von Muggelchen
Das aktuelle Passwort für das Büro des Direktors war „Pfefferkobold“, der Name einer sehr einheizenden Leckerei, und nachdem die Statuen den Weg freigegeben hatten, folgte Harry dem Direktor die Wendeltreppe hinauf. Dort angekommen grüßte Harry zunächst den Sprechenden Hut, der oben auf einem Regal auf die heutige Zeremonie wartete und sich, wie er sagte, schon sehr darauf freute.
„Willst du mein Lied hören, Harry? Gewissermaßen als Probe für heute Abend, also…“
Der Hut begann schon mit der ersten Zeile, da unterbrach Albus und sagte freundlich: „Na na, ich bin sicher, Harry möchte sich überraschen lassen.“
„Aber es ist schon so lange her, Albus. Ich möchte eine Meinung einholen, ob ich es noch kann, bitte“ entgegnete der Hut nörgelnd, doch Albus schüttelte den Kopf.
In der Absicht, den Phönix Fawkes zu begrüßen, der immer auf einer Stange gleich rechts hinter Albus’ Schreibtisch zu finden war, ging Harry einige Schritte auf Tisch zu, doch die Stange war leer.
„Albus, wo ist denn Fawkes?“, fragte Harry besorgt. Ein Phönix konnte zwar nicht sterben, aber möglicherweise war ihm etwas Schlimmes widerfahren, befürchtete er.
„Lass uns erst miteinander reden, Harry. Setz dich doch bitte – ich darf dich doch weiterhin duzen oder?“, fragte Albus mit dem endlich zurückgekehrten Zwinkern in den strahlend blauen Augen, während er selbst hinter seinem Schreibtisch Platz nahm.
„Ja, sicher!“, versicherte Harry dem Direktor freundlich, bevor er sich auf einem gemütlichen Sessel niederließ.
„Einen Zitronenbrausebonbon?“, bot er an, doch Harry lehnte ab, während Albus sich einen genehmigte und zunächst einige Male genüsslich daran lutschte.
Etwas strenger schauend lehnte sich Albus in seinem ledernen Sessel zurück und fragte, wie er es während Harrys zweitem Schuljahr schon einmal getan hatte: „Harry, hast du mir etwas zu sagen?“
Jetzt hielt ihn nichts mehr und freundlich bleibend holte Harry etwas aus: „Ja, hab ich!“ Albus zog die Augenbrauen in die Höhe und Harry begann daraufhin zu erklären: „Es macht mir Angst, dass Sie von mir denken, ich hätte das Potenzial, zu einem dunklen Lord zu werden. Es hat mich traurig gemacht, dass Sie mit anderen Menschen darüber diskutiert haben, ohne mich auch nur ein einziges Mal mit Ihren Bedenken zu konfrontieren.“ Albus senkte den Blick, doch Harry fügte noch an: „Und ich fand es mehr als nur ungehörig, mich und meine Freunde von Hauselfen ausspionieren zu lassen.“
Harry seufzte einmal und ging kurz in sich, bevor er betroffen erklärte: „Ich mag eine hoch entwickelte Magie innehaben, aber das allein macht mich nicht bösartig. Ich habe kein Verlangen, Voldemort nachzueifern – wozu auch? Ich habe andere Pläne, Albus.“
Der Direktor überlegte einen winzigen Moment, bevor er mit ruhiger Stimme fragte: „Was sind deine Bestrebungen, Harry? Wie siehst du deine Zukunft?“
„Meine Zukunft“, wiederholte Harry laut, bevor er erwiderte, „das ist leicht. Ich sehe Ginny und Nicholas an meiner Seite. Wir sind eine Familie, haben ein hübsches Haus, immer viele Freunde zu Besuch und hoffentlich auch bald noch mehr Kinder.“
Ohne es unterdrücken zu können formte sich ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht.
Albus hingegen blieb recht nüchtern und wollte mit skeptischem Gesichtsausdruck wissen: „Würde dich das wirklich zufrieden stellen? Das sind sehr bescheidene Aussichten für dein künftiges Leben, mein Junge.“
Ungläubig fragte Harry: „Sie finden es tatsächlich bescheiden, nach dem größten Glück zu streben, das diese Welt zu bieten hat?“ Weil Albus ihn mit in Falten gelegter Stirn anblickte, erklärte Harry mit Sehnsucht in der Stimme: „Das, was ich niemals bewusst erleben durfte, das möchte ich für mich selbst nachholen, Albus: Familienglück! Ich möchte eine eigene Familie mein nennen dürfen! Die Frau, die ich liebe und die mich genauso liebt, die soll mich durch mein Leben begleiten, wie ich sie durch das ihre begleiten werde.“ Voller Freude malte Harry sich aus: „Ich möchte viele Kinder mit ihr haben; möchte mit ihnen auf dem Besen umherfliegen, mit ihnen Sandburgen bauen, Steinchen auf dem See springen lassen und ich möchte mit Ginny hunderte von romantischen Abendessen bei Kerzenschein nachholen, dazu vielleicht etwas Kammermusik“, er schmunzelte, „wenn ich mich Ginny gegenüber durchsetzen kann, mal nicht ’Die Schwestern des Schicksals’ zu hören.“
Er hatte Albus mundtot gemacht, denn der ältere Zauberer blickte vor sich auf seinen Schreibtisch und schien in Gedanken oder Erinnerungen verloren. Harrys Herz raste, aber nicht, weil er die Unterhaltung mit Albus fürchtete, sondern weil er sich seine Zukunft mit Ginny während seiner Erzählung so bildhaft vorgestellt hatte, dass er jetzt nichts anderes mehr wollte als zu ihr zu eilen, um zu fragen, ob sie beide später noch mehr Kinder zusammen haben wollten.
Endlich hatte der Direktor seine Sprache wiedergefunden und Harry erschrak, als sich das erste Mal hörbar das hohe Alter in Albus’ Stimme niederschlug, als der leise und schwächlich sagte: „Ich habe dich völlig falsch eingeschätzt, Harry. Ich dachte, nachdem du Voldemort besiegt hattest, dass dir allein der Gedanke daran, nun selbst der mächtigste Zauberer zu sein, womöglich zu Kopf steigen würde; dass der aufgestaute Hass in dir…“
Harry unterbrach mit warmer Stimme und versicherte: „Albus, da ist kein Hass in mir. Der Einzige, für den ich einmal Hass empfunden habe, der ist nun tot. Wie kann man jemanden nicht hassen, der einen zur Waise gemacht hat? Aber am Ende war es längst kein Hass mehr, sondern ich habe ihn bemitleidet. Mir ist nämlich klar geworden, dass ich trotz meiner Schicksalsschläge so viel mehr im Leben hatte als er. Ich hatte Freunde, ich durfte lieben, aber Voldemort hatte nie so etwas erfahren dürfen. Irgendwann habe ich geglaubt, es wäre nachvollziehbar, dass er so bösartig geworden ist; dass er vielleicht anders geworden wäre, wenn er solch eine Bereicherung im Leben gefunden hätte.“
Einen Moment lang suchte Harry die richtigen Worte, denn es war sehr schwer für ihn, das zu beschreiben, was er im Innersten seines Selbst fühlte. Seine Gefühle waren schon lange Zeit so überwältigend, dass sie nicht zu erklären waren, aber er versuchte es nichtsdestotrotz, indem er sagte: „Was ich seit Voldemorts Tod spüre, das sind alles nur gute Gefühle. In mir hat sich alles eingependelt. Ich bin zur Ruhe gekommen; bin ausgeglichen. Ich fühle mich befreit von allem Schlechten.“ Harry bemerkte, wie die blauen Augen des Direktors mehrmals hintereinander blinzelten, vielleicht, um aufkommende Tränen zurückzuhalten, doch Harry war noch nicht fertig und schilderte: „In dem Moment, in dem Voldemort starb, da“, er fasste sich an die Stirn, „kribbelte meine Narbe, als würde sich etwas aus ihr lösen.“ Harry ließ die Hand zurück in seinen Schoß fallen. „Und dann, als das Kribbeln weg war, da war ich zufrieden“, Harry legte dieselbe Hand auf seine Brust, „und sorglos; verspürte weder Kummer noch Hass. Ich fühlte mich zum ersten Mal frei, Albus.“
Mit einem übergroßen Stofftaschentuch, welches der Direktor möglicherweise einmal von Hagrid geschenkt bekommen hatte, tupfte er sich die Augen trocken, bevor er einmal laut seufzte. Albus stand auf und ging um den Tisch herum, um sich vor ihn zu stellen, damit er Harry direkt in die Augen sehen konnte.
Die ungewohnt betroffen klingende, leise Stimme des Direktors fragte voller Reue: „Kannst du einem alten Narren verzeihen, der geglaubt hat, du würdest wie einst er selbst dem Übermut und der Herrschsucht verfallen und nach Höherem streben wollen?“
Erst jetzt ahnte Harry, dass Albus damals nach dem Sieg über Grindelwald selbst beinahe den dunklen Künsten verfallen sein musste und es ihm daher plausibel erschien, dass jeder Mensch, der einen mächtigen Schwarzmagier zur Strecke gebracht hatte, einen gefährlich schmalen Pfad zwischen Gut und Böse entlangwandelte – auch Harry.
Schon an Harrys Augen konnte Albus erkennen, dass ihm die Vergebung gewiss war, aber noch viel schöner war es, als Harry aufstand und sich ihm näherte. Mit jedem Schritt, der den Abstand zwischen ihm und Harry verringerte, spürte der alte Zauberer am eigenen Leib genau jene überwältigenden Gefühle, von denen Harry zuvor noch gesprochen hatte; sie schienen fühlbar von ihm auszustrahlen.
Der junge Mann lächelte ihn an und nickte zuversichtlich, bevor er seine Arme um den Direktor legte, der die Geste herzlich willkommen hieß und sie erwiderte. Das Einzige, das er in diesem Moment mit Harry in Verbindung bringen konnte, war nichts anderes als Liebe. Harrys magische Kräfte schienen vollends aus ihr zu bestehen. Sie umschloss Albus und er fühlte, wie sie auf ihn übersprang wie ein kleiner Funken, der ein großes Feuer zu entzünden vermochte, um ihn ebenso zu erfüllen. Unverkennbar stellte Harry in seinen Augen einen sehr mächtiger Zauberer dar, denn die älteste Magie der Welt wurde ihm bereits von seiner Mutter ins Herz gepflanzt und sie war nach Voldemorts Tod üppig erblüht.
Albus ließ von Harry ab und bedeutete ihm, auf der Couch Platz zu nehmen, so dass sie beide nebeneinander sitzen konnten. Einmal tief durchatmend legte Albus eine Hand auf Harrys Unterarm, bevor er mit freundlicher Stimme fragte, obwohl er die Antwort zu kennen schien: „Weiß du eigentlich, wie du Voldemort vernichten konntest?“
Auf diese Frage hin konnte Harry nur sachte den Kopf schütteln. Er hatte sich all die Jahre nach Albus’ Tod von anderen Menschen unterrichten lassen und sich in Bereichen, in denen er keine Unterstützung erhalten konnte, wie beispielsweise in Okklumentik, als Autodidakt versucht. Alles, was ihm im Kampf gegen Voldemort hätte nützlich sein können, hatte er sich angeeignet, aber der wortlose Zauber, mit dem er Voldemort letztendlich den Todesstoß versetzt hatte, war ihm völlig unbekannt gewesen. Er war sich nicht einmal mehr sicher, ob er überhaupt einen wortlosen Zauber angewandt oder lediglich seinen Stab auf Voldemort gerichtet hatte.
Die Hand auf Harrys Unterarm drückte einmal zu, als Albus erklärte: „Liebe, Harry, ist eine der mächtigsten Kräfte dieser Welt, wie du weißt. Sie kann Leben retten, so wie die Liebe deiner Mutter dich vor dem sicheren Tod bewahrt hatte, aber sie kann auch ein anderes Gesicht zeigen. Was sie anrichten kann, haben viele Menschen – Muggel ebenso wie auch Zauberer und Hexen – schon einmal am eigenen Leib erfahren müssen. Sie ist nicht immer beflügelnd und zauberhaft; sie kann genauso gut herzlos und grausam sein, verwirren und vernichten.“
Harry hörte sehr aufmerksam zu, ohne den Direktor zu unterbrechen.
„Manch einer kann ohne sie nicht sein; andere hingegen erleiden Pein und vergehen an ihr. Prinzipiell ist Liebe aber eine erfrischende, tugendhafte Macht. Es war jedoch ihr zweites Gesicht, das dich dazu befähigt hatte, Voldemort zu vernichten, denn für ihn war diese Waffe, auch wenn er seit Lilys Tod von ihrer zerstörerischen Kraft wusste, noch immer so fremdartig, dass er sich gegen die Tücken, die sie innehaben kann, nicht zu wehren wusste.“
Die Worte musste Harry zunächst in sich aufnehmen und Albus ließ ihm viel Zeit, um alles zu verstehen.
Flüsternd, weil Harry sich nicht ganz sicher war, wiederholte er in Kurzform: „Ich habe Voldemort mit Liebe bekämpft und gesiegt, weil er sich dagegen nicht zu wehren wusste?“
„So ist es, Harry“, stimmte Albus nickend zu. „Er hatte dich ja nicht nur mit einer Narbe gezeichnet, sondern damit auch eine Verbindung zu dir aufgebaut, wie du weißt. Ich vermute, aber genau kann ich es nicht sagen, dass diese geistige Verbindung zu dir sein Ende beschleunigt hat, denn durch die Narbe ist deine Macht in ihn übergegangen und sie hat ihn von innen heraus zerstört, weil er sie nicht verkraften konnte.“
Der Direktor legte erneut eine kleine Pause ein, damit Harry alles verstehen konnte.
„Aber ich frage mich, was der Auslöser gewesen sein mag, so dass die größte Stärke in dir ihre volle Kraft entwickeln konnte. Kannst du mir das sagen?“, fragte Albus gutherzig, wenn auch sehr neugierig.
Ein kurzes Heben und Senken der Schultern war die erste Antwort, bevor Harrys Versuch einer Erklärung folgte: „Das ging alles so schnell. Als ich Sie plötzlich an meiner Seite gesehen habe, Albus, da war ich so glücklich darüber, dass Sie am Leben waren, dass ich Voldemort beinahe vergessen hätte, weil ich einfach nur noch zu Ihnen gehen wollte, um mich davon zu überzeugen, dass Sie nicht nur meiner Fantasie entsprungen sind.“
Aufgrund von Harrys Worten lächelte Albus und das lebendige Zwinkern der hellen Augen erlebte einen Höhepunkt.
Harry musste ebenfalls lächeln, als er erklärte: „Und dann war plötzlich noch Severus da und Sie beide haben Voldemort mit Flüchen bombardiert. Ich war mit einem Male so erleichtert zu wissen, dass Severus die ganze Zeit über wirklich auf unserer Seite gestanden hatte. Als Sie beide wieder da waren, da hat sich irgendwas in mir geregt.“ Harry suchte nach Worten, denn er hatte diese Gefühle noch nie zuvor in Worte gefasst. „Da ist etwas in mir erwacht und es war so stark, dass ich einfach wusste, wenn ich jetzt meinen Zauberstab auf Voldemort richte, dann wird alles Schlimme endlich vorbei sein und das habe ich dann gemacht.“
Nach dem Sieg über Voldemort hatte Albus befürchtet, dass Harrys besondere Kraft sich in der künftigen Entwicklung nicht von seiner besten Seite zeigen würde. Reumütig gestand Albus: „Meine Bedenken dir gegenüber lagen darin zu glauben, dass die verdorbene Beschaffenheit deiner größten Stärke sich in den Vordergrund drängen könnte und alles Gute und Anständige beiseite schieben würde. Ich habe befürchtet, dass Voldemort die Verbindung durch die Narbe genutzt haben könnte, dir im Augenblick des Todes seinen Hass einzuflössen, denn das, Harry, ist mir damals widerfahren. Doch ich habe mich in dir geirrt, mein Junge.“ Harry blickte ihn mit großen Augen an, so dass Albus seufzte und erklärte: „Weißt du, Harry, ich selbst hatte nach meinem Sieg über Grindelwald bereits einen verheerenden Pfad eingeschlagen, der immer dunkler und dunkler geworden war, je länger ich auf ihm wandelte. Als kein anderer den Mut gefunden hatte, war es einzig Mr. Ollivander, der die Courage besessen hatte, mich auf die Veränderung meines Wesens hinzuweisen und nicht nur das: Er bot mir die Stirn und zerbrach während einer Auseinandersetzung meinen Zauberstab, den ich selbst als Schüler einst bei ihm im Laden erworben hatte.“
Diese Neuigkeiten überraschten Harry, obwohl er Ähnliches bereits vermutet hatte. Ihm fiel nichts ein, das er entgegnen könnte und so beugte sich Harry einfach vor und umarmte Albus erneut. Harry war überglücklich, dass Albus so offen mit ihm gesprochen hatte; dass diese bedrückende Angelegenheit aus der Welt geschafft worden war.
An seinem Ohr hörte Harry plötzlich die geflüsterten und bittenden Worte: „Ihr dürft bei Severus nicht aufgeben. Nur ihr könnt ihm helfen, Harry.“ Abrupt löste Harry die Umarmung, aber seine Hände verweilten an Albus’ Oberarmen. Er blickte den Direktor fragend an, doch bevor er den Mund aufmachen konnte, schüttelte Albus leicht den Kopf und erklärte: „Ich habe es versprochen, Harry. Ich kann dir leider gar nichts sagen, aber ihr seid schon so dicht dran. Lasst das bisschen Zuversicht in seiner Brust nicht erkalten. Gebt ihn nicht auf. Bitte!“
Mit einem Nicken versicherte er dem Direktor, dass sie sich weiterhin um Severus kümmern würden, obwohl er sich natürlich fragte, was Albus alles wusste.
Bevor Harry sich verabschiedete, fragte er noch einmal: „Albus, wo ist Fawkes?“
Mit Wehmut in der Stimme antwortete er: „Fawkes hat mich verlassen, Harry. Ich hätte schon aufwachen müssen, als Minerva sich von mir abgewandt hatte, aber erst Fawkes’ Verlust konnte mir die Augen öffnen.“
Es stimmte Harry traurig, dass erst das Verschwinden des Vogels Albus gezeigt hatte, wie unrecht er gehandelt hatte.
„Vielleicht kommt Fawkes ja wieder zurück?“, sagte Harry lächelnd, denn er hoffte es wirklich. Fawkes und Albus gehörten einfach zusammen.
Der erste Weg nach seinem erleichternden Gespräch mit Albus führte Harry in den Krankenflügel, wo er Ginny, die gerade am Fenster stand, von hinten umarmte und er sie enthusiastisch fragte: „Ginny? Hältst du es für möglich, dass wir später noch weitere Kinder haben werden?“
In seinen Armen drehte sie sich, so dass sie ihn ansehen konnte, bevor sie verdutzt erwiderte: „Ähm natürlich, aber wirklich erst ’später’, Harry. Nicholas ist noch nicht einmal eine Woche alt.“
Mit einem breiten Lächeln und einem Kuss auf die Stirn bedankte sich Harry bei ihr für die erhoffte Aussage, bevor er zum Kinderbettchen hinüberging und hineinschaute. Nicholas schlief und Harry beobachtete für einen Moment, wie sich die kleinen Augen hinter den geschlossenen Lidern hin und her bewegten.
„Er träumt…“, sagte Harry ganz leise und klang dabei selbst ganz verträumt.
Nachdem er sich von Ginny mit einem leidenschaftlichen Kuss verabschiedet hatte, der dazu noch von Poppy unterbrochen worden war, eile er in sein Zimmer hinunter, um die wenigen Stunden bis zur Zeremonie und dem Festmahl mit einem Prickeln im Bauch und Wobbels beruhigenden Worten abzuwarten.
Zur gleichen Zeit einen Stock unter Harry führte Severus seine Schülerin durch die Kerkergänge in ihr Quartier. Es war nicht weit entfernt von seinen privaten Räumen und seinem Privatbüro, was sie zu begrüßen schien, doch es war ihm nicht entfallen, dass Miss Granger das Gesicht verzogen hatte, nachdem sie einen Schritt in das Zimmer getan hatte.
„Missfällt Ihnen der Raum, Miss Granger?“, fragte er ungewohnt unsicher.
„Na ja, ich kann wohl in den Kerkern kaum mit viel Sonnenlicht rechnen. Immerhin liegt hinter diesen dicken Mauern der See“, sie schlug mit der flachen Hand gegen die Steinwand, „aber…“
Sie hielt inne, weshalb Severus nachhalf, indem er wiederholte: „Aber…?“
Miss Granger seufzte, doch sie erwiderte ehrlich: „Ich dachte eigentlich, mit ’Quartier’ wäre nicht nur ein Arbeitszimmer gemeint.“
Severus stutzte und er fragte sich, ob Miss Granger etwa in Hogwarts wohnen wollte. Er war sich nicht sicher, ob er zur Klärung dieser Angelegenheit nachfragen sollte, denn hätte er sie missverstanden, könnte sie ihn womöglich aufgrund seiner Fehlinterpretation auslachen. Als er sich das erdachte Szenario vorstellte, kam es ihm unwirklich vor, denn er war sich darüber bewusst geworden, dass sie ihn noch nie wegen irgendetwas verlacht hatte und es sicherlich auch nicht tun würde.
Er nahm daher seinen Mut zusammennahm und fragte: „Spielen Sie mit dem Gedanken, Ihren Wohnsitz nach Hogwarts zu verlegen?“ Er hörte sie laut schlucken, doch letztendlich hatte er ins Schwarze getroffen, denn mit einem Nicken beantwortete sie ihm seine Frage. „Das ließe sich einrichten, Miss Granger. Auf der anderen Seite meiner Unterkunft liegen ähnlich große Räumlichkeiten wie die meinen, die jedoch noch nicht von den Hauselfen hergerichtet worden sind. Die könnten Sie beziehen, wenn Sie möchten.“
„Oh ja, zeigen Sie sie mir?“, fragte sie unverhofft enthusiastisch.
„Wie ich bereits sagte, sind die Räume nicht hergerichtet. Ich gehe davon aus, dass sie mit Doxys verseucht sind und momentan als Unterschlupf für allerhand Ungeziefer dienen und…“
„Zeigen Sie sie mir trotzdem?“, fragte sie erneut.
Er nickte einmal und bat sie mit einer Geste seiner Hand aus dem Raum hinaus, um wieder an seinen Räumen vorbei bis zu der anderen Unterkunft zu gehen, die sie sehen wollte. Dort angekommen entriegelte er mit Hilfe seines Zauberstabes die Tür, die sich nur unter lautem Ächzen und Stöhnen öffnen ließ. Sie gingen einige Schritte hinein, so dass sie noch in dem spärlichen Schein der Fackeln standen, die vom Gang her etwas in den Raum hineinleuchteten. Hier drinnen war es stockfinster, doch Severus schuf Abhilfe, indem er sämtliche Fackeln, Öllampen und Kerzen mit einem einzigen Zauberspruch entflammte.
„Igitt!“, schrie sie beim Anblick der großen schwarzen Käfer, die sich aufgrund des plötzlichen Lichts in sämtliche Löcher zurückzogen. Sie war einen Schritt zurückgewichen und mit ihrem Rücken an Severus Brust gestoßen. „Tut mir Leid, ich glaube, ich lasse das doch lieber die Hauselfen machen. Ich dachte erst, ich könnte hier allein etwas Ordnung… Igitt!“, sagte sie erneut, als wieder etwas Schwarzes den Boden entlangkroch und gleich darauf in einer Ritze verschwand. „Lassen Sie uns gehen, ja?“, bat sie eindringlich.
Zurück in seinem privaten Büro rief er einen Hauself und forderte, dass die großen Räumlichkeiten neben seinen für seine Schülerin hergerichtet werden sollten, was der Elf mit einem Kopfnicken bestätigte, bevor er verschwand.
Gar nicht so weit von Hogwarts entfernt lag Susans Zuhause und sie hatte gerade Draco nachhause geschickt, nachdem ihre Mutter kommen war, um sich um ihre Beschwerden zu kümmern.
Auf dem Weg nach Hogwarts dachte Draco über Susans Verwandte nach. Die Begegnungen zwischen Susans Familienmitglieder und ihm waren häufig noch etwas unterkühlt, weil sie natürlich genau wussten, wer sein Vater war und wie die damaligen Ansichten seiner Familie über Halbblüter und Muggel gewesen waren. Familie Bones hingegen hatte sich nie darum geschert, Beziehungen in erster Linie aufgrund der Reinblütigkeit – damals als „magisch günstigste Kompatibilität“ bezeichnet – einzugehen, weshalb in Susans Familie etliche Muggel vorhanden waren. Doch auch wenn man Draco als Sohn eines Todessers kannte, so wandten sie auch bei ihm und Susan eine Redewendung aus der Muggelwelt an und die lautete „Wo die Liebe hinfällt“. Ihre Familie hatte ihn akzeptiert. Die meisten hatten ihn warmherzig aufgenommen und nur wenige waren ihm gegenüber noch skeptisch.
Ein Gespräch, welches er zwischen ihren Eltern und zwei Onkeln zufällig belauscht hatte, ging ihm jedoch nicht mehr aus dem Kopf. Man hatte sich über die Beziehung zwischen ihm und Susan unterhalten und die Herren der Schöpfung kreideten ihm an, nicht einmal einen Schulabschluss zu haben.
Als er vorhin mit Susan darüber gesprochen hatte, bestätigte sie ihm, dass ein UTZ und eine folgende Ausbildung in ihrer Familie schon immer hoch angesehen gewesen waren, selbst wenn man Geld wie Heu hatte.
So ganz allein in seinem Zimmer hielt Draco es nicht lange aus, so dass er zu seiner Mutter hinüberging.
„Draco, da bist du ja endlich. Die Zeremonie fängt doch gleich an, Junge!“, sagte sie ganz aufgelöst, während sie einen schwarzen Stoff von der Rückenlehne des Sofas nahm, der sich gleich darauf als sein alter Schulumhang herausstellte.
„Mutter, ich habe mich doch gar nicht für das siebte Jahr angemeldet! Ich gehe nicht mehr zur Schule oder glaubst du, ich hätte es nötig?“, fragte er etwas enttäuscht.
„Es ist wichtig, einen Schulabschluss in der Hand zu haben“, sagte sie belehrend. „Dein Vater hat auch immer gesagt, dass das der wichtigste Start ins Leben sei. Ich will nicht, dass mein einziger Sohn keinen UTZ hat.“
Die beiden stritten ein wenig herum, denn Draco wollte wirklich nicht für ein Jahr die Schulbank drücken; seine Mutter hingegen bestand darauf. Dann fiel ihm wieder die Familie Bones ein, die genauso dachte wie seine Mutter. Selbst Susan hatte eine enttäuschte Miene gemacht, als er vor einigen Wochen auf ihre Frage hin, ob er das Schuljahr nachholen würde, lediglich den Kopf geschüttelt hatte.
„Mutter, das fängt in einer halben Stunde an – das würde ich sowieso nicht schaffen. Ich habe nicht einmal einen Umhang, der mir passt, geschweige denn, eine Schuluniform“, konterte Draco, doch seine Mutter ließ nicht locker.
„Zieh ihn mal an“, bat sie, als hätte sie seine Bedenken gar nicht wahrgenommen.
Draco stöhnte, wagte jedoch nicht, Widerstand zu leisten. Der Umhang war unbequem, denn die Öffnung am Hals war zu klein.
Seine Mutter zupfte und zerrte an dem Stoff herum, während sie sagte: „Du brauchst noch die Schuluniform. Ich habe sie rausgesucht.“
„Mutter, jetzt ist es aber genug. Ich war sechzehn, als ich meine Sachen hier zurückgelassen habe. Du glaubst doch nicht, dass mir auch nur noch ein Hemd passen würde?“, fragte er ungläubig. Leise fügte er hinzu: „Ich werde nicht zur Schule gehen.“
Seine Mutter hielt mit ihren Bewegungen inne und blickte ihn an. In ihren Augen erkannte er Enttäuschung, ähnlich wie in Susans Gesicht.
Draco stöhnte, bevor er fragte: „Was ist so wichtig an den UTZen?“
Traurig erklärte sie: „Ohne wird man dich gesellschaftlich als Zauberer zweiter Klasse sehen, Schatz.“
Er schnaufte ungläubig, bevor er konterte: „Also wirklich, Mutter… Früher hast du Menschen aus ganz anderen Gründen gesellschaftlich herabgesetzt.“
Sie holte aus und gab ihm eine Ohrfeige, die zwar nicht wehgetan hatte, aber Draco bereute seine unüberlegte Anmerkung auf der Stelle. Er führte eine Hand an seine nun rosige Wange, während er sie anblickte und den Kummer in ihren Augen sah. Flüsternd richtete er das Wort an sie: „Es tut mir Leid, Mutter, bitte entschuldige.“
Sie hatten sich wieder ganz schnell vertragen, denn sie war sehr harmoniebedürftig, weswegen er schlussendlich nachgegeben hatte.
Draco schlug weniger begeistert vor: „Gut, wenn wir es in fünfundzwanzig Minuten schaffen, meine Schuluniform anzupassen, dann werde ich die Siebte nachholen, in Ordnung?“
Er hätte nie gedacht, dass es so leicht wäre, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern.
Egal wie oft seine Mutter einen Änderungszauber durchführte: Das Jackett wollte einfach nicht passen und die Hosen blieben an den Beinen viel zu kurz und oben herum zu eng. Es wären nur noch ein paar Minuten bis zur Zeremonie und die würde er verpassen, aber er hatte es zumindest versucht.
In der großen Halle saßen bereits die älteren Schüler an ihren Tischen und man erwartete jeden Moment die Ankunft der Erstklässler, die wie üblich von Professor McGonagall hereingeführt werden würden. Harry saß direkt neben Severus und er rutschte aufgeregt auf seinem Stuhl hin und her. Er seufzte und stöhnte und machte den Zaubertränkemeister neben sich damit fast wahnsinnig. Hermine, die ebenfalls neben Severus saß, bekam von Harrys Aufregung nichts mit, weil sie viel zu sehr mit ihrer eigenen beschäftigt war.
„Mann, bin ich aufgeregt“, flüsterte Harry immer wieder, obwohl es nicht notwendig gewesen wäre, sein Lampenfieber verbal mitzuteilen, denn man sah es ihm an. „Waren Sie das erste Mal auch so aufgeregt, Severus?“, fragte er gleich darauf.
Völlig gelassen erwiderte Severus: „Jedenfalls nicht so aufgeregt, dass ich vergessen hätte, mir die Haare zu kämmen.“
Erschrocken tastete Harry seinen Kopf ab, bevor er quengelnd beteuerte: „Ich habe mir die Haare gekämmt!“
Ein kurzes Schnaufen war zu hören, bevor Severus entgegnete: „Dann hat sich wohl während Ihres Weges in die große Halle ein Jobberknoll die Freiheit genommen, von Ihnen völlig unbemerkt ein Nest auf Ihrem Haupt zu errichten.“
Harry blickte Severus einen Moment lang nachdenklich an, bevor er leise zischelte: „Warum sind Sie so gemein zu mir? Immer wieder machen Sie solche Kommentare. Ich finde das nicht nett von Ihnen. Ich bin so schon aufgeregt genug. Ich mach mich ja auch nicht über Sie lustig, warum sind Sie dann so zu mir?“
Sehr besonnen antwortete Severus: „Weil ich Sie damit von Ihrer Unruhe abgelenkt habe und Sie nicht einmal bemerkt haben, dass gerade in diesem Moment die Erstklässler auf dem Weg zum Lehrertisch sind!“
Hastig drehte Harry seinen Kopf wieder nach vorn, was ein knackendes Geräusch im Nacken verursachte. Severus hatte nicht gelogen, denn die Kinder reihten sich gerade vor Minerva auf.
Die meisten der neuen Schüler wirkten völlig verängstigt, denn sie kannten die Geschichten rund um Hogwarts. Sie wussten, dass hier ein Basilisk umgegangen war, der Schüler versteinert hatte und sie hatten gehört, dass Voldemort einmal Besitz von einem Lehrer ergriffen hatte. Ihre Eltern hatten ihnen erzählt, dass Voldemort sogar einen Schüler umgebracht hatte und dass eines Tages hier Todesser eingefallen waren und ein Kampf mit ihnen stattgefunden hatte.
Harry wäre am liebsten nach vorn gegangen, um ihnen den Kopf zu tätscheln und zu erzählen, wie viel Angst er selbst damals gehabt hatte, als er neu hier angekommen war, aber er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Minerva den Hut brachte. Sie legte den Sprechenden Hut auf dem Stuhl ab, auf dem später die Kinder sitzen sollten, um in ihre Häuser sortiert zu werden.
Zunächst grüßte der Hut alle Kinder freundlich, grüßte auch Minister Weasley sehr nett, der vorn neben Albus am Lehrertisch saß und dann räusperte er sich, bevor er sang:
„Hogwarts ist, wie sollt es sein,
ein Garten voller Sonnenschein,
der euch lässt wohlauf gedeihen
wie kleine, zarte Blümelein.
Lang ist es her, als ich zuletzt
die kleinen Pflänzchen umgesetzt
und eingetopft hab in ein Haus;
wachst ihr oft über euch hinaus.
Für Ravenclaw der Sanddorn sprießt;
aus ihren Häuptern sich Wissen ergießt.
Sie lernen, tüfteln und sind allgemein
ein überaus weiser und kluger Verein.
Der Aschwurz erblüht für Slytherin;
steht für List und Eifer schlechthin.
Sollt' er zuweilen mal Feuern fangen
ist nicht um ihre Tugend zu bangen.
Für Hufflepuff grüner Efeu rankt;
niemals deren Treue schwankt.
Gerecht und fleißig immerfort
kennen sie kein einz'ges Lügenwort.
Selbst Löwenzahn ein Rückgrat hat,
für Gryffindor es wuchern mag.
Stehen zur Seit’ mit Rat und Tat
und fürchten nicht des Bösen Saat.
Vier Häuser vier Familien sind,
das flüstert schon der Abendwind,
doch drei sind größer als das eine;
ihr versteht, was ich damit meine?
Ein Haus wird wenig Schüler haben,
doch woll’n wir sie nicht untergraben.
Mit Antrieb, Mühe und viel Kraft
erlangt man große Brüderschaft.
Vergang’nes soll vergangen bleiben,
so wispern es die mächt’gen Eiben.
So sollt’ sich jeder daransetzen,
die Scharte wieder auszuwetzen.
Zeigt Respekt, seid ausgewogen,
dann zeigt sich schnell ein Regenbogen,
der farbenfroher nicht sein kann,
wenn einer einen Freund gewann.
Die Türen der Häuser haltet offen,
so könnt ihr auf neue Freunde hoffen,
denn die Reinheit des Herzens aller Familien,
das symbolisieren die weißen Lilien.“
Zur gleichen Zeit, in welcher der Hut mit dem Lied begonnen hatte, klopfte Remus an die Tür von Mrs. Malfoy, denn sie hatte Tonks und ihn eingeladen, doch nur er hatte die Einladung zum Tee und einer Partie Schach angenommen.
„Herein“, hörte er Mrs. Malfoy sagen. Remus trat ein und fand nicht nur Mrs. Malfoy, sondern auch ihren Sohn vor, der offenkundig Kleidung anprobierte. „Oh, Mr. Lupin, treten Sie doch bitte ein. Verzeihen Sie die Unordnung. Ich hatte gehofft, ich würde damit fertig sein, bevor Sie kommen würden.“
Remus begrüßte Mrs. Malfoy und überreichte ihr einen Strauß Blumen, den er, ohne Tonks Wissen, auch in ihrem Namen schenkte, worüber sich die Gastgeberin sehr freute.
Er betrachtete Draco und fragte lächelnd, während er ihn musterte: „Die alte Schuluniform? Sie möchten die siebte Klasse nachholen?“
Ein Kopfnicken war Dracos einzige Antwort, doch Mrs. Malfoy teilte ihre Bedenken mit: „So kann er dort doch nicht auftauchen. Er hat versprochen, er würde seinen Abschluss machen, wenn ich die Kleidung für ihn ändern könnte, aber…“
„Oh“, unterbrach Remus, „daran soll es nun wirklich nicht scheitern. Ich möchte nicht angeberisch klingen, aber Haushaltszauber, besonders Änderungszauber für Kleidungsstücke, sind nicht nur mein Steckenpferd, sondern darin bin ich auch ausgesprochen gut! Darf ich…?“
Das Jackett, welches Draco trug, wurde von Remus sehr genau beäugt. Es war ihm nicht entgangen, dass dem jungen Mann nicht nur allein die Anwesenheit seines Ex-Lehrers etwas Unbehagen bereitete. Da Dracos Beinbekleidung um die Hüften herum zu eng war, stand Mrs. Malfoys Sohn mit offen stehender Hose im Zimmer. Ein Hauch Röte hatte sich auf dem blassen Gesicht des jungen Mannes abgezeichnet, doch Remus ließ sich nicht davon stören.
„An den Nähten des Jacketts ist genügend Stoff vorhanden. Ich kann die Größe ändern. Wenn Sie bitte kurz stillhalten würden, Mr. Malfoy?“, bat Remus, der bereits seinen Zauberstab zückte. Weder Mrs. Malfoy noch Draco gaben ein Widerwort, so dass Remus wortlos das Jackett mit mehreren Zaubersprüchen bearbeiten konnte, was einige Minuten beanspruchte.
„Wunderbar! Passt wie angegossen, finden Sie nicht auch?“, fragte er Mrs. Malfoy, die völlig begeistert zu ihrem Sohn stürmte und das „neue“ Jackett begutachtete, ihrem Sohn über die Schulter strich und ihm liebevoll den Kragen richtete.
„Sie können ein normales, weißes Hemd und eine schwarze Hose anziehen, Mr. Malfoy. Die Hauptsache ist, dass sie das offizielle Schuljackett mit Ihrem Abzeichen tragen“, sagte Remus, während er zum Ende seines Satzes hin mit dem Zeigefinger auf das Slytherin-Symbol auf Dracos Brust tippte.
In der großen Halle hatte der Hut derweil nicht nur sein Lied beendet, sondern bereits die Erstklässler in die Häuser einsortiert. Unter den älteren Schülern, die keine Aufbauklassen besucht hatten, waren viele bekannte Gesichter. Es waren Schüler, die wie Ginny nach der sechsten Klasse aufhören mussten, weil Hogwarts geschlossen worden war. Einige der ehemaligen Schüler, die man eigentlich dieses Jahr als Siebtklässler erwartet hatte, waren jedoch nicht anwesend, wie beispielsweise die Creevey-Brüder Colin und Dennis, die sich schon vor Jahren selbständig gemacht hatten. Selbst den Weasley-Zwillingen hatte Albus eine Einladung für das siebte Schuljahr geschickt, doch die hatten dankend abgewinkt und erklärt, dass sie ihre Scherzartikel nicht für ein ganzes Jahr unbeaufsichtigt lassen wollten, denn an ihrem Laden verdienten sie sich eine goldene Nase.
Severus hatte zwar geahnt, weniger Schüler als sonst in seinem Haus begrüßen zu dürfen, aber die mickrige Anzahl von nur fünf elf und zwölf Jahre alten Jungen und Mädchen, die vom Hut nach Slytherin gesteckt worden waren, machte ihn doch stutzig und stimmte ihn sehr nachdenklich.
Die zwei Mädchen und drei Jungen setzten sich zögerlich an den Tisch zu den wenigen anderen Slytherins, die zuvor die Aufbauklassen mitgemacht hatten. Mit nur insgesamt neunzehn eingeschüchtert wirkenden Schülern zeigte sich eine dramatische Wende für das einst sich überlegen fühlende Haus. Man konnte den Kindern und Jugendlichen ansehen, dass sie sich in ihrer eigenen Haut nicht wohl fühlten. Auch wenn Professor McGonagall im Vorfeld erklärt hatte, dass das Haus gleich einer Familie wäre, so schienen sich besonders die Slytherins zu wünschen, von einem der anderen Häuser adoptiert zu werden. Das Haus Slytherin war schon immer verschrien gewesen, aber nach dem Fall von Voldemort nun offensichtlich auch bei den Slytherins selbst.
Albus richtete das Wort an die Schüler und hielt nur eine kurze und sehr unterhaltsame Rede, doch bevor er in die Hände klatschen konnte, um das Festessen beginnen zu lassen, öffnete sich die Tür zur großen Halle und ausnahmslos alle drehten ihren Kopf, um zu sehen, wer eintreten würde.
Draco hatte die riesige Flügeltür wieder leise hinter sich geschlossen, bevor er selbstbewusst wirkend durch die große Halle und unter den Augen von alten und neuen Schülern und Lehrern bis nach vorn an das Rednerpult von Professor Dumbledore schritt.
Die Augen des Direktors funkelten erfreut, als er das Wort an den jungen Mann richtete: „Mr. Malfoy! Schön, Sie heute Abend hier zu sehen. Möchten Sie vielleicht den Hut aufsetzen?“ Der Direktor deutete mit einer Hand auf den Hut, den Professor McGonagall noch immer hielt. Lächelnd schüttelte Draco den Kopf, bevor er lediglich mit einem Zeigefinger auf das Wappen von Slytherin tippte, welches seine Uniform zierte. „Na dann, Mr. Malfoy, wissen Sie ja, an welchem Tisch Sie Platz nehmen können. Seien Sie ganz herzlich willkommen.“
Draco nickte dem Direktor dankend zu. Seine Unsicherheit überspielte er, indem er erhobenen Hauptes zu den Slytherin schritt, was ihn für einen Moment genauso arrogant wirken ließ wie früher. Er setzte sich neben einen der Erstklässler seines Hauses, der ihn völlig verängstigt anblickte, doch Draco lächelte all seinen neuen Schulkameraden zu, obwohl im eher zum Heulen zumute war.
Ein Jahr Hogwarts, ein Jahr als Schüler, ein Jahr als Schüler mit Harry als Lehrer. Draco seufzte, doch niemand hörte es, weil in diesem Moment die staunenden Ausrufe der Schüler zu hören waren, als vor ihnen auf den Tischen ein üppiges Festmahl auftauchte.
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