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Fanfiction

Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Wunsch und Wirklichkeit

von Muggelchen

Statuenhaft verharrten Hermine und Severus in seinem Büro. Sie musterte ihn irritiert, während er weiterhin seinen Blick auf den Kerkerboden gerichtet hatte. Das hinter dem Vorhang aus schwarzen Haaren halb verborgene Gesicht war wie aus Erz gegossen; nur mit den Augen folgte er den Furchen im steinernen Grund. Nach einer ganzen Weile hob er geringfügig den Kopf, um ihr einen scheuen Blick zuzuwerfen.

Es mochte an seinen braunen Augen liegen oder an den kaum sichtbaren Signalen, die von den kleinen Fältchen in seinem Gesicht vermittelt wurden; auf jeden Fall war sich Hermine über den einzigartigen Moment bewusst, nun einem Severus gegenüberzustehen, der – wie sie es ihm vorgeworfen hatte – verängstigt war. Ihr selbst ging es nicht anders, denn so unverhofft eine völlig andere Seite von einem vertrauten Menschen zu erblicken, konnte einen wie der Schlag treffen. Der Severus, dem sie gerade gegenüberstand, war ein Mann, den sie noch nie zu Gesicht bekommen hatte und das machte ihr ein wenig Angst.

Was er im Spiegel gesehen hatte konnte so vieles bedeuten. Harry hatte damals seine Familie gesehen und er war auf dem besten Wege, den eigenen Herzenswunsch an der Seite von Ginny auf seine Weise wahr werden zu lassen und eine eigene zu gründen. Hermine zerbrach sich den Kopf darüber, was Severus von ihr erwartete, denn dass es gerade ihr Abbild gewesen war, das sich ihm gezeigt hatte, musste einen besonderen Grund haben. Unter Umständen war Nerhegebs Offenbarung harmlos, dachte sie sich, weil Severus in ihr nun die beste Freundin sah, die er schon so lange vermisste. Als sie sich jedoch vor Augen führte, dass er womöglich mehr als das in ihr sehen könnte, da wurde ihr heiß und kalt.

Den Mann vor ihr, der ihr momentan so fremd war, betrachtete sie daher auch mit ganz anderen Augen, so als hätte sie ihn noch nie zuvor gesehen. Wie ein misshandelter und am Straßenrand ausgesetzter Hund schien er nicht gerade zutraulich und doch wollte sie es wagen. Beherzt machte sie einen Schritt nach vorn, doch er wich zaghaft zurück.

Ein Klopfen unterbrach diesen seltsamen Moment. Harry hatte die Tür geöffnet und ohne das Szenario zu begreifen informierte er die beiden: „Albus schickt mich. Ihr seid zu spät zur Lehrerversammlung!“

Nach einer abrupten halben Drehung ging Severus schnellen Schrittes auf Harry zu, der ihm die Tür aufhielt. Ohne sich umzudrehen, ein Wort zu verlieren oder zu warten war er bereits verschwunden. Hermine benötigte noch einen Moment, so dass ihr bester Freund fragte: „Alles in Ordnung?“ Sie nickte, doch ihr Gesichtsausdruck zeugte deutlich vom Gegenteil. „Mine?“
„Später, Harry. Lass uns gehen.“

Im Lehrerzimmer angekommen entschuldigte sich Hermine peinlich berührt vor versammelter Mannschaft für ihre Unpünktlichkeit, bevor sie neben Severus, der seine Arme in ablehnender Haltung vor der Brust verschränkt hatte und auf die Maserung des Tisches starrte, Platz nahm. Harry setzte sich ihr gegenüber, gleich neben Remus.

Den Worten des Direktors konnte sie nicht folgen und sie ahnte, dass es Severus genauso gehen würde wie ihr. Nur durch Zufall bemerkte Hermine, dass Remus und Harry ihre Augen auf sie gerichtet hatten, manchmal sogar zu Severus hinüberblickten und krampfhaft versuchten, das Rätsel zu lösen und eine Erklärung für das ungewöhnliche Verhalten der beiden zu finden. Neville, der an Hermines anderer Seite saß, betrachtete die Situation ebenfalls völlig ratlos.

Auch etwas später in der großen Halle legte Severus das gleiche verhaltene Benehmen an den Tag. Er blickte nicht einmal auf, als Albus den Schülern mitteilte, dass Remus John Lupin ihr neuer Lehrer für die Pflege magischer Geschöpfe darstellte. Bei dem stürmenden Applaus und den fröhlichen Pfiffen verzog er nicht wie erwartet das Gesicht.

Severus aß sehr langsam und zudem äußerst wenig, blickte nicht ein einziges Mal zu den Schülern, geschweige denn zu Hermine oder irgendeinem anderen, der am Lehrertisch saß, was sie mit Sorge beobachtete, doch sie wusste nicht, auf was sie ihn ansprechen sollte. Das Thema könnte ihr genauso unangenehm werden wie ihm.

Die Schüler begrüßten sich noch während des Abendessens innig, als hätten sie sich einige Jahre nicht gesehen und sie erzählten sich zwischen Tafelspitz und Tomatenvinaigrette, was sie die Ferien über alles erlebt hatten – manche machten keinen Halt davor, mit vollem Mund zu sprechen.

Draco hatte es nicht missen wollen, den Abend mit seinen Klassenkameraden zu verbringen. Sein Blick verweilte überraschend oft am Lehrertisch, denn sein Patenonkel schien sehr bestürzt. Möglicherweise, vermutete Draco, lag es an Remus, der nun zum zweiten Mal einen Kollegen für Severus darstellte und dass die beiden ihre Differenzen hatten, dass wusste er nur zu gut. Auch andere Schüler, die damals in der ersten oder zweiten Klasse gewesen waren, als Remus das Fach Verteidigung unterrichtet hatte, konnten sich noch an ihren ehemaligen und nun neuen Lehrer erinnern. Gegenüber von Draco saß Gordian, der sich außergewöhnlich still verhielt.

Als Draco sich gerade ein kleines Törtchen nahm, da sah er, wie ein anderer Slytherin sich Gordian näherte, ihm auf die Schulter schlug und grinsend sagte: „Ich habe gehört, du hast unseren Schlafsaal mal so richtig eingeweiht? Gut gemacht!“ Ein weiterer Schlag auf die Schulter zeugte von Respekt, doch Gordian kam nicht dazu, die Sache richtig zu stellen, denn der Mitschüler hatte sich längst abgewandt und einen anderer Freund aufgesucht.

Mit großen Augen blickte Draco sein Gegenüber an, weswegen Gordian beschämt und sehr leise sagte: „Da ist überhaupt nicht passiert! Ich möchte mal wissen, woher er davon weiß.“
„Wenn nichts passiert ist, von ’was’ sollte er denn nichts wissen dürfen?“
Es war ersichtlich, dass Gordian eigentlich nichts zur Sache sagen wollte, doch er gab sich einen Ruck. „Wir haben nicht mal in einem Bett geschlafen.“
„Wer ist ’wir’?“, fragte Draco belustigt, bevor er in das kleine Törtchen biss.
„Na ja…“ Gordian blickte über seinen Rücken, so dass Draco gar nicht lange nachdenken musste, denn Meredith schaute zu den beiden.
„Aha“, machte Draco, als hätte er Gordian eben auf frischer Tat ertappt. „Gab es Ärger?“
Den Kopf schüttelnd verneinte Gordian. „Irgendein Gemälde muss gequatscht haben.“
„Salazar Slytherin!“
Gordian runzelte die Stirn. „Wir haben ein Gemälde von Salazar in unserem Gemeinschaftsraum?“
Nickend erklärte Draco: „Das ist gemalt worden, als er noch etwas jünger war, noch ohne Bart. Man erkennt ihn kaum.“
„Aber warum hat er uns erst am nächsten Tag verpfiffen?“
Einmal gelassen die Schultern hebend und wieder senkend erwiderte Draco: „Weil es dann erst Sinn macht? Vielleicht hat er euch den Spaß gegönnt.“

Er konnte es sich nicht verkneifen, bis ĂĽber beide Ohren zu grinsen, was Gordian wĂĽtend machte.

„Es ist nichts passiert!“
„Klar…“ Das Thema wechselnd wollte Draco wissen: „Sag mal, du bist doch einer von denen gewesen, die gern Quidditch spielen.“
„Was hat das denn jetzt damit zu tun?“
„Ja oder nein?“, fragte Draco, der gar nicht auf Gordians Einwurf einging. Der nickte endlich, so dass Draco zur Sache kommen konnte. „Würdest du gern ins Quidditch-Team der Slytherins aufgenommen werden?“
„Wir haben doch gar kein…“
„Gordian, jetzt beantworte doch einfach mal meine Fragen! Dabei ist völlig egal, wie die Lage momentan aussieht.“
Den Zweck der Frage nicht verstehend antwortete Gordian aufrichtig: „Ich würde gern spielen, ich wäre gern Sucher. Ich bin ein guter Sucher, haben zumindest Madam Hooch und Professor Potter gesagt, als wir im Sommer zusammen gespielt hatten.“
„Kennst du aus den anderen Häusern welche, die sich für ihr Team beworben hatten, aber abgelehnt wurden?“
Gordian verengte seine Augenlider zu schmalen Schlitzen. „Okay, jetzt bin ich wirklich neugierig geworden. Was hast du vor?“
„Ich will ein Quidditch-Team für Slytherin zusammenstellen.“
„Alles klar und weil wir so wenig sind, willst du welche aus Ravenclaw, Gryffindor oder Hufflepuff haben.“
„Ganz genau! Ich habe was nachgelesen. In dem Buch Geschichte Hogwarts’ steht nämlich nicht, dass ein Quidditch-Team aus Mitgliedern des eigenen Hauses bestehen muss“, erklärte Draco.
Gordian schüttelte langsam seinen Kopf. „Das wird nicht klappen. Wie stellst du dir das vor? Die hassen uns!“
„Meinst du nicht, dass sich ein paar Schüler finden würden, denen die Häuser egal sind, weil sie einfach nur auf einem Besen sitzen und in einer Mannschaft spielen wollen?“
„Meredith will spielen, aber man wollte sie nicht als Hüterin haben und da man nur einen Hüter braucht…“

Respekt zollend hob Draco beide Augenbrauen. Eine Hüterin für das neue Slytherin-Team hätte er schon mal im Visier und heute Abend, gleich nach dem Essen, würde er nach vielen, vielen Jahren wieder einmal den Slytherin Gemeinschaftsraum aufsuchen, um noch willige Spiele aus dem eigenen Haus zu rekrutieren.

Seine gedankliche Planung wurde unterbrochen, als er seinen Patenonkel lautlos vorbeihuschen sah. Ein Blick zum Lehrertisch verriet, dass Harry genauso verwirrt schien, während Hermine die Verfolgung aufgenommen hatte.

Als sie die groĂźe Halle hinter und damit die neugierigen Blicke sich gelassen hatte, forderte Hermine ihn zum Stehenbleiben auf. Dieser Aufforderung kam er nach, doch er ergriff auch gleich das Wort.

„Morgen um 14 Uhr in meinem Labor. Wir werden zusammen aus den bisherigen Unterlagen mit Ihren Farbtrank-Ergebnissen eine Präsentationsmappe erstellen, es sei denn, Sie haben einen anderen Wunsch.“ Er klang sehr kühl und vermied den direkten Augenkontakt.
„Nein, aber Severus…?“
„Dann sehen wir uns morgen. Guten Abend.“

Perplex starrte sie ihm nach, bis sie hinter sich Harrys Stimme hörte.

„Was hat er denn nun wieder? Soll ich mit ihm reden?“ Sein Angebot klang verlockend, doch sie schlug es aus.
„Nein, ich denke…“ Sie schüttelte den Kopf und seufzte. „Ich kann im Moment nicht denken.“
„Oha, dann ist es wirklich schlimm!“, scherzte er fröhlich.
„Harry…“ So verzweifelt hatte er sie selten erlebt. „Ich weiß nicht, ob ich mit der Entwicklung zufrieden bin.“
Einen Arm um ihre Schultern legend fragte er: „Was für eine Entwicklung?“
„Ich…“
„Hermine, bring deine Sätze bitte zu Ende!“
Sie seufzte erneut. „Ich werde es eine Weile beobachten müssen, bevor ich Genaueres sagen kann.“

Zum Abschied streichelte sie ihn sanft am Oberarm und schenkte ihm ein gequältes Lächeln.

Nun war es Harry, der Hermine ratlos hinterherschaute, als er plötzlich Stimmen hinter sich wahrnahm und die gehörten Remus und Neville.

„Es ist schön, dass Sie wieder hier sind, Professor Lupin“, sagte Neville gut gelaunt.
„Ah ah ah – nicht ’Professor’, wenn ich bitten darf“, korrigierte Remus seinen ehemaligen Schüler freundlich.
Schnell verbesserte Neville: „Remus.“

Harry drehte sich um und ihm gleichen Augenblick wurde er von beiden bemerkt. Es war Remus anzusehen, dass er glücklich war. Sein beständiges Lächeln war viel breiter als sonst, die Augen funkelten und an seinem lässigen Gang konnte man sein bestärktes Selbstwertgefühl ablesen. Er wirkte nicht mehr so kränklich.

„Wir sehen uns, Remus.“ An Harry gewandt verabschiedete Neville sich mit einem freundlichen Nicken. Derweil schlenderte Remus leger auf ihn zu.
Da nun auch viele Schüler aus der großen Halle hinauskamen, fragte Remus nicht sehr laut: „Was war das vorhin auf der Lehrerversammlung? Beide kommen zu spät und beide haben nicht auf ein einziges Wort von Albus gehört. Was ist da los?“
„Hermine muss irgendeine Entwicklung beobachten, bevor sie sich dazu äußern kann.“
„Was denn für eine Entwicklung?“, wollte Remus wissen. Harry antwortete mit fragendem Gesichtsausdruck, als er zeitgleich mit den Schultern zuckte. Mit amüsiert hochgezogenen Augenbrauen machte Remus den Vorschlag: „Vielleicht könnten wir beiden helfen, die Entwicklung etwas voranzutreiben?“
Harry begleitete Remus bis zu den Treppen. „Ich weiß ja nicht mal, um was es geht.“
„Mmmh“, war Remus einziger Kommentar, der Harry noch mehr verwirrte.

An den sich bewegenden Treppen angekommen ging Remus nach oben in den vierten Stock, wo er weiterhin wohnen würde, während Harry zurückging und auf dem Weg auf Ginny traf, die sich von ihren Freundinnen löste und auf Harry zugestürmt kam.

„Harry, du glaubst es nicht!“ Ginny war völlig fassungslos, aber sehr bald kroch ein begeistertes Grinsen über ihr Gesicht.
„Was denn?“
„Draco hat mich eben gefragt, ob ich Jägerin im Quidditch-Team werden möchte!“
„Warum fragte Draco, ob du in deinem Team spielen möchtest? Dafür ist doch euer Kapitän zuständig.“
Sie stieß ihn schelmisch mit dem Ellenbogen an. „Wer sagte denn, dass ich für Gryffindor spiele?“
„Ich verstehe nicht…“
Sich bei ihm unterhakend erklärte sie auf dem Weg in ihre Räume: „Er sucht Leute für das Slytherin-Team. Du hast ja bei der Einschulung mitbekommen, wie viele Schüler sein Haus insgesamt hat und da kommt kein Team bei zustande, deswegen fragt er rum.“
„Ist das erlaubt?“
Ginny zuckte mit den Schultern. „Mir egal, Hauptsache ich sitze mal wieder auf einem Besen. Ich dachte vor ein paar Monaten, wegen Nicholas müsste ich mich einschränken, aber unser kleiner Freund wird sich freuen, dass ich zweimal die Woche nachmittags auf dem Quidditchfeld sein werde und er sich kümmern kann. Wir könnten beide zusammen trainieren, Harry!“ Mit einem Finger stach sie ihm in den nicht mehr wie in Schultagen so straffen Bauch. „Könntest es gebrauchen.“
„Frechheit“, murmelte er, während er die Stelle an seinem Bauch hielt, wo sie ihn gepiekst hatte und in diesem Moment wusste er, dass er ihrem Vorschlag zustimmen sollte.

In den eigenen vier Wänden angekommen begrüßte Wobbel die beiden, wiegte dabei Nicholas im Arm, der gerade das Fläschchen bekam.

„Harry, wenn ich in Dracos Team spiele, kann ich dann deinen Rocketeer haben?“
„Mit was soll ich denn fliegen?“, nörgelte Harry, während er sich die Schuhe auszog.
„Kauf dir doch den neuen Twister! Der ist für Sucher sowieso viel besser geeignet, kann man gute Wendemanöver mit fliegen, hab ich gelesen.“
Harry ließ sich auf das Sofa plumpsen und rieb sich den vollen Bauch. „Nicht alles, was Krum auf einem der Hochglanz Werbeprospekte von ’Nimbus Rennbesen’ in den Händen hält, muss in meinem Schrank stehen.“
„…und Staubweben ansetzen“, vervollständigte Ginny nuschelnd.
„Das habe ich gehört. Wann hätte ich denn mal fliegen können? Alleine macht es doch keinen Spaß.“
„Trainieren wir nun zusammen oder muss ich mich mit einem meiner Mitschüler verabreden, der ein Auge auf mich geworfen hat?“ Sie wollte ihre Mimik unbedingt ernst halten, aber scheiterte dabei kläglich.
„Wie bitte?“
„Ach nichts. Ich möchte mit dir fliegen, Harry. Einige Manöver ausprobieren, Beschleunigung und Drosselung üben, aber vor allem möchte ich wieder mal für längere Zeit oben sein. Mit meinem Harry.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Du bist nicht mehr ganz so fit wir vor ein, zwei Jahren.“
„Was ich mir heute für Unverschämtheiten anhören muss… das geht ja auf keine Kuhhaut.“
„Aber“, mischte sich Wobbel unerwartet in das Gespräch ein, „Miss Weasley hat Recht, Sir. Als ich bei Ihnen angefangen habe, waren Sie körperlich in einer wesentlich besseren Verfassung.“
„Nicht zu glauben“, nuschelte Harry. „Fall mir noch in den Rücken, Wobbel.“
„Sie haben gesagt, Sir, dass ich immer ehrlich sein soll.“
„Mein Fehler.“ Er schlug sich entschlossen auf die Oberschenkel. „Gut, wenn sich alle gegen mich verschworen haben, dann werde ich mal Mr. Whitehorn anflohen und ihm nebenbei erzählen, dass der neue Twister ja ganz nett aussieht.“
Vorwurfsvoll schüttelte Ginny den Kopf. „Du spekulierst darauf, dass er dir einen schenkt. Du könntest dir auch einfach einen kaufen.“
„Einen kaufen? Damit Whitehorn mir das nächste Mal, wenn wir uns über den Weg laufen, wieder stundenlang damit in den Ohren liegt, dass ich ihn doch einfach hätte kontaktieren können? Nein, Ginny. Manche Leute – deine lieben Brüder Fred und George gehören übrigens dazu – kann man nur glücklich machen, wenn man sich von ihnen beschenken lässt. Denen ist das peinlich, wenn Harry Potter ihre Produkte kaufen muss.“ Er kratzte sich am Kopf, wodurch die wirren Haare noch mehr zerzausten. „Ich verstehe den Sinn nicht, aber es ist so.“
„Und du enttäuscht die Menschen ungern!“
Er grinste frech. „Genau so ist es!“

Wobbel gab den kleinen Jungen an Harry ab, bevor er zur TĂĽr ging, denn es hatte geklopft.

„Hermine?“, grüßte Harry verwundert. Er hätte nicht gedacht, dass er sie vor dem morgigen Tag noch einmal sehen würde.
„Harry, hi Ginny, grüß dich Wobbel.“ Sich neben Harry setzend fragte sie mit gedämpfter Stimme: „Sag mal, kann ich mir deinen Tarnumhang ausleihen?“
Er zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe. „Klar, aber wozu? Nein…“ Er hielt eine Hand in stoppender Geste in die Höhe; mit der anderen drückte er Nicholas an sich. „Erzähl es mir nicht, aber pass bitte auf, ja?“

Von Ginny ließ er sich besagten Umhang aus dem Schlafzimmer holen, den Hermine sofort verkleinerte, damit niemand sie damit auf den Gängen umherlaufen sehen würde.

Unten in den Kerkern versuchte Severus sich derweil mit ein paar Aufgaben zu beschäftigen, doch er konnte sich nicht konzentrieren. Das heutige Gespräch mit Hermine, zumindest der Versuch eines Gespräches, bereitete ihm Magenschmerzen. Mit seinen Gedanken war er nicht bei den Themen für seine Klassen, sondern bei der Suche nach der Antwort einer bestimmten Frage und die könnte ihm möglicherweise die Quecksilberbeschichtung eines gewissen Gegenstandes verraten, der verhüllt auf dem Dachboden nur darauf wartete, jemanden in seinen Bann zu ziehen.

Spät abends ging Severus mit seinem Hund aus. Nach diesem Spaziergang tigerte er aufgewühlt in seinem Wohnzimmer umher und versuchte dem Drang zu widerstehen, die höchsten Höhen Hogwarts aufzusuchen.

Im vierten Stock saß Hermine mit auf und ab wippenden Knien auf der Couch. Harrys Tarnumhang hatte sie sich zerknüllt in den Schoß gelegt. Sie wartete auf etwas Bestimmtes, nämlich darauf, dass Fellini zur Tür hechten würde, denn das würde bedeuten, dass Severus den Weg zum Dachboden eingeschlagen hatte. Sie traute sich nicht einmal, auf die Toilette zu gehen, damit sie ihn nicht verpassen würde, doch lange konnte sie dem Druck auf ihrer Blase nicht standhalten.

Nach einer kurzen Toilettenpause nahm Hermine wieder ihren Platz ein. Viele Stunden später – mitten in der Nacht – rannte Fellini zur Tür hinüber. Sofort löschte Hermine alle Lampen in ihrem Zimmer, damit keinesfalls durch einen nicht erkennbaren Spalt ihrer Tür etwas Licht auf den Gang leuchten würde und dann horchte sie. Severus war sehr leise, doch als sie ihr Ohr an das alte Holz der Tür presste, konnte sie seine Schritte wahrnehmen. Sie warf sich den Tarnumhang über und lenkte Fellini mit einer kleinen Leckerei ab, um ohne ihn auf den Gang schleichen zu können.

Ganz vorn, Schatten in Schatten, sah sie Severus gerade um die Ecke biegen. Hermine beeilte sich, um mithalten zu können, denn sie kannte seinen schnellen Schritt. Nachdem sie alle Stockwerke hinter sich gelassen hatte und auf dem Dachboden angekommen war – Severus immer in Sichtweite – betrat sie den hölzernen Boden und achtete darauf, dass sie kein Geräusch machte. Mit dem Körper dicht an der steinernen Wand entlanggehend bibberte sie, wenn sie eines der kleinen Fenster passierte, durch das die kalte Winterluft wehte. Die vielen Holzverschläge, die nach ein paar Schritten kamen, erinnerten sie erneut an den Dachboden eines Muggel-Mietshauses.

Der lange Gang, den Severus gerade mal zur Hälfte hinter sich gebracht hatte, war ihr nicht mehr so gruselig wie das erste Mal, als sie nur mit Fellini hergekommen war. Die finsteren Räume hinter den türlosen Durchgängen jagten ihr keine Angst ein. Gerade eben sah sie, wie Severus durch die Tür gegangen war, weswegen Hermine rannte, um unbemerkt aufzuholen. Sie musste mit der Tür vorsichtig sein, denn er durfte nicht sehen, dass sie sich bewegte, doch glücklicherweise hatte Severus bisher alle Türen hinter sich offen stehen lassen.

Kaum hatte sie sich durch den Türspalt gezwängt, da erstarrte sie, denn Severus war ganz offensichtlich stehengeblieben. Er verweilte nur zwei Schritte von ihr entfernt und blickte aus einer der scheibenlosen Öffnungen hinaus in die Dunkelheit. Vorsichtig machte sie in dem engen Flur einen Schritt nach hinten, doch sie stieß mit dem Rücken an die Steinwand. In diesem Moment bewegte Severus leicht den Kopf und es schien, als würde er lauschen. Unerwartete machte näherte er sich ihr, ging jedoch an ihr vorbei, um die Tür hinter sich zu schließen. Gleich darauf hielt er erneut inne, doch dann entschloss er sich, das Ende des Ganges aufzusuchen, wo sich hinten links die große und mit Zaubersprüchen geschützte Holztür mit dem Eisenbeschlag befand.

Hermine war lautlos gefolgt und stand dicht bei Severus, um gut hören zu können, mit welchem Spruch er die Tür öffnete, da sagte er gelassen: „Harry, lassen Sie die Kinderei mit dem Umhang!“

Wegen des Schrecks, ertappt worden zu sein, regte sich Hermine keinen Millimeter.

Seufzend, als würde eine schwere Last auf ihm liegen, formulierte er um. „Wenn nicht Harry, dann Hermine. Ziehen Sie den albernen Tarnumhang aus.“

Erst war nur ihr Kopf zu sehen und die durch den hinuntergezogenen Umhang in alle Richtungen stehenden Haare, bis sie Harrys ErbstĂĽck komplett abgeworfen hatte und sich unter den Arm klemmte.

„Woher…? Wie haben Sie das gemerkt?“
„Sie schnaufen wie eine Abraxanerstute bei der Geburt eines Fohlens!“
„Wie bitte? Ich war doch ganz leise“, konterte Hermine kleinlaut, denn sie war froh, dass er nicht wütend war.
„Leise“, murmelte er verächtlich. „’Leise’ ist etwas anderes.“

Ohne sie zurechtzuweisen öffnete er die Tür mit einem wortlosen Zauber.

„Nach Ihnen, Hermine.“

Sie war mit sich selbst uneins, weil sie nicht wusste, was sie erwarten würde. Natürlich würde sie hier den Spiegel sehen – das war ihr klar –, aber wie sich die Situation mit Severus entwickeln würde, konnte sie nicht vorhersehen.

Hinter sich schloss er die Tür, bevor er per Zauber Lichter entzündete, damit man einen schmalen Pfad zwischen allerhand Gerümpel sehen konnte. Sie folgte ihm, während sie seinen Worten lauschte.

„Hier werden laut Albus Dinge aufbewahrt, die ehemalige Lehrer und Angestellte einst zurückgelassen haben“, erklärte er die unzähligen Gegenstände, die hier gelagert wurden. Er öffnete eine weitere Tür und hielt sie ihr auf. „Treten Sie ein.“

Erneut kam sie seiner Aufforderung nur zögerlich nach. In diesem Raum stand ein einziger Gegenstand, verhüllt von einem großen Tuch – nichts anderes.

„Sie haben den Spiegel Nerhegeb noch nie gesehen?“
„Nein“, sie schüttelte den Kopf, „und ich möchte auch nicht.“
„Hermine, Sie brauchen doch nicht hineinzusehen, um ihn einmal betrachten zu können.“

Mit einem Schwung seines Stabes flog das Tuch nach oben und Hermine wandte sich erschrocken ab.

„So eine große Furcht?“, hänselte er sie.
Mit festerer Stimme wiederholte sie: „Ich sagte, ich möchte nicht hineinsehen.“
„Sie müssten sich schon direkt davor stellen und auch näher herantreten. Von Ihrer Position aus würden Sie rein gar nichts sehen“, versicherte er mit vertraut ruhiger Stimme und so gab sie sich einen Ruck.

Der Spiegel und vor allem sein prächtiger, an einigen Stellen mit Gold verzierter Rahmen war eine Augenweide. Severus ging zu Nerhegeb hinüber und berührte das Holz mit seiner reliefartigen Schnitzerei. Ganz oben stand, wenn man es rückwärts las „Nicht dein Antlitz aber dein Herz begehren“.

Mit einer Stimme, die an die eines Museumsführers erinnerte, erläuterte Severus: „Albus vermutet, dass dieser Spiegel ein Geschenk der Kobolde an Rowena Ravenclaw sein könnte.“ Er deutete auf die Füße, auf denen der Spiegel stand. „Die Standfüße erinnern an Adlerklauen.“ Ein paar Schritte an den Spiegel herangehend betrachtete sie dessen Unterseite und musste der Theorie zustimmen. „Kommen Sie näher heran“, forderte Severus sie auf und damit sie ihn nicht missverstehen würde, denn er hatte keinesfalls vor, sie in den Spiegel sehen zu lassen, fügte er hinzu, „hinter den Spiegel.“ Sie trat herum, während Severus bereits einen Lumos sprach, damit er ihr den rückseitigen Schatz zeigen konnte.

Der Anblick der Schnitzerei verschlug ihr den Atem. Sie hatte das Gefühl, als hätte sie eben eine archäologische Entdeckung gemacht. Nerhegebs Rückseite war üppig mit Reliefs verziert. Da waren viele kleine Figuren, Tiere, Menschen und auch Kobolde. Ein Wesen schien einen Phönix darzustellen und sie erkannte ein Einhorn. Alles zusammen schien eine Geschichte zu erzählen.

„Was erkennen Sie alles?“ Mit dem Licht seines Stabes zeichnete er an der Rückseite des Spiegels langsam ein Viereck in die Luft und da erkannte sie es.
„Die vier Elemente: Wasser, Feuer, Luft und Erde.“ Er nickte, hob seinen Stab und deutete einmal nach oben und einmal nach unten. Mit großen Augen bemerkte Hermine fasziniert: „Himmel und Hölle.“
„Ich würde es ungern als ’Himmel und Hölle’ bezeichnen, eher als Gut und Böse, aber darauf wird man erst kommen, wenn man sich jede einzelnen Szene dieses Kunstwerks zu Gemüte geführt hat.“ Er ging wieder um den Spiegel herum und berührte den Rahmen neben der reflektierenden Oberfläche. „Auch hier kann man auf interessante Dinge stoßen.“

Beide hatten sich den Rahmen des Spiegels angesehen – Hermine sehr viel interessierter als Severus, denn für ihn war es nicht neu. Er beobachtete sie, als sie mit ihren Fingern eine der kunstvollen Unebenheiten berührte und begeistert murmelte: „Das ist Hogwarts!“
Severus nickte. „Albus möchte diesen Spiegel im Schloss behalten, weil er denkt, dass er hierher gehört.“
„Ja, das kann ich nachvollziehen.“

Hermine stellte sich vor den Spiegel und schaute nach oben auf die goldene Verzierung, die Ornamente und die Spiegelschrift. Unüberlegt blickte sie nach vorn und somit genau auf die Fläche aus Quecksilber. Sie sah sich selbst, aber viel weiter hinten in einer ihr bekannten, aber nicht sehr vertrauten Umgebung. Da waren viele Regale mit Töpfen und anderen Dingen und als ihr bewusst wurde, dass es sich nicht um ihre Reflexion handelte, blickte sie erschrocken weg.

„Sie haben mehr Furcht vor Ihrem größten Wunsch als vor Ihrem Irrwicht“, stellte er besonnen fest. „Das ist irritierend.“
„Ich möchte nicht hineinsehen, schon gar nicht nachts um halb vier.“
„Warum sind Sie mir dann laut polternd gefolgt?“, stichelte er selbstgefällig grinsend.
’Laut polternd’, wiederholte Hermine verärgert in Gedanken, dabei war sie doch so leise gewesen.
Er gab nicht nach. „Sie hätten sowieso nicht das gesehen, was ich gesehen hätte, warum also Ihr nächtlicher Ausflug?“
„Ich war nur neugierig“, gab sie beschämt zu.
Ein kurzes Schnaufen war zu hören. „Das brauchen Sie wirklich nicht zuzugeben, das ist offensichtlich.“

Demonstrativ stelle er sich direkt vor den Spiegel, weswegen sie seine Mimik genau beobachtete, doch da rĂĽhrte sich rein gar nichts. Seine GesichtszĂĽge waren wie eingefroren und verrieten nichts ĂĽber seine GefĂĽhlslage. Seine lehrerhafte Stimme nahm diesem Augenblick die Spannung.

„Der Anblick Nerhegebs kann zuweilen schmerzhaft sein.“ Er schluckte, als sein Blick den von Lily traf, die links im Spiegel Gestalt angenommen hatte und sich nun lässig gegen den Rahmen lehnte. Die schemenhafte Figur im Hintergrund nahm er nur nebenher wahr. „Haben Sie Angst davor, Hermine, dass sich Ihr Wunsch nie erfüllen könnte?“ Seinen Blick wandte er nicht von Nerhegeb ab. „Fürchten Sie, dass Sie dem, was Sie erblicken könnten, ein Leben lang hoffnungslos nachjagen?“

Hermine konnte sich nicht äußern. Es war ihr ein Rätsel, ob er diese Fragen stellte, weil sie ihn selbst betrafen, was nahe lag. Er könnte sie aber auch gestellt haben, weil er ihr damit ihre eigene Abneigung hineinzusehen erklären wollte. Nur die Ahnung, dass er in diesem Moment möglicherweise sie sah, ließ ihr Herz schneller schlagen. So sehr sie sich aber auch den Kopf zerbrach, sie konnte sich nicht sicher sein. Der gryffindorsche Mut hatte sich verkrochen und so brachte sie es nicht zustande, ihn einfach zu fragen.

„Viele Menschen“, sagte er mit gedankenverlorener Stimme, „hätten sich bereits um den Verstand gebracht, sagte Albus einmal.“
„Warum sehen Sie dann hinein?“, fragte sie unverhofft und sie war froh gewesen, dass ihr eine unverfängliche Frage eingefallen war.
An seinem Ton konnte man heraushören, dass er es nicht so genau nahm. „Vielleicht ist es für mich eine Feuerprobe?“
„Was sehen Sie?“ Sie biss sie auf die Zunge, denn das hatte sie nicht fragen wollen.

Bisher hatte er kein einziges Mal seinen Blick von der glatten Oberfläche abgewandt und auch dieses Mal nicht, obwohl ihre Frage sehr privat war. Er betrachtete für einen kurzen Moment die Gesamtheit, die Nerhegeb ihm zeigte, und ihm fiel erneut die schattige Figur im Hintergrund auf, die er nicht sehen wollte. Nach links blickend erwiderte er kurz und knapp: „Lily.“

Völlig unerwartet fühlte sich Hermine durch seine Antwort verletzt. Zuvor hatten noch all ihre Theorien zusammengepasst. Sein Auftritt bei Harry, als er sie beschuldigt hatte, ihm auf den Dachboden gefolgt zu sein; später seine Erklärung, er hätte sie nur vermutet – nicht gesehen –, weil ihr Kniesel bei ihm gewesen war.

Lily zu sehen war nicht gut für ihn, dachte sie. Severus hing seiner Vergangenheit nach, grämte sich wegen seiner alten Flamme. Sein Wunsch zählte unumstößlich zu denen, die einen Menschen zerstören könnten. Er war oft hier oben, das wusste sie. Immer wieder setzte er sich diesem Schmerz aus. Es war kein Wunder, dass er ihre Pastillen so sehr benötigte, wenn er stetig an diesen alten Wunden nestelte, so dass sie wieder aufbrachen und wie frisch zugefügt schienen. Mit diesem Wunsch vor Augen schottete er sich von der Welt und seinen Mitmenschen ab. Selbst wenn Linda ihm schöne Augen machen würde, würde er es gar nicht sehen, weil er Scheuklappen trug, die auf den Namen „Lily“ hörten.

Gekränkt, auch wenn sie dafür keinen Grund haben durfte, ergriff sie das Wort, und Trübsinn klang in ihren Worten mit, als sie ihm vor Augen hielt: „Keine Frau kann mit einer Toten konkurrieren, Severus.“

Durch ihre Worte leicht konfus wandte er das erste Mal, seit er hineingeschaut hatte, seinen Blick von Nerhegeb ab, um Hermine anzusehen. Schon ihre Worte hatten in seinen Ohren ernĂĽchtert geklungen, doch jetzt sah er es auch an ihrem Gesicht, dass sie all ihrer Illusionen beraubt schien und das verwirrte ihn nur noch mehr.

Unmerklich presste sie ihre Lippen zusammen, schaute ihn zudem mitleidig an, was ihm missfiel, doch andererseits hielt sie ihm vor Augen, was er selbst nicht zu sehen imstande war. Mit leiser Stimme, die in diesem groĂźen Raum verloren wirkte, verabschiedete sie sich, bevor sie ihn langsamen Schrittes verlieĂź. Er blickte ihr einen Weile nach, bis er sie nicht mehr sehen konnte.

Ihre Worte hatten etwas in ihm bewegt, hatten einen zuvor reglosen Felsbrocken für wenige Zentimeter aus seiner Mulde verschoben und eine kleine Ritze geschaffen, durch die ein wenig Licht bis in die Tiefen des dunklen Seins hindurchscheinen konnte, um ihn zu wärmen.

Selbstversunken wandte er seinen Kopf wie in Zeitlupe, betrachtete dabei den staubigen Boden, bis er die krallenartigen Füße des Spiegels sah und seufzend aufblickte. Als sein Blick auf die quecksilberne Oberfläche traf, erschrak er so schlimm, dass er zusammenfuhr, weil Hermine dicht vor ihm stand und ihn sanft anlächelte. Sie war nicht aus Fleisch und Blut, sondern eine Spiegelung seines eigenen Sehnens.

Mit seiner Weisheit am Ende schloss er verstört die Augen. Sie zu erblicken war seines Erachtens ein genauso aussichtsloses Sinnen und Trachten. Er hätte mehr Chancen, sich mit Lily vereint zu sehen, vorausgesetzt es würde so etwas wie ein „Leben danach“ geben.

Im Bett wälzte sich Hermine hin und her. Ohne Harrys Mutter verunglimpfen zu wollen fragte sie sich, was Lily an sich gehabt haben mochte, das sie noch nach ihrem Tode so begehrenswert machte.

In den Kerkern machte Severus gar nicht erst den Versuch, sich ohne einen „Schlaftrunk für Traumlosen Schlaf" zur Nachtruhe zu begeben.

Einige TĂĽren weiter lag Draco wach im Bett und knabberte unbewusst an seinem Daumennagel, denn mit den Gedanken war er bei seinem Vater, dessen Verhandlung morgen beginnen wĂĽrde.

Lucius hingegen schlief den Schlaf der Selbstgerechten. In seinem Traum kuschte jedermann vor seiner majestätischen Erscheinung, der von ihm ausstrahlenden Autorität und seiner gespaltenen Zunge, die zudem der einer Schlange ähnelte, und wie auch eine Schlange sich winden konnte, wand er sich mit Worten, fand verbale Auswege und bedachte die Gamotmitglieder um sich herum mit verblümten Drohungen.

Gut erholt streckte er sich im Bett liegend. Draußen war es noch dunkel und ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es gerade mal nach sechs war. Seine Augen ließ er durch das Krankenzimmer schweifen, denn in gewisser Weise hatte er diesem Ort etwas abgewinnen können. Er könnte später diesen Raum vermissen. Die Routine würde ihm fehlen: die festen Essenszeiten, die Besuche von Marie, seine Gespräche mit Gregory Goyle, der natürlich niemals geantwortet hatte. Alles in allem hatte Lucius für heute ein gutes Gefühl, wenn da nur nicht Mr. Duvall wäre, bei dem er mit bösen Überraschungen rechnete.

Marie brachte ihm, nachdem sie bemerkt hatte, dass er schon so früh wach war, gleich das Frühstück, damit er sich für seine Verhandlung stärken könnte.

„Ich wünsche Ihnen alles Gute, Mr. Malfoy“, sagte sie aufrichtig und auch ein wenig betrübt.
„Marie, ich werde doch wiederkommen. Die Verhandlung wird sicherlich mehrere Monate dauern und ich hoffe, dass man mich während dieser Zeit weiterhin hier nächtigen lässt.“ Er hob den Deckel einer kleinen Porzellanschale und schaute verwundert drein. „Ein Schokoladentörtchen? Heute ist doch gar nicht Sonntag.“
„Ich weiß ja, dass Sie die mögen.“
„Das ist sehr freundlich von Ihnen, Marie.“

PĂĽnktlich um halb acht kam Sid. Lucius hatte sich fĂĽr heute extra einen der neuen und daher noch nicht ausgeleierten HausanzĂĽge des Krankenhauses ĂĽbergezogen, denn eigene Kleidung besaĂź er nicht.

Sid händigte ihm nach einer Begrüßung einen Sack aus und erklärte mit bedächtiger Stimme: „Es ist entschieden worden, dass Sie zur Verhandlung Sträflingskleidung tragen müssen.“
„Wie bitte?“ Die Empörung war nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen. Lucius Augen hatten sich verengt und er zeigte die Zähne, während seine Stirn sich kräuselte.
„Reine Schikane vom Ministerium, Mr. Malfoy. An Ihrer Stelle würde ich das über mich ergehen lassen.“
„Ich denke nicht daran. Ich…“
Sid unterbrach ihn. „Geben Sie denen keine Angriffsfläche und kooperieren Sie. Außerdem möchte ich Sie darüber in Kenntnis setzen, dass die Presse zwar nicht während der Verhandlung anwesend sein wird, jedoch mein Ersuchen, das entsprechende Stockwerk für Journalisten unzugänglich zu machen, abgelehnt wurde. Sie müssen auf den Gängen also mit Fotografen und Reportern rechnen.“
„Ah“, machte Lucius wütend. „Das ist der Grund, warum ich Sträflingskleidung tragen soll! Man will gegen mich mobil machen, indem die Bevölkerung den Tagespropheten aufschlägt und mich sofort anhand der Kleidung als Verbrecher abstempelt.“
„Sie sind ein Verbrecher!“, konterte Sid gelassen und machte damit sein Gegenüber einen Augenblick sprachlos. „Machen Sie sich nichts vor, Mr. Malfoy. Sie haben einiges auf dem Kerbholz, aber glauben Sie mir, wenn ich Ihnen verspreche, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, um Ihr Strafmaß so gering wie nur möglich zu halten.“

Die Erkenntnis, gegen diese Behandlungsweise nichts unternehmen zu können, versetzte Lucius einen Schlag. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich zu beugen.

„Ach“, sagte Sid, dem gerade etwas eingefallen war. „Sie werden magische Fesseln tragen müssen. Meine Einwände stießen leider auf taube Ohren.“
„Vielleicht“, begann Lucius grantig, „hätten Sie einfach nur mal mit der Faust auf den Tisch schlagen sollen!“
„Das hätte nichts gebracht, denn sehen Sie“, Sid blickte Lucius in die Augen, „mich kann man genauso wenig leiden wie Sie.“
„Wie außerordentlich tröstlich“, zischte der Blonde gereizt, der die Sträflingskleidung mit Ekel betrachtete. Die gute Laune durch den Traum, die er für den Rest des Tages bewahren wollte, war zunichte gemacht.
„Vier Wärter werden Sie abholen.“
„Vier?“
„Ja“, bestätigte Sid. „Vier, und auch hier lege ich Ihnen nahe, eine eventuelle grobe Behandlung hinzunehmen.“
„Was für eine grobe Behandlung?“
„Es wäre möglich, dass man Sie ’versehentlich’ stößt, um Sie zum Gehen zu bewegen oder gar hart anpackt. Achten Sie in solchen Fällen bitte auf Ihr Mundwerk, Mr. Malfoy. Am besten sagen Sie gar nichts und zeigen sich ausschließlich von Ihrer höflichen Seite.“

Widerwillig hatte sich Lucius in dem kleinen Waschraum des Krankenzimmers die Sträflingskleidung angezogen. Die vier Wärter des Ministeriums waren pünktlich und fesselten seine Hände mit einem gezielten Incarcerus. Sein Beistand blieb bei ihm und lief voran zu den Kaminen, mit denen sie ein Büro der Abteilung für Magische Strafverfolgung erreichten.

In diesem Büro war es angenehm ruhig. Lucius fühlte sich einigermaßen wohl, auch wenn er damit rechnete, dass es in wenigen Stunden anders aussehen würde. Eine Dame und ein Herr ließen den Beistand etwas unterzeichnen, bevor sie die Tür öffneten, die zum Gang im zweiten Stock des Ministeriums führte.

Lucius traf der Schlag – oder besser gesagt der Blitz und zwar der eines Fotografen, der von ihm ein Foto geschossen hatte. Weitere Blitzlichter folgten, weswegen Lucius die Augen zusammenkniff. Auf dem Gang waren noch andere Menschen darauf aufmerksam geworden, dass ihre Schlagzeile namens Lucius Malfoy gerade eben eingetroffen war. Zu den vielen Klickgeräuschen der Kameras und dem andauernden Blitzgewitter kamen nun auch noch unzählige, durcheinander sprechende Stimmen, die Lucius in den Ohren rauschten.

Einerseits war es nett zu wissen, dass die Öffentlichkeit ihn nicht vergessen hatte, dachte Lucius, doch auf der anderen Seite war der Grund für die aufgebrachten Journalisten keiner, den er gutheißen konnte. Seine Rolle war diesmal nicht die eines großzügigen Gönners, der dem Mungos mit einer großen Spende unter die Arme griff, sondern die des berühmten und verachteten Todessers, dem man einiges zur Last legte.

„Machen Sie Platz! Treten Sie zur Seite!“, rief der kräftigste der vier Wärter, während einer der anderen ihn fest am Oberarm packte und nach draußen führte. Es widerstrebte Lucius, dieses behagliche Büro zu verlassen, doch er musste. Seinen Blick hielt er starrt auf den Boden gerichtet.

„Mr. Malfoy? Mr. Malfoy?“

Die Journalisten waren wie Hyänen. Sie drängten sich gegenseitig ab, stießen sich mit den Ellenbogen und schrieen sich die Kehle aus dem Hals – es war nur eine Frage der Zeit, wann sie sich an dieselbe gehen würden.

„Mr. Malfoy, wann haben Sie das dunkle Mal angenommen?“
Durch die vielen Blitze konnte Lucius kaum noch etwas sehen, aber er fühlte einen warmen Atem an seinem Ohr und die Stimme seines Beistandes riet ihm: „Antworten Sie auf keine der Fragen!“
Ein schmächtiger Schmierfink hatte es geschafft, sich gegen seine stämmigen Kollegen durchzusetzen und sich bis nach vorn zu kämpfen. „Mr. Malfoy, was sagen Sie zu der Hochzeit Ihres Sohnes?“

Was er dazu sagte, wusste er selbst nicht. Darauf hätte er auch ohne den Rat seines Beistandes nicht geantwortet.

Schon jetzt waren die kratzenden Geräusche unzähliger, magischer Schreibfedern beinahe unerträglich. Lucius wunderte sich, was sie schreiben würden, wo er doch kein Sterbenswörtchen von sich gegeben hatte.

„Malfoy!“, rief jemand und Lucius ärgerte sich darüber, dass die höfliche Anrede weggelassen wurde, weswegen er aufblickte, um denjenigen ausfindig zu machen. Das sorgte jedoch nur dafür, dass vermehrt Fotos gemacht wurden, damit man ein anständiges Bild von ihm schießen konnte, auf dem auch sein Gesicht zu sehen war. Die vielen Stimmen riefen durcheinander, weswegen er sein Haupt wieder senkte, um diesen Klatschreportern das Titelblatt zu versauen.

Eine röhrende Stimme übertönte alle anderen. „Wen haben Sie alles auf dem Gewissen?“

’Niemanden’, beantwortete Lucius diese Frage in Gedanken. Eine einigermaßen reine Weste hatte er in weiser Voraussicht immer behalten wollen, denn es hätte ja sein können, dass Voldemort nicht als Sieger hervorgehen würde und so war es am Ende auch gekommen.

„Haben Sie ’Du weißt schon wer’ mit Informationen aus dem Ministerium versorgt?“ Diese Frage kam von jemandem, der von seinen Konkurrenten nicht nach vorn gelassen worden war.

Von allen Seiten wurde Lucius bedrängt und angerempelt. Die vier Wärter hatten arge Mühe, die ungehobelten Zeitungsfritzen auf Abstand zu halten. Sie mussten immer langsamer gehen und eine Schneise durch die Menschenmenge schlagen wie ein Forscher auf Expedition, der im Dschungel die Machete zückte, um im Dickicht voranzukommen.

„Ist es wahr, dass Sie damals den Schulrat erpresst haben?“

Es war ihm bis heute unverständlich, warum man ihn dafür nicht schon damals belangt hatte.

„Haben Sie einen Unverzeihlichen angewandt?“

Mittlerweile zerrte man an seinem gestreiften Oberteil, um ihn zum Aufblicken zu bewegen. Man wollte für die Abendausgabe ein Foto von ihm ergattern, doch Lucius stellte sich stur, biss die Zähne zusammen. Für seine Wärter war er dankbar, denn ohne sie würde man ihn womöglich zerfleischen. Schon jetzt kam er sich wie ein saftiges Stück Fleisch vor, mit dem man provozierend vor dem Käfig eines hungrigen Tigers wedelte.

Eine milde Frauenstimme, die sich einzig aufgrund ihres hellen Klanges gegen die lauten Organe der Männer durchsetzen konnte, erweckte seine Aufmerksamkeit, denn sie fragte wohlerzogen: „Mr. Malfoy, wenn mir die Frage gestattet ist: Mögen Sie lieber Veilchen oder Osterglocken?“

Lucius blieb stehen und blickte verwundert und gleichermaßen amüsiert auf. Die Menschenmenge war mit einem Male still, selbst seine Wärter hielten inne und zerrten nicht mehr an seinen Armen. Seine Augen trafen auf die silbergrauen einer blonden, jungen Frau, die ihm verträumt ein Lächeln schenkte und dabei einen Frieden ausstrahlte, als hätte man soeben einen Garten betreten, dessen bezaubernder Anblick einem eine leidenschaftliche Ergebenheit abverlangte. Ihr entrückter Blick entführte ihn für einen Moment an den Ort, an dem sie sich befinden musste.

„Osterglocken“, antwortete er galant.


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