von Muggelchen
Severus seufzte leise, während er weiterhin im Wohnzimmer seines Kollegen stand und darauf wartete, dass Harry endlich die Karte der Rumtreiber finden würde. Ginny saß still auf dem Sofa und beobachtete ihn, während sie den von Harry verursachten Geräuschen aus dem Schlafzimmer lauschte. Ihr Professor schien, was man selten genug sehen konnte, sehr aufgewühlt und es brannte ihr auf der Zunge zu fragen, warum er so unruhig auf und ab ging und weshalb er besorgt mit seinen langen Fingern spielte.
Plötzlich sagte Ginny: „Professor Snape?“ Er blickte sie an und wartete darauf, was sie ihm mitteilen wollen würde und nachdem sie sorgfältig Worte gewählt hatte, sagte sie: „Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie es mir gesagt haben.“ Fragend kniff er seine Augen zusammen, so dass sie deutlicher wurde: „Ich meine das mit Mr. Abello.“
„Ah“, war sein einziger verbaler Kommentar, bevor er ihr einmal zunickte. Ginny war froh gewesen, dass zumindest einer die Courage besessen hatte, sie über die Verstrickungen ihres Ex-Freundes aufzuklären.
Nervös im Wohnzimmer umherlaufend fragte er sich selbst, wo Hermine jetzt wohl sein könnte. Die Sorge darüber, dass sie sich etwas antun könnte, war groß. Er wusste um die verderbliche Sehnsucht, die besonders jenes Buch, in welchem sie gelesen hatte, in einem auslösen konnte. Das war auch der Grund gewesen, weswegen er das Buch zusammen mit dem anderen sofort wieder in seinem Schlafzimmer verstaut hatte und seine kleine Sammlung an schwarzmagischen Künsten mit etlichen Sicherheitszaubern versehen hatte.
Endlich kam Harry mit einem zusammengefalteten Pergament in der Hand zurĂĽck ins Wohnzimmer. Severus griff nach der Karte und entfaltete sie, doch sie war leer.
Harry berührte mit der Spitze seines Zauberstabes die Oberfläche der Karte und sagte: „Ich schwöre feierlich, ich bin ein Tunichtgut!“
Severus rollte genervt mit den Augen, bevor er murmelte: „Tunichtgut ist ein Synonym für Taugenichts.“ Harry musste daraufhin lächeln und ließ sich die Karte von seinem Kollegen aus der Hand nehmen, der sie sofort auf dem Couchtisch legte und entfaltete.
„Nach wem suchen Sie?“, wollte Harry wissen.
Ohne seine Augen von der Karte abzulassen erwiderte Severus: „Nach Ihrer besten Freundin.“
Ginny fand ihre Sprache wieder und fragte: „Nach Hermine? Was ist denn passiert?“
„Haben Sie wieder gestritten?“, fragte Harry vorsichtig.
„Wir streiten nicht! Wir diskutieren höchstens“, stellte Severus klar, bevor er seufzte, denn die Karte war riesig, genau wie Hogwarts und er hatte seine Schülerin bisher noch nicht gefunden. Plötzlich setzte sich Harry neben ihn und suchte mit und selbst die junge Weasley kniete sich neben den Tisch, um ein Auge auf die Karte zu werfen.
Nach etlichen Minuten tippte Ginny auf die Karte, wo der Name „Hermine Granger“ aufgetaucht war und sie sagte: „Hier, sie kommt gerade über den Hof, hat aber nicht die Treppe in die Kerker genommen.“
Severus blickte den sich bewegenden Punkt auf der Karte kurz an und sagte: „Sie kommt hierher, zu Ihnen.“ Die Karte zusammenfaltend legte er Harry nahe: „Kümmern Sie sich um sie!“ Er blickte kurz auf die Schlafzimmertür, die noch vor kurzem Black zu Sirius’ Räumen geführt hatte und sagte: „Das Zimmer dort ist ja jetzt wohl frei. Lassen Sie Hermine heute hier übernachten.“
„Aber warum?“, fragte Harry besorgt.
Severus erhob sich von der Couch und ging bereits zur Tür, bevor er erklärte: „Sie hatte heute ein sehr aufwühlendes Erlebnis und mir wäre wohler bei dem Gedanken, sie nicht allein zu wissen.“
Nachdem Severus gegangen war, blickten Harry und Ginny sich einen Moment fragend an, doch besonders Harry wollte Severus’ Ratschlag folgen. Nur wenige Minuten später klopfte es und es war, wie erwartet, Hermine, die begrüßt wurde, als hätte man nicht mit ihr gerechnet.
„Mine, komm rein! Schön, dich zu sehen. Möchtest du was trinken?“, sagte Harry fröhlich, obwohl er selbst dachte, seine Sorge müsste ihm eindeutig ins Gesicht geschrieben stehen.
„Hallo Ihr beide“, sagte sie lächelnd, doch Harry und auch Ginny sahen ihr an, dass sie geweint haben musste.
Ginny klopfte neben sich auf den Platz, damit Hermine sich setzen würde und dann fragte sie mitfühlend und leise, während Harry bei Wobbel eine kleine Bestellung aufgab: „Du bist kreidebleich, Hermine. Was stimmt nicht?“
Mit großen Augen blickte Hermine ihre beste Freundin an und sie überlegte, ob sie die Wahrheit sagen durfte, ohne ihre innige Beziehung zu Harry oder Ginny aufs Spiel zu setzen. Doch dann erinnerte sie sich an die Zeiten, in denen sie über die intimsten Themen völlig ungeniert gesprochen hatten. Es hatte nichts gegeben, über das sie nicht mit den beiden hätte reden können und so seufzte sie, während sie Harry dabei zusah, wie der die schnelle Lieferung von Wobbel begutachtete. Harry fühlte ihren Blick auf sich und schaute auf. Seine Augen versicherten ihr, ihm alles sagen zu können, was ihr auf dem Herzen lag. Sie blickte wieder zu Ginny und auch hier erkannte sie die gleiche Botschaft, so dass sie einmal tief Luft holte, bevor sie von ihrem schrecklichen Fehler berichten wollte.
Ihre beschämt klingende Stimme war kaum zu vernehmen, als Hermine sagte: „Ich habe es mir nie vorstellen können, aber heute habe ich es selbst erleben müssen.“
„Was?“, fragte Ginny und sie rügte sich in Gedanken dafür, Hermine mit ihrer Neugierde zu bedrängen.
„Wie es ist“, Hermine schluckte kräftig, „wenn man sich in Lektüre vertieft, die einen schlechten Einfluss auf einen hat.“
Harry kniff die Augen zusammen und überlegte, bevor er vorsichtig fragte: „Du meinst hoffentlich nicht das, was ich jetzt denke?“
Auf den Kopf gefallen war Ginny auch nicht, denn sie fragte: „Dunkle Künste?“ Als es ausgesprochen war, schlug sich Hermine beide Hände vors Gesicht, bevor sie nickte.
Aufgebracht tigerte Harry im Wohnzimmer hin und her und zerwühlte dabei seine eh schon strubbeligen Haare mit einer Hand, bevor er wütend fragte: „Hat er dir das zu lesen gegeben?“
Würde sie die Antwort bejahen, dann würde ihn nichts halten können, denn er würde sofort mit gezücktem Zauberstab zu Severus stürmen, um ihn zur Rede zu stellen, doch Hermine verneinte, was man kaum hören konnte. Noch immer hatte sie ihr Gesicht in den zittrigen Händen vergraben. Ginny blickte zu Harry und schüttelte zaghaft den Kopf, um Hermines Antwort an ihn weiterzugeben.
„Wie bist du denn nur dazu gekommen?“, fragte er sauer. „Gerade du, die mir heute manchmal noch vorwirft, dass ich es dazu habe kommen lassen, mich vom Spiegel Nerhegeb so einnehmen zu lassen und der war nicht einmal schwarzmagisch! Du bist doch sonst immer so schlau, Hermine! Was hat dich da nur geritten?“
Harrys Worte taten weh und sie bereute es, den beiden von ihrem Fehler erzählt zu haben, denn sie war ja eigentlich dafür bekannt, keine Fehler zu machen. Ihr ganzes Leben lang, schon als Schülerin, hatte sie Angst davor gehabt, solche Patzer zu begehen, weswegen sie immer fleißig gelernt hatte, um zumindest in der Theorie vorausschauend handeln zu können, damit sie Fehler vermeiden konnte. Niemand aus ihrem Freundeskreis hätte damit gerechnet, dass gerade sie in den Bann der dunklen Künste gezogen werden könnte und jetzt, nachdem sie das Geständnis gemacht hatte, hatte sie ihre Freunde enttäuscht, aber auch sich selbst. Plötzlich spürte sie einen Arm um ihre Schulter. Ginny drückte sie an sich und sie schien nicht enttäuscht zu sein. Ihre beste Freundin umarmte sie und gab ihr den Halt, den sie hier erhofft hatte.
„Oh ja, tröste sie nur. Das hat sie überhaupt nicht ver…“
Ginny fuhr Harry böse an und unterbrach: „Halt den Mund, Harry!“ Bevor er etwas sagen konnte, sagte sie spöttisch: „Du hast wohl nie Fehler in deinem Leben gemacht.“
„Es tut mir Leid“, wimmerte Hermine. Sie wiederholte: „Es tut mir Leid, dass ihr euch wegen mir in die Haare bekommt. Das möchte ich wirklich nicht.“ Sie löste die Umarmung mit Ginny und sagte niedergeschlagen, während sie sich von der Couch erhob: „Ich werde besser in mein Zimmer gehen und…“
Harry versperrte ihr den Weg und sagte diesmal mit ruhiger Stimme, weil er sich an Severus’ Bitte erinnerte: „Nein, bleib hier.“ Er schenkte allen dreien eine Tasse Tee ein und reichte eine davon Hermine, so dass sie sich wieder setzte. „Erzähl mir, wie es dazu gekommen ist, Mine. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du es mit Absicht gemacht hast.“
„Habe ich auch nicht, wirklich nicht! Ich…“, sie schüttelte den Kopf, um die heutigen Ereignisse zu sortieren. So begann sie von vorn und erklärte: „Severus war vorhin noch nicht da. Ich hatte Draco getroffen und der sagte, dass Severus ein Gespräch mit Albus hätte und es länger dauern könnte. Wir haben uns ein wenig unterhalten und er hat zugestimmt, meinen Farbtrank zu testen.“ Harrys Augenbrauen schossen vor lauter Staunen in die Höhe, doch er ließ Hermine ihre Geschichte ohne Unterbrechung schildern. „Ich bin mit Draco ins Labor gegangen und da war diese Unordnung.“ Sie schüttelte ungläubig den Kopf und erklärte: „Das war so untypisch, Harry. Da lagen überall Bücher auf den Tischen und Notizen von Severus. Nach dem Gespräch, das wir beide gestern mit ihm gehabt hatten, habe ich geglaubt, ich könnte seinem Geheimnis auf die Spur kommen.“ Sie nahm einen Schluck Tee, bevor sie beichtete: „Dracos Reaktion auf eines der Bücher hätte mich warnen müssen. Er ist gegangen, weil er mit der Dunkelmagie nichts zu tun haben wollte und als ich allein war, da habe ich diese beiden schwarzen Bücher auch gemieden.“ Sie schluckte, bevor sie offenbarte: „Severus’ Abschriften aus diesen Büchern waren so… Ich kann es gar nicht beschreiben. Ich wollte mehr wissen und habe nicht bemerkt, dass ich plötzlich in einem dieser Bücher gelesen habe.“ Ihre Stimme wurde leiser, während sie sagte: „Ich habe nur gefühlt, wie meine Begeisterung immer größer geworden war. Es war wie eine Sucht, Harry und wäre Severus nicht gekommen, um mir die Leviten zu lesen, dann weiß ich nicht, was geschehen wäre.“
Harry kniff die Lippen zusammen, konnte aber nicht unterdrücken zu sagen: „Ich glaube einfach nicht, dass du das nicht bemerkt haben willst.“
„Harry, es langt!“, sagte Ginny energisch. „Du bist hier der Lehrer für ’Verteidigung gegen die Dunklen Künste’ oder? Vielleicht solltest du dir mal eines dieser Bücher zu Gemüte führen, damit du nachvollziehen kannst, wie sich diese dunkle Magie auf einen auswirkt!“
„Ich habe jahrelang gegen Voldemort gekämpft und du willst mir erzählen, dass ich keine Ahnung davon hätte?“, fragte Harry aufgebracht.
Ginny versuchte mit ruhiger Stimme zu erklären: „Du warst Voldemorts Angriffen ausgesetzt gewesen und hattest durch ihn Albträume; hast mehrmals gegen ihn kämpfen müssen und hast ihn am Ende zum Glück auch besiegt, aber du warst niemals einem Gegenstand ausgesetzt gewesen, der völlig harmlos schien und deinen Geist überrannt hat.“ Ginny legte erneut einen Arm um Hermine und sagte zu ihr, so dass Harry alles verstehen konnte: „Ich weiß genau, was du gefühlt haben musst, denn es kann nicht viel anders gewesen sein als das, was ich gefühlt habe, als ich mich von Riddles Tagebuch habe hinreißen lassen.“ An Harry gewandt erklärte Ginny: „Du hast es zwar auch in den Händen gehalten und Voldemort hat dir Dinge gezeigt, aber du warst nicht durch die dunkle Kraft des Buches besessen wie ich. Du hast dich nicht plötzlich irgendwo wiedergefunden, ohne zu wissen, wie du dorthin gekommen warst.“ Sie seufzte und sagte im Anschluss: „Dad kann da Geschichten erzählen, sage ich euch. Nicht einmal die erfahrensten Auroren sind davor gefeit, berühren sie versehentlich einen schwarzmagischen Gegenstand. Was meint ihr, warum während einer Razzia niemals einer alleine durch die Zimmer streifen darf? Das war auch so, als man bei Malfoy nach schwarzmagischen Gegenständen gesucht hat. Immer zwei, die gemeinsam durch die Zimmer gehen, denn alleine wäre man ganz schnell verloren.“ Ginny blickte Hermine an und lächelte, während sie lobend sagte: „Hermine hat große Stärke bewiesen, dass sie davon hat ablassen können, auch wenn der Drang noch so groß gewesen war.“
Die drei verbrachten den ganzen Abend miteinander und Harry verabschiedete sich zwischendurch kurz, um auf Hermines Hinweis hin mit Severus’ Hund auszugehen, weshalb er in die Kerker gegangen war. Er war sich sicher, dass die beiden Frauen nun etwas anders miteinander reden würden; Frauengespräche führen würden.
Ohne Severus zu grüßen leinte er den Hund an und ging. Auch wenn Hermine beteuert hatte, dass es nicht Severus’ Schuld gewesen war, so war Harry doch sauer auf ihn. Wie üblich war er zwanzig Minuten mit Harry draußen und als er den Hund wieder bei Severus abgab, da fragte er ihn stoffelig: „Warum gehen Sie mit dem Hund eigentlich nicht selbst raus?“
Severus stieß Luft durch die Nase aus, bevor er hämisch sagte: „Das würde meinen Ruf an der Schule zunichte machen. Stellen Sie sich nur vor: Der grantige Zaubertränkelehrer, der fürsorglich mit seinem Hund spazieren geht.“
„Von wegen… Das würde den Schülern nur bestätigen, dass Sie einen Hund besser behandeln“, konterte Harry bösartig, denn in seinem Innern hatte er Severus dafür verantwortlich gemacht, dass Hermine überhaupt Zugriff auf solche Bücher gehabt hatte.
„Sein Sie nicht so frech!“, schimpfte Severus, der von seiner Couch aufgestanden war, damit er bedrohlicher wirken konnte, doch Harry ließ sich nicht einschüchtern.
„Wie konnten Sie solche Bücher nur herumliegen lassen?“, wollte er wissen. „Es ist schon schlimm genug, dass Sie so etwas überhaupt besitzen. Weiß Albus davon?“
„Wollen Sie mir etwa drohen?“, fragte Severus mit zusammengekniffenen Augen, so dass Harry bereuend den Kopf schüttelte. „Es war nicht von mir beabsichtigt, dass Hermine die Bücher finden sollte. Ich habe schlichtweg keine Zeit gefunden, sie wegzuräumen“, rechtfertigte sich Severus. Damit wollte sich Harry zunächst zufrieden geben, so dass er lediglich nickte und eine gute Nacht wünschte, doch Severus hielt ihn auf und bat ihn: „Seien Sie so freundlich und unterrichten Sie Hermine davon, dass sie sich um ihr Haustier keine Sorgen machen muss.“ Severus blickte auf den Korb, in welchem sich der weiße Hund bereits niedergelassen hatte. Harry folgte seinem Blick und entdeckte dort Hermines Kniesel. Erklärend fügte Severus hinzu: „Da Hermine bei Ihnen übernachten wird, war ich so frei und habe das Tier zu mir genommen. Sie können ihn natürlich auch mitnehmen, aber ich dachte, wegen dem Kind...“
„Ich sag’s ihr. Gute Nacht, Severus“, sagte Harry und verließ seinen Kollegen.
Am späten Abend, als Hermine gehen wollte, da bot Ginny an, dass sie hier übernachten sollte.
„Das kann ich nicht. Fellini wartet auf mich“, sagte sie.
„Ähm, nein. Ich soll dir von Severus ausrichten, dass er ihn hat. Ihm geht’s gut. Bleib heute Nacht einfach hier. Ich würde mich dann wohler fühlen“, sagte Harry.
Hermine lächelte dankbar und sagte: „Das ist genau das, was ich jetzt brauche. Das Gefühl, nicht allein zu sein. Danke für das Angebot.“
Spät in der Nacht saß Severus auf seiner Couch und dachte daran, wie es seiner Schülerin jetzt wohl gehen würde. Das Verlangen, dass sich durch ihren kurzen Einblick in die dunklen Künste in ihre Seele eingebrannt hatte, würde ihr heute Nacht schreckliche Albträume bescheren. Er seufzte und rügte sich wieder und wieder, die Bücher nicht weggeräumt zu haben. Sein Büro und sein Labor waren schon lange nicht mehr nur sein Lebensraum, denn er teilte sie mit Hermine wie er auch sein Wissen mit ihr teilte und gerade daran hätte er denken müssen. Mit ihr hatten seine Räume sogar ihre Trostlosigkeit verloren, denn wenn er allein in seinem Labor arbeitete, war ihre Präsenz für ihn immer spürbar, selbst wenn sie gar nicht bei ihm war. Wenn er zum Vorratsschrank schaute, dann rief der Anblick der grauen Holztür Erinnerungen daran wach, wie Hermine sorgfältig mit Pergament und Feder eine Inventur der Zutaten vorgenommen hatte. Blickte er zu seinen Reagenzgläsern und Phiolen, dann sah er sie damit hantieren, während sie ihm Geschichten erzählte. Einfachsten Gegenständen hatte Hermine bereits Leben einhauchen können, weil sie sich mit seinen Erinnerungen an einen Menschen verknüpft hatten, den er einen Freund nannte. Selbst hier in seinem Wohnzimmer hatte diese Lebendigkeit bereits Einzug gehalten. Er wollte gar nicht daran denken, wie sein Umfeld nach drei Jahren auf ihn wirken könnte, wenn Hermine nach vollendeter Ausbildung ihrer eigenen Wege gehen würde und die Räume, denen sie Leben eingehaucht hatte, mit dem dumpfen Gefühl vergangener Geselligkeit zurücklassen würde. Seine heute noch erfreulichen Erinnerungen würden sich wahrscheinlich umkehren in schmerzhafte, so wie der Anblick von Harrys Augen in ihm manchmal unerwartet eine längst erloschene Trauer wieder auflodern ließ, die er nie mehr in vollem Umfang spüren wollte.
Im Erdgeschoss hatten sich alle zur Nachtruhe begeben. Hermine lag eine ganze Weile wach in dem Bett, welches Sirius noch vor seiner Hochzeit dann und wann belegt hatte. Immer wieder dachte sie an das, was ihr die schwarzmagischen BĂĽcher vermittelt hatten.
Hermine fand sich mitten in der Nacht unverhofft in den kühlen Gängen Hogwarts wieder und ihre nackten Füße trugen sie in die Kerker direkt in Severus Labor. Kein einziges Buch fand sie vor, doch sie wollte eines lesen – nur noch einmal hineinblicken. Sein Schlafzimmer wäre das beste Versteck, dachte sie, weil sie es so gut wie nie betreten würde und so ging sie zu seinen privaten Räumen, durchkreuzte leichtfüßig sein dunkles Wohnzimmer und öffnete seine Schlafzimmertür. Severus lag im Bett auf seiner Seite und schlief ruhig und so betrachtete sie die vielen Bücherregale und fand jenen schwarzen Band, der sie zu rufen schien. Mit großen Augen, in denen unheilvolle Flammen loderten, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und griff nach dem Buch, doch als ihre Handinnenfläche den Buchrücken berührte, da durchfuhr ein feuriger Schmerz ihre Glieder. Sie schrie auf und ließ das Buch fallen. Gleich darauf war Severus’ Schlafzimmer durch Kerzen erhellt, doch sie blickte nicht zum Erwachten hinüber, sondern auf ihre Handfläche.
„Haben Sie sich verbrannt?“, fragte seine Stimme, die so fremdartig klang. Sie nickte, aber blickte nicht einmal zu ihm auf, als sie seine Hand an ihrer Schulter spürte. „Zeigen Sie“, sagte er mit beängstigend verzerrter Stimme, wie Hermine sie noch nie vernommen hatte. Seine Hand umfasste die ihre. Seine immer so spürbare Gefühlskälte, die von ihm ausging, schien ihre Wunde zu betäuben und während der Schmerz nachließ, führte er sie hinaus in sein Wohnzimmer. Dort erblickte sie Fellini, doch er war nicht mehr nur schwarz, sondern hatte weiße Punkte. Hermine stutzte und als ihr logischer Verstand die Situation zu deuten versuchte, da wurde sie abgelenkt, weil Fellini zu Severus lief und der ihn auf den Arm nahm und streichelte. Sie näherte sich ihm und streichelte Fellini ebenfalls, doch Severus bedeutete ihr, von ihm wegzugehen, so dass sie sich einige Schritte von ihm entfernte. Dann zog er plötzlich seinen neuen Zauberstab, richtete ihn auf sie und flüsterte: „Incendio.“
Hermines Nachthemd fing Feuer und sie schrie wie am Spieß, bis die heißen Flammen ihr die Luft nahmen und sie plötzlich einen starken Schmerz an der Wange verspürte.
„Hermine! Wach auf, Hermine!“, sagte Ginny, die ihrer besten Freundin eben eine Ohrfeige gegeben hatte, weil sie mit etwas Rütteln einfach nicht wach zu bekommen war, doch selbst das schien nicht geholfen zu haben.
Heftig atmend und schluchzend winselte Hermine mit geschlossenen Augen: „Ich brenne! Das tut so weh.“ Ihre Hände verkrampften sich zu Krallen und ihr Gesicht war schmerzverzerrt und Ginny kam zu der Überzeugung, dass Hermine noch immer in ihrem Albtraum gefangen war.
Sie griff nach dem Glas Wasser auf dem Nachttisch und schleuderte den Inhalt in Hermines Gesicht.
Endlich war Hermine wach und sie blickte sie orientierungslos im Zimmer um, bevor sie Ginnys warme Augen bemerkte, die jede ihrer Bewegungen gelassen beobachtete.
„Du hast schlecht geschlafen“, sagte Ginny ruhig, bevor sie ihren Zauberstab zog, um die Stellen zu trocknen, die das Wasser benetzt hatte, doch da zuckte ihre beste Freundin zusammen.
„Bitte nicht!“, wimmerte sie mit angstvollem Gesicht, doch Ginny schwang einfach den Stab und beseitigte die Nässe, während Hermine mit dem Schlimmsten zu rechnen schien.
„Schon gut, Hermine“, sagte Ginny, „du hattest nur einen bösen Traum. Das kann passieren.“
Langsam begriff Hermine, dass sie nicht eben in Flammen aufgegangen war und sie alles nur geträumt hatte. „Willst du drüber reden?“, fragte Ginny mit vertrauter Stimme.
Hermine atmete mehrmals tief durch und versuchte, den Geruch verbrannten Fleisches, den sie noch immer wahrnehmen konnte, zu vergessen. Sie berĂĽhrte mit einer Hand ĂĽber den Unterarm, dessen Haut vor kurzem noch Blasen geschlagen hatte und danach fuhr sie sich durchs Haar, welches den Flammen als erstes zum Opfer gefallen war. Noch immer war ihr Hals ganz rau durch den vielen Rauch, den sie eingeatmet hatte.
„Es war so echt“, sagte Hermine flüsternd. „Mir tut noch immer alles weh.“ Ginny nickte verständnisvoll und wartete geduldig, bis Hermine reden würde. „Es war so echt“, wiederholte sie leise, denn es war kein normaler Traum gewesen. Sie hatte den kalten Boden an ihren Füßen gespürt, die schmerzende Hand, nachdem das Buch sie verbrannt hatte und sogar Fellinis Fell hatte sich zwischen ihren Fingern so wirklich angefühlt.
„Dad sagt, dass die dunkle Magie jedem Menschen Träume schickt, der mit ihr in Berührung gekommen ist. Diejenigen, die gewonnen werden können, bekommen verführerische Träume, doch die, die einen festen Willen zeigen, so wie du, Hermine, denen will die dunkle Magie zeigen, welche Kraft sie innehaben kann“, erklärte Ginny ruhig. Plötzlich lachte sie auf, bevor sie sagte: „Und Fred ist der Meinung, dass Träume sowieso nur der Stuhlgang der Seele sind, von dem man sich befreien muss, bevor man ihn wegspült.“
Hermines Mund formte unabhängig von ihrer momentanen Stimmung ein Lächeln, bevor sie nickte und sich selbst aufmuntern wollend sagte: „Ich glaube, dass Fred Recht hat.“
„Willst du über den Traum reden?“, fragte Ginny.
Hermine war ergriffen davon, dass ihre beste Freundin sich mitten in der Nacht Zeit für sie nahm und ihr ein offenes Ohr anbot. Sie nickte, bevor sie erzählte: „Severus hat mich verbrannt und ich habe alles gespürt.“
„Verbrannt?“, fragte Ginny nach.
Nickend bestätigte Hermine: „Mit einem Incendio.“
„Das war der ganze Traum? Ist nichts sonst passiert?“
„Doch schon, aber das war das Schlimmste“, antwortete Hermine erschöpft.
Ginny nickte verständnisvoll und sagte: „Du kannst mir ja morgen alles erzählen, wenn du möchtest. Du solltest jetzt wieder schlafen, aber tu mir den Gefallen und nimm keinen Schlaftrunk.“
„Warum nicht?“, wollte Hermine wissen.
„Weil diese Tränke meistens die Träume unterdrücken, aber du musst dich von dem befreien, was du erlebt hast, Hermine. Vielleicht hast du die ganze Nacht über schlechte Träume, aber es ist besser, das hinter dich zu bringen. Deine Seele muss eine Möglichkeit finden, sich zu entgiften“, erklärte Ginny.
Bevor Ginny wieder ging, umarmte sie Hermine und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie deckte sie sogar zu, weswegen Hermine scherzend fragte: „Möchtest du mir noch eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen?“
„Möchtest du eine hören?“, neckte Ginny.
Ginny ließ ein kleines Licht in Hermines Zimmer an und ging dann zurück in ihr Schlafzimmer. Harry war erstaunlicherweise wach und nörgelte gleich: „Ich bin aufgewacht, weil es neben mir nicht mehr so schön warm war.“ Er schob seine Unterlippe nach vorn und schmollte, so dass Ginny lachen musste.
„Hermine hatte einen Albtraum. Ich war nur kurz bei ihr“, erklärte sie, während sie wieder ins Bett stieg. „Oh, das Bett ist ja ganz schön kalt geworden.“
Harry grinste frech und sagte: „Dann musst du näher zu mir rutschen; hier ist’s warm.“ Er ließ frech die Augenbrauen tanzen, so dass Ginny breit grinsend zu ihm hinüberrutschte, um sich anzukuscheln.
„Hat sie erzählt, was sie geträumt hat?“, wollte er wissen.
„Nicht alles, aber vielleicht erzählt sie mir morgen den Rest. Sie hatte nur gesagt, dass Severus sie mit einem Incendio verbrannt hatte und es war wohl leider ein sehr echt wirkender Traum“, antwortete sie.
„Hat das mit dem Buch zu tun?“
Ginny nickte und sagte: „Ich denke schon. So ein überwältigendes Gefühl, das man beim Lesen der schwarzen Künste erfährt, kann die Träume genauso beeindruckend gestalten.“ Etwas eingeschnappt fügte sie hinzu: „Ich hab ihr angeboten, ihr eine Gute-Nacht-Geschichte zu erzählen, aber sie wollte nicht.“
Harry musste lächeln, sagte dann jedoch so ernst wie nur möglich: „Erzählst du mir eine?“
Ginny machte ganz große Augen, bevor sie drauf einging und fragte: „Hast du denn einen besonderen Wunsch?“ Weil er mit den Schultern zuckte, nahm sie ihn einfach in den Arm, legte seinen Kopf unter ihr Kinn und begann zu erzählen: „Es war einmal eine Prinzessin, die wurde von einem Drachen in einem…“
Harry legte sein Veto ein: „Nein, nichts mit Drachen, die man erlegen muss. Auch nichts mit schwarzen Rittern, die sich einem in den Weg stellen oder mit bösen Zauberern.“
„Mmmh“, machte Ginny. „Dafür, dass du keinen besonderen Wunsch hattest, sind das jetzt recht viele Einschränkungen, meinst du nicht? Wie sollen Märchen ohne das noch funktionieren?“
„Na, dann mach doch einfach da weiter, nachdem der Held die Prinzessin gerettet hat!“
„Aber das ist ja schon das Ende jeder Geschichte, Harry“, warf sie ein.
Harry stützte sich auf einen Ellenbogen, um Ginny ansehen zu können, bevor er mit einer Strähne ihres roten Haares spielte und vorschlug: „Dann erfinde für mich einfach das, was nach dem Kuss kommt. Ich will von dem ganzen Glück hören, das die Märchenonkel immer nur mit einem einzigen Satz abhandeln. Ich möchte von all den schönen Momente erfahren, die hinter den Worten ’Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende’ verborgen sind.“ Er küsste sie zaghaft auf die Lippen und flüsterte ihr danach zu: „Ich möchte wissen, warum sie zusammen glücklich waren.“
„Ach Harry“, sagte sie, bevor sie theatralisch seufzte. „Das wird aber keine jugendfreie Geschichte werden. Es muss ja einen Grund gehabt haben, warum die Märchen gleich nach dem Kuss so abrupt beendet wurden.“ Sie lehnte sich selbst auf den Ellenbogen, so dass ihre Gesichter ganz dicht beieinander waren und sagte leise, während ihre Lippen über seine fuhren: „Ich glaube, das beste wird sein, wenn ich es dir einfach zeige!“
Harry freute sich wie ein Schneekönig auf Ginnys Interpretation von „’Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende.“.
Derweil lag Hermine in ihrem Bett und dachte so viel nach, dass sie hoffentlich nicht mehr einschlafen würde, doch sie fiel erneut ins Land der Träume und fand sich abermals an dem Regal in Severus’ Schlafzimmer wieder. Ihre Augen fielen auf den schwarzen Band und da plötzlich wusste sie, dass sie einen schlechten Traum haben musste, doch der wollte einfach nicht vorübergehen, bevor sie das Buch nicht aus dem Regal nehmen würde. Sie wollte sich zwingen zu erwachen, doch sie fand keinen Weg. Missmutig starrte sie auf das Buch und ließ einen Moment vergehen, bis sie sich dazu aufgerafft hatte, es in die Hand zu nehmen. Diesmal verbrannte sie sich nicht, so dass sie das Buch auf eine Ablage legen konnte. Noch immer hoffte sie aufzuwachen oder dass der Traum eine andere Richtung einschlagen würde. Hoffnungsvoll blickte sie auf Severus’ schlafenden Körper, doch der regte sich nicht, um sie vor einem Fehler bewahren zu können. Sie öffnete den Mund, um ihn zu wecken, aber kein Ton kam über ihre Lippen, so dass sie zu der Ansicht kam, den Traum durchleben zu müssen, um ihn beenden zu können.
Mit zittrigen Händen berührte sie den Buchdeckel und schlug ihn auf. Hermine wich sofort zurück, weil sich eine rotschwarze Schlange auf den Seiten räkelte. In dem kleinen Teil ihres wachen Geistes merkte sich Hermine jedes Detail, denn vielleicht könnte eine Analyse später Licht ins Dunkel bringen und während sie sich alle Dinge zu merken versuchte, da biss die Schlange sie in die Hand. Der Schmerz war für einen Traum viel zu real, dachte Hermine. Mit Tränen in den Augen hielt sie sich die verletzte Hand und hoffte innig, diese Schlange wäre nicht giftig, doch schon in der Muggelschule hatte sie gelernt, dass die ganz besonders auffällig gezeichneten Reptilien meistens giftig waren. Ein starkes brennendes Gefühl schlich an ihrem Arm hinauf bis in die Schulter. Gerade als Hermine davon ausging, dass sie in diesem fürchterlichen Traum den Vergiftungstod erleiden müsste, da wuchs die Schlange plötzlich an. Bevor Hermine fliehen konnte, fand sie sich bereits von einem Schlangenkörper umgeben, der ihr die Luft aus dem Körper presste. Benommen ging Hermine zu Boden, während die Schlange sich immer enger um sie legte. Mit flatternden Augen blickte sie zu Severus hinüber, der noch immer selig schlief und wieder öffnete sie ihren Mund, um ihn zu rufen, doch da kroch der Kopf der Schlange in ihren Rachen und Hermine erstickte.
Mit einer Hand an ihrer Kehle schreckte Hermine auf. Obwohl sie gewusst hatte, dass sie träumen musste, war dieses Erlebnis nicht minder schlimm gewesen wie das vorhergehende. Ihr Arm, durch den das Gift der Schlange geflossen war, schmerzte noch immer und ihre Kehle fühlte sich rau an, so dass Hermine erst einmal einen Schluck Wasser zu sich nehmen musste. Ihr Glas auf dem Nachttisch war leer, doch mit einem Aguamenti war das Problem behoben. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es erst halb vier morgens war. Noch einen oder zwei Träume dieser Art wollte sie nicht mehr erleben. Hermine war hellwach und mit einem Male kam die Neugierde in ihr auf, in Erfahrung zu bringen, was die Träume bedeuten könnten, doch viel willkommener war der Gedanke, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen, nur um nicht mehr schlafen zu müssen. Sie kleidete sich still an und verließ die Räume ihrer beiden Freunde, um sich auf den Weg in die Bibliothek zu machen.
Wie schon einmal erstaunte es sie, dass die Bibliothek nicht geschlossen war. Sie besorgte sich sofort das Buch „Oneirologie“, welches sie wegen Severus’ Traum schon konsultiert hatte und setzte sich an ihren Stammplatz. Hermine atmete ruhig, schloss die Augen und versuchte, sich den ersten Traum ins Gedächtnis zu rufen. Er war bereits etwas verblasst, da sie noch einmal eingeschlafen war, aber weil sie wegen dem kurzen Gespräch mit Ginny bereits bewusst über ihn nachgedacht hatte, fielen ihr die wichtigen Symbole wieder ein.
Ein „Buch“ war das Symbol für Wissen und Weisheit, was Hermine nicht überraschte. Sie las still: „Ein Buch bedeutet nicht nur, dass Sie im Begriff sind, in sich selbst zu lesen, sondern es gibt Ihnen den Hinweis, allen anderen Symbolen Ihres Traumes eine besondere Bedeutung beizumessen.“ Als nächstes wollte sie nachsehen, was eine verletzte Hand bedeuten könnte und sie las: „Sie scheinen selbst im Wachleben handlungsunfähig zu sein, sollten Sie sich im Traum Ihre Hand verletzt haben.“
Hermine seufzte, bevor sie sich das Ende des Traumes in Gedanken wiederholte, als Severus sie angezündet hatte, doch dann erinnerte sie sich daran, dass Severus Fellini gestreichelt hatte und sie es ihm gleichgemacht hatte. Da der Anfang der Traumdeutung ihr nahe gelegt hatte, allen Symbolen eine besondere Bedeutung zukommen zu lassen, wollte sie diesen Teil nicht übergehen. Fellini hatte in ihrem Traum ein schwarzes Fell mit weißen Flecken gehabt und laut Buch bedeutete eine Katze mit geflecktem Fell, dass man leidenschaftliche Gefühle empfindet. Hermine las leise: „Das Streicheln einer Katze bedeutet, dass Sie gut zu einem Menschen sind, der es verdient.“
Sie wollte gerade unter dem Begriff „Feuer“ nachsehen, da fühlte sie eine Präsenz hinter sich und im ersten Augenblick dachte sie, es könnte sich nur um Severus handeln. Es war jedoch eine bedrohliche Präsenz, die sie am ganzen Leib verspürte. Severus hingegen hatte sie damals nie wahrnehmen können, als er sie in der Bibliothek beobachtet hatte und deswegen bekam Hermine es mit der Angst zu tun. Jemand war hier und die finstere Anwesenheit dieser Person war so fühlbar und real, dass sich ihr sämtliche Körperhaare aufrichteten. Hermine täuschte vor, in dem Buch zu lesen, während sie sich voll und ganz auf ihr Gehör konzentrierte und tatsächlich hörte sie es rascheln; hörte Stoff an Stoff reiben. Mit pochendem Herz hielt Hermine die Luft an, doch als sie hörte, wie jemand ausatmete, da wurde sie von purer Angst überfallen.
Mit einem Male sprang Hermine von der kleinen Bank auf, drehte sich und zog gleichzeitig ihren Zauberstab. Als sie die große, dürre Person hinter dem Bücherregal sah, da gefror ihr das Blut in den Adern. Hermine war unfähig, sich zu bewegen oder klar zu denken und diesen Moment nutzte die Person, um sich ihr zu nähern. Die dunkel gekleidete Figur zog ihre Kapuze hinunter und es kam schwarzes, wirres Haar zum Vorschein und auch das blasse Gesicht war zu erkennen. Schwere Augenlider hoben sich langsam und offenbarten finstere Augen. Hermine konnte ihren Zauberstab einfach nicht benutzen und vermutete, dass man sie verzaubert haben musste.
Unerwartet und flüsternd sprach eine dunkle raue Frauenstimme: „Oh nein, mein Schatz. Ich habe dich nicht verzaubert. Du willst mich nur nicht angreifen; das ist alles.“ Hermine schüttelte panisch den Kopf und versuchte, irgendetwas zu sagen – oder zu schreien. Sie wollte die Schüler warnen und den Direktor informieren, aber wie in einem ihrer Träume von heute Nacht war sie unfähig zu sprechen. Die dünne Gestalt kam näher und näher, doch Hermine konnte nicht weglaufen, so sehr sie es auch wollte.
Als sich die beiden Aug in Aug gegenüberstanden, lachte die Frau schrill und hysterisch, während sie ihren Kopf nach hinten warf und eine vor Angst ganz bewegungsunfähige Hermine fest in ihre Arme schloss. Plötzlich drückte die Dunkelhaarige noch fester zu und gab Hermine einen Kuss auf die Stirn. Gleich darauf hauchte die Frau: „Hallo…“, ihre fahle Hand berührte Hermines Wange, „…Schwester!“
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