von Muggelchen
„Mr. Zabini“, grüßte Kingsley erstaunt, denn er hatte nicht mit einem Besuch des jungen Mannes gerechnet, der seine artige und ruhige Tochter an der Hand hielt.
„Mr. Shacklebolt, verzeihen Sie bitte, dass ich Sie unangemeldet aufsuche. Es geht um…“ Blaise verstummte, als der Mann mit den breiten Schultern ihm die Hand entgegenstreckte, die er kurz, aber kräftig schüttelte.
„Nehmen Sie beide doch bitte Platz.“ Der Aufforderung kam Blaise sofort nach. An Berenice gerichtet fragte Kingsley mit warmer Stimme: „Wie geht es dir, Kleine?“ Sie lächelte nur schüchtern. „Möchtest du einen Bonbon?“ Eine Schale, die auf dem Tisch stand, an das Mädchen reichend streckte sie bereites die kleine Hand aus, doch auf der Hälfte des Weges hielt sie inne und blickte ihren Vater fragend an, der ihr mit einem kurzen Nicken die Erlaubnis gab, zugreifen zu dürfen. „Mr. Zabini, wenn ich mir die Frage erlauben darf: Wie haben Sie sich wieder einleben können? Es ist ja noch nicht allzu lange her, dass wir Sie gefunden haben.“
Zunächst kräftig schluckend erwiderte Blaise im Anschluss: „Danke der Nachfrage, ich hatte einige Menschen um mich herum, die mir meine Situation erleichtert haben. Die Angestellten im Ministerium sind auch sehr freundlich. Gerade eben hatte ich einen Antrag gestellt.“
„Sie möchten sicherlich Ihr Haus zurückerhalten“, hatte Kingsley richtig geraten, denn dann könnte der junge Mann mit seiner Tochter ein normales Leben beginnen.
„Ja Sir, aber es scheint Probleme zu geben. Meine Mutter ist verschollen und sie ist die rechtmäßige Eigentümerin. Da sie nicht als verschieden in den Akten geführt wird…“
„Wir mussten leider solche Vorkehrungen treffen, Mr. Zabini. Es gab einige Fälle, in denen Menschen den Grund und Boden von vermissten Familienangehörigen an sich gerissen hatten, um es zu veräußern. Die Verschollenen standen vor dem Nichts, nachdem sie unerwartet wieder aufgetaucht waren.“
Blaise senkte seinen Blick und fühlte sich gekränkt, weil man indirekt auch von ihm glaubte, das Verhältnis zu seiner Mutter wäre womöglich so schlecht, dass er ihr in diesem Sinne schaden wollen würde.
„Aber“, fuhr Kingsley ermutigend fort, „ich denke, wir können in Ihrem Fall eine Ausnahme machen. Sie müssten nur unterschreiben, dass Sie den Besitz Ihrer Mutter weder baulich verändern, an Dritte veräußern oder mutwillig zerstören möchten und ich werde dafür sorgen, dass Sie nicht lange warten müssen. Ich werde ein Nutzungsrecht für Sie erwirken; das Haus wird weiterhin Ihrer Mutter gehören, aber Sie dürfen darin wohnen. Was das Vermögen betrifft, so wird man Ihnen sicherlich eine Art ’Pflichtteil beim Erbe zu Lebzeiten’ gewähren. Mit dem sollten Sie auskommen, denn ich war so frei, mich über den Inhalt der Verliese bei der Bank zu erkundigen.“
„Ich wäre Ihnen dafür sehr dankbar, Mr. Shacklebolt. Wir haben keine Bleibe und Gringotts hatte mir bisher nur einen Vorschuss aus dem Familienvermögen gewährt.“
„Die kleinen Männer“, warf Berenice breit grinsend ein, weil sie den Namen der Bank mit den nicht sehr groß gewachsenen Kobolden assoziierte. Ihr Vater lächelte ihr zu und zeigte damit, dass sie richtig lag.
Nachdem Kingsley zwei Formulare ausgefĂĽllt und Blaise zum Lesen gegeben hatte, unterschrieb der junge Mann beide und gab sie zurĂĽck.
„Ich schätze“, wägte Kingsley ab, „dass Sie morgen Vormittag herkommen und sich bereits die Bestätigung abholen können, das Haus beziehen zu dürfen. Die ministeriumseigenen Schutzzauber werden natürlich aufgehoben.“ Die Formulare legte Kingsley nicht auf den großen Stapel auf seinen Tisch, sondern separat in die Mitte, bevor er sich erneut Blaise zuwandte. „Aber ich hatte Sie anfangs gleich unterbrochen, Mr. Zabini. Es klang so, als hätten Sie mich wegen einer ganz anderen Angelegenheit aufgesucht.“
Nickend bestätigte Blaise die Vermutung seines Gegenübers. „Es geht um Mr. Gregory Goyle junior.“
„Was ist mit ihm?“, wollte Kingsley wissen.
„Nun ja, ich dachte, das könnten Sie mir sagen.“ Es war deutlich herauszuhören, dass Blaise besorgt schien.
Kingsley war ein wenig skeptisch, doch nicht dem jungen Mann gegenüber, sondern nur aufgrund des Interesses. „Darf ich fragen, warum Sie sich über Mr. Goyle informieren möchten?“
„Es ist kein Verbrechen, sich um einen Menschen zu kümmern, der dem Tode nahe ist oder?“, fragte Blaise scheinbar zusammenhanglos und in einem Tonfall, der nur eine Antwort zuließ.
„Nein, ist es nicht.“
„Wird daraus ein Verbrechen, wenn dieser Mensch das dunkle Mal auf dem Arm trägt?“
„Ich würde auch hier verneinen, Mr. Zabini, solange es nur um das Leben dieses Todessers ging, nicht aber darum, ihn bei einem fragwürdigen Vorhaben zu unterstützen.“ Kingsley blickte Blaise in die Augen und wartete darauf, erleuchtet zu werden.
So erzählte Blaise mit leiser Stimme die Ereignisse, die sich damals zugetragen hatten. Er schilderte, wie Pansys und seine Familie zu den Menschen gehört hatten, die von Todessern dazu aufgefordert worden waren, sich Voldemort anzuschließen. Unabhängig voneinander waren Pansy und er von den Eltern dazu angehalten worden, die gewohnte Umgebung zu verlassen und unterzutauchen, damit sie sich nicht um das Leben des einzigen Kindes sorgen mussten, wenn sie sich gegen die Todesser und Voldemort aufzulehnen wagten.
Die ganze Zeit hatte Kingsley zugehört, bevor er nachfragte: „Sie sagten, es gäbe einen großen Gutshof in Peninver, der unter Fidelius stehen würde?“
„Das hatte Miss Parkinson während ihrer Reise erfahren. Wenn man sich an dem Ort aufhalten würde, wo das Gebäude stehen müsste, dann würde irgendwann der Geheimniswahrer hinauskommen, der dann entscheiden würde, ob er einen einließe oder nicht. Ich weiß nicht, ob es der Wahrheit entspricht, aber das war wenigstens ein Ziel. Man konnte ja niemandem mehr trauen.“
Nur zu gut konnte sich Kingsley an die Intrigen erinnern, die während der Kriegszeit gesponnen worden waren. Niemand wusste mehr, ob der Nachbar – wenn schon nicht aus Überzeugung, dann vielleicht aus Angst um das eigene Leben – ein Verbündeter Voldemorts gewesen war oder nicht. Man konnte zu keiner Zeit an keinem Ort sicher sein, durfte nicht frei und offen sagen, was man dachte. Nur im Phönixorden, erinnerte sich Kingsley, da war man sich hundertprozentig sicher, dass es keine Spione gegeben hatte.
„Diese Reise muss für Sie sehr anstrengend gewesen sein“, sagte Kingsley mitleidig.
„Es war ein weiter Weg zu Fuß. Ich war recht bald meiner ehemaligen Klassenkameradin über den Weg gelaufen. Es war schön jemanden zu treffen, dem man vertraute. Wir fühlten uns gemeinsam viel sicherer, und wir hatten es vermieden, in einem Ort länger als eine Nacht zu bleiben. Oft sind wir sogar in der Dunkelheit weitergegangen und haben tagsüber ein kurzes Nickerchen gehalten. Zum Glück war es warm gewesen.“
„Sie haben nie die Zauberstäbe benutzt?“, wollte Kingsley wissen, der sich gar nicht vorstellen wollte, wie beschränkt ein Leben ohne Magie sein würde. „Wie haben Sie sich ernährt?“
Einmal die Schultern hebend und senkend zählte Blaise auf: „Gemüse und Obst von Muggelbauern, Vogeleier, Fisch, alle möglichen Pflanzen. Einmal hatte ich sogar einen Hasen gefangen, aber Miss Parkinson sagte, sie würde lieber stundenlang für uns beide Beeren pflücken, bevor sie mit ansehen müsste, wie ich einem so niedlichen Tier das Fell über die Ohren ziehe. Ich hab ihn laufen lassen.“
Mit einem milden Lächeln erinnerte sich Blaise an diesen besagten Tag, denn da waren sich die beiden das erste Mal näher gekommen.
„Wir haben sehr viel später Gregory Goyle gefunden“, gestand Blaise flüsternd, als würde er erwarten, allein deswegen sofort nach Askaban geschickt zu werden. „Er war völlig…“ Angewiderte schüttelte er den Kopf. „Wir hätten ihn beinahe nicht erkannt. Man musste ihm ins Gesicht getreten haben; alles war stark angeschwollen. Zwei seiner Rippen waren angebrochen und er hatte einen Schienbeinbruch. Er war nur bedingt bei Bewusstsein, als wir ihn fanden; er war sehr verwirrt und sagte immer wieder, dass er seinen Vater hasste. Miss Parkinson war der Überzeugung, dass man ihn mit dem Cruciatus gefoltert haben musste. Seine Muskeln zogen sich spasmisch zusammen und er spuckte ein wenig Blut. Aus Erzählungen wusste sie von ihrem Vater, wie jemand aussehen könnte, der mit dem Cruciatus gefoltert worden war.“ Weil Kingsley die Augenbrauen zusammenzog, erklärte Blaise schnell: „Ihr Vater hatte einmal durch Zufall ein solches Opfer gesehen.“ Kingsley nickte verständnisvoll, so dass Blaise fortfuhr. „Wir haben uns um Gregorys Wunden gekümmert und ihn mitgenommen, die ganze Zeit über zusammen getragen, ihn gefüttert und sauber gehalten, bis wir nach ein paar Tagen an einen abgelegenen See gekommen waren. Miss Parkinson hatte die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und all unsere Kleidung gewaschen und so auch die von Goyle. Erst da haben wir das dunkle Mal entdeckt; beide haben wir so getan, als hätten wir es nicht gesehen, aber uns beiden war in diesem Moment auch klar geworden, dass Gregory kein überzeugter Todesser war, nur weil er das Mal trug.“ Blaise lachte kurz auf, als er einen abstrusen Vergleich zog, denn er sagte: „Und auch nicht jeder, der eine Krone trägt, ist automatisch ein König.“ Er schüttelte sachte den Kopf und flüsterte: „Er ist da hineingeboren worden und konnte gar nichts dagegen tun.“
„Wie ging es mit Ihnen dreien weiter?“
„Nach und nach hatte Gregory bald wieder klar denken können. Er hat uns nicht viel erzählt, nur immer wieder beteuert, dass er nicht wie sein Vater wäre. Wir waren mit ihm insgesamt ungefähr fünf Wochen unterwegs. Ständig mussten wir uns verstecken, weil die Wege und Straßen nicht sicher waren. Es hätte auf diese Weise ewig gedauert, Peninver zu erreichen. Gregory sagte, wir müssten sehr vorsichtig sein, denn wenn Pansy nur durch Zufall von Peninver gehört hätte, dann würden die Todesser sicherlich längst davon wissen.“
Unaufgefordert schenkte Kingsley seinem Besuch und dessen artiger Tochter einen Tee ein.
„Sie hatten damals beim Verhör gesagt, dass Sie die Zauberstäbe absichtlich neben zwei Brandleichen gelegt hatten, damit man Sie beide später für tot erklären würde“, warf Kingsley ein.
„Ja, unsere Stäbe sollten neben den Brandopfern ja nicht wie neu aussehen, deswegen sind wir vorsichtig in das schon sehr heruntergebrannte Haus hineingegangen, um die Stäbe zu tauschen.“
„Warum haben Sie nur zwei Stäbe getauscht? Hatte Mr. Goyle keinen bei sich?“, wollte Kingsley wissen.
Blaise schüttelte den Kopf. „Hatte er nicht, aber zu diesem Zeitpunkt war er nicht mehr bei uns, denn kurz vorher…“ Blaise holte Luft. „Am gleichen Tag gab es eine Auseinandersetzung zwischen Todessern und Muggeln. Man hatte Goyle erwischt.“
Erstaunt fragte Kingsley: „Mr. Goyle wurde von den Todessern überwältigt?“
„Nein Sir, er wurde von den Muggeln mitgenommen! Uns hatte man zum Glück nicht gesehen und wir konnten uns verstecken, aber Gregory war durch sein Bein – es war noch nicht ganz verheilt – sehr langsam gewesen; er konnte nicht mit uns mithalten. Sie haben ihn erwischt.“
„Das ist wirklich“, sagte Kingsley mit hochgezogenen Augenbrauen, „sehr ungewöhnlich, Mr. Zabini. Haben Sie eine Ahnung, was für Muggel das gewesen sein könnten?“
„Nein, aber wir haben gehört, dass sie ihn nach Clova bringen wollten.“
Eins und eins waren schnell zusammengezählt, denn in der Nähe von Clova lag Hopkins’ kleine Festung, doch dem jungen Mann wollte er davon nichts sagen.
„Das war auch der Tag gewesen“, fragte Kingsley, „an welchem einer der Todesser Miss Parkinson mit einem Gegenstand in den Rücken gestochen hatte?“
„Richtig, Sir. Miss Parkinson fühlte sich danach sehr schwach, obwohl der Stich nicht tief gewesen war. Ich habe gleich geahnt, dass es sich um irgendeine Art Gift handeln musste, das sich nun in ihrem Blutkreislauf befand. Sie war zu diesem Zeitpunkt schon im dritten Monat schwanger, müssen Sie wissen. Ich hatte große Sorgen.“
„Sie haben Peninver bald aufgegeben, wie es aussah, denn Malfoy Manor liegt in einer ganz anderen Richtung“, kombinierte Kingsley.
„Der Weg war zu gefährlich. Miss Parkinson war davon überzeugt, dass die Todesser uns im Haus eines Todessers nicht suchen würden. Wir wussten ja aus den Zeitungen, dass man Mrs. Malfoy schon seit einiger Zeit vermisst gemeldet hatte und dass Draco von der Bildfläche verschwunden war. Außerdem gingen wir davon aus, dass Mr. Malfoy sich nach dem Ausbruch aus Askaban sicherlich nicht nachhause wagen würde, also musste das Haus leer stehen. Als Freund der Familie waren die Schutzzauber für Miss Parkinson kein Problem und solange ich bei ihr war, konnte auch ich das Haus betreten. Ein Problem waren anfangs die vielen Auroren, die das Herrenhaus bewacht hatten. Wir warteten zwei Nächte und nutzten in der dritten einen Schichtwechsel, um das Haus heimlich zu betreten. Dank des kräftigen Schutzwalls war es möglich, im Haus zaubern zu können, ohne dass irgendwelche Magiesignaturen nach außen gelangten und deswegen hatte ich einen der Stäbe aus der Vitrine genommen.“
Eine kurze Sprechpause nutzte Blaise, um von seinem Tee zu nippen. Er wollte nicht, dass sie Erinnerungen an die Zeit in Malfoy Manor ihn traurig stimmten. Sein GegenĂĽber strahlte jedoch so eine Vertrautheit aus, dass er sich einen Ruck gab.
„Miss Parkinson ging es während der restlichen Zeit der Schwangerschaft gar nicht gut, aber sie hat tapfer durchgehalten. Kaum war Berenice zur Welt gekommen, glaubte ich meine Lebensgefährtin verloren. Ich war von ihrem unerwarteten ’Tod’ völlig schockiert, aber noch verstörender war es gewesen, als sie nach ein paar Stunden wieder bei sich war. Sie sagte, sie hätte alles hören und fühlten können, aber sie konnte sich nicht bewegen; nicht einmal atmen. Sie hatte den Stich dafür verantwortlich gemacht.“ Blaise seufzte. „Ich habe mich bald damit abgefunden, dass sie nur selten und in unregelmäßigen Rhythmen aufwacht. Alleine konnte ich das Haus durch die Schutzzauber nicht verlassen, aber wohin hätte ich auch gehen sollen, um Hilfe zu holen?“ Er schüttelte den Kopf. „Die Situation war so verfahren, dass wir uns in dem Haus irgendwann heimisch fühlten – heimisch fühlen wollten. Wir wollten warten, bis der Krieg vorüber war, aber wir hatten keinerlei Anhaltspunkte; keine Zeitungen, keine Informationen – und wenn der Krieg vorüber sein sollte, dann bliebe für uns immer noch die Frage, welche Seite wohl gewonnen haben mochte und so haben wir uns dazu entschlossen, einfach dort zu bleiben und uns um die Welt draußen erst einmal nicht mehr zu kümmern.“
Berenice wollte auch etwas erzählen und sagte, während ihre Augen lebendig funkelten: „Die schöne Frau hat Kekse gekauft!“
Weil Kingsley ein wenig irritiert, aber dennoch amüsiert dreinschaute, erklärte Blaise lächelnd: „Als wir gemerkt haben, dass jemand im Haus war – Mrs. Malfoy – da habe ich beschlossen, dass wir das Zimmer nicht mehr verlassen, aber wie es scheint“, er blickte zu seiner Tochter hinüber, „haben sich nicht alle dran gehalten.“
„Aber ich war doch ganz leise“, versicherte die Kleine schmollend. „Wie du es mir immer gesagt hast.“
Grinsend lieĂź Kingsley ein paar Kekse an den Tisch schweben, woraufhin Berenice begeistert zugriff.
Den Vater des Mädchens ansehend sprach Kingsley eine Sache an, die ihn persönlich interessierte: „Sie hatten den einen Abend, als wir Sie festgenommen hatten, ein äußerst gutes Gehör.“
Blaise musste ein Lächeln unterdrücken, gab jedoch zu: „Wir mussten uns während unserer Reise nach Peninver sehr häufig auf unsere Ohren verlassen, ganz besonders wenn es dunkel war. Man lernt irgendwann, auf bestimmte Geräusche zu achten: reibende Kleidung, Schritte, knackende Äste. Miss Parkinson und ich konnten sehr bald verschiedene Tierarten unterscheiden und zwar allein aufgrund der Geräusche, die sie beim Gehen verursacht haben. Einmal hatte sich jemand angeschlichen, den wir nicht sehen konnten, wir hörten auch keine Schritte, aber derjenige hatte geatmet. Wir konnte ihn nur aufgrund dieses leisen Geräuschs überwältigen.“ Blaise blickte zu Berenice hinüber, die an einem Keks knabberte. „Wir haben uns in Malfoy Manor selten unterhalten und wenn, dann nur sehr leise. Sie hat auch angefangen, auf Geräusche zu achten; dachte immer, sie könnte vielleicht irgendwann ihre Mutter atmen hören.“
„Hat Professor Puddle oder Professor Junot Sie darüber unterrichtet, wie es mit Miss Parkinson weitergehen wird?“, wollte Kingsley wissen, weil das Schicksal der jungen Frau ihn nicht unberührt ließ.
„Sie versuchen ihr Bestes, aber ich habe mich auch an Professor Snape gewandt. Professor Junot hatte mir gesagt, dass aus Hogwarts die bisher einzige Antwort wegen des Trankes gekommen war und die Information auch noch sehr hilfreich wäre.“
„Hatten Sie Professor Snape wegen Mr. Goyle gefragt?“
Nickend bestätigte Blaise. „Er sagte, ich solle mit Ihnen darüber reden.“
Kingsley nahm einen tiefen Atemzug, bevor er dem jungen Mann eine äußerst vertrauliche Information gab.
„Mr. Goyle liegt im Mungos, gar nicht mal so weit weg von dem Zimmer, in welchem Miss Parkinson liegt.“
Erstaunt fragte Blaise nach: „Auf der gleichen Station?“
„Ja, als man ihn gefunden hatte, sah er ähnlich aus wie Sie es beschrieben hatten. Ich vermute, dass die Muggel ihm nochmals sehr zugesetzt haben müssen. Er hat das Bewusstsein verloren und ist bisher nicht aufgewacht.“
„Vom Regen in die Traufe“, flüsterte Blaise mitfühlend, bevor er seinem Gegenüber in die Augen blickte. „Er ist noch nicht aufgewacht? Nicht ein einziges Mal?“
„Nein, leider nicht. Man kümmert sich um ihn, aber man kann ihn nicht behandeln, weil man nicht weiß, warum er nicht aufwacht. Er reagiert aber auf Schmerzreize und zeigt Abwehrreaktionen.“
„Dürfte ich ihn wohl besuchen?“, fragte Blaise erwartungsvoll, weil er das Gesicht des ehemaligen Schülers, der ihm in einer schlimmen Zeit sympathisch geworden war, gern noch einmal sehen würde.
„Ich befürchte leider, dass das nicht realisierbar wäre. Nicht wegen Ihnen, Mr. Zabini, und auch nicht wegen Mr. Goyle selbst, aber wegen dessen Zimmergenossen. Vielleicht wäre es aber möglich, Mr. Goyle in ein anderes Zimmer zu verlegen?“ Blaise nickte verständnisvoll, bevor Kingsley fragte: „Hat Mr. Goyle etwas über seine Zeit bei den Todessern gesagt? Wo sie sich aufgehalten hatten oder wer alles dabei gewesen war?“
„Nein, nicht sehr viel. Er sagte nur, er hätte von nun an keinen Vater mehr. Ich hatte aus Gesprächen heraushören können, dass er jemanden umbringen sollte; er hätte es nicht gekonnt. Ich habe nie nachgefragt, aber ich war mir sicher, dass man ihn deswegen so zugerichtet hatte. Man dachte wohl, er würde sterben und deswegen hatten sie ihn allein gelassen. Mr. Goyle sagte einmal zu mir, wenn er eines Tages sterben sollte, dann nicht in seinem Elternhaus und schon gar nicht vor den ganzen Todessern. Man kann vermuten, dass die Todesser im Haus der Goyles gewesen waren, aber ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen. Er musste seine letzte Kraft dazu aufgebracht haben, sich nach draußen zu robben. In der gleichen Nacht hatten wir ihn gefunden. Wir wussten nicht einmal, dass ganz in unserer Nähe Todesser waren.“
Während Berenice bereits den dritten Keks wortlos verputzte, atmete Kingsley erleichtert durch.
„Es ist gut, dass Sie mit mir gesprochen haben, Mr. Zabini. Ich denke, ich werde es ermöglichen können, dass Sie Mr. Goyle besuchen können. Wo kann ich Sie erreichen?“
„Momentan dürfen wir noch im Krankenhaus bleiben, aber wenn ich morgen tatsächlich das Haus bekommen könnte…“
„Das wird sicherlich reibungslos vonstatten gehen“, versicherte Kingsley.
Sie verabschiedeten sich voneinander und kaum war die Tür geschlossen, hörte Kingsley ein Plop hinter sich. Ein Elf war erschienen.
„Sir, Melua hat einen Termin bei Mr. Shacklebolt“, sagte die betagte Hauselfe, deren Augen aufgeregt blinzelten.
„Seien Sie herzlich gegrüßt, Melua. Setzen Sie sich doch bitte“, grüßte Kingsley freundlich, doch er rechnete nicht damit, dass die Elfe an Ort und Stelle Platz nahm und zwar auf dem Boden. Dieser Anblick bewegte und verärgerte ihn gleichermaßen, doch er riss sich zusammen. Neben sich auf das Polster der Couch klopfend sagte er: „Nehmen Sie doch bitte hier Platz, das ist wesentlich gemütlicher.“
Skeptisch blickte die Elfe auf die Couch, als würde sie mit einer bösen Falle rechnen, doch sie kam seiner Aufforderung – wenn auch sehr zögerlich – nach. „Sie wissen, warum ich mit Ihnen sprechen möchte?“ Die Elfe nickte heftig, doch man sah ihr an, dass sie sich nicht wohl fühlte. „Sie können offen und ehrlich mit mir sein. Unser Gespräch ist vertraulich; Ihr Meister darf sich nicht über das heutige Gespräch mit mir bei Ihnen erkundigen, das hat er bindend unterschrieben. Es gibt also keinen Grund, Angst vor einer möglichen Bestrafung zu haben.“
Die Elfe machte ein Gesicht, als hätte man ihr gerade ein für sie bestimmtes Henkersbeil gezeigt, doch sie nickte, obwohl sie der Situation nicht zu trauen schien.
„Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Ihrem Meister und dessen Familie bezeichnen?“, fragte Kingsley vorsichtig, doch die Elfe antwortete nicht. „Gibt es etwas, dass Sie in Ihrem Leben gar nicht mögen?“ Wieder hielt die Elfe ihren Mund, doch an ihrem Gesicht konnte Kingsley erkennen, dass sie nachdachte und sehr wahrscheinlich alle Fragen in Gedanken beantwortete. „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir Dinge nennen würden, die man in der Beziehung von Mensch und Elf verbessern könnte. Gibt es etwas, das Sie vorschlagen möchten?“
Die meisten Elfen hatten bisher so reagiert wie diese. Sie hatten alle aufmerksam zugehört, doch kaum etwas gesagt und schon gar nichts Schlechtes über ihren Meister. Wenige Elfen waren jedoch ehrlich gewesen und ihre Schilderungen hatten Kingsley schockiert.
Er seufzte, weil er ahnte, dass Melua, die sechzigjährige Hauselfe einer angesehen Zaubererfamilie, ebenfalls nichts zu den Umständen ihrer Beschäftigung sagen wollte, doch er hakte nach und fragte mit leiser, vertraulicher Stimme: „Werden Sie gut behandelt?“ Die Elfe kniff ihre Lippen zusammen, als würde sie sich selbst davon abhalten wollen, auch nur ein einziges Wort zu verlieren.
Erneut seufzte Kingsley, bevor er einen Moment lang wortlos neben der Elfe saß. Sich einen Tee einschenkend fragte er höflich: „Möchten Sie auch eine Tasse Tee?“
Aufgrund dieser unbedeutenden Frage brach die Elfe in Tränen aus, denn solche netten Worte waren noch nie an sie gerichtet worden.
In Hogwarts weinte sich noch jemand anderes die Augen aus und Harry hatte arge Mühe, Nicholas zu beruhigen, doch nichts, was er tat, stoppte die Tränen oder das laute Schreien.
„Hier“, sagte Ginny und reichte ihm eine kleine Dose. „Hermine hat gesagt, die Paste soll man auf dem Zahnfleisch verteilen, es wäre schmerzlindernd.“ Der kleine Junge war vom Schreien schon ganz rot im Gesicht; Harry hingegen vernahm bereits ein leises Klingeln im Ohr. Es war leicht, die Paste zu verteilen, denn Nicholas’ Mund war weit aufgerissen, während er seinen Zahnschmerz lauthals kundtat.
„Was meinst du, wie viel Dezibel Nicholas wohl erreicht?“ Harry grinste schelmisch, während er mit seinem kleinen Finger vorsichtig im Mund des Babys hantierte.
„Ich würde meinen, er wäre genauso laut wie ein Knallrümpfiger Kröter, der gerade explodiert“, erwiderte sie grinsend.
Das Baby wurde leiser, schluchzte noch ein paar Mal mitleiderregend, bevor er vor lauter MĂĽdigkeit die Augen schloss.
„Ich glaube“, sagte Harry leise, „ich habe jetzt einen Tinnitus.“
„Dagegen gibt’s einen Zauberspruch“, scherzte Ginny zurück, die Nicholas vorsichtig an sich nahm, um mit ihm ins Schlafzimmer zu gehen.
Es überraschte Harry, dass Wobbel ein paar Minuten später bei ihm auftauchte, obwohl dessen Arbeit laut Vereinbarung erst in ein paar Stunden beginnen würde.
„Wobbel“, grüßte Harry freudestrahlend, „was kann ich für dich tun?“
„Ich… ähm…“ Der Elf schien verlegen.
„Setz dich erst einmal. Möchtest du auch ein Stück Kuchen?“
Bereits zum Zauberstab greifend lieĂź er per Levitation je ein StĂĽckchen Schokoladenkuchen auf die beiden Teller schweben und aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie Wobbel seine ZauberkĂĽnste beobachtete und derweil kritisch mit dem Kopf schĂĽttelte, was Harry schon einmal bemerkt hatte. Der Elf setzte sich neben Harry und nahm dankend den Teller mit dem Kuchen entgegen. Er begann sofort zu Essen, so dass Harry es ihm gleichtat.
Erst nach drei Bissen Kuchen sagte Wobbel leise: „Sir, ich möchte in einer wichtigen Angelegenheit mit Ihnen sprechen.“ Verdutzt blickte Harry seinen kleinen Freund an und lauschte, als Wobbel verbesserte: „Beziehungsweise möchte ich Sie wegen etwas um Erlaubnis bitten.“
„Wobbel, du musst mich nicht immer um Erlaubnis bitten. Du kannst ruhig…“
„Nein Sir“, unterbrach Wobbel mutig, „ich muss! Es ist vom Ministerium vorgeschrieben.“
Den Ernst der Lage spĂĽrend stellte Harry seinen Teller mit dem angefangenen StĂĽck Kuchen auf den Tisch ab, damit er sich voll und ganz seinem kleinen Freund widmen konnte.
