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Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Pineapples

von Muggelchen

Mitten in der Nacht war das evakuierte Hogsmeade nicht wie ausgestorben, sondern voller Leben. Auroren wuselten von Haus zu Haus, um sie zu durchsuchen und danach zu versiegeln. Zwei von ihnen begleiteten ein älteres Pärchen, das sie gefunden hatten, die Straße hinunter. Das Ehepaar hatte sich gegen die Evakuierung gesträubt und sich im Keller ihres Hauses versteckt. Die Auroren brachten die beiden in die Winkelgasse, damit sie die eine Nacht im Tropfenden Kessel verbringen konnten.

Die Gebäude in Hogsmeade wurden unbegehbar gemacht und die Gegend wurde weiträumig mit Schutzzaubern abgesperrt. In der Ferne sah Kingsley die Scheinwerfer von ein paar Muggelfahrzeugen, die mit konstanter Geschwindigkeit auf das Dorf zugefahren kamen und er wusste, um was für Männer es sich handeln musste.

Einer der Männer stieg aus dem ersten Wagen des kleinen Konvois und kam mit lässigen Schritten allein auf ihn zu.

„Sind Sie Shacklebolt?“, fragte der groß gebaute Mann, dessen ausgeprägte Muskeln sich sichtbar durch die Uniform abzeichneten. Der Mann war Kingsley sofort sympathisch und er wusste aus dem Bauch heraus, dass das Weglassen einer höflichen Anrede nicht von mangelndem Respekt zeugte.
„Ja, der bin ich. Dann sind Sie Geoffreys?“, fragte Kingsley mit einem Lächeln auf den Lippen, während er dem Mann die Hand entgegenhielt.
„Ganz recht.“ Der Mann schüttelte Kingsleys Hand und beide bemerkten den festen Händedruck des anderen, weshalb Geoffreys ebenfalls lächeln musste.

Geoffreys blickte an Kingsley vorbei und betrachtete für einen Moment die Männer und in seinen Augen auch ungewöhnlich vielen Frauen, die ihrer Arbeit nachzugehen schienen.

„Gut, Shacklebolt, dann möchte ich Sie bitten mich aufzuklären.“ Geoffreys hatte sehr bedächtig gesprochen, doch bevor der Dunkelhäutige antworten konnte, fügte er hinzu: „Besonders über das, was mein Vorgesetzter mir als Hinweis mit auf den Weg gegeben hatte.“
„Und was war das gewesen?“, wollte Kingsley wissen.
„Das alles, was heute seltsam erscheinen mag, völlig normal wäre.“

Das tiefe, freundlich klingende Lachen von Kingsley machte Tonks aufmerksam und sie blickte zu ihrem guten Freund hinĂĽber, der etwa zehn Meter von ihr entfernt stand und sich mit einem der erwarteten Muggel unterhielt. Tracey folgte ihrem Blick.

„Wer sind die genau?“, fragte Tracey neugierig.
„Das müssen diese Experten sein, die Arthur beim anderen Minister angefordert hat. Die werden sich noch heute Nacht um die Kisten in der Höhle kümmern“, antwortete Tonks gewissenhaft.
„Wissen die, dass wir zaubern können?“
Darauf konnte sie keine Antwort geben und zuckte daher einmal mit den Schultern.

Tonks sah, wie Kingsley dem Mann einmal auf die Schulter klopfte, doch sie hörte nicht, was die beiden sagten.

„Ich will es mal so sagen, Geoffreys: Wenn Ihnen heute etwas seltsam vorkommen sollte, dann fragen Sie mich einfach und ich werde Ihnen eine ehrliche Antwort geben.“ Der Abgesandte der Muggel nickte, schien jedoch keinesfalls verängstigt oder unsicher.
„Okay, dann werde ich meine Männer holen und dann zeigen Sie uns die Höhle mit dem Sprengstoff.“

Kingsley nickte, so dass Geoffreys einen Teil seiner Männer anwies, den Rest ihrer notwendigen Schutzkleidung anzulegen und die Rucksäcke mit der Ausrüstung aufzusetzen, so wie er selbst es auch tat.

Mit den sechs Männern im Schlepptau kam Geoffreys auf Kingsley zu und sagte, er wäre bereit, sich nun einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Die meisten seiner Männer blieben im Wagen und standen offensichtlich für spätere Entschärfungsarbeiten oder den Abtransport bereit.

„Gut, gehen wir.“ Doch bevor Kingsley voranging, schaute er in eine bestimmte Richtung und rief: „Tonks?“ Als sie hinüberschaute, machte er nur ein Zeichen mit seiner Hand und sie kam sofort auf ihn zugelaufen. Kurz bevor sie bei den Männern angekommen war, stolperte sie, fand jedoch das Gleichgewicht wieder, so dass sie nicht auf den Boden fiel. Zwei der Männer lachten, doch Geoffreys unterband diese Unhöflichkeit mit einem einzigen Blick.

„Dann folgen Sie mir bitte.“

Kingsley und Geoffreys gingen voran und gleich hinter ihnen lief Tonks. Während sie sich eher auf das Getuschel hinter ihrem Rücken kümmerte, denn zwei der Männer machten anzügliche Bemerkungen über sie, unterhielten sich die beiden Verantwortlichen der Zauberer- und Muggelwelt miteinander.

„Mir wurde nur von unserem Minister mitgeteilt“, begann Kingsley, „dass wir mit der Hilfe von erfahrenen Sprengstoffexperten rechnen dürfen. Sind Sie vom Scotland Yard?“
„Nein, aber da habe ich damals angefangen. Es ist bisher nur zweimal vorgekommen, dass ich als Sprengstoffexperte herangezogen werde. Meine Männer und ich sind nämlich vom MI5.“
Kingsley musste nachfragen: „Was genau ist das?“
Über diese Unwissenheit ein wenig erstaunt erklärte Geoffreys: „Inlandsgeheimdienst.“ Mit einer hochgezogenen Augenbraue fragte er gleich darauf sehr neugierig: „Und Sie sind von…?“
„So etwas Ähnlichem“, erwiderte Kingsley, wollte aber noch nichts über die Zaubererwelt preisgeben.
„Mmmh“, machte Geoffreys amüsiert. „Mein Vorgesetzter hat mir den Befehl erteilt, heute Nacht auf alle Fälle kooperativ zu sein und Ihnen alle Fragen ehrlich zu beantworten. Das war wohl ausschlaggebend dafür, dass ich mich ein kleines bisschen unwohl fühle. So einen Befehl hat es noch nie gegeben, Shacklebolt. Dann noch diese merkwürdigen Hinweise von meinem Boss.“ Geoffreys schüttelte nachdenklich den Kopf, sagte aber kurz darauf belustigt: „Sie müssen entweder ein hohes Tier sein oder Sie haben meinen Vorgesetzten in der Hand.“
„Ich bin der Leiter der Zentrale unseres Einsatzbüros“, offenbarte Kingsley, auch wenn er den Begriff „Aurorenzentrale“ auf das letzte Wort beschränkt hatte, denn er wusste nicht, was die beiden Minister untereinander ausgemacht hatten und ob Geoffreys und dessen Männer später das Gedächtnis optimiert bekommen könnten.

Etwas entfernt war bereits der Fluss zu sehen. Durch den Schnee, der das Licht des Mondes reflektierte, konnte man einen kleinen Pfad erkennen, den sie nun eingeschlagen hatten. Kingsley hatte sich mit einigen Auroren bereits mehrmals die Höhle und deren Inhalt angesehen, jedoch nichts berührt.

„Da vorn“, sagte Kingsley und deutete auf den Fluss. „Wir müssen um die herausstehende Felswand herum. Der Höhleneingang befindet sich gleich dahinter.“
Geoffreys stutzte, als er das fließende Wasser betrachtete, welches eiskalt sein musste, doch das hielt ihn nicht davon ab, seinen Männern zu sagen: „Bereitet euch auf durchnässte Hosenbeine vor.“

Ein Raunen war zu hören, doch die Männer parierten.

An der Reihenfolge, in welcher sie vorhin zum Fluss marschiert waren, hatte sich nichts geändert, denn auch jetzt machte Kingsley den Anfang, gefolgt von Geoffreys und Tonks. Als die beiden Männer das Wasser durchquert und bereits wieder festen Boden unter den Füßen hatten, hörte man es laut platschen. Einer der Männer hatte nach Tonks gegriffen, die auf dem glitschigen Boden den Halt verloren hatte und zu fallen drohte. Er hatte sie festhalten und an die Felswand drücken können, damit sie wieder Halt finden konnte, doch anschließend war er selbst ausgerutscht und einmal komplett untergetaucht.

Die ersten Worte, die er nach dem Auftauchen von sich gab, waren: „Verdammt, ist das kalt!“ Er schüttelte seinen Kopf, fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht und griff schnell nach seiner Mütze, bevor sie im Fluss abzutreiben drohte.

Seine Kumpane lachten, liefen jedoch weiterhin vorsichtig um die Felswand herum, um sich nicht selbst noch zum Gespött zu machen.

„Williams“, rief Geoffreys, „komm schon raus aus dem Wasser. Zum Angeln ist es viel zu spät, die Fische schlafen längst.“

Alle hatten das übersichtliche Gebiet, welchen von einer Felswand eingekreist war, bereits erreicht und zwei der Männer halfen Williams aus dem Wasser hinaus. Der schenkte Tonks einen vorwurfsvollen Blick, denn hätte er ihr nicht geholfen, wäre sie jetzt diejenige, die pitschnass sein würde.

Gelassen wartete Kingsley darauf, bis sich Geoffreys an ihn wenden wĂĽrde und er brauchte nicht lange zu warten.

„So, Shacklebolt“, sagte Geoffreys, nachdem er seine Männer kurz gemustert hatte und bei dem bereits vor Kälte schlotternden Williams die Lippen mitleidig zusammengepresst hatte. „Der Eingang der Höhle?“
Mit einem Finger zeigte Kingsley auf das dichte Gestrüpp, welches den Eingang bedeckte und sagte: „Dort hinter dem Busch.“
Nach nur wenigen Sekunden befahl Geoffreys allen Männern außer Williams: „Reißt das da raus! Ich will nicht, dass auch nur einer von euch daran hängen bleibt, wenn wir die Kisten rausholen!“

In null Komma nichts hatten die fünf kräftigen Männer den Busch entwurzelt und den Eingang sogar von losen Steinen befreit, über die man hätte stolpern können. Williams, unter dem sich eine große Pfütze gebildet hatte, versuchte mit zitternden Händen die Gurte seines Rucksacks zu lösen, doch durch die Kälte waren seine Finger bereits gefühllos, was Kingsley und Tonks nicht entgangen war.

Den Moment ergriff Tonks, um Williams zur Hand zu gehen und während sie die Schnallen und Gurte löste, sagte sie: „Danke fürs Festhalten.“ Das war das Mindeste, was sie tun konnte, obwohl sie viel lieber einen Zauber gesprochen hatte, um seine Kleidung zu trocknen und ihn mit einem Wärmezauber zu belegen.
„Nichts zu danken“, entgegnete Williams mit klappernden Zähnen. „Darf ich fragen, ob Sie noch ungebunden sind?“
„Tut mir Leid, ich bin schon vergeben“, entgegnete Tonks mit einem amüsierten Lächeln, denn ein Muggel – und dazu noch ein so gut aussehender – hatte noch nie Interesse für sie gezeigt, aber dazu gab es ja auch kaum Gelegenheiten in ihrem Leben.
Williams seufzte, bevor er amüsiert sagte: „Na dann… war es einfach nur eine gute Tat.“
Sie lachte nett auf. „Für die ich wirklich dankbar bin.“

„Der Weg ist frei, Sir“, sagte einer der Männer, der noch ein Teil des Gestrüpps im Fluss entsorgte.
„Gut, Garland und Ross kommen mit mir, die anderen warten.“

Die beiden Männer und Geoffreys selbst zogen ihre Taschenlampen heraus und bemerkten zum Glück nicht, dass Tonks ganz große Augen machte, nachdem sie die Leuchtkraft der Muggelhilfsmittel gesehen hatte.

Der Befehl, draußen zu warten, galt nicht Tonks und Shacklebolt, so dass sie die Höhle ebenfalls betraten.

„Haben Sie etwa keine Taschenlampen dabei?“, wollte Geoffreys wissen.
„Nein“, sagte Kingsley mit ruhiger Stimme, „wir brauchen keine.“
Geoffreys stutzte einen Moment, bevor er grinste und amüsiert sagte: „Was Punkt eins auf der Liste ’Was kommt mir seltsam vor?’ darstellen würde. Gehen wir!“

Zur gleichen Zeit, als Shacklebolt, Tonks, Geoffreys und zwei seiner Männer die Höhle betraten, gähnte Hermine laut.

„Hermine, es ist schon sehr spät. Wenn du das Buch noch lesen möchtest…“
Sie unterbrach Remus und sagte: „Fellini ist noch nicht da und ich möchte wissen, wo genau Severus hingeht. Das lässt mir keine Ruhe. Ich werde mich sowieso nicht aufs Lesen konzentrieren können.“
„Wenn du dann bitte mich entschuldigst, denn ich bin langsam wirklich müde“, sagte Remus mit müden Augen.
„Es tut mir Leid, wenn ich dich aufgehalten habe.“
„Nein, Hermine! Das muss dir ganz und gar nicht Leid tun. Für mich war das äußerst interessant. Es ist nur schade, dass ich keine große Hilfe sein kann. Ich kenne mich zwar mit den Dunklen Künsten aus, aber…“

Er stoppte sich selbst, weil Hermine ganz groĂźe Augen machte.

„Oh“, machte sie erleuchtend. „Natürlich kennst du dich damit aus! Warum sonst hätte Albus dir damals die Stelle gegeben?“ Remus äußerte sich nicht dazu, so dass sie freiheraus fragte: „Hast du auch schwarzmagische Bücher gelesen?“ Er blieb stumm. Hermine seufzte und offenbarte: „Ich habe welche gelesen und Albus weiß das. Harry, Ginny und Severus wissen es auch.“
„Du musst damit vorsichtig sein“, gab er ihr als ernst gemeinten Ratschlag, weswegen sie lächeln musste.
„Ja, das bin ich, keine Sorge“, beruhigte sie ihn. „Wie bist du auf die Dunklen Künste gekommen?“

Einen Moment lang dachte er über die richtigen Worte nach, bevor er mit leiser Stimme schilderte: „Ich denke, jeder Werwolf macht einmal eine Phase durch und sucht nach einer Möglichkeit, sich von seinem Fluch zu befreien und das war der Grund gewesen, warum ich…“ Er fuhr anders fort: „Es hat in der Schule angefangen, als wir viel mehr über die Dunklen Künste und die schier unendlichen Anwendungsmöglichkeiten erfahren haben und da hatte ich Hoffnung geschöpft. In den Ferien hat mir Sirius oft ein paar Bücher seiner Eltern zukommen lassen, auch wenn er mir immer davon abgeraten hat, sie wirklich zu lesen.“
„Sirius’ Eltern?“
Remus nickte. „Besonders seine Mutter fand es ’schick’, solche Bücher in der Sammlung zu haben. Es zählte zumindest damals bei vielen reichen Reinblüterfamilien zum guten Ton, etwas Ausgefallenes oder Verbotenes zu besitzen.“
„Ginny hatte mal gesagt, dass Alastor sich sehr ausführlich damit befasst hat“, warf Hermine ein.
„So gut wie alle Auroren haben sich damit befasst“, erklärte Remus als wäre es völlig normal. „Kingsley, Tonks… Jeder wollte irgendwann wissen, mit was sich der Feind beschäftigte, damit sie gegen die Todesser und deren Wissen gefeit waren. Man kann es ihnen nicht übel nehmen.“ Hermine in die Augen blickend gestand er: „Damals hatte Severus seine Vorliebe von Anfang an nicht geheim gehalten, aber ich wollte nicht mit ihm gleichgestellt werden, nur weil ich auch Schwarzmagisches gelesen habe. Sirius hatte immer gesagt, bei mir wäre das anders, weil ich Hilfe gesucht habe, aber Severus hatte sich aus reinem Interesse damit beschäftigt.“

Für einen Moment stellte sich Hermine das fiktive Szenario vor, wie der junge Severus und sein Mitschüler Remus in der Bibliothek saßen und sich flüsternd über das kleine Problem unterhielten, unter welchem Remus monatlich litt; wie beide sich über die Dunklen Künste austauschten und gemeinsam eine Lösung suchten, was für Severus sicherlich eine Herausforderung gewesen wäre. Mit diesem gemeinsamen Nenner hätten die beiden unter Umständen sogar eine Art Freundschaft schließen können, aber andererseits gab es da noch Sirius, der mit Sicherheit dazwischengefunkt hätte.

„Liest du solche Bücher immer noch?“, fragte Hermine neugierig.
Er schürzte die Lippen, bevor er zugab: „Die Bücher, die Tonks hat, die lese ich auch. Ansonsten hätte ich wohl den einen oder anderen Todesser nicht zur Strecke bringen können. Es war für die Kämpfe hilfreich gewesen, aber mein persönliches Interesse hält sich sehr in Grenzen.“
„Du hast sicherlich eine ganze Menge…“

Ein Scharren an der Tür und gleich darauf ein Maunzen ließ Hermine innehalten, bevor sie sich erhob und zur Tür ging. Nachdem sie geöffnet hatte, stürmte Fellini ins Wohnzimmer und er rieb sich schnurrend an den Beinen seines Frauchens.

Hermine tätschelte das Tier am Kopf. Remus hingegen zückte seinen Zauberstab und rief ein unbeschriebenes Blatt Pergament zu sich.

„Willst du eine Karte oder lieber eine schriftliche Wegbeschreibung?“
„Ich denke, eine Karte reicht aus“, antwortete Hermine, so dass Remus den entsprechenden Zauber sprechen konnte, um den auf Fellini liegenden Verfolgungszauber auf Papier zu bringen.

Wie von Geisterhand zeichneten sich Linien, Winkel und Kreise auf dem beigefarbenen Blatt ab und nach wenigen Minuten schauten sie auf eine Karte, auf der Fellinis Weg mit einer gestrichelten Linie angezeigt wurde, die einige Schlenker aufwies, aber nichtsdestotrotz fĂĽhrte sie in einen bestimmten Raum im Dachboden.

„Fellini geht ihm tatsächlich immer hinterher. Hätte ich nicht gedacht“, sagte Hermine verwundert.
„Zumindest weißt du jetzt, wo genau Severus auf seinem Rundgang Halt macht. Wirst du mal nachschauen?“ Er hörte sich fast wie eine Aufforderung an.
„Ich weiß nicht, Remus. Ich müsste das am besten am Tage machen, wenn er definitiv beschäftigt ist und mich nicht erwischen kann. Ansonsten wird es wohl großen Ärger geben.“

Bisher war Hermine ihm nicht gefolgt, denn sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie aufgebracht er gewesen war, als sie nur angedeutet hatte, selbst einmal auf den Dachboden gehen zu mĂĽssen, wenn er ihr nicht verraten wollte, was sich dort befinden wĂĽrde.

„Ich geh rüber, Hermine. Ich bin todmüde!“
„Ja gut, danke für die Unterhaltung. Das habe ich gebraucht, Remus.“

Sie begleitete ihn zur Tür und als sie diese öffnete, wich Severus, der ihre Räumlichkeiten gerade passierte, zurück und hielt inne, als er in die Gesichter seiner Schülerin und des Werwolfs blickte.

„Severus“, sagte Remus erstaunt. Er wollte es sich nicht verkneifen zu sagen: „Was führt dich denn auf deinen Rundgängen hier entlang? Früher bist du doch eher in Richtung Astronomieturm…“
„Wie ich meine Rundgänge gestalte, Lupin, ist ganz und gar meine Angelegenheit“, unterbrach Severus sehr schroff.
„Nichts für ungut“, entschuldigte sich Remus mit einem Lächeln. „Ich wünsche euch beiden eine gute Nacht.“

Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete Severus, wie Remus die paar Schritte zu seiner eigenen ZimmertĂĽr hinĂĽberging. Als Remus vor seiner TĂĽr stand und offenbar das Passwort sagte, wandte Severus seinen Blick von seinem ehemaligen MitschĂĽler ab und schaute Hermine fĂĽr einen Moment in die Augen, bevor er sich zum Gehen abwandte.

„Severus?“, sagte Hermine aufhaltend. Er stoppte abrupt und schaute über seine Schulter. Hermine vergewisserte sich mit einem Blick nach links, dass Remus die Tür hinter sich geschlossen hatte, bevor sie Severus ansah und mitleidig sagte: „Ich möchte nicht, dass wir uns streiten.“
Bewegungslos verharrte Severus in seiner Position und noch immer schaute er sie an, bevor sein Körper sich sichtlich entspannte und er sehr bedacht die Gegenfrage stellte: „Haben Sie es als Streit empfunden?“
„Ich habe unser Gespräch vorhin als unangenehm empfunden“, stellte sie deutlich klar. Er nickte lediglich und lauschte, als sie noch kleinlaut fragte: „Werden Sie mich wirklich rausschmeißen, wenn ich das Buch nicht gelesen habe?“
„Was denken Sie?“, fragte er nüchtern.
„Wenn ich ganz ehrlich bin“, begann sie, „dann denke ich, dass Sie mich durchaus hinauswerfen möchten, nur um mir eine Lektion zu erteilen, aber ich hoffe, selbst wenn ich nicht einmal mit dem Buch angefangen habe, dass es nicht soweit kommen wird.“

In Severus’ Miene war keine Gefühlsregung abzulesen und es waren einzig seine warmen Augen, in denen sie ihre Annahme bestätigt zu wissen schien. Wortlos wandte er sich von ihr ab, um in die Kerker zu gehen.

Während Severus den Tag für sich beendete und sich zu Bett begab, wurde Schwester Marie durch einen Ruf durchs Flohnetz aus dem Bett geholt.

„Marie? Es wäre nett, wenn Sie sich um Miss Parkinson kümmern würden“, sagte Professor Junot, die genauso müde wie Marie aussah.
„Aber ich habe bereits eine Doppelschicht hinter mir und habe nicht einmal eine Stunde schlafen können“, entgegnete Marie erbost.
„Es ist da etwas vorgefallen, über das ich mit Ihnen reden möchte und am liebsten sofort“, sagte Junot in forderndem Tonfall. „Es gäbe die Möglichkeit für Sie, im Krankenhaus ein wenig Ruhe zu finden, aber Ihre Anwesenheit ist erforderlich.“
„Doch nur, weil niemand anderes sich mit der Patientin befassen will“, giftete Marie wegen der gestörten Nachtruhe sehr gereizt zurück.
Junot seufzte, sagte jedoch über den aggressiven Tonfall von Marie hinwegsehend: „Ich verstehe Sie, Marie. Vielleicht kann ich jedoch Ihr Interesse wecken. Stan, den kenne Sie ja, schwört Stein und Bein, dass Miss Parkinson für weniger als eine Minute bei Bewusstsein war.“
„Wie ernst kann man seine Aussage nehmen?“, fragte Marie vorsichtig, denn sie wusste von Stans kleinem Alkoholproblem.
„Ich nehme es im Gegensatz zu Professor Puddle sehr ernst, denn Stan hat einen Namen wiederholt, den Miss Parkinson von sich gegeben haben soll. Es stellte sich heraus, dass das der Name des Mädchens ist.“

Soweit Marie über die Fälle Parkinson, Zabini und deren Tochter informiert war, hatte Mr. Zabini noch nicht den Namen der Kleinen genannt, weil er selbst damit zu kämpfen hatte, sich mit der Realität anzufreunden; mit dem Frieden. Er war übervorsichtig, geradezu skeptisch und weigerte sich daher genau wie seine Tochter, ihren Vornamen preiszugeben, doch man drängte die beiden nicht, sondern übte sich in Geduld.

„Das ist…“ Erfahren zu haben, dass Miss Parkinson wahrscheinlich wirklich am Leben war, hatte Marie sprachlos gemacht.
„Bitte kommen Sie her, Marie“, bat Junot höflich.

Sie seufzte, bevor sie zusagte. Marie packte sich eine kleine Tasche mit einer weiteren Schwesterntracht und etwas Legeres, darĂĽber hinaus mit einigen Dingen, falls sie sich frisch machen wollte, bevor sie ins Mungos flohte.

Es erstaunte Marie, dass Professor Junot sie an den Kaminen für die Angestellten erwartete und sie per Handschlag begrüßte, bevor sie sich auf den Weg zu Pansy machten und sich währenddessen unterhielten.

„Miss Parkinson ist wieder auf ihrem Zimmer. Ihr Zustand scheint unverändert. Allein Stans Aussage hätte mich keinesfalls überzeugt, aber die Tatsache mit dem Namen des Mädchens…“
„Wie heißt das Mädchen?“, wollte Marie wissen.
„Berenice! Schwester Augusta hatte die Kleine mit dem Namen angesprochen und daraufhin hat das Mädchen gefragt, ob sie den Namen von ihrem Vater wüsste.“
„Ist Mr. Zabini über den Vorfall in Kenntnis gesetzt worden?“, fragte Marie.
Junot schüttelte den Kopf. „Wie die meisten Patienten schläft Mr. Zabini um diese Zeit und da Miss Parkinsons Zustand wieder der alte ist, haben wir keinen Grund gesehen…“
„Aber Mr. Zabini könnte etwas wissen, das in dem Fall weiterhelfen kann. Vielleicht kann er uns sagen, ob so ein kurzer wacher Moment etwas ankündigt, ob es normal oder ungewöhnlich ist. Er könnte Hinweise geben, wie lange solche Wachzustände dauern.“
Bewundernd sagte Junot: „Für eine Schwester denken Sie sehr viel mit, Marie.“ Das Thema wechselnd fragte Junot: „Sie hatten Ihre Legilimentikprüfung gemacht, als sie hier angefangen hatten, richtig?“ Marie nickte. „Warum haben Sie nicht mehr gemacht? Eine Ausbildung zur Heilerin vielleicht?“
„Ich wollte eine Ausbildung zur Heilerin machen, aber ich bin nicht dazu gekommen und jetzt…“ Marie seufzte.
„Wenn sich in Ihrem Leben einmal eine Gelegenheit bieten sollte, dann packen Sie sie beim Schopf!“, riet Junot, die ansonsten keinen weiteren Ratschlag zur Hand hatte.

Ein wenig ärgerte sich Marie über diesen Tipp, denn er war nicht gerade hilfreich gewesen. Abgelenkt von ihrem aufkeimenden Ärger wurde sie, als sie vor der Tür zu Miss Parkinsons Krankenzimmer standen und Junot sie öffnete.

Kaum hatten die beiden das Zimmer betreten, wurde es automatisch erleuchtet. Marie betrachtete die im Bett liegende Frau, die wie tot wirkte, doch allein die Erkenntnis, dass sie sehr wahrscheinlich am Leben war, lieĂź nicht nur die Patientin, sondern das gesamte Zimmer anders auf sie wirken.

„Wie Sie sehen, zeigt Miss Parkinson wieder alle Anzeichen einer kürzlich Verstorbenen, was die Hautfarbe, die erschlafften Muskeln, die halb offen stehenden Augen und das totale Fehlen der Vitalfunktionen unterstreichen. Stan behauptet nicht nur, sie hätte gesprochen, sondern auch ihren Kopf in seine Richtung bewegt. Ich erwähne das nur, damit Sie vorbereitet sind, falls…“

Junot musste den Satz nicht beenden und Marie war für jeden Hinweis dankbar. Wahrscheinlich hätte sie sich zu Tode erschrocken, würde sie sich umdrehen und unverhofft von einer vermeintlich Toten angestarrt werden. Sie versuchte sich in Stan hineinzuversetzen.

„Sagen Sie, Professor Junot, wie geht es Stan? Es muss ein Schock für ihn gewesen sein“, fragte Marie mitfühlend.
„Er war ziemlich von der Rolle, aber eher, weil Professor Puddle ihn gekündigt hatte, denn der geht davon aus, dass Stan betrunken gewesen war und sich alles nur eingebildet hätte.“
„Ist Stan noch hier?“
„Nein“, sagte Junot und klang dabei, als würde sie etwas bereuen. „Professor Puddle hatte ihn sofort gekündigt. Er hat ihn nicht einmal angehört. Stan war außer sich und ist auf der Stelle gegangen, nachdem er dem Professor noch einige Schimpfworte an den Kopf geworfen hatte.“

Weil Junot in sich hineingrinsen musste, hatte sie es Stan offensichtlich gegönnt, dass der dem Professor mal unverblümt die Meinung hatte sagen können.

„Ich nehme an“, sagte Marie, während sie der Professorin in die Augen schaute, „dass Mr. Shacklebolt vom Ministerium bereits informiert worden ist?“
Die Augenbrauen in die Höhe ziehend erwiderte Junot erstaunt: „Wie es aussieht, denken Sie an viel mehr Dinge als ich. Nein, er ist noch nicht informiert worden. Würden Sie das vielleicht erledigen? Sie hatten mit ihm ja schon Kontakt. Ich muss gleich noch mit meinem Kollegen zusammen die Gewebeproben analysieren, die wir vorhin von Miss Parkinson genommen haben.“
„Mache ich gern“, stimmte Marie zu.

Die Professorin wollte bereits gehen, da fragte Marie noch schnell: „Professor Junot? Soll ich etwas Bestimmtes machen oder…?“
„Bleiben Sie einfach hier und falls…“, sie blickte zur Patientin hinüber. „Ich bin in der Leichenhalle oder im Gemeinschaftsraum! Geben Sie mir auf der Stelle Bescheid, falls etwas geschehen sollte.“ Professor Junot schien einen Augenblick über etwas nachzudenken, bevor sie nahelegte: „Sie können auch ein Nickerchen machen, wenn Sie unter diesem Umständen dazu in der Lage sind. Ich bin mir sicher, wir können hier noch ein freies Bett hineinstellen. Von einem Paravent möchte ich aber abraten, damit Sie die Patientin im Auge behalten können.“

Gesagt, getan. In weniger als zehn Minuten hatte sich Marie eines der frisch gesäuberten Krankenhausbetten ins Zimmer gezaubert, auf dem sie sich mit einem erleichterten Seufzer niederließ, doch nicht zum Schlafen. Sie hatte sich zwei Kissen ans Kopfende gelegt, um halb liegend, halb sitzend ein wenig zu lesen, bevor sie wie von der Tarantel gestochen aufstand, denn ihr war eingefallen, dass sie Mr. Shacklebolt noch Bescheid geben wollte.

Im Ministerium erreichte sie den nächtlichen Notdienst, doch der teilte ihr leider mit, dass Mr. Shacklebolt wie auch Miss Tonks, deren Namen Marie in den Akten der Patientin gelesen hatte, nicht zu erreichen waren. Sie hinterließ für beide die gleiche Nachricht, bevor sie sich wieder ins Krankenzimmer begab, um in einem Fachbuch zu versinken, welches für Heiler gedacht war.

In der Höhle nahe bei Hogsmeade hatte Kingsley genau zugesehen, wie Geoffreys mit den Kisten umgegangen war. Alle waren vorsichtig geöffnet worden und deren Inhalt wurde mit den Augen inspiziert, jedoch hatten die Muggel den Fund nicht angefasst. Nachdem alle dreizehn Kisten geöffnet worden waren und der Sprengstoffexperte sich eine Übersicht über die Gesamtsituation verschafft hatte, zog er den Sicherheitshelm vom Kopf.

„Ich weiß nicht, Shacklebolt, ob ich Sie hier haben möchte, wenn ich eine der Granaten in die Hand nehme. Die Sicherheitsvorschriften erfüllen Sie mit Ihrer Kleidung jedenfalls nicht und wenn ich ehrlich bin, hätte ich Sie am liebsten schon rausgeschickt, bevor ich eine der Kisten auch nur angefasst habe“, sagte Geoffreys amüsiert.
„Möchten Sie, dass wir gehen?“, fragte Kingsley gelassen.
„Es wäre mir sehr recht. Nehmen Sie es bloß nicht persönlich, aber es ist schon genug, wenn sich meine Männer so einer Gefahr aussetzen.“
„Gut, wir warten draußen. Viel Glück!“, sagte Kingsley, bevor er zusammen mit Tonks die Höhle verließ.

Erleichtert aufatmend sagte Geoffreys zu seinen beiden Männern: „Was denkt ihr?“
Ross zog eine Augenbraue in die Höhe und antwortete grinsend: „Die Kleine ist ganz schnuckelig, aber der Schrank neben ihr...“
„Ich meine die Granaten!“ Bevor sich Garland oder Ross, die bereits schelmisch schmunzelten, einen Scherz erlauben würden, deutete Geoffreys auf die Kisten und verdeutlichte: „Diese Granaten, Jungs!“
Garland riss sich als Erster zusammen und sagte ernst: „Da hat sich jemand mit Restbeständen des ersten und zweiten Weltkriegs eingedeckt. Es sind aber auch Granaten aus anderen Kriegen zu finden.“
Ross machte weiter: „Wenige Stielhandgranaten sind dabei, die meisten sind Pineapples und nur eine Panzerabwehrgranate habe ich gesehen.“
„Echt? Wo?“, fragte Garland, bevor er sich einen Rüffel einfing.
„Wozu“, begann Geoffreys gereizt, „machen wir eigentlich jede Kiste auf? Du musst die Augen aufhalten, verdammt nochmal!“
„Kommt nicht wieder vor, Sir!“, versprach Garland.
Geoffreys nickte Garland zu, bevor er für die beiden Männern wiederholte: „Nach der Anzahl der Granaten haben wir es in erste Linie mit Rauchgranaten und ’Stuns’ zu tun, die weit über die Hälfte ausmachen. Die meisten Kisten sind nicht einmal voll. In einer“, er deutete auf eine bestimmte, „befinden sich nur die vier Stielgranaten. Der Rest besteht aus Eiern und Äpfeln und den paar ’Blitz/Krach’.“

Nachdem Geoffreys und seine Männer nach draußen gekommen waren, fragte Kingsley sofort nach der Lage und der Experte antwortete gewissenhaft: „Wer immer das dort gelagert hat wird in den Knast wandern. Ansonsten ist nichts dabei, mit dem wir nicht fertig werden würden. Ich frage mich nur ernsthaft, was hier in der Nähe sein sollte, das man damit bedrohen wollte?“
Ohne zu überlegen antwortete Tonks: „Eine Schule!“

Kingsley warf ihr einen warnenden Blick zu und Tonks bereute ihren Ausrutscher sofort.

„Eine Schule? Welcher Irre würde eine… Nein, vergessen Sie es. Es gibt eine Menge Verrückter da draußen“, sagte Geoffreys abschweifend, bevor er wieder ernsthaft über die Situation sprach. „Wir werden es abtransportieren und zum nächsten Sprengplatz fahren. Dort wird man das Beweismaterial begutachten, Fotos und Listen machen, bevor es anschließend gelagert oder hochgejagt wird – je nachdem wie die ’da oben’ entscheiden.“
„Es ist möglich“, sagte Kingsley, „dass sich in der Höhle noch mehr befindet. Wir haben das noch nicht geprüft.“

Aufgrund dieser Aussage wandte sich Geoffreys an einen seiner Männer und befahl: „Hol die Spürhunde! Die anderen sollen versuchen, mit den Wagen so nah wie möglich heranzufahren.“ Der Mann gehorchte und begab sich sofort ins Wasser, wenn auch wegen der Kälte wild fluchend.

„Shacklebolt.“ Als er Kingsley Aufmerksamkeit erlangt hatte, fragte Geoffreys: „Wir sollten gehen. Meine Männer werden das erledigen.“ Geoffreys schaute zu Williams hinüber, der vorhin ins Wasser gefallen war und am ganzen Körper zitterte. Der Mann musste völlig unterkühlt sein. „Williams, du kommst mit ins Dorf. Bist hier keine große Hilfe mehr.“

Williams nickte, doch selbst diese kleine Bewegung fiel ihm schwer. Man hörte seine klappernden Zähne und ihm Licht der Taschenlampe bemerkte Geoffreys, dass Williams’ Lippen blau waren. Steif wie er war konnte der Mann kaum noch laufen, so dass er von seinem Einsatzleiter durchs das Wasser begleitet wurde. Tonks und Kingsley hatten sich vorhin schon die Hosenbeine mit einem Zauberspruch geschützt, so dass die Kleidung zwar bis zu den Oberschenkeln nass wirkte, jedoch nicht durchnässt war. Beim Anblick von Williams bekam Kingsley ein schlechtes Gewissen. Nicht nur bei ihm sondern bei allen anderen Männern könnte er einen Schutzzauber gegen das Wasser sprechen, aber das würde zu viel Aufsehen erregen.

Noch während des Rückweges trafen sie auf die Wagen, die vorsichtig über die verschneite Wiese fuhren, damit die Männer nicht so weit laufen mussten, wenn sie die Kisten abtransportierten. Geoffreys ließ sich aus einem Wagen eine Decke geben, die er Williams überwarf.

Im Dorf selbst machte sich nicht nur Geoffreys Sorgen um seinen Mann, sondern auch Tonks und Kingsley. Sie hatten Williams auf die Stufen vor den Drei Besen gesetzt.

„Haben Sie noch Decken, Shacklebolt?“
Er könnte welche herbeizaubern, dachte Kingsley, aber er durfte nicht. „Tut mir Leid, aber nein, wir haben keine.“
Geoffreys blickte sich um und fragte gleich darauf: „Können wir eines der Gebäude hinein? Er muss aus den nassen Klamotten raus!“
„Die Häuser sind versiegelt, es tut mir…“
„Ja, es tut Ihnen Leid, ich weiß“, unterbrach Geoffreys genervt, aber sein Ärger galt nicht Kingsley, sondern der Tatsache, seinem Kumpanen keine Erleichterung verschaffen zu können. „Williams?“ Der Mann hatte bereits die Augen geschlossen. „Williams, sieh mich an!“ Nur zaghaft öffnete der Frierende seine Augen. Geoffreys zog seine Jack aus und legte sie über die Decke, bevor er fragte: „Wie geht’s?“
Kaum vernehmbar antwortete er: „Fühle meine Hände nicht.“

Geoffreys schaute sich im Dorf um. Überall liefen die Mitarbeiter von Shacklebolt herum, doch Fahrzeuge konnte er nicht ausmachen. Aus Sicherheitsgründen konnte er Williams nicht einfach in einen der eigenen Wagen setzen und den Motor laufen lassen, während die anderen die gefundenen Granaten im hinteren Teil des Fahrzeugs in speziellen Kisten einlagerten.

„Haben Sie einen Wagen hier, wo er sich reinsetzen kann? Vielleicht mit Standheizung?“
Den Kopf schüttelnd erwiderte Kingsley: „Bedaure sehr.“ Er fühlte sich schäbig, weil er jegliche Hilfe versagen musste.
„Wie wäre es mit Alkohol?“, fragte Tonks, der gerade eine Idee gekommen war.
„Ja, her damit!“
„Moment, ich hole etwas“, sagte Tonks und verschwand in einer Gasse neben den Drei Besen.

Wie erwartet fand sie in einer Mülltonne eine Flasche Feuerwhisky mit einem winzigen Schluck darin. Mit Zaubersprüchen säuberte sie die Flasche gründlich, bevor sie den Rest Alkohol vervielfältigte, so dass die Flasche am Ende randvoll war.

Zurück bei den Männern reichte sie Geoffreys den Whisky, deren Verschluss sie vorher entfernt hatte. Williams hatte kein Gefühl in den Lippen, weswegen eine Menge von dem guten Whisky daneben ging und Jacke sowie Decke beschmutzte.

„Verdammt“, murmelte Geoffreys, bevor er in den Taschen seiner Jacke kramte, die er Williams übergeworfen hatte. Er zog etwas heraus, schaute drauf und schimpfte: „Wir haben Minus elf Grad Celsius!“ Besorgt blickte er zu Kingsley hinüber und fragte: „Können wir wenigstens irgendwo ein Feuer machen?“
„Ich…“
„Sie bedauern es“, vervollständigte Geoffreys. „Nehmen Sie es mir nicht übel, Shacklebolt, aber Sie haben Ihren Aufgabenbereich und ich habe meinen und zu meinem gehört, dass ich meine Männer in dieser Einöde nicht erfrieren lasse, weshalb ich mir jetzt etwas suchen werde, mit dem ich ein Feuerchen machen kann.“

Kingsley hielt ihn nicht auf und sah nur dabei zu, wie Geoffreys die Straße entlangging und in eine Gasse bog. Ein wenig später hörte man das Geräusch von berstendem Holz. Gleich darauf zischte es und aus der Gasse war ein roter Lichtblitz zu sehen. Davon alarmiert rannte Kingsley in die Gasse und sah einen seiner Auroren, der seinen Zauberstab gerade wieder senkte. Am Boden lag Geoffreys.

„Was denken Sie sich dabei?“, fragte Kingsley den Auror sehr ungehalten.
„Er hat randaliert und den Stuhl dort zerschlagen“, rechtfertigte sich der junge Auror, den das Gefühl beschlich, etwas wirklich Schlimmes getan zu haben, denn sein Vorgesetzter war in der Regel nicht sehr leicht aus der Ruhe zu bringen.
„Gehen Sie zu den anderen, sofort!“
„Ja, Sir“, kam kleinlaut von dem Auror zurück, bevor er sich verdrückte und innig hoffte, morgen für sein Handeln nicht büßen zu müssen.

Sich langsam dem Bewusstlosen nähernd hörte Kingsley Schritte hinter sich. Tonks war ihm gefolgt und begann: „King, Williams hat das Bewusstsein ver…“ Sie hielt inne, als sie Geoffreys am Boden liegen sah.
„Nicht nur Williams.“ Kingsley seufzte, zog seinen Zauberstab und sagte: „Jetzt ist es sowieso egal.“

Mit einem Wink seines Stabes brachte er Geoffreys wieder zu Bewusstsein. Der rieb sich als Erstes den Kopf, bevor er aufblickte, den Zauberstab bemerkte und skeptisch fragte: „Was ist das? Womit hat mich Ihr Mann lahmgelegt?“
„Stehen Sie auf, wir müssen zu Williams“, sagte Kingsley und reichte Geoffreys die Hand, die auch gleich ergriffen wurde.
„Das ist Punkt zwei auf meiner Frageliste“, murmelte Geoffreys, bevor sie zurück zum Eingang der Drei Besen gingen.

„Williams?“, fragte Geoffreys besorgt, als er seinen bewegungslosen Freund erblickte, der mit einer Seite an einem Holzbalken lehnte. Er befühlte das Gesicht seines Kumpanen, tastete im Anschluss nach der Halsschlagader und sagte aufgebracht: „Himmel, wir müssen was unternehmen, sonst stirbt er uns weg!“ Williams’ Körper rutschte langsam nach hinten, doch Geoffrey umfasste mit einem Arm die Schultern des Bewusstlosen und hielt ihn in einer sitzenden Position.

Im Mungos war Marie im Bett schon etwas weiter hinuntergerutscht, doch nichtsdestotrotz las sie in dem Heilerbuch gerade das Kapitel über die Behandlung von erfrorenen Gliedmaßen, als sie neben sich unverhofft ein leises Stöhnen vernahm. Im ersten Moment wollte Angst sie übermannen, doch sie hielt sich vor Augen, dass sie eine Schwester war und die Frau neben ihr unter einer schlimmen und nicht definierbaren Krankheit litt.

Blitzschnell stand Marie auf, erhellte das gesamte Zimmer auf der Seite der Patientin mit einem Zauber. Ohne Übergang erstarrte sie einen Moment, als noch leicht neblige Augen sie anzuschauen versuchten. Der Kopf von Miss Parkinson lag etwas schräg und nicht wie vorhin mit dem Gesicht zur Zimmerdecke.

„Miss Parkinson, können Sie mich verstehen?“, fragte Marie mit zitternder Stimme. Die Patientin nickte sanft und es schien, als wäre sie eher damit beschäftigt, sich auf ihre Atmung zu konzentrieren.

Marie eilte zum Bett, legte eine Hand auf die Stirn der Patientin und atmete derweil selbst so hastig, dass sie Angst haben musste zu hyperventilieren, wenn sie sich nicht beruhigte.

Schwächlich und kaum vernehmbar wie das Zwitschern eines Vogels, der an einem Sommertag hoch oben im Himmel seinen Runden drehte, hörte sie Miss Parkinson hauchen: „Marie.“
Völlig sprachlos blinzelte Marie ein paar Mal, bevor sie ihre Stimme wiederfand und mit der eben gewonnenen Erkenntnis entsetzt kombinierte: „Sie bekommen alles um sich herum mit!“
„Berenice?“, hauchte die Patientin.
„Der geht es bestens und Mr. Zabini auch“, sagte Marie eilig, denn es war ihre Aufgabe, Professor Junot zu kontaktieren, sollte Miss Parkinson erwachen.

Sie spurtete schon zur Tür, da hielt sie auf ihrem Weg wie versteinert inne und kehrte Sekunden später aus reinem Instinkt zum Bett zurück. Sich neben die Patientin setzend beobachtete sie, wie langsam die Farbe ins Gesicht der vermeintlich Toten zurückkehrte, die Lippen rosig wurden und die Augen an Lebendigkeit gewannen. Miss Parkinsons Atmung war bereits regelmäßig, wenn auch schwach. Eine warme Hand legte sich unvorhergesehen auf Maries und sie schaute hinunter. Nichts an der Hand war abstoßen und deswegen drückte sie sanft zu, wie sie es schon so oft bei Patienten und Patientinnen getan hatte und währenddessen schenkte sie Miss Parkinson ein ermutigendes Lächeln.

Ein Geistesblitz durchfuhr Marie und sie zog ihren Zauberstab. Mit vorbereitenden Worten warnte sie: „Erschrecken Sie nicht, ich werde Ihnen Blut abnehmen!“ Jetzt war wenigstens welches vorhanden.

Ungefähr in der gleichen Nachtstunde in Hogwarts schlug Hermine das Buch „Bewusstsein, Mitwahrnehmung und Sentiment“ wütend zu, aber nicht, weil sie den Inhalt nicht verstand, sondern weil ihre Konzentration zu wünschen übrig ließ. Es war schon fast drei Uhr nachts und sie konnte an nichts anderes denken als an die Karte, die dank Fellini erstellt worden war. Vielleicht war Fellini Severus gar nicht gefolgt, sondern nur anfangs, bevor er auf dem Dachboden, auf dem es sicherlich vor lauter Mäusen nur so wimmelte, auf Jagd gegangen war. Die Neugier war kaum auszuhalten, doch andererseits brachte es gar nichts, standhaft zu bleiben. Sie musste ihren Kopf wieder frei bekommen und das wäre nur möglich, wenn sie dem Weg auf der Karte folgen würde.

