von Muggelchen
Von einem kleinen Ausflug kam Blaise mit seiner Tochter zurück ins Mungos. Der Wachmann ließ ihn ohne nähere Kontrolle hinein. Gleich auf dem Gang traf er auf Schwester Marie.
„Schwester?“, sagte er, um auf sich aufmerksam zu machen. Nachdem sie sich zu ihm umgedreht hatte, bat er höflich: „Wäre es wohl möglich Miss Parkinson zu besuchen?“
Marie nickte, machte dabei jedoch ein bekümmertes Gesicht. „Sicher, folgen Sie mir bitte.“
Kaum hatte Marie die Tür zu Pansys Einzelzimmer geöffnet, stürmte auch schon Berenice hinein und hüpfte aufs Bett der leblos wirkenden Frau, der sie begeistert erzählte, wo sie heute gewesen waren.
„Wir waren in einem großen, weißen Haus, Mama, da waren lauter kleine Männer.“
Weil Marie sehr verdutzt dreinschaute, erklärte Blaise: „Wir waren bei Gringotts.“
„Oh schön! Konnte man Ihnen weiterhelfen?“, wollte sie wissen.
„Man wollte mir zunächst nicht einmal Auskunft geben, geschweige denn ein paar Galleonen. Die Verliese meiner Mutter und mir sind nach unserem Verschwinden eingefroren worden. Ich benötige vom Ministerium die Bestätigung, dass ich am Leben bin, damit ich über mein Hab und Gut verfügen kann“, erzählte Blaise nüchtern.
Marie blickte ihn entgeistert an, bevor sie schmunzeln musste. „Ich finde, dass Sie sehr lebendig aussehen.“ In diesem Moment fiel ihr ihre unglückliche Ausdrucksweise auf, so dass sie entschuldigend versicherte: „Tut mir wirklich Leid, das meinte ich nicht so.“
Blaise winkte gelassen ab, bevor er weitererzählte. „Am Ende habe ich den Kobolden Brief und Siegel gegeben, dass ich mir eine Bestätigung vom Ministerium holen werde und gleich darauf alle Verliese der Familie Zabini auflösen würde.“
„Und?“
Zum Fenster gehend sagte Blaise: „Wir sind nicht gerade arm, wissen Sie. Ich habe vom Direktor der Bank 10.000 Galleonen erhalten; die Unterlagen vom Ministerium kann ich nachreichen. Ich glaube, er hat mindestens elf Mal sehr deutlich verlauten lassen, dass dies auf reiner Kulanzbasis geschehen würde.“
„Die haben Angst Sie als Kunden zu verlieren“, stellte Marie richtig fest. „Was werden Sie nun tun, Mr. Zabini?“
Zu Pansy hinĂĽberblickend betrachtete er seine Tochter, die sich neben ihre Mutter gelegt hatte und ihr die Ereignisse des Tages leise ins Ohr flĂĽsterte, sich derweil einen Arm von Pansy um die eigene kleine Schulter gelegt hatte, um eine Umarmung nachzuahmen.
„Ich werde noch mit Professor Junot sprechen, inwiefern man etwas herausgefunden hat. Morgen werde ich zum Ministerium gehen, um die Erbschaft meiner Mutter einzufordern. Ich kann nur hoffen, dass es keine Schwierigkeiten geben wird; ich habe ansonsten keine Bleibe.“ Blaise betrachtete weiterhin seine Tochter, bevor er Marie bat: „Würden Sie uns bitte ein wenig allein lassen?“
„Selbstverständlich, Mr. Zabini. Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“ Er nickte, so dass sie das Zimmer verließ.
Als sich Blaise dem Bett näherte, da hörte er Berenice leise erzählen: „…und Zottelbär hab ich auch gesehen. Ich bin glatt durch ihn durchgelaufen!“ Als die Kleine ihren Vater erblickte, da setzte sie sich im Bett auf, achtete aber darauf, dass der Arm ihrer Mutter danach in eine angenehm wirkende Position gebracht wurde.
Auf dem Bett Platz nehmend nahm Blaise die graue kalte Hand in seine und erzählte Pansy: „Du hast vielleicht eben einiges mitgehört. Ich habe ein paar Galleonen besorgt und werde morgen versuchen, so schnell wie möglich mein Haus zu bekommen, damit wir dort leben können.“ Er schluckte kräftig, um den Kummer zu verdrängen, denn er wusste nur zu gut, dass er sie nicht mitnehmen dürfte, sollte sie nicht geheilt werden. „Professor Junot hat heute einen Termin mit mir gemacht. Ich werde mir anhören, was sie über den Trank herausgefunden hat, der dir so zu schaffen macht. Mach dir keine Sorgen, Pansy, wenn die hier nicht vorankommen, dann habe ich genug Mittel, um die besten Tränkemeister anzuheuern. Die werden schon etwas finden.“ Seine Lippen begannen zu zittern und er war froh, dass Pansy es durch die geschlossenen Augen nicht sehen konnte. Berenice blickte ihn jedoch trübselig an. Seine Worte hatten sie traurig gemacht, weswegen sie die andere Hand ihrer Mutter nahm und sie mit beiden kleinen Händen umfasste und streichelte, ganz so wie ihr Vater es tat.
Nachdem Blaise sich wieder beruhigt hatte, sagte er zu Pansy: „Ich weiß nicht, ob ich mich erkundigen soll, ob man Gregory gefunden hat. Ich möchte nicht, dass man uns deswegen vielleicht noch etwas anhängt.“ Er seufzte. „Die Hochzeit von Draco und Susan war sehr schön. Ich wünschte, du wärst dabei gewesen. Es waren eine Menge Leute aus der Schule da, selbst Harry und Hermine, kannst du dir das vorstellen? Harry auf Dracos Hochzeit, aber nicht nur das. Draco hat verkündet, dass Harry Patenonkel für ihr Kind werden würde.“ Ungläubig schüttelte er den Kopf, bevor er seine Gedanken nach einem kurzen Moment flüsternd wiedergab: „Wir haben einiges verpasst, Pansy.“
Er haderte mit sich und entschloss sich dazu, Pansy nicht zu erzählen, dass auch ihre Mutter schon vor Jahren als vermisst gemeldet worden war und ihr Vater sich hier im Mungos auf der Janus-Thickey-Station befand, wo er sich nach einer lange zurückliegenden Auseinandersetzung mit Todessern nur schlecht erholte.
Berenice beobachtete ihren Vater, als der sich nach vorn beugte, um Pansy einen Augenblick lang – Wange an Wange – etwas ins Ohr zu flüstern. Mit einem breiten Lächeln beugte sich das Mädchen nach vorn, um ihrer Mutter einen Kuss auf die kalten Lippen zu geben, bevor sie sagte: „Ich lieb dich auch.“
Während sich Blaise nach einer Tasse Kaffee auf den Weg zu Professor Junot machte, griff Hermine zu ihrer Hälfte Papier, welches sie ordentlich in einer knickfesten Mappe und danach in ihrer Tasche verstaute, bevor sie sich vom vierten Stock auf den Weg in den Kerker machte. Auf den sich bewegenden Treppen im zweiten Stock bemerkte sie Harry, der gerade die Stufen hinunterkam.
„Guten Morgen, Harry. Was machst du denn um die Uhrzeit hier? Du wohnst doch im Erdgeschoss“, sagte sie und ihr war nicht entgangen, dass er einen äußerst zufriedenen und glücklichen Gesichtsausdruck innehatte, während er sich ihr näherte.
Sich vor sie stellend legte er eine Hand auf seine Brust und verkündete stolz: „Ich war heute Morgen Trauzeuge, Hermine!“
Sie riss ihre Augen ganz weit auf, fragte dann aber: „Wer?“ Doch bevor er antworten konnte, tat sie es selbst, wenn auch unsicher: „Albus und Minerva?“ Er nickte und strahlte dabei über das ganze Gesicht.
Weiter oben hörte man ein Gemurmel, welches langsam lauter wurde, so dass Hermine und Harry ihre Köpfte drehten, um zu sehen, um wen es sich handelte. Albus, Minerva, Arthur und Severus kamen hinunter, während sie sich miteinander unterhielten; Severus hielt sich eher aus den Gesprächen hinaus und stellte das Schlusslicht der kleinen Gruppe dar.
Sie brauchte gar nicht zu fragen, da erklärte Harry schon: „Ich war Minervas Trauzeuge und Severus der von Albus. Die haben uns beide völlig überrascht; haben uns einfach abgeholt, ins Büro geführt und uns vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Er grinste und fügte hinzu: „Nicht, dass ich was dagegen gehabt hätte.“ Die vier hatten Harry und Hermine bereits gesehen, Albus, Minerva und Arthur grüßten jedoch erst, als sie den Treppenabsatz erreicht hatten, an dem die beiden warteten.
Wegen der Vertrautheit zu Arthur, der für lange Zeit Hermines zukünftigen Schwiegervater dargestellt hatte, grüßten die beiden sich mit einer kurzen Umarmung und einem Kuss auf die Wange, bevor er sagte: „Du siehst gut aus, Hermine.“
Severus hatte sich hinter Albus und Minerva gehalten und stand nun auf der zweiten oder dritten Stufe, weswegen er die Personen auf dem Treppenabsatz gut ĂĽberblicken konnte.
„Ist das wahr?“, fragte Hermine strahlend ihre ehemalige Hauslehrerin, die ihr daraufhin den Ring an ihrem Finger zeigte und lächelnd nickte. Minerva anblickend deutete Hermine eine umarmende Geste an und fragte: „Darf ich?“ Minervas Arme öffneten sich, um sich an ihrem großen Tag herzen zu lassen. „Herzlichen Glückwunsch und alles Gute!“
„Danke, Hermine“, sagte Minerva, bevor sie die Umarmung löste.
Während Arthur ein Gespräch mit Harry begonnen hatte, wandte sich Hermine an Albus, der sich nicht bitten lassen musste, denn der hob willkommen seine Arme, um sich von ihr drücken zu lassen. Albus war so groß gewachsen, dass ihre Wange einen Moment lang an der unteren Hälfte seines Brustbeins auf dem weichen Bart ruhte, während sie ihn kurz an sich drückte.
„Ich möchte Ihnen auch ganz herzlich gratulieren, Albus, und ich wünsche Ihnen beiden eine schöne Zeit zusammen“, sagte Hermine und schaute dabei nochmals zu Minerva hinüber, der die Worte ebenfalls galten. Als sie wieder zu Albus blickte, bemerkte sie Severus hinter ihm und ihre Augen trafen sich einen kurzen Moment, bevor Severus zu Arthur und Harry hinüberschaute. Aus lauter Verlegenheit wandte sich Hermine erneut an Minerva und fragte: „Werden Sie Albus’ Nachnamen annehmen?“
„Nein, ich bleibe weiterhin eine McGonagall“, antwortete sie ehrlich und auch ein wenig stolz, während Albus zustimmend seine Hand an ihren Rücken legte.
Nickend offenbarte Hermine: „Ich würde meinen Namen auch behalten wollen.“ Es musste für jeden erkennbar sein, dass sie dieses Thema früher schon einmal mit Ron besprochen haben musste.
Die kleine Gruppe setzte sich wieder in Bewegung, um die große Halle aufzusuchen und es schien, als hätte man Arthur eingeladen, in Hogwarts zu frühstücken. Hermine wartete einen Moment, um Severus zu begrüßen, doch der ging einfach mit hinter dem Rücken verschränkten Armen an ihr vorbei, ohne ihr auch nur einen Blick zu schenken.
„Severus?“ Wie ein Cowboy es beim Kälberfangen mit seinem Lasso vollbringen konnte, so hatte Hermine ihn mit ihrer Stimme, auch wenn diese sehr leise gewesen war, davon abgehalten die Flucht zu ergreifen, denn er blieb auf der Stelle stehen und drehte sich um. Unsicher klingend grüßte sie: „Guten Morgen.“ Mehr nicht. Vor den anderen Anwesenden sprach sie ihn nicht wegen der Frage an, die er erst in den frühen Morgenstunden auf das magische Papier geschrieben haben musste, denn Hermine war erst gegen halb fünf schlafen gegangen; zu dieser Zeit stand noch nichts auf dem Bogen.
Er räusperte sich. „Entschuldigen Sie mein ungehöriges Benehmen. Ich wünsche Ihnen auch einen guten Morgen.“
Sie lächelte milde und kam die paar Stufen zu ihm hinunter, so dass sie den Weg in geringem Abstand zu den anderen gemeinsam fortsetzen konnten.
„Ich habe gehört, Sie waren heute Morgen auch Trauzeuge“, sagte sie.
„Es kam ein wenig überraschend, ja“, bestätigte er.
„Mir gefällt, dass Minerva ihren Nachnamen behält“, sagte Hermine nebenher.
„Da stimme ich Ihnen zu, allein schon wegen des Papierkrams.“
Sie runzelte die Stirn. „Ist das der einzige Grund, weswegen Sie dem zustimmen?“, wollte sie wissen.
Er blickte sie nicht an, während er erklärte: „Ich wünschte, meine Mutter hätte ihren Namen behalten.“
„Ja, ’Prince’ hat was, aber ’Snape’ hört sich auch nicht schlecht an“, versuchte sie ihn aufzuheitern.
„Mein Nachname hört sich schnippisch an.“
Sie lachte kurz auf. „Na, dann passt er...“ Auf der Stelle verstummte sie wegen seines drohenden Blickes, der ihr sagte, sie solle es nicht wagen ihn zu verärgern. „War doch nur Spaß“, versicherte sie kleinlaut.
Man konnte bereits die Türen zur großen Halle sehen, als Severus ihr mitteilte: „Wenn Sie heute Zeit hätten? Mr. Worple und Mr. Sanguini kommen heute Mittag kurz vorbei. Ich könnte Sie vorher ein wenig in die Materie einweisen, wenn Sie Interesse an dem Bluttrank haben.“
Innerlich machte sie Luftsprünge, denn bisher hatte er sie so gut wie gar nicht in sein Projekt eingeweiht. „Ja, sehr gern. Wann soll ich bei Ihnen sein?“
Er schürzte die Lippen, als würde er überlegen, aber die Antwort kam viel zu schnell, denn er schlug vor: „Gleich nach dem Frühstück.“
„Ja gut.“
Nach dem FrĂĽhstĂĽck lief Harry Hermine hinterher, die mit Severus gerade die groĂźe Halle wieder verlieĂź.
„Hermine?“ Sie blieb stehen. „Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich mit Albus wegen Fawkes gesprochen habe. Er meinte, dass er mir die Feuerschale bringen lässt. Es wäre möglich, dass Fawkes sich nicht wohl fühlt und sich bald erneuern möchte.“
„Das würde ich gern sehen, Harry! Das wäre das erste Mal für mich, bei der Wiedergeburt von einem Phönix dabei zu sein.“
„Es ging das letzte Mal recht schnell“, sagte Harry, der sich an den Zwischenfall in Albus’ Büro erinnerte. „Ich weiß nicht, ob die Zeit dafür ausreicht dir Bescheid zu geben, wenn es soweit sein sollte.“
„Versuch es einfach. Ich werde so schnell kommen wie es nur geht“, legte ihm sie nahe.
„Okay, mache ich.“
Kaum waren Hermine und Severus im Labor angekommen, da drückte er ihr auch schon eine Mappe in die Hand und forderte: „Lesen Sie.“
Eigentlich wollte Hermine auf seine Magiefarbe zu sprechen kommen, die sich bei ihm aufgehellt hatte, als er am Tage des Ferienbeginns zwischen Remus und Harry am FrĂĽhstĂĽckstisch gesessen hatte. Sie wusste jedoch, denn sein Verhalten konnte sie seit langer Zeit schon richtig deuten, dass jetzt nicht der richtige Moment gekommen war, mit ihm darĂĽber zu reden und so las sie seine Notizen.
Nach nur einer halben Stunde sagte sie erstaunt: „Das hätte ich nicht gedacht. Wissen Sie, Severus, bei alledem, was sie bisher alles gemacht haben, da könnte man glatt meinen, die Vampir-Infektion wäre mit einem Fluch belegt.“ Er zog lediglich eine Augenbraue in die Höhe, bevor sie hinzufügte: „Flüche kann man brechen.“
„Sie wären nicht die Erste“, begann er, während er seine Augen auf ein Pergament richtete, „die mit diesem Gedanken spielt. Den klügsten Köpfen war es bisher nicht möglich gewesen, in dieser Hinsicht Resultate zu erzielen. Ich befürchte, dass weder Sie noch ich dazu in der Lage wären.“ Nachdem er aufgeschaut hatte, fügte er hinzu: „Der Fluch, der auf einem Werwolf liegt, ist bis heute genauso rätselhaft wie der Fluch, der mit dem Biss eines Vampirs übertragen wird. Wir sollten unsere Zeit nicht damit vergeuden, uns mit den Flüchen zu befassen, sondern das Leben der Betroffenen für sie selbst und für alle anderen angenehmer zu gestalten.“
Hermine nickte, bevor sie erneut die Unterlagen überflog und dann fragte: „Sie schreiben hier, dass Sie mit Blut gearbeitet haben. Wessen Blut?“
„Was glauben Sie wohl?“
„Ihr eigenes.“ Er nickte bejahend. „Die Zutaten sind interessant! Worauf möchten Sie mit dem Trank am Ende hinaus, Severus?“, fragte sie neugierig.
„Ihnen wird aufgefallen sein, dass die meisten der verwendeten Zutaten von magischen Pflanzen stammen, die das Wort ’Blut’ in ihrem Namen tragen, was natürlich kein Zufall ist. Mein Ziel ist es einen Trank herzustellen, der nur eine minimale Menge, im günstigsten Fall nicht mehr einen einzigen Tropfen Menschenblut enthält, dem Organismus jedoch das Gegenteil vorgaukelt.“ Severus nahm eine Ampulle in die Hand und näherte sich ihr, um sie ihr zu zeigen. Der Inhalt war nicht rötlich, sondern durchsichtig, fast farblos. „Das hier wird Mr. Sanguini den nächsten Monat lang testen.“ Hermine nahm die Ampulle entgegen und hörte genau zu, als Severus erklärte: „In diesem Trank befindet sich nur noch die zellfreie Flüssigkeit meines Blutes als Zutat.“
„Blutplasma“, sagte Hermine ganz richtig.
„Damit werde ich herausfinden, ob der Organismus des Vampirs eher auf die Zellen anspricht oder auf die im Blutplasma enthaltenen Fremdproteine, die der Vampir nicht mehr selbst herstellt. Darüber hinaus muss ich die Wirkungsdauer des Trankes in Erfahrung.“
Hermine überlegte kurz und fragte: „Wenn hier aber keine Zellen mehr vorhanden sind und Mr. Sanguini gerade diese benötigen sollte…“
„…wird er einen Rückschlag erleiden. Anders ist es nicht möglich zu prüfen, was sein Körper braucht, um sich gesättigt zu fühlen“, vervollständigte er.
„Werden Sie ihm das sagen?“
„Natürlich werde ich! Ich arbeite mit ihm zusammen und mir liegt nicht daran, ihn oder seine Umgebung einer unnötigen Gefahr auszusetzen.“
Es dauerte gar nicht lang, da waren Mr. Worple und Sanguini gekommen. Im Gegensatz zu den Mythen der Muggelwelt zerfiel Sanguini bei Sonnenlicht nicht zu Staub, wich beim Anblick eines Kreuzes nicht zurück und er konnte sein Existenz auch durch andere Dinge als durch einen durch das Herz getriebenen Pflock einbüßen, wenn sein Körper auch um einiges kräftiger und widerstandsfähiger war als der eines normalen Menschen. Hermine erinnerte sich sogar daran, wie Mr. Sanguini auf einer Weihnachtsparty von Professor Slughorn Pasteten zu sich genommen hatte, obwohl er wohl lieber über die hübschen jungen Mädchen hergefallen wäre.
Sie hatte Mr. Worple per Handschlag begrüßt, Sanguini jedoch nur freundlich zugenickt, wofür der sehr dankbar schien. Aufmerksam hörte sie zu, als die beiden abwechselnd über bestimmte Problematiken sprachen.
„Sanguini hat es übertrieben und fast vier Wochen lang gar kein Blut mehr zu sich genommen“, erzählte Mr. Worple.
„Dann nehme ich an“, begann Severus an Sanguini gerichtet, „dass Sie keinerlei ’Appetit’ verspürt haben?“
Der gutaussehende Vampir antwortete gewissenhaft: „Normale Speisen schienen ausreichend und ich habe durch die Wirkung des Trankes nicht bemerkt, dass ich schwächer geworden bin.“
„Er sah elend aus, ich hatte wirklich Angst“, warf Mr. Worple erbost ein, bevor er seinen Freund besorgt musterte.
Severus streckte seinen Rücken und sprach mit lehrerhafter Stimme zu Sanguini: „Ich hatte Ihnen nahe gelegt, Ihrem Körper wenigstens alle zwei Wochen eine kleine Dosis Blut zuzuführen.“ Sanguini nickte und schaute beschämt zu Boden. Hermine wartete nur noch darauf, dass Severus ihm Hauspunkte abziehen würde. „Nichtsdestotrotz“, fuhr Severus fort, „haben Sie mir einen großen Gefallen erwiesen. Vielleicht schaffe ich es, den Trank so zu modifizieren, dass ein Vampir ihn – ähnlich wie ein Werwolf – nur einmal im Monat einnehmen muss und nicht täglich.“ Er blickte auf die Unterlagen, die Mr. Worple ihm gereicht hatte und fragte: „Gibt es sonst noch etwas, das Sie mir persönlich mitteilen möchten?“
„Nein“, sagte Mr. Worple kopfschüttelnd. „Alles andere haben wir genau notiert.“
„Dann bedanke ich mich bei Ihnen für Ihre Kooperation.“ Severus näherte sich einem Schrank und zog ein Säckchen Galleonen hinaus, die Mr. Worple annahm, weil Sanguini sich nichts aus der Bezahlung zu machen schien. „Wir sehen uns Ende Januar. Wie ich Ihnen schon gesagt habe kann es gut möglich sein, dass der neue Trank den Durst nicht unterdrückt. Sollte das der Fall sein, dann melden Sie sich unverzüglich!“
Die beiden Gäste hatten das Labor gerade mit dem Kästchen neuer Ampullen verlassen, da sagte Hermine: „Sanguini sah nicht gerade sehr glücklich aus.“
„Er befürchtet, dass alles wie früher werden könnte; sich mindestens einmal am Tag mit frischem Blut versorgen zu müssen. Schon vor einigen Wochen hatte er mir gesagt, dass er den Trank selbst in seinem unfertigen Zustand weiterhin einnehmen würde, sogar bereit wäre dafür zu zahlen, sollte ich keine besseren Resultate erzielen können. Allein durch die Tests hat sein Leben sich gebessert“, antwortete Severus mit fachkundiger Stimme.
Einen Moment lang dachte Hermine nach, bevor sie behutsam fragte: „Sind Mr. Worple und Sanguini…? Na ja…“
„Was sind Mr. Worple und Sanguini?“, wiederholte er ungeduldig.
Hermine schalt sich selbst über solche Dinge nicht offen reden zu können, denn immerhin hielt sie sich für sehr offenherzig.
Sie gab sich einen Ruck und fragte: „Sind die beiden ein Paar?“
Eine einzige Augenbraue wanderte für einen kurzen Moment nach oben, bevor er die Gegenfrage stellte: „Würde es Sie schockieren, sollte ich bejahen?“
„Nein“, sagte sie ehrlich.
Die Unterlagen zusammenpackend erklärte Severus: „Sie sind kein Paar. Ihre sehr enge Zusammenarbeit ist für beide von großem Vorteil.“
„Inwiefern? Ich meine, ich weiß dass Sanguini sich erhofft, dass er durch Ihren Trank irgendwann kein Blut mehr zu sich nehmen muss, aber wie profitiert Mr. Worple davon?“
„Diese Frage stellen Sie tatsächlich? Es müsste Ihnen geläufig sein, dass Worple der fachkundigste Vampirforscher auf der Welt ist. Jeder, der Bücher über Vampire benötigt, wird sich eines von ihm zulegen, vielleicht sogar die ganze Reihe. Sein erstes Werk ’Blutsbrüder’ ist noch sehr oberflächlich gehalten, denn er musste vorsichtig sein; Vampire werden von der magischen Gesellschaft noch immer als minderwertig erachtet. Mit ’Blutsbrüder’ hatte er sich an ein Tabuthema herangewagt, das ihn auch den Kopf hätte kosten können – nur im übertragenen Sinne in Bezug auf seine gesellschaftliche Stellung.“ Severus kam einige Schritte auf Hermine zu. „Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen, inwiefern Mr. Worple von dieser ungewöhnlichen Verbindung profitiert… Es mag sich im ersten Moment grausam anhören, aber Mr. Worple macht mit Sanguini sein Geld. Sanguini hingegen profitiert von neuen Erkenntnissen, die Mr. Worple während seiner Forschung erlangt.“ Seinen Kopf ein wenig schräg legend fügte er amüsiert hinzu: „Zudem hat Sanguini in Mr. Worple einen festen Partner für die regelmäßige Blutzufuhr gefunden. Ein Preis, den Mr. Worple zu zahlen bereit ist. Er hatte deswegen auch das Pulver erfunden, welches Bisswunden wie die Ihre sehr schnell und ohne Komplikationen heilen lässt.“
Nachdem er indirekt auf Mr. Caedes zu sprechen gekommen war, ahnte Hermine, dass sie zwei rote Flecken auf den Wangen haben musste, doch Severus schien das zu amĂĽsieren.
„Eine Art Symbiose also?“, fragte Hermine unsicher.
Die Lippen spitzend schaute Severus einen Moment lang weg, während er nachdachte, bevor er zustimmte. „Ja, eine Symbiose; das Zusammenleben von zwei Individuen unterschiedlicher Art, die für beide von Vorteil ist. Es gibt leider eine Menge engstirniger Menschen, die verneinen, dass so eine Vergesellschaftung zwischen Vampir und Mensch möglich wäre – konservative, philiströse Klugredner, die eines Tages vergessen haben, was das Wort ’Fortschritt’ bedeutet. Menschen, Hermine, mit denen auch Sie sich auseinander setzen werden müssen, wenn Sie der Öffentlichkeit Ihren Farbtrank vorstellen.“
Sie schluckte aufgeregt, denn seine Worte hatten sie verunsichert. Er ging fest davon aus, dass sie von einigen Menschen wegen der Erkenntnisse, die ihr Trank ans Tageslicht gebracht hatte, angefeindet werden wĂĽrde.
„Was Ihren Farbtrank betriff, Hermine“, sagte er und sie hoffte, dass er das Gespräch suchen würde, um zu erfahren, welche Veränderungen sie bei ihm ausgemacht hatte. „Ich habe all Ihre Ergebnisse gelesen, auch die über die Muggel, die Mrs. Black getestet hat. Ich bin in gewisser Weise beruhigt, dass Ihre Eltern die Ausnahme zu sein scheinen.“ Hermine nickte zustimmend, denn bei keinem Muggel, dem Anne den Trank eingeflösst hatte, hatte es eine farbliche Reaktion gegeben. „Das lässt mich vermuten, dass es sich nur um sehr wenige Muggel handelt, die den Hauch von Magie innehaben, die sie durch den Vorgang der“, einer seiner Mundwinkel hob sich vergnügt, „Zeugung an ein gemeinsames Kind weitergeben können.“ Die roten Stellen auf Hermines Wagen frischten auf. „Sie sollten in Erwägung ziehen, all Ihre muggelgeborenen Freunde darum zu bitten, den Trank an deren Eltern testen zu dürfen. Ich bin mir sicher, dass wenigstens ein Elternteil ein wenig Magie aufweisen wird.“
Es war ihr nicht entgangen, dass er ihre Wangen betrachtete. Die kleinen Fältchen um seine Augen herum konnte sie nicht missverstehen, denn er schien sehr amüsiert.
„Interessant wäre es auch zu erfahren“, begann er mit ungewohnt lebendigen Augen, „welche Ergebnisse die Eltern von Squibs zeigen. Wenn eine magische Störung bei beiden oder einem Elternteil vorhanden wäre, könnte man den Verdacht hegen, dass diese mögliche Störung an die Squibs vererbt worden war.“ Ein schelmisches Schmunzeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, bevor er ihr offenbarte: „Möglicherweise, aber das ist nur eine sehr vage Theorie, auf die ich gekommen bin, als ich mir nochmals die Ergebnisse von Ihren Eltern angesehen habe, könnte auch die vorhandene Zuneigung zwischen zwei Individuen eine Rolle spielen, die einen nicht unbedeutenden Aspekt auszumachen scheint.“ Weil sie fragend ihre Stirn runzelte, wurde er ein wenig deutlicher. „Einen nicht unbedeutenden Aspekt während des Akts.“
So heiĂź fĂĽhlten sich ihre Wangen schon lange nicht mehr an. Sie befĂĽrchtete, dass sie bis zum Hals hinunter rot sein musste.
„Das machen Sie mit Absicht“, kreidete sie ihm an und er wagte es tatsächlich zu grinsen.
„Vielleicht mag ich die Farbe in Ihrem Gesicht?“, wiegelte er kess ab.
„Wo wir gerade von ’Farbe’ sprechen…“ Hermine war bereit zurückzuschießen.
„Sie können mir schriftlich Antwort geben. Heute würde ich gern…“
Sie unterbrach ihn perplex und wiederholte ungläubig: „Schriftlich?“
„Schriftlich“, bestätigte er.
„Das ist doch Unfug, Severus. Wir können auch darüber reden, das ist viel einfacher.“ Sie hatte nicht vor, dass ihre Stimme so weinerlich klingen sollte.
„Ich habe weder Lust noch Zeit mich mit Dingen zu befassen, die ich an andere delegiert habe.“
Gerade setzte Hermine dazu an sich Luft zu machen, da klopfte es unerwartet. Nach einem knappen „Herein“ öffnete sich die Tür und Albus trat herein, gefolgt von Blaise Zabini, der beide höflich grüßte.
Gleichermaßen verwundert über diesen Besuch brauchten weder Severus noch Hermine nach dem Begehr zu fragen, denn Albus erklärte: „Mr. Zabini ist zu mir gekommen, weil er von Professor Junot erfahren hat, dass die erste und bisher leider wohl auch einzige Antwort mit einem hilfreichen Hinweis in Bezug auf das Leiden von Miss Parkinson aus Hogwarts stammte. Da ich mich der Anfrage aus dem Mungos nicht persönlich angenommen hatte, wollte ich Mr. Zabini mit seinem Anliegen gern Ihnen beiden anvertrauen.“ Albus hielt die Etikette und verwandte die höfliche Anrede bei Hermine und Severus.
„Ich würde sehr gern mit Ihnen reden, Professor Snape“, sagte Blaise zu seinem ehemaligen Hauslehrer, der ihm bejahend zunickte.
Während Albus sich wieder verabschiedete, bot Severus dem dunkelhäutigen jungen Mann einen Platz an.
„Wo ist deine Tochter?“, fragte Hermine vertraut, denn auf der Hochzeit von Draco und Susan hatte sie ihn ein wenig näher kennen gelernt; hatte ihn an diesem einen Tag besser kennen gelernt als in den ganzen Jahren, in denen sie mit ihm zur Schule gegangen war.
„Als Professor Dumbledore mich hergeführt hat, sind wir auf Harry und Ginny gestoßen. Sie hatten den Kinderwagen dabei und wollten spazieren gehen. Berenice ist von dem Baby ganz fasziniert.“ Er lächelte, aber er schien sich nicht ganz wohl zu fühlen.
„Die beiden passen auf sie auf?“, fragte Hermine nach.
Blaise nickte zögerlich, bevor er in den Raum hinein sagte: „Hogwarts ist sicher.“ Es klang so, als wollte er sich selbst Mut zusprechen. „Und wenn ich jemandem vertrauen darf, dann Harry. Er hat immerhin für Frieden gesorgt.“ Hermine hörte deutlich heraus, dass er anderen Menschen vertrauen wollte, er aber dennoch große Probleme damit zu haben schien.
„Mr. Zabini“, begann Severus mit ruhiger Stimme, „Sie haben uns offensichtlich wegen ’Schlafes Bruder’ aufgesucht. Inwiefern können wir Ihnen weiterhelfen.“
Blaise nickte und zog einige Unterlagen aus seinem Umhang, bevor er erläuterte: „Man hat durch eine Blutuntersuchung feststellen können, welche Zutaten sich in dem Trank befunden haben, der für Miss Parkinsons Zustand verantwortlich ist.“ Severus hielt seine Hand entgegen und erwartete die Unterlagen, die sein ehemaliger Schüler ihm ohne Umschweife gab.
Severus las die Unterlagen, bevor er sagte: „Was genau möchten Sie von uns?“
„Ich möchte Sie bitten herauszufinden, wie der Trank verändert worden ist, damit man einen Gegentrank brauen kann. Professor Junot meinte, die Kapazitäten des Mungos seien sehr beschränkt und dass man Hilfe von außerhalb anfordern müsste. Ich dachte, ich nehme das selbst in die Hand.“ Bevor Severus etwas fragen konnte, fügte Blaise sehr aufgeregt klingend hinzu: „Weder Professor Slughorn noch das Ministerium hat bisher auf die Anfrage reagiert, während Sie beide innerhalb kürzester Zeit nicht nur den Trank, sondern auch die Zutaten von ’Schlafes Bruder’ nennen konnten. Wie Sie den Unterlagen von Professor Junot entnehmen können, sind die von Ihnen genannten Zutaten identisch mit denen, die im Blut von Pansy…“ Blaise war so aufgeregt, dass er sich verhaspelte, so dass er ein paar Mal tief durchatmete, um sich wieder zu beruhigen. „Es sind aber noch Restbestände von anderen Zutaten gefunden worden, die möglicherweise darauf hindeuten könnten, inwieweit der Trank verändert worden war.“
Severus nickte, blickte erneut auf die Unterlagen des Krankenhauses und sagte, als er seinen dünnen Zeigefinger auf eine der gefundenen Inhaltsstoffe legte: „Ich werde Harry bemühen müssen.“
Hermine stutzte. „Wieso Harry?“
Sie anblickend erklärte er mit besonnener Stimme: „Weil ich davon ausgehe, dass ich Gewebeproben eines Basilisken in den Tiefen von Hogwarts finden werde, doch die Kammer kann ich nicht öffnen.“
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