Wobbel stöhnte, stellte jedoch ebenfalls den Teller ab und sagte, während es ihm schwerfiel, Harry in die Augen zu blicken: „Ich möchte um Erlaubnis bitten, einer Dame den Hof machen zu dürfen.“
Harrys Augenbrauen gingen nahtlos in seinen Haaransatz über. „Wie kommen wir denn dazu, dass du mich deswegen fragen musst? Nein Wobbel, da brauchst du keine Erlaubnis von mir. Natürlich darfst du…“
„Sir?“ Harry hielt sofort inne. „Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass ein Hauself den Herrn um Erlaubnis fragen muss und nicht nur das.“ Wobbel zog ein Stück Pergament aus der Jackentasche seines Trainingsanzugs. Auf dem Briefkopf erkannte Harry das Symbol des Ministeriums. „Ich muss auch um Ihre Unterschrift bitten, Mr. Potter.“
„Ich glaub’s nicht“, sagte Harry zu sich selbst, während er das Formular entgegennahm und zu lesen begann. Angewidert schüttelte er den Kopf, zauberte sich aber sofort Feder und Tintenfass herbei. Während er unterschrieb, sagte er entschuldigend: „Das tut mir so Leid, dass du mich um eine so natürliche Sache bitten musst.“
Peinlich berührt reichte Harry seinem Elf das unterschriebene Formular zurück. Er kam sich schäbig vor, obwohl er immer versucht hatte, Wobbel wie einen freien Hauself zu behandeln, auch wenn der sich bisher vehement gegen Bezahlung gewehrt hatte. Harry hatte immer einen Weg gefunden, Wobbel mehr Freiheit zu geben als es laut Ministeriumsvorgaben vorgesehen war. Ihm über einen Umweg Kleidung zu gestatten war nur die Spitze des Eisberges gewesen.
Mit zittriger Hand nahm Wobbel das Pergament entgegen, um es in seiner Tasche verschwinden zu lassen. Harry konnte nicht anders, als seinem Freund ermutigend auf die Schulter zu klopfen, doch da hielt Wobbel ihm plötzlich ein weiteres Formular unter die Nase, während er selbst beschämt zu Boden blickte.
Zögerlich nahm Harry auch dieses Schriftstück in die Hand und begann zu lesen, bevor er erbost in den Raum hineinmeckerte: „Das kann es doch nicht geben! Das ist unmenschlich!“
Sich beugend flüsterte Wobbel: „Ich bin ja auch kein Mensch.“
Erschrocken über seinen eigenen Fauxpas versicherte Harry: „Das meine ich doch nicht so.“ Mit dem Schriftstück wedelnd zeterte er: „Ich kann es nicht glauben. Das ist nicht nur rassistisch, das ist die absolute Höhe!“
Eingeschüchtert wirkend fragte Wobbel: „Dann werden Sie es nicht ausfüllen unterschreiben?“
„Natürlich werde ich, aber ich wünschte, du müsstest von mir erst gar keine Genehmigung einholen müssen. Das ist ja wie im Mittelalter!“
Erzürnt über das Formular machte sich Harry daran, die einzelnen Punkte durchzulesen, während ihm immer wieder Schimpfworte entwichen, über die Wobbel großzügig hinweghörte, denn die galten jenen Menschen, die diese Regelungen in grauer Vorzeit getroffen hatten.
„Was soll ich alles ankreuzen, Wobbel?“, fragte Harry unsicher.
„Das, was Sie für richtig halten, Sir.“
„Das geht hier um dein Leben!“, stellte Harry mit Nachdruck klar. „Hilf mir bitte.“ Er war seinem Freund einen flehenden Blick hinüber.
Wobbel rutschte auf der Couch nach vorn, betrachtete den ersten Punkt und fragte Harry verlegen: „Wie viel Nachwuchs würden Sie mir insgesamt gestatten?“
Harry war saurer – natürlich nicht auf Wobbel, sondern auf die Menschen im Ministerium, die solche Formulare noch immer für notwendig hielten. Dean musste davon wissen, doch der konnte nichts dagegen anrichten. Es waren Gesetze, an die sich jeder zu halten hatte.
„Ich sag dir was, Wobbel: Ich bin, was diese Sache betrifft“, er drückte dem Elf das Schriftstück in die Hand, „absolut deiner Meinung. Ich möchte, dass du es für mich ausfüllst. Alles, was du ankreuzt, ist in meinem Sinne, also mach dir keine Gedanken, in Ordnung?“
Ein Lächeln zauberte sich auf Wobbels Gesicht. „Danke, Sir.“
Bevor Wobbel mit einem Plop verschwinden konnte, klopfte es, so dass der Elf zuvorkommend die Tür öffnete und Hermine hineinließ.
„Hallo Wobbel“, grüßte sie fröhlich und er erwiderte den Gruß, bevor er sich verabschiede und sich in Luft auflöste. Als ihr Blick auf Harry fiel, da bemerkte sie, dass seine Laune nicht die Beste war, was sie an der runzligen Stirn ausmachen konnte.
„Was ist dir denn über die Leber gelaufen?“, wollte sie wissen.
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich und es schien, als wäre ihm bei ihrem Anblick gerade etwas Wichtiges eingefallen. „Hermine! Gut, dass du da bist. Wir müssen unbedingt über die Gesetzesänderungen sprechen und zwar in Bezug auf die Hauselfen!“
„Um was geht es denn?“, fragte sie ein wenig besorgt, denn Harry Stimme war noch immer voller Zorn gewesen.
„Wob…“ Er begann anders, damit Wobbel nicht wieder erscheinen würde. „Mein Elf hat mich gerade gefragt, ob er Babys machen darf!“, sagte Harry noch immer sehr perplex.
Hermine strahlte und fragte schelmisch: „Du hast es ihm hoffentlich erlaubt?“
„Verstehst du denn nicht?“, sagte er missgelaunt. „Er musste fragen! Er sollte mich nicht fragen müssen!“
Die Tür vom Schlafzimmer öffnete sich und Ginny huschte mit ermahnendem Blick ins Wohnzimmer.
„Könnt ihr bitte ein bisschen leiser reden, bis ich den Lärmschutzzauber gesprochen habe?“ Ginny wandte einen Spruch an der Schlafzimmertür an, damit Nicholas nicht gestört werden würde. Gleich darauf näherte sie sich Harry und Hermine und auch sie bemerkte, dass mit Harry etwas nicht stimmte.
„Warum bist du so sauer, Harry?“
„Warum ich so sauer bin?“, wiederholte er aufbrausend. „Ich sollte eben ein Formular unterschreiben, das es unserem kleinen Freund erlaubt, eine Elfe zu umwerben und einen Bund mit ihr zu schließen.“
„Aber das ist doch süß“, sagte Ginny grinsend.
Sich mit beiden Händen das Gesicht reibend verdeutlichte er zermürbt: „Ihr versteht mich einfach nicht…“
„Doch“, versicherte Hermine ernst, „ich verstehe. Er darf so einen Schritt nicht ohne deine Erlaubnis wagen. Das ist einfach eine Frechheit!“
Harry nahm seinen Teller mit dem angefangenen Kuchen auf den Schoß, doch bevor er ein Stück aß, schilderte er: „Ihr hättet erst mal das zweite Formular sehen müssen und die Punkte, die dort aufgeführt waren. Da hätte ich doch tatsächlich ankreuzen müssen, ob er die Kinder auch behalten darf! Das ist…“ Er schüttelte entrüstet den Kopf und stellte den Teller wieder aufgebracht zurück auf den Tisch, denn irgendwie war ihm nicht mehr nach Essen zumute. „Hermine, du musst Kingsley bitten, besonders diese Dinge zu ändern. Jeder Elf sollte das Recht haben, sich ohne seinen Herrn um seine Familienplanung kümmern zu dürfen. Ich muss ja auch niemanden fragen, ob ich ein Kind haben darf.“
„Doch“, widersprach Ginny neckend, „du musst mich fragen.“
„Aber das ist doch was anderes! Stell dir vor, ich müsste deine Mum fragen.“
„Die würde dir so viele Kinder erlauben wie du möchtest. Aber um zurück zum Thema zu kommen, ihr behaltet beide Recht. Das ist ungeheuerlich, dass die Zauberergesellschaft ihre Elfen so im Zaum hält.“
Zustimmend nickte Hermine. „Ich habe Kingsley schon einige Vorschläge gemacht, aber nicht spezifisch zu diesem Punkt. Ich werde es nochmal ansprechen.“
Während Ginny ihrer besten Freundin ihren Dank wegen der Salbe gegen Nicholas’ Zahnschmerzen aussprach, murmelte Harry ab und an Boshaftigkeiten, weil ihn die Angelegenheit mit dem Formular noch immer sehr aufregte.
„Hermine, warum bist du eigentlich hier?“, fragte er nach einer Weile, denn eigentlich war sie um diese Uhrzeit bei Severus.
„Ach ja!“ Hermine hatte während ihres Gesprächs mit Ginny ihr Anliegen ganz vergessen. „Ich wollte fragen, ob ich mit Severus zum Grimmauldplatz gehen darf. Ich bin mir sicher, dass in der großen Bibliothek einige alte Bücher stehen, die sich mit Basilisken befassen; zumindest in der Theorie. Wir würden sie uns gern ausleihen.“
„Wo ist Severus jetzt?“
„Er wartet vor der Tür“, antwortete Hermine.
„Warum ist er nicht mit reingekommen?“, fragte Harry, doch eine Antwort wartete er nicht ab, denn er ging bereits zur Tür hinüber, um sie zu öffnen. Die braunen Augen seinen Kollegen starrten ihn überrascht an. „Warum stehen Sie bitteschön hier draußen auf dem Flur?“ Einladend Harry öffnete die Tür und forderte Severus wortlos dazu auf einzutreten. „Sie möchten sich die Bibliothek im Grimmauldplatz ansehen?“
„Wenn Sie nichts dagegen haben“, antwortete Severus ruhig.
„Was sollte ich dagegen haben? Fast jeder, der eingeweiht ist, kann dort ein uns ausgehen.“ Erschöpft ließ sich Harry auf die Couch plumpsen.
„Ich hoffe, Sie haben ab und an mal einen Blick auf das Anwesen geworfen?“, fragte Severus. Weil alle drei ihn fragend anblickten, erklärte er: „Fletcher gehört auch zu den Eingeweihten und man muss leider befürchten, dass er bereits ungestört kostbare Gegenstände aus dem Besitz der Blacks veräußert hat.“
„Nein, da habe ich vorgesorgt“, versicherte Harry. „Er ist der Einzige, der das Haus nicht mehr allein betreten kann und schon gar nicht kann er etwas im Haus anfassen, das wertvoll ist. Die Zwillinge haben mir geholfen, die Gegenstände auf Fletchers Magiesignatur zu prägen und mit fiesen Abwehrzaubern zu versehen.“
Harry grinste niederträchtig, als er sich daran erinnerte, wie Mundungus mit eitrigen Pickeln im Gesicht aus der Küche gestürmt war, nachdem er sich über das Silberbesteck hatte hermachen wollen.
An Hermine gewandt sagte Harry: „Das Passwort ist das Gleiche wie früher, das habe ich nie geändert.“
„Passwort?“, fragte Severus irritiert.
Nickend antwortete Hermine: „In der Bibliothek gibt’s noch einen verborgenen Raum. Der Raum selbst ist zwar sehr klein, aber voller Bücher, die man lieber nicht öffentlich zur Schau stellen sollte.“
„Schwarzmagische?“ Severus Augen glitzerten interessiert.
„Ich nehme an, dass auch Schwarzmagische darunter sind. Ich habe den Raum nie betreten, weiß aber, wo er sich befindet. Nur Remus und Arthur hatten mal die Titel der Bücher überflogen und über sie diskutiert“, erklärte Hermine gewissenhaft.
Severus hob eine Augenbraue. „Dann bin ich gespannt, ob wir dort fündig werden.“
Vor den Toren von Hogwarts angelangt apparierten Severus und Hermine in eine Gasse in London, um von dort aus die paar Schritte bis zum Grimmauldplatz Nummer 12 zu gehen. Obwohl es erst Nachmittag war, war es bereits dunkel, was auch an der dichten Wolkendecke liegen mochte. Sich die heruntergekommenen Häuser in der Straße ansehend murmelte Severus: „Vor fünfundzwanzig Jahren war das hier noch ein angesehenes Viertel.“
Erst jetzt betrachtete Hermine die Umgebung und die wenigen Leute, die sich hier aufhielten. Die Häuser wirkten marode und die Bewohner waren rein äußerlich sehr schlampig gekleidet. Die erste Doppelseite der Tageszeitung „The Moon“ flatterte im Wind umher und schien den bescheidenen Intellekt der hier lebenden Menschen widerspiegeln zu wollen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite beobachtete Hermine fünf Jugendliche, von denen zwei sehr auffällig ein Auge auf eines der wenigen unzerbeulten Autos, die in dieser Straße parkten, geworfen hatten und durch die Scheibe auf der Fahrerseite ins Innere des Wagens blickten. Der durch den Straßenverkehr matschig gewordene Schnee war durch Reinigungsfahrzeuge an den Straßenrand geschoben worden. Über einen dieser grauweißen Hügel steigend, die an einigen Stellen mit den Exkrementen von Vierbeinern versehen waren, hielt Severus ihr die Hand entgegen, die sie dankend ergriff, um nicht auszurutschen. Sie hatten ihr Ziel erreicht: Grimmauldplatz Nummer 12.
Keiner der anwesenden Muggel bemerkte das Haus der Blacks, welches sich den beiden Eingeweihten zeigte. Hermine berührte mit ihrem Zauberstab die Tür mit der abblätternden, schwarzen Farbe, denn ein Schlüsselloch gab es nicht. Man hörte ein metallisches Kratzen, als würden schwere Riegel bewegt werden, dann folgte ein lautes Rasseln wie von schweren Ketten, bevor sich die Tür von allein öffnete und währenddessen einen Seufzer auszustoßen schien. Die beiden konnten das Haus nun betreten.
Es war erschreckend, wie sehr die jahrelangen Ausdunstungen von Möbeln, Tapeten, Teppichen und anderen Gegenständen das Atmen erschweren konnten, denn die Luft lag schwer im Innern des Hauses; der Geruch war ekelhaft. Trotzdem Hermine und Severus sich extra leise verhalten hatten, war das verdeckte Portrait von Mrs. Black hellhörig geworden.
„Wer ist da?“, keifte die Stimme hinter dem schweren Samtvorhang. „Sirius?“ Weil Mrs. Black den Namen ihres Sohnes genannt hatte, wurde Hermine stutzig, doch sie sagte kein Wort, so dass die alte Frau auf dem verhüllten Gemälde prophylaktisch schimpfte: „Abschaum, verschwinde aus meinem Haus, Verräter deines Blutes!“ Die Personen auf anderen Gemälden waren durch das Gezeter aufgeschreckt worden und begannen zu murmeln.
Wortlos schlugen Severus und Hermine den Weg in die Bibliothek ein. Derweil blickten die anderen Herren und Damen aus ihren Gemälden verächtlich zu beiden hinab und flüsterten bösartige Bemerkungen. Nur einmal hörte Hermine das gezischte Wort „Schlammblut“, doch sie reagierte nicht, auch wenn sie dem Bild gern die Meinung gesagt hätte. In der Bibliothek, in der zum Glück kein einziges Gemälde hing – jedenfalls keines, das eine Person abbildete –, atmete Hermine tief durch, während ihre Augen die ruhige Atmosphäre des Raumes mit seinen gemütlich großen Ohrensesseln, die ihr abgewandt am Kamin aufgestellt waren, auf sich wirken ließ. Auch hier war die Luft abgestanden, doch sie empfand sie als angenehm, denn es roch nach Papier und Leder; nach Büchern.
„Ich verstehe nur zu gut, warum Sirius und Anne sich ein eigenes Haus gekauft haben. Hier kann man gar nicht wohnen!“ Hermine ging schnurstracks auf eine Bücherwand zu, tippte sie mit ihrem Zauberstab an und flüsterte ein Passwort, so dass sich eine geheime Tür öffnete.
„Ich denke“, begann Severus, „dass es hier wohnlich sein könnte, wenn es möglich wäre, sich der Gemälde zu entledigen.“
„Der Dauerklebefluch beim Mrs. Black ist nicht zu brechen. Bill hat sich drum gekümmert. Ich meine, wenn er als Fluchbrecher es schon nicht schafft, dann…“
„Man könnte eventuell einen Elf fragen, ob es machbar wäre“, warf Severus ein und Hermine zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe, denn daran hatte sie noch gar nicht gedacht.
Die geöffnete Geheimtür gab den Blick auf einen kleinen Raum preis, der nicht größer als eineinhalb mal zweieinhalb Meter war. Bücher bedeckten jeden freien Platz an den drei Wänden und machten den Raum noch enger als er schon war.
„Eine kleine, aber feine Sammlung“, sagte Severus erfreut, als sein Blick über einige die vielen Titel schweifte. „Ah“, machte er erstaunt. „Sehen Sie mal, hier haben wir eine ’alte Bekannte’ und auch noch so gut erhalten.“ Severus zog ein Buch aus einem der Regale. Es handelte sich um „Die zwölf Briefe der Cassandra Trelawney“.
Erinnerungen kamen in Hermine auf, denn dieses war das erste Buch gewesen, welches Severus ihr zu lesen gegeben hatte, auch wenn es sich nicht um sein eigenes Exemplar gehandelt hatte, sondern um das geliehene von Luna, welches sie – das fiel ihr in diesem Augenblick mit einem Hauch von Reue ein – demnächst an ihre Freundin zurückgeben müsste. An Severus’ Gesichtsausdruck konnte sie ahnen, dass auch er sich in der Zeit zurückgesetzt fühlte.
Sie stöberten eine Weile und lasen die Titel. Es handelte sich überwiegend um verbotene Bücher, die beim Ministerium auf der schwarzen Liste standen, nur zwei von ihnen waren tatsächlich dunkelmagisch, doch Hermine und Severus kannten die entsprechenden Schutzsprüche, um sie gefahrlos öffnen zu können.
Eines der ältesten Bücher, das sie hier fanden, handelte von gefährlichen, magischen Wesen und Hermine war sich sicher, dass sie hier interessante Anhaltspunkte finden könnte. Sie blätterte und las hier und da einige Passagen und wurde stutzig. Severus bemerkte ihre fast unmerkliche Reaktion, denn sie kräuselte häufig ihre Nase, wenn sie etwas für Unfug hielt. In dem engen Raum hatte er sich ihr mit nur einem Schritt genähert.
Er blickte über ihre Schulter und fragte: „Auf was sind Sie gestoßen?“
„Hier steht“, Hermine tippte auf eine bestimmte Stelle, „wofür man den Samen eines Basilisken verwenden könnte, aber Sie sagten doch, er hätte gar keine… na ja.“
Severus las ein paar Textstellen und erklärte selbstsicher: „Der Autor hat sich das alles aus den Fingern gesogen. Er beschreibt unter anderem die Haut eines Basilisken als ’aalglatt’, dabei bestand sie aus Schuppen.“ Er zog ein Gesicht. „Vermutlich war das Buch zu seiner Zeit sogar ein Bestseller, denn es gab niemanden, der ihm das Gegenteil beweisen konnte.“
„Vielleicht gibt es aber auch verschiedene Arten von Basilisken?“, stellte Hermine als These auf, woraufhin er sie fragend anblickte. „Na ja, es wäre doch möglich, dass verschiedene Hühner- und Krötenarten auch verschiedene…“
Sie war am Ende immer leiser geworden, bis sie ganz verstummte, denn ihr eigener Denkfehler war ihr selbst aufgefallen, doch es war Severus, der sie amüsiert lächelnd darauf hinwies: „Was aber bedeuten würde, dass sich die Tiere auf biologische Art fortgepflanzt haben müssten, was jedoch nicht der Fall ist. Das Ei ist schon da, es wird noch von einer anderen Tierart ausgebrütet.“ Eine kleine Falte an ihrer Nasenwurzel verriet ihm ihre Gedanken, so dass er schmunzelnd sagte: „Aber wie ich sehe, sind Sie selbst eben darauf gekommen.“
„Was für ein Buch haben Sie in der Hand?“, wollte sie wissen und mit ihrer Frage gleichzeitig von sich ablenken.
Das Buch ansehend erklärte er: „Die halbbiografische Abhandlung über das Leben eines Parselmundes, der Gefallen an den Dunklen Künsten gefunden hatte. In einem Kapitel wird darüber berichtet, dass er sich einen Basilisk gezüchtet haben soll, den er dank seiner Kommunikationsfähigkeit unter Kontrolle gehalten hatte. Es wird auch beschrieben, wie er mit dem Gift der Schlange experimentiert haben soll. Das könnte hilfreich sein. Wir sollten es mitnehmen, falls Mrs. Lestrange eben jenes Buch für ihre Experimente zu Rate gezogen haben sollte.“
Es hatte eine Weile gedauert, bis sie alle anderen Buchtitel überflogen hatten. Während Hermine bereits an einer Wand fertig war, strich Severus noch mit seinen schmalen Fingern über die Buchrücken und las mit schräg gestelltem Kopf die Titel, als er plötzlich bei einem Band bewegungslos innehielt und nur seine gelblich verfärbten Finger zu zittern begannen, doch er riss sich schnell wieder zusammen. Hermine merkte sich das Buch und schaute sofort darauf in eine andere Richtung, so dass sein Kontrollblick, den er ihr hinüberwarf, um zu sehen, ob sie ihn womöglich beobachtet hatte, ihn auf eine falsche Fährte lenken sollte. Severus musste sich zunächst räuspern, bevor er sich einer festen Stimme sicher sein konnte.
„Haben Sie noch ein Buch gefunden, das Sie mitnehmen möchten?“, fragte er.
„Nein, ich denke, wir haben gefunden, was wir gesucht haben“, antwortete sie und zeigte derweil auf die Biografie, die er in der anderen Hand hielt.
„Dann können wir wohl gehen.“ Severus verzichtete auf Höflichkeit und verließ als Erster den Raum, denn hätte er ihr den Vortritt gegeben, hätte sie sich erst dicht an ihm vorbeischlängeln müssen.
Sie folgte ihm und zog im Vorbeigehen in Windeseile das eine Buch, welches Severus eben aus der Fassung gebracht hatte, aus dem Regal heraus und verkleinerte es schnell, um es unauffällig in ihrer Hosentasche verschwinden zu lassen, bevor sie den Raum verließ. Er hatte keinen Verdacht geschöpft.
„Mir wäre nach einem Tröpfchen Weinbrand“, sagte Severus sehnlich, nachdem er auf einer Anrichte neben dem Kamin eine kleine Auswahl an Karaffen mit schimmernd goldfarbenem Inhalt erblickt hatte.
