von Muggelchen
Zwei Stunden später fragte sich Hermine still, ob sie von ihren Schuhen schon Blasen an den Hacken hätte und ob es auffallen würde, wenn sie diese mit Hilfe ihres Zauberstabes behandeln wollte. Die Toilette aufzusuchen wäre eine gute Gelegenheit, ihre Füße zu betrachten. Einen Augenblick später runzelte sie die Stirn, denn sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie sie an den runden Tisch gekommen war, an dem sie jetzt saß – noch immer zwischen den beiden Mr. Bones’.
Der Vater von Susan erhob sich und richtete das Wort an die Gäste. „Meine verehrten Hochzeitsgäste, ich bin mir sicher, dass sich viele von Ihnen einiges zu sagen haben, weil man sich lange nicht gesehen hat. Ich möchte Ihnen daher im Namen des Brautpaares die Möglichkeit anbieten, sämtliche zugängliche Räume – auch im ersten Stock – nutzen zu können. Getränke werden in jedem Raum serviert. Zum Essen können Sie sich wieder im Salon einfinden. Sie haben sicherlich die Menükarten auf den Tischen hier bemerkt.“ Mr. Bones nahm eine in die Hand und wedelte kurz damit. „Die Speisen werden übrigens per Hand von exzellenten Köchen zubereitet. Um zu bestellen, müssen Sie einfach das gewünschte Mahl mit dem Zauberstab antippen; die Muggel unter uns brauchen nur lange genug mit dem Zeigefinger auf ihre Wahl deuten und schon ist die Bestellung aufgenommen.“ Mr. Bones legte die Menükarte wieder auf den Tisch. „In diesem Sinne wird auch die Tischordnung aufgehoben und zwar“, er grinste breit, „ab jetzt! Es wird im Laufe des Tages selbstverständlich für Unterhaltung gesorgt.“ Er deutete auf eine der Servicekräfte, die er eingestellt hatte und erklärte: „Die Damen und Herren in Weiß sind über alle Abläufe informiert und stehen jeder Zeit mit Rat und Tat zur Verfügung. Sie werden auch darüber unterrichten, wenn ein besonderer Programmpunkt bevorsteht. Besonders für die Kinder hat sich Draco für heute Abend neben dem Feuerwerk eine ganz besondere Überraschung ausgedacht und wir hoffen auf rege Beteiligung der anwesenden Hexen und Zauberer, aber später dazu mehr.“
Hermine stutzte und fragte sich, was sich Draco hätte einfallen lassen können, um Kinder zu erfreuen. Weil der Tisch groß und rund war, saßen ihr gegenüber die Familien Tonks und Black. Narzissa, so dachte sich Hermine, musste bei Anne ebenfalls die Haare gerichtet haben. Sirius flüsterte ihr etwas ins Ohr, woraufhin Anne ihn am Arm knuffte und herzlich zu lachen begann. Neben Sirius saßen Nymphadora und Remus. Er wirkte ein wenig nervös und Hermine ahnte den Grund. Ihre Ahnung wurde bestätigt, als er sich umdrehte, um sich die anderen Tische anzusehen. Er hielt nach Linda Ausschau.
Aus ihren Gedanken wurde Hermine gerissen, als Mr. Bones und seine Gattin sich erhoben, um einen anderen Tisch aufzusuchen. Nun konnte sie dank der freien Plätze Draco sehen, der sie mit zufriedenem Gesichtsausdruck anblickte. Die freien Stühle aufrückend setzte sie sich direkt neben ihn.
„Du kannst jetzt auch“, begann er, „an den anderen Tisch zu Harry und Ron gehen, wenn du möchtest.“
„Ja, später vielleicht. Ich will eigentlich gar nicht aufstehen. Mir tun die Füße weh“, nörgelte sie.
„Da kannst du Susan die Hand reichen. Ich verstehe wirklich nicht, warum Frauen sich Schuhe für einen bestimmten Anlass kaufen, in denen sie sich nicht lange bewegen können.“ Er klang sehr amüsiert, erhielt aufgrund seiner Aussage von Susan aber einen Klaps auf seinen Oberschenkel.
„Ich glaube, ich suche mal das Bad auf“, sagte Hermine und Susan schloss sich ihr an.
Die vier unteren Badezimmer waren in Damen- und Herrentoiletten aufgeteilt worden. In einem der Räume trafen Susan und Hermine auf Ginny, die gerade ihren Jungen wickelte.
„Warum macht das nicht euer Elf?“, fragte Susan etwas irritiert.
„Weil unser Elf hier Gast ist und wir ihn von seinen ’Pflichten’ bei uns befreit haben“, erwiderte Ginny die Nase rümpfend, denn sie war momentan mit den unschöneren Dingen des Mutterseins konfrontiert, weil Nicholas ein wenig Durchfall zu haben schien. Mit einigen Zaubersprüchen und jeder Menge Handfertigkeit war der Kleine im Nu gesäubert und frisch gewickelt.
Unbewusst strich sich Susan über den Bauch und fragte schüchtern: „Hat es wehgetan?“ Den Jungen bereits wieder auf dem Arm nehmend blickte Ginny die Braut an, antwortete jedoch nicht. „Oh“, machte Susan betrübt.
„Mach dir nicht zu viele Gedanken darüber“, empfahl Ginny mit einfühlsamer Stimme. „Es ist völlig egal, wie sehr du leidest; am Ende lohnt es sich. In dem Moment, in welchem du den ersten Schrei hörst, geht es dir wieder blendend.“ Susan war durch diese Worte nur wenig beruhigt und so lenkte Ginny wieder ab und fragte: „Sag mal, Susan, wo könnte ich mich im Laufe des Tages mal zurückziehen, um Nicholas zu stillen?“
Endlich lächelte Susan wieder. „Ich zeigt dir nachher das Kinderzimmer. Welcher Ort wäre passender?“
Zur gleichen Zeit im grünen Salon gesellte sich unerwartet Dean Thomas zu Harry, Ron und einigen anderen seiner alten Klassenkameraden. Er war einer der Gäste, die nicht schon zur Trauung anwesend waren.
„Dean!“, sagte Ron überrascht. „Mensch, wir haben uns ja eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Wie geht’s?“
„Bestens! Und selbst?“
„Kann nicht klagen.“
Nach dem letzten Treffen der vereinten Orden hatte Harry ihn auch nicht mehr gesehen, so dass er wissen wollte, weil es ihn brennend interessierte: „Was hast du so gemacht?“
„Na ja, ich bin mittlerweile fünffacher Onkel, lebe mit meiner Frau in der Muggelwelt und arbeite hier im Ministerium“, zählte er mit einem Lächeln auf den Lippen auf. Dean hatte mehrere Halbgeschwister – alle älter als er – und da war es kein Wunder, so viele Neffen und Nichten zu haben.
Völlig verdattert fragte Ron: „Du bist verheiratet? Seit wann?“
„Seit etwas über einem Jahr; meine alte Flamme aus der Muggelschule“, erwiderte Dean, der sich gleich darauf umblickte. Nachdem er gefunden hatte, was er suchte, deutete er auf eine dunkelhäutige hübsche Frau in einem pfirsichfarbenen Abendkleid. „Da drüben, Lorraine.“ Alle am Tisch drehten ihren Kopf. Besagte Lorraine blickte zu Dean hinüber und winkte, so dass er zurückwinkte.
„Und was hast du jetzt mit Lorraine vor?“, fragte Ron mit einem schelmischen Lächeln. „Willst du deine eigene Fußballmannschaft in die Welt setzen?“
„Vielleicht?“ Dean schmunzelte, bevor er Ron fragte: „Wie sieht es mit dir aus? Noch immer mit Hermine zusammen?“
„Ähm…“
Harry übernahm die Antwort, weil Ron einfach kein Wort herausbrachte. „Nein, sie haben sich Mitte des Jahres getrennt.“
Mit einem erstaunten Gesichtsausdruck fragte Dean: „Ich hoffe aber, im Guten?“
Endlich hatte Ron seine Stimme wiedergefunden. Er klang ein wenig, als würde er der alten Zeit nachtrauern, als er bestätigte: „Ja, im Guten.“
„Und du, Harry? Noch immer Single?“ Dean wusste nur zu gut, dass Harry sich damals von Ginny hatte trennen müssen, um sie nicht in Gefahr zu bringen.
Breit grinsend setzte Harry bereits zur Antwort an, da blickte Dean mit einem Male an ihm vorbei zur TĂĽr. Harry folgte seinem Blick und sah Susan, Ginny und Hermine, die gerade wieder in den Salon gekommen waren. Ginny trug Nicholas auf dem Arm.
„Nein, ist nicht wahr oder?“ Dean war nicht nur überrascht, sondern offensichtlich freute er sich für Harry, nachdem er das Kind auf Ginnys Arm gesehen hatte. „Ich sehe, du hast sofort da angeknüpft, wo du damals aufhören musstest.“
„Ich befürchte, das ist etwas komplizierter“, sagte Harry kleinlaut und Dean schien zu verstehen, denn der Blick in seinen Augen zeugte von Verständnis.
„Ich hab gar nicht erzählt, dass Lorraine ein Kind aus erster Ehe hat“, warf Dean in die Runde und aufgrund dieser Worte musste Harry erleichtert lächeln.
Während Susan sich wieder zu ihrem Mann begab, steuerten Hermine und Ginny auf den Tisch mit Harry zu.
„Dean!“ Die beiden begrüßten ihren ehemaligen Mitschüler, indem sie ihn drückten und sofort ausfragte, wie es ihm gehen würde.
Mit den Augen rollend sagte Ron: „Wenn ihr nicht solange auf der Toilette gewesen wärt, dann müsste er jetzt nicht nochmal alles erzählen.“
Kaum hatte Ginny Platz genommen und Nicholas gemütlich auf ihrem Schoß gesetzt, da kam ein kleines Mädchen angelaufen und es fragte aufgeregt, während es mit dem Finger auf Nicholas zeigte: „Ist das ein Baby?“
Das Mädchen mit den dunklen Locken und den großen braunen Augen streckte bereits eine neugierige Hand nach dem Jungen aus, da hörten alle eine ruhige Stimme sagen: „Berenice, nicht.“
Blaise war an den Tisch herangetreten und wollte gerade in die Runde grüßen, da unterbrach seine Tochter mit Ehrfurcht in der Stimme: „Papa, das ist ein Baby oder?“
Harry stand von seinem Stuhl auf und reichte ihm die Hand. „Hallo Blaise, nimm doch Platz.“ Derweil hatte Ginny dem Mädchen versichert, dass es Recht mit seiner Vermutung hatte.
„Darf ich’s anfassen?“, fragte Berenice. Ginny stimmte zu und Berenice streichelte vorsichtig mit einem Zeigefinger über die winzige Hand von Nicholas.
Mit Blaise am Tisch war die Stimmung nur wenig gedrĂĽckt, denn nicht alle wussten vom Schicksal seiner kleinen Familie. Von seiner damals an den Tag gelegten Arroganz war gar nichts mehr zu spĂĽren, so dass selbst Ron gut mit ihm auskam, auch wenn er damals auf alle, die im Slug-Club Mitglied waren, sehr neidisch gewesen war; selbst auf Harry und Hermine.
Nach einiger Zeit traute sich Wobbel an den Tisch seines Herrn und er starrte – das bemerkte nicht nur Hermine – Dean an. Dean hatte einen sehr zufriedenen Gesichtsausdruck inne, als er den Elf bemerkte und er hielt den Augenkontakt, bevor er sagte: „Ein sehr schicker Smoking.“ Über beide Ohren grinsend bedankte sich Wobbel für das Kompliment.
Für alle am Tisch, die den Elf noch nicht kannten, erklärte Harry: „Das ist Wobbel, er kümmert sich halbtags um Nicholas.“
„Hast du ihm die Kleidung geschenkt?“, fragte Dean sehr interessiert.
„Nein, es handelt sich dabei um Arbeitskleidung.“
Mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem spitzbübischen Lächeln auf den Lippen konterte Dean: „Ein Smoking als Arbeitskleidung?“
Zu Wort meldete sich der Elf selbst. „Das ist schon in Ordnung, Mr. Thomas, Sir.“
Jetzt stutzte Hermine und sie bemerkte, dass es Luna und Ginny genauso ging, denn das Seltsame war, dass Wobbel ihn mit Nachnamen angesprochen hatte, obwohl der nicht ein einziges Mal bei Tisch gefallen war. Entweder wusste Wobbel Deans Namen von irgendwoher oder die beiden kannten sich.
„Wo arbeitest du nochmal, Dean?“, fragte Hermine so gut es ging unauffällig.
„Im Ministerium“, erwiderte er, während sein Grinsen immer breiter wurde, was Hermine ansteckte.
Ron warf ein: „Ja, aber wo genau dort? Welche Abteilung?“
Zu Wobbel blickend musste Dean einmal schnaufen, weil er sein Lachen unterdrücken wollte, bevor er unschuldig antwortete: „Beim ’Amt für die Neuzuteilung von Hauselfen’, warum?“
Vor lauter Überraschung ließ Harry seine Kuchengabel zu Boden fallen, aber es war so laut im Saal, dass niemand es hörte. An Dean gewandt fragte er, obwohl es sehr wahrscheinlich war: „Du kennst Wobbel?“
Unerwartet antwortete Wobbel. „Ich habe Mr. Thomas einige Male gesehen und mich mit ihm unterhalten, nachdem die Familien, bei denen ich gewesen war, mich zurückgegeben hatten, Sir.“
Aus allen Wolken fallend fragte Harry Dean: „Dann hast du ihn mir geschickt, als ich meinen Antrag ausgefüllt habe?“
„Nicht ganz“, sagte Dean. „Ich bin zusätzlich für jene Fälle verantwortlich, bei denen die Elfen zu uns zurückkommen, wenn die Familien mit ihnen unzufrieden sind. Es gibt für diese Aufgabe keine extra Abteilung, weil es sehr selten vorkommt, aber der gute Wobbel hier“, Dean lächelte den Elf an, „hat es sechsmal geschafft. Wir haben viel miteinander geredet und ehrlich gesagt wollte ich ihn nicht noch einmal zu so einer altmodischen, reichen Familie schicken, also habe ich auf seiner Karteikarte notiert, für wen er vorbestimmt sein soll.“
„Und das war ich“, sagte Harry erstaunt.
„Nicht nur du, Harry. Ich habe mir überlegt, zu wem er passen würde und habe unter anderem auch Hermine, Luna, Neville, Ginny, Dumbledore, McGonagall und sogar Hagrid mit auf die Liste gesetzt. Derjenige auf der Karteikarte, der als Erster einen eigenen Elf beantragt hätte, hätte Wobbel bekommen. Deswegen ging es bei dir auch so schnell, Harry. Da musste nichts mehr geprüft werden.“
„Dann war es völlig gleich, was ich auf dem Antrag alles angekreuzt hätte – ich hätte ihn sowieso bekommen?“
„Ja, die Fragen auf dem Antrag sind für einen Elf nur wichtig, um zu wissen, für welche Aufgaben er überwiegend benötigt wird, aber jeder Elf ist für jede Aufgabe gleichermaßen geeignet“, erklärte Dean.
„Da bin ich wirklich baff“, konnte Harry nur noch sagen.
„Wie gefällt es dir bei Harry?“, fragte Dean den Elf.
Da er in der Vergangenheit von Harry die Erlaubnis erhalten hatte, ehrlich antworten zu dürfen, sagte Wobbel: „Mr. Potter gibt mir viel zu viel Freizeit, Sir.“
Über die Beschwerde nur grinsend äußerte sich Harry nicht, so dass Dean nachfragte: „Was machst du in deiner Freizeit?“
Der Elf spielte verlegen mit seinen langen Fingern und blickte vor sich auf das Wasserglas auf dem Tisch.
„Du musst nicht antworten, wenn du nicht möchtest“, versicherte Harry ihm, doch Wobbel wollte antworten, auch wenn er ein wenig verlegen schien.
„Da ist eine nette Elfe in der Küche. Ich besuche sie häufig“, gestand Wobbel mit leiser Stimme und er rechnete offensichtlich mit einer Schelte, doch die kam nicht. Stattdessen zauberte sich besonders bei den Damen am Tisch ein verzücktes Lächeln aufs Gesicht.
Im Laufe des späten Nachmittags hatten sich verschiedene Gäste zu Harry an den Tisch gesellt, weil sie ihn und die anderen lange nicht gesehen hatte. Einige gratulierten ihm nachträglich noch zum Erhalt des Merlinordens. Andere fragten, wie ihm sein Beruf als Lehrer gefallen würde oder wie er mit Snape als Kollegen auskommen würde. Aus einigen Aussagen konnte Harry heraushören, dass viele nicht frohen Mutes gewesen waren, die Hochzeit zu besuchen, doch als sie gehört hatten, dass nicht nur Dumbledore, sondern auch Harry als Gäste erscheinen würden, da hatten sie ihren Entschluss mit Leichtigkeit fassen können, denn wenn sogar die beiden zu Dracos Hochzeit kommen würden, dann dürfte man selbst keine Zweifel hegen. Außerdem war es Luna gewesen, die überall gestreut hatte, dass Harry Potter der Patenonkel von Susans und Dracos Kind werden würde.
Eine ganze Weile lang saß Berenice ruhig auf ihrem Platz neben ihrem Vater, der mittlerweile sehr gelöst mit seinen ehemaligen Schulkameraden reden konnte, und sie betrachtete still die Menükarte. Als fünf Kellner mit vierundzwanzig Speisen den Raum betraten und auf den Tisch mit Harry zusteuerten, da ahnte Blaise Schlimmes.
„Berenice? Was machst du da mit der Karte?“, fragte er besorgt, obwohl er schon ahnte, was sie getan haben musste.
„Das leuchtet ganz lustig, wenn man den Finger draufhält“, erwiderte sie mit strahlenden Augen.
„Ihre Bestellung“, sagte der Erste der Kellner.
„Ähm…“, machte Blaise, während er sich schon eine Entschuldigung für die Tat seiner Tochter ausdachte, die mit der verzauberten Menükarte gespielt hatte.
Die anderen am Tisch fanden den Vorfall hingegen amüsant und Ginny war diejenige, die ihn beruhigte, indem sie versicherte: „Das werden wir schon alles irgendwie verteilen.“ An den Herrn in Weiß gewandt fragte sie: „Was bringen Sie uns? Ist irgendwas mit Fisch dabei?“
„Zweimal den Lachs“, antwortete der Kellner und Ginny und Hermine hoben die Hand, um die Teller entgegenzunehmen.
„Der Gemüseauflauf?“, fragte der Herr und Luna und Neville hoben gleichzeitig ihre Hand.
Ihr den Vortritt gebend sagte Neville: „Nimm du ihn ruhig.“
Nach und nach verteilten die Servicekräfte das Essen, dass Berenice versehentlich bestellt hatte. Zwei große Teller waren noch übrig, als jeder bereits versorgt war.
„Was ist mit den beiden Grillplatten?“
Ron, der bereits sein duftendes Steak vor sich hatte, sagte zu dem Herrn: „Stellen Sie’s hier hin“, er räumte seine Gläser zur Seite, „das bekomme ich auch noch runter.“
„Wie in alten Zeiten, was?“, scherzte Dean.
Während alle mit dem Essen begannen, fragte Hermine: „Wo ist eigentlich Angelina?“
Ron blickte auf und schaute sich um, bevor er auf einen Tisch deutete. „Da hinten bei Fred und George am Tisch.“ Aufgrund der fragenden Blicke erklärte Ron kleinlaut: „Wir haben uns gestritten. Sie will mit dem Quidditch aufhören, zumindest bei Eintracht Pfützensee. Es gefällt ihr dort nicht.“
Niemand kommentierte seine Worte.
„Wo ist Snape hin? Hat er sich doch verdrückt?“, fragte Ron, bevor er sich über den zweiten Grillteller hermachte, während alle anderen schon lange mit dem Essen fertig waren.
Sich umblickend bemerkte Hermine, dass einige Gäste den grünen Salon verlassen haben mussten, um von dem Angebot, die anderen Räume nutzen zu können, Gebrauch zu machen.
„Ich weiß nicht“, sagte sie ein wenig enttäuscht klingend. „Linda ist auch nicht mehr hier.“
„Wer ist Linda?“, fragte Ron mit vollem Mund.
„Seine ehemalige Freundin.“ Man hörte, wie sich jemand an etwas verschluckte.
Luna schien sehr interessiert und fragte nach Einzelheiten, so dass Hermine preisgab, dass Linda ebenfalls eine ehemalige Freundin von Remus gewesen wäre.
„Remus ist übrigens auch nicht hier“, stellte Hermine fest, denn Tonks saß weiterhin neben Sirius und Anne, schien aber ein wenig unruhig, weil sie sich ständig umblickte und auf ihrem Stuhl hin- und herrückte.
„Vielleicht gehen die beiden sich gerade in diesem Moment an die Gurgel?“, scherzte Ron.
An Hermine gewandt sagte Luna: „Ich würde mir gern mal die anderen Räume ansehen. Ich finde den Salon schon so schön, da möchte ich den Rest auch sehen.“
„Wir können ja mal losziehen! Wer kommt noch mit?“ Berenice hob die Hand, doch ihr Vater verneinte, so dass sie ein ganz trauriges Gesicht machte. „Wir passen auf sie auf, Blaise.“ Er zögerte und schien seine Tochter nur ungern anderen anzuvertrauen. Wie Harry und Hermine ahnten, wäre es das erste Mal, dass er das tun würde.
„Na gut“, stimmte er unsicher zu. An seine Tochter gewandt sagte er: „Stell nichts an und hör auf die beiden!“
Rechts und links an die Hand nehmend ließ sich Berenice durch das Haus führen, bis sie ein Spiel entdeckt hatte, dass sie zum Giggeln brachte, denn sie ergriff die Hände der beiden Frauen ganz fest und sprang beim Gehen in die Luft, so dass Hermine und Luna sie dabei ein wenig nach oben zogen. Den ganzen Weg über bis in den ersten Stock gingen sie auf diese Weise; immer dem springenden Kind ein wenig mehr Schwung gebend.
„Das haben meine Eltern früher mit mir auch gemacht“, sagte Hermine in Erinnerungen schwelgend.
„Ja, meine auch“, bestätigte Luna lächelnd.
„Es sieht alles anders aus“, sagte Berenice, als sie im ersten Stock angekommen waren.
Luna schaute skeptisch, doch Hermine erklärte der Kleinen: „Es ist alles sauber und viel heller als vorher.“
„Gehen wir in mein Zimmer?“
Berenice zerrte die beiden Frauen schon zu der Treppe, die in den zweiten Stock führte, da sagte Hermine: „Nein, lass und hier bleiben und uns die Zimmer ansehen, ja?“
Ein Herr in Weiß trat aus dem Kaminzimmer hinaus, bemerkte die beiden Damen und das Kind und sagte höflich: „Ich möchte auch Sie darüber informieren, dass in etwa fünfzehn Minuten alle Gäste zur großen Terrasse gebeten werden.“
„Gibt es schon das Feuerwerk?“, fragte Luna, denn es war dank der Jahreszeit bereits dunkel draußen.
„Nein, es gibt eine Überraschung, besonders für die Kleinen.“ Der nette Herr schaute zu Berenice und zwinkerte ihr einmal zu, bevor er in eines der anderen Zimmer ging, um die Nachricht zu verbreiten.
„Kommt, wir gehen wieder runter, damit wir gute Plätze zum Zuschauen bekommen“, schlug Luna vor.
Auf der Treppe stießen sie auf Blaise, der seine Tochter für die Überraschung abholen wollte. Er bedankte sich bei den beiden, nahm Berenice auf den Arm und verschwand nach unten. Als sie ihm noch nachschauten, öffnete sich plötzlich eine Tür hinter ihnen, weswegen Luna und Hermine zusammenzuckten. Severus war aus dem Kaminzimmer getreten und hielt kurz inne, als er die beiden erblickte. Verärgert wirkend passierte er sie und stürmte nach unten. Hermine warf Luna einen erstaunten Blick zu, bevor ihr die Gesichtszüge entgleisten, denn hinter Luna trat nun noch jemand anderes aus dem Kaminzimmer.
„Mrs. Harrison“, grüßte Hermine verdattert.
Linda stutzte, bevor sie Hermine wiederzuerkennen schien und fragte: „Die Schülerin von Severus, richtig? Entschuldigen Sie bitte, aber mir ist Ihr Name entfallen.“
Aus einem unerfindlichen Grund ärgerte es Hermine, dass jemand ihren Namen vergessen hatte, denn das wirkte so, als wäre sie keine Person, an die man sich erinnern wollte, weswegen sie ungalant klarstellte: „Miss Granger.“
„Ja, natürlich. Entschuldigen Sie bitte. Kommen Sie auch mit zur Terrasse?“, fragte Linda freundlich.
Luna wollte bereits bejahen, da kam ihr Hermine abweisend zuvor. „Nein, noch nicht.“
„Na dann… Ich gehe nach unten.“
Kaum war Linda die Treppe hinunter verschwunden, da fragte Luna: „War das diese Linda?“
Hermine bestätigte nickend. „Ich frage mich wirklich, was die beiden dort drinnen gemacht haben.“
„Welcher Raum liegt hinter der Tür?“, wollte Luna wissen.
„Das Kaminzimmer, willst du es sehen?“
Ein wenig erbost stieß Hermine die Tür auf und trat ein. Das Feuer im Kamin brannte noch immer und irgendjemand hatte regelmäßig Holz nachgelegt. Ihre Arme vor der Brust verschränkend schlenderte Hermine in dem Zimmer umher und hielt Ausschau nach… Sie wusste es selbst nicht genau. Vielleicht nach eingedrückten Kissen auf der Couch oder nach benutzten Gläsern.
„Hallo“, sagte eine abgeschlagen klingende Stimme. Die beiden Frauen drehten sich um und erblickten Remus, der sich ebenfalls im Kaminzimmer aufhielt und die Schultern hängen ließ. Er lehnte mit dem Gesäß an einem Schrank.
„Remus, wir wussten gar nicht, dass du noch im Zimmer bist.“
Mit einem gequälten Lächeln erklärte er: „Deswegen habe ich ja auch auf mich aufmerksam gemacht.“
„Was ist denn passiert?“, wollte Hermine wissen.
„Ach nichts“, log er und seufzte.
„Das sieht mir aber nicht nach ’nichts’ aus. Severus schien eben sehr verärgert zu sein und kurz nach ihm kam Linda raus.“ Auf ihn zugehend fragte sie: „Habt ihr etwa über damals gesprochen?“
Er antwortete in einem für ihn untypischen sarkastischen Tonfall: „Was denkst denn du?“
„Tut mir Leid“, sagte Hermine kleinlaut. „Kommst du mit uns nach unten auf die Terrasse?“
Man musste nur den anderen Gästen folgen und schon gelangte man zu dem Ort, an welchem der kleine Event für die Kinder stattfinden sollte.
„Da seid ihr ja“, sagte Neville laut, als er Luna und die beiden anderen erblickte. Nachdem sie sich durch die Gästeschar hindurchgekämpft hatten, fragte Neville: „Macht ihr mit?“
„Wobei mitmachen?“
„Bei der Überraschung für die Kinder. Jeder, der möchte, kann seinen gestaltlichen Patronus heraufbeschwören. Die meisten haben das noch nie gesehen und viele der Muggel auch nicht. Macht ihr mit?“ Nevilles Augen glänzten.
Hermine und Luna waren von der Idee begeistert, doch Remus offensichtlich weniger. „Ich werde zusehen.“
Darüber erstaunt fragte Harry: „Aber warum?“
„Weil ich im Moment“, er stockte, „keine glückliche Erinnerung parat habe. Habt ihr Tonks gesehen?“ Er hatte sofort das Thema gewechselt.
„Ja“, Harry zeigte in eine Richtung, in der Tonks mutterseelenallein mit vor der Brust verschränkten Armen an einer Wand lehnte.
„Ich gehe zu ihr. Viel Spaß.“ Schon war Remus verschwunden.
„Was hat er denn?“ Seinen guten Freund hatte er nur so trübsinnig erlebt, wenn es um den unerfüllten Hochzeitswunsch mit Tonks ging.
„Keine Ahnung.“ Hermine wollte nicht spekulieren. „Wann geht es los?“ Sie blickte an Harry vorbei und sah Severus, der ebenfalls allein an der Wand lehnte, jedoch im Schatten, wo man ihn wegen seiner dunklen Kleidung schwer ausmachen konnte. „Ich frag Severus, ob er auch mitmacht.“
Bei ihm angekommen wollte sie gerade grüßen, da giftete er bösartig: „Was wollen Sie?“
Ernüchtert über seine abweisende Art sagte sie die Wahrheit. „Ich wollte fragen, ob Sie auch Ihren Patronus heraufbeschwören möchten?“
„Warum sollte ich mich an diesem Unfug beteiligen?“
„Weil ich gern Ihren Patronus sehen würde, Severus. Kommen Sie“, ihre Stimme war mit einem Male viel weicher, „dann können Sie auch meinen sehen.“
Etwas besänftigt stellte Severus klar: „Ihren werde ich sowieso sehen. Sie machen doch bei Albernheiten dieser Art gern mit.“
„Ja, das stimmt!“ Sie hoffte, ihre Euphorie würde auf ihn überspringen. „Kommen Sie mit? Bitte!“
Ihr letztes Wort war so langgezogen formuliert, dass er es nicht unterlassen konnte zu sagen: „Sie quengeln wie eines dieser verzogenen Bälger.“
Schäkernd konterte sie: „Sie wissen, dass ich viel schlimmer sein kann. Lassen Sie sich nicht so lange bitten.“
„Warum sollte ich?“
„Remus macht leider auch nicht mit. Ich fände es schade, wenn Sie sich auch noch sträuben und genauso wie er nur hier an der Wand lehnen und zusehen.“ Sie hatte keine Ahnung, über was die drei im Kaminzimmer gesprochen hatten. Möglicherweise würde Severus es nicht wollen, sich genauso wie Remus zu verhalten.
„Er macht nicht mit?“, fragte er zaghaft nach, so dass sie den Kopf schüttelte.
Sich von der kühlen Steinwand abstoßend näherte er sich Hermine, um sich vor ihr aufzutürmen, doch seine sonst so bedrohliche Körperhaltung brachte sie nur zum Schmunzeln.
„Ich werde mich dieser Kinderei ergeben und mich daran beteiligen, um bei dem Brautpaar und den Gästen einen guten Eindruck zu hinterlassen“, Hermine wollte sich schon bedanken, doch er war noch nicht fertig, „aber nur, wenn Sie mir versprechen, mich im Laufe des Abends nicht zu einem Tanz aufzufordern und wenn ich gerade schon dabei bin: Sorgen Sie dafür, dass auch keine Ihrer Freundinnen es wagen wird, sich mir in dieser Absicht zu nähern.“
„Das ist Erpressung, Severus.“ Sie klang weniger erbost als erwartet.
„Das ist keine Erpressung, Hermine, das ist ein Handel!“ Ihr die fahle Hand hinhaltend erwartete er, dass sie sie schütteln würde.
Tatsächlich griff Hermine zu, doch während sie seine Hand schüttelte, stellte sie die Bedingung: „Mindestens fünf Minuten müssen Sie Ihren Patronus halten!“ Er wollte seine Hand wegziehen, doch sie hielt sie fest und erklärte: „Das ist die Zeit, die Sie sich mit mir auf der Tanzfläche ersparen!“
Er kniff entrĂĽstet die dĂĽnnen Lippen zusammen, doch seine Augen schienen amĂĽsiert.
„Von mir aus auch fünf Minuten.“
„Dann kommen Sie, es fängt gleich an!“
Mit Severus im Schlepptau näherte sich Hermine den anderen Gästen, die sich ebenfalls bereiterklärt hatten, ihren Patronus zur Schau zu stellen. Sie hörten Mr. Bones gerade noch sagen: „…zum Glück ist es dank des Wärmezaubers hier auf der Terrasse nicht allzu frisch. Also, wer möchte den Anfang machen?“
Einige der Gäste waren wieder nach drinnen gegangen, weil sie keinen Gefallen daran fanden, die Patronusgestalten anderer zu sehen, aber das war nicht schlimm, denn so blieb eine übersichtliche Menge an Menschen zurück, von denen mehr als die Hälfte offensichtlich nur zusehen wollte. Die meisten von ihnen waren Muggel, die überhaupt nicht ahnten, was sie erwarten könnte, aber auch einige der Zauberer und Hexen waren geblieben, um sich mit ihren Kindern an dem Spektakel zu ergötzen. Dracos ursprüngliche Idee war es gewesen, die Hochzeit symbolisch mit den glücklichen Momenten der Gäste zu untermalen, doch als er die ganzen Kinder seiner ehemaligen Schulkameraden gesehen hatte, da war ihm klar, dass die Kleinen an diesem Spektakel ihre wahre Freude haben würden.
Mit seinem Hirsch machte Harry den Anfang und ein erstauntes A und O ging durch die Reihe. Die Kinder kamen bei der silbernen Gestalt mit ihrem prächtigen Geweih nicht mehr aus dem Staunen heraus. Mit großen Augen verfolgten sie den Hirsch, den Harry langsam an den entzückten Augen vorbeiziehen ließ. Jeder – bis auf Severus – hatte ein Lächeln auf dem Gesicht. Die kleineren Kinder warfen ihre Arme nach oben, die älteren unter ihnen klatschten zusammen mit den erwachsenen Zuschauern.
Noch während Harry seinen Hirsch über die Terrasse gleiten ließ, ging Hermine einen Schritt auf ihren Freund zu, zückte ihren Stab und erinnerte sich an den glücklichsten Moment in ihrem Leben. Der silberne Nebel, der ihrer Stabspitze entsprang, formte alsgleich einen Otter, der ihr erst sehr lebhaft um die Beine rannte, bevor sie ihn auf die Kinder zulenkte, die beim Anblick des flinken Tiers vergnügt quietschten.
Hinter sich hörte sie Severus nüchtern sagen: „Es musste ja etwas Quirliges sein.“ Hermine musste grinsen, verlor jedoch nicht ihre glückliche Erinnerung. Selbst nicht, als Luna sich ihr anschloss und ein Kaninchen heraufbeschwor.
Aus der Menge hörte man Berenice’ Stimme begeistert rufen: „Da ist Babbelhäschen!“
Luna stutzte und fragte Hermine mit verträumter Stimme: „Woher weiß sie nur, wie ich meinen Patronus genannt habe?“
Das Brautpaar näherte sich ebenfalls der Mitte der Terrasse. Draco fragte leise: „Was ist eigentlich dein Patronus?“
Susan lächelte nur und erwiderte: „Wirst du gleich sehen.“
Es dauerte bei Susan nicht lang, da hatte sich der silberne Nebel in eine Löwin verwandelt, die jedoch wenig angsteinflössend war.
„Aber nicht, dass deine Löwin meinen Hirsch reißt, den brauche ich noch“, sagte Harry scherzend, bevor sein Patronus verschwand, weil er zu sehr abgelenkt war. Mit Ehrfurcht betrachteten die Kinder das große Raubtier, aber als sie bemerkten, dass es sich wie eine normale Hauskatze bewegte, da hatten sie keine Angst mehr. Nevilles Patronus war eine Gazelle, die munter auf und ab hüpfte, manchmal im Zickzack sprang, um Susans Löwin auszuweichen, die mittlerweile auch wieder verblasste.
Bisher hatte Hermine am längsten ihren Patronus aufrechterhalten und sie ließ ihn jetzt mutig auf Severus zulaufen, damit er ihm um die Beine tänzeln würde.
„Ich wäre auch einer verbalen Aufforderung nachgekommen“, sagte Severus mit gleichgültiger Miene, aber es waren seine Augen, die verrieten, dass für ihn die Situation nicht so schlimm war, wie er sie sich vorgestellt haben musste. Er zückte seinen Zauberstab und die silberne Farbe schoss im Überfluss aus der Spitze direkt gen Himmel, damit sie den großen Vogel, der seinen Patronus darstellte, formen konnte.
Der gigantische Vogel streckte seine Flügel aus und erhob sich noch weiter hinauf in die Lüfte. Sämtliche Kinderaugen klebten an dem fliegenden Tier, selbst die der erwachsenen Zuschauer. Immer wieder war ein verzücktes „Oh wie schön“ zu hören, während der silberfarbene Phönix seine Runden am dunklen Himmel drehte.
Mit einem Male fühlte sich Draco in der Zeit zurückversetzt. Damals war er es gewesen, der als Erster gegen die Dementoren seinen Patronus angewandt hatte, während der von Severus sie am Ende alle in die Flucht geschlagen hatte. Eine zarte Hand an seiner riss ihn aus seinen Gedanken und er blickte Susan in die Augen, die ihn aufforderte, nun seinen Schutzherrn preiszugeben.
„Erst wenn Severus fertig ist“, sagte Draco leise. „Sieh dich doch um. Alle starren nach oben.“
Es stimmte, wie Susan feststellte. Selbst Harry folgte mit den Augen jeder Bewegung des mächtigen Phönix’ mit seiner riesigen Flügelspannweite.
Noch immer dicht bei Severus stehend fragte Hermine ihn leise, während auch sie seinem prächtigen Patronus nachsah: „Warum ein Phönix?“ Die Frage schien ihn aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben, denn der Vogel verblasste und ein enttäuschtes „Oh“ war von den Kindern zu hören.
„Damit“, zischte Severus leise, „haben Sie sich selbst um die abgemachte Zeit gebracht, Hermine.“
Den Moment hatte Draco genutzt, um seinen Schutzherrn zu beschwören und Berenice rief kindlich vergnügt den Namen des Bären, den sie aus ihrem Märchenbuch kannte. Als Severus die Kinderstimme „Zottel“ rufen hörte, da wandte er sich um und betrachtete den großen Schwarzbären, der Dracos Zauberstab entsprungen war. Berenice war darüber, dass sie am heutigen Abend gleich zwei ihrer literarischen Helden sehen durfte, so aufgebracht, dass sie dem Bären mit ausgestreckten Armen entgegenlief. Nur knapp konnte Draco seinen Patronus anhalten, doch das Mädchen lief weiter. Sie wollte den Bären umarmen und lief mit weiterhin ausgestreckten Armen auf ihn zu und durch ihn hindurch. Sie blieb stehen, drehte sich um und zog ihre Augenbrauen in die Höhe, so dass einige der Gäste lachen mussten, weil es niedlich aussah.
Hermine blickte Severus an und fragte abermals: „Warum ein Phönix?“
Luna, die ein wenig abseits stand, hatte ihre Frage vernommen und sie hörte auch, als Severus die Gegenfrage stellte: „Warum ein Otter?“
Strahlend antwortete Hermine: „Sie haben es selbst gesagt.“ Sie deutete auf sich. „Quirlig.“
Kommentarlos – und damit sie keine weitere Gelegenheit finden würde ihn auszufragen – ließ Severus sie stehen, um wieder nach drinnen zu gehen und während sie ihm nachschaute, näherte sich ihr Luna, die mit entrücktem Blick ebenfalls ihrem ehemaligen Zaubertränkelehrer hinterherschaute und in Bezug auf Hermines Frage laut vermutete: „Vielleicht wegen der Sehnsucht, wie ein Phönix verbrennen zu wollen, um ein neues Leben beginnen zu können?“
Der Abend war schon weiter vorangeschritten. Weil sich besonders die Gäste mit Kindern langsam auf den Heimweg machen wollten, hatte Susan sich dazu entschlossen, jetzt ihren Brautstrauß zu werfen.
„Willst du wieder nicht mitmachen?“, fragte Harry, weil Hermine am Tisch geblieben war, während die anderen Frauen bereits die Mitte des Salons stürmten, um sich gut platzieren zu können.
„Warum sollte ich? Dafür gibt es keinen Grund. Und außerdem wird sicherlich wieder Tonks diejenige sein, die den Strauß fängt“, blaffte Hermine zurück, denn das Thema schien bei ihr ein wunder Punkt zu sein.
„Hermine“, sagte Ron, „nicht raten, WER den Strauß fängt, sondern wie! Ich tippe bei Tonks auf einen doppelten Flickflack mit anschließender Schraube.“
Der Tisch brach in Gelächter aus und sogar Hermine konnte sich nicht halten, als sie sich Rons Ausführung bildhaft vorstellte.
„Ginny sitzt ja auch noch hier am Tisch“, nörgelte Hermine einen Augenblick später.
„Ich brauche eben keinen Brautstrauß zu fangen“, rechtfertigte sich Ginny. „Ich weiß ja, dass wir im Juni heiraten werden.“
„Wir heiraten nur“, begann Harry mit einem Schmunzeln, „wenn du den Strauß fängst oder es zumindest versuchst!“
„Ich höre wohl nicht recht!“ Ginny musste breit grinsen.
„Geht zusammen nach vorn“, bat Harry die beiden Frauen am Tisch. „Und Ginny, ich erwarte mindestens genauso einen Körpereinsatz wie von Tonks!“
Ihm den Jungen überreichend sagte Ginny gut gelaunt: „Ich werde mich auf der nächsten Hochzeit dafür einsetzen, dass die Junggesellen sich mal um den Brautstrauß prügeln sollen!“ An Hermine gewandt sagte sie: „Kommst du mit? Ich will nicht allein.“
Hermine stand zwar auf und folgte Ginny, sagte jedoch: „Allein ist gut… Schau doch mal, wie viele Mädchen und Frauen hier stehen.“ Sie erspähte einige und sagte: „Olympe macht diesmal mit. Herrje, wenn Susan hoch wirft, werden wir alle keine Chance haben!“ Amüsiert kicherte Hermine. „Und hinter uns, da steht Minerva. Sie wartet darauf, dass ihr die Blumen direkt in die Hände fliegen.“ Sie erblickte weiter vorn Luna. „Wenn Luna weiterhin so vor sich hinträumt, wird sie gar nicht mitbekommen, wenn es längst vorbei ist.“
„Um Himmels Willen, Hermine. Du hast dich bei Snape angesteckt… Du leidest an Spottsucht!“, sagte Ginny im ersten Moment ernsthaft, bevor sie lachen musste.
Etwas niedergeschlagen gestand Hermine: „Ich weiß wirklich nicht, was ich hier soll.“
„Den Strauß fangen! Das ist das bunte Ding mit der Schleife in Susans Hand“, munterte Ginny ihre Freundin auf, doch als sie versagte, fügte sie hinzu, „Es ist doch nur eine Tradition.“
„Aber eine blöde.“
Ginny seufzte. „Ich weiß, was du meinst.“ Hermine mit dem Ellenbogen anstoßend sagte sie: „Gleich geht’s los, Susan wirft.“
„Viel Glück, Ginny.“
Susan warf den Strauß und weil sie Linkshänderin war, flogen die Blumen in eine völlig andere Richtung als die meisten es erwartet hatten. Er kam nicht einmal in die Nähe von Ginny und Hermine, sondern flog – über Olympe hinweg – ganz nach hinten, bis er an die Schulter einer wartenden Frau prallte, die ihn sofort mit beiden Händen umfasste.
Totenstille war eingekehrt, was möglicherweise an dem verblüfften Gesichtsausdruck der Fängerin liegen mochte oder gar an der Tatsache, wer den Strauß nun in den Händen hielt.
Mit einem Male war ein fröhliches Pfeifen zu hören, denn Fred und George hatten sich als Erste gefasst. Sie klatschten und pfiffen mit Hilfe ihrer Finger laut und stimmungsmachend, so dass sich die anderen Gäste völlig aufgedreht und euphorisch anschlossen. Sich von der guten Laune mitreißen lassend klatschten und jubelten nun auch die Frauen, denen das Glück verwehrt geblieben war, denn jede von ihnen – selbst Tonks – gönnte es Minerva McGonagall, die es offensichtlich noch immer nicht fassen konnte, den Brautstrauß in ihren Händen halten zu dürfen.
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