von Muggelchen
In Kingsley Büro war gerade Susan zu Gast und sie fragte ihn über den letzten Besuch bei Lucius aus. Kingsley erzählte ihr, dass der Gefangene sehr handzahm geworden wäre, nachdem er ihm klargemacht hatte, dass der Aufenthalt im Krankenhaus über mehrere Monate nicht notwendig gewesen wäre.
„Hat er was wegen mir gesagt?“, wollte Susan wissen.
„Ja, er lässt ausrichten, dass er dich trotzdem gern mal sprechen möchte.“ Da Susan einen erschrockenen Eindruck machte, fügte er hinzu: „Er hat sogar angeboten, dass währenddessen eine Schwester anwesend sein könnte. Ich nehme an, damit du dich wohler fühlst.“
„Wie nett von ihm“, sagte Susan sarkastisch.
Kingsley legte seine Feder zur Seite und teilte ihr seine Gedanken mit, indem er sagte: „Ich glaube, ihm liegt wirklich viel daran, diesen Prozess so schnell wie nur möglich hinter sich zu bringen. Momentan steht in seinen Akten, dass er nach dem Aufenthalt im Mungos mit sieben Jahren Haft zu rechnen hat.“ Kingsley grinste und fügte hinzu: „Er hat ganz schön gehandelt, um dorthin zu kommen!“
„Fragen wir ihn gar nicht mehr, ob er noch etwas weiß? Ich meine, über diesen Hopkins vielleicht?“, fragte Susan.
Kingsley schüttelte den Kopf und erwiderte: „Wir benötigen ihn dafür nicht mehr. Arthur führt Gespräche mit dem anderen Minister. Uns sind die Hände gebunden, denn wir können nichts gegen diesen Muggel unternehmen, ohne dass der andere Minister Fragen stellen würde. Hopkins ist mittlerweile eine offizielle Angelegenheit geworden. Es war ein guter Zug von Arthur, mit der Muggelregierung enger zusammenzuarbeiten, aber andererseits können wir nicht mehr so handeln, wie wir es gern möchten.“
Susan nickte und fragte, ohne auf das Thema Hopkins einzugehen: „Hat Malfoy gesagt, warum er mit mir sprechen möchte?“
Verneinend antwortete Kingsley: „Hat er nicht, aber ich gehe davon aus, dass er dich dazu bewegen möchte, seinen Verhandlungstermin vorzuverlegen. Es liegt bei dir, was du tun wirst, Susan. Er ist dein Fall.“
„Danke Kingsley“, sagte Susan, nahm die Akte Malfoy wieder entgegen, die sie ihm vor dem Besuch gegeben hatte und verließ sein Büro.
Sollte sie Dracos Vater entgegenkommen, wäre es gut möglich, dass er sich dankbar zeigen könnte, auch wenn dies nur daraus bestehen würde, sie nicht wegen ihrer Abstammung zu verachten und seinen Sohn wieder sein eigen Fleisch und Blut zu nennen. Später würde es für ihren zukünftigen Schwiegervater – Susan bekam eine Gänsehaut bei dieser Bezeichnung – sowieso noch sehr schwer werden, wenn er erst einmal erfahren hätte, dass sie sein Enkelkind unterm Herzen trug. Zum Glück, dachte Susan, gab es da noch Mrs. Malfoy, mit der sie wunderbar zurechtkam. Sie würde ihren Mann sicherlich in die Schranken weisen können, sollte der auch nur ein böses Wort über seinen Sohn, seine Schwiegertochter oder deren gemeinsames Kind von sich geben, denn Mrs. Malfoy freute sich bereits sehr darauf, bald einen Säugling im Arm halten zu dürfen. Trotzdem war die Gefahr groß, dass die erhoffte Zusammenführung der Familien Malfoy und Bones sehr negative Aspekte mit sich bringen könnte. Susan seufzte auf den Weg in ihr Büro. Erst neulich hatte Draco über seine Befürchtungen gesprochen, die unter anderem eine übereilte Scheidung seiner Eltern beinhalteten. Narzissa hingegen schien sich weniger Sorgen über ihr eigenes Eheglück zu machen, denn sie war der festen Überzeugung, dass Liebe alles überstehen könnte.
„Susan, passen Sie doch auf!“, keifte eine gereizte Stimme, die sie dem Minister zuordnen konnte, in den sie gerade gedankenverloren hineingelaufen war.
„Arthur, das tut mir wirklich sehr Leid. Habe ich Ihnen wehgetan?“, fragte sie besorgt.
Er blickte sie erzürnt an, doch ganz schnell tat ihm sein aufbrausendes Verhalten selbst Leid und er sagte mit netter Stimme: „Ich würde gern mit Ihnen reden, Susan. Privat.“
„Ja, sicher. Gehen wir in mein Büro?“, schlug sie vor.
„Nein, gehen wir draußen etwas spazieren“, sagte er, bevor er einmal tief Luft holte und gleich darauf so laut seufzte, dass Susan schon befürchtete, es würde ihm nicht gut gehen.
Der Hyde Park lag dem Ministerium am nächsten, so dass sie gemeinsam den Weg dorthin einschlugen. In dem weitläufigen Park sahen sie wegen des kühlen Wetters nur vereinzelt einige Passanten, so dass Arthur ehrlich und offen mit Susan sprechen konnte.
„Ich bin in einer Zwickmühle, Susan“, sagte er leise, während er zu Boden blickte.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“, bot sie sofort an.
Er blinzelte und schaute ihr in die blauen Augen, bevor er sagte: „Sie wissen ja nicht einmal, was mir auf dem Herzen liegt.“
Sie lächelte ihn an und erklärte: „Ihnen werde ich immer helfen, Arthur. Was belastet Sie so sehr, dass Sie nicht im Ministerium mit mir reden wollten?“
Er atmete tief ein und aus, bevor er seine Brille von der Nase nahm und sie ausgiebig zu putzen begann, während er nach Worten suchte. Die fand er bald, denn er sagte: „Sie waren ja auch Mitglied des Phönixordens.“ Natürlich wusste er das, denn er hatte sie während der von Harry organisierten Treffen näher kennen gelernt.
Sie spitzte die Lippen und legte den Kopf schräg, bevor sie sagte: „Na ja, ich habe mich immer als Mitglied der ’DA’ gesehen, auch nachdem Harry die beiden Gruppen vereint hatte.“
„Ja, das dachte ich mir“, murmelte er, bevor er stehen blieb und ihr sagte: „Der Phönixorden macht mir zu schaffen, Susan. Ich kann ihn nicht einfach verlassen und ein Auge zudrücken. Sie kennen ja Mundungus.“ Sie nickte, so dass er erklärte: „Er ist ein“, Arthur zögerte, „netter Mann, aber er hat schon einmal Dinge im Suff ausgeplaudert, weswegen zwei Gamotmitglieder einmal an mich herangetreten waren, um zu fragen, ob die Gerüchte wahr seien, dass ich mit einer geheimen Organisation kollaborieren würde.“
„Wer war das und was haben Sie denen gesagt?“, fragte Susan besorgt.
„Es waren Fortunatus Storm und Winston Lavin. Von beiden halte ich sehr viel und sie von mir auch, aber ich weiß auch, dass sie einschreiten würden, sollte sich ihre Vermutung bestätigen, dass ich mich nicht nur mit ’alten Freunden’ treffe, sondern politische Dinge bespreche. Dieses eine Mal konnte ich sie davon überzeugen, dass Mundungus aufgrund seiner Vorliebe für alkoholische Getränke sicherlich dieses und jenes missverstanden haben musste oder Unwahrheiten hinzugedichtet hatte, aber wenn das noch einmal geschehen sollte…“
„Man würde Sie deswegen vors Zaubergamot zitieren und Ihnen Veritaserum geben“, vervollständigte Susan ganz richtig. „Warum reden Sie mit mir darüber, Arthur? Gibt es irgendwas, was ich tun kann?“
„Ich wollte Sie nur darüber informieren, dass ich den Phönixorden aus genau diesen Gründen zur Auflösung bewegen werde. Ich kann es einfach nicht zulassen, dass meine ganze Arbeit im Ministerium völlig umsonst gewesen war, sollte man mir mangelnde Loyalität der magischen Gesellschaft gegenüber vorwerfen und mich daher absetzen. Schon die Diskussionen über innenpolitische Themen könnte man mir zur Last legen, aber auch – sollte ich den Orden einfach verlassen – die Duldung einer solchen Organisation. Was würde nur aus den Gesetzen werden, die Kingsley vorbereitet, sollte man mich zum Rücktritt zwingen?“, fragte er bedrückt.
Susan fragte sich ernsthaft, warum Arthur ihr das überhaupt erzählte. Mit dem Phönixorden hatte sie gar nichts mehr zu tun und Harry hatte nach dem Sieg über Voldemort auch kein einziges Treffen der DA mehr einberufen, denn das wäre ihr nicht entgangen. Sie trug, wie wahrscheinlich jedes andere DA-Mitglied auch, ihre mit einem Proteus-Zauber versehene Galleone ständig bei sich. Die beiden, die den Krieg nicht überlebt hatten, waren mit ihrer Münze beerdigt worden. Zwei junge Menschen, die beide einen heldenhaften Tod gestorben waren, als sie ein Waisenhaus mit muggelstämmigen Kindern gegen Todesser verteidigt hatten. Zacharias hatte noch zu Schulzeiten seine Münze wieder an Harry zurückgegeben, bevor seine Eltern ihn vor Ende des sechsten Schuljahres aus Hogwarts herausgeholt hatten und warum Marietta ihre Galleone zurückgegeben hatte, war für alle DA-Mitglieder sehr verständlich.
Warum also erzählte ihr Arthur vom Phönixorden und den damit zusammenhängenden Problemen? Er konnte den Orden doch einfach, wie eben erklärt, auflösen.
Arthur räusperte sich und sagte gleich darauf recht leise: „Um den Phönixorden werde ich mir keinen Kopf mehr machen müssen, ist der erst einmal aufgelöst. Man kann ja seine Augen nicht überall haben, nicht wahr?“
Skeptisch betrachtete Susan den Minister, der offensichtlich nicht allzu deutlich werden wollte. Ständig rückte er seine Brille zurecht und murmelte vor sich hin und auf einmal verstand sie, was er ihr klarmachen wollte.
„Oh“, war die erste Bemerkung, die sie ihren Lippen gestattete, von sich zu geben. „Ich verstehe gut, was Sie meinen.“
Er blickte sie erleichtert an, fragte aber trotzdem: „Sie verstehen es wirklich?“
„Natürlich!“, erwiderte sie.
Selbstverständlich hatte sie verstanden, dass der Phönixorden ihm gefährlich werden konnte, aber wenn er nichts davon wusste, dass die DA wieder aktiv werden würde, dann wäre er als Minister auch keiner Gefahr ausgesetzt.
„Natürlich verstehe ich“, wiederholte sie lächelnd. Demnächst, dachte sie, würde wohl ein Gespräch mit Harry auf dem Plan stehen.
„Susan?“, fragte er vorsichtig. Als er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit erhalten hatte, sagte er: „Angestellte des Ministeriums sollten sich wirklich nicht mit Gruppierungen identifizieren, die politische Angelegenheiten auf eigene Faust regeln wollen. Das könnte sehr böse enden.“
Er klang am Ende hin sehr niedergeschlagen, denn für sie würde es bedeuten, dass sie die DA nicht mehr so offen wie früher unterstützen könnte, ohne ihren Job aufs Spiel zu setzen.
„Eine einzige Entscheidung kann sich auf das ganze Leben auswirken“, sagte Susan philosophierend. Er hatte verstanden, dass sie sich durchaus der Risiken bewusst war.
Arthur atmete tief ein und aus und sagte dann freudestrahlend: „Ach, das war so erleichternd, Susan. Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben und dass Sie“, er zwinkerte ihr zu, „mich verstanden haben.“
Auf dem Rückweg erzählte sie Arthur: „Mr. Malfoy würde gern mit mir sprechen. Ich würde es für klug halten, seinen Termin tatsächlich vorzulegen. So oder so wird er zu ein paar Jahren verurteilt werden.“
„Das ist Ihr Fall, Susan. Sie können Mrs. Baltimore die Anweisung geben, den Termin auf einen früheren Zeitpunkt zu setzen“, erklärte er ihr im vollen Vertrauen auf ihr Handeln. „Weiß er schon von Ihrer Schwangerschaft?“, fragte Arthur. Gleich im Anschluss entschuldigte er sich: „Verzeihen Sie mir bitte, falls ich mir da eine viel zu private Frage erlaubt haben sollte.“
„Ist schon gut, Arthur. Nein, er weiß es noch nicht, aber ich denke, es wäre an der Zeit oder?“ Sie blickte Arthur an und sagte ehrlich: „Ich habe Angst davor, wie er reagieren wird. Ich befürchte, dass er Draco dann wirklich nie wieder sehen möchte. Im Moment glaube ich, dass dieses Vater-Sohn-Verhältnis noch eine Chance hätte, aber nicht, wenn ich…“ Sie verstummte.
Arthur lächelte milde und sagte Mut machend: „Es gibt zum Glück Situationen im Leben, die man nicht allein bewältigen muss. Sie werden den Rücken gestärkt bekommen, da bin ich mir ganz sicher. Machen Sie sich nicht allzu viele Sorgen darum. Lucius Malfoy wird sich damit anfreunden müssen, ob es ihm passt oder nicht.“
Im Park betrachtete Arthur eine ältere Dame, die mit zwei kleinen Kindern Vogelfutter streute und er musste lächeln, als die kleinen zahmen Spatzen die Körner sogar direkt aus der Hand pickten.
„Ach ja, Susan. Pablo Abello wird morgen an den anderen Minister ausgeliefert. Wir denken, dass eine Verhandlung in der Muggelwelt besser aussehen würde, damit Hopkins und seine Männer das ganze auch in der Muggelpresse verfolgen können.“ Da sie nichts dazu sagte, wollte er wissen: „Was denken Sie? War das eine gute Entscheidung?“
„Oh ja, ich denke, das war eine gute Entscheidung, sofern er auch verurteilt wird und nicht von einem findigen Rechtsverdreher auf freien Fuß gesetzt wird“, erwiderte sie.
Während Susan sich im Ministerium in ihr Büro begab, begab sich in Hogwarts ein Kniesel auf die Couch, auf der sein Frauchen saß und in dem Buch „Berührung mit der dunklen Seite der Magie“ las. Ohne es wahrzunehmen streichelte sie Fellini, während sie die Erklärungen in dem Buch in sich aufsog wie ein trockener Schwamm das Wasser. Albus hatte während ihres Gesprächs erwähnt, er würde ein schwarzmagisches Buch besitzen, bei welchem bestimmte Seiten nicht aufgeschlagen werden durften. Offensichtlich waren die verwendeten Fallen, mit denen ein Autor sein dunkles Werk vor Unwissenden zu schützen versuchte, sehr vielfältig. Nur zwei Drittel des Buches bestand aus den Umschreibungen, wie ein schwarzmagischer Gestand, besonders ein Buch, behandelt werden sollte. Das letzte Drittel zählte chronologisch Buchtitel auf und die Tücken, die sie mit sich brachten. Ein dunkles Werk mit dem Titel „Eiskalter Schlaf“, welches überwiegend den Geist vergiftende Tränke behandelte, durfte nach der Anleitung des Buches, welches sie gerade las, nur mit Handschuhen aus Drachenleder berührt werden, weil man sich sonst dem nicht mehr aufzuhaltenden Erfrierungstod aussetzen würde. Hermine zuckte innerlich zusammen und stellte sich die Frage, ob sie sich in Zukunft tatsächlich mit so gefährlichen Büchern auseinandersetzen wollte. Andererseits wäre sie aber vielleicht sogar in der Lage, die gemeine Wirkung von schwarzmagischen Zaubertränken aufheben zu können; da sprach wieder die Heilerin aus ihr.
Hermine legte das Buch auf den Tisch und griff sich ihren Kniesel, der sich laut schnurrend von ihr kraulen ließ, während sie über all die positiven und negativen Aspekte nachdachte, die das Studium der dunklen Magie mit sich bringen würde. Albus hatte schon Recht, als er gesagt hatte, man könnte nur Dinge bekämpfen, wenn man sie verstehen würde. Dem stimmte sie voll und ganz zu, aber gehörte sie zu den wenigen Personen, die sich gefahrlos damit beschäftigen konnten, um anderen helfen zu können?
Wie aus heiterem Himmel hatte sie die Antwort vor Augen, denn natürlich musste sie eine dieser Personen sein. Albus hätte ihr sicherlich freundlich davon abgeraten, würde er an ihr zweifeln. Sie durfte nicht aufhören, denn Albus hatte ihr auch ihr angeraten weiterzumachen, um Severus helfen zu können. Die Antwort auf die Frage, was Severus vor zwanzig Jahren widerfahren war, war möglicherweise sogar in den Büchern zu finden. War es doch einer dieser finsteren Tränke gewesen, den Severus damals eingenommen hatte? Früher oder später würde sie dahinter kommen und sie würde die Wirkung dessen, dem er ausgesetzt gewesen war, aufheben.
Es klopfte, aber da Hermine niemanden erwartete, rief sie nicht einfach „Herein“, sondern ging zur Tür hinüber und öffnete sie. Vor ihr stand Draco, der sie zunächst höflich grüßte und dann fragte: „Darf ich eintreten?“ Sie öffnete die Tür weiter und noch während sie ihm per Geste einen Platz anbot, sagte er mit Bestimmtheit in der Stimme: „Ich würde gern mit dir über Severus reden, wenn du Zeit hast.“
Sie blickte auf die Uhr und sagte: „Maximal eine Stunde, aber er sollte dich nicht bei mir sehen, sonst bekomme ich Ärger.“
„Ärger? Weil du mit mir etwas, sagen wir, Tee eingenommen hast, bevor dein Job bei ihm beginnt?“, fragte er mit einem überlegenen Grinsen.
Hermine hielt dagegen und konterte sarkastisch: „Natürlich würde niemandem auffallen, dass wir beide uns zum Teetrinken treffen, so gut, wie wir befreundet sind.“
„Wir könnten welche werden. Freunde, meine ich“, sagte er ruhig.
Sie ging kurz in sich, bevor sie nickte, aber trotzdem erklärte: „Sollte er dich im Gang vor meinen Räumen sehen, wenn du nachher gehst, dann werde ich trotzdem Ärger bekommen. Er mag es nicht, wenn ich mit anderen über ihn spreche.“
„Wer mag so etwas schon“, sagte er gelassen, bevor er einen Hauself rief und tatsächlich eine kleine Bestellung aufgab.
Während Draco ihr die Arbeit abnahm, den eben gelieferten Tee einzuschenken, fragte sie ihn: „Wie geht es Susan?“
„Oh, ihr geht’s wirklich gut. Ich habe eben mit ihr gesprochen. Mein Vater möchte unbedingt mit ihr reden und davor ist ihr etwas bange“, erzählte er offen.
„Würde mir nicht anders gehen“, murmelte Hermine, doch Draco hatte es verstanden.
„Ja, ich kann mir sehr gut vorstellen, warum du ihn nicht ausstehen kannst.“ Er wartete nicht darauf, dass Hermine ihre Meinung sagte, sondern er zählte auf: „Er hat Ginny das Tagebuch von Riddle gegeben. Er wollte das Buch loswerden, weil man unser Haus durchsuchen wollte. Viel hat er nicht drüber gewusst, nur dass es irgendwie die Kammer des Schreckens öffnen können würde. Sein Interesse lag aber weniger daran, die Kammer öffnen zu lassen, sondern viel mehr wollte er Dumbledore und Weasley wegen dem schwarzmagischen Objekt in Misskredit bringen.“ Er nahm den Teller mit Keksen und hielt ihn Hermine hin, die zugriff und weiterhin lauschte, als Draco völlig gelassen erzählte: „Mein Vater hat böse Späße mit Muggeln getrieben, was ihn auch nicht gerade sympathischer für dich macht und das hat er nicht nur während der Quidditch-Weltmeisterschaft getan. Zu meinem Bedauern muss ich gestehen, dass ich es damals lustig gefunden habe, wie die Muggel kopfüber in der Luft schwebten.“
An seinem Gesichtsausdruck erkannte sie, dass seine damalige Belustigung heute durch Reue ersetzt wurde. Er nahm sich selbst einen Keks vom Teller und schilderte: „Wirklich verachten kann man ihn für den Überfall im Ministerium; den Kampf gegen ein paar Jugendliche, die sich zu meinem Erstaunen auch noch gegen Todesser zur Wehr zu setzen wussten.“ Er erzählte es so sachlich wie nur möglich, obwohl ihm und ihr natürlich klar war, wer die Jugendlichen gewesen waren. „Danach habe ich erst begriffen, dass das alles kein Spaß mehr war, als Mutter und ich die Nachricht übermittelt bekamen, dass er nun in Askaban sitzen würde.“ Er seufzte und wiederholte danach leiser: „Es war kein Spaß mehr.“
„Er war auf der falschen Seite“, sagte Hermine leise.
Draco lachte kurz auf, obwohl ihm nicht zum Lachen zumute war. „Oh nein, er war nie auf der falschen Seite. Er war immer auf der richtigen, nämlich auf seiner Seite. Er hat sich nur mit den falschen Leuten eingelassen und ist da nicht mehr rausgekommen. Weißt du eigentlich, was der einzige Grund ist, warum ich hier sitze anstatt irgendwo zu verwesen?“ Sie schüttelte den Kopf, weswegen er erklärte: „Weil mein Vater sich nicht mehr aus Voldemorts Klauen befreien konnte, nahm sie alles in die Hand. Sie wusste, wie Voldemort dachte; kannte seine Rachsucht. Ich hätte, wenn es nach Voldemort gegangen wäre, für die Fehler meines Vaters büßen sollen, aber er hat nicht mit der Opferbereitschaft einer Mutter gerechnet, die das Leben ihres einziges Sohnes…“ Er hielt inne und trank einen Schluck Tee, um sich innerlich zu beruhigen. „Tut mir Leid, Hermine. Ich weiß gar nicht, warum ich dir das alles erzähle. Ich wollte über Severus mit dir reden.“
Hermine blickte ihn an und sagte mit ruhiger Stimme: „Erzähl ruhig weiter, Draco.“
Er haderte einen Augenblick mit sich selbst und entschloss sich letztendlich dazu, ihrer Bitte nachzukommen.
„Meine Mutter hat Severus zu einem Unbrechbaren Schwur überreden können. Er hatte geschworen, mir bei meinem Auftrag zu helfen, den Voldemort mir gegeben hatte, obwohl er zu diesem Zeitpunkt nicht einmal gewusst hatte, was dieser Auftrag überhaupt beinhaltete.“
Hermine warf ein: „Dumbledore umzubringen.“
Nickend bestätigte Draco und sagte: „Ja, aber auch, den anderen Todessern mit Hilfe des Verschwindekabinetts Zugang nach Hogwarts zu ermöglichen.“
„Deswegen hat Severus Albus ermordet, weil du es nicht konntest“, sagte Hermine nicht vorwurfsvoll.
Auf seine Tasse starrend sagte Draco: „Was danach passiert ist, weißt du ja.“
„Nein, wenn ich ehrlich bin, weiß ich gerade das nicht“, stellte sie klar.
Draco nahm einen Schluck Tee, dann noch einen und erst nach dem dritten konnte er sich dazu aufraffen zu schildern: „Wir sind mit ein paar anderen Todessern abgehauen. Harry ist uns noch gefolgt und ich bin ein wenig stutzig geworden, als Severus ihm noch Tipps mit auf den Weg gegeben hat. Als wir die magische Grenze überschritten hatten und das Apparieren endlich möglich war, da hat Severus mich plötzlich gepackt und…“ Er machte eine Geste mit seinen Händen, die seine damalige Verwirrung deutlich machte. „Ich war damals der Meinung, er hätte mich entführt und habe mich demzufolge auch so verhalten; habe ihn einen Verräter geschimpft. Andererseits war ich froh, Voldemort nicht mehr begegnen zu müssen. Es war mein Auftrag gewesen, Dumbledore umzubringen und nicht Severus’. Mindestens ein paar Cruciatus-Flüche wären mir sicher gewesen.“
Nach einer ganzen Weile sagte Hermine mit leiser Stimme: „Weißt du was, Draco? Severus hat viel mehr getan, als nur den Schwur zu erfüllen. Er hat sich um dich gekümmert und das war nicht mehr in dem Versprechen enthalten, das er deiner Mutter gegenüber gegeben hatte.“
„Nicht im Unbrechbaren Schwur, das nicht; da hast du Recht. Aber Severus hat mir im Laufe der Zeit gesagt, dass er zu einer ganz anderen Gelegenheit einmal versprochen hatte – ohne magischen Schwur – dass er sich um mein Wohlergehen kümmern würde“, sagte Draco. Hermine beobachtete, wie sich ein leichtes Lächeln auf Dracos Gesicht niederschlug, bevor er sie aufklärte und sagte: „Das war zu meiner Taufe gewesen, als er mein Patenonkel wurde.“
Hermine lächelte breit, weswegen Draco auch keine Hemmungen mehr hatte, ebenfalls über das ganze Gesicht zu strahlen.
„Ist das der Grund, warum du ihn Patenonkel für dein Kind haben möchtest?“
Draco nickte und antwortete: „Er war immer gut zu mir und hat sich gekümmert. Einen besseren kann ich mir nicht vorstellen.“
Sie hoffte, nicht über die Stränge zu schlagen, als sie vorschlug: „Vielleicht solltest du lieber jemanden fragen, der in deinem Alter ist? Das ist üblich, dass die Paten das ungefähre Alter der Eltern haben.“ Damit er nicht sofort antworten würde, denn sie wollte, dass er sich Gedanken über ihren Vorschlag machte, lenkte sie ihn ab und erzählte: „Wir haben übrigens etwas Interessantes herausgefunden!“ Sie hatte Dracos ungeteilte Aufmerksamkeit erlangt und schilderte: „In dem Grab am See lag nie eine Leiche! Das Marmorgrab ist völlig massiv und darunter liegt auch nichts. Dumbledore hat seinen ’Ableben’ geplant, ohne auch nur einer Menschenseele etwas davon zu erzählen.“
Draco stieß Luft durch die Nase aus, bevor er ungläubig, aber dennoch lächelnd den Kopf schüttelte und sagte: „Der alte Marionettenspieler…“ Er lachte kurz auf und sagte dann: „Wie wäre es aber gekommen, wenn ich mich von seinen Worten dazu hätte überreden lassen, doch auf die gute Seite zu wechseln?“
„Mmmh“, machte Hermine. „Ich bin der Überzeugung, er wusste, dass du sein Angebot ausschlagen würdest. Er ist immerhin ein vorbildlicher Legilimentiker!“
„Ja, da wirst du Recht haben. Ich fasse es trotzdem nicht. Weißt du denn schon, wie er seinen Tod vorgetäuscht hat? Ich meine, wie konnte er das überhaupt überleben? Dem Avada zu entkommen ist ja schon ein Kunststück, aber Severus hat mir von der fluchgeschwärzten Hand erzählt, die nicht einmal er heilen konnte.“
Hermine schüttelte den Kopf und sagte: „Da tappen wir selber noch im Dunkeln, aber früher oder später wird Albus hoffentlich auf unsere Fragen antworten, denn er hat auch mit Sirius’ vorgetäuschtem Ableben etwas zu tun. Er hätte ihm irgendeine Art Trank gegeben, um ihn am Leben zu behalten. Ich hoffe nicht, er wartet so lange mit seinen Antworten, bis wir sie selbst gefunden haben.“
„Ich an seiner Stelle würde euch auch zappeln lassen“, sagte Draco belustigt. „Immerhin lässt ihn das irgendwie in einem guten Licht dastehen oder meinst du nicht? Selbst dem Tod zu trotzen und das Leben anderer zu beschützen ist doch in gewisser Weise sehr heroisch.“
„Mag sein, aber es muss auch einen Grund geben, warum Fawkes zu Harry und nicht zu Albus gekommen ist“, warf Hermine ein. „Das wirft wieder ein paar Schatten auf das so heldenhaft gezeichnete Bild, das Albus in der Zauberergemeinschaft geschaffen hat.“
„Der Phönix ist bei Harry?“, fragte Draco völlig verdutzt. „Da stellt man sich wieder eine Menge Fragen, nicht wahr? Es muss ja einen Grund geben, warum der Vogel nicht mehr der treue Begleiter des Direktors sein möchte.“
„Ganz genau“, sagte Hermine, um damit Dracos Aussage zu unterstreichen.
Ein Stockwerk über Hermine kam Harry gerade von seiner letzten Unterrichtsstunde zurück und er war noch vor Ginny angekommen. Kaum hatte er sich erholend auf seinem Sofa niedergelassen, zischte auch schon der Kamin und er hörte eine bekannte Stimme.
„Harry, bist du da?“, fragte Susan.
„Ja, Moment“, erwiderte er, bevor er seine weiche Sitzmöglichkeit verließ und sich auf den harten Stein vor den Kamin kniete.
Nach einer kurzen Unterhaltung lud Harry sie zu sich ein und obwohl sie noch im Dienst war, kam sie seiner Einladung nach.
„Hi Harry, ich…“ Sie verstummte, so dass Harry ihr erst einmal einen Platz anbot. „Danke“, sagte sie und setzte sich direkt neben ihn. „Sag mal, die DA hast du ja nach Kriegsende nicht mehr zusammengetrommelt.“
„Nein, das würdest du doch wissen“, sagte er lächelnd.
Sie nickte und lächelte zurück, doch ihr Lächeln verblasste, bevor sie sagte: „Vielleicht gibt es ja etwas Wichtiges, um das sich die DA kümmern könnte?“
Er runzelte die Stirn und fragte: „Was willst du mir damit sagen? Sprich einfach geradeheraus, Susan.“
„Hopkins“, war ihre einzige Antwort.
„Nein, der Phönixorden befasst sich damit, wenn auch nicht besonders gut, wenn ich das mal so ausdrücken darf“, sagte Harry gelangweilt.
„Na ja, ich hatte eben ein etwas längeres Gespräch mit Arthur. Er wird den Phönixorden auflösen müssen, sagte er. Sein Ministeramt steht auf dem Spiel, wenn er weiterhin zu den Treffen gehen würde, aber auch, wenn er den Orden auf eigene Faust weitermachen ließe“, erklärte Susan ihm.
Harry atmete genervt ein und aus, bevor er sagte: „Es ist doch aber bereits so ruhig um Hopkins geworden. Vielleicht geht von ihm keine Gefahr mehr aus. Ich…“ Er schüttelte aufgebracht den Kopf und erklärte: „Wenn ich ehrlich sein darf: Ich habe die Nase voll von irgendwelchen Gegnern. Ich möchte nicht immer wieder irgendjemanden haben, gegen den ich antreten muss; dem ich das Handwerk legen muss. Ich habe die Aufgabe erfüllt, die man mir aufgebürdet hatte.“
Susan nickte verträumt wirkend, denn sie dachte nach und sagte dann: „Ich weiß nicht, warum Arthur mir überhaupt nahegelegt hat, die DA wiederauferstehen zu lassen. Ich verstehe dich, Harry!“
Sie lächelte ihn an und Harry erkannte, dass sie ihn tatsächlich verstand. Trotzdem hatte es ihn neugierig gemacht, dass Arthur auf die DA setzte und so fragte er Susan, die ihm daraufhin ausführlich von dem seltsam verlaufenden Gespräch mit ihm schilderte. Sie fügte am Ende auch hinzu, dass Pablo ausgeliefert werden würde, um in der Muggelwelt seinen Prozess zu bekommen.
Harry seufzte, bevor er sagte: „Ich glaube, ich sollte mir eine einsame Insel kaufen und wegziehen.“
„Sei mir nicht böse, Harry, aber ich wollte dir unbedingt sagen, was Arthur mir gesagt hatte. Ich war ja nicht mehr zu den Ordenstreffen eingeladen und ich dachte, du würdest etwas damit anfangen können“, erklärte Susan reumütig.
„Ich war neulich seit Monaten das erste Mal wieder auf einem Ordenstreffen und das war nicht sehr erleuchtend. Es war langweilig!“, erklärte Harry.
„Weil Arthur alles, was gegen das Gesetz verstoßen würde, nicht erlauben kann. Ich weiß nicht, was er mir sagen wollte, aber womöglich sollte die DA einfach mal bei Hopkins vorstellig werden und den Mann unschädlich machen“, sagte Susan. Weil Harry sie mit ganz großen Augen anblickte, drückte sie sich klarer aus: „Nicht umbringen, Harry, aber manchmal sind Obliviate und Vergissmich-Zauber doch zu etwas nütze, denn wenn Hopkins von einem Tag auf den anderen seinen Feind ’vergessen’ hat, dann könnte das Problem gelöst sein, ohne dass wir ihm großartig Schaden zufügen müssen.“
Sich an Severus’ Worte erinnernd sagte Harry sarkastisch: „Warum schicken wir nicht einfach ein paar Erstklässler hin und lassen die das machen?“
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel