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Fanfiction

Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Weiß wie Schnee

von Muggelchen

Am Dienstag wollte Draco seinen Termin für die Untersuchung im St. Mungos schon absagen, weil sein Patenonkel im Krankenflügel bei Madam Pomfrey lag und er sich um ihn sorgte. Wie es aussah, hatte Severus aus lauter Unachtsamkeit, was sich Draco allerdings schwerlich vorstellen konnte, Tränke und Pastillen eingenommen, die aufeinander reagiert hatten.

Während er ihm einen Besuch abstattete, erklärte Severus ihm mit leiser, ruhiger Stimme, fast so als würde er unterrichten: „Der Trunk des Friedens harmonierte überhaupt nicht mit dem Stärkungstrank und den Zutaten der anderen Mittel. Das hat erst unmerkliche Extrasystolen erzeugt, später dann ein Kammerflimmern und zuletzt eine glücklicherweise nicht erstzunehmende, temporäre ventrikuläre Tachykardie.“
Die Stirn in Falten gelegt fragte Draco besorgt: „Aber du wirst doch wieder gesund, Onkel?“
Sein Patenonkel zog die Augenbrauen zusammen und antwortete etwas erbost: „Natürlich! Was habe ich dir denn eben erklärt? Ja hast du denn nicht zugehört?“

Draco hatte kein Wort von dem verstanden, was sein Onkel ihm gesagt hatte, doch es tröstete ihn zu erfahren, dass er keinen bleibenden Schaden davontragen werden würde.

Im St. Mungos wurde Draco auf eine Station geschickt, wo er trotz Termin einige Stunden warten musste, weil zwei Notfälle reingekommen waren, die der sofortigen Aufmerksamkeit bedurften. Unkonzentriert blätterte er in den Magazinen, die im Wartezimmer auslagen, während er ab und an die anderen Wartenden über den Rand der Zeitung hinweg beobachtete. Ihm gegenüber saß ein alter Mann, dessen Kopf und Hände unkontrolliert zuckten und zitterten, doch geistig schien er, was Draco aus einem Gespräch mit einer Schwester entnehmen konnte, völlig normal zu sein.

Den Tagespropheten hielt sich Draco eher als Schutz vor das Gesicht, denn er wollte nicht, dass man möglicherweise mit dem Finger auf ihn zeigte, falls jemand ihn erkennen sollte. Vor lauter Aufregung waren seine Hände ganz schwitzig, so dass die Druckerschwärze sich an ihnen abzeichnete. Mit einem Wink des Zauberstabes würde er sie nachher säubern, wenn er aufgerufen werden würde.

Eine Frau mit ihrem Kleinkind wurde als Erste aufgerufen. Sie wartete bereits seit drei Stunden. Der alte Mann wäre auch noch vor Draco dran. Als auch der endlich das Wartezimmer verließ, war Draco allein. Erleichtert aufatmend legte er die Zeitung weg und säuberte sich die schwarzen Hände. Mit übergeschlagenem Bein wartete er lässig darauf, aufgerufen zu werden.

Plötzlich trat ein neuer Patient ins Wartezimmer und als Draco ihn erkannte, erstarrte er. Neville Longbottom stand in der Tür zum Wartezimmer und blickte ungläubig zu Draco hinüber, bevor er sich zusammennahm und ihn mit einem leichten Kopfnicken grüßte und gleich darauf gegenüber von ihm Platz nahm.

Fast bewegungslos und etwas in sich zusammengesackt saß Neville auf seinem Stuhl, während sich ausschließlich seine langen Finger nervös bewegten. Die Augen hatte er starr auf den kleinen Tisch mit den vielen Zeitungen gerichtet, um sein Gegenüber nicht ansehen zu müssen. Draco blickte demonstrativ aus dem Fenster hinaus und vermied Augenkontakt mit seinem ehemaligen Schulkameraden, doch irgendwann dachte er sich, dass ihr Verhalten kindisch wäre, weswegen er sich räusperte.

Sofort erhielt er Nevilles Aufmerksamkeit. Bevor Draco den Augenkontakt wieder verlieren würde, fragte er recht lässig: "Auch Probleme mit den Genen?"
Neville errötete leicht, nickte jedoch zustimmend, bevor er fragte: "Du offenbar auch?"

Die Situation schien Neville sehr unangenehm zu sein, doch Draco war sichtlich erleichtert, dass nicht nur er Probleme hatte. Ein lockeres Gesprächsthema wollte sich unter diesen Umständen dennoch nicht einstellen, weshalb sich beide weiterhin peinlich berührt anschwiegen.

Eine Schwester trat herein und fragte Neville: "Wir haben bei Ihnen noch kein Blut abgenommen oder?" Neville verneinte wortlos, bevor die Schwester sagte: "Dann können Sie gleich ins Zimmer nebenan gehen, Mr. Longbottom."
Neville erhob sich und staunte nicht schlecht, als er Draco sagen hörte: "Bis später!"

Tatsächlich hielt sich Draco noch immer im Wartezimmer auf, als Neville von der Blutabnahme zurückkam. Er war sehr bleich im Gesicht und rieb sich die rechte Armbeuge, was Draco zum Grinsen brachte. Sich rechtfertigen wollend erklärte Neville mit zarter Stimme: "War eine Auszubildende... Die musste vier Mal ihren Stab ansetzen, bis sie mir endlich Blut abnehmen konnte!" Draco nickte verständnisvoll, womit er Neville ein gezwungenes Lächeln abrang, doch noch immer wollte kein Gespräch zustande kommen, doch da wurde Draco auch schon von einer Schwester aufgerufen.

Nochmals nahm man ihm Blut ab, aber am meisten Zeit beanspruchte die Prüfung der Stärke und Zusammensetzung seiner eigenen Magie, um dort eventuelle Mutationen feststellen zu können. Heiler und Schwestern richteten nacheinander ihre Stäbe auf ihn und sprachen Zauber, die er nie im Leben gehört hatte. Manchmal warnten die Heiler ihn, wenn der nächste Zauber etwas wehtun könnte und er war dankbar dafür. Aufgrund der Erkrankung seines Vaters und Großvaters untersuchte man natürlich besonders seine Augen und das war richtig schmerzhaft – trotz Warnung.

Eine Stunde und vier Heiler später saß Draco mit durch die Untersuchung sehr beanspruchten und daher tränenden Augen einer jungen Frau gegenüber, die er nicht viel älter als sich selbst schätzte. Sie lächelte ihn nett an, bevor sie einige Unterlagen durchging.

Nach einem kurzen Moment fragte die Professorin ihn freundlich: "Mr. Malfoy, wenn Sie sich längere Zeit in der Sonne aufgehalten haben, sind Sie dann jemals braun geworden?"
Draco überlegte nicht lange, sondern antwortete ehrlich: "Nein, ich hab höchstens einen Sonnenbrand bekommen."
Die Professorin blickte ihn an und nickte verständnisvoll, bevor sie einmal tief Luft holte und ihm mit ruhiger Stimme offenbarte: "Ihr Problem, Mr. Malfoy, sind weniger die Augen. Gut, dass Sie sich so zeitlich zu einer Untersuchung entschlossen haben. Ihre Augen werden wir behandeln können, noch bevor sich Beeinträchtigungen bemerkbar machen. Was mir jedoch Sorgen bereitet, ist ein Gendefekt, der Ihre Haut betrifft. Ihre Zellen können kaum noch Farbpigmente herstellen, was Ihren hellen Teint erklärt. Das ist auch der Grund, warum die Haut nach Sonneneinwirkung nicht bräunt, sondern sich gleich entzündet. Wenn das nicht behandelt wird, Mr. Malfoy, dann könnte eine Sonnenallergie die Folge dieses Gendefekts sein. Da müssen wir entgegenwirken!"
Draco schluckte so laut, dass die junge Professorin es gehört hatte und sie ihm Mut gebend eine Hand auf den Unterarm legte, bevor sie beruhigend sprach: "Keine Sorge, es kann behandelt werden – zumindest so behandelt werden, dass Sie sich tagsüber weiterhin völlig normal draußen aufhalten können."

Es war ihm nicht bewusst gewesen, dass er den Atem angehalten hatte, den er jetzt zittrig aushauchte. Draco fühlte sich schlecht. Eigentlich wollte er ihr noch viele Fragen stellen, aber er brachte kein Wort heraus. Die Professorin tätschelte, wie sie es wohl schon so oft bei anderen Patienten gemacht hatte, weiterhin Dracos Unterarm, bis er sich endlich gefasst hatte.

"Ich gebe Ihnen Informationen mit, welche Heilmethoden für Sie in Frage kommen würden. Lesen Sie sich bitte alles in Ruhe durch. Sie können innerhalb der nächsten vier Wochen einen Termin mit mir vereinbaren, damit wir die Behandlung beginnen können. Machen Sie sich nicht zu viele Sorgen, Mr. Malfoy", sagte sie lächelnd, bevor sie sich erhob. Sie gab ihm zwei kleine Heftchen mit Informationen, bevor sie ihn zur Tür begleitete und abschließend sagte: „Ihr Vater ist ja derzeit in Behandlung. Wie sieht es mit Ihrer Mutter aus? Es wäre möglich, dass Sie, Mr. Malfoy, diese Erkrankung von ihr geerbt haben, denn in den Akten Ihres Vaters deutet nichts auf einen Pigmentmangel hin. Sie können Ihre Mutter gern auch beim nächsten Termin mitbringen.“

Bevor er das Hospital verließ, setzte sich Draco in der großen Eingangshalle in einer Ecke auf einen Stuhl, der von hoch gewachsenen Farnpflanzen umringt Schutz vor neugierigen Blicken versprach. Seine jetzt nicht mehr nur von den Untersuchungen tränenden Augen trocknete er mit einem Taschentuch, bevor er seine Stirn in die Hände legte. Er beugte sich leicht nach vorn und versuchte, sich mit kontrollierten Atemzügen zu beruhigen.

Auch wenn der Platz in der Ecke zwischen all dem Grünzeug so versteckt lag, hatte eine Person ihn doch gesehen. Mit drei Informationsbroschüren in der Hand näherte sich Neville der Ecke, in der Draco etwas Ruhe suchte. Vorsichtig nahm er Platz und er räusperte sich, damit Draco auf ihn aufmerksam wurde. Den Kopf hebend blickte Draco seinen ehemaligen Schulkameraden kurz an, bevor er seine Augen wieder auf den Boden richtete.

Seit seiner Schulzeit konnte Neville Draco nicht ausstehen, doch von Harry wusste er, dass er jetzt umgänglicher sein sollte und ganz anders wäre als früher. Er konnte sich gut vorstellen, dass der Krieg und so viele vergangene Jahre eine Person ändern könnten. Auf der Party von Tonks und Remus hatte er Susan und Draco Händchen halten sehen, was er im ersten Moment gar nicht hatte glauben können. Der arrogante Reinblüter war in ein Halbblut verliebt und allein diese Tatsache machte ihm Draco etwas sympathischer, weshalb er sich zu der Frage hinreißen ließ: „Ist mit dir alles in Ordnung?“ Wieder blickte Draco auf, doch er nickte nur, bevor Neville erneut fragte: „Man wird dir doch helfen können oder?“

Neville hatte nicht einmal eine vage Vermutung, mit welcher Art Krankheit Draco sich herumschlagen musste. Das Spektrum und die Variationsmöglichkeiten der vererbten Erkrankungen waren enorm. Luna und er selbst müssten mit keinerlei Krankheitsausbrüchen rechnen, doch die Ärzte legten beiden aufgrund ihrer reinblütigen Abstammung nahe, sich dennoch aus vorbeugenden Gründen untersuchen und gegebenenfalls behandeln zu lassen, damit zukünftig geplanter Nachwuchs es nicht schwer haben würde.

„Was ist mit dir?“, fragte Draco unverhofft, so dass Neville ins Stottern kam.
„Ähm… äh… Das ist… Das ist nur Prophylaxe, weswegen ich hier bin“, antwortete er abgehackt.
Draco zog eine Augenbraue in die Höhe, bevor er fragte: „Und weswegen?“ Er wollte den Namen der Krankheit erfahren, weswegen Neville sich behandeln lassen würde, doch der schien sich wegen des Themas unwohl zu fühlen. Nach kurzem Zögern hielt er Draco einfach eine der Broschüren unter die Nase, die man ihm mitgegeben hatte. Die Überschrift lautete „Arachnodaktylie (Spinnenfingrigkeit)“. Auf dem zweiten Informationsheftchen stand „Veränderungen der Wirbelsäule (Skoliose und Hyperkyphose)“ und der dritte Titel lautete „Schwache Muskulatur (Muskelhypotrophie)“.

Draco begrüßte diese stille Art der Konversation. So konnte man ohne Worte dem Gegenüber mitteilen, welche Erbkrankheiten in einem schlummerten, weswegen er Neville seine beiden Broschüren mit den Titeln „Pigmentstörung (Albinismus)“ und „Makuladegeneration und Retinopathia pigmentosa“ zeigte. Nachdem Neville den letzten Titel gelesen hatte, sagte er überrascht klingend: „Luna hat die Broschüre auch bekommen. Wegen ihrer Augen, weißt du.“

Mit den weniger ernst gemeinten Worten „Vielleicht sieht man sich mal wieder“ verabschiedeten sich Neville und Draco voneinander, nachdem sie zusammen das Hospital verlassen hatte.

Am Abend besuchte Draco nochmals Severus, der laut Madam Pomfrey über Nacht hier bleiben sollte und erst morgen früh den Krankenflügel verlassen durfte, bevor er sich auf zu Susan machte. Als sie ihm öffnete, umarmte er sie sofort und er vergrub sein Gesicht in ihren langen, roten Haaren.

Er drückte sie ganz fest an sich, so dass Susan stutzig wurde, weshalb sie zögernd und leise fragte: „Es ist doch alles in Ordnung mir dir oder?“
Die Umarmung lockerte Draco nur ein wenig, damit er ihr in die Augen blicken konnte, um lächelnd sagen zu können: „Es ist nicht hoffnungslos.“ Er hauchte ihr einen Kuss auf den Mund und sagte danach sehr gefühlvoll: „Ich möchte mich nochmal bei dir bedanken, Susan. Dafür, dass du mir alles gesagt hast, damit ich mich rechtzeitig darum kümmern konnte. Und ich kann gar nicht oft genug um Verzeihung bitten, dass ich dich den Abend so…“ Sie legte eine Fingerspitze auf seinen Mund, bevor ihre Lippen folgten.

Der Kuss war so innig geworden, dass Draco ihn abbrechen musste, um nicht zu weit zu gehen, doch Susan war anderer Meinung. Sie führte ihn zur Couch und setzte sich hin, während sie ihn mit zu sich hinunter zog. Sie küssten sich erneut und fuhren sich gegenseitig durch das Haar oder streichelten die Wange des anderen. