von Muggelchen
„Guten Morgen!“, sagte Harry freudestrahlend, als er das Wohnzimmer betrat und seine beste Freundin grüßte, die sich gerade auf dem Sofa liegend streckte. Nachdem sie zurückgegrüßt hatte, fragte er: „Wie geht’s dir heute?“
Hermine fasste sich an den Kopf. Ihr war nur noch etwas schwummrig, weshalb sie antwortete: „Geht schon. Ich fühle mich jedenfalls viel besser als gestern.“ Die Erinnerungen an den Vortag kamen zurück, weshalb sie sich eine Hand über die Augen legte und sagte leise: „Ich hätte dabei draufgehen können.“
Ihre Hand fand wie von allein den Weg zu dem seidenen Tuch, welches Professor Snape ihr gestern nach dem Auftragen des Pulvers wieder um den Hals geschlungen hatte.
„Zeig mal“, sagte Harry, während er schon an dem Knoten des Tuches zurrte. Er betrachtete die freigelegte Wunde und bemerkte: „Wow, die Wunden sind kaum noch zu sehen. Ist eigentlich nur noch ein großer blauer Fleck.“ Um sie aufzumuntern, fügte er noch schäkernd hinzu: „Sieht aus wie der Knutschfleck von einem Bergtroll.“
„Wahnsinnig witzig, Harry“, entgegnete sie etwas übel gelaunt, doch sie musste letztendlich über diesen Kommentar schmunzeln.
„Snape hat gesagt, ich soll das Pulver heute nochmal über die Wunde streuen. Kannst du mir damit helfen?“, fragte sie.
In null Komma nichts hatte Harry die Wunde mit dem gelben Pulver bedeckt und er konnte fast dabei zusehen, wie sich die winzigen Bissstellen noch weiter zusammenzogen.
„Gehen wir in der großen Halle frühstücken oder lieber…“
Er wurde unterbrochen, als sie aufgeschreckt sagte: „Hier!“
Sie wollte niemanden sehen und schon gar nicht jemanden von gestern. Harry nickte nur und rief Wobbel, um ein Frühstück zu ordern.
„Einen schönen guten Morgen, Miss Granger“, grüßte der Elf sie lächelnd, aber sie konnte sehr wohl den mitleidigen Blick in seinen großen Augen ausmachen.
Sie grüßte den Hauself, bevor sie eine Hand an ihren Hals führte und ihm versicherte: „Das sieht schlimmer aus als es ist.“ Wobbel nickte erleichtert, nahm die Bestellung für das Frühstück entgegen und verließ das Wohnzimmer. „Sag mal, Harry. Jetzt, wo die Hauselfen uns nicht mehr bespitzeln, da könntest du Wobbel doch etwas Kleidung schenken.“
„Ich… ähm… Weißt du, Mine, ich mag ihn. Ich hab ihn richtig gern! Ich glaube, ich möchte, dass er bei mir bleibt“, sagte Harry, der darauf geachtet hatte, nicht zu sagen, dass er Wobbel wie ein Haustier „behalten“ wollte.
Harry hatte so eine komische Vorahnung und die bestätigte sich, als Wobbel das Frühstück brachte, denn Hermine begann damit, den Elf auszufragen; zu fragen, wie Harry ihn behandelte, ob Wobbel Spaß an seiner Arbeit hätte, ob er sich selbst bestrafen würde oder ob er sogar lieber frei wäre.
Wobbel versicherte ihr, dass Harry ein vorbildlicher Meister wäre und er ihm jegliche Selbstbestrafung verboten hatte. Harry würde ihm viel zu viel Freizeit schenken, mit der er kaum etwas anzufangen wusste und aus Wobbels Mund klang das fast schon wie eine Beschwerde. Überlegen grinste Harry seine Freundin an, die den Elf weiterhin ausfragte.
Bei einer Frage druckste Harrys Elf jedoch herum und zwar, als es um seine Kleidung ging. Bisher war Wobbel in einen Fetzen Stoff gewickelt, ähnlich einer Toga, und aufgrund Hermines penetrantem Gefrage gab der Elf zu, dass seine „Kleidung“ ihm nicht gefallen würde, aber er versicherte, dass dies nur ein unbedeutender Punkt wäre, der nicht im Geringsten seine Beschäftigung für Harry beeinträchtigen würde. Nach zehn Minuten stoppte Harry die Befragung, weil er endlich Wobbel erlösen und mit Hermine frühstücken wollte.
Beide hatten sich an dem üppigen Frühstück mit Rührei, gebratenen Würstchen und Speck, Toast bis zum Abwinken, Marmelade und Aufschnitt satt gegessen, bevor Harry sagte, er würde sich jetzt mit den verbleibenden Schülern die Zeit auf dem Quidditch-Spielfeld vertreiben.
„Willst du nicht erst Remus oder Tonks fragen, was nach dem Überfall von den Todessern noch geschehen ist? Ob vielleicht jemand verletzt wurde, den wir kennen?“, fragte Hermine.
„Nein, will ich nicht. Er wird sich schon melden. Die Medi-Magier waren gestern sehr schnell da und es war nur einer, der…“, Harry hielt inne und blickte zu Boden, weil er den Namen Caedes in Hermines Gegenwart noch nicht nennen wollte.
„Es gab einen Toten?“, fragte sie mit großen Augen, doch Harry nickte nur und gab ihr keine weiteren Informationen. Er reichte ihr den Seidenschal, den sie sich wieder um den Hals wickelte, um wegen des riesigen blauen Flecks keine Blicke auf sich zu ziehen.
„Was machst du heute?“, fragte Harry seine beste Freundin, die noch immer sehr geknickt war.
Sie zuckte mit den Schultern und antwortete: „Ich weiß nicht. Ich könnte hier bleiben und faulenzen.“ Harry blickte sie schon ganz schräg an, bevor sie lächelte und sagte: „Ach, was soll’s: Ich geh in die Bibliothek. Deine Farben habe ich noch nicht rausgesucht.“
Auf den Weg in den vierten Stock sah Hermine auf einem Gang schon von weitem Professor Flitwick mit zwei weiteren Lehrern, die sie nicht kannte, an einer Ecke stehen. Hermine bemerkte, wie ihre Wangen vor Scham rot glühen mussten, denn sie wurden ganz heiß.
Als sie sich ihm näherte, lächelte er sie an und grüßte freundlich, bevor er sagte: „Ich sehe, es geht Ihnen wieder wesentlich besser, Miss Granger. Ihre Wangen sind ganz rosig.“
Sie lächelte nur und nickte beschämt, bevor sie ihren Weg um die Ecke fortsetzte. Leise sagte sie zu sich selbst: „Natürlich sind meine Wangen rosig. Ich schäme mich ja auch in Grund und…“
„Miss Granger?“, hörte sie eine ihr mittlerweile vertraute, leise und tiefe Stimme sagen.
Sie drehte sich um und blickte Professor Snape ins Gesicht, bevor sie schluckte und gleich darauf sagte: „Guten Morgen, Professor Snape.“ Sie hoffte innig, dass er ihr Selbstgespräch nicht belauscht hatte.
„Ich ging davon aus, Sie würden den heutigen Tag nutzen, um sich auszuruhen“, sagte er mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton.
„Es geht mir schon wieder besser und ich werde mich auch ausruhen. Ich gehe nämlich in die Bibliothek und wenn es einen Ort gibt, an dem Ruhe herrscht, dann wohl dort!“, konterte sie etwas gereizt, denn sie wollte tatsächlich ihre Ruhe und dazu gehörte auch, von ihrem Professor nicht auf ihren gesundheitlichen Zustand angesprochen zu werden.
Er zog lediglich eine Augenbraue in die Höhe und musterte ihr errötetes Gesicht, danach den seidenen Schal, bevor er kühl entgegnete: „Wie Sie meinen, Miss Granger. Einen angenehmen Tag noch.“
In der Bibliothek wählte sie erneut ihren Lieblingsplatz am Fenster. Sie breitete ihre Unterlagen auf dem Tisch aus und holte sich per Levitation die Bücher, die sie zuvor schon wegen Rons und ihrer Farben konsultiert hatte. Sie bemerkte nicht den Schatten, der sich ihr näherte und an dem Bücherregal hinter ihrem Rücken Halt machte.
Severus konnte sich nicht erklären, was ihn dazu antrieb, seine Schülerin zu belauern, als würde er etwas Böses im Schilde führen, denn das war nicht seine Absicht. Er wollte nur hier stehen und ihrer Stimme lauschen und wenn er nebenbei noch etwas über ihre Recherche erfahren würde, wäre das ein netter Bonus. Doch anstatt laut zu lesen oder ihre Gedanken mitzuteilen, seufzte Miss Granger nur und fasste sich immer wieder an den Hals oder an die Stirn. Er fragte sich für einen Moment, ob sie sich womöglich nicht wohl fühlte. Würde sie jetzt zusammenbrechen, dachte er, wäre er zum Glück gleich zur Stelle und er überlegte sich jetzt schon eine Ausrede für sein „zufälliges“ Erscheinen in der Bibliothek.
Miss Granger las still, was ihn sehr ärgerte. Die anderen beiden Male konnte sie ihren Mund kaum halten, aber heute war ihr nicht danach. Wieder seufzte sie, bevor sie endlich etwas sagte. Severus strengte sich an, um ihre Worte zu hören und er hörte sie sagen: „Ich wünschte, Wobbel wäre hier…“
Plötzlich erschien Harrys Hauself und Severus’ Herz setzte vor Schreck einen Schlag aus. Elfen waren nicht dumm und sie verfügten über sehr ausgeprügte Sinne. Severus hoffte, der Elf würde ihn nicht bemerken.
Miss Granger fragte den Elf erstaunt: „Warum kommst du denn, wenn ich dich rufe?“
„Mr. Potter hat gesagt, ich darf auch Ihnen dienen, wenn ich möchte. Es ist meine Entscheidung, Miss Granger und ich möchte Ihnen dienen“, antwortete der Elf ganz verzückt, so dass Severus beinahe schlecht wurde, aber er war froh, dass dieser „Wobbel“ ihn nicht zu sehen schien und so lauschte er einfach, als Miss Granger den Elf um eine bestimmte Eissorte bat.
„Aber Miss Granger, in der Bibliothek darf doch nicht gegessen werden“, sagte der Elf fast schon etwas verängstigt.
„Es wird ja niemand erfahren, Wobbel. Außerdem haben die Bücher sich bisher nicht beschwert. Ich passe schon auf, dass nichts beschmutzt wird“, erwiderte Miss Granger, um den Elf zu beruhigen, der gleich darauf mit einem lauten Plop verschwand.
Severus wagte es nicht, sich zu bewegen, denn Hauselfen waren schnell und er wollte nicht riskieren, gerade dabei erwischt zu werden, wie er aus der Bibliothek schlich, also wartete er.
Auf dem Quidditch-Feld ging es sehr spaßig zu. Es waren nur neun Schüler über die Ferien in Hogwarts geblieben. Mit Madam Hooch, einem neuen, jungen Lehrer namens Professor Svelte und ihm waren sie zwölf, so dass sie zwei Mannschaften mit je sechs Personen aufstellen konnten. Man einigte sich darauf, dass es nur einen Klatscher im Spiel geben sollte und auch nur zwei Jäger pro Mannschaft. Harry mimte den Hüter und er war darin miserabel, was der anderen Mannschaft schon einen Vorsprung von 40 Punkten gebracht hatte, doch niemand nahm dieses Spiel sehr ernst, so dass er nicht befürchten musste, nach dem Spiel für seine schlechte Darbietung womöglich noch eine Abreibung zu bekommen.
Als Harry vor dem mittleren Ring schwebend Gordian beobachtete, der als Sucher der gegnerischen Mannschaft gerade dem Schnatz auf den Fersen war, hörte er lautes Plop hinter sich und er wäre beinahe vor Schreck vom Besen gefallen, als Wobbel unerwartet in dem runden Tor saß.
„Mr. Potter, entschuldigen Sie bitte, falls ich Sie erschreckt habe“, sagte Wobbel mit etwas Furcht in der Stimme.
„Schon gut, aber was machst du hier? Warum sitzt du in meinem Tor?“, fragte Harry aufgeregt atmend. Er hatte heute beim Spiel mit allem gerechnet, sogar damit, einen Klatscher abzubekommen, aber nicht damit, von Wobbel in schwindelerregender Höhe aufgesucht zu werden.
Während Harry ab und an immer wieder nach vorn zum Spielfeld schaute, erklärte Wobbel, dass Miss Granger ihn gerufen hätte, bevor er sagte: „Ich weiß nicht recht, Mr. Potter, ob es mir zusteht, Ihnen davon zu berichten.“
„Von was?“, fragte Harry, der nur halb bei der Sache war, weil er immer wieder auf das Spiel achtete und auf Gordian, der dem Schnatz gefährlich nahe gekommen war.
„Nun, Mr. Potter, wie soll ich das sagen? Als ich Miss Grangers Wunsch entgegengenommen habe, da stand jemand hinter ihr und beobachtete sie“, erklärte Wobbel vorsichtig.
„WAS?“, fragte Harry, der sich ruckartig zu Wobbel umdrehte. In diesem Moment wurde Harry von einem Quaffel gestreift, der gleich darauf durch den Ring fiel und Wobbel mit sich in die Tiefe riss.
Harry nahm eine kleine Auszeit, so dass er Wobbel, dem zum Glück nichts passiert war, vom Boden aufhelfen konnte. Er staubte Wobbels Toga ab und fragte derweil: „Es steht jemand in der Bibliothek hinter Hermine? Weißt du, wer das war?“
„Sir, ich muss gehen, sonst fällt es auf, dass ich solange wegbleibe“, sagte Wobbel und verschwand mit einem Fingerschnippen. Harry wusste, dass Wobbel ihn nötigen wollte, sich selbst darum zu kümmern und er war auch nicht böse darüber. Er fragte sich nur, wer wohl hinter Hermine stehen würde und sie beobachtete. Ganz sicher nicht Albus, dachte Harry und auch kein Hauself, denn das hätte Wobbel ganz sicher gesagt. Natürlich hatte Harry eine Ahnung und sein Bauchgefühl hatte ihn selten im Stich gelassen.
„Harry? Alles okay?“, rief Rolanda von ihrem Besen hinunter.
Nach einem kurzen Gespräch mit Rolanda machte sie Professor Svelte zum Hüter und sich selbst zur Schiedsrichterin, so dass jede Mannschaft mit fünf Spielern und je nur einem Treiber weiterspielen konnte. Harry flog mit seinem Besen bis zum Haupteingang und rannte in Windeseile hinauf in den vierten Stock, auch wenn er gar nicht damit rechnete, dass Hermine in Gefahr sein könnte.
Zur gleichen Zeit wurde Lucius erneut von Mr. Shacklebolt und Miss Bones aufgesucht. Mit Absicht schenkte er dem Herrn mit der tiefen, besonnen Stimme mehr Aufmerksamkeit als der Lebenspartnerin seines Sohnes.
„Mr. Malfoy, es wird Sie freuen zu erfahren“, sagte Mr. Shacklebolt, nachdem sie alle Platz genommen hatten, „dass der Minister mit Ihren Aussagen und Hinweisen sehr zufrieden ist und Ihnen drei weitere Jahre Hafterlass zusichert. Nach dem aktuellen Stand wären es noch…“
Lucius unterbrach: „Zwölf Jahre Haft! Ich bin durchaus in der Lage, einfache kaufmännische Rechenaufgaben im Kopf zu lösen.“
Mr. Shacklebolt schien amüsiert, denn ein leises, tiefes Lachen war zu hören, bevor er sagte: „Der Minister hat es begrüßt, die faulen Eier, die im Ministerium gearbeitet haben, festnehmen zu können. Noch mehr würde er es begrüßen, wenn Sie uns neben den Anhängern von Voldemort“, Lucius schüttelte sich bei dem Namen, „die nicht das dunkle Mal tragen, ihn aber dennoch unterstützt haben, auch endlich Hinweise über diese andere Gruppierung geben könnten.“
„Immer langsam mit den jungen Pferden, Mr. Shacklebolt. Ich gebe Ihnen Informationen, mit denen der Minister zufrieden ist oder etwa nicht? Wozu gleich alle Karten auf den Tisch legen?“, sagte Lucius fies grinsend.
Miss Bones schaltete sich ein und sagte: „Ihre Begründungen für die verschiedenen Anschuldigungen waren fast alle nachweisbar, nur eine Sache bereitet uns Sorgen. Sie sagten, dass die gesamte Familie Umbridge schon zu Voldemorts“, Lucius verzog bei dem Namen angewidert das Gesicht, „Zeiten finanzielle Unterstützung für die Todesser gewährleistet hatten. In dieser Angelegenheit verliefen Ihre Hinweise, denen wir nachgegangen sind, leider im Sand. Haben Sie vielleicht…“
„Miss Bones! Wenn die Familie Umbridge alle Spuren ihrer finanziellen Aktivitäten verwischt haben sollte, dann blieben lediglich die drei Konten in Gringotts, die Mrs. Dolores Umbridge nebst Gatten dort eröffnet hatte. Sie würden, wenn die Kobolde dem Ministerium tatsächlich Einsicht in die Akten der Bank gewähren würden, was ich für unvorstellbar halte, sehr schnell erkennen, dass von Familie Umbridge lediglich Geldeingänge in die Verliese vermerkt worden sind. Alle Abhebungen hingegen sind von drei verschiedenen Personen vorgenommen worden, deren Namen unwichtig sind, da sie eh nur Pseudonyme darstellen. Sie würden jedoch feststellen, dass die magischen Signaturen auf den Schriftstücken, die die Abhebungen von den drei Konten belegen, mit denen von drei Todessern übereinstimmen: Walden Macnair, Vincent Crabbe und“, Lucius schluckte kräftig, „Bellatrix Lestrange.“
Um Familie Umbridge also die Unterstützung Voldemorts nachweisen zu können, müsste man lediglich Einsicht in die Akten der Zaubererbank Gringotts erhalten und das schien aussichtslos. Nicht einmal das Zaubereiministerium hatte genügend Einfluss auf die Koboldbank, um dies ermöglichen zu können.
„Mr. Malfoy, die Kobolde werden niemals zulassen…“
Lucius unterbrach Miss Bones und entgegnete barsch: „Verdammt nochmal, es ist an der Zeit, genauso vorzugehen, wie die Todesser vorgegangen sind. Gehen Sie bloß nicht den rechtschaffenen Weg, denn der führt unweigerlich in eine Sackgasse!“
Mr. Shacklebolt räusperte sich und fragte: „Was genau wollen Sie uns damit suggerieren?“
Schnaufend lachte Lucius, bevor er entgegnete: „Was denken Sie denn? Ein wenig Vielsafttrank und ein ganz leichter Verwirrungszauber werden die Angestellten von Gringotts nicht daran zweifeln lassen, dass Mr. Bonce alias Macnair vor ihnen steht. Sie benötigen lediglich ein wenig Haare von einem von Macnairs Opfern. Macnair hat die Haare für den Vielsafttrank in einem Glas aufbewahrt. Den Aufenthalt des Behältnisses und die Verliesnummer kann ich Ihnen gern nennen – für ein weiteres Jahr Hafterlass, versteht sich.“
Aufgeregt äußerte sich Susan zu diesem Thema, indem sie sagte: „Das geht nicht! Wir können nicht auf diese Art und Weise…“
Wieder unterbrach Lucius und er empfahl: „Wenn es Ihnen mit Vielsafttrank zu kompliziert erscheinen sollte, dann suchen Sie sich doch einfach jemanden, der jemanden kennt, der bei Gringotts arbeitet. Sie verstehen?“
In der Bibliothek brachte Wobbel das gewünschte Schokoladeneis, bevor er wieder verschwand. Severus atmete leise, aber erleichtert, aus, denn der Elf hatte ihn offensichtlich nicht bemerkt. So konnte er in Ruhe mit ansehen, wie Miss Granger wieder die Schutzfolie vom Eis zog und erst nach zehn Minuten damit begann, es langsam zu verspeisen. Endlich begann sie auch wieder damit, mit sich selbst zu reden, so dass er doch noch in den Genuss ihrer wohltuenden Stimme kam.
Neugierig verfolgte er ihr Selbstgespräch, in welchem es um Harrys Farben ging. Als er vor einigen Tagen auf ihre Notizen geschaut hatte, hatte er die Farben seines Kollegen gar nicht mehr lesen können, weil er von dem schrecklichen Gekritzel von Mr. Weasley abgelenkt gewesen war.
„So“, sagte Miss Granger, bevor sie wieder zum ersten Buch griff, es aufschlug und zu sich sagte, „jetzt ist Harry dran. Wird einfach sein; war ja nur eine einzige Farbe.“ Severus spitzte die Ohren. Nachdem sie die entsprechende Seite gefunden hatte, hörte er sie erstaunt sagen: „Wow, sollte man vielleicht mal Dumbledore zeigen. Könnte ihn womöglich von seiner absurden Idee abbringen!“
Hier wurde Severus sehr neugierig, so dass er am liebsten sein Versteck aufgegeben hätte, um sich zu ihr an den Tisch zu setzen, doch dann müsste er seine Anwesenheit erklären und das wollte er nicht. So lauschte er also weiterhin ihrem Gemurmel, als sie sagte: „Gold: Bedingungslose Liebe, Herzensgüte, Gnade, Barmherzigkeit. Oh Mann, dann hatte Malfoy mit seinem ständigen ’Sankt Potter’ ja doch Recht! Harry ist offenbar ein kleiner Heiliger.“
Sie hatte es nicht ernst gemeint und lachte selbst über ihre eigenen Worte, doch die Begriffe sprachen für sich. Dass Harry allein durch den Tod seiner Mutter von Liebe umgeben war und zwar so stark, dass es ihm schon als Kleinkind bereits das Leben gerettet hatte, war selbst für Severus nichts Neues. Bei den Erinnerungen an den Tod der Potters zog sich alles in ihm zusammen, als er abrupt von einem anderen, viel stärkeren Gefühl übermannt wurde. Severus fühlte sich… beobachtet!
In der Bibliothek angekommen traute Harry seinen Augen nicht, als er Severus hinter dem Bücherregal stehend vorfand, welches ihn von Hermine trennte. Die Szenerie wirkte auf Harry nicht bedrohlich, denn es sah so aus, als würde sein Kollege nicht als Spion hier stehen, sondern nur als stiller Beobachter, der keine bösartigen Hintergedanken hegte. Severus hielt den Kopf leicht schräg, um Hermines Stimme hören zu können und während Harry sich leise seinem Kollegen näherte, redete Hermine noch immer über die Bedeutungen der Farbe Gold, als Severus’ Körper sich plötzlich sichtlich versteifte.
Miss Granger blätterte weiterhin bedenkenlos in ihren Büchern, weswegen Severus davon ausgehen durfte, dass sie ihn nicht entdeckt hatte, aber das Gefühl, observiert zu werden, war so stark, dass Severus seinen Kopf blitzschnell drehte und dann vor Schreck erstarrte. Harry stand seitlich hinter ihm und blickte ihn mit ernster Miene sehr eindringlich an. Ganz offensichtlich wollte sein junger Kollege nur seine Freundin besuchen, um sich nach ihrem Wohlergehen zu erkundigen, was er für seine „Observation“ von Miss Granger leider nicht eingeplant hatte. Er hoffte innig, dass Harry ihn vor seiner Schülerin nicht als ungebetenen Gast bloßstellen würde, aber ganz sicher, denn dass konnte er an der vorwurfsvollen Miene erkennen, würde Harry ihn später deshalb zur Rede stellen. Außerdem ging er davon aus, dass Harry seine beste Freundin – unzertrennlich wie sie waren – mit Sicherheit darüber informieren würde.
Schon lange war Severus nicht mehr in eine so unangenehme Situation geraten und wenn es mal eine Peinlichkeit in seinem Leben als Lehrer und Spion gegeben hatte, dann war es ihm egal gewesen, was die Menschen von ihm dachten, aber bei Harry und Miss Granger war es ihm nicht egal. Plötzlich änderte sich Harrys Gesichtsausdruck und Severus deutete es als Neugierde und Faszination. Sein junger Kollege näherte sich ihm einige Schritte und er schaute ihm direkt in die Augen. Für einen langen Moment hielten sie den Blickkontakt.
Dass es Severus unangenehm war, erwischt zu werden, war in dessen Mimik und an seiner Körpersprache zu erkennen, doch es war etwas ganz anderes, was Harrys Aufmerksamkeit erlangt hatte. Von Severus’ Augen ganz fasziniert näherte er sich ihm, so dass er direkt in sie blicken konnte, denn sie waren jetzt definitiv braun, viel heller und nicht mehr so nachtschwarz. Am liebsten hätte er Severus sofort gefragt, warum dessen Augenfarbe plötzlich eine andere war, aber dann würde er Hermine aufschrecken und das wollte er nicht. Er könnte ihr später erzählen, dass Severus hinter ihr gestanden hatte.
Ertappt und daher beschämt blickte Severus zunächst zu Boden, bevor er mit entschuldigendem Blick zu Harry schaute. Der kniff nur einmal kurz die Lippen zusammen, sagte jedoch nichts, um Severus’ Anwesenheit nicht zu verraten. Stattdessen ging sein junger Kollege leise an ihm vorbei und sprang, um Miss Granger zu erschrecken, mit einem Satz vor dem Bücherregal hervor. Severus hörte Miss Granger kreischen, dann mit Harry schimpfen und letztendlich laut und erleichtert lachen. Während sich die beiden umarmten, war Miss Granger so abgelenkt, dass er selbst ungehört und ungesehen das Weite suchen konnte, aber er machte sich jetzt schon Gedanken darüber, was er antworten könnte, wenn Harry ihn später fragen würde, warum er sich heimlich in der Bibliothek aufgehalten hatte.
„Harry! Schön, dass du hier bist. Bin gerade mit deiner Farbe durch. War ja nicht wirklich schwer, mein Goldjunge“, sagte sie schäkernd, so dass er lachen musste. Im Hinterkopf hatte er noch immer Severus warme braune Augen, die ihn entschuldigend anblickten und er fragte sich, ob die Veränderung der Augenfarbe etwas mit dem zu tun haben könnte, was Severus über die Farbe Gold erfahren hatte. Auf jeden Fall müsste er mit seinem Kollegen mal ein ernstes Wörtchen reden, denn so ein Verhalten konnte Harry nicht dulden, wenn es um seine Freundin ging.
Von Hermine ließ sich Harry in Stichpunkten erklären, was seine Farbe zu bedeuten hatte, während er ungefragt von ihrem Eis kostete, von dem nur noch ein winziger Rest im Becher übrig war. Sie schob ihm den Becher in stillem Einverständnis ganz hinüber, so dass er den Rest verzehren konnte, während sie die fünf Bücher per Levitation wieder zurück in die Regale befehligte. Gleich danach holte sie ein anderes Buch auf gleichem Wege zu sich, nur war dieses sehr viel dicker. Sie hatte die letzten Male immer nach ihrer Recherche darin gelesen.
„Was ist das für eins?“, fragte Harry.
Hermine stellte das dicke Buch auf den Tisch, so dass er den Titel lesen konnte, den er gleich darauf laut wiederholte: „’Die Seelen der Farben’? Was ist denn das bitteschön?“
„Das geht hier allgemein um Farben. Ist nicht ganz so esoterisch angehaucht wie ähnliche Bücher. Zum Beispiel wird die Bedeutung der Farben von Flüchen und Zaubern, der Farben von Zaubertränken und von Streelern – das sind diese Riesenschnecken, die stündlich ihre Farbe ändern – behandelt. Es erklärt, warum Wichtel blau sind oder Gnome die Farbe einer Kartoffel haben. Aber auch über Augenfarben steht was drin und was sie über das Wesen einer Person aussagen können. Ich bin noch nicht durch, aber ich habe schon ein paar interessante Abschnitte gefunden.“
Harry unterbrach sie und fragte: „Hast du wegen Severus’ Augenfarbe recherchiert oder bist du eher durch Zufall drauf gestoßen?“
Sie zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe, weil sie offensichtlich nicht wusste, ob Harry damit auf etwas anspielen wollte, bevor sie antwortete: „Erst einmal habe ich angefangen es zu lesen, weil es sich sehr ausführlich mit Farben an sich befasst, aber für meine Recherche wegen unserer Magiefarben hat es wenig geholfen. Trotzdem fand ich es vom Thema her sehr interessant. Ich werde aber noch ewig brauchen, bis ich es fertig gelesen habe. Siehst ja selbst, was das für ein Wälzer ist. Montag fängt die Schule an und da werde ich es mir offiziell bei Madam Pince ausleihen.“
Sie tätschelte das dicke Buch, als wäre es ein Haustier, bevor sie sagte: „Ginny müsste ja morgen oder übermorgen entbinden; der Blasensprung war gestern Abend, aber das weißt du ja sicherlich.“ Hermine grinste und fragte vorsichtig: „Hast du wieder mal bei ihr…“ Sie hielt inne, weil sie vermeiden wollte, jemand könnte dahinter kommen, dass Harry seine Angebetete heimlich mit Wobbels Hilfe besuchte. Harry jedoch nickte und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Er war über Ginnys Zustand bestens informiert und zwar aus erster Hand.
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