Hermine ging an den beiden Ohrensesseln vorbei und näherte sich den Getränken. „Wenn Sie meinen, dass das noch gut ist.“ Sie säuberte zwei der Gläser magisch und ergriff bereits eine der Karaffen, um sie zu öffnen und am Inhalt zu schnuppern.
„So etwas wird nicht schlecht“, erwiderte er trocken.
Sie schenkte sich und ihm etwas ein, nahm beide Gläser jeweils in eine Hand und drehte sich um, bevor sie sich so sehr erschreckte, dass sie aufschrie und den guten Tropfen fallen ließ.
„Herrje, wollen Sie mir einen Herzinfarkt bescheren?“, wetterte Severus, der trotz seiner harschen Worte besorgt zu ihr eilte, um nach dem Rechten zu sehen. Sein Blick fiel auf einen der Ohrensessel und sofort wusste er, was Hermine erschreckt hatte.
„Black?“, grüßte er mit kühler Stimme.
Ein leichtes Schmunzeln war auf Sirius’ Gesicht zu erkennen, bevor er an Hermine gewandt sagte: „Ich wollte dich wirklich nicht erschrecken. Ich wollte nur mal sehen, wie lange ihr braucht, um mich zu entdecken.“
„Du hättest was sagen können!“, schimpfte sie, bevor sie die Verschmutzung auf dem Teppich beseitigte. „Wie lange bist du denn schon hier?“
Sirius saß gemütlich im Ohrensessel und schwenkte selbst ein Gläschen Weinbrand. „Schon lange vor euch.“
"Ah", machte Severus. "Sie schwärmen wohl von alten Zeiten?"
Mit zusammengekniffenen Augen blickte Sirius ihn an und musterte ihn argwöhnisch, bevor er eigentlich mehr zu sich selbst als zu Severus sagte: "Die alten Zeiten? Die alten Zeiten sind vorbei und die neuen sind ein wenig verstörend, geht es dir nicht genauso?" An Hermine gerichtet sagte er: „Ich wollte nachsehen, ob hier alles in Ordnung ist. Das Haus ist unbewohnt und auch wenn Harry Vorkehrungen getroffen hat, wollte ich mich vergewissern, dass nichts gestohlen wurde.“
Provozierend schaute Sirius erst Severus in die Augen, bevor er seinen Blick zu dem Buch wandern ließ, welches der Zaubertränkemeister in der Hand hielt.
„Wir haben Harry um Erlaubnis gebeten“, rechtfertigte sich Severus mit zischender Stimme.
„Mmmh“, machte Sirius nachdenklich. „Es ist nur, dass das Haus mir gehört. Harry hatte es mir zurückgegeben, nachdem ich… wieder da war.“ Er hatte sehr sachlich geklungen.
Hermine griff ein und fragte Sirius übertrieben höflich: „Darf ich mir das Buch bitte ausleihen?“
„Aber natürlich“, bestätigte Sirius müde klingend, bevor er an seinem Weinbrand nippte.
Man konnte ihm ansehen, dass er nicht in der Stimmung war, ein Gespräch führen zu wollen und so ließen Severus und Hermine ihn allein. Vor der Haustür zögerte sie jedoch und sagte: „Severus, gehen Sie doch bitte schon vor. Ich komme gleich nach.“
„Warum?“, fragte er barsch.
„Sirius ist irgendwie seltsam.“
„Der Mann ist immer seltsam!“, blaffe er sie missgelaunt an, womit er die Schimpftirade von Mrs. Blacks Portrait angekurbelt hatte, denn sie keifte und zeterte erneut über Halbblüter, Dreck und Ausgeburten von Schmutz und Niedertracht, die ihr Haus besudeln würden.
„Ich möchte nur mit ihm reden“, erklärte Hermine etwas lauter, damit Severus sie noch hören konnte.
„Dann tun Sie, was Sie nicht lassen können!“ Er riss die Tür auf und knallte sie hinter sich zu.
Hermine stöhnte, bevor sie sich kurz die Ohren zuhielt, denn auch alle anderen Gemälde hatten in den rassistischen Redeschwall von Mrs. Black eingestimmt. Zurück an der Tür der Bibliothek kündigte sich Hermine mit einem Klopfen an, bevor sie das Zimmer betrat.
„Du bist noch hier?“, fragte er nur wenig erstaunt.
„Warum bist du überhaupt hier, Sirius? Ich dachte, du magst das Haus nicht.“
„Tu ich auch nicht.“ Von unten schallte der Lärm vieler Stimmen hinauf, weswegen er die Augen zusammenkniff, als würde es ihm Kopfschmerzen bereiten. Von einem Schluck Weinbrand erhoffte er sich Erleichterung.
Mutig fragte Hermine, nachdem sie gegenüber auf dem anderen Ohrensessel Platz genommen hatte: „Gibt’s Ärger Zuhause?“
„Wie man’s nimmt“, sagte er emotionslos.
„Weil Anne arbeiten gehen möchte?“
Erstaunt blickte er sie an, bevor er fragte: „Harry hat das erzählt?“
„Ginny hat mir erzählt, dass Harry von ihr wissen wollte, was sie später machen möchte“, erwiderte sie ehrlich.
„Und was möchte sie machen?“, wollte er wissen.
„Sie möchte am liebsten Quidditch spielen.“ Hermine lächelte, doch Sirius erwiderte diese Freundlichkeit nicht.
„Was hat Harry dazu gesagt?“
„Er findet es in Ordnung.“ Hermine seufzte, bevor sie leise fragte: „Was ist das Problem, Sirius?“
Das Gezeter aus der Eingangshalle war wieder lauter geworden, so dass er ihre Frage ignorierte und sagte: „Ich habe mich schon oft gefragt, was geschehen würde, sollte ich das Haus einfach bis auf die Grundmauern abbrennen. Würden die Flammen trotz Fidelius auf die Nachbarhäuser übergreifen? Was meinst du?“
Mitfühlend sagte sie: „Man kann sich auch anders von seiner Vergangenheit lösen, Sirius.“
„Ich kann das verdammte Haus nicht einmal verkaufen!“, schimpfte er, bevor er mit einem großen Schluck sein Glas leerte.
Hermine legte ihm nahe: „Harry und Ginny würden sich freuen, wenn du sie besuchen würdest. Du hast dich in letzter Zeit sehr rar gemacht.“
„Damit man Mitleid mit mir haben kann?“, fragte er beleidigt.
„Wieso Mitleid? Wenn dir Zuhause die Decke auf den Kopf fällt, während Anne bei der Arbeit ist“, er schnaufte wütend, „dann kannst du doch tun und lassen, was du möchtest. Du warst lange nicht mehr bei Harry.“
Er dachte einen Moment lang nach, während sein Blick auf dem leeren Glas verweilte, bevor er mit leiser Stimme sagte: „Vielleicht sollte ich ihn wirklich mal besuchen.“
„Ja, solltest du.“ Sie klopfte sich auf die Oberschenkel, bevor sie aufstand und sich verabschiedete. „Ich muss jetzt gehen, aber ich würde mich freuen, wenn du mich auch mal besuchen würdest. Remus sieht dich auch nicht mehr so häufig, hat er mir jedenfalls neulich gesagt.“
Der Hauch eines Lächelns zeichnete sich in seinem Gesicht ab.
Als Hermine allein das Haus am Grimmauldplatz verließ, da schüttelte sie die Kopf, denn sie würde nicht die Kraft aufbringen können, Severus und Sirius gleichzeitig zu einem neuen Leben ermutigen zu können.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel