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Fanfiction

Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Phantasma

von Muggelchen

In der großen Vorhalle schauten sich Harry und Draco zusammen mit Wobbel den schwarzen Marmor mit der dunkelroten Musterung an, dem sie einen viel helleren Farbton geben wollten, damit die Gäste nicht gleich nach dem Betreten das Hauses das bedrückende Gefühl bekommen würden, sie würden auf glühenden Kohlen laufen.

„Und die Sprüche für den Marmor hast du aus einem Buch?“, fragte Harry interessiert.
„Ja, aus ’Magisch Wohnen’. Ich hab ihn noch nie angewandt und hoffe, dass es beim ersten Mal so funktioniert, wie ich es mir vorstelle“, antwortete Draco. „Wir dürfen nicht auf dem Marmor stehen, wenn wir ihn verändern. Ich frage mich auch, von welcher Stelle aus wir den Spruch am besten sagen sollten.“

Das war ein Problem, dass sie zu lösen versuchten. Die Treppe selbst war auch aus Marmor, weswegen sie nicht auf den Stufen stehen durften.

Mit einem Male hatte Harry eine Idee. „Wir können uns doch auf das Treppengeländer setzen und dann den Zauberspruch sagen. Da haben wir doch den besten Blick auf den Boden und die Stufen.“
„Gar keine so dumme Idee“, murmelte Draco. „Dann mal los!“
Bevor er Draco folgte, sagte er zu Wobbel: „Achte doch bitte darauf, dass niemand den Fußboden betritt; auch nicht den Boden, der nicht aus Marmor ist. Wer weiß, wie sehr sich der Spruch ausweitet.“

Folgsam kam Wobbel der Bitte nach und machte sich auf den Weg zu den anderen, die sich im grünen Salon noch um den letzten Schliff kümmerten. Er bat die anderen vier, alles stehen und liegen zu lassen, um auf den Sitzmöglichkeiten Platz zu nehmen und die Füße vom Boden zu nehmen.

Severus war so dreist, sich ans Ende einer Couch zu setzen und die Füße locker auf den Tisch zu legen, was Narzissa mit zusammengepressten Lippen zur Kenntnis nahm, sich jedoch nicht zu diesem Benehmen äußerte. Remus und Hermine hingegen zogen sich die Schuhe aus, die sie in den Händen hielten, bevor sie sich im Schneidersitz neben Severus niederließen, während Narzissa das Gleiche tat, sich jedoch in einen großen Ohrensessel setzte.

Als Wobbel zufrieden nickte, ging er zurück zu Draco und Harry, die bereits auf das breite Geländer geklettert waren und dort nun saßen, als würden sie vorwärts hinunterrutschen wollen. Für den besseren Halt hatten sie ihre Füße in den Pfosten verkeilt.

„Auf drei, Harry, dann sagst du den Spruch für die Musterung und ich den für die Farbe“, erläuterte Draco nochmals.
„Ich hab schon beim ersten Mal verstanden, was du von mir willst, Draco.“

Draco blickte hinter sich und sah Harry freundlich lächeln, den Zauberstab schon bereit in der Hand haltend. Wie abgemacht sagten beide gleichzeitig ihren Zauberspruch und sahen dabei zu, wie der schwarze Marmor mit den roten Farbtupfen gleich darauf zu wabern begann.

„Das sieht aus wie ein Meer“, staunte Harry, der eine magische Veränderung dieses Ausmaßes noch nie gesehen hatte.

Während zuerst die roten Flecken in den schwarzen Wogen immer heller wurden, bis sie am Ende gelblich waren, materialisierte sich Wobbel auf dem Treppengeländer und sagte etwas beleidigt klingend: „Ich hätte das auch leicht erledigen können, Mr. Potter.“
„Ja, aber bei dir hätte ich das dort“, er deutete auf die sich bewegenden Wellen am Boden, „nicht sehen können. Du hättest nur einmal geschnippt und alles wäre erledigt gewesen. Ein bisschen wollen wir auch alleine schaffen, aber du kannst uns sicher hier und da noch helfen.“
Draco stimmte zu: „Zum Beispiel in der Küche. Die würde ich gern vergrößern. Den riesigen Vorratsraum, der von der Küche abgeht, haben wir selten benutzt, da könnten wir die Wand abreißen.“
„Das würde ich gern erledigen, Mr. Potter“, sagte Wobbel bittend und natürlich konnte er ihm nichts abschlagen.

Nachdem der nun weiße Marmor mit der gelblichen Farbgebung sich wieder gehärtet hatte und Draco bereits hinuntergestiegen war und nun auf der Treppe stand, da nutzte Harry die Gelegenheit sich umzudrehen, um kindisch giggelnd – an Draco vorbei – das Treppengeländer hinunterzurutschen.

„Was hast du nur für ein ausfallendes Benehmen?“, fragte Draco gespielt erbost, während er das Kinn erhob. „Würde mein Vater dich dabei erwischen, wäre eine Tracht Prügel angesagt.“

Das fröhliche Lächeln auf Harrys Gesicht verblasste langsam, als die Worte für ihn einen tieferen Sinn ergaben. Als er unten angekommen war, stieg er vom Geländer und fragte ernst und ein wenig unsicher: „Bist du mal runtergerutscht? Ich meine, als du klein warst.“

Von einer Sekunde zur anderen erstarrte Dracos Miene; sie wirkte wie eingefroren, was dessen hellgraue Augenfarbe, die an einen mit einer Eisschicht bedeckten See erinnerte, sehr wirkungsvoll untermalte. Selbst das kleine Dreieck aus Falten direkt über seiner Nasenwurzel wollte nicht verschwinden, während er Harry starr in die Augen blickte. Einen Moment später war er wieder aufgetaut, doch anstatt zu antworten nickte er Harry nur einmal kurz zu, bevor er die Treppe hinunterging, um den grünen Salon zu betreten und er spürte, obwohl er es nicht sehen konnte, dass Harry ihm einen Moment lang mitleidig hinterher blickte.

Bis zum späten Nachmittag planten, dekorierten und veränderten die sieben gemeinsam das Erdgeschoss von Malfoy Manor und es war Wobbel gewesen, der das Meiste erledigt hatte. Die Küche hatte er nach Dracos Wünschen nicht nur vergrößert, sondern auch mit Fenstern an der neuen Wand versehen. Der riesige grüne Salon samt Wintergarten war komplett für die Hochzeitsfeier hergerichtet, denn Tische und Stühle waren bereits angeordnet. Wobbel hatte sich bereit erklärt, am Tag vor der Hochzeit die Dekoration zu übernehmen, was Draco sichtlich erleichtert hatte, denn er war froh, dass ihm diese Arbeit abgenommen worden war.

„Wenn ihr 250 Personen erwartet“, begann Harry, „dann solltest du vielleicht auch das Spielzimmer nebenan für die Gäste herrichten, damit sich nicht alle so drängen müssen.“
Zustimmend nickte Draco, bevor er noch aufzählte: „Ich hatte vor, das gesamte Erdgeschoss präsentabel zu gestalten; auch den Rauchsalon und das Jagdzimmer hier unten.“ Weil Harry ihn mit großen Augen anblickte, erklärte Draco: „Du hast bisher die Halle, den grünen Salon, die Küche und den Wintergarten gesehen – nicht einmal die Hälfte vom Erdgeschoss.“ Harry blinzelte erstaunt, hörte jedoch aufmerksam zu, als Draco anfügte: „Die Bibliothek im ersten Stock ist ebenfalls sehr beeindruckend. Ich würde sie gern den Gästen zugänglich machen.“
„Was gibt’s noch im ersten Stock?“, wollte Harry neugierig wissen, weil allein die Eingangshalle schon größer war als das gesamte Haus der Dursleys und er sich nicht einmal vorstellen konnte, was man außer Küche, Bad, Wohn-, Schlaf- und Esszimmer sowie einer Abstellkammer unter der Treppe noch benötigen könnte.
„Den Rittersaal gibt es oben. Der hat einen sehr großen Erker, wo man vielleicht einen kleinen Tisch und ein paar Stühle…“
Draco hielt inne, weil er erkennen konnte, dass Harry etwas fragen wollte, doch der wiederholte nur ungläubig: „Rittersaal?“
Amüsiert musste Draco auflachen. „Es ist kein echter Rittersaal; die gibt es in Schlössern. Einer unserer Vorfahren wollte einen solchen Raum gestalten und er hat es trotz mangelnder Kenntnisse im Bereich der Innenarchitektur bestens bewerkstelligt. Willst du ihn sehen?“

Harry nickte so heftig wie ein aufgeregtes Kind, das man gefragt hat, ob es in den Zoo gehen möchte.

Der junge Hausherr führte seine Gäste nach oben, denn besonders Hermine und Remus wollten den genannten Raum ebenfalls bestaunen. Narzissa und Severus folgten, während sie darüber sprachen, wie man so viele Hochzeitsgäste zufrieden stellen könnte.

Im ersten Stock fiel auf, dass der Treppenabsatz und der Flur sehr eng waren und Draco erklärte, ohne dass jemand fragen musste: „Wozu benötigt man einen großen Flur, den man nur benutzt, um zu den Räumen zu gelangen? Mein Großvater hatte die Räume damals vergrößert, den Flur damit etwas schmaler gestaltet.“
An der ersten Tür mit ihrem geschwungenen Rahmen hielt Harry inne und fragte neugierig: „Wo geht es hier rein?“
Auf seinem Weg zum Rittersaal blieb Draco stehen und erklärte: „Das Kaminzimmer. Von mir aus können die Gäste auch den gesamten ersten Stock nutzen; bis auf die persönlichen Gemächer, versteht sich.“ Er kam auf Harry zu und öffnete die Doppeltür, um in das dahinter liegende Zimmer führen zu können.

Mit sichtbarem Respekt betrat Harry den hohen Raum, dessen Boden aus Kies zu bestehen schien, jedoch glatt und glänzend war und deshalb sofort ins Auge fiel. Die Wände waren ebenfalls mit Stein verkleidet, hatten jedoch eine helle, leicht rötliche Färbung mit willkürlichem Muster. Blickfang in diesem Zimmer war der überdimensionale Kamin aus weißem Sandstein, vor welchem eine gemütlich wirkende Sitzgruppe angeordnet war. Die Dekoration in diesem Raum schien bis ins Detail geplant; jeder Beistelltisch, jede Vase und jedes Gemälde war perfekt positioniert, so dass es nicht nur dem Raum einen atmosphärischen Gesamteindruck verlieh, sondern auch gut sich selbst präsentieren konnte.

„Das ist umwerfend“, flüsterte Harry, dem es fast die Sprache verschlagen hatte. „Was tut man so in einem Kaminzimmer?“, wollte er gleich im Anschluss wissen.
Eine Augenbraue hebend belehrte ihn Draco amüsiert: „Vor dem Kamin sitzen?“ Er führte wieder aus dem Zimmer hinaus und auf dem Weg zum Rittersaal sagte er leise: „Es ist angenehm im Kaminzimmer, wenn man sich etwas näher mit einer Dame bekannt machen möchte.“ Harry bemerkte, dass Draco ihn kurz aus den Augenwinkeln beäugte, bevor er noch viel leiser hinzufügte: „Nicht dass ich jemals dazu gekommen wäre.“

Man konnte ahnen, dass Draco für die Beschäftigungsmöglichkeiten im Kaminzimmer lediglich die erklärenden Worte seines Vaters wiedergegeben haben musste.

An der nächsten großen Flügeltür wurde Harrys Schritt herausfordernd langsamer, so dass Draco ebenfalls sein Tempo drosselte, bevor er ganz stehen blieb und – um Harry die nicht gestellte Frage zu beantworten – lächelnd präsentierte: „Das Musikzimmer! Wenn wir schon daran vorbeigehen, können wir auch einen Blick hineinwerfen, nicht wahr?“

Diesmal war Hermine die Erste, die das Zimmer begeistert betrat. Die Holzvertäfelung und den angenehmen Duft, den sie verströmte, konnte sie einordnen, aber trotzdem fragte sie: „Arvenholz?“
„Ja“, erwiderte Draco. „Mein Urgroßvater hatte das Holz nach der Erneuerung mit einem Zauber versehen, so dass es noch länger als sonst seinen beruhigenden Duft von sich gibt.“

Ihr geschulter Blick erkannte viele der hier präsentabel zur Schau gestellten Instrumente, bevor sie sich einem hellen Klavier näherte. Die Maserung war unverkennbar.
„Vogelaugenahorn!“, erkannte Hermine ganz hingerissen.
„Hermine, unsere Holzexpertin“, scherzte Harry.
Sie warf ihm einen strengen Blick zu und verteidigte sich: „Natürlich kenne ich mich mit Holz aus! Das Holz einiger Bäume wird in Zaubertränken benutzt. In Japan habe ich viel über einen Baum erfahren, dessen Rinde für die Herstellung des…“
„Das war doch nur Spaß, Mine“, unterbrach Harry mit beschwichtigender Geste.
Von der kleinen Unruhe ablenkend sagte Remus: „Die Zimmer sind allesamt ein Traum. Schon allein deswegen werden die Gäste sich am Tag der Hochzeit hier wohl fühlen.“
„Ich möchte ungern das Musikzimmer für die Gäste zugänglich machen. Ich möchte nicht, dass die an den Instrumenten herumspielen“, sagte Draco besorgt klingend.
„Das wird bestimmt niemand tun“, begann Severus, „wenn du die Instrumente mit einem Zauber vor neugierigen Fingern schützt.“

Mit Wobbels Hilfe war das Problem im Nu gelöst. Man konnte sich den Instrumenten nicht mehr nähern, sie nur noch betrachten. Während Remus und Severus die Gaslichter in den Fluren verdoppelten und geschickter anbrachten, so dass alles gründlich erhellt werden würde, kümmerten Hermine und Narzissa sich im verschneiten Garten um die Erdlöcher, die ähnlich unschön wie überdimensional große Maulwurfshügel anzusehen waren, jedoch von Gnomen stammten, die leider keinen Winterschlaf hielten.

Draco, Harry und Wobbel nahmen sich gemeinsam jedes Zimmer im ersten Stock vor. War die Farbe einer Tapete oder Wandtäfelung zu dunkel, dann machte Wobbel sie mit einem Fingerschnippen auf der Stelle heller. Düster wirkende Dekorationsstücke wurden durch welche ersetzt, die Lebendigkeit ausstrahlten und gegen 18 Uhr war Draco vollends zufrieden.

Es war nicht nur dank Wobbel und der anderen Helfer das Erdgeschoss und der erste Stock so hergerichtet worden, als wäre das Haus nie verlassen gewesen; auch den zweiten Stock, in welchem sich die unverhofften Untermieter aufgehalten hatten, hatte Wobbel in Schwindel erregendem Tempo säubern und verschönern können.

„Ich bin beeindruckt“, sagte Draco Respekt zollend, als er auf dem Rückweg zum grünen Salon die ganzen Veränderungen bestaunte. „Dass Elfen so gut und schnell zaubern können hätte ich nie gedacht.“ Seine Familie hatte Dobby damals offensichtlich so sehr unterdrückt, so dass der nur die Aufgaben erledigt hatte, die man ihm auferlegte. „Für Morgen werde ich Susan und ihre Eltern einladen, damit Mr. Bones sich einen Überblick verschaffen kann.“ Harry hörte aufmerksam zu, als Draco frei von der Leber weg erzählte: „Beim Ministerium ist für die Hochzeit schon alles geregelt. Ein Außendienstmitarbeiter wird die Trauung in unserem Haus durchführen.“
„Heiratet ihr gar nicht kirchlich?“, wollte Harry wissen.
Den Kopf schüttelnd erwiderte der Blonde: „Wozu? Weder für Susan noch für mich war das je ein Thema gewesen. Ich glaube, das ist eher etwas für Muggelgeborene, die nicht in unserer Welt aufgewachsen sind, aber auch nicht für alle.“

Ob Hermine, Ron oder er selbst jemals kirchlich heiraten wĂĽrde, konnte Harry nur fĂĽr sich und Ginny verneinen. Die Dursleys hatten ihn frĂĽher nie mit zur Kirche genommen; er wusste nicht einmal, ob er getauft worden war, doch wenn er einen Patenonkel hatte, musste das wohl geschehen sein. Die Erinnerung an die Hochzeit von Sirius und Anne hielt ihm vor Augen, dass diese Feierlichkeit zwar sehr edel gewirkt hatte, aber die Ehe ebenfalls nur beim Ministerium besiegelt worden war.

Harry stutzte und blieb stehen. „Sag mal, wie soll ich der Pate von eurem Kind werden, wenn ihr nicht einmal kirchlich heiratet?“
„Verwechsle das Patenamt in der Muggelwelt nicht mit dem unseren.“

Momentan ließ Harry das Thema auf sich beruhen, aber er nahm sich fest vor, Hermine beizeiten mit ein paar Fragen zu löchern.

Etliche Kilometer von Malfoy Manor entfernt braute sich ein Schneesturm zusammen, der sich mit lautem Grollen Gehör verschaffen wollte. Der bitterkalte Wind pfiff bereits durch alle Ritzen der steinernen Behausung. An dem kleinen Fenster in seinem mollig warmen Zimmer betrachtete Pablo die unheilvollen Wolken, aus denen es bald Eis, Hagel und Schnee regnen würde. Ein stummes Wetterleuchten begleitete das aufgeplusterte Gewölk.

Seufzend nahm er auf seinem Bett Platz und griff zum Tagespropheten, dessen aktuelle Schlagzeile am heutigen Tag für viel Wirbel unter Hopkins und dessen Anhängern gesorgt hatte. Sich die Zeitung vor Augen haltend las er in Gedanken die Worte: ’Muggel gegen Zauberer.’ Die Schlagzeile verschwamm, bevor sich eine neue auf dem weißen Hintergrund abzeichnete: ’Ein neuer Krieg?’

Vorhin hatte Pablo die Aufregung der anderen nicht verstehen können, bis Eleanor, die Älteste von allen, ihm den abgegriffenen Tagespropheten gereicht hatte, der ganz offensichtlich der Auslöser für die angespannte Stimmung in der Festung war. Kaum hatte er die Schlagzeile gelesen, war ihm ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen. Sofort hatte er, während die anderen – allen voran Tyler – in größte Aufregung versetzt hin und her gelaufen waren und bereits Pläne zur Verteidigung der Festung schmiedeten, sich an den Tisch in der rustikalen Küche gesetzt, um den ganzen Artikel zu lesen.

Zwei Dinge waren ihm aufgefallen, nämlich dass die Zaubererwelt – zumindest deren Presse – gar nichts von Hopkins zu wissen schien und zum anderen, dass man von dem Versteck in der Höhle, in der Tyler, sein Vater sowie Alex und Arnold die Kisten verstaut hatten, möglicherweise Kenntnis hatte. Ein anderer Grund, warum das in der Nähe befindliche Dorf hätte evakuiert werden müssen, wollte Pablo nicht einfallen.

