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Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Gedankenspiele

von Muggelchen

Nach dem Besuch bei Ginny verabschiedeten sich alle bei Harry und jeder gratulierte ihm noch einmal offiziell zur Verlobung, wenn diese auch ein wenig ungewöhnlich vonstatten gegangen war; im wahrsten Sinne des Wortes zwischen Tür und Angel. Ron versuchte Angelina klarzumachen, dass er noch ein, zwei Stündchen ungestört mit Harry verbringen wollte und sie ließ sich nur mit verärgerter Miene dazu überreden, schon einmal mit den anderen in den Fuchsbau zu gehen, um die Geburt des Kindes zu feiern.

„Ich komme doch nach, Angelina. Versprochen! Aber ich muss unbedingt noch mit Harry reden, das verstehst du doch oder?“, sagte er, so dass sie endlich nachgab und an der Seite von Fred den Krankenhausflügel verließ.

Ron und Harry hatten heute, als das Gesprächsthema im Krankenzimmer auf die Augenfarbe von Babys gelenkt worden war, etwas sehr Seltsames von Arthur erfahren, was sie sofort Hermine mitteilen wollten. Die beiden jungen Männer hatten bei dem Gespräch über Augenfarben, welches von George angeregt worden war, beide die gleiche Assoziation gehabt, nämlich zu dem Gespräch, welches sie über Severus und dessen veränderte Augenfarbe geführt hatten.

Mit seinem Wissen aus Büchern hatte Ron dieses Mal vor seiner gesamten Familie zum Besten gegeben, dass sich die Augenfarbe bei Kindern erst nach dem ersten Lebensjahr vollständig bilden würde und sie sich, wenn überhaupt, nur noch minimal während der Pubertät verändern könnte. Hier hatte Arthur eingeworfen, dass er schon damals gruselige Geschichten gehört hätte, er aber nicht wusste, ob da etwas Wahres dran wäre.

Natürlich waren Ron und Harry neugierig geworden, was das für Geschichten gewesen wären, so dass Arthur die beiden zur Seite genommen hatte und er ihnen anvertrauen konnte: „Es hieß, dass die Gefangenen, die von einem Dementor geküsst worden waren, schwarze Augen bekommen hätten und zwar so schwarz wie die Pupille selbst! Natürlich gibt es schon lange keine Dementoren mehr in Askaban und die Geschichten sind seitdem verstummt, aber ich würde zu gern wissen, ob da ein Körnchen Wahrheit dran ist.“

Auf den Weg in den vierten Stock schlug Harry vor: „Ich könnte Remus mal fragen. Er kennt sich ja ein wenig mit Dementoren aus. Er hat mir immerhin im Hogwarts-Express einen vom Leib halten können, wie du ja weißt. Und er wusste schon damals, dass man nach so einem Angriff Schokolade essen sollte, damit es einem wieder besser geht!“
„Ja, rede du mit Remus, aber erst erzählen wir das Hermine. Sie wird sich bestimmt gleich auf irgendwelche Bücher stürzen, um was herauszufinden. Ich werde später nochmal Dad fragen, ob es nicht irgendwelche Berichte gibt. Im Ministerium wird doch sonst auch alles dokumentiert. Es wird doch sicherlich Aufzeichnungen über die körperliche Verfassung von Gefangenen nach so einem Kuss geben“, sagte Ron.

Einen Moment lang überlegte Harry, bevor er mit zusammengezogenen Augenbrauen fragte: „Ich dachte eigentlich immer, nach so einem Kuss wäre man tot?“
Ron schüttelte den Kopf und fragte vorwurfsvoll: „Sag mal… Wer von uns beiden ist hier ab Montag der Lehrer für Verteidigung?“ Harry lachte, bevor Ron erklärte: „Ich glaube, man ist danach einfach nur seelenlos, weil die einem die Seele ja aussaugen. Man lebt aber weiter!“
„Aber wie soll das denn gehen? Wie kann man ohne Seele…“
„Was weiß ich, Harry? Bin nie geküsst worden! Also, ich meine, noch nie von einem Dementor und ich reiße mich auch nicht drum. Hermine wird’s schon wissen und wenn nicht, wird sie es sicherlich herausbekommen“, entgegnete Ron.
„Aber das wird nichts mit Severus zu tun haben“, sagte Harry nebenbei.
Ron stimmte ihm zu und meinte: „Nein, das geht gar nicht. Snape ist ja nicht seelenlos, auch wenn er früher manchmal so wirkte, weil er immer so fies zu den Schülern war, aber nein: Seine Augen sind ja nicht schwarz, sondern nur sehr dunkel.“
„Und warum wollen wir ihr überhaupt davon erzählen, wenn so ein Kuss nichts mit Severus zu tun haben kann?“, fragte Harry naiv klingend.
Ron verdrehte die Augen, bevor er sagte. „Mensch Harry, wenn so ein Kuss die Augenfarbe verändern kann, dann gibt es vielleicht ähnliche Geschöpfe, die so etwas bewirken können. Wenn wir Hermine davon erzählen, kann es gut sein, dass sie sich einfach an die Stirn haut und so was sagt wie ’Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen?’. Wäre bei ihr ja nicht das erste Mal. Manchmal braucht sie nur einen Schubs in die richtige Richtung, um ihre grauen Zellen wieder etwas anzukurbeln.“

Nach einer kleinen Pause sagte Ron beiläufig: „Vielleicht hat Snape auch einfach nur mal an einer komischen magischen Pflanze genuckelt, weswegen seine Augenfarbe jetzt anders ist.“
„Das meinst du nicht ernst?“, fragte Harry ungläubig, während er seine Stirn in Falten legte.
„Nein, war doch nur ein Beispiel. Du weißt ja selbst, dass es viele seltsame Dinge in der Zaubererwelt gibt, wie Veritaserum, durch das man die Wahrheit sagen muss, Dianthuskraut, durch das einem Kiemen und Schwimmhäute wachsen oder Billywigs, durch deren Stich man abheben kann. Vielleicht ist die Antwort auf die Frage, warum Snapes Augenfarbe sich verändern kann, völlig einfach und nur deswegen kommt Hermine nicht drauf. Geben wir ihr einfach mal einen kleinen Denkanstoß mit der Dementor-Story von meinem Dad!“

Im dritten Stock stieß Ron seinen Freund mit dem Ellenbogen an, bevor er mit dem Kopf in eine Richtung nickte und fragte: „Was macht denn der Fast Kopflose Nick da?“

Sir Nicholas schien jemandem in den Gemälden zu folgen und kam derweil direkt auf die beiden zu, ohne sie zu bemerken, denn sein Blick war auf die Wand gerichtet.

Während Sir Nicholas sich näherte, bemerkten Ron und Harry, dass er Sir Cadogan folgte, der auf seinem pummligen, grauen Pony gemächlich durch die verschiedenen Gemälde ritt. Gesprächsfetzen waren zu hören, beispielsweise wie Sir Nicholas entnervt sagte: „Aber Sie müssen es doch noch wissen, vermaledeit! Wir haben uns sehr ausführlich darüber unterhalten!“
Sir Cadogan entgegnete schnippisch: „Genug jetzt! Was weiß ich, über was wir damals geredet haben. Das ist schon so lange her, mein lieber Freund.“

Hausgeist und Portrait marschierten beziehungsweise schwebten an Ron und Harry vorbei, ohne den beiden auch nur einen Blick zu schenken, bis sie um eine Ecke bogen.

Mit entgleistem Gesichtsausdruck fragte Ron: „Muss man nicht verstehen oder?“ Harry schüttelte nur den Kopf und schaute ebenso verdutzt drein.

Zeitgleich hatte Lucius im St. Mungos darauf bestanden, die Behandlung an beiden Augen gleichzeitig durchführen zu lassen. Seine Begründung war, dass er lieber für einen kürzeren Zeitraum größere Schmerzen ertragen würde als für einen längeren Zeitraum nur unwesentlich geringere. Professor Puddle wollte seinem Patienten diese fixe Idee ausreden, doch die Argumente von Lucius schienen bei dem Professor wahre Wunder bewirkt zu haben, denn er hatte aufgebracht gesagt: „Ihre Behandlungsmethoden gleichen einem der Unverzeihlichen, werter Professor. Ich bin Unverzeihliche gewöhnt und ich kann Schmerzen ertragen, aber was ich nicht ertragen kann ist die unnötige Verzögerung dieser quälenden Therapie im Namen der ’medizinischen Barmherzigkeit’. Wenn ich dazu bereit bin, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, Professor Puddle, dann dürfen Sie auch dazu bereit sein. Bereiten Sie dem Aberwitz ein Ende: größerer Schmerz, verringerte Behandlungszeit!“

Von Schwester Marie, der er in dieser Angelegenheit mehr vertraute als Miss Bones, ließ er sich ein Schreiben von der Krankenhausleitung vorlesen, welches er am Ende trotz seiner Blindheit unterschreiben musste. Man forderte schriftlich sein Einverständnis, um die Behandlung zeitgleich an beiden Augen durchführen zu dürfen, um sich vor möglichen Klagen zu schützen. Schwester Marie reichte ihm, nachdem sie das Pergament vorgelesen hatte, eine Feder, ergriff sein Handgelenk und führte den Federkiel an die Stelle, an der seine Unterschrift benötigt wurde.

„Hier?“, fragte er unsicher nach und nachdem sie bestätigt hatte, unterzeichnete er schwungvoll mit seinem vollen Namen. Gleich darauf wurde er von einem Medi-Magier abgeholt, der ihn in den Behandlungsraum begleitete.

Nach der ersten Behandlung beider Augen lag Lucius auf seinem Bett und verhielt sich äußerst ruhig, so dass Schwester Marie sich Sorgen machte.

„Mr. Malfoy, ist alles in Ordnung?“
Er schnaubte heftig durch die Nase, bevor er antwortete: „Mich beruhigt der Gedanke, dass ich nur ein halbes Jahr lang diese Behandlung über mich ergehen lassen muss und nicht ein ganzes. Ich bin bereit Opfer zu bringen.“ Nach einer kurzen Sprechpause fragte er. „Sind Sie gerade drüben bei Mr. Lethargie?“
Nur ein kleines bisschen vorwurfsvoll erwiderte Schwester Marie: „Das ist nicht witzig, Mr. Malfoy. Ich glaube, Sie haben einiges mit diesem jungen Mann hier gemeinsam.“
„Was soll das bitte sein, außer dass wir beide einen edlen Stammbaum vorweisen können?“, fragte Lucius durch die Schmerzen in seinen Augen etwas gereizt.
„Na ja, Mr. Malfoy, Sie haben erzählt, dass Sie unzählige Male einem Cruciatus ausgesetzt gewesen waren. Der junge Mann hier hat auch Schmerzen erleiden müssen, die vielleicht sogar genauso schlimm wie ein Unverzeihlicher waren, weil…“, sie hielt inne, aber Lucius war jetzt neugierig geworden.
„Weil…?“, wiederholte er, um Schwester Marie zum Reden zu bewegen.
Sie gab nach und erklärte: „Weil es so aussieht, als wäre ihr Zimmergenosse gefoltert worden. Sie hatten mich damals gefragt, was Sie sehen würde, wenn Sie ihn erblicken könnten. Ich habe die Wahrheit gesagt, aber was ich verschwiegen hatte, war, dass die Wunden Muster aufgewiesen hatten. Er ist systematisch gequält worden, Mr. Malfoy.“

Lucius stockte, weil er Todesser als Verantwortliche ausschlieĂźen konnte, denn die hatten ganz andere Methoden fĂĽr ihre Opfer parat.

Neugierig fragte er: „Und man kennt noch immer nicht seine Identität? Warum? Man könnte doch per Legilimentik herausbekommen, was dem jungen Mann widerfahren ist und vor allem, wer er ist!“
Schwester Marie, die sich ihm nun näherte, entgegnete: „Aus zwei Gründen ist die Anwendung von Legilimentik nicht möglich. Als Erstes ist es selbst für erfahrene Legilimentiker sehr gefährlich, in einen wirren Kopf einzudringen. Der Heiler trägt mit großer Wahrscheinlichkeit selbst einen Schaden davon, wenn er mit einem geisteskranken Patienten arbeitet und wir können nicht einmal sagen, ob sein Geist gesund ist oder nicht. Der zweite Grund ist, dass so ein Eingriff nur mit der Erlaubnis eines Familienmitglieds vorgenommen werden darf und wenn es keine Familie gibt, dann die des Ministeriums, aber von denen haben wir bisher kein grünes Licht bekommen, weil es eben eine Gefahr für den Heiler darstellt.“
„Woher wissen Sie so viel darüber?“, fragte Lucius interessiert. Die Antwort verdutzte ihn.
Etwas trübsinnig erzählte sie: „Ich selbst habe meine Legilimentik-Prüfung bestanden. Ich wäre ja auch gern Heilerin geworden, aber dafür hat das Geld einfach nicht gereicht. Für eine finanzielle Förderung war ich schon zu alt und um jetzt die Ausbildung zu beginnen, müsste ich einen Zweitjob annehmen, der mich wieder am Lernen hindern würde. Das Leben ist nicht leicht.“ Sie beendete ihre Ausführungen mit einem Seufzer, den Lucius nachahmte.

Nach einem Moment fragte Schwester Marie unverhofft: „Was haben Sie so gemacht? Haben Sie eine Ausbildung erhalten?“
„Sicher habe ich das! Ich bin eigentlich Bankier und habe später eine Karriere im Ministerium gestartet, bevor…“, er hielt inne, denn der Rest sollte ihr klar sein.
Zögerlich stellte Marie die Frage: „Warum haben Sie das gemacht?“ Für Lucius war ersichtlich, dass hinter dieser die eigentliche Frage stand „Warum sind Sie Todesser geworden?“.

Lucius atmete zitternd ein, während Schwester Marie sich bereits für ihre Frage entschuldigte, doch er wollte antworten und erwiderte daher in ruhigem Tonfall: „Weshalb macht man so etwas schon? Um von den Versprechungen zu profitieren. Wegen der Ziele, die jeder Mensch hat: Reichtum, Einfluss, Ansehen!“
Leise erwiderte Schwester Marie: „Nicht jeder Mensch hat die gleichen Ziele, Mr. Malfoy!“
„Nicht? Haben Sie kein Interesse an Macht? Oder an so viel Galleonen, dass Sie schon nicht mehr wissen, was Sie damit anstellen sollen? Von der Gesellschaft hoch geschätzt zu werden dürfte jedem Menschen gefallen. Was sind denn Ihre Ziele, Schwester Marie?“

Sie überlegte, ob sie wirklich antworten sollte, denn ihre Antwort würde er wahrscheinlich nur milde belächeln, doch sie gab sich einen Ruck.

„Meine Ziele? Meine Ziele sind einfach, Mr. Malfoy. Ich möchte Menschen helfen. Jeder Behandlungsfortschritt gibt mir innere Kraft. Jede Unterhaltung mit einem Patienten bringt mir Freude…“
Er unterbrach sie und fragte: „Jede? Auch die mit mir?“
Lächelnd entgegnete sie: „Ja, auch die mit Ihnen, Mr. Malfoy.“
„Gespräche mit einem Todesser bringen Ihnen Freude?“, fragte er frech grinsend.
Schwester Marie konterte und erklärte: „Sie, Mr. Malfoy, sowie jeder andere Patient, egal ob Squib, Muggelstämmiger oder Halbblüter, sind alle auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, ob Sie es glauben oder nicht, und dieser gemeinsame Nenner ist meine Grundlage für den Umgang mit Patienten.“
„Und welcher Nenner wäre das bitte?“, fragte er neugierig, denn er wüsste nicht, was er als Reinblüter in ihrer Aufzählung zu suchen hatte.
Mit sanfter Stimme sagte sie: „Kommen Sie wirklich nicht drauf, Mr. Malfoy? Dabei ist es so einfach! Der gemeinsame Nenner heißt ’Mensch’.“

Im vierten Stock näherten sich die beiden Freunde langsam der Bibliothek, als Harry plötzlich fragte: „Warum durfte ich vorhin eigentlich so schnell zu Ginny ins Zimmer?“
Ron erklärte ihm: „Na ja, so ein Blutzauber ist ja nicht blöd, weißt du. Er kann etwas ’mitdenken’.“
„Mitdenken?“, wiederholte Harry ungläubig.
„Ja, natürlich! Wie glaubst du wohl hat der Zauber gearbeitet, den Dumbledore zum Schutz des Steins der Weisen gelegt hat? Nur derjenige, der den Stein finden, aber nicht benutzen wollte, wird ihn in den Händen halten können… Woher sonst sollte der Schutzzauber wissen, dass du den Stein nur finden wolltest? Er hat mitgedacht, Harry. Der Blutzauber um Ginnys Zimmer hat auch mitgedacht und er wusste, dass die Verlobung von Herzen kam und nicht nur, damit du ins Zimmer kannst“, erklärte Ron ausführlich.

Harry und Ron hatten die Bibliothek erreicht und näherten sich leise Hermine, die konzentriert in einem Buch las und ab und an Eis aus einem Becher löffelte.

„Buh!“, machte Ron, als er um das Bücherregel schmulte und Hermine hüpfte vor Schreck einmal in die Höhe.
„Warum macht es euch eigentlich so viel Spaß, Leute zu erschrecken?“, meckerte sie mit einem Lächeln auf den Lippen.
„Nicht ’Leute’, Hermine… dich!“, erwiderte Ron schelmisch, bevor er sich zusammen mit Harry ihr gegenüber an den Tisch setzte.

„Wie geht’s deinem Hals?“, fragte Ron, der besorgt auf den weißen Seidenschal blickte.
„Geht schon wieder. Ist nur noch etwas blau“, sagte sie, bevor sie den Schal beiseite zog, damit Ron und Harry einen Blick drauf werfen konnten. Gleich darauf betrachtete Ron das Chaos auf dem Tisch.

„Wie in alten Zeiten, was?“, schwärmte Ron, der mit einem Finger über das dicke Buch fuhr, welches Hermine sich gerade mental einverleibte.
„Jungs, ich muss euch was Wichtiges sagen!“, sagte sie plötzlich.
Ron unterbrach: „Nein, wir sind hier, um DIR was ganz Wichtiges zu sagen, wir haben nämlich etwas herausgefunden…“
„Ich habe auch etwas herausgefunden und das ist mit Sicherheit interessanter als das, was ihr…“
Harry unterbrach die beiden und erklärte: „Wir haben was über die Veränderung von Augenfarben herausgefunden!“
Überlegen lächelnd stimmte Ron seinem Freund wild nickend zu, aber Hermine kniff lediglich die Augen zusammen und konterte: „Ach komisch, ich nämlich auch, aber ich schwöre…“
Dieses Mal unterbrach Ron, der vorschlug: „Wir können ja ne Münze werfen, wer als Erster reden darf?“

Hermine kennzeichnete mit einem StĂĽck Papier die Seite, auf der sie aktuell las, bevor sie das Buch zuschlug, sich an die RĂĽckenlehne anschmiegte und die Arme vor der Brust zusammenschlug.

Harry grinste, knuffte Ron mit dem Ellenbogen an und sagte: „Das heißt wohl, dass wir als Erste reden dürfen.“
„Na dann: Hermine, du wirst es nicht glauben, was Dad uns erzählt hat. Es gab früher im Ministerium so komische Geschichten…“
Sie schüttelte den Kopf und warf vor: „Tatsachen, Ron! Keine Gruselgeschichten, sondern Tatsachen will ich hören!“
Seinen Freund unterstützend sagte Harry: „Hermine, das ist wirklich interessant. Vielleicht kann man da etwas mehr rausbekommen. Es geht um die Augenfarben von…“
„Hey, ich wollte das erzählen. Das ist mein Dad!“, sagte Ron kindisch eingeschnappt, so dass Harry und Hermine wie junge Schüler giggeln mussten.
„Also: Dad hat erzählt, dass die Gefangenen, die dem Kuss der Dementoren ausgesetzt gewesen waren – und ich meine den endgültigen Kuss, wo einem die Seele ausgelutscht wird – danach eine andere Augenfarbe hatten!“, erzählte Ron, der mächtig stolz darauf war, so eine gewichtige Information weitergeben zu können.
Ron und Harry nickten zu Hermine hinüber, die jedoch nur die Stirn in Falten schlug und fragte: „Gibt es dafür Beweise?“
Damit hatte Ron nicht gerechnet, aber er versprach: „Ich werde Dad mal fragen, ob es da irgendwelche Akten gibt, wo man das festgehalten hat. Noch haben wir nichts außer seiner Aussage…“ Als Hermine die Augenbrauen in die Höhe zog und die Lippen zusammenkniff, da sagte Ron selbstsicher: „Mein Dad ist Minister! Ich glaube, ihm kann man so eine Geschichte ruhig glauben, Hermine!“

Sie blickte starr auf das Buch vor sich, während Ron und Harry den Moment still abwarteten, denn sie wussten, dass Hermine zuvor angestrengt nachdenken wollte, bevor sie sich zu dieser Information äußern würde. In der Zwischenzeit robbte Rons Hand fast unmerklich auf dem Tisch nach vorn, um sich dem Becher Eis zu nähern. Hermine bemerkte das und räusperte sich, so dass Ron sein Vorhaben, etwas Süßes zu stibitzen, augenscheinlich aufgab.

Noch während sie auf Hermines Meinung warteten, die sich in ihrem Kopf zu den Neuigkeiten formte, bemerkte Harry plötzlich, wie der Becher Eis sich wie von Geisterhand auf dem Tisch in kleinen Etappen in Richtung Ron bewegte, so dass Harry seine Ellenbogen auf die Tischplatte lehnte, damit er seinen Mund mit einer Hand bedecken konnte, denn jetzt fing er schon wieder an zu grinsen. Ron zauberte wortlos und mit unmerklichen Handbewegungen unter dem Tisch den Becher immer näher an sich heran. Harry wusste, dass Hermine das nicht entgangen sein konnte, auch wenn sie gerade weiterhin in Gedanken alle Informationen kombinierte. Alle am Tisch wussten, was Ron hier gerade versuchte und das machte die Situation nur noch witziger.

Ron erschrak, als Hermine sich endlich aus ihrer Grübelstarre gelöst hatte und ihm unverhofft den Becher vor die Nase knallte, was Harry laut zum Lachen brachte. Gleich darauf fragte sie: „Inwiefern sollen sich die Augenfarben der Gefangenen verändert haben?“
Mit vollem Mund, weil Ron sich gerade einen großen Löffel Schokoladeneis genehmigt hatte, antwortete er: „’ie ’olln ’atz g’wo’dn ’ein!“
Mit bierernster Miene wandte sich Hermine an Harry und fragte: „Kannst du das bitte übersetzen?“
Lachend antwortete Harry: „Ja, er sagte: ’Die sollen schwarz geworden sein’. Arthur meinte, die Iris wäre so schwarz wie die Pupille geworden. Allerdings weiß er das nur vom Hörensagen und da es ja schon länger keine Dementoren mehr gibt, die fürs Ministerium arbeiten, kann er als neuer Minister das nicht zu hundert Prozent bestätigen.“

Sich an seine vorherige Frage erinnernd ergriff Harry die Chance und sagte: „Ich dachte immer, wenn ein Dementor einen geküsst hätte, dass man dann tot wäre.“
„Nein“, warf Hermine selbstsicher ein, „man stirbt daran nicht. Man lebt ohne Seele weiter.“
„Wie soll das gehen?“, fragte Harry plötzlich sehr ernst.

Dieses Thema war ihm ein Gräuel, denn Sirius sollte damals von einem Dementor geküsst werden, nachdem man ihn gefangen genommen hatte.

Ron hörte auf zu essen und verzog angewidert das Gesicht, als er Hermine lauschte, die für die beiden mit trübsinniger Stimme erklärte: „Wird die Seele von einem Dementor ausgesaugt, dann bleibt eine lebendige Hülle zurück, ohne jegliche Gefühle oder Persönlichkeit. Man funktioniert noch, aber man ist innerlich tot. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie sich das anfühlen muss. Wahrscheinlich fühlt so jemand gar nichts mehr. Es ist einfach grausam und ich bin wirklich sehr froh, dass das Ministerium nicht mehr auf Dementoren zurückgreift. Egal was jemand für ein Verbrechen begangen hat, so etwas hat niemand als Strafe verdient.“
„Bin ich froh, dass wir Sirius davor bewahren konnten“, sagte Harry erleichtert. Er seufzte einmal, als hätte er eine schwere Last getragen, bevor er fragte: „Was hast du rausbekommen, Hermine?“

Es dauerte einen Moment, bis sie antwortete, denn in ihrem Kopf begannen sich schon wieder Fäden zu spinnen, die eine Tatsache mit der anderen kombinierten, um auf eine Lösung zu kommen. Letztendlich blickte sie auf das Buch vor sich und erzählte von ihrem Gespräch mit Sir Nicholas.

„Er hat gesagt, er hätte so eine farbliche Veränderung der Augen schon einmal bei jemandem festgestellt. Er war damals Schüler hier und war nach drei Jahren als Lehrer zurückgekommen, aber da waren die Augen noch normal. Sir Nicholas meinte, ein Jahr später wären seine Augen plötzlich von einem Tag auf den anderen dunkel geworden. Momentan versucht er, sich an das genaue Datum zu erinnern, aber…“
Ron warf ein: „Ja, wir haben ihn mit Sir Cadogan reden hören. Der Fast Kopflose Nick hat versucht, Erinnerungen an ein Gespräch wiederzuwecken, das wohl ziemlich lange zurückliegen muss, denn Sir Cadogan konnte sich nicht erinnern.“
Harry bemerkte, dass Hermine etwas schwer zu schaffen machte, weshalb er fragte: „Hat Sir Nicholas noch etwas gesagt?“
Sie blickte auf und schaute erst Ron, dann Harry eindringlich an, bevor sie sagte: „Er hat mir gesagt, wer der ehemalige Schüler war.“

Spannung lag in der Luft, aber niemand sagte etwas, während Hermine die Zeit nutzte, um einmal tief durchzuatmen. Sie wollte ihren Freunden antworten und begann: „Es war…“
Wie aus der Pistole geschossen vollendete Harry den Satz mit den Worten: „Severus Snape!“

Nachdem jeder für sich die Information über verdunkelte Augen von Gefangenen in Askaban und dem, was Hermine über Sir Nicholas’ Beobachtung erzählt hatte, verarbeitet hatte, sagte Ron als Erster: „Ich sehe da aber keinen Zusammenhang zwischen Snape und einem Dementor-Kuss. Das passt nicht!“
Harry gab Ron Recht und sagte: „Ich glaub auch nicht, dass diese beiden Dinge miteinander in Verbindung stehen könnten, Mine. Glaubst du das etwa?“
„Ja, warum denn nicht? Was, wenn Snape von einem Dementor geküsst worden…“
Harry unterbracht sie und sagte: „Du hast selbst eben gesagt, dass eine lebendige Hülle zurückbleibt, ohne jegliche Gefühle oder Persönlichkeit.“
„Da muss ich jetzt Harry Recht geben, Hermine. Ich mache das ungern, aber ich muss Snape an dieser Stelle verteidigen. Er hat definitiv eine Persönlichkeit, wenn auch nicht die beste“, sagte Ron, bevor er ein Gesicht verzog.
„Ja“, warf Harry ein, „Snape hat Charakter! Zwar keinen vorbildlichen, aber er zeigt Gefühle, selbst wenn die meist zorniger Natur sind. Er ist keinesfalls ohne Persönlichkeit. Er kann einfach nicht geküsst worden sein!“

Hermine lauschte den Meinungen ihrer beiden Freunde und sagte nach einer kleinen Denkpause: „Harry, du hast doch mal gesagt, dass Snape die meiste Zeit über deprimiert wirkt. Das könnte schon alles passen. Wenn ich so nachdenke, dann hat ein Dementoren-Kuss ähnliche Auswirkungen wie eine Lobotomie.“
„Eine was?“, fragte Ron verdutzt, während Harry nur angeekelt das Gesicht verzog, denn er wusste, wovon Hermine sprach.
Aufgrund von Rons Frage erklärte sie: „Das ist eine ’Behandlungsmethode’ bei Muggeln gewesen. Man hat“, sie schämte sich sichtlich für ihre Mitmuggel, „auffällige Personen dieser Behandlung unterzogen, sehr häufig gegen ihren Willen. Ich meine, das waren oft Menschen, die aus heutiger Sicht gar nicht als krank diagnostiziert werden würden, wie zum Beispiel Homosexuelle, Kommunisten und“, sie stockte wieder und atmete zitternd aus, „sogar hyperaktive Kinder.“
Rons Augen wurden ganz groß, als er fragte: „Und was hat man bitteschön mit denen gemacht?“
Sie musste kräftig schlucken, bevor sie erklärte: „Man dachte früher, man könnte sie heilen, indem man die graue Substanz des Kortexlappens schädigt oder auch die weiße Substanz des Zentralnervensystems. Man hat ihr Gehirn absichtlich geschädigt, Ron. Zurück blieben Patienten mit Persönlichkeitsveränderungen. Emotionalität und Antrieb blieben völlig auf der Strecke. Die Patienten waren danach gefühlsgestört und…“

Sie konnte nicht weiterreden, weil sie das Thema momentan zu grauenvoll fand, um sich jetzt damit beschäftigen zu wollen.

Die ganze Zeit über hatte Ron ihren Ausführungen mit verzogenem Gesicht gelauscht, bis er am Ende angewidert sagte: „Die Muggel sind echt krank!“
Hermine konterte aufgebracht: „Ach ja? Die Muggel haben vor zwei Jahrzehnten damit aufgehört, während in der Zaubererwelt noch vor wenigen Jahren auf Dementoren-Küsse gesetzt wurde, deren Auswirkungen ja wohl nicht gerade viel besser sind!“
„Hey, hey… wir wollen keinen Streit entfachen“, sagte Harry mit hochgehaltenen Händen, mit denen er beschwichtigen wollte. „Es stimmt schon, dass die Auswirkungen eines Dementoren-Kusses und die einer Lobotomie große Ähnlichkeit aufweisen. Beides ist genauso grauenvoll!“

Ron hielt es weiterhin nicht für möglich, dass Snape einem Dementor ausgesetzt gewesen sein könnte. Bevor Hermine etwas sagen würde, nahm Ron ihr den Wind aus den Segeln und sagte: „Du hast selbst von seinen Gefühlsausbrüchen erzählt, Mine. Die waren ja nicht immer zorniger Art. Harry hat so etwas bei ihm ja auch erlebt. Nein, Snape kann unmöglich von einem Dementor geküsst worden sein, wenn er so dermaßen emotional reagieren kann.“

Es schien, als würde Hermine nicht zuhören, denn ihr Blick fiel auf das Buch, das vor ihr lag, und sie schürzte ihre Lippen, was Harry glauben ließ, sie würde momentan so sehr nachdenken, dass sie nichts anders mehr wahrnehmen würde.

Unerwartet stoppte sie Rons geäußerte Anmerkungen mit einer Handbewegung, bevor sie in die Runde fragte: „Seit wann hat er eigentlich diese Gefühlsanwandlungen? Ich meine, früher war er ja auch immer reserviert und kaum aus der Ruhe zu bringen. Seit wann ist das so anders?“

Die beiden Kumpels schauten sich fragend an, bis jeder für sich nachdachte und Harry als Erster erklärte: „Na ja, früher ist er bei mir zweimal richtig ausgerastet. Das eine Mal wegen dem Denkarium und das andere…“
„Wieso? Was war denn mit dir und einem Denkarium?“, fragte Ron mit zusammengezogenen Augenbrauen.
„Erzähl ich dir später, Ron“, sagte Harry, bevor er sich wieder an die beiden wandte. „Das zweite Mal war am Ende des sechsten Schuljahres, wo er mit Draco abgehauen ist und ich ihm hinterhergelaufen bin. Ich hatte ihn ’Feigling’ genannt.“
„Ach, jetzt verstehe ich, was du mit ’Ich habe ihn einmal einen Feigling genannt’ während deiner Rede bei der Ordensverleihung gemeint hast. Warum hast du das vorher nie erzählt?“, warf Ron ein wenig enttäuscht ein.
„Ich war nicht stolz drauf, ihn so genannt zu haben. Er hat mir immerhin den Hinweis gegeben, ich solle endlich lernen, meinen Mund zu halten und meine Gedanken zu verschließen. Ein paar Tage, nachdem die beiden verschwunden waren, habe ich erst angefangen mich zu fragen, warum er mir als ’Verräter’ noch solche Tipps gegeben hatte… aber wir driften ab. Bei der Denkarium-Sache hätte er mir fast eine gescheuert und nachdem ich ihn Feigling genannt hatte, da ist ihm die Hand tatsächlich ausgerutscht.“

Hermine zuckte einmal mit den Schultern und sagte verteidigend: „Passiert selbst den besten Pädagogen, auch wenn so eine Ohrfeige natürlich niemals gutzuheißen ist. War offensichtlich eine Überreaktion, weil er mit der Gesamtsituation völlig überfordert war und im Nachhinein ist es auch verständlich. Snape und Draco waren gerade dabei, sich gegen Voldemort zu stellen – das ist schon ein schwieriger und riskanter Schritt gewesen – und da kommst du auch noch und nennst ihn einfach Feigling. Ich hätte dir in unter solchen Umständen wahrscheinlich auch eine Ohrfeige gegeben.“
Harry zog beide Augenbrauen in die Höhe, bevor er witzelte: „Danke, gut zu wissen, Mine!“

Einen Moment lang grübelte Ron noch nach, bevor er sagte: „Mir gegenüber ist er nie ausgerastet. Selbst als ich damals gesagt hatte, Snape könnte sowieso niemand leiden und er das gehört hat, da ist er völlig ruhig geblieben.“
„Wann soll das denn bitte gewesen sein?“, fragte Hermine mit zusammengezogenen Augenbrauen, weil sie sich an so eine Situation gar nicht erinnern konnte.
Harry antwortete an Rons Stelle, als es ihm plötzlich einfiel: „Ach ja, das war Anfang des zweiten Schuljahres. Ron und ich sind doch mit dem Auto nachgekommen und wir haben durch die Fenster in die große Halle geschaut. Uns ist aufgefallen, dass Snape nicht da war und da haben wir Witzchen gemacht, von wegen, dass er ja vielleicht krank ist oder er möglicherweise gefeuert worden ist, weil ihn ja eh keiner ausstehen kann.“
Ron nickte und erzählte zu Ende: „Und dann haben wir seine Stimme hinter uns gehört und er sagte“, Ron verstellte seine Stimme, um wie Snape zu sprechen, “’Vielleicht wartet er darauf, von euch zu hören, warum ihr nicht mit dem Schulzug gekommen seid?’. Mann, hab ich mich da vielleicht erschrocken. Der muss alles gehört haben! Das war mir irgendwie peinlich…“

Nervös tippte Hermine mit ihren Fingern auf dem Buch herum, bevor sie ihre ursprüngliche Frage wiederholte: „Seit wann also hat er diese Gefühlsausbrüche, mit denen Harry und ich jetzt klarkommen müssen?“
Harry biss sich auf die Unterlippe, während er überlegte und dann fiel es ihm ganz wie aus heiterem Himmel ein: „Ja, natürlich! Das ist seit Voldemorts Tod so. Das allererste Mal war es gleich nach dem Sieg, als Dumbledore aufgetaucht ist und Severus sogar weinen musste.“
„Er hat geweint? Habe ich gar nicht mitbekommen“, sagte Ron, der damals vor Hogwarts zusammen mit seiner gesamten Familie und natürlich Hermine an Harrys Seite gekämpft hatte.
„Er wollte es ja auch unterdrücken, aber ich hab’s gehört und gesehen. Er war hin und weg, völlig zerrissen von seinen Gefühlen“, erklärte Harry mit leiser Stimme.

Mit einem überlegenen Gesichtsausdruck fragte Hermine: „Harry? Kann es sein, dass seine jetzigen Gefühlsausbrüche überwiegend in deiner Nähe stattgefunden haben?“ Als er nicht antwortete, zählte sie auf: „Überleg doch mal: Gleich nach Voldemorts Tod, dann der Tag vor der Wiedereröffnung von Hogwarts, wo er dir das erste Mal einen Hinweis auf das gegeben hat, was zwanzig Jahre zurückliegen soll. Dann noch, als er sauer war und dir den Hund überlassen hat. Das mit deiner Babydecke, der Streit mit Sirius und Remus und als er dich in der Nacht von Nicholas’ Geburt ans Schlafittchen genommen hat!“
Harry konterte im Gegenzug: „Und wie war das bei dir, als er sagte, deine Freundschaft würde ihm viel bedeuten und dann noch als er dir das Angebot zur Schülerin gemacht hat oder ’dein persönlicher Denkarium-Vorfall’?“
„Sechs zu drei für Harry!“, sagte Ron wie der Moderator eines Quidditch-Spiels.
Sich kurz räuspernd schilderte Hermine: „Na ja, da waren bei mir noch Kleinigkeiten – nichts Weltbewegendes. Einmal war er so durcheinander, dass ihm fast ein Fehler beim Brauen unterlaufen wäre. Das war aber, weil er wegen seines gestohlenen Traums so fertig war. Da fällt mir ein: Wir wollten doch ein Denkarium beschaffen! Hast du deinen Dad schon gefragt, ob wir ein Denkarium im Ministerium benutzen dürfen, Ron?“
„Ja, hab ich, aber wir dürfen da nicht ran. Das wird für Verhöre und Verhandlungen benutzt, aber Angelina meinte, sie würde jemanden kennen und sie fragt dort mal nach“, antwortete er.
Hermine verzog unmerklich das Gesicht bei der Erwähnung von Angelina, was offensichtlich nur Harry bemerkte, bevor sie sagte: „Okay, sag Bescheid, wenn du was klarmachen konntest.“ Sie seufzte einmal, bevor sie zusammentrug: „Dann ist Snape also seit Voldemorts Tod anders!“
Harry zuckte mit den Schultern und gab zu bedenken: „Na ja, wir wissen ja nicht, wie er in den fünf Jahren drauf war, als er mit Draco unterwegs war. Man könnte Draco mal fragen…“
„DU könntest Draco mal fragen, Harry!“, sagte Ron bestimmend. Erklärend fügte er hinzu: „Ich kann mich mit ihm höchstens über Quidditch unterhalten, aber nicht mehr.“
Hermine äußerte ihre Bedenken, indem sie ironisch sagte: „Fällt auch gar nicht auf, wenn Harry mal eben Draco über Snape ausfragt, wo er doch sonst so selten mit ihm spricht. Draco wird das eventuell an Snape weitergeben und der wird dann nur noch mehr die Schotten dicht machen. Nein, das lass mal lieber sein, Harry! Wir gehen jetzt mal davon aus, dass Snape seit Voldemorts Ableben anders ist. In seinem Traum zeigen sich ja bereits etliche Veränderungen, die sein Leben betreffen, wenn ich mal laienhaft eine Traumdeutung aus dem Stegreif machen darf.“

Hermine lenkte das Gespräch nochmals auf ihre Vermutung, Snape könnte in seinem Leben von einem Dementor angefallen worden sein. Hier begannen ihre beiden Freunde wieder mit Gegenargumenten, denn sie hatten Hermine nur von den Auswirkungen eines Dementor-Kusses erzählen wollen, damit sie noch andere Ideen bekäme.

Eine Weile hörte sich Hermine die Argumente ihrer Freunde noch an, bevor sie sich nach vorn beugte und flüsterte: „Aber was wissen wir denn schon über die Küsse von Dementoren?“ Sie blickte Harry und Ron einmal in die Augen, bevor sie leise sagte: „Außerdem sind Snapes Augen ja auch nicht völlig schwarz, das waren sie nie! Sie sind nur extrem dunkelbraun – nur ’fast’ schwarz. Ich habe jedenfalls immer noch die Pupille sehen können. Und Nick hatte ja gesagt, dass die Augen von Snape – als er hier schon als Lehrer gearbeitet hat – von einem Tag zum anderen so dunkel geworden waren wie wir sie alle kennen.“
„Was heißt das jetzt wieder?“, fragte Harry, den langsam ein seltsames Gefühl beschlich, so dass ihm eine Gänsehaut den Rücken hinunterlief.
„Was, wenn jemand den Dementor vertrieben hat? Was, wenn der Dementor die Seele schon teilweise vertilgt hat und Snape jetzt nur noch einen kümmerlichen Rest seiner Selbst in sich birgt?“, erwiderte sie flüsternd.
Harry schüttelte sich bei diesem Gedanken, bevor er noch leiser fragte: „Ist das denn überhaupt möglich?“
Sie zuckte gleichgültig einmal mit den Schultern, bevor sie sich wieder gerade hinsetzte und in normaler Lautstärke erwiderte: „Keine Ahnung, ist nur eine Theorie von mir.“
„Du und deine Theorien, Hermine. Du bist echt gruselig, weißt du das?“, warf Ron ihr vor. Dann stellte er eine eigene Theorie auf: „Wenn ein Dementor eine Seele aussaugt, dann doch wohl im Stück oder nicht? Ich meine, warum sollte er sie zerreißen, wenn er sie ganz verschlingen kann? Seine Seele zerreißt man doch nur, wenn man einen Horkrux herstellen will, aber sonst…?“
Schnippisch konterte Hermine: „Hast du etwa ein ’O’ in der Haltung und Pflege von Dementoren oder warum willst du so gut über deren Essgewohnheiten Bescheid wissen? Nicht einmal ich weiß, ob Dementoren von einer Seele“, sie suchte ein Wort, „Stückchen ’abbeißen’ können, um länger etwas davon zu haben oder ob sie sie immer nur gierig im Stück verschlingen.“
Harry schaltete sich ein und sagte: „Hey, bitte… nicht streiten ja?“
Zeitgleich sagte Ron und Hermine mit einer Unschuldsmiene: „Wir streiten doch überhaupt nicht.“

Einen Moment schoss Harry die Erinnerung daran durch den Kopf, als er bei Ginny vor dem Krankenhauszimmer gestanden hatte und er Severus über den Geburtsverlauf ausfragen wollte. Er erzählte das seinen beiden Freunden und sagte am Ende: „Ich habe ihm vorgeworfen, dass er wohl nie eine Freundin gehabt hätte, denn sonst würde er verstehen, warum ich mich so um sie und das Kind sorge.“
„Oh, das ist so süß von dir, Harry!“, sagte Hermine strahlend.
„’Süß’ fand er das gar nicht. Der ist mir an den Kragen gegangen. Er war so dicht bei mir, dass ich seine Augen ganz genau vor mir sehen konnte… dunkel und finster, aber ich hatte keine Angst und habe ihm gesagt, dass ich Ginny liebe und…“
„Oh Harry, das ist…“
„Hermine! Lass den Mann bitte mal ausreden, ja? Ist ja schlimm, dieses Geschmachte.“ Ron wandte sich Harry zu und bat vorgetäuscht ernst: „Erzähl einfach weiter und ignoriere alle ’Oh, wie süß.’, damit wir hier mal vorankommen!“

Nur kurz wurde Harry von einem Lachanfall gepackt, bevor er weitererzählte: „Als ich da so von Ginny geschwärmt habe, von Liebe gesprochen habe, da sind seine Augen – vor meinen Augen – plötzlich wieder heller und wärmer geworden, aber nur solange, wie ich geredet habe. Habe ich aufgehört, sind sie wieder langsam schwarz geworden. Das ist im Nachhinein richtig gruselig.“
„Natürlich ist das gruselig. Wir sprechen ja auch von Snape!“, erklärte Ron plump.
Harry erwähnte noch: „Ach ja, er ist dann sehr früh morgens zu mir gekommen und hat gesagt, es wäre ein Junge und beide wären gesund.“
Ron fiel vor lauter Staunen die Kinnlade beinahe auf den Tisch, bevor Hermine leise erklärte: „Das hätte Snape gar nicht gedurft, Harry. Indem er dir das gesagt hat, hat er ein großes Risiko auf sich genommen, ist dir das überhaupt klar?“

Nickend stimmte Ron ihr zu und erklärte, es hätte mit dem Gesetz zum Schutz der Mutter und des Neugeborenen zu tun.

„Wow… das macht mich jetzt wirklich sprachlos“, brachte Harry heraus, bevor er zu grübeln begann, denn warum sollte Severus sich so einer Gefahr aussetzen, nur um ihm einen Gefallen zu tun?

Möglicherweise, dachte Harry, hatte Severus ihm nur Bescheid gegeben, weil er ihn bei Hermine in der Bibliothek erwischt hatte. Er wollte das seinen Freunden heute unbedingt erzählen, aber Schuldgefühle wollten sich in ihm breit machen. Severus hatte ihm die Neuigkeiten in Bezug auf die Geburt überbracht, obwohl es ihm nicht erlaubt gewesen war. Womöglich erwartete Severus als Gegenleistung, dass er dafür den Mund halten würde?

Harry seufzte, bevor er sich zusammenriss und sagte: „Neulich, wo ich dich in der Bibliothek hier besucht habe… Na ja, mein Elf hatte dir ja dein Eis gebracht und…“
Harry wurde von Hermine unterbrochen, die ungläubig fragte: „Sag mal, petzt er jetzt auch noch?“
Er musste einmal schlucken, bevor er erklärte: „Ich war gerade beim Quidditch mit einigen Schülern, Mr. Svelte und…“
„Mr. Svelte habe ich kennen gelernt. Der ist ganz nett, findest du nicht?“, fragte Hermine grinsend.
Mit zusammengekniffenen Augenbrauen fragte Ron: „Wer bitteschön ist denn Mr. Svelte?“
Harry erklärte: „Das ist der neue Lehrer für die Pflege magischer Geschöpfe.“
„Ja, ein ganz hinreißender Mann ist das!“, schwärmte Hermine, die sich damit seltsame Blicke von ihren beiden Freunden einfing.
Harry zuckte mit den Schultern und meinte: „Ich finde ihn etwas komisch. Der schaut mich manchmal so seltsam an.“
„Du bist Harry Potter, Alter! Natürlich glotzt der erstmal ’ne Runde, bis er sich sicher sein kann, dass er tatsächlich dein Kollege sein darf!“, versuchte Ron zu erklären. Kleinlaut fügte er hinzu: „Er trägt aber keinen Turban oder so?“ Schnaufend vor Lachen verneinte Harry.
„Mr. Svelte ist wirklich sehr nett. Er hat mir erzählt, dass er Kniesel Zuhause züchtet und ein Weibchen wirft wohl bald. Mal sehen… vielleicht schenkt er mir ja ein Junges?“, hoffte Hermine, die gleich darauf in den Eisbecher starrte und bereute, nur einen Becher mitgenommen zu haben und den auch noch mit dem Nimmersatt Ron geteilt zu haben.
„Was ich eigentlich erzählen wollte, war…“
Wieder wurde Harry unterbrochen, den Ron schlug ihm auf die Schulter und sagte: „Klar, wir waren beim Quidditch! Warst du Sucher? Dann habt ihr sicher gewonnen.“

Harry lachte, während er sich überlegte, warum es für ihn so schwer war, Hermine einfach mitzuteilen, dass Severus sie beobachtet hatte. Stattdessen erklärte er Ron, dass er den Hüter mimen musste und dabei eine ziemlich erbärmliche Figur abgegeben hatte.

„Ja, das glaube ich dir aufs Wort, Harry. Du bist einfach kein Hüter, du bist ein geborener Sucher! Vielleicht können wir ja irgendwann mal einige Leute zusammentrommeln, uns ein Quidditch-Feld mieten und dann…“
„Ron? Hier muss ich jetzt mal unterbrechen. Es geht hier nicht um Quidditch!“, sagte Hermine streng.
„Ja, Hermine hat Recht, aber auf deinen Vorschlag, Ron, werde ich zurückkommen!“, sagte Harry lächelnd und mit dem Zeigefinger kurz auf Ron deutend.

Er seufzte nochmals, denn langsam näherte er sich dem unangenehmen Thema. Würde Hermine ausrasten, wenn sie erfahren würde, was Harry beobachtet hatte? Würde sie aufspringen und auf der Stelle Severus aufsuchen, um ihn zur Rede zu stellen?

„Also, ich schwebe da vor meinem Tor und plötzlich erscheint Wobbel und…“
Nach einem kurzen Plop erschien Wobbel, der immer auftauchte, wenn Harry seinen Namen laut sagte, und er fragte: „Sie haben mich gerufen, Mr. Potter?“
Bevor Harry verneinen konnte, sagte Hermine: „Ach Wobbel, schön dass du da bist. Kannst du mir noch so ein“, sie zeigte ihm den Becher, „Eis vorbeibringen? Das wäre zu lieb von dir!“

Sie lächelte ihn so breit an, dass ihm nichts anderes blieb, als fröhlich zurückzulächeln. Mit einem weiteren Plop verschwand er wieder.

„Ja“, fuhr Harry fort, „so muss es beim letzten Mal auch gewesen sein, nur das er nicht gleich dein Eis geholt hat, sondern zu mir gekommen ist!“
„Wie jetzt? Um zu petzten, dass ich Eis in der Bibliothek esse?“, fragte Hermine in dem Moment, als Wobbel mit einem neuen Becher auftauchte, ihn auf dem Tisch abstellte und danach wieder verschwand.
„Nein, Hermine. Er hat mir gesagt… Er meinte… Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, ohne dass du dabei austickst“, sagte Harry verzweifelt.
„Aber ich tick doch nicht aus, Harry“, sagte Hermine mit einem aufgesetzten Engelsgesicht.
Ron veralberte sie und sagte: „Nein, nie und nimmer! Du doch nicht, Hermine. Frag mal Malfoys Unterkiefer, was der dazu sagt.“

Er spielte auf eine Situation in der dritten Klasse an, als Hermine Draco eine gepfefferte Ohrfeige verpasste, nachdem er sie zu sehr provoziert hatte.

„Okay! Ron, Harry: Ich verspreche, dass ich nicht ’austicken’ werde, wie ihr euch auszudrücken pflegt“, sagte sie mit ruhiger Stimme.
Die Gunst der Stunde nutzte Harry, indem er schnell hintereinander sagte: „Severushatdichbeobachtet!“
Es klang eher, als hätte er geniest, weshalb Ron und Hermine zeitgleich nachfragten: „Was?“
Tief Luft holend wiederholte Harry: „Severus hat dich beobachtet!“ Beide starrten ihn an, als würden ihm Hörner aus der Stirn wachsen, so dass er erklärte: „Wob… Mein Elf gleich hat mich auf dem Quidditch-Feld aufgesucht und mir gesagt, dass jemand in der Bibliothek hinter meiner besten Freundin stehen würde und…“
Hermine sprang ängstlich von ihrem Platz auf und blickte hinter sich. Dort stand ein Bücherregal und…
„…als ich hergekommen bin, um nachzusehen, da habe ich ihn hinter dem Bücherregal stehen sehen. Er muss meine Anwesenheit bemerkt haben, weil er sich zu mir umgedreht hat und…“, schilderte Harry innehaltend, weil Hermine plötzlich ganz aufgeregt war, was er gut nachvollziehen konnte.

Mit einer Hand vor dem Mund blickte sie erst hinter das Regal, dann auf ihre Freunde, bevor sie die Hand wieder entfernte. Sie wollte Fragen stellen, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt, so dass Harry von sich aus erzählte: „Es war ihm unangenehm, dass ich ihn ertappt habe. Ich fand es einfach seltsam, ihn hier stehen zu sehen, aber viel seltsamer waren seine Augen, Hermine. Du kannst dir bestimmt denken, was ich meine?“ Er brauchte gar nicht zu sagen, dass die Augen des Professors in dem Moment wieder braun gewesen waren, weswegen sie lediglich verschreckt nickte.

Mit zitternden Fingern riss Hermine die Schutzbeschichtung des neuen Eisbechers ab, während sie derweil hörbar laut atmete. Ihr Unterkiefer spannte und entspannte sich. Allgemein war ihr anzusehen, dass sie sehr aufgeregt und wütend war, aber sie hatte ja versprochen, nicht in die Luft zu gehen.

Ihre Stimme bebte, als sie zu ihren beiden Freunden gezwungen ruhig sagte: „Okay, ich spioniere ihn aus, er spioniert mich aus – ist nur fair, oder?“ Sie lachte hysterisch auf, bevor sie mit drohender Stimme versprach: „Ich werde jetzt härtete Geschütze auffahren, Jungs. Der wird mich noch richtig kennen lernen!“ Gleich darauf stach sie mit dem Löffel tiefe Furchen auf die Oberfläche des Eises, so dass Ron laut schlucken musste. „Taut so schneller auf…“, sagte sie verlegen lächelnd, während Harry und Ron mit großen Augen auf das malträtierte Eis starrten, welches momentan Ähnlichkeit mit einem gepflügten Acker hatte.

„Ich glaube, es ist an der Zeit, dass Snape jetzt wirklich mal mit meiner von ihm so gelobten Hartnäckigkeit konfrontiert wird, denn ich werde einen Weg finden, dass er meinen Farbtrank zu sich nimmt! Und ich werde auch herausbekommen, ob er von einem Dementor geküsst worden ist!“, sagte sie drohend.

Ron schluckte mehrmals, bevor er wagte zu sagen: „Sei mir nicht böse, Mine, aber verrenn dich da nicht in etwas. Ich glaube nicht, dass Snape von einem Dementor geküsst worden ist. Er ist halt nur ein sarkastischer Bastard und von mir aus jetzt auch noch ein krankhafter Voyeur, aber er ist kein bemitleidenswertes Opfer eines Dementors.“
„Ich habe da eine Idee!“, sagte Hermine mit böse funkelnden Augen.
Stöhnend sagte Ron: „Oh Merlin, ich mag es nicht, wenn du in so einem Zustand Ideen hast.“
Harry hingegen forderte: „Schieß los!“

Sie schnappte sich das Eis, nahm einen Löffel und erklärte dann: „Du hast doch deinen Irrwicht in Snapes Büro gelagert.“ Harry nickte, so dass Hermine fortfuhr: „Ich werde mal sehen, ob ich es hinbekomme, seinen Irrwicht in Erfahrung zu bringen. Wenn der nämlich…“
Ron unterbrach lauthals und meckerte: „Hast du ’nen Knall? Der wird dir dafür den Hals umdrehen!“
Hermine schnaubte nur und erklärte: „Ich mach es doch nicht offensichtlich. Eher so, dass ich gegebenenfalls heroisch als Retter einschreiten kann, wenn er zu schockiert sein sollte.“
Harry war von Hermines Idee gar nicht begeistert und sagte aufgebracht: „Ich will nicht, dass Severus am Ende doch noch einen Herzinfarkt bekommt. Ist es denn wirklich notwendig zu wissen, welche Gestalt sein Irrwicht annimmt?“
„Natürlich ist das wichtig! Wenn meine Theorie stimmt, dass er einem Dementor ausgesetzt gewesen sein könnte, dann wäre es höchstwahrscheinlich, dass dieses Erlebnis seine größte Angst darstellt und sein Irrwicht würde das bestätigen, wenn der die Gestalt eines Dementors annehmen würde – oder halt dementieren, wenn er eine andere Gestalt annehmen sollte. Ihr wisst ja noch sicher, wie Snape in der Heulenden Hütte zu Sirius gesagt hatte, dass es einem den Verstand rauben würde, so einem Kuss nur zuzusehen, aber er meinte, er könne sich zusammenreißen. Warum hat er das wohl gesagt?“

Ron und Harry schauten einen Moment lang verdutzt drein.

„Bei Merlin, so was merkst du dir?“, fragte Ron plötzlich ungläubig.
„Ich hab mir auch gemerkt, dass du in der dritten Klasse über meinen möglichen Irrwicht gesagt hattest, er wäre vielleicht eine Hausaufgabe, für die ich nur neun von zehn möglichen Punkten bekommen hätte“, konterte Hermine vorwurfsvoll. Nachdem Ron sich nicht dazu geäußert hatte, sagte sie: „Noch eine Frage?“
„Ich sage nichts mehr ohne meinen Anwalt“, erwiderte Ron witzelnd. Dann seufzte er einmal, bevor er fragte: „Ist euch noch nie die Idee gekommen, dass man ihn vielleicht einfach mal fragen könnte?“

Harry und Hermine blickten ihn völlig entgeistert an, als hätte er eben eine Schnecke ausgespuckt, ohne es selbst zu bemerken.

„Das wird nicht möglich sein!“, erklärte Hermine.
Ron schnaufte einmal und sagte dann: „Also bitte… Warum denn nicht? Man geht hin zu ihm und sagt ’Hi Snape, hübscher Flubberwurm, den Sie da haben. Wo wir gerade bei schmierigen Kreaturen sind: Warum sind Sie neulich ausgeklinkt, als Sie Harrys Babydecke gesehen haben?’’“
Seine Freunde blickten ihn aus großen Augen an, bevor Harry bierernst sagte: „Okay, Ron. Diese Aufgabe übernimmst dann du, während ich Remus wegen der Dementoren frage und Hermine…“
„Mohomentmal! Ich kenne ihn am wenigsten von uns dreien. Wäre besser, wenn einer von euch…“
Hermine unterbrach Ron und sagte: „Harry und ich haben mehr als einmal erfahren müssen, dass Snape einen völlig abblockt, wenn man tiefgehende Gespräche führen möchte – oder er wird gleich skeptisch und gibt nur unzureichende Antworten. Nein, ihn zu fragen können wir vergessen! Das würde ihn nur noch mehr in die Abwehr zwängen.“
„Ja Ron, da hat Hermine leider Recht. Mit Severus zu sprechen ist nicht leicht, wenn es nicht auf oberflächlicher Basis geschieht. Ich glaube, es ist so, wie Mine es mal gesagt hat: Je näher wir seinem Geheimnis kommen, desto defensiver wird seine Haltung uns gegenüber. Denk doch mal an die Sache mit dem Denkarium und wie er Mine fertiggemacht hat!“, stimmte Harry ihr zu.
„Ja danke, erinnere mich bloß nicht nochmal daran!“, meckerte sie kurz zurück.

Selbst wenn Harry die Idee mit dem Irrwicht im ersten Moment für abwegig hielt, so war er jedoch allein von der Tatsache, dass seine schlaue Hermine diese Theorie erdacht hatte, nicht mehr ganz so ungläubig wie zu Beginn. Hermine dachte über viele Ecken, so dass Ron und er oftmals nicht mit ihr mithalten konnten. Ihre Theorie könnte sich also durchaus bestätigen, nur weil sie sie erdacht hatte, weswegen er leise sagte: „Du kannst Recht haben. Natürlich kannst du Recht haben – du bist Hermine Granger!“ Er lächelte, bevor er jedoch mit bedrückter Miene sagte: „Sei mir nicht böse, Hermine, aber das mit Severus und dem Irrwicht machst du alleine. Selbst wenn du Recht haben solltest finde ich, dass es zu sehr in seine Privatsphäre eingreift, seinen Irrwicht in Erfahrung bringen zu wollen. Du hast ihn selbst erlebt, wie er sein kann, wenn man seinen persönlichen Dunstkreis strapaziert. Ich möchte mich da raushalten, denn es ist immerhin ’mein’ Irrwicht da in dem Schrank.“

„Feigling“, sagte sie frech lächelnd. Offenbar hatte Hermine mit keiner Hilfe gerechnet und womöglich hatte sie auch schon einen Plan. „Harry? Das ist die Chippendale Truhe, die in seinem Büro steht?“ Nachdem er genickt hatte, sagte sie: „Ich werde da was deichseln. Ich lock ihn irgendwie aus dem Büro raus, öffne die Schublade ein wenig und wenn er wieder reinkommt, ist er der Truhe am nächsten. Ich werde dann heldenhaft zu Hilfe eilen, wenn er den Irrwicht selbst nicht erledigen kann“, sagte Hermine, doch dann seufzte sie.

„Mein Gott, ich höre mich wirklich gemein an oder?“ Lachend nickten Harry und Ron. Eher zu sich selbst sagte Hermine noch: „Ich hoffe, das ist alles zu seinem Besten!“


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