von Muggelchen
Im Foyer des Ministeriums traf Susan auf Rosalind, die sie natürlich sofort grüßte. Die Gamotvorsitzende wusste vom Hörensagen, dass ihre Kollegin mit Malfoys Spross liiert war und auch ein Kind von ihm erwartete. Sie ahnte, dass Susan sie womöglich auf den Gerichtstermin von Malfoy senior ansprechen würde.
„Hallo Rosalind, wie geht’s Ihnen?“, fragte Susan freundlich lächelnd.
„Bestens, danke der Nachfrage, Susan“, erwiderte Rosalind ein wenig angespannt.
„Wie geht es Ihrem Sohn? Barry ist jetzt ja schon über zwei Monate in der Schweiz?“, wollte Susan wissen.
Kräftig schluckend fragte Rosalind sich, ob es möglich sein könnte, dass Mr. Malfoy die Zukünftige seines Sohnes manipuliert und auf sie angesetzt hatte. Sie wusste nicht, ob Susan Kenntnis davon hatte, dass Barry einer Affäre entsprungen war. Die Frage nach dem Befinden ihres Sohnes kam ihr verdächtig vor.
„Barry geht es gut. Er wird zu Weihnachten zu uns kommen“, antwortete Rosalind knapp.
Susan runzelte die Stirn, denn normalerweise kam sie mit ihrer Kollegin sehr gut aus, doch heute schien sie sehr distanziert.
„Ich wollte Sie wegen der Verhandlung von Mr. Malfoy etwas fragen“, kündigte Susan an, doch Rosalind übernahm die Gesprächsführung.
„Ja, wegen Mr. Malfoy: Ich ziehe in Erwägung, den Termin vorzuverlegen“, antwortete Rosalind in der Hoffnung, kooperativ zu wirken.
Susan zog erstaunt beide Augenbrauen und fragte: „Und wie weit vor?“
„Wann denken Sie, Susan, dass er das Krankenhaus verlassen wird?“
„Er sagte neulich, dass er in wenigen Wochen wieder sehen können wird. Einen Termin im Januar würde er sicherlich befürworten“, sagte Susan gewissenhaft, denn das war das, was Kingsley ihr erzählt hatte.
In die Enge getrieben fühlte sich Rosalind dazu genötigt zu sagen: „Gut, Januar dann. Ich werde alles vorbereiten. Es stehen ja schon alle Gamotmitglieder auf dem Plan.“
„Da wird er sich aber freuen“, sagte Susan unbekümmert.
In Gedanken kommentierte Rosalind diese Aussage mit den Worten: ’Das glaube ich gern!’ Laut sagte sie jedoch: „Ich wäre selbst sehr froh, wenn diese Angelegenheit endlich vom Tisch wäre.“
Nochmals stutzte Susan, denn irgendwie schien Rosalind äußerst verkrampft und ein wenig erbost, dennoch gezwungen freundlich.
Um ihre ältere Kollegin aufzumuntern, fragte Susan freundlich: „Wollen wir zusammen zu Mittag essen? Es gibt heute…“
Rosalind fuhr ihr über den Mund und sagte: „Nein danke. Ich nutze die Zeit lieber, um Mr. Malfoys Anklageschrift zu verfassen und den Termin festzulegen. Auf Wiedersehen, Susan.“
Nachdenklich schaute Susan ihrer Kollegin hinterher. Sie hatte ein seltsames GefĂĽhl im Bauch, welches sie weder beschreiben noch deuten konnte. Sie wusste, dass irgendetwas faul war, konnte sich aber nichts zusammenreimen.
In Hogwarts hatte Hermine bereits seit dem frühen Morgen ihren Farbtrank wieder und wieder gebraut – ohne Flubberwürmer, damit der Effekt nur um die dreißig Sekunden andauern würde. Bisher hatte sie es nicht geschafft, eine perfekte Rührreihenfolge oder Temperaturanpassungen zu finden, damit sie selbst ihre Farben sehen konnte.
Bevor sie zum achten Mal ihren Trank begann, warf sie erneut ein Auge in das Buch „Die Kraft von Lóng – ostasiatische Tränke für die Sinne“. Den Adlerauge-Trank konnte sie jetzt schon auswendig. Sie notierte gerade, welche Zubereitungsmethoden des Adlerauges sie zuletzt an ihrem Trank ausprobiert hatte, da kam Severus vom Unterricht.
„Ah, wie ich sehe, waren Sie schon sehr fleißig“, sagte er amüsiert.
Sie warf ihm einen kühlen Blick zu, denn noch immer war sie verdrossen darüber, wie er mit Remus umgegangen war und sagte recht kühl: „Guten Tag.“
Wie angewurzelt blieb Severus eine Weile auf der Stelle stehen und beobachtete seine SchĂĽlerin, die ihm keinen einzigen Blick schenkte.
„Bin ich für Ihre Übellaunigkeit verantwortlich?“, fragte er mit schmieriger Stimme.
Sie kniff die Augen zusammen und schenkte ihm eine Kopie seines berühmten Todesblickes, bevor sie ehrlich sagte: „Mir passt es nicht, wie Sie mit meinen Freunden umspringen.“
„Lupin kommt lediglich her, um den Wolfsbanntrank einzunehmen, den er, wenn ich mir die Freiheit nehmen darf, es mal auf den Punkt zu bringen, nicht einmal bezahlen muss. Es gehört nicht zu meiner Pflicht, mir sein dummes Geschwätz anhören zu…“
Hermine unterbrach ihn und wiederholte ungläubig: „Dummes Geschwätz? Nennen Sie das immer so, wenn sich jemand nett mit Ihnen unterhalten möchte? Dummes Geschwätz?“
„Ihr gestriges Gefasel, Hermine, war auch nicht gerade angenehm für mich. Es hat niemanden – nicht einmal Sie – zu interessieren, mit wem ich Kontakt zu pflegen wünsche und mit wem nicht“, sagte Severus mit ruhiger, dennoch provozierender Stimme, denn ob er sich mit Linda schrieb oder nicht war einzig seine Angelegenheit.
Aufgebracht wiederholte sie: „’Mein Gefasel’? Jetzt langt’s mir!“ Sie warf das Notizbuch, welches sie noch immer in der Hand gehalten hatte, erbost auf den Tisch. „Ab jetzt, Severus, gibt es nichts Privates mehr, über das ich mit Ihnen reden werde, damit ’mein Gefasel’ Ihnen nicht mehr auf die Nerven geht! Eines sei Ihnen aber gesagt: Sollten Sie es nochmal wagen, mich mit einem Silencio zu belegen, dann werde ich einen sehr unangenehmen Zauberspruch an Ihnen ausprobieren.“
Severus äußerte sich nicht, nahm Hermine aber auch nicht ernst. Als sie ihr Notizbuch erneut in die Hand nahm, blickte sie auf und fragte mit kühler Stimme: „Haben Sie heute etwas Bestimmtes ins Auge gefasst oder wollen wir mit dem Farbtrank fortfahren?“
Sie schien, bis auf ihre distanzierte Stimme, wieder normal, so dass er antwortete: „Was haben Sie bisher gemacht?“
Wortlos reichte sie ihm ihr Notizbuch, so dass er einen Ăśberblick erhielt.
„Wir sollten versuchen, nach der Beimischung des Nixenkrauts die Temperatur zu erhöhen und schneller zu rühren, damit die Samen nicht zu Boden sinken und anbrennen“, schlug er vor, so dass sie damit anfingen, den achten Trank zu brauen.
Während des Brauens äußerte Hermine sich nur, wenn es um die Arbeit ging. Sie schwärmte nicht davon, wie schön es gewesen war, mit dem Adlerauge die Krater des Mondes gesehen zu haben. Sie erzählte auch nicht, dass Draco ihren Trank hatte testen wollen, auch wenn das mehr oder weniger mit der Arbeit zu tun hatte. Sie schwärmte nicht davon, dass sie während ihres Urlaubs vor wenigen Jahren in den Bergwäldern Japans eine sehr interessante Zutat in Form einer Baumrinde entdeckt hatte und sie verlor auch kein Wort darüber, dass sie aus den Kerkern ausziehen wollte. Das alles war viel zu privat und Severus würde ihr „Gefasel“ – Hermine regte sich innerlich erneut über diese Beleidigung auf – nicht gutheißen.
Severus hingegen bemerkte schnell, dass die Stimmung nicht nur ein wenig getrübt war, sondern eiskalt. Wäre es nicht November, würde er glatt Hermine für die frostigen Temperaturen in den Kerkern verantwortlich machen. Einerseits war es ihm recht, wenn Menschen in seiner Nähe ihn nicht in Gespräche verwickelten, aber es war etwas vollkommen anderes, auf etwas verzichten zu müssen, an das man sich bereits gewöhnt hatte. Er vermisste ihre kurzen Kommentare zu Tränkezutaten, ihre Anspielungen auf andere Zaubertränkemeister; er vermisste ihre Stimme.
Ein letztes Mal rührte Hermine den Trank und löschte danach das Feuer unter dem Kessel, bevor sie gefühlskalt sagte: „Der Trank ist fertig.“
Sie fragte gar nicht erst, ob er ihn probieren würde, also füllte sie etwas in eine Ampulle und sprach einen Kühlungszauber. Ihr Magen gurgelte bereits, denn er hatte schon sieben Tränke intus und die Menge schien ihr nicht zu bekommen. Hermine setzte an, aber in dem Moment, als sie den Geruch des Trankes wahrnehmen konnte, der ihr heute bereits zuwider war, da musste sie plötzlich würgen. Schnell hielt sie eine Hand vor den Mund.
„Was haben Sie?“, fragte Severus besorgt.
„Nichts“, antwortete sie.
Er kam einen Schritt auf sie zu und sagte erbost: „Hören Sie auf zu lügen. Sie haben einen Brechreiz.“ Er nahm ihr die Ampulle aus der Hand und stellte sie auf den Tisch.
„Ich habe heute schon sieben von diesen Tränken genommen. Ich höre es in meinem Magen schon glucksen, wenn ich mich schnell bewege. Den einen Trank schaffe ich auch noch“, redete sie sich ein, bevor sie zum Fläschchen griff, doch seine Hand umfasste ihr Handgelenk und hinderte sie daran.
„Ich werde nicht zulassen, dass Sie einen Trank einnehmen, der einen Würgreflex bei Ihnen auslöst“, sagte er bestimmend.
Hermine rollte mit den Augen und sagte: „Den letzten Trank möchte ich jetzt auch noch testen. Ich will nicht die ganze Nacht wach liegen und überlegen, ob wir es geschafft haben oder nicht. Gerade Sie als Zaubertränkemeister müssten das doch verstehen.“
Er lieĂź ihr Handgelenk los, so dass sie zur Ampulle greifen konnte. Diesmal musste sie den Trank nicht einmal einatmen, denn allein der Gedanke daran, jetzt noch mehr FlĂĽssigkeit in den Magen zu bekommen, lieĂź sie erneut wĂĽrgen.
„Bei Merlin, geben Sie her“, sagte Severus und entriss ihr die Ampulle, während sie sich erneut eine Hand vor den Mund hielt. „Ich nehme an, es ist jetzt auch nicht der richtige Zeitpunkt, um Ihnen ein Glas Wasser anzubieten?“
Hermine schüttelte den Kopf: „Nein, bloß nicht. Es geht gleich wieder und dann werde ich den Trank nehmen.“
„Sie sind ein sturer Dickkopf!“, schimpfte Severus.
Er zog in Erwägung, den Trank selbst einzunehmen, damit sie Ruhe geben würde. Wenn er seine Farben nicht sehen können würde, wäre das ein Zeichen für einen erneuten Fehlschlag. Der Gedanke widerstrebte ihm, aber andererseits rief er sich ins Gedächtnis, dass sie seine Farben – auch wenn ihm das sehr unangenehm war – längst kannte. So riss sich Severus zusammen und tat ihr den Gefallen, freiwillig ihren Trank zu testen.
Hermine traute ihren Augen nicht, als Severus die Ampulle ansetzte und den Inhalt hinunterstürzte. Nach wenigen Sekunden erschien seine graue Farbe, jedoch wesentlich kräftiger als beim Adlerauge. Zu sehen waren verschiedene Grautöne, die fließend ineinander übergingen.
Als Severus die leere Ampulle auf dem Tisch abstellte, bemerkte er, dass seine Hand mit einem dunkelgrauen Schimmer ĂĽberzogen war, weswegen er erschrocken zusammenzuckte. Der Trank war geglĂĽckt. Man konnte mit ihm endlich seine eigenen Farben sehen, auch wenn Grau in seinen Augen keine Farbe war.
Er blickte zu Hermine hinüber, die ihn von oben bis unten musterte und erst, als sie wieder bei seinen Augen angelangt war, da fragte sie: „Können Sie etwas sehen?“ Severus nickte beschämt, verkniff sich aber einen Kommentar, so dass sie fragte: „Und?“
„Was denken Sie?“, fragte er verbissen. „Es ist die gleiche Farbe wie nach der Einnahme des Adlerauges. Ihr Trank ist jetzt perfekt.“
Er hatte nicht mit Hermines Reaktion gerechnet, denn sie fragte abweisend: „Gut, dann ist das erledigt. Es ist schon halb elf durch. Wir machen Feierabend oder?“ Ihre angehängtes „oder“ machte deutlich, dass sie heute nichts Neues mehr beginnen wollte. Severus nickte zustimmend, so dass Hermine sich verabschiedete: „Bis morgen.“
Sie verließ ihn, ohne auch nur einmal die erwartete Frage fallen zu lassen, warum Severus’ Farbe Grau war und ohne auch nur einen Versuch zu starten, ihn über seine Vergangenheit ausfragen zu wollen. Nachdem sie die Tür von außen geschlossen hatte, hob Severus seinen Unterarm und betrachtete mit niedergeschlagener Miene die grauen wabernden Wellen, die sich um Hand und Arm schlängelten. Er sah keine Hoffnung.
Lucius hingegen schöpfte Hoffnung, als er am nächsten Morgen nicht nur einen Brief vom Ministerium erhalten hatte, sondern ihn das erste Mal mit eigenen Augen lesen konnte, was Marie sehr freute. Er stand am Fenster und hatte erstmalig die Werbetafel von „Bertie Botts Bohnen jeder Geschmacksrichtung“ deutlich erkennen und die Slogans wiederholen können, bevor Marie ihm den Brief gebracht hatte. Maries Gesicht konnte er schon länger erkennen und er war immer sehr erfreut, wenn er sie sah. Sie war in seinen Augen sehr hübsch, wenn sie auch ein eher dunkler Typ war, was nicht seinen persönlichen Geschmack traf.
„Das ist so schön, Mr. Malfoy, dass Sie den Brief allein lesen können. Ich werde nachher gleich mal die neusten Ausgaben der Tageszeitungen zusammensuchen und sie Ihnen bringen“, sagte Marie mit einem breiten Lächeln im Gesicht.
„Das ist sehr aufmerksam von Ihnen, Marie“, bedankte sich Lucius höflich, während er den Brief vom Ministerium öffnete.
Er las die ersten Zeilen und da begannen seine Hände plötzlich zu zittern.
„Mr. Malfoy? Geht es Ihnen nicht gut? Setzen Sie sich lieber“, sagte Marie fürsorglich, die ihn bereits am Arm ergriffen hatte und zu dem Tisch führte, damit er sich auf einem Stuhl Platz nehmen konnte.
„Am 12. Januar! Marie, meine Verhandlung beginnt am 12. Januar gleich im nächsten Jahr! Wem ich das wohl zu verdanken habe?“, fragte er in den Raum hinein.
Marie schürzte die Lippen und vermutete laut: „Na ja, ich habe bisher nur eine Person aus dem Ministerium kennen gelernt, die mit Ihnen wirklich immer sehr freundlich umgegangen ist.“
Die Schwester beließ es bei diesem Hinweis, bevor sie zu Gregory Goyles Bett hinüberging, um die Laken glatt zu ziehen. Lucius las den Brief dreimal, bevor er die Augen schloss und zufrieden tief ein und aus atmete. Er fragte sich, ob es sich um Miss Bones handeln könnte, die ihm tatsächlich diesen großen Gefallen erwiesen hatte und er fragte sich gleichzeitig, was sie damit bezwecken wollen würde. Im ersten Moment glaubte er, sie würde sich nur lieb Kind machen wollen, doch Marie hatte Recht: Miss Bones war die Einzige, die sich nicht davon hatte abhalten lassen, ihn immer freundlich zu behandeln, selbst wenn er über die Stränge geschlagen hatte.
Auch Hermine hatte gleich morgens einen Brief vom Ministerium erhalten. Es handelte sich dabei um die schriftliche Bestätigung des Ausbildungsvertrages seit Anfang Oktober, die sie gleich zu ihren Akten legte. Den Morgen und Vormittag verbrachte sie damit, das Buch über die Handhabe der schwarzmagischen Bücher zu lesen, was Severus ihr aufgetragen hatte. Wenn sie an ihren Professor dachte, dann machte sich Wut in ihrem Bauch breit. Das einzige Highlight würde heute Abend der Besuch von Remus sein, der den zweiten Wolfsbanntrank einnehmen würde. Hermine hoffte innig, dass Severus ihre an den Tag gelegte Reserviertheit richtig gedeutet hatte und einen stillen Moment dazu nutzen würde, sich bei Remus zu entschuldigen.
Den ganzen Abend hatte Hermine weiterhin ihren Mund gehalten und nur über die Arbeit gesprochen, was Severus grantig zur Kenntnis nehmen musste und sich hütete, sie auf ihr Verhalten anzusprechen. Als Remus kam, begrüßte sie ihn mit der vertrauten Herzenswärme, die man von ihr kannte – mit einem Kuss auf die Wange. Ihr war nicht entgangen, dass Remus noch immer tief verletzt war. Er schaute ihr kaum in die Augen und Severus schon gar nicht.
„Alles in Ordnung, Remus?“, fragte Hermine, so dass Severus es hören konnte, auch wenn der sich wieder beschäftigt gab. Remus schaute sie mit Kummer erfüllten Augen an, äußerte sich aber weder verbal noch mit einer Geste. Nachdem er den Trank genommen hatte, ließ er seinen Tränkepasse von Severus unterschreiben. Er bedankte sich höflich und ging.
Die Wut in ihrem Bauch hatte sich verdoppelt, doch sie sagte keinen Ton. Sie würde Severus nicht dazu auffordern, mit Remus zu sprechen. Sie selbst wollte nicht die Nächste sein, die wieder einmal seine Launen ertragen müsste, also arbeiteten sie zusammen still an einem Trank, der Hermines Fähigkeiten festigen sollte, bestimmte Zutaten korrekt vorzubereiten. Es war eine sehr aufwendige Arbeit, aber sie meisterte sei mit Bravour. Es war Severus, der währenddessen mehrmals ein Gespräch begonnen hatte, doch Hermine blockte jedes Mal ab.
„Wie geht es Ihrem Kniesel?“, fragte er vorgetäuscht interessiert, um sie zum Reden zu bewegen.
„Lenken Sie mich bitte nicht von der Arbeit ab“, entgegnete sie kühl.
Er versuchte an diesem Abend nicht noch einmal, ihr ein Gespräch aufzuhalsen.
Der Tag, an welchem Remus zum dritten Mal für die Einnahme des Wolfsbanntranks kommen würde, verlief im Vorfeld genauso eisig. Seine Versuche, eine private Unterhaltung zu führen, hatte sie mit knappen Antworten unterbunden, bis er letztendlich erbost fragte: „Was in Merlins Namen habe ich getan?“ Sie blickte ihn vorwurfsvoll an und schüttelte den Kopf, während sie ihre Lippen zusammenpresste. „Was auch immer ich getan haben sollte: Ich möchte Sie um Entschuldigung bitten.“
„Oh nein, nicht bei mir. Sie müssen sich nicht bei mir entschuldigen“, sagte sie gereizt.
„Wollen Sie mir damit etwa zu verstehen geben, ich müsste mich bei Lupin entschuldigen? Was ich ihm gegenüber gesagt habe, war lediglich eine Stellungnahme! Das wird mir wohl noch gestattet sein.“
Hermine kniff ihre Augen zu bedrohlich schmalen Schlitzen zusammen, bevor sie fragte: „Warum haben Sie ihn auf seiner Verlobungsfeier erst davon abgehalten, sich unters Messer zu legen, damit er Tonks heiraten darf, wenn Sie jetzt darauf herumhacken? Ich habe ehrlich gesagt geglaubt, dass Sie ihn aus welchen Gründen auch immer vor einem Fehler bewahren wollten, was Sie irgendwie ’nett’ wirken ließ.“
„Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts… Warum rede ich mit Ihnen überhaupt darüber? Sie mischen sich in Dinge ein, die Sie nichts angehen“, sagte er durch die Zähne zischend.
„Oh, keine Sorge. Ich halte mich mittlerweile aus solchen Dingen heraus, wie Sie es bemerkt haben sollten. Machen Sie nur weiter, wie es Ihnen beliebt“, sagte sie kaltschnäuzig, bevor sie zum Vorratsschrank hinüberging.
„Was tun Sie da?“, wollte er wissen.
Sie warf ihm einen gleichgültigen Blick zu und sagte: „Ich hole die Zutaten für den Wolfsbanntrank, falls Sie das vergessen haben sollten.“
Am Abend, als Remus gekommen war, sah er noch mitgenommener aus als am Tag zuvor. Hermine litt mit ihm mit. Remus war ein Mensch, der sich Dinge immer sehr zu Herzen nahm und lange über etwas nachdenken musste, bevor er sein inneres Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Er lächelte zurückhaltend, obwohl man ihm ansehen konnte, dass ihm nicht danach war.
Es folgte ein wenig Smalltalk, den Hermine ihm aufdrängte, doch wie sie selbst es bei Severus machte, so blockte Remus ihre Gespräche ab, bis er seinen Wolfsbanntrank einnehmen konnte, um die heutige Nacht sicher verwahrt in der Heulenden Hütte verbringen zu können. Hermine hatte die Hoffnung aufgegeben, dass Severus den Moment, in welchem Remus seinen Tränkepass zur Unterschrift vorlegen würde, dazu nutzen könnte, um sein Bedauern über die beleidigenden Worte auszusprechen und er enttäuschte sie nicht, denn kein Wort war über seine Lippen gekommen. Wie üblich bedankte sich Remus bei beiden und ging zur Tür.
„Grüß Tonks von mir, ja?“, rief sie Remus noch hinterher, doch der blieb plötzlich wie angewurzelt stehen.
Er drehte sich um und blickte überall hin, nur nicht in Hermines Augen, bevor er sagte: „Ich werde sie nicht mehr so oft sehen, Hermine.“
„Was…?“, fragte Hermine völlig verdattert, doch Remus war schon zur Tür hinaus.
Seine Antwort hatte ihr ein flaues GefĂĽhl in der Bauchgegend beschert, weswegen sie ihm hinterherlief und ihn noch auf dem Gang abfing.
„Remus, was sollte das eben bedeuten?“, wollte sie wissen.
Er schluckte den Kloß im Hals hinunter und antwortete gleich darauf leise: „Ich habe die Verlobung gestern gelöst.“
„Du hast…?“ Hermine schüttelte verzweifelt den Kopf. „Remus, warum nur?“ Sie wollte nicht wahrhaben, was er eben gesagt hatte.
Er begann am ganzen Körper zu zittern, antwortete jedoch ehrlich, wenn auch mit gebrochener Stimme: „Sie ist gut fünfzehn Jahre jünger als ich. Sie wird Kinder haben wollen und das kann ich ihr nicht…“
Sie unterbrach ihn barsch: „Herrgott, Remus, vergiss den Blödsinn, den Snape von sich gegeben hat. Und was den Altersunterschied betrifft: Meine Mutter ist siebzehn Jahre jünger als mein Dad und sie sind bis heute glücklich verheiratet!“
Remus lächelte milde, doch seine Augen zeugten von Niedergeschlagenheit, bevor er eine Hand auf Hermines Schulter legte. Leise und sehr betroffen erklärte er: „Und sie haben auch eine hübsche und kluge Tochter in die Welt gesetzt.“
„Remus…“, sagte Hermine flehend.
„Wir sehen uns spätestens nächsten Monat, wenn ich bis dahin keinen anderen Zaubertränkemeister gefunden habe. Bis dann, Hermine“, sagte er, bevor er sie wie einen begossenen Pudel stehen ließ und Hogwarts verließ.
Sie war traurig, wütend und fühlte sich völlig hilflos. Am liebsten wollte sie sofort Harry Bescheid geben, doch sie musste erst zurück ins Labor. Es war schon spät und heute würde er es nicht wagen, eine neue Arbeit zu beginnen. Außerdem war heute Sonntag – ihr freier Tag – und sie war nur wegen des Wolfsbanntranks hier gewesen, den sie seit Anfang an für Remus zubereitete.
Mit entschlossenem Schritt trat Hermine ins Labor ein und griff sich ihre Tasche, um sich gleich wieder umzuwenden und wortlos zu gehen. Ob Severus sie angesehen hatte, wusste sie nicht, denn sie hatte nicht einmal in seine Richtung geschaut.
In ihrem Zimmer warf sie die Tasche auf einen Stuhl, bevor sie Fellini etwas zu Fressen gab. Als sie sich wieder aufrichtete, betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel an der Wand. Es sah normal aus, was wirklich an dem magischen Licht zu liegen schien, denn sie erinnerte sich daran, wie blass sie ausgesehen hatte, als sie bei Harry in den Spiegel geschaut hatte. Gleich darauf wandte sie sich ihrem Bonsai-Bäumchen zu und sie erschrak, als sie die vielen verdorrten Blätter entdeckte. Nur noch wenige waren grün. Mit einem Finger prüfte sie die Erde, doch die war feucht. Der Baum konnte doch nicht noch immer an den Auswirkungen der Attacke dieser unzähmbaren Kratzbürste leiden, wunderte sie sich. Es musste an etwas anderem liegen, dass er so eingegangen war, also holte sie sich das Buch über Bonsai-Bäume, welches sie einmal von ihren Eltern geschenkt bekommen hatte. Sie blätterte, bis sie eine Erklärung für den Zustand ihrer Pflanze gefunden hatte. Ihrem Bäumchen ging es nicht anders als ihr selbst: Es brauchte Sonnenlicht.
Hermine hatte ihren Entschluss gefasst und sie wollte es sofort regeln, so dass sie das BĂĽro des Direktors im Turm aufsuchen wollte. Gleich im Erdgeschoss blickte sie durch eines der Fenster und blieb wie angewurzelt stehen. Es hatte geschneit! Die ganze Landschaft war weiĂź gezeichnet und sie hatte es nicht einmal mitbekommen.
Mit dem Passwort öffnete der Wasserspeier den Zugang und oben wurde sie sofort von Albus eingelassen.
„Hermine, je später der Abend, desto erfreulicher die Gäste“, sagte er lächelnd.
„Es tut mir Leid, dass ich so spät noch…“
„Nein nein, so war das nicht gemeint. Nehmen Sie doch Platz, meine Gute. Etwas Tee? Ich habe hier auch eine neue Leckerei, die ich Ihnen gern anbieten würde“, sagte Albus freundlich und zeigte auf eine kleine Schale auf dem Tisch, bevor er ihr bereits eine Tasse Tee einschenkte. „Wie kann ich Ihnen helfen, Hermine?“
Sie rückte sofort mit der Sprache raus: „Ich möchte raus aus den Kerkern. Ich frage mich, ob woanders noch ein Plätzchen für mich frei wäre. Mit kleineren Räumen wäre ich auch zufrieden; Hauptsache, es gibt Fenster!“
„Warum so plötzlich? Ich hoffe doch nicht, dass Severus und Sie aneinander geraten sind“, sagte Albus, bevor er seinen Tee schlürfte.
Hermine kniff die Lippen zusammen, entschloss sich jedoch dafür, ehrlich zu antworten: „Nein, das ist nicht der Grund. Jeder sagt mir, ich würde blass aussehen! Mein Bonsai-Baum geht langsam ein, weil ihm Sonnenlicht fehlt und dann, als ich schon auf dem Weg zu Ihnen war, da habe ich erst gesehen, dass es draußen schneit und offensichtlich schon eine ganze Weile. Ich bekomme da unten gar nichts mit und ich habe das Gefühl, ich gehe genauso ein wie mein Baum. Das ist der Grund, Albus. Ich möchte ein Fenster haben, wo morgens die Sonne durchstrahlen kann. Ich will es auch öffnen und hinaussehen können. Es fehlt mir einfach.“
Albus nickte verständnisvoll und erklärte: „Ja, Hermine. Sie sind in der Tat sehr blass. Ich werde Ihrem Wunsch nachkommen. Es gibt sehr schöne Räume im vierten Stock, ganz in der Nähe der Bibliothek, was Sie sicherlich freuen wird.“
„Oh, das wäre schön“, sagte sie schwärmend mit einem Hauch Erleichterung, dass Albus nicht nachgehakt hatte, wie es mir ihr und Severus aussah.
„Möchten Sie schon heute in den neuen Räumen nächtigen?“, wollte er wissen. Weil Hermine ein wenig erstaunt wirkte, fügte er hinzu: „Mit Hilfe der Hauselfen wäre es in wenigen Minuten erledigt.“
„Das wäre wirklich wunderbar“, sagte sie schwärmend, denn die Aussicht, morgen schon mit Tageslicht im Schlafzimmer aufzuwachen, machte ihr die Entscheidung leicht.
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