von Muggelchen
Von Narzissa hatten Draco und Hermine eben erfahren, dass nun alle Gäste angekommen wären und gerade einen Aperitif zu sich nahmen. In einer Viertelstunde sollten beide nach unten kommen.
„Der Beruhigungstrank hat geholfen, aber ich bin noch immer sehr erhitzt“, sagte Draco, als er sich frische Luft mit einer der Menükarten zuwedelte, die man ihm zur Ansicht für den heutigen Tag gegeben hatte und die er bisher völlig ignoriert hatte.
Tief Luft holend forderte Hermine: „Steh mal bitte auf und breite die Arme aus.“
Er war zwar verdutzt über ihren Wunsch, kam ihm jedoch nach. Mit einem Wedeln ihres Zauberstabes hatte sie einen leichten Kühlungszauber über ihn gelegt, den sie damals erlernt hatte, als sie mit Harry und all den anderen während eines Sommers unterwegs gewesen war, um nach den Horkruxen zu suchen.
„Oh ja“, sagte Draco erleichtert, als sich die angenehme Kühle auf seinem ganzen Körper ausbreitete. „Viel besser!“
„Wenn es zu kühl werden sollte, dann einfach mit einem Finite beenden. Um deinen Körper herum herrschen ungefähr 16 Grad Celsius.“
„16 Grad hört sich wunderbar an. Ich glaube, ich lasse den Zauber den ganzen Abend drauf“, erwiderte er dankbar.
Gewissenhaft inspizierte Hermine die Lage. „Gut, du bist vollständig angezogen – und nebenbei: Du siehst großartig aus! Aber wo ist deine Ansteckblume?“
„Die ist hier“, sagte Draco, als er zu einer kleinen Kommode hinüberging. In dem Moment, als er sie in die Hand nahm, erstarrte er. „Oh mein Gott!“, entwich ihm völlig entsetzt klingend.
„WAS? Sag schon, was haben wir vergessen?“ Hermine wurde unruhig.
„Der Brautstrauß!“ Er klang so resignierend, als hätte er sich damit abgefunden, dass die Welt nun untergehen würde. „Und der für die Brautjungfer! Oh Merlin…“ Draco schwankte verdächtig und Hermine war froh, dass sie freiwillig den Erste-Hilfe-Kurs im Mungos gleich dreimal abgelegt hatte.
Es klopfte. Noch immer geschockt über Dracos Aussage, er hätte den Brautstrauß vergessen, öffnete Hermine die Tür und wie erwartet informierte Mrs. Malfoy, dass Draco nun nach unten kommen sollte.
„Mrs. Malfoy, der Brautstrauß…“ Hermines Kehle schnürte sich zusammen und würgte somit den Rest ihres Satzes unverhofft ab.
„Den habe ich kommen lassen. Susan und Belinda haben ihre Sträuße längst“, versicherte Mrs. Malfoy sehr gelassen, bevor sie einen Blick zu ihrem Sohn riskierte. Die Farbe seines Gesichtes ähnelte zwar noch immer dem Sandstein des Kamins, aber er schien mittlerweile ein wenig ruhiger zu sein.
„Belinda?“, fragte Hermine nach, der der Name bekannt vorkam.
Draco erklärte knapp: „Die Tochter einer Kollegin von Susan. Können wir jetzt gehen, bevor ich einen Herzinfarkt bekomme?“ Noch an der Tür hielt Draco kurz inne und sagte leise zu seiner Trauzeugin: „Ich habe das Mitbringsel für dich vergessen.“
Lächelnd konterte sie: „Ich habe euer Hochzeitsgeschenk vergessen.“
„Na, dann sind wir ja quitt. Los geht’s!“ Er klang nicht so enthusiastisch locker wie er wollte.
In der Halle waren keine Gäste mehr anzutreffen, nur noch Personal, das Mr. Bones verpflichtet hatte und darunter waren zwei gut gekleidete Herren, die sich um den reibungslosen Ablauf der Zeremonie kümmerten.
„Ah, Mr. Malfoy“, sagte einer der Herren, während er sich dem Bräutigam näherte. „Wie abgesprochen gehen Sie und Miss Granger durch die Tür bis ganz nach vorn in den Wintergarten, wo der Herr und die Dame vom Ministerium auf sie warten – gehen Sie beide erst los, wenn die Musiker zu spielen begonnen haben.“ Draco nickte und machte dabei ein Gesicht, als hätte er eben Tipps dafür bekommen, wie er am besten den Weg zur Guillotine antreten könnte. Der Mann verließ die beiden wieder.
„Draco“, sagte eine Stimme vorsichtig. Hermine und Draco drehten sich um und erblickten Severus, der zögernd auf sie zukam.
„Severus, warum sitzen Sie noch nicht im grünen Salon?“, fragte Hermine entgeistert.
„Ich war schon drinnen, aber wenn Sie mir erlauben, dann würde ich gern kurz mit meinem Patensohn sprechen.“
Hermine stimmte zu, wies Severus jedoch darauf hin: „Ich denke aber nicht, dass Draco momentan besonders aufnahmefähig ist.“
„Was?“, fragte Draco verwirrt.
„Nur eine Minute“, bat Severus, so dass Hermine nickte und sich ein wenig entfernte, damit die beiden miteinander reden könnten.
Als Hermine sich in der großen Halle umsah, bemerkte sie auf der Treppe Hannah, die über das Geländer schaute und eine stoppende Geste für jemanden machte, den Hermine noch nicht sehen konnte. Es konnte sich nur um Susan handeln, die gleich nach Draco den grünen Salon betreten würde und zwar an der Seite ihres Vaters und ihrer Trauzeugin. Ein junges, schick zurechtgemachtes Mädchen mit einem Korb in der Hand kam die Treppe hinunter und hielt genau bei Hanna, um ebenfalls das Treiben in der Halle zu beobachten. Die sehr junge Dame musste die Brautjungfer sein, dachte Hermine. ’Belinda’, wiederholte sie in Gedanken und wie aus heiterem Himmel fiel ihr ein, woher sie nicht nur den Namen kannte, sondern auch das Mädchen.
„Linda ist hier“, murmelte Hermine erstaunt. Mrs. Malfoy hatte gesagt, die Brautjungfer wäre die Tochter einer Arbeitskollegin von Susan. Sich das Treffen mit Severus’ ehemaliger Partnerin ins Gedächtnis zurückrufend erinnerte sie sich an das Gespräch zwischen den beiden.
„Ich habe gelesen, dass du wieder in Hogwarts arbeitest?“, hatte Linda damals in der Winkelgasse gesagt.
„Ja, ganz recht. Und was machst du?“
„Ich arbeite beim Besenregulations-Kontrollamt“, waren Lindas Worte gewesen.
Severus hatte daraufhin klargestellt: „Beim Ministerium also.“
Susan und Linda mussten sehr gut miteinander auskommen, wenn Lindas Tochter zur Brautjunger bestimmt worden war. Hermine fragte sich nur, ob Severus von diesem Gast wusste; ob vielleicht sogar Remus unter all den Gästen längst seine ehemalige Freundin ausgemacht hatte. Vielleicht war das der Grund, vermutete Hermine still, weswegen Severus den Saal verlassen hatte.
Sie blickte zu Severus und Draco hinüber, die sich noch beide unterhielten. Draco legte eine Hand auf Severus' Oberarm und nickte, während er mit der anderen Hand eine beschwichtigende Geste machte. Diesmal nickte Severus und er schien nach dem kurzen Gespräch mit Draco sehr erleichtert. Die beiden trennten sich und Severus ging zurück in den grünen Salon, während Draco auf Hermine zusteuerte.
„Was wollte Severus?“, fragte sie in der Hoffnung, dass er es ihr mitteilen würde.
„Ach, er hat nur gesagt, dass er Susan und mir nach der Zeremonie persönlich gratulieren möchte und nicht vor allen anderen; dass ich nicht sauer sein soll, wenn er mir nachher nicht sofort die Hand schüttelt“, erklärte Draco und er schien wesentlich ruhiger als zuvor.
Als Severus in den grünen Salon zurückgekommen war und sich auf einen der hintersten Stühle in einer leeren Reihe setzte – nahe an der Tür – da spürte er Blicke auf sich. Er betrachtete daraufhin die Gäste, bis er denjenigen fand, der ihn anschaute. Er nickte Harry zu und der nickte zurück.
An Ginny gewandt sagte Harry: „Er ist wieder da. Da habe ich doch wirklich geglaubt, er würde sich aus dem Staub machen.“
„Ich denke nicht, dass er Draco das antun würde, egal wie unangenehm es ihm ist, mit so vielen Leuten in einem Raum zu sein“, sagte Ginny beschwichtigend, als sie Harry plötzlich fragend anblickte. Der tastete seinen Kragen ab, falls der am Hals versehentlich hochgeklappt war, doch Ginny starrte ihn nicht so eindringlich an, weil seine Kleidung nicht sitzen würde. „Sag mal, Harry, sind wir nicht MIT Kind hierher gekommen?“
Nicholas war nirgends zu sehen. Harry holte erschrocken Luft, bevor er weniger ernst in seinen Umhang schaute, diesen schüttelte und sogar unter dem Stuhl nachsah, auf dem er saß, bis Ginny lachen musste und ihn am Arm knuffte.
Auch Harry musste lachen, bevor er flüsternd erklärte, als würde er von einem Mysterium sprechen: „Nicholas ist auf seltsame Weise verschwunden, nachdem deine Mutter uns ganz herzlich begrüßt hatte.“
An Harry vorbeischauend hatte sie sich nach vorn gebeugt, um die Stuhlreihe zu betrachten, auf der alle Weasleys saßen. Ganz weit hinten saß ihre Mutter mit Nicholas auf dem Arm und als Molly ihre Tochter bemerkte, da flüsterte sie dem Baby etwas ins Ohr und zeigte zu Ginny und Harry. Gleich darauf nahm sie Nicholas’ Arm und winkte mit ihm den Eltern zu. Ginny lächelte und winkte zurück.
„Meine Mutter liebt Kinder nun einmal über alles“, sagte Ginny.
„Das brauchst du nun wirklich nicht laut zu sagen.“
Als die Musiker zu spielen begannen, verstummten Harry und Ginny wie auch alle anderen Gäste auf der Stelle.
Draußen vor der Tür zum grünen Salon gerieten Draco und Hermine gleichermaßen in Panik.
„Die Musik! Es geht los, wir müssen jetzt rein“, sagte Draco, dem deutlich anzuhören war, dass er sich lieber einem Basilisken stellen würde, als durch diese Tür zu marschieren.
„Mr. Malfoy, Miss Granger.“ Der Mann, der für den Ablauf der Zeremonie verantwortlich war, näherte sich ihnen erneut. „Wie Sie sicherlich eben gehört haben…“ Der Mann hielt inne und betrachtete Hermine. „Haben Sie keinen Strauß?“
Beide rissen die Augen weit auf und Hermine fragte als Erste entsetzt: „Muss ich einen haben?“
„Nein, müssen Sie nicht. Ich dachte vorhin nur, Sie hätten einen.“ Er zog eine kleine Ansteckblume aus seiner Tasche und hielt sie Hermine ans Kleid – ans linke Schlüsselbein, dann ans rechte, bevor er sagte: „Sie brauchen nichts mehr, Sie sind perfekt so wie Sie sind.“ Hermine errötete. „Noch einen Moment bitte, dann gebe ich Ihnen das Zeichen, dass Sie eintreten können und denken Sie bitte daran, im Takt der Musik zu gehen.“
Verunsichert nickten Draco und Hermine, bevor sie sich gegenseitig anschauten.
„Du bist ganz rot im Gesicht“, sagte Draco nebenbei.
„Oh nein, bitte nicht jetzt.“ Verzweifelt wedelte sie sich mit der flachen Hand ein wenig Luft zu.
„Wenn wir gleich reingehen, kannst du ganz vorn vielleicht einmal stolpern, damit du von mir ablenkst?“
Erbost antwortete sie: „Das werde ich nicht tun!“
„War ja nur eine Frage…“ Er hielt sich den Magen. „Ich glaube, mir wird schlecht.“
„Herrje, tu mir das nicht an!“, bat sie ihn eindringlich.
Der Organisator meldete sich erneut. „Mr. Malfoy, Miss Granger, es kann dann losgehen.“
Noch bevor die Tür geöffnet wurde, flüsterte ihm Hermine gut gemeint zu: „Du darfst nicht auf die Masse sehen, Draco. Nimm dir die Zeit und sieh dir die einzelnen Gesichter an, wenn du nach vorn gehst.“
Zwei Herren öffneten die Tür und auf einen Schlag wurde die Musik, die vorher nur gedämpft durch das Eichenholz hindurchschallte, lauter und wie Hermine fand, auch viel schöner. Die Stuhlreihen mit den Gästen waren noch ein wenig entfernt. Jeder hatte sich zu Draco und Hermine umgedreht und Draco machte den ersten Schritt in den grünen Salon; Hermine folgte ihm dicht und ein wenig seitlich. In dem Moment, als sie den langen Teppich betreten hatte, der etliche Meter nach vorn bis in den Wintergarten reichte, wo die Ministeriumsangestellten auf den Bräutigam warteten, da wusste Hermine plötzlich nicht, was sie mit ihren Händen anfangen sollte. Das Gefühl, dass sie selbst vereinzelte Blicke auf sich zog, verstärkte nur noch ihre eigene Unsicherheit. Sie wünschte sich nichts sehnlicher als einen Blumenstrauß, denn den könnte sie halten; ihre zitternden Hände unter ihm verstecken. Ihre Gedanken kreisten bald nicht mehr um ihre Hände, sondern um ihre Füße und da bemerkte sie, dass sie nicht im Takt mit der Musik ging. Wenn sie es versuchte, dann wirkte ihr Gang holprig, also ließ sie es sein, um nicht doch noch zu stolpern; Draco hielt sich auch nicht an den Takt. Ohren und Füße wollten einfach nicht im Einklang miteinander arbeiten.
Den Rat seiner Trauzeugin hatte Draco beherzigt. Die ihm zugewandten Gesichter überflog er nicht nur mit seinen Augen, sondern er verweilte kurz auf ihnen. Da waren die aufblitzenden Augen von Professor Dumbledore, der sich mit Professor McGonagall ganz weit nach hinten gesetzt hatte und selbst die sonst so strenge Lehrerin hatte ein mildes Lächeln auf den Lippen. Neben Professor Dumbledore saß – und darüber freute sich Draco besonders – Blaise Zabini. Draco lächelte unbekümmert, als er dessen Tochter auf seinem Schoß erblickte. Das Mädchen blinzelte nicht einmal, weil es nichts verpassen wollte. Eine Hochzeit und all der dazugehörige Glanz waren ihr offensichtlich völlig fremd, aber es war nicht zu übersehen, dass sie begeistert war. Neben Blaise konnte er Tracey und Kevin erkennen; ehemalige Klassenkameraden aus seinem Haus.
Nach links blickend sah er sofort einige Gäste in der vorletzten Reihe; alle waren damals in Hufflepuff gewesen. In der fast leeren, letzten Reihe konnte er seinen Patenonkel erkennen, der alle Stühle für sich allein hatte. Severus blickte zwar in seine Richtung, aber er schaute nicht ihn an.
Für Hermines Empfehlung, sich die Gesichter der Gäste anzusehen, war Draco sehr dankbar, denn jeder, dem er in die Augen sah, lächelte ihm zu. Bei keinem Gast hatte er das Gefühl, dass man einen persönlichen Groll gegen ihn hegen würde. Darüber hinaus war dank Hermines Tipp der Weg bis nach vorn auch nicht so langwierig wie er zunächst befürchtet hatte. Sogar diejenigen, von denen er gedacht hatte, dass sie nicht seinetwegen gekommen waren, sondern nur Susan zuliebe, zeigten, dass sie gut gelaunt waren wie Luna und Neville oder die ganzen Weasleys. Vereinzelt blitzte es, wenn die Fotografen Bilder schossen.
Noch an Harry und Ginny vorbeigehend, die sich an den Händen hielten und beide so breit lächelten, dass Draco vermutete, sie würde momentan an ihre eigene Hochzeit denken, blickte er auch schon in das Gesicht seiner Mutter, was ihm vor Augen hielt, dass er sein Ziel fast erreicht hatte, denn die Eltern des Brautpaares saßen ganz vorn. Seine Mutter hielt ein weißes Spitzentaschentuch in den Händen, weil sie zu ahnen schien, dass sie ihre Freudentränen nicht zu unterdrücken vermochte.
Vorn bei den beiden Ministeriumsangestellten angelangt, die die Trauung ähnlich einer standesamtlichen bei den Muggeln durchführen würden, änderte sich wenig später der Rhythmus der Musik. Erneut drehten sich alle Gäste um, auch Draco und Hermine, um erst die Brautjungfer zu bestaunen, die ihre Blumen streute, bevor Susan von ihrem Vater in den Salon geführt wurde, gefolgt von Hannah, die ein wenig seitlich hinter der Braut lief. Ein entzücktes Raunen ging durch die Menge und selbst Hermine entwich ein neidischer Seufzer, denn Susan war in ihrem Brautkleid wunderschön anzusehen; der gut sichtbare Bauch rundete das Gesamtbild nur noch ab und machte Susan noch viel hübscher. Vielleicht, so dachte Hermine, lag das aber auch an dem seligen Lächeln, welches auf dem Gesicht der Braut lag. Es hieß, rief sie sich ins Gedächtnis zurück, dass Schwangere eine natürliche Schönheit ausstrahlen würden; das hatte zumindest ihre Mutter einmal behauptet.
Als Harry die Braut sah, da drückte er Ginnys Hand und sie erwiderte diese Geste.
„Ein wunderschönes Kleid“, schwärmte Ginny flüsternd.
Hermine hingegen ließ ihren Blick nun über die Gäste schweifen und mit einem Male erspähte sie Linda; neben ihr saß deren Sohn. Die Frau schien mehr auf ihre Tochter zu achten, die die Blumen streute, als auf die Braut oder irgendjemand anderen. Ohne den Kopf zu bewegen suchte Hermine den Saal ab und da bemerkte sie Remus, der einmal einen scheuen Blick zu Linda hinüberwarf, bevor er Tonks’ Hand in seine nahm. Ganz hinten, schwer hinter all den Menschen zu erkennen, saß Severus und auch er schien Linda gesehen zu haben, blickte aber an ihr vorbei direkt zu Hermine, was sie nervös machte.
Die Braut war nun von ihrem Vater an Draco überreicht worden und Hermine strengte sich an, mit klarem Kopf den einlullenden Worten der Ministeriumsangestellten zu lauschen, denn immerhin war sie Trauzeugin und musste zumindest das Ja des Brautpaares vernehmen, bevor sie mit ihrer Unterschrift die Ehe bestätigen würde. Es war jedoch alles andere als leicht dem Gesagten folgen zu können. Als Hermine das Wort „Ringe“ vernahm, da geriet sie in Panik und Draco schien das bemerkt zu haben, so dass er die kleine Schachtel aus seiner Innentasche nahm und sie kurz, so dass es niemand anderes sehen konnte, ihr zeigte. Hermine war erleichtert. Ihr war entfallen, dass er die Ringe an sich genommen hatte.
Immer wieder fühlte Hermine Augen auf sich und wenn sie in die Menge schaute, dann bemerkte sie diejenigen, die sie anblickten. Harry und Ginny waren es gewesen, die ihr zulächelten, auch Remus schaute sie einen Moment lang an sowie Ron. Und plötzlich – Hermine wusste nicht, wo die Zeit geblieben war – hatten beide sich auch schon das Jawort gegeben und nach dem Brautpaar wurden erst Hannah, dann Hermine zur magischen Unterschrift gebeten.
Mit den folgenden Eindrücken war Hermine so sehr überfordert, dass sie kaum noch etwas wahrnehmen konnte. Immer wieder blitzte es, was ihr kleine Punkte auf der Netzhaut bescherte. Ihr klarer Verstand kam erst wieder zurück, nachdem die Stuhlreihen von den von Mr. Bones engagierten Herren und Damen in einen großen Tisch in U-Form verwandelt wurden. Die ganzen fröhlichen Menschen um sie herum, die mittlerweile ein wenig Lärm verursachten, machten Hermine indirekt darauf aufmerksam, dass Draco und Susan gerade die Hochzeitstorte anschnitten.
Eine männliche Stimme rief amüsiert: „Es heißt, dass derjenige, der die Hand beim Anschneiden obenauf hat, auch das Sagen in der Ehe haben wird.“
Es war Susans Vater gewesen, dem sie scherzend entgegnete: „Das heißt nur, dass ich Draco führen muss, weil er noch nie eine Torte angeschnitten hat.“ Susans Hand lag über Dracos, als sie das erste Stück zusammen schnitten.
Die Füße taten ihr weh, während Hermine einige Gäste betrachtete, die dem Paar jetzt schon gratulierten. Es waren welche darunter, die bereits die Feier verlassen mussten, aber dafür würden andere, die der Trauung nicht hatten beiwohnen können, im Laufe des Tages noch kommen. Die Anzahl so vieler Menschen konnte Hermine schwer schätzen, aber sie konnte davon ausgehen, dass knapp hundert Personen noch nicht anwesend waren.
Es war Mr. Bones gewesen, der Hermine, die etwas hilflos wirkte, seinen linken Arm anbot, bevor er gut gelaunt sagte: „Laut Sitzordnung werden wir nebeneinander Platz nehmen, Miss Granger.“
Er führte sie nach vorn an den mittleren Tisch, an dem sich auch das Brautpaar niedergelassen hatte. Erstaunt war Hermine darüber, dass gleich neben Susan nicht nur nach alter Tradition die Eltern des Bräutigams saßen – in dem Fall nur Narzissa – sondern neben Narzissa auch Severus. Je näher man dem Brautpaar saß, desto höher war die Wertschätzung, die man demjenigen entgegenbrachte. Sehr unglücklich schien Hannah zu sein, denn sie hatte man direkt neben ihren ehemaligen Lehrer für Zaubertränke gesetzt.
„Wer hat die Sitzordnung erstellt?“, fragte Hermine ein wenig lauter, damit Mr. Bones sie überhaupt hören würde.
„Das war ich“, gab er zu. „Ist etwas damit nicht in Ordnung?“ Er klang besorgt, denn er wusste, dass man darauf achten musste, welche Personen man nebeneinander setzen würde, doch er kannte nicht alle Gäste persönlich; wusste nichts von möglichen Fehden.
„Hannah wird unglücklich sein, wenn sie die ganze Zeit über neben…“ Hermine verstummte, doch Mr. Bones verstand.
„Keine Sorge, nach dem Kaffee und Kuchen wird die Sitzordnung aufgehoben und es wird einige große Tische geben“, beruhigte er.
Neben Draco, wie es sein sollte, saß Mrs. Bones, dann deren Gatte, der gleich neben sich Hermine platzierte und an Hermines anderer Seite nahm ein älterer Zauberer Platz.
„Einen schönen guten Tag, junge Frau. Entzückend sehen Sie aus“, grüßte der Ältere. „Ich bin Susans Großvater.“
„Oh“, machte Hermine erstaunt. Natürlich saßen am Tisch des Brautpaares überwiegend die Familienmitglieder und die Trauzeugen. „Guten Tag, Mr. Bones. Ich bin Miss Granger.“
Während die Torte nun von den Angestellten angeschnitten und an die Gäste gereicht wurde, lehnte sich Hermine nach vorn, damit sie sehen konnte, wer an der anderen Seite des Tisches neben Hannah saß. Von Mr. Bones gut geplant saßen immer Mann und Frau abwechselnd am Tisch; nach Hannah kam die Familie Tonks, natürlich auch Remus als Nymphadoras Verlobter und gleich darauf die Blacks – Dracos Familie. Hermine hingegen saß zwischen einigen Mitgliedern der Familie Bones; Menschen, die sie noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte. Harry und Ron, die gesamten Weasleys sowie Luna und Neville und andere Freunde saßen hinten in der Nähe der Blacks an dem anderen Tisch gleich über Eck. Dieser und der andere Tisch, der von dem des Brautpaares ausging, waren an beiden Seiten mit Stühlen versehen, so dass die Gäste sich gegenübersaßen. Hermine hingegen hatte kein Gegenüber und sie fühlte sich daher immer ein wenig beobachtet.
Mr. Bones stand auf und schlug mit einem Löffel an sein Wasserglas, damit die Gäste ihm ihre Aufmerksamkeit schenken würden. Er hatte sicherlich lange dafür benötigt, diese Rede vorzubereiten und daher tat es Hermine Leid, dass sie nur die Hälfte mitbekam, obwohl sie direkt neben ihm saß. Draco, so dachte sie, würde es womöglich nicht anders ergehen.
Jetzt, wo Mr. Bones sprach, hatte Draco einen Moment Zeit für sich. Er hatte sich alles so schön zurechtgelegt und geglaubt, dass alles gut werden würde, aber jetzt, wo etwas über 150 Gäste bereits anwesend waren und die anderen noch kommen würden – dass alle den Einladungen gefolgt waren – da bekam er es erneut ein wenig mit der Angst zu tun. Schon vor der Zeremonie hatte er unter Schweißausbrüchen gelitten, die er nur mit Hermines Hilfe in den Griff bekommen hatte, doch nun konnte er kaum noch stillsitzen, als er daran dachte, an diese ganzen Menschen das Wort richten zu müssen. Weglaufen war keine Option, obwohl er das gern getan hätte, denn von Mr. Bones hörte er gerade Wörter wie „Mut“ und „Courage“. Der Tag war noch lange nicht vorbei. Zwar war er verheiratet, aber man erwartete noch einige Dinge von ihm wie seine Rede und er wollte niemanden enttäuschen.
Als Mr. Bones seine Rede beendet hatte, wurde es totenstill im Salon und alle Augen richteten sich auf ihn. Jeder erwartete, dass er etwas sagen würde. Eine Wahl hatte er nicht und so schloss er für einen kurzen Moment die Augen und drückte Susans Hand, bevor er sich erhob.
"Zunächst einmal möchte ich mich im Namen meiner Frau und unseren Familien für euer zahlreiches Erscheinen bedanken. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass alle zusagen werden, besonders nicht, weil die gesamte Feier sehr kurzfristig geplant worden war; das geht übrigens voll und ganz auf meine Kappe.“ Man hörte einige gelassen kichern, was selbst Draco zum Lächeln brachte. „Ich bin sehr erfreut euch alle hier zu sehen, was – und da muss ich keinen Hehl draus machen – nicht immer so war.“
Draco schluckte, denn er hatte seinen Gästen gerade verdeutlicht, was jeder eigentlich wissen müsste, nämlich dass er sie früher nicht ausstehen konnte. Es war still und jeder wartete geduldig auf seine Worte.
„Mit den Dingen, auf die weder ich noch meine Familie stolz sind, muss ich leben. Ich kann nur hoffen, dass niemand der Ansicht ist, die heutige Vermählung von Susan und mir wäre ein Fehler gewesen, denn das ist sie nicht. Wenn ich ganz ehrlich bin, dann ist das die erste Entscheidung in meinem Leben, die wirklich richtig war, denn ich fühle nicht einen Hauch von Zweifel in mir.“
Er blickte nach links zu Severus, der die Augen starr auf seine Tasse gerichtet hatte, jedoch jedem Wort gespannt lauschte. Seinen Patenonkel in seiner Rede beim Namen zu nennen würde er nicht wagen, denn Severus würde diese Aufmerksamkeit nicht wollen, aber es gab Dinge, die sich Draco von der Seele reden wollte; die alle Anwesenden hören sollten. Wenn er Severus nicht nennen würde, würde er auch nicht Professor Dumbledore beim Namen nennen.
Seinen Blick von Severus abwendend ließ er ihn über die Gäste schweifen, die ihm an den Lippen hingen, bevor er einmal kurz zu Dumbledore hinüberblickte.
„Die erste helfende Hand, die man mir gereicht hatte, schlug ich in dem Glauben von mir, es würde meine Situation nur noch verschlimmern.“ Sein leerer Magen zog sich zusammen, als er an die Nacht dachte, an der er den Direktor hatte umbringen sollen und der ihm trotz der Mordabsicht noch seine Hilfe angeboten hatte. „Die zweite helfende Hand in der gleichen Nacht konnte ich nicht abwehren, denn sie hat mich einfach gepackt.“ An den Gesichtern konnte Draco erkennen, dass jeder wusste, von wem er sprach, denn viele blickten zu Severus hinüber. „In dieser Hinsicht bin ich auf eine Sache stolz, die mein Vater und meine Mutter für mich getan haben, denn sie hatten mir nach meiner Geburt jemanden an die Seite gestellt, der mich mein Leben lang begleiten sollte.“ Dracos Stimme zeugte von Betroffenheit, als er leise hinzufügte: „Der mir den Weg weisen sollte.“ Daran denkend, dass Severus es gewesen war, der seinen Auftrag auf dem Astronomieturm erledigt hatte, sagte Draco sehr betroffen klingend: „Und wenn ich das alles mit dem geradegerückten Geist, den ich jetzt innehabe, rückblickend betrachte, dann weiß ich, dass in dieser Nacht die Seele eines Kindes gerettet worden war; meine Seele.“
Jemand schluchzte und als Draco nach links schaute, sah er seine Mutter, die ihr Gesicht in ihrem Spitzentaschentuch vergraben hatte und gleich daneben Severus, der nicht wusste, wie er auf eine weinende Frau vor so vielen Menschen reagieren sollte und schließlich eine Hand auf ihren Unterarm legte, um sie zu beruhigen.
Hermine horchte plötzlich auf, bevor sie in ihrer kleinen Handtasche kramte, um ein Notizbuch zu zücken. Während Dracos Rede huschten einige Gedanken durch ihren Kopf, die sie festhalten wollte. Draco hatte die Unversehrtheit seine Seele behalten, weil nicht er es gewesen war, der Albus ermordet hatte. Auch wenn Albus seinen Tod nur vorgetäuscht hatte, so war es doch nicht unmöglich, dass Severus zuvor schon seine Seele durch einen Mord gespalten hatte. Erschrocken hielt Hermine inne. Sie hatte ebenfalls Menschen auf dem Gewissen und sie fragte sich, ob es einen Unterschied machte, aus welchem Grund man jemanden getötet hatte. Sie selbst hatte sich und ihre Freunde verteidigt, aber ihr war nicht klar, ob sie damit ihre eigene Seele gespalten hatte – so gespalten, dass sie damit womöglich einen Horkrux erstellen könnte. Hermines Herz begann zu rasen, als sie die Theorie aufstellte, dass Severus eventuell einen ganz bestimmten Gegenstand suchen könnte: einen Horkrux, in welchem der größte Teil seiner Seele eingeschlossen war. Womöglich, so ahnte sie, war es sogar das, was er zu „reparieren“ versuchte. Sollte sie mit ihrer Vermutung Recht behalten, wäre Severus’ Seele nach der Erschaffung eines Horkruxes für immer instabil. Hermine hielt sich vor lauter Schreck eine Hand vor den Mund, doch als sie hörte, dass Draco erneut das Wort ergriffen hatte, lauschte sie ihm mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend.
„Auf meinen Reisen hatte ich sehr viel Zeit, um über mich und meine Vergangenheit nachzudenken. Ich habe mich häufig gefragt, was für Fehler ich noch begangen hätte, was aus mir geworden wäre, hätte man sich nicht meiner angenommen. Viele denken jetzt wahrscheinlich an Askaban, aber ich glaube nicht, dass ich solange überlebt hätte. Ich wäre sicherlich seit Jahren tot, davon bin ich überzeugt.“ Zum Ende hin war Draco sehr leise geworden und er hatte sehr betroffen geklungen.
„Ich bin dankbar dafür, dass es Menschen gegeben hat, die mir trotz meines Verhaltens und meiner Ansichten eine Chance gegeben haben, die ich meines Erachtens gar nicht verdient habe, denn sonst würde ich nicht hier sein an der Seite meiner frisch angetrauten Ehefrau, die mir so viele schöne Momente geschenkt hat und die ich dafür innig liebe.“ Er schaute neben sich und bemerkte, wie Susan lächelnd, aber dennoch mit ein wenig feuchten Augen zu ihm aufblickte. Er strich ihr mit der Oberfläche seiner Finger zärtlich über die Wange, bevor er ihre Hand nahm und zu ihr mit hörbarer Ernsthaftigkeit sagte: „Am heutigen Tag hat sich mein Leben ein zweites Mal zum Guten gewandt und das verdanke ich dir.“ Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf den Mund, woraufhin besonders die Damen schwärmend seufzten.
Draco richtete sich wieder auf, um zu den Gästen zu sprechen. „Es gibt noch Dinge, die ich ansprechen möchte, weil ich auf sie besonders stolz bin. Zum einen spreche ich von Hermine.“ Hermine blickte schockiert auf und fühlte, wie ihre Wangen mit heißem Blut geflutet wurden. „Sie ist in meinen Augen nicht nur eine sehr organisierte Trauzeugin, sondern mittlerweile sehr viel mehr.“ Er blickte sie an und sagte mit einem Lächeln auf den Lippen: „Du hast mir ganz wunderbar beigestanden, mir die Unruhe genommen und mir wertvolle Ratschläge gegeben. Ich würde mich geehrt fühlen, wenn ich dir eines Tages genauso zur Seite stehen dürfte.“
Jetzt war Hermine sicher, dass sie rot wie eine Tomate sein musste, weil alle Gäste sie anblickten und sich jeder ausmalte, wen sie wohl eines Tages ehelichen würde. Trotzdem lächelte sie und nickte freundlich, so dass Draco sich wieder an die Gesellschaft wandte und sagte: „So etwas kann man nicht mit Macht oder Galleonen erlangen, dazu braucht es viel mehr.“ Draco blickte hinüber zu Harry, bevor er sagte: „Einige werden es schon wissen, aber für diejenigen, die noch unbehelligt sind, möchte ich es gern verkünden, weil es mich stolz macht sagen zu dürfen, dass Harry die Patenschaft für unser Kind übernehmen wird.“
Innerlich stöhnte Harry, der er hatte gehofft, sich solange wie nur möglich unauffällig als einer von vielen Gästen bewegen zu können. Draco schien zu ahnen, dass es Harry unangenehm war, in dessen Rede erwähnt zu werden, denn er fuhr alsgleich fort: „Erst jetzt, wo ich mich erwachsen nennen darf, weiß ich, was mir früher gefehlt hat; etwas, um das ich all meine Schulkameraden beneidet habe und das ist Freundschaft. Ich habe an falschen Orten danach gesucht, weil ich nach dem Ausschau gehalten habe, was die ganze Zeit lang, ohne dass ich es erkannt habe, direkt vor mir war.“ Wieder blickte er zu Susan hinunter. „Stattdessen habe ich mich allein gefühlt.“
Mit einem Lächeln auf den Lippen blickte Draco auf die Kinder, die von ihren Eltern mitgebracht worden waren. Auf Belinda, die Brautjungfer und älteste der anwesenden Kinder. Da war die Tochter von Blaise, die der Rede offenbar wenig gefolgt war, denn sie hatte mit großen Augen das Stück Kuchen vor sich fixiert, von dem sie heimlich Krümel mit ihren kleinen Fingern stibitzte und da war Nicholas, der im Arm von Mrs. Weasley döste.
„Jetzt“, sagte Draco erleichtert und beschwingt, „wächst eine neue Generation von Zauberern und Hexen heran.“ Er legte einen Arm um Susan und betrachtete voller Vorfreude ihren Bauch. „Und diese Kinder sollten wir nicht mit den Schatten unserer Vergangenheit belasten; sie sollen ihren eigenen Weg finden, auf dem wir sie als Eltern begleiten werden. In diesem Sinne – und weil meine Rede länger als nur fünf Minuten gedauert hat – wünsche ich allen einen guten Appetit.“
Die von Mr. Bones engagierten Servicekräfte hatten während seiner Rede genügend Zeit gehabt, jedem Gast den Kuchen zu servieren und neben Kaffee, Tee und Säften auch jede Menge anderes Gebäck aufzutischen, so dass die zeitliche Aufeinanderabstimmung nicht besser hätte sein können.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel