ Pettigrew nicht aus den Augen, auch wenn er das Wort nicht an ihn gerichtet hatte. „Man merkt, dass du ein Einzelkind bist, Severus. Du teilst einfach nicht gern.“
Noch immer saß Pettigrew auf dem verschneiten Boden, schüttelte verängstigt den Kopf. Das Auftauchen dieses Mannes verbesserte seine Lage nicht, dachte Peter, dennoch grüßte er. „Sirius, mein alter Freund.“ An der bebenden Stimme erkannte man, dass Pettigrew nicht an eine freundschaftliche Zusammenkunft glaubte, es aber wenigstens versucht haben wollte, auf unbeschwerte Zeiten anzuspielen.
Völlig gelassen entgegnete Sirius: „Du warst nicht mehr mein Freund, seit du ...“ Er überlegte einen Augenblick. „Seit du James ausgeredet hast, mich zum Geheimniswahrer zu machen. Hast erst Remus vorgeschlagen, damit es nicht auffällt, als du dich angeboten hast, weil niemand dir so eine gewichtige Aufgabe zutrauen würde.“ Direkt vor Pettigrew baute sich Sirius wie ein Grizzlybär auf, die lockige Mähne aus schwarzen Haaren gab ihm ein wildes Aussehen. Seine Augen verströmten eine Kälte, die nicht der Jahreszeit zuzuschreiben war. „Und wegen dir“, Sirius' Stimme zitterte, „sind eine Menge Muggel gestorben“, er zischelte vor Wut, „was man MIR angelastet hat!“ Zwölf Jahre Askaban.
„Ich wollte doch nur am Leben bleiben!“, rechtfertigte sich Pettigrew, der tatsächlich glaubte, das wäre ein einleuchtender Grund für sein Handeln.
„Du eigennütziges feiges Schwein!“
„Ratte“, verbesserte Severus nüchtern.
„Ja!“ Sirius blickte auf und grinste Severus an. „Wie konnte ich das nur vergessen?“ Auf Pettigrew herabblickend sagte er: „Kein Wunder, dass dein Animagus eine Ratte ist. Die Form hängt immerhin von der Persönlichkeit ab. Das hätte uns früher schon stutzig machen müssen.“
„Ratten sind soziale Tiere“, warf Severus ein. „Pettigrew ist eine Schande für die Gattung der Ratten.“
„Das mag sein“, stimmte Sirius zu, „aber Ratten übertragen auch viel Übles, sind zudem Überlebenskünstler. Immer wieder entkommen sie. Dieses Mal aber“, er zielte mit seinem Zauberstab auf Peter, „entkommst du nicht!“
„Ich bin auch nur ein Opfer“, verteidigte sich Peter. „Hier, seht nur ...“
In dem Moment, als Peter mit der linken Hand den Ärmel des anderen Arms hinaufkrempelte, zielte auch Severus mit seinem Zauberstab auf ihn. Beide waren auf Tricks vorbereitet und hatten schon einen Fluch auf den Lippen, doch Peter zeigte nur seinen Unterarm – und zwar den rechten.
„Seht doch“, Peter hielt ihnen seinen Unterarm entgegen. „Seht doch, wie ich leide!“
Die einst silberne Hand, die er von Voldemort erhalten hatte, war nicht nur vollkommen unbeweglich wie eine Skulptur, sie war auch dunkel angelaufen. Schwarzsilberne Fäden zogen sich wie eine abscheuliche Erkrankung am Unterarm hinauf. Die Haut ringsherum war blass und wies eine Menge dunkler Stellen auf. Das Gewebe war teilweise abgestorben. Am Gelenk, an dem damals die magische Hand befestigt worden war, sah man offene Stellen direkt unter dem Edelmetall, doch das Fleisch dort war nicht rot, es war grau und faul. Der Arm war verdorben.
„Ich würde sagen“, begann Severus gelassen, „das ist die gerechte Strafe für das Wiedererwecken Voldemorts.“ Peter fuhr zusammen, als er den Namen hörte.
„Der Dunkle Lord hat ...“
Sirius schnaufte. „Du nennst ihn noch immer deinen Lord?“
„Nein, ich ...“ Peter fehlten die Worte. Er blickte einmal an den Bäumen vorbei zum brennenden Haus und zu den vielen Auroren, die dort noch immer mit Harry und Ron standen. Eine Gestalt näherte sich ihnen. „Remus“, hauchte Peter voller Hoffnung. Remus hatte ebenfalls bemerkt, dass Severus und Sirius sich vom Fuchsbau entfernt hatten. Es hatte eine Weile gedauert, doch er konnte zwischen all den Bäumen zwei Gestalten ausmachen und wollte bei Sirius und Severus nach dem Rechten sehen, falls die sich in den Haaren haben sollten. „Remus!“, sagte Peter lauer, als der nun in Hörweite war.
Als der Gerufene die ihm wohl bekannte Stimme vernahm, verfinsterte sich sein Gesicht und er zog auf der Stelle seinen Zauberstab. Nach nur wenigen Schritten war er bei Sirius und Severus und blickte das erste Mal hinunter zu Peter, der noch immer auf dem Boden kauerte. Ein gemeines Lächeln verunstaltete das ansonsten so liebe Gesicht des gutmütigen Rumtreibers.
„Was für eine Wiedersehensfreude!“ Der gereizte Tonfall in Remus' Stimme hielt Peter vor Augen, dass er es nicht versuchen brauchte, ihn als „alten Freund“ zu betiteln.
„Remus“, flehte Peter, der sich selbst nicht sicher war, was er von dem einstigen Vertrauensschüler erwartete. Vielleicht wollte er an die Güte appellieren, die momentan jedoch wie weggefegt zu sein schien. Remus war so erregt, diesen Verräter in die Finger bekommen zu haben, dass er schnaufend atmete, derweil das unmenschliche Grinsen beibehielt.
„Und, Remus?“ Sirius hatte die Aufmerksamkeit seines Freundes erregt, der ihn nur mit wahnsinnigem Funkeln in den Augen anblickte. „Was tun wir mit unserem 'alten Freund'?“
„Oh, mir fallen da einige Dinge ein“, erwiderte Remus freudig, der Peter mit seinem Blick am Boden fixierte.
Als Remus einen Schritt auf ihn zu machte, geriet Peter in Panik und brabbelte wild drauf los: „Severus, warum machst du mit den beiden gemeinsame Sache? Nachdem, wie sie dich behandelt haben?“ Nun versuchte Peter, die alte Fehde zwischen ihm und den Rumtreibern wieder auflodern zu lassen. „Dir die Hose vor allen Mitschülern auszuziehen! Das verzeihst du?“
Allein dass das Thema überhaupt angesprochen wurde, ließ Severus vor Wut kochen und diese Wut richtete sich ausschließlich auf Sirius. Mit Groll in den Augen schaute er hinüber zum damaligen Peiniger, als wollte er ihn mit einem einzigen Blick wegen der so lang zurückliegenden Schmach töten.
„Und dass er dich in die Falle gelockt hat, Severus? Du hättest sterben können, aber niemand hat zu dir gestanden!“
Remus hielt nichts mehr und ließ seinem Hass freien Lauf. „Halt's Maul!“
Peter hatte wirklich ein Händchen dafür, all die Dinge ins Gespräch zu bringen, die die drei Männer noch immer so sehr beschäftigten. Damals und noch heute war Remus darüber erschrocken, beinahe in Wolfsgestalt einen Menschen mit seinem Fluch angesteckt oder gar getötet zu haben. Dabei war es egal, ob man jemanden nicht ausstehen konnte, denn niemand hatte so ein Schicksal verdient, nicht einmal der ärgste Feind.
Durch schmale Schlitze beobachtete Severus seinen Kollegen und verglich die Vergangenheit mit der Gegenwart. Remus hatte sich entschuldigt: für eigene Taten und die der Rumtreiber. Er hatte sein Bedauern darüber ausgesprochen, zu feige gewesen zu sein, als Vertrauensschüler nie Partei für ihn ergriffen zu haben. Heute sah alles anders aus. Remus war, selbst wenn Sirius in der Nähe war, ein umgänglicher Kollege, ein sehr entgegenkommender Mitmensch. Sie hatten tiefsinnige Gespräche geführt, hatten sogar gemeinsam Feierlichkeiten beigewohnt. Man kam miteinander gut aus. Remus brachte Verständnis auf, selbst für so einen mürrischen Menschen wie ihn. Remus war jemand, den Severus als Freund bezeichnen konnte, was er nicht offen zugeben würde, aber im Innern längst wusste. Anders sah es mit Sirius aus, den Severus nun ebenfalls betrachtete. Nur Harry zuliebe verkniffen sich beide Männer ihre Feindseligkeiten.
„Lenk nicht ab, du Ratte!“, fauchte der damalige Draufgänger aus dem Hause Gryffindor.
Die wässrigen Augen konnten vor Angst und Schmerz ihre Tränen nicht mehr halten. Peter blickte den schwarzhaarigen Rumtreiber an, bevor er das Wort ergriff. „Und du vergisst wohl, Sirius, dass Severus die Prophezeiung an den Dunklen Lord weitergegeben hat.“ Nur für einen kurzen Moment kämpfte Sirius gegen den Zorn an, der mit einem Male wieder so präsent war, wie damals, doch er bekam sich in den Griff und wehrte sich gegen Peters Manipulationsversuche.
„Die Prophezeiung“, zischelte Sirius, „war völlig unwichtig. Lily und James waren in dem Haus SICHER! Du hast sie verraten, nur wegen dir mussten sie sterben!“
In so einem Augenblick, dachte Peter, war es schwieriger als erwartet, die drei gegeneinander auszuspielen. Er ahnte, dass sein letztes Stündlein geschlagen haben konnte.
„Und die ganzen Lügen“, begann Peter an Sirius gerichtet, „die du Lily über Severus eingeflößt hast!“
„WAS?“ Davon hatte sich Severus aus dem Gleichgewicht bringen lassen, doch das, was Peter sagte, schien zu stimmen, denn Sirius kniff schuldbewusst die Lippen zusammen. Damals, das wusste Severus, mussten die Rumtreiber einiges getan haben, um ihn von Lily fernzuhalten, doch dass sie ihr Lügengeschichten erzählt haben sollen, hatte er nicht einmal erahnt.
„Severus!“, ermahnte Remus ihn wegen der Lautstärke, denn immerhin standen etliche Meter entfernt noch immer die Auroren, die – was Remus nach einem kurzen Blick in Richtung Fuchsbau erkannte – das brennende Haus mit Zaubersprüchen bombardierten, noch lange bevor die Muggel den schwer befahrbaren Weg passieren konnten.
„Ist das wahr?“, wollte Severus wissen. „Was haben Sie ihr über mich erzählt, Black?“
In dem Moment, als Remus erneut nach den Auroren Ausschau hielt und Sirius und Severus Blickkontakt hielten, stand Peter wie von der Tarantel gestochen auf und rannte um sein Leben.
„Och, nicht schon wieder“, sagte Sirius gelassen, bevor er den Stab hob und einen Fluch murmelte, aus dem Severus vage „Archilles“ heraushören konnte; ein Spruch, der ihm aus alten Tagen bekannt vorkam. Peter wurde am Fußgelenk getroffen und fiel jammernd zu Boden. Er wandte sich vor Schmerz, hielt aber seine Zunge im Zaum, um nicht auch noch die Ministeriumsangestellten auf sich aufmerksam zu machen. Severus blickte Sirius erstaunt an, der daraufhin mit Stolz erklärte: „Hab ich von meinem kleinen Bruder.“
„Ah.“ Die Erklärung reichte Severus, denn auch er hatte einige fiese Sprüche von Regulus abschauen können, darunter auch den, der die Sehnen im Fußgelenk durchtrennte – nicht jedoch so schlimm, dass ein Heiler das nicht wieder richten könnte.
Die drei näherten sich Peter, der nun einige Schritte von ihnen entfernt wimmernd am Boden lag und mit einem Fuß nicht mehr auftreten konnte.
„Hör auf zu jammern!“, schimpfte Sirius. „Du glaubst, das ist Schmerz? Du hat keine Ahnung, wie viel ein Mensch davon aushalten kann.“ Nervös flackerten Peters Augen, denn Sirius' hatte deutlich eine Drohung ausgesprochen. „Physischer Schmerz ist lächerlich. Wen hast du schon durch Voldemort verloren?“
„Ich habe eine Menge ...“
Severus unterbrach ihn wirsch: „Von wegen! Wer war dir schon wichtig genug, um Trauer empfinden zu können? Niemand außer dir selbst war dir wichtig!“
„Ich wollte am Leben bleiben.“ Peter schluchzte. Warum verstanden sie es nicht?
„Wenn das das Einzige ist, was für dich wirklich zählt, dann sollten wir es dir vielleicht nehmen?“, schlug Sirius nüchtern vor, als hätte er Peter gerade zum Eis eingeladen.
Völlig von Panik übermannt rappelte sich Peter auf und versuchte, auf einem Bein davonzuhüpfen, weswegen Severus den von Regulus erlernten Fluch an Peters anderem Fuß anwandte. Der Verräter fiel wie eine Marionette in sich zusammen.
„Immer wieder will er fliehen“, sagte Sirius verachtend vor sich her, bevor er vorwurfsvoll mit der Zunge schnalzte.
Die drei waren ihm langsam nachgegangen. Peters Herz schlug wie wild. Er rechnete mit seinem Ableben. Beide Achillessehnen hatten sie ihm durchtrennt. Weglaufen war nicht möglich, weswegen Peter sein Glück versuchte und mit Hilfe seiner Arme im Schneckentempo von dannen robbte.
„Ich glaub's einfach nicht. Gibt der denn nie auf?“
„Offenbar nicht.“ Severus zielte mit seinem Stab und sagte: „Incarcerus!“ Seile schossen aus der Spitze seines Zauberstabes und schlangen sich um Peters durch die jahrelange Flucht nun nicht mehr so kräftig gebauten Körper. Schwer atmend und vollkommen bewegungslos lag der Flüchtige auf dem schneebedeckten Waldboden, außer Sichtweite der Auroren.
Sirius grinste bösartig, weil er scheinbar einen bösen Gedanken hegte. „Was machen wir jetzt?“ Er selbst hatte offenbar schon eigene Ideen, war aber für Vorschläge offen.
„Liefern wir ihn den Auroren aus?“, wagte Remus zu fragen.
Sirius schüttelte den Kopf. „Damit er freikommt?“
„Für den Tod an über einem Dutzend Muggeln wird er nicht freigesprochen werden“, hielt Remus dagegen.
„Wahrscheinlich“, Sirius legte den Kopf schräg, „würde es niemand bemerken, sollten wir ihn einfach hier liegen lassen. Wie viel Minusgrade werden wir nachts wohl haben?“
Severus legte seinen Einspruch ein. „Und riskieren, dass er doch wieder entkommt? Kommt nicht in Frage!“
„Was tun wir dann?“ Remus hätte durchaus andere Ideen, aber die richtige war, die Auroren zu rufen.
„Wir könnten ihm das Licht ausblasen“, schlug Sirius in ernstem Tonfall vor, obwohl er nur Peter einen Schrecken einjagen wollte. Er hatte selbst nicht erwartet, dass der Gedanke ihm gefallen könnte. „Dafür müssten wir drei“, er blickte Remus und Severus nacheinander an, „ein einziges Mal in unserem Leben zusammenhalten.“
Eine unangenehme Stille trat ein. Man hörte bis auf das aufgeregte Atemgeräusch und das Winseln von Peter nichts, denn jeder für sich war mit den Stimmen im Kopf beschäftigt, die Pros und Kontras auflisteten. Sie überlegten, ob sie damit durchkommen könnten, sollten sie zusammenhalten und Peter kaltblütig ermorden.
Remus wusste, dass es falsch war, aber andererseits wäre der Tod von James und Lily endlich gerächt. Was ihn davon abhielt, eine Zustimmung zu geben, war der hohe Preis, die eigenen Hände mit Blut zu beschmutzen. Am wenigsten wollte er Tonks wehtun, indem er so einen Fehler begehen würde. Er selbst wünschte Peter zwar den Tod, aber nicht durch die eigene Hand. Das würde ihn auf eine Stufe mit Peter stellen, denn Remus wäre dann auch ein Mörder. Es lag nicht in seinen Händen, in diesem Ausmaß über jemanden zu richten. Stattdessen wartete er, wie die anderen entscheiden würden.
Die Versuchung war für Severus groß, aber auch mit unüberschaubaren Konsequenzen, die er nicht einzugehen bereit war. Hätte er mehr Zeit zum Überlegen oder wäre er sogar der Einzige, der die Chance auskosten könnte, Peter Pettigrew ein für allemal ins Jenseits zu befördern, würde er sie sehr wahrscheinlich wahrnehmen, aber jetzt stand zu viel auf dem Spiel. Irgendwie, das stand außer Frage, würde Albus davon erfahren oder sich selbst einen Reim aus all den Fakten machen, weswegen Severus ihm nie wieder in die Augen blicken könnte. Albus zu enttäuschen war die eine Sache, weshalb sich Severus dazu entschloss, sich nicht mehr die Hände schmutzig zu machen – Hermine zu enttäuschen war die andere.
Für Sirius war die Sache klar: Peter hatte den Tod verdient! Schon damals in der Heulenden Hütte hatte er ihn umbringen wollen, hätte Harry nicht sein Veto eingelegt. Harry hätte gar nicht da sein dürfen. Zusammen mit Remus hätte er Peter beseitigen können. Allein dessen toter Körper wäre die Bestätigung für seine Unschuld gewesen, doch nicht nur Harry und seine Freunde waren plötzlich auf der Bildfläche aufgetaucht, sondern auch Severus. Damals, so mutmaßte Sirius, musste Severus genau die gleichen Rachegelüste gehabt haben, die er selbst im Moment verspürte und Sirius konnte es sogar nachvollziehen. All die Jahre hatte man geglaubt, er wäre für den Tod der Potters verantwortlich gewesen. Zwölf Jahre Gefängnis, zwölf Jahre Seelenschmerz, ohne mit jemandem reden zu können. Als Sirius sich die möglichen Folgen durch den Kopf gehen ließ, da erkannte er, dass nicht er über den Mörder richten durfte, denn das würde ihn selbst zu einem machen. Ein Blick zu Remus überzeugte ihn davon, dass der genauso dachte.
Die drei wurden aufgeschreckt, als sie einen Ast knacken hörten. Harry hatte sich den Männer genähert, die sich gerade in Gedanken ausmalten, welche Strafe sie Peter zukommen lassen wollten. Die Situation hatte Harry schnell begriffen, als er den am Boden liegenden Todesser sah, dazu seine drei Freunde, die ihre Stäbe in den Händen hielten und versuchten, unschuldig dreinzublicken, womit sie kläglich versagten, denn ihnen war die Ernsthaftigkeit der Lage ins Gesicht geschrieben. Harry hatte das Gefühl, gerade rechtzeitig gekommen zu sein, bevor einer von ihnen einen Fehler machen würde. Seinen eigenen Stab zog er nicht, weswegen er von allen noch am ungefährlichsten wirkte. Wahrscheinlich wagte Peter es deshalb, den jungen Mann anzusprechen.
„Harry“, röchelte er. Sein schmerzverzerrtes Gesicht lag halb im Schnee.
„Was ist das hier? Ein kleines Klassentreffen?“ Harrys gefühlskalte Stimme bescherte sogar seinem Patenonkel eine Gänsehaut. Mittlerweile hatte Harry sich Peter genähert und blickte auf ihn herab. Verächtlich hielt er dem Gefesselten vor Augen: „Du hast meine beste Freundin um Haaresbreite mit einem Avada getroffen, du Mistkerl!“
Man hörte jemanden scharf einatmen. Es war Severus, der seinen Ohren nicht traute. „Was hat er?“
„Er hat ihr mit ihrem eigenen Stab einen Todesfluch entgegengeschleudert. Wäre sie nicht rechtzeitig appariert, wäre sie jetzt nicht mehr unter uns.“ Erzürnt marschierte Severus auf Peter zu und gab ihm einen Tritt in die Magengegend. Harry konnte ihn gerade noch zurückhalten, erneut zuzutreten, obwohl er es innerlich befürwortete.
„Nicht“, sagte sein junger Kollege so besänftigend, dass Severus von Peter abließ, trotzdem er noch in Rage war. Ein am Boden liegendes Stück Holz fing sich den zweiten Tritt ein, der eigentlich für Peter gedacht war. Severus wollte nur noch zurück nach Hogwarts, um sich zu vergewissern, dass es Hermine gut ging.
Der Leiter der Aurorengruppe hatte angewiesen, die Muggelabwehrzauber zu entfernen, damit die Feuerwehr löschen könnte. Ron wusste nicht, dass Peter Pettigrew hier im Wald war. Er vermutete ihn weiterhin im Haus. Beide – Harry und Ron – haben vorhin noch gesehen, wie der Eindringling einen Todesfluch angewandt hatte, bevor Hermine verschwand und Pettigrew in Windeseile seine Animagusgestalt annahm. Noch immer unsichtbar hatten Ron und Harry Flüche auf und neben das Bett abgefeuert, doch als sie es kurz darauf weggeschoben haben, bemerkten sie das Mauseloch, durch das er geflohen sein musste. In den Zwischenwänden des Fuchsbaus hatten sie ihn nicht so leicht finden können. Wegen des Feuers schmiedeten sie den Plan, draußen auf Verstärkung zu warten, die Harrys Patronus sicherlich bringen würde.
Weil sein bester Freund jetzt noch immer heftig mit Dawlish diskutierte, war Harry ein Stück gegangen, bis er die drei Männer im Wald sah und schauen wollte, was die dort trieben.
„Mr. Pettigrew“, Harrys Stimme war voller Gleichgültigkeit, „Sie können wählen zwischen Ihren alten 'Freunden' oder den Auroren. Davonkommen werden Sie diesmal keinesfalls. Es fragt sich nur, was für Sie angenehmer wäre.“ Nur der Kopf konnte sich noch bewegen, als Peter nacheinander in die Augen von Harry, Remus, Sirius und Severus schaute. Es war Severus' finsterer Blick, der ihn wählen ließ.
„Die Auroren“, sagte Peter schwach. Das war die Antwort, die ihm Höllenqualen ersparen würde, denn besonders vor Severus' grausamen Flüchen fürchtete er sich.
„Zu schade“, seufzte Sirius, „aber mit den Auroren wirst du bestimmt auch deinen Spaß haben. Vor allem aber mit deinen ganzen Freunden in Askaban. Macnair, Goyle senior und den vielen anderen unwichtigen Gestalten, mit denen du dort zusammen verrotten wirst.“
Severus, Sirius und Remus stellten sich zu Peter, um noch ein letztes Mal auf ihn herabsehen zu können, bevor Harry Dawlish holen würde. In diesem Moment erhellte ein kurzer Blitz die bereits eingetretene Dunkelheit, die nur durch die hochschlagenden Flammen orangefarben erhellt wurde. Der Blitz, wie sich schnell herausstellte, stammte von einer Kamera. Die Kamera hielt eine selig lächelnde Luna.
„Ein schönes Bild“, schwärmte sie, bevor sie ihren entrückten Blick schweifen ließ. „Und der Wald ist traumhaft, einfach idyllisch.“ Sie schaute nach oben in die Baumwipfel, die vom Wind gestreichelt wurden. „Eingetaucht in Morgenröte, ganz ohne Sonne.“
„Miss Lovegood“, schimpfte Severus, „was erlauben Sie sich?“
Als sie ihren ehemaligen Zaubertränkelehrer anblickte, da legte sie den Kopf schräg und ehe er sich's versah, hob sie erneut die Kamera. Bevor er meckern konnte, hörte er sie mit versonnener Stimme sagen: „Es sieht aus, als würden Sie brennen.“
Sie machte ein weiteres Foto, diesmal nur von ihm, mit dem brennenden Fuchsbau, den man im Hintergrund sehen konnte. Severus war perplex. Nicht nur von ihrem plötzlichen Auftauchen, sondern auch von ihrer Anmerkung.
„Miss Lovegood, wenn Sie Fotos machen möchten, die Ihre Leser auch interessieren, dann sollten Sie sich den rechten Arm von Mr. Pettigrew vornehmen. So etwas hat die Zaubererwelt sicher noch nicht gesehen.“ Severus' Empfehlung kam sie nach. Sirius half ihr, den Arm freizulegen, der durch die silberne Hand verdorben war. Schwarze Magie und ihre Auswirkungen würden jeden Leser fesseln. Luna schoss mehrere Fotos, ignorierte dabei den wimmernden Mann, dem der Arm gehörte.
Durch die Blitze wurde Dawlish auf sie aufmerksam. Mit drei Auroren kam er auf die kleine Gruppe rund um Pettigrew zu.
„Harry, kommen Sie her!“, forderte Severus zischend. Kaum stand Harry beim Tränkemeister, da flüsterte der ihm etwas ins Ohr.
„Was soll ich machen?“
„Tun Sie es einfach, auch bei Black!“
Harry hob seinen Zauberstab, tippte damit den von Severus an und sagte den Spruch, der ihm zugeflüstert worden war. Bei seinem Patenonkel machte er schnell das Gleiche. Der Zauber würde die letzten fünf von Harrys Stab auf die anderen beiden kopieren und gleichzeitig die Sprüche überschreiben, die ursprünglich zuletzt damit ausgeführt wurden. Der Archilles-Fluch gehörte zu denen, die vom Ministerium geahndet wurden. Legal waren sie nicht, zudem leicht schwarzmagisch. Dawlish hatte nicht gesehen, wie die beiden Zauberstäbe manipuliert worden waren, denn seine Augen hatte er auf den Gefangenen gerichtet und der Auror schien jetzt schon mit einer Gehaltserhöhung zu rechnen.
Der Fuchsbau war nun ohne Muggelabwehrzauber. Die Auroren hatten sich zurückgezogen, die Feuerwehr löschte den Brand und Pettigrew wurde abgeführt. Von letzterem Spektakel machte Luna nur ein Foto, denn sie wollte für ihren Artikel das nehmen, welches viel aussagekräftiger war: die drei Männer, die um ihren ehemaligen Schulkameraden Peter Pettigrew standen, nachdem sie ihn überwältigt hatten.
„Warum bist du überhaupt hier?“, wollte Harry von ihr wissen.
„Ich wollte Neville abholen. Er erzählte mir, was Hermine geschehen ist. Ich musste sie sofort sehen!“ Luna fühlte sich noch immer verantwortlich dafür, dass Hermine damals vom Spinnenfeuer getroffen worden war. „Ist es nicht seltsam“, begann sie gedankenverloren, „dass Hermine genau das Bein verloren hat, das ich damals eingefroren habe?“
Entsetzt und daher sehr laut fragte Harry nach: „Hermine hat ein Bein verloren?“
„Beruhigen Sie sich, Harry“, hörte er Severus' Stimme direkt hinter sich. Er musste das Gespräch verfolgt haben. „Ein paar Lehrer haben sofort gehandelt und es wie die damals während des Apparierunterrichts verlorenen Gliedmaßen wieder angefügt.“
„Geht's ihr gut?“
„Miss Lovegood wäre wohl kaum so ausgeglichen, sollte sie in Lebensgefahr schweben.“
Severus' Worte beruhigten Harry, doch das Erste, wenn die Befragung durch Dawlish beendet sein würde, war ein Besuch bei Hermine, zu dem Ron auch mitkommen wollte.
Besuch hatte Hermine bereits erhalten. Im Krankenflügel, in dem Poppy einen Blick auf das Bein werfen wollte, befand sich Albus, der sich neben Hermine aufs Bett gesetzt hatte.
„Das Zersplintern kann sehr gefährlich werden“, sagte er, ohne sie anzusehen. Aus den Augenwinkeln bemerkte Albus, dass sie nickte. „Ich selbst“, fuhr er fort, „habe in meiner Schulzeit kurzzeitig ein Körperteil verloren. Das war“, er atmete in Erinnerung an dieses Erlebnis tief durch, „äußerst unangenehm.“
„Es tut nicht mehr weh, aber Poppy will mich nicht gehen lassen.“
„Sie sorgt sich eben“, winkte er ab.
„Ich sorge mich auch und zwar um Harry und Ron! Warum hat man noch nichts gehört?“
Beruhigend tätschelte er ihre Hand. „Ich habe sofort Arthur Bescheid gegeben, der Auroren zum Fuchsbau geschickt hat. Des Weiteren ließen sich Remus und Severus nicht davon abhalten, selbst nach dem Rechten zu sehen.“
Erschrocken riss Hermine die Augen auf. „Severus ist auch da?“
„Ja, ich befürchte fast, die Aussicht auf Vergeltung war für beide Grund genug, sich in dieses Abenteuer zu stürzen.“
Albus' himmelblaue Augen ruhten auf ihr, doch es war mit einem Male kein fröhliches Glitzern mehr in ihnen. Sein Blick war intensiv, so dass sie ihn schon fast in ihrem Innersten spüren konnte. Es war, als würde er in sie hineinsehen und Dinge erkennen, die ihr selbst verborgen waren.
„Warum haben Sie eigentlich den Fuchsbau aufgesucht, Hermine?“
„Ich benötige ein Bett und vielleicht einige Schränke für meine neue Wohnung.“
„Aber warum haben Sie dann nicht mich gefragt?“ Allein schon seine Frage bestätigte ihr bereits, dass er ihr das Notwendigste geben würde, doch er wurde deutlicher. „Sie können gern Ihr Bett mitnehmen, auch die Tische und Stühle – die ganze Einrichtung aus Ihren Zimmern. Der Dachboden ist zudem voller ungenutzter Möbel, Hermine. Auch dort könnten Sie sich etwas aussuchen. Eine Menge alter Utensilien aus dem Zaubertränkeunterricht lagern oben: Metalltische, Kolben, Standmörser. Zurückgelassen und fast vergessen. Ich kann nicht mit Genauigkeit sagen, was alles im Schloss gelagert wird, aber ich bin mir sicher, dass Sie das ein oder andere gut gebrauchen können.“
„Das ist nett, Albus. Ich glaube, alles für das Schlafzimmer ist mir erst einmal das Wichtigste.“
Der Direktor legte einen Arm um Hermines Schultern, weil sie noch etwas geknickt wirkte. „Wir können gern mal oben nachschauen, Hermine.“
„Wenn Poppy mich gehen lassen würde.“
Albus machte den Anfang und erhob sich vom Bett, hielt Hermine dann seinen Arm entgegen. Sie hakte sich bei ihm unter und ging, ohne Schmerzen zu haben, bis zur Doppeltür des Krankenflügels. Nach einem kleinen Wortwechsel hatte sich Poppy überreden lassen, die Patienten zu entlassen, gab aber den Hinweis, dass sie noch zwei, drei Tage einen stechenden Schmerz verspüren könnte, da die Nerven in der Leistengegend durch das Splintern gereizt wären.
Als sie die Treppe zum zweiten Stock betraten, informierte Albus sie: „Auch Miss Lovegood wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, für einen bahnbrechenden Artikel zu recherchieren.“
„Luna ist auch beim Fuchsbau?“ Mittlerweile machte sich Hermine wirklich keine Sorgen mehr. Allein schon mit Remus, Severus, Harry, Ron und Luna an Ort und Stelle würde Pettigrew im Nu überwältigt sein.
„Ich nehme an“, begann Albus, „dass Miss Lovegoods Artikel morgen in der 'Muggelpost' zu lesen sein wird. Eine wunderbare Tageszeitung, wenn Sie mich fragen. Ich lese sie regelmäßig.“
„Arthur hat sie abonniert.“
„Ja, das ist mir bekannt.“
Obwohl die Sorge um ihre Freunde noch immer spürbar in ihrem Magen rumorte, fand sie dank Albus Ruhe, denn er ging felsenfest davon aus, dass sich alles zum Guten wenden würde. Das Gefühl ging auf sie über.
„Mr. Pettigrew war ein sehr ängstlicher Schüler.“ Albus seufzte, als würde er etwas bedauern. „Ich habe damals gehofft, dass seine Freunde eine positive Wirkung auf ihn haben würden, aber ich habe mich leider geirrt. Seine Furcht vor dem Tod war genauso ausgeprägt wie bei Voldemort selbst.“ Hermine hörte aufmerksam zu, schon allein deswegen, weil sie zu Pettigrew wenig sagen konnte. Sie hatte ihn ihn ihrem dritten Schuljahr das erste Mal gesehen, später auch bei den einigen Kämpfen mit Todessern. „Ich habe mich oft gefragt, was geschehen wäre, wenn der Sprechende Hut Pettigrew nicht nach Gryffindor einsortiert hätte. Vielleicht wäre er ein Hufflepuff geworden? Möglicherweise hätten die Todesser ihn niemals angesprochen.“ Albus blickte Hermine in die Augen. „Denn wissen Sie: Es gibt keinen einzigen Hufflepuff, der jemals Voldemort unterstützt hat. Keinen einzigen.“
„Das spricht für das Haus“, sagte Hermine stolz. Das sprach für Pomona, dachte sie, und auch für Tonks und Susan. Für Cedric.
Den Rest des Weges blieb Albus still. Die Zeit nutzte sie, um sich vorzustellen, was gewesen wäre, wenn ...
Wenn zum Beispiel sie selbst nicht in Gryffindor gelandet wäre oder Severus nicht in Slytherin. Sie fragte sich auch, wie sich alle entwickelt hätten, würde es gar keine Einteilung in Häuser geben.
Auf dem Dachboden angekommen schlug Albus einen Weg ein, den sie gut kannte. Vorbei an Holzverschlägen gingen sie den Gang entlang bis zur Tür, die sie passierten. Jetzt kam der lange Gang, der rechts und links die großen düsteren Abstellräume aufwies, die man durch Rundbögen betreten konnte. Mit einem Wink seines Stabes erhellte Albus die Räume.
Der Anblick verschlug ihr die Sprache. Sonst immer nur in Dunkelheit gehüllt offenbarte sich ihr nun ein ordentliches Lager. Sie betrat einen der Räume und betrachtete einen Tisch, auf dem viele andere Tische in Miniaturausgabe abgestellt waren. Sie waren, um Platz zu sparen, verkleinert worden. Ähnlich sah es bei einem Schränkchen mit Schublade aus, bei dem Albus eine öffnete und einen verkleinerten Schrank hinausnahm, den er wie das Möbelstück einer Puppenstube in seiner Hand drehte und wendete.
„Wie Sie sehen, Hermine, ist hier oben ein Hausrat vorhanden, mit dem man mühelos eine Kleinstadt versorgen könnte. Nehmen Sie sich, was Sie benötigen. Ich wäre sogar froh, zumindest ein wenig von dem sehr gut erhaltenen Mobiliar weggeben zu dürfen. Die Elfen haben wunderbare Arbeit geleistet. Durch ihren Zauber sind die Möbelstücke so gut behütet, dass sie vor Schädlingen und Zerfall geschützt sind. Elfen sind ganz beeindruckende Wesen.“
Weil Albus so von den Elfen schwärmte, musste Hermine lächeln. „Mir tut trotzdem Leid, dass Elfen so ausgebeutet werden.“
„Oh“, Albus hob einen Zeigefinger, „nur weil man jemanden unbestraft schlecht behandeln kann, heißt das noch lange nicht, dass man es muss. Soweit ich informiert bin, ist Kingsley bereits dabei, diesen Missstand zu beheben.“
„Ich hoffe, dass die Gesetzesänderungen sehr bald kommen werden.“
„Eile mit Weile. Alles muss seine Richtigkeit haben. Schlupflöcher dürfen nicht übersehen werden.“ Albus strich sich über seinen weißen Bart. „Nehmen Sie sich das, was Sie benötigen, meine Gute.“
Er zauberte eine Kiste herbei, in der sie alles unterbrachte, das sie später in der Apotheke benutzen wollte. Als sie fertig war, begutachtete er die auserwählten Stücke in der Kiste.
„Sie sind bescheiden, Hermine. Eine Eigenschaft, die ich sehr zu schätzen weiß.“ Hermine errötete, was ihr einen besonderen Liebreiz verlieh. „Wie geht es Ihrem Bein?“, lenkte er ab.
„Dem geht es gut, danke.“
„Da wir sowieso gerade auf dem Dachboden sind, würden Sie mich wohl einen Moment begleiten?“
Ihre Zustimmung gab sie mit einem Nicken, bevor sie dem Direktor folgte. Ganz hinten gingen sie durch einen weiteren Durchgang und sie wusste, was für eine Tür sich hinten links befand: Die hölzerne Tür mit Eisenbeschlag, hinter der sich Nerhegeb befand. Er öffnete bereits die durch Zaubersprüche geschützte Tür, durch die sie schon einmal mit Severus gegangen war.
„Albus, ich ...“
„Lassen Sie mir einen Moment Zeit“, unterbrach er, „denn ich möchte einen Blick in den Spiegel werfen.“
„Sie?“
„Auch ich kann mich der Neugier manchmal nicht erwehren.“ Er blinzelte ihr frech zu. „Ich erhoffe den Augenblick, in dem ich nur noch mich selbst sehen werde, wenn ich einen Blick riskiere, doch das wird noch eine Weile dauern, wie ich vermute.“
In dem Raum angelangt, in welchem Nerhegeb durch einen schweren Stoff vor Staub, aber auch vor achtlosen Blicken geschützt war, entfernte sich das purpurne Gewebe von ganz allein und schwebte hoch über dem Spiegel. Ein Zauberspruch, der nur aktiv wurde, wenn Albus persönlich den Raum betrat. Er stellte sich direkt vor die große Spiegelfläche. Hermine beobachtete ihn, betrachtete sein Gesicht, in welchem sie Hoffnung erkannte. Für einen Moment lächelte er aufgrund dessen, was sich von ihr ungesehen ihm als Bildnis zeigte und noch mit dem Hauch Freude auf seinem Gesicht blickte er zu ihr hinüber.
„Ich hoffe einfach weiter“, sagte er beschwingt. Es lag Hermine auf der Zunge zu fragen, was er gesehen hatte, wenn nicht sich selbst. „Das Glück der anderen“, erklärte er und sie fragte sich, ob sie versehentlich und ohne es zu wissen die Frage laut gestellt haben könnte.
Ohne sie dazu anhalten zu wollen, selbst hineinzusehen, ging er bereits gemächlich zur Tür. Hermine war mit sich im Zwiespalt. Wenn selbst Albus gegen seine Neugier gar nicht erst anzukämpfen versuchte, warum sollte sie sich sträuben? Was war so schlimm daran, seinen Herzenswunsch zu sehen? Das Schlimmste wäre die Erkenntnis, dass der Wunsch niemals wahr werden könnte, wie bei Harry, der seine Familie nie wiedersehen würde oder wie bei Severus, der Lily nie wieder gegenübertreten könnte. Ihr Wunsch musste mit der Apotheke zu tun haben, das hatte sie bereits gesehen, aber zu kurz. Was kam noch?
„Sie dürfen es gern wagen, Hermine, doch sollten Sie sich dem, was Sie sehen werden, nicht verschreiben. Lassen Sie sich von nichts aus der Bahn werfen, sondern nehmen Sie es locker. Es ist nicht verboten, auf das, was Nerhegeb einem zeigt, hinzuarbeiten, aber es ist auch nicht Ihre Pflicht.“
Seine Worte hatten sich wie unsichtbare Hände auf ihre Schultern gelegt und sie vor den Spiegel geführt. Nur einen Moment betrachtete sie die hölzernen Adlerfüße des Spiegels, bevor sie sich einen Ruck gab und den Kopf hob. Erst verschwamm das Bild vor ihren Augen, bis sich im Nebel feste Formen abzeichneten. Regale. Töpfe aus Ton und Metall. Die Apotheke. Das hatte sie schon damals im Spiegel gesehen. Hermine sah sich selbst hinterm Tresen, wie sie zwei Behälter hinter sich ins Regal stellte. Das war ihr Herzenswunsch, dachte Hermine und es breitete sich augenblicklich das Gefühl der Zufriedenheit in ihr aus, weil sie dieses Ziel erreicht hatte, doch dann stutzte sie, als noch jemand zu ihr hinter den Tresen trat. Ein dunkel gekleideter Mann mit schwarzen ...
'Severus', dachte sie überrascht. Er stellte eine Kiste vor ihr ab, deren Inhalt sie in die Regale verteilte. Sie unterhielten sich dabei, die Stimmung war entspannt. Hermine traute sich nicht, auch nur ein einziges Mal zu blinzeln und darüber war sie froh, denn es waren nur zwei Sekunden, die Spiegelbild-Hermine benötigte, um nach getaner Arbeit Spiegelbild-Severus einen Kuss auf die Wange zu drücken und er schimpfte nicht einmal mit ihr.
Von dem, was Nerhegeb ihr zeigte, war sie im ersten Moment erschrocken. So hatte sie Severus noch gar nicht gesehen, auch wenn sie ihn gern hatte. Sie konnte es sich nicht einmal vorstellen, dass so ein Szenario überhaupt möglich wäre, denn das würde bedeuten, er hätte sie genauso gern.
„Zufrieden?“, hörte sie Albus' Stimme fragen.
„Verwirrt“, antwortete sie knapp.
„Ihr Geist sollte frei von Verwirrung sein, Hermine, sonst könnte all Ihr zukünftiges Handeln missverständliche Ausmaße annehmen. Klarheit ist der Schlüssel.“
Die beiden verließen den Dachboden. Albus sprach sie nicht darauf an, was sie gesehen hatte, doch sie wurde das Gefühl nicht los, ihr und Albus' innigster Wunsch könnten eine kleine Gemeinsamkeit aufweisen. Mit einem Male verspürte sie ein schmerzhaftes Stechen am Becken. Sie blieb stehen, stellte die Kiste auf einer Bank ab und hielt sich den Oberschenkel. Sofort war Albus hilfreich zur Stelle und hielt sie am Oberarm.
„Es geht bestimmt gleich wieder“, redete sich Hermine ein.
„Unfälle beim Apparieren können zuweilen auch lebensbedrohlich enden, was bei Ihnen zum Glück nicht der Fall war. Mit magischer Amputation ist nicht zu scherzen. In der Eingangshalle habe ich die Erschütterung gespürt, das Anzeichen dafür, dass jemand nach Hogwarts apparieren möchte. Aufgrund der Schutzwälle wären Sie vollständig abgewiesen worden; Sie hätten in einem Stück vor den Toren landen müssen. Warum, frage ich mich, landete ein Teil von Ihnen in der Eingangshalle? Der Schutzzauber um Hogwarts herum ist nicht dazu in der Lage, jemanden zu zersplintern.“
Hermine spürte, wie die Röte über ihre Wangen kroch, denn sie wurden ganz warm. „Ich war nicht sehr konzentriert, befürchte ich.“
„Dann war es Ihr Mangel an Bedacht?“
Sie nickte beschämt. „Ich wusste nicht einmal, ob ich die Strecke schaffe. Mittendrin habe ich Angst bekommen. So weit bin ich noch nie appariert. Ich wollte nur weg, weg von Pettigrew. Am Ende fühlte ich, wie ich gegen eine unsichtbare Wand stieß und ich war einen Augenblick wie gelähmt.“
„Das war der Schutzzauber, Hermine.“
„Der hat mich die letzte Konzentration gekostet. Ich konnte fühlen, wie ich splinterte. Danach befand ich mich vor den Toren.“
„Ah, ich verstehe“, sagte Albus. Hermine verlor durch die kurzzeitige Lähmung ihre eh schon geringe Achtsamkeit und deswegen zersplinterte sie. Der Schutzwall sah in dem einen Bein keine Gefahr und ließ es passieren, während er den Rest an die Grenze des Schutzzaubers umleitete, genau vor die Tore Hogwarts'. „Wissen Sie, Hermine, es steht schon in der Geschichte über dieses Schloss geschrieben, dass über der Schule ein Apparier-Schutz liegt.“
Hermine errötete erneut, weil sie „Geschichte Hogwarts'“ auswendig kannte und Albus wusste das ebenfalls. Doch wenn sich daran nichts geändert hatte ...
„Warum konnte dann ...?“
„Harry?“, unterbrach Albus, dessen Augen wieder aufgeweckt funkelten. Der Direktor hob und senkte die Schultern. „Ich dachte anfangs, es wäre sein Hauself, der ihm das ermöglicht haben könnte, mir nichts, dir nichts den Apparier-Schutz zu umgehen, aber nachdem ich lange darüber nachgedacht habe, vermute ich eher, dass es eine Mischung aus den magischen Fähigkeiten von beiden war.“
„Sie glauben, dass Harry und Wobbel ...“
Man hörte ein Plop und der Gerufene erschien vor Hermine. „Entschuldige bitte, Wobbel.“
Albus grüßte den Elf zunächst freundlich, bevor er eine Bitte äußerte. „Es wäre nett von dir, Hermine bis zu ihren Räumen zu begleiten.“
„Selbstverständlich.“
Während Albus sein Büro ansteuerte, machte sich Hermine mit Wobbel an der Hand, der ihr freundlicherweise auch die Kiste mit verkleinerten Möbeln abgenommen hatte, auf den Weg in den vierten Stock. Sie staunte nicht schlecht, als dort bereits jemand wartete. Es war Ginny.
„Mensch, wo warst du denn?“, fragte ihre Freundin ein wenig empört.
„Ich war mit Albus unterwegs. Komm doch rein. Du auch, Wobbel.“
Drinnen stellte Wobbel zunächst die Kiste ab. Hermine bemerkte in diesem Moment, wie man ihr ins Bein zwickte.
„Was machst du denn da, Ginny?“
„Ich schaue nur nach, ob noch alles dran ist.“ Die Rotharrige grinste, doch sie konnte ihr wahres Gefühl nicht überspielen. Ihre Lippen zitterten. Sie schaute Hermine an und flüsterte: „Alles okay mit dir?“
„Ja, alles in Ordnung. Das Schlimmste war wohl der Schrecken.“
Erleichtert atmete Ginny aus, bevor sie nickte. Mit einem Male fand sich Hermine mit einer völlig aufgelösten Ginny wieder, die ihr um den Hals gefallen war. Ginny drückte ihre Freundin an sich. Sie zog einmal die Nase hoch, bevor sie, noch immer Hermine drückend, leise sagte: „Mama hat mich angefloht. Die magische Uhr zeigte bei Ron auf 'tödliche Gefahr' und ich wusste doch, dass ihr drei im Fuchsbau wart.“ Hermine strich ihr mit kreisenden Bewegungen über den Rücken. „Dad hat von Dumbledore die Nachricht erhalten, Pettigrew würde auch dort sein.“ Erst jetzt löste Ginny langsam die Umarmung. „Was ist denn nur mit Harry und Ron? Wo sind sie?“
„Es wird schon nichts geschehen sein. Ich bin mir sicher, dass sie sich sofort melden werden, wenn sie zurück sind. Remus und Severus sind auch dort. Mach dir keine Sorgen. Pettigrew wird nichts anrichten können. Er hatte nicht einmal einen eigenen Zauberstab.“
Der Kater lag vor dem Kamin und als es aus ihm auffällig knisterte, machte Fellini aufgescheut einen Satz nach hinten. Jemand versuchte, Kontakt aufzunehmen.
„Hermine? Ginny?“ Es war Mollys Stimme. Sofort bot Hermine ihr an, durch den Kamin zu kommen, was sich die Mutter ihrer besten Freundin nicht zweimal sagen ließ. „Hermine! Geht es dir gut, Liebes?“ Molly musterte ihre damalige so-gut-wie-Schwiegertochter besorgt von oben bis unten.
„Ich bin okay, wirklich.“
Molly strich ihr einmal fürsorglich übers Haar, blickte dann zu Ginny hinüber. „Dein Vater hat eben die Nachricht erhalten, dass Pettigrew festgenommen wurde. Es gab keinen Zwischenfall. Alle sind wohlauf!“ Ginny schloss die Augen. Ein Stein war ihr vom Herzen gefallen. „Ich bin mir sicher, sie werden hier vorbeikommen.“ Hermine anschauend fragte sie: „Dürfte ich wohl so lange ...?“
„Natürlich darfst du hier warten, was für eine Frage?“
Während sie auf die hoffentlich baldige Rückkehr von Harry, Ron, Severus, Remus und Luna warteten, unterhielten sich die drei Frauen über das Erlebnis mit Pettigrew, der sich im Fuchsbau versteckt gehalten hatte, doch man ließ bewusst die schlimmen Dinge aus, die hätten passieren können. Wobbel hörte aufmerksam zu.
„Ich habe gar nicht bemerkt“, begann Ginny, „was dir in der großen Halle beim Apparieren passiert ist. Ich war mit Draco zusammen. Wir haben Pläne fürs erste Quidditchtraining gemacht.“
Molly nahm das zum Anlass, sich an Hermine zu wenden. „Es gab einen Apparierunfall, habe ich Professor Sprout gehört.“
Hermine bestätigte wortlos. „Ich habe nach über 700 Kilometern Strecke mein Bein verloren.“
„Ach herrje“, Molly fasste sich erschrocken an die Brust, „zum Glück hat man dir schnell helfen können. Ich weiß noch, als Arthur einmal von einem Pärchen erzählte, das keine Apparier-Lizenz hatte und beim ersten gemeinsamen Versuch splinterte. Ganz schrecklich, was alles geschehen kann. Ich verstehe nicht, wie Fred und George bei all den Risiken so erpicht drauf sein können, immer und überall zu apparieren.“
„Ich hoffe, sie kommen bald“, sagte Ginny, die nichts von der Unterhaltung mitbekommen zu haben schien.
Wobbel, der sich ebenfalls sorgte, verschwand unerwartet, um nach dem Rechten zu sehen.
Gerade mit seiner Aussage fertig wartete Harry an einen Baum gelehnt, bis auch Sirius und Remus von den Auroren entlassen werden würden, was jeden Moment der Fall sein sollte. Als plötzlich sein Elf aus dem Nichts vor ihm auftauchte, erschreckte sich Harry so sehr, dass er zusammenfuhr und ihm ein Schrei entwich, womit er die Aufmerksamkeit der Menschen um sich herum auf sich zog. Einige Auroren schmunzelten, irgendwo hörte man jemanden sogar kichern.
Er fasste sich ans pochende Herz. „Tu das nie wieder!“
„Entschuldigen Sie, Sir. Ich wollte mich nur vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Wann dürfen die anderen mit Ihrer Anwesenheit rechnen?“
Harry bemerkte, wie Remus bereits von dem Auror verabschiedet wurde. „Sirius ist gleich fertig, dann gehen wir zurück. Die Auroren geben uns einen Portschlüssel bis zu den Toren vor Hogwarts. Geht es Hermine gut?“
Natürlich war auch Ron nicht entgangen, dass Harrys Elf aufgetaucht ist, weswegen er seine Augen vom Fuchsbau, der bereits von den Muggeln gekonnt gelöscht wurde, abwendete und zu Harry hinüberging.
„Geht es Hermine gut?“, fragte auch Ron, der Harrys Gespräch zuvor nicht hatte hören können.
Wobbel wiederholte für den Rothaarigen: „Es geht ihr bestens. Sie wartet mit Ihrer Mutter und Ihrer Schwester bei sich.“
„Meine Mum ist auch da?“ Die Frage beantwortete Ron sich selbst. „Natürlich, Dad wird ihr Bescheid gegeben haben.“
„Dann bis gleich, Sir.“
Schon war Wobbel wieder verschwunden, um zwischenzeitlich nach Nicholas zu sehen, der tief und selig schlummerte, nur um kurz darauf erneut bei Hermine zu erscheinen.
„Es geht allen gut“, versicherte er, „sie werden gleich hier sein.“
Ginny lächelte den Elf an. „Danke Wobbel, jetzt fühle ich mich schon wohler.“
„Darf ich euch etwas zu trinken anbieten? Dir auch, Wobbel?“, fragte Hermine höflich.
Der Hauself runzelte die Stirn. „Sie bieten mir etwas an?“
„Natürlich, du bist mein Gast.“
Als Erste meldete sich Molly. „Ich nehme etwas Starkes, wenn du was da hast.“ Zu sich selbst sagend fügte sie hinzu: „Das brauche ich jetzt!“ Ginny verzichtete.
Nach gut zehn Minuten klopfte es, doch die Tür wurde geöffnet, bevor Hermine „Herein“ sagen konnte. Ron drängte sich vor und stürmte das Zimmer, um sich mit eigenen Augen zu vergewissern, dass es seiner Freundin gut ging.
„Hermine, bin ich froh, dich in einem Stück zu sehen!“ Er drückte sie. Ein weiteres paar Arme schlang sich um sie. Harry. Aus den Augenwinkeln bemerkte Hermine, wie sich ihr Wohnzimmer mit Menschen füllte. Luna war auch dabei und sie lächelte sie überglücklich an. Da war Remus, den sie dabei ertappte, wie er ihr Bein besorgt musterte. Sirius hatte einen sehr ernsten Gesichtsausdruck inne, der ihr verriet, dass er in Gedanken ganz weit weg war. Ihre Augen huschten zur Tür hinüber, die sich gerade schloss – und zwar von außen. Severus war bis in den vierten Stock mitgekommen, ging aber bereits wieder. Es fiel nicht auf, dass Hermine die Umarmung mit Ron und Harry löste, weil die beiden gleich von Ginny und Molly abgelenkt wurde, so dass Hermine zur Tür eilen konnte.
Sie ging hinaus auf den Flur und sah wenige Meter weiter die dunkel gekleidete Gestalt von Severus, die sie erst vorhin im Spiegel gesehen hatte. Das Geräusch der sich öffnenden Tür hatte er wahrgenommen, denn er blieb stehen und drehte sich um.
Mit einer gehobenen Augenbraue betrachtete er sie von oben bis unten und bemerkte gelassen: „Ah, wie ich sehe, sind Sie wieder vollständig funktionsfähig.“
„Kommen Sie doch rein, Severus“, bat sie mit unsicherer Stimme.
„Nein danke, es ist mir“, er legte den Kopf schräg, „ein wenig zu voll bei Ihnen.“
„Es sind nur Freunde.“
„Nicht alle.“
„Dann stellen Sie sich einfach unauffällig in eine dunkle Ecke und warten, bis die anderen gegangen sind“, schlug sie weniger ernst vor.
Ein einziger Mundwinkel wanderte nach oben, bevor er klarstellte: „In Ihrer Nähe gibt es keine dunklen Ecken.“
„Sie finden schon eine.“ Sie hielt ihm die Hand entgegen. „Na los, kommen Sie.“
Drinnen waren alle bereits dabei, die Situation im Fuchsbau aus ihrer Sich zu schildern und zwar durcheinander. Ron und Harry gaben ihr Bestes und erzählten, was sie im Haus mit ansehen mussten. Hermine hörte zu, suchte derweil ein nettes Plätzchen für Severus und sich, als sie der Schilderung darüber lauschte, wie Pettigrew ihr einen Avada Kedavra entgegengeschleudert haben soll und zwar in dem Moment, in dem sie apparierte. Von dieser Information war Hermine erschlagen. Mit weit aufgerissenen Augen wiederholte sie das Szenario immer wieder in Gedanken. Der auf sie gerichtete Zauberstab, den sie umfasst, bevor sie appariert war. Ihr wurde bewusst, dass sie ihr Leben um Haaresbreite verloren hätte. Statt jedoch tot im Fuchsbau zu liegen, hatte sie nur kurzfristig ihr Bein verloren und war danach sogar schon fröhlich mit Albus auf dem Dachboden herumgelaufen. Das alles hätte anders enden können, wenn sie sich auch nur eine Zehntelsekunde später überlegt hätte, den Ort zu verlassen. Sie hätte heute Abend sterben können.
„Hermine?“, flüsterte Severus, der noch immer dicht hinter ihr stand. Sie fühlte eine Hand an ihrem Oberarm. Erst da blickte sie sich um.
„Ein Todesfluch?“, fragte sie ihn, obwohl er die Antwort nicht geben konnte, weil er zu diesem Zeitpunkt nicht anwesend war. Erschrocken darüber hielt sie sich eine zitternde Hand vor den Mund. Er führte sie hinüber zur Couch und platzierte sie neben Remus, so dass sie von beiden in die Mitte genommen wurde.
Um sie abzulenken, sagte Severus: „Ich habe Pettigrew einen Gruß von Ihnen ausgerichtet, direkt in den Magen.“
Hermine, was Remus beobachten konnte, blickte ihn entgeistert an. „Severus!“ Sie klang mit einem Male vorwurfsvoll, bis sie merkte, dass er sie nur auf andere Gedanken bringen wollte. Wieder viel ruhiger fügte sie enttäuscht hinzu: „Nur einen Gruß?“
Wieder hob sich einer seiner Mundwinkel, bevor er sich verteidigte: „Ich wurde aufgehalten.“
„Von Harry“, warf Remus erklärend ein und gab somit zu erkennen, das Gespräch verfolgt zu haben.
Luna verabschiedete sich sehr bald, denn Neville holte sie ab, doch der ließ es sich nicht nehmen, sich ebenfalls das Ereignis des Abends aus erster Hand schildern zu lassen. Es würde Schlagzeilen machen, Pettigrew erwischt zu haben. Auch Molly machte sich auf den Weg nachhause zu ihren Verwandten, wo Arthur auf sie warten würde. Selbst Sirius wollte sich nicht länger über Pettigrew unterhalten, nur Anne musste er unbedingt alles nochmal erzählen. Er verabschiedete sich sogar bei Severus, indem er dessen Namen sagte und ihm zunickte. Ein gemeinsamer Feind konnte offenbar verbinden.
„Angelina wird sich Sorgen machen“, murmelte Ron seinem besten Freund zu.
„Ich dachte, es läuft zwischen euch nicht so gut.“
„Doch, alles bestens. Seit sie nicht mehr bei Eintracht Pfützensee ist, ist alles perfekt. Wir sehen uns nicht mehr 24 Stunden am Tag. Das hat echt genervt – nicht nur mich.“
Hermine war seit der Schilderung über den Todesfluch, der sie verfehlt hatte, sehr still gewesen. Die Lust zu reden war ihr mit der Erkenntnis abhanden gekommen, ganz knapp nur einem Avada entkommen zu sein. Auch die Offenbarung ihres größten Wunsches gab ihr viel, worüber sie nachdenken musste. Zusammengenommen waren es zu viele Dinge, über die sie sich heute Gedanken machen musste. Rons eben gemachte Anmerkung über seine Beziehung zu Angelina ließ sie sich zusätzlich durch den Kopf gehen. Sie selbst hätte keine Schwierigkeiten damit, einen Partner immer um sich zu haben. Es gab doch eine Menge, über das man sich unterhalten konnte, so vieles, das man gemeinsam erforschen könnte. Gedankenverloren blickte sie neben sich und bemerkte, dass Severus sie aufmerksam betrachtete. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, ihm zu sagen, was sie in Nerhegeb gesehen hatte. Sie würde sicherlich nicht den Mut aufbringen, jede Einzelheit nennen. Ohne Scheu warf sie einen Blick auf seine Wange, die in den ganzen Monaten so gut wie nie Bartstoppel aufgewiesen hatte. Die Stelle war es gewesen, dachte Hermine, auf die sie ihn ...
„Hermine, hörst du überhaupt zu?“ Ihr Kopf schnappte nach vorn. Ron wiederholte, was er eben angeboten hatte: „Ich sagte, ich würde morgen beim Umzug helfen. Wann soll ich hier sein?“
„Gegen Mittag, ich will nach der heutigen Aufregung ausschlafen.“
„Gut, ich bin vor dem Essen hier.“ Er druckste herum. „Angelina würde auch mithelfen. Hat sie jedenfalls angeboten“, sagte er zaghaft.
„Ja okay“, stimmte Hermine sofort zu. Kein bisschen Eifersucht war mehr zu spüren. Auch Ron bemerkte das und lächelte ausgeglichen.
„Ich werde mich verabschieden, Hermine, aber“, er wandte sich Ginny zu, „meinen Neffen will ich noch kurz sehen.“
Am Ende saßen, wie schon einmal, noch Severus, Hermine und Remus zusammen.
„Wo ist das Gemälde von Callidita?“ Der Tränkemeister hatte erst jetzt die kahle Stelle über dem Kamin bemerkt.
„Als er erfahren hat, dass ich demnächst ausziehe, hat er sich um einen anderen Platz bemüht. Er darf jetzt bei Pomona hängen. Ich denke, da wird es ihm gefallen.“ Als sie zu ihrer anderen Seite schaute, erblickte sie einen nervösen Remus, der sich durchs hellbraune Haar fuhr, deren grauen Stellen in den letzten Jahren merklich zugenommen hatten. „War Tonks eigentlich auch da?“, wollte sie wissen.
„Nein, Kingsley und sie haben einen anderen Auftrag. Sie werden mindestens zwei Tage verdeckt ermitteln.“
Das erweckte Severus' Interesse. „Um was geht's?“
„Das darf ich dir eigentlich gar nicht sagen“, Remus grinste, „aber sie wollen Rabastan und Rodolphus Lestrange festnehmen, vielleicht auch noch andere Todesser.“ Er seufzte. „Ich geh rüber. Der Tag war anstrengend und aufregend.“
Nachdem Remus sich verabschiedet hatte, ließ sich Hermine nochmals die Ereignisse durch den Kopf gehen. Manchmal begann ihr Herz zu rasen.
„Benötigen Sie einen Schlaftrunk? Ich habe noch einige auf Lager“, hörte sie Severus ruhig fragen.
„Nein, es wird schon gehen. Ich muss über all das, was heute geschehen ist, nachdenken. Je mehr ich mich bewusst damit beschäftigte, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, davon Albdrücken zu bekommen.“
Eine Weile verging, in der sie still und komfortabel nebeneinandner saßen. Severus durchbrach die Stille, hielt seine Stimme leise, um sie nicht zu erschrecken. „Wenn ich die Situation ausgenutzt und Pettigrew ins Jenseits befördert hätte, was hätten Sie dazu gesagt?“
Erschrocken schaute sie zu ihm hinüber. „Er ist aber am Leben oder?“ Zum Glück nickte er, weswegen sie sich mit der Frage über dieses fiktive Szenario beschäftigte und eine Antwort durchdachte. „Ich würde es gar nicht wissen wollen.“
„Mehr nicht? Keine Zurechtweisung?“ Sie schüttelte den Kopf.
„Das soll aber kein Freibrief für Sie sein, in Zukunft irgendwelche Todesser aus dem Weg zu räumen.“
„Das werde ich nicht“, versicherte er. Er atmete einmal tief durch. „Morgen werden Sie also ausziehen?“
„Ja.“ Sie winkelte ihr mitgenommenes Bein an und setzte sich schräg auf die Couch, um ihn ansehen zu können. „Wir müssen noch zusammen meine Präsentation fertigstellen.“
„Die ist so gut wie fertig. Ich möchte, dass Sie üben – vor mir. Mindestens einmal sollten Sie den Text laut vor Publikum gesprochen haben.“ Er blickte auf und bemerkte, dass sie seine Wange zum zweiten Mal an diesem Abend zu betrachten schien. Seine Verwirrung überspielend sagte er: „Da Sie an diesem Wochenende mit dem Umzug beschäftigt sind, schlage ich das nächste vor? Ich weiß, dass Sie alle Hände voll zu tun haben werden, aber nichtsdestotrotz sollten Sie sich die Zeit nehmen, sich auf die Rede vor der Körperschaft vorzubereiten.“
„Ja, werde ich. Sagen Sie, werden Sie mich eigentlich begleiten oder muss ich dort allein hin?“
Er schaute ihr in die Augen, doch sein Blick heftete sich wie von selbst für einen Moment an ihre Lippen. „Ich werde Sie gern begleiten, mich aber im Hintergrund halten. Es wäre möglich, dass mein Auftauchen dort nicht willkommen ist.“
„Mir sind Sie willkommen! Alles andere kann Ihnen egal sein.“ Aufgrund ihres Lächelns fiel sein Blick erneut auf ihren Mund, doch diesmal konnte er ihn nicht so schnell abwenden. „Es wird mir fehlen“, sagte sie, „alles hier. Die Arbeit mit Ihnen, das Schloss, der wunderschöne Ausblick von hier oben, das Essen, die Kollegen.“ Sie seufzte. „Sie.“
„Ich versprach Ihnen bereits, dass ich Sie besuchen werde. Bestimmt finde ich etwas“, seine Oberlippe zuckte amüsiert, „weswegen ich Sie kritisieren kann.“
Als Hermine nach dem aufregenden Abend allein zu Bett ging und sich bewusst darüber wurde, dass dies die letzte Nacht in Hogwarts war, wurde es ihr ganz schwer ums Herz. Sie vermisste all das, was sie vorhin aufgezählt hatte, schon jetzt, obwohl sie diesen vertrauten Ort nicht einmal verlassen hatte. Da Hermine auf der Seite lag, rollte sich Fellini oberhalb der Bettdecke in ihren Kniekehlen zusammen und schnurrte leise.
Kaum hatte sie das Traumland betreten, fand sie sich mit einem Mal in der Zeit zurückversetzt. Auf dem Schulhof hörte sie Ron sagen, es wäre kein Wunder, dass sie keine Freunde hätte – sie wäre ätzend. Später sagte der gleiche Rothaarige im Beisein von Harry, sie wären die dicksten Freunde. Schlüsselmomente aus ihrer Schulzeit spielten sich ab, wenn auch nicht realistisch, aber welcher Traum war das schon? Da war ein Troll auf der Mädchentoilette, mit dem Hermine jedoch einen Vielsafttrank braute, anstatt sich vor seiner Keule in Acht zu nehmen. Auf einem Gang lief sie Draco über den Weg, der Susan an der Hand hielt und sie wurde von ihm nett gegrüßt. In der Bibliothek traf sie auf Lockhart, der ihr dafür dankte, dass sie wenigstens seinen Schreibstil bewundernswert fand, wenn sie seinem Charakter schon nichts abgewinnen konnte. All die hier aufbewahrten Bücher waren am Leben. „Lies mich“, flüsterten sie ihr verlockend zu. Sie kam sich fast wie Alice im Wunderland vor. Ein Buch trug den Titel „Severus“ und besonders das reizte sie, doch sie wollte es später in Ruhe lesen, weil sie glaubte, es schwer verstehen zu können. Stattdessen schrieb sie eine Liste – eine Liste mit Namen der DA-Mitglieder. Der Name Marietta Edgecombe fehlte. Sie fand sich ohne Übergang im Zaubertränkeunterricht wieder und war für einen Moment erstarrt. Im Kessel neben ihr hatte Neville einen Trank zusammengerührt, der an frischen Beton erinnerte. Ihr eigener war perfekt. „Perfekt“, hörte sie eine Stimme hinter sich ihren Gedanken wiederholen. Severus gab ihr Punkte. Plötzlich zischelte ihr eine Stimme ähnlich wie die von Severus' die Geheimnisse von Basiliskengift ins Ohr. Hermine blickte auf, doch sie befand sich nicht mehr in den Kerkern, sondern auf einem Gang. Schüler und Lehrer kämpften gegen Todesser. Mit einem Male verschwanden ihre Freunde und nur noch Voldemorts Anhänger waren zu sehen, die sie umzingelten. Sie drehte sich um die eigene Achse, um einen Ausweg zu suchen und bemerkte Severus an der Wand lehnen. Den vielen Flüchen ausweichend rannte sie zu ihm hinüber, stellte sich mit dem Rücken dicht zu ihm. Er hüllte sie in seinen Umhang und in dem Moment hörten die Flüche auf. Die Todesser suchten sie, konnte sie einfach nicht mehr sehen. Es war, als würde sie ungesehen in einer dunklen Nische stehen.
Zu früh am Morgen wachte Hermine auf. Sie konnte sich nur an Bruchstücke des wilden und schnell ablaufenden Traumes erinnern, aber einige Stellen gefielen ihr.
Sie schlief wieder ein, während weit weg von ihr einige Auroren bereits hellwach waren und die Observation des Todesserverstecks vorbereiteten. Sie hatten ein Waldstück in der Nähe gewählt, um ihr Lager aufzuschlagen. Ein Desillusionierungszauber war nicht auf die anwesenden Personen, sondern um ihr Lager herum gelegt worden, der dafür sorgte, dass alles Lebende in dieser Zone unsichtbar war. Hinzu kam ein Stillezauber, der ebenfalls nur in diesem begrenzten Bereich aktiv war.
„Kevin?“ Kingsley suchte den jungen Mann, der gleich in seiner Animagusgestalt auf die nun sichtbaren Gebäude der Todesser losgelassen werden würde. Unbewohnt war der Gutshof nicht, das hatte man bereits herausgefunden.
„Hier, Sir.“ Kevin entfernte sich von Tracey, mit der er gerade gesprochen hatte.
„Dein Animagus ist dir ja bereits seit einiger Zeit bekannt. Wie sieht es mit Artgenossen aus?“
„Hatte nie Probleme, Sir. Einmal lebte ich für drei Tage in einer Gruppe mit ihnen. Es gab nie Reibereien.“
„Gut, denn es befindet sich ein Schwarm ganz in der Nähe.“
Kevin nickte. „Das Tschilpen habe ich schon gehört. Sie sind etwas früh dran. Die Brutzeit beginnt erst ab März.“
Neugierig, wie sie war, hatte Tracey sich den beiden genähert. Lächelnd fragte sie: „Du hast aber nicht schon etwas in der Richtung geplant oder?“
Vor Lachen musste er schnaufen. „Nicht doch, obwohl ich der Meinung bin, dass ich ganz umwerfend singen kann.“
Auch Kingsley schien einen Moment amüsiert, bevor er den jungen Kollegen ermahnte: „Das hier wird kein Kinderspiel, Kevin. Du gehst so nahe ran wie möglich. Verhalt dich deiner Spezies entsprechend. Mindestens einmal ums Haus! Jedes Stockwerk einmal, verstanden?“
„Natürlich, Sir.“
„Noch Fragen?“ Kingsley musterte den jungen Auror eindringlich.
„Nein, keine Fragen. Von mir aus kann es losgehen. Ich bin bereit.“
Kingsley schlug ihm auf die Schulter, bevor das Wort an die anderen Auroren richtete: „Kollegen, es geht los. Gruppe A: Desillulsionierungszauber anwenden und aufsitzen.“ Die Männer machten sich unsichtbar und die Besen gleich mit. „Hundert Meter Abstand zum Haus. Es wird nur eingegriffen, wenn Kevins Tarnung aufgeflogen ist, verstanden?“
Die Unsichtbaren murmelten ihr „Jawohl“ und warteten auf das Abflugkommando.
„Kevin?“ Er drehte sich zu Tracey um. „Viel Glück!“
„Danke“, hauchte er gerührt, bevor er ihre Hand nahm. Er streichelte einen Moment den Handrücken, bevor er die Hand seiner Kollegin mit der Innenfläche nach oben drehte und ihr ein warmes Lächeln schenkte. Einen Moment später saß ein kleines Vögelchen in ihrer Handfläche, das das im Winter weiß gefärbte Gefieder mit den dunklen Flügeln aufplusterte. Der Vogel stieß vielseitige, glockenklare Rufe aus, zauberte somit eine schön anzuhörende Melodie in schnell wechselnden Tonhöhen herbei. Der lerchenähnlichen Gesang war eine willkommene Auflockerung der angespannten Situation. In ihrer Hand drehte sich der Vogel, bevor er mit schnellen Flügelschlägen davonflatterte.
„Viel Glück“, hauchte Tracey ihrem Kollegen hinterher, dessen kleinen Körper sie schon bald nicht mehr sehen konnte.
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