„Er wird mich umbringen“, murmelte Hermine. Sie wusste sehr genau, denn er hatte ihr zu verstehen gegeben, dass sie vom Dachboden fernzubleiben hatte. „Er wird mich umbringen, wenn er das erfährt“, flüsterte sie in den Raum hinein und ausschließlich Fellini, der seine Ohren drehte, nahm außer ihr selbst die Worte wahr. „Was soll’s, dann kann er mich zumindest nicht mehr rausschmeißen.“

Hermine hatte ihren Entschluss gefasst. Sie griff sich die Karte und betrachtete sie kurz, bevor sie nach draußen auf den Flur ging. Der Gang war wie ausgestorben und trotzdem hatte sie bei all den umliegenden Schatten das Gefühl, jeden Moment könnte Severus aus dem Nichts auftauchen und sie über ihr Vorhaben ausfragen. Dass Fellini ebenfalls das Wohnzimmer verlassen hatte, bemerkte sie erst, als sie sich wegen einer unerwarteten Berührung an ihrer Wade erschrak, denn der Kater strich ihr um die Beine.

„Dann geh mal vor, mein Kleiner“, sagte sie zu dem großen Tier, das sich sofort und lautlos in Bewegung setzte, als hätte er sehr gut verstanden, wohin es gehen sollte. Hermine folgte dem Tier den Gang hinunter, an der Bibliothek vorbei und die ersten Treppe hinauf, bis sie nach dem siebten Stockwerk eine schmale Holztreppe bestieg, die zum Dachboden führte. Jetzt war der Moment gekommen, an welchem sie einen Lumos anwenden musste, denn oben war es stockfinster.

Der Dachboden war ihr völlig fremd. So viele Jahre hatte sie hier als Schülerin verbracht und doch hatte sie niemals das ganze Schloss gesehen. Als sie den hölzernen Boden entlangging und sich die Steinwände mit den wenigen kleinen Fenstern beguckte, da fragte sie sich, ob Severus oder gar der Direktor jeden Winkel von Hogwarts schon einmal gesehen haben mochten. Bei Severus würde sie verneinen, doch beim Direktor war sie sich allein aufgrund dessen Alters nicht sicher.

Ein Blick auf die vom Stab erhellte Karte lieĂź erahnen, dass ein kleiner FuĂźmarsch vor ihr lag. Sie folgte den Strichen auf der Karte und dem Kater, mit dem sie ab und an sprach.

„Weißt du, Fellini, dass das Wort ’Kater’ ein Anagramm von dem Wort ’Karte’ ist? Ist das jetzt nur Zufall oder nicht?“, scherzte sie mit leiser Stimme, denn auch wenn sie hier oben mit niemandem rechnete, so war doch die Möglichkeit vorhanden, dass ein Geist oder ein hier abgestelltes Gemälde sie hören könnte.

Ihr Weg führte sie an einigen Holzverschlägen vorbei, die sie sehr an den Dachboden eines Mietshauses der Muggelwelt erinnerten. Ganz vorn wartete Fellini an einer Tür, die sie öffnete, so dass er hindurchschlüpfen konnte.

Sie betrat einen langen Gang, der rechts und links große Abstellräume aufwies, die durch türlose Durchgänge betreten werden konnten. Wenn sie an so einen Durchgang vorbeikam und einen Blick in die riesigen dunklen Räume warf, dann lief ihr ein Schauer den Rücken hinunter. Die vielen Schatten und das leise Knarren waren ihr unheimlich, doch ihre Neugier trieb sie weiter voran. Sie redete sich ein, dass Fellini mit seinen tierischen Instinkten sicherlich Gefahr wittern würde und da er mit hoch erhobenen und oben leicht abgeknickten Schwanz lässig vorantrottete, machte sie sich keine großen Gedanken, doch ein kleiner Schauer blieb.

Wieder ganz hinten am Gang musste sie eine weitere Tür öffnen und es kam ein ähnlicher Weg wie der gerade beschrittene zum Vorschein, nur dass es hier keine offenen Durchgänge zu anderen Räumen gab, sondern große Türen. Hinten links blieb Fellini an einer großen Holztür mit Eisenbeschlag stehen. Hermine betätigte die Klinke, doch die Tür war verschlossen. Mit einem einfachen Alohomora wollte sie sich erst gar nicht abgeben und so wendete sie keine Zaubersprüche an, die verschlossene Türen öffnen würden, sondern verschiedene Beurteilungszauber, die Hinweise darauf geben konnten, mit welchem Schutz diese Tür belegt sein könnte.

Hermine begann mit ihren ZaubersprĂĽchen und sie ahnte, dass sie sehr lange dafĂĽr brauchen wĂĽrde. Sie richtete ihren Zauberstab auf die TĂĽr und sagte ihren ersten Spruch.

Im gleichen Moment richtete Shacklebolt seinen Stab auf Williams und sprach einen Zauber zum Trocknen der Kleidung und einen zum Wärmen des Körpers. Williams, der wieder zu sich kam, atmete erleichtert ein und aus und hielt die Augen geschlossen, um die ihn umgebende Wärme zu genießen.

„King“, flüsterte Tonks entsetzt.
„Es ist jetzt sowieso egal. Brooks hat Geoffreys einen Schockzauber verpasst. Die Vergissmich werden darüber informiert sein. Auf jeden Fall haben wir heute Nacht keinen Toten zu verzeichnen“, rechtfertigte sich Kingsley und er hoffte innig, dass die Vergissmich heute Nacht fernbleiben würden.
Geoffreys hatte dem Gespräch zugehört, doch er ging nicht auf die ihm unbekannten Begriffe ein, sondern sagte einfach nur: „Danke! Was immer Sie auch getan haben, vielen Dank dafür!“

Williams ging es sichtlich besser. Die Lippen waren nicht mehr blau angelaufen und er zitterte auch nicht mehr am ganzen Körper.

„Wenn das alles hier vorbei ist“, sagte Geoffreys dankbar, „dann würde ich Sie gern mal zu einem Glas Whisky einladen oder auch zu einer Flasche.“

Das Lächeln konnte Kingsley nur gequält erwidern, denn er vermutete, dass Geoffreys morgen nicht einmal mehr wissen würde, dass sie sich kennen gelernt hatten.

„Es würde mich sehr freuen, Geoffreys.“ Lautes Motorengeräusch ließ Kingsley aufblicken, bevor er sagte: „Scheint so, als wären Ihre Männer fertig.“ Die Wagen fuhren sehr langsam und in einigem Abstand zueinander zurück auf die Straße.
„Ja, sieht so aus.“ Geoffreys erhob sich, reichte Kingsley die Hand und schlug, während sie sich verabschiedeten, einmal freundschaftlich auf den muskulösen Oberarm, bevor er sagte: „Sie scheinen mir ein Mann zu sein, der dem Sport nicht abgeneigt ist.“ Kingsley lächelte nur, diesmal von Herzen, was Geoffreys als Zustimmung betrachtete. „Wir könnten uns ein paar Ringkämpfe ansehen oder Boxen, wenn Ihnen das lieber ist. Ich bekomme immer jede Menge Freikarten, habe aber niemanden, der mich begleiten möchte.“
„Ich würde gern mitkommen“, gestand Kingsley ehrlich.
„Wie kann ich Kontakt zu Ihnen aufnehmen?“, wollte Geoffreys wissen.
Kingsley spitzte die Lippen und musste breit lächelnd. „Gar nicht. Ich kontaktiere Sie.“
Geoffreys schnaufte amüsiert, bevor er belustigt sagte: „Wissen Sie was? Das ist mein Spruch! In der Regel bin ich derjenige, der das sagt. Na dann…“ Geoffreys verabschiedete sich noch von Tonks, bevor er mit Williams, der sich wieder wesentlich besser fühlte und gut zu Fuß war, zu den Wagen aufmachte.

„Vielleicht kommen sie nicht“, murmelte Tonks, doch in diesem Moment waren einige knallende Geräusche von Apparationen zu hören.
Die Situation verfluchend schimpfte Kingsley: „Verdammt, das ist doch gar nicht notwendig.“

Er marschierte auf einen der Zauberer zu, die gerade angekommen waren und stellte sich mit Namen vor, doch der Mann unterbrach: „Ich weiß, wer Sie sind, Mr. Shacklebolt.“
„Wer sind Sie?“
„Abrahams, der neue Leiter der Abteilung für Magische Unfälle und Katastrophen“, sagte der dünne Mann mit hoher, schmierig arroganter Stimme.
„Es gab hier keine Unfälle oder Katastrophen, Mr. Abrahams. Die Männer…“
Kingsley wurde unterbrochen, als Abrahams vor den Augen von Geoffreys, dem die vielen aus dem Nichts aufgetauchten Männer natürlich nicht entgangen waren, ein Pergament aus der Luft herbeizauberte und daraus vorlas: „Ein Säuberungs- und Vervielfältigungszauber für Flüssigkeiten…“
Tonks warf erbost ein: „Das hat niemand gesehen! Ich stand in der Gasse, als ich…“

Mit einer erhobenen Hand forderte Abrahams sie zum Stillschweigen auf.

„Das war in der Nähe von Muggeln geschehen und wer das alles gesehen haben mag oder nicht ist nicht nachvollziehbar. Wenn ich weiterlesen dürfte?“ Abrahams blickte auf das in Kopfhöhe schwebende Pergament und zählte auf: „Ein Schockzauber an einem Muggel, ein Zauber, der den Schockzauber aufhebt und zudem noch je ein Wärme- und Trocknungszauber. Das ist eindeutig zu viel des Guten, Mr. Shacklebolt.“
„Und Sie“, sagte Kingsley durch zusammengekniffene Zähne, „machen alles noch schlimmer, indem Sie nicht einmal versuchen, etwas geheim zu halten!“
„Was? Ach, Sie meinen das Pergament.“

Abrahams tippte es mit der Spitze seines Stabes an, so dass es sich in Rauch auflöste. Spätestens jetzt hatten auch neben Geoffreys und Williams die anderen Muggel gesehen, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging.

„Keine Sorge“, versicherte Abrahams hochnäsig, „die Erinnerung daran werden wir selbstverständlich auch löschen.“
„Es ist nicht notwendig, dass Sie…“
Wieder unterbrach Abrahams und er sprach wütend mit seiner hohen Fistelstimme: „Sie, Mr. Shacklebolt, haben keinerlei Befugnis, sich in mein Aufgabengebiet einzumischen. Ich habe einen Auftrag zu erledigen, also hindern Sie mich nicht daran.“

Nur eine zaghafte BerĂĽhrung von Tonks Hand an seiner Schulter hielt Kingsley davon ab, Abrahams einen Kinnhaken zu verpassen.

Geoffreys kam auf die drei zu und fragte an Kingsley gerichtet: „Gibt es irgendwelche Probleme?“ Danach musterte er Abrahams von oben bis unten und machte mit einem einzigen Gesichtsausdruck deutlich, dass er ihn nicht ausstehen konnte.
„Sie sind Mr. Geoffreys, nicht wahr?“, fragte Abrahams mit falschem Lächeln auf den Lippen. Geoffreys nickte, so dass Abrahams ihn darüber informierte: „Ab jetzt bin ich Ihr Ansprechpartner. Wir begleiten Sie bis zum Sprengplatz.“ Geoffreys hob eine Augenbraue, denn die Situation war ihm nicht geheuer, so dass er Hilfe suchend zu Kingsley hinüberblickte.

Kingsley blieb nichts anderes übrig als zustimmend zu nicken und er hasste sich selbst dafür, Geoffreys vorzugaukeln, dass alles in bester Ordnung wäre.

„Na gut.“ Geoffreys hatte nachgegeben, doch man sah ihm an, dass er den Braten zu riechen schien. Nicht umsonst war er beim MI5 beschäftigt. Nochmals hielt er Kingsley die Hand entgegen und sagte freundlich: „Wir sehen uns irgendwann und trinken zusammen einen. Vielleicht finden wir dann auch Zeit, um meine offenen Fragen zu erörtern.“

Er schüttelte Geoffreys Hand in dem Wissen, dass es niemals einen gemütlichen Abend zusammen geben würde, an dem sie vielleicht sogar auf den heutigen Tag anstoßen könnten, bevor sie gemeinsam einen Ringkampf besuchen würden.

Im Mungos hatte Marie zur gleichen Zeit Blut abgenommen, doch noch während sie die Spitze ihres Zauberstabs auf das Blutgefäss in der Armbeuge presste, bemerkte sie, wie die Haut der Patientin wieder grau wurde und in der halb vollen Phiole, in der das Blut aufgefangen wurde, nichts mehr hinzukam. Ein Blick ins Gesicht von Miss Parkinson machte deutlich, dass das Leben sie erneut verlassen hatte.

Marie seufzte und sagte laut, da sie wusste, die Frau würde sie hören: „Das tut mir so Leid, Miss Parkinson. Wir werden alles versuchen, um Sie davon zu erlösen.“ Sie atmete einmal tief ein und aus, weil die Situation der Patientin sie nicht unberührt ließ. „Ich werde Professor Junot unterrichten.“ Murmelnd sagte Marie noch in den Raum hinein: „Vielleicht bekommt Stan unter diesen Umständen auch seinen Job wieder.“

Durch den Kamin im Schwesternzimmer gab Marie Bescheid, so dass Professor Junot sofort alles stehen und liegen lieĂź, um Miss Parkinson zu untersuchen.

„Keine Eile, Professor Junot“, sagte Marie aufhaltend, da die Professorin schon losrennen wollte. „Die Patientin ist nicht mehr wach.“
„Was?“, fragte Junot verdutzt. Um sich selbst zu überzeugen betrat sie das Krankenzimmer. Bis auf den Kopf der Patientin, der ein wenig seitlich lag, deutete nichts auf eine Veränderung hin.
Marie war ins Krankenzimmer gefolgt und erklärte: „Sie hat gestöhnt, was mich aufmerksam gemacht hatte. Ihr Kopf war mir zugewandt, als ich hinübergesehen hatte. Ich konnte beobachten, wie Miss Parkinson langsam mit Leben erfüllt wurde. Die Hautfarbe hatte sich geändert und…“
„Wieso, Marie, haben Sie hier gestanden und all diese Beobachtungen gemacht, ohne mir VORHER Bescheid zu geben?“ Professor Junot war sehr verärgert.
„Miss Parkinson war nicht lange wach, weniger als eine Minute. Sie kannte meinen Namen!“, schilderte Marie.
„Sie haben nicht auf meine Frage geantwortete. Ich habe Sie gebeten, mich unverzüglich über einen veränderten Zustand zu informieren!“
„Sie wären zu spät gekommen, Professor Junot, und hätten sie genauso vorgefunden wie jetzt!“, wollte sich Marie verteidigen.
„Ich fasse es nicht“, murmelte Junot aufgebracht, während sie ihren Blick im Zimmer schweifen ließ und der fiel auf eine kleine Phiole. „Was ist das dort?“
„Ja, natürlich“, sagte Marie enthusiastisch und eilte zum Nachttisch, von dem sie die Phiole nahm und in die Höhe hielt. „Ich konnte Blut abnehmen, solange Miss Parkinson wach war!“

Wie verzaubert kam Professor Junot auf Marie zu, den Blick starr auf die Phiole mit dem dunkelroten Inhalt gerichtet. Sie streckte ihre Hand aus und griff danach, bevor sie erfreut feststellte: „Es ist ganz warm!“ Die Professorin blickte auf und lächelte breit. „Oh, Sie sind ein Schatz, Marie!“

Professor Junot ergriff Maries Schultern, zog sie blitzschnell an sich heran und gab ihr einen Kuss auf die Wange, bevor sie mit der Phiole, die sie wie einen kostbaren Edelstein bewunderte, das Krankenzimmer in Windeseile verlieĂź.

Marie lächelte zufrieden.


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