Die Zeitung warf er in die Nähe seines Ofens, um sie später als Zündmaterial zu verwenden, bevor er sich rücklings aufs Bett fallen ließ. Pablo war unzufrieden. Seit mehreren Wochen musste er tagein, tagaus mit einigen anderen unter Tylers Kommando an Schussübungen teilnehmen. Er war ein guter Schütze geworden, ein Naturtalent, wie sein Vater ihn stolz betitelt hatte, doch niemandem hatte er anvertraut, dass er zu zittern begann, wenn er sich anstelle des gemalten Zieles einen Menschen vorstellte. Er würde für seinen Vater eine herbe Enttäuschung darstellen, wenn er im Ernstfall nicht abdrücken könnte.

An seiner Tür klopfte es zaghaft und Eleanor trat ein, nachdem Pablo „Herein!“ gerufen hatte.

„Wir wollen ins nächste Dorf fahren“, begann die betagte Dame, „und ich wollte fragen, ob du etwas benötigst?“
„Kann ich nicht mitkommen?“, sagte Pablo flehend. „Ich muss mal raus hier!“
„Von mir aus schon, aber da fragst du besser deinen Vater, mein Junge.“

Beschwingt zog sich Pablo seine Stiefel über und griff nach der dicken Winterjacke, bevor er Eleanor folgte. Man konnte schon von weitem Hopkins’ Stimme vernehmen, denn er schrie aus voller Lunge, weswegen Pablo auf der Hut war. Schon einmal hatte er den Zorn des Rothaarigen über sich ergehen lassen müssen.

An einer Treppe angelangt stellten sich Eleanor und Pablo neben einen Mann und dessen Frau, die über das Geländer nach unten schauten, um die Auseinandersetzung aufmerksam zu verfolgen. Unten konnten man ebenfalls einige der hier lebenden Männer und Frauen bemerken, die durch das Geschrei neugierig geworden waren. Pablo bemerkte, dass Hopkins’ untere Gesichtshälfte voller Blut war.

„Nichts“, schrie der Rothaarige, „wird dagegen helfen, Alejandro, nichts! Und weißt du auch, warum? Weil ’die’ das machen! Wie soll ein Aspirin gegen einen Schadenszauber helfen, frage ich dich?“
„Dann lass uns dich zum Arzt bringen, damit der…“
„Das kommt doch aufs Gleiche hinaus, der wird nichts finden! Verstehst du das denn nicht?“ Hopkins ging aufgeregt in der tristen Eingangshalle auf und ab, während er weiter zeterte: „Ich werde nicht ruhen, bis ich denjenigen erledigt habe, der mir das antut!“
„Und wer glaubst du kann das sein?“, wollte Pablos Vater wissen.

Noch mehr Schaulustige hatten sich in der Halle eingefunden, auch beiden Squibs und alle lauschten mal ehrfürchtig, mal skeptisch den Worten von Hopkins, dessen Nase nicht aufhören wollte zu bluten.

Hopkins hatte keine Antwort auf die Frage parat und murmelte stattdessen unaufhörlich, es könnte nur einen von „denen“ sein. Niemand sonst, nicht einmal Tyler, traute sich, mit Hopkins zu sprechen, wenn er dieser Raserei verfallen war, nur Alejandro bewahrte die Ruhe.

„Vielleicht kann ein Arzt dir zumindest Linderung verschaffen“, sagte Alejandro ruhig.
Aufgebracht und wild schnaufend, so dass er beim Sprechen Blut spuckte, schrie Hopkins: „Dann bring mir verdammt noch mal deine verfluchten Aspirin mit, wenn du denkst, dass sie mir helfen.“

Sein Blick fiel auf die Brüder, so dass er vom Thema abkam und den Vorfall in Hogsmeade ansprach: „Ihr zwei!“ Er deutete mit einem ausgestreckten Finger drohend auf die beiden. „Geht mir aus den Augen! Vermasselt habt ihr’s, ihr Versager. Soll ich euch mal was sagen?“ Ein Gemisch aus Blut und Speichel hing Hopkins vom Kinn, als er wieder und wieder mit seinem Finger auf Alex und Arnold zeigte, als würde er mit einem Bajonett auf sie einstechen. Mit zu einer Fratze verzerrtem Gesicht tobte Hopkins: „Es ist verständlich, dass man euch verstoßen hat, so töricht wie ihr euch verhalten habt, ihr verkrachten Existenzen!“

Arnold ging bereits mit zitternden Lippen einen Schritt auf Hopkins zu, doch Alex hielt ihn am Arm zurück. „Er ist es nicht wert“, flüsterte er seinem Bruder zu.

Als Hopkins bemerkte, dass fast jeder, den er in seiner Festung aufgenommen hatte, ihn wie ein schaulustiges Publikum begaffte, da ging er reihum und deutete nach oben an die Treppe direkt auf Eleanor. „Du bist nicht besser als die beiden! Mit einem von ’denen’ hast du dich eingelassen und beklagst noch immer, dass dein Romeo dir vor vierzig Jahren das Kind entrissen hat. Warum schreibst du nicht einen Bittbrief an unseren lieben Premierminister? Wir wissen ja mittlerweile, dass der mit den Hexen mauschelt!“

Man konnte Eleanor ansehen, dass sie von den Worten und vor allem wegen der Erinnerungen, die sie in ihr weckten, tief getroffen war, doch sie antwortete nicht, sondern verließ die Treppe und das Szenario, so dass Hopkins’ Blick unverhofft auf Pablo landete.

Mit gebleckten Zähnen warf Hopkins dem jungen Mann vor: „Pablo, du bist genau vom gleichen Schlag…“ Er hielt inne, als er eine Hand an seinem Arm spürte, den Alejandro in beruhigender Absicht dort niedergelegt hatte. Erbost riss sich Hopkins los und richtete das Wort direkt an den Vater. „Dein Sohn hat sich mit einer Hexe eingelassen. Langsam glaube ich, dass ich von Verrätern umgeben bin.“
„Du solltest dich hinlegen“, riet Alejandro mit besonnener Stimme, während er das nicht nur vom Blut hochrote Gesicht seines Gegenübers betrachtete. „Ruh dich aus und erhol dich ein wenig.“

Nur widerstrebend ließ sich Hopkins die Treppe hinaufführen. In seinem Zimmer angelangt führte Alejandro ihn in den Waschraum, in welchem er ein wenig kaltes Wasser in eine Schüssel gab. Ohne Aufforderung wusch sich Hopkins mit zittrigen Händen das Blut aus dem Gesicht. Das Handtuch, das sein Freund ihm entgegenhielt, nahm er wortlos entgegen. Hopkins sagte auch nichts, als Alejandro ihn ins Schlafzimmer führte und aufs Bett setzte, bevor er sich selbst einen Stuhl heranzog, darauf Platz nahm und ihn anblickte.

Noch immer sehr aufgewühlt, aber auch etwas verunsichert wirkend fragte Hopkins: „Sie halten mich für verrückt oder?“
Alejandro schüttelte den Kopf und entgegnete: „Nur für zornig, würde ich sagen.“
Mit einer Hand fuhr sich Hopkins vorsichtig über das Gesicht, bevor er im Vergleich zu seinem vorigen Wutausbruch mit sehr zerbrechlicher Stimme feststellte: „Es hat aufgehört zu bluten.“
Nickend bestätigte Alejandro die Bemerkung, bevor er sagte: „Was, wenn es kein Zauber ist?“
Erbost, weil er glaubte, eine Unterstellung herausgehört zu haben, fragte Hopkins zurück: „Glaubst du, ich inszeniere das?“ Wie von der Tarantel gestochen sprang Hopkins vom Bett auf und lief wie zuvor aufgeregt hin und her. Seine Stimme hatte wieder an Kraft gewonnen. „Immer öfter wache ich morgens auf und mein Kopfkissen ist voller Blut!“ Er ging einmal um das Bett herum und fuhr sich durch die Haare. „Einer von denen muss wissen, wer ich bin und deswegen machen sie mir das Leben schwer.“
„Aber wer?“, fragte Alejandro interessiert, obwohl er ahnte, dass Hopkins sich das nur einbilden würde.
„Es muss der sein, der überlebt hat, Alejandro. Der, den du im Krankenhaus nicht aus dem Weg geräumt hast, weil dir dieser andere Patient in die Quere gekommen ist.“

Alejandro erinnerte sich noch gut an die Nacht, in welcher er den jungen Mann mit einem Kissen ersticken wollte, weil er nicht den Mumm gehabt hatte, ihn mit dem Messer anzugreifen. Ebenfalls konnte er sich auch noch sehr gut an den Tritt in den Schritt erinnern, den er von dessen Mitpatienten erhalten hatte.

„Du hattest gesagt“, begann Alejandro, „dass der nicht mehr aufwachen wird.“
„Ich kann mich geirrt haben. Ich hätte nicht einmal gedacht, dass er überleben könnte“, sagte Hopkins mit leiser Stimme.
„Er war nicht ansprechbar, aber er hat abwehrend reagiert, als ich ihm das Kissen aufs Gesicht gedrückt habe“, erklärte Alejandro.

Vor Furcht riss Hopkins seine Augen ganz weit auf. „Wenn er aufgewacht ist?“ Er wurde von einem unkontrollierbaren Zittern gepackt. „Dann wissen die von mir; die im Krankenhaus.“ Eine bebende Hand fand den Weg zu seinem Mund, bevor er durch die leicht geöffneten Finger hindurchflüsterte: „Oder sogar das Ministerium?“
„Und wenn er nicht aufgewacht ist? Soll etwa nochmal einer von uns dort hingehen, um die Sache zu erledigen?“
Den Kopf schüttelnd sagte Hopkins: „Dafür ist es längst zu spät. Es ist längst zu spät.“

Konfus wirkend wandte er sich von Alejandro ab und blickte auf das einzige Gemälde, welches in seinem Zimmer hing. Es zeigte einen Mann mit kniehohen Stiefeln, die so umgeschlagen waren, dass man die bis kurz unters Knie reichenden Hosen sehen konnte. Am Hacken waren Sporen zu erkennen. Auffällig waren der dunkle Filzhut mit seiner breiten, an den Seiten aufgeschlagenen Krempe und der weiße Spitzenkragen, der die Schultern bedeckte. Der Mann hatte lockiges, bis zu den Schultern reichendes Haar und einen gepflegt aussehenden Vollbart. Die eingenommene Pose machte deutlich, dass der Mann zu der Zeit, in welcher das Bild gemalt worden war, zumindest von sich selbst viel gehalten haben musste.

Als Alejandro den Mann auf dem Gemälde mit Hopkins verglich, ahnte er, wen das Portrait darstellen sollte. Seltsam war, dass Hopkins dem gemalten Mann sanft zuzunicken schien.

„Eleanor…“ Alejandro stockte, weil Hopkins sich erschreckt haben musste, denn der hatte sich mit einem Male zu ihm umgedrehte und schaute ihn jetzt verdutzt an, fast so, als hätte er dessen Anwesenheit vergessen. Alejandro begann von vorn: „Eleanor und ein paar andere fahren gleich ins nächste Dorf und besorgen ein paar Dinge. Benötigst du noch etwas?“

Hopkins schüttelte mit starrer Miene den Kopf und Alejandro verließ daraufhin dessen Räume.

Kaum war sein Freund gegangen, hörte Hopkins eine leise Stimme hinter sich, die ihm riet: „Gib nicht auf. Hexen und Zauberer sind nicht allmächtig. Wenn sie dir Leid zufügen, dann wehre dich dagegen!“

Blitzschnell drehte sich Hopkins um, doch alles, was er sehen konnte, war das regungslose Gemälde eines seiner Vorfahren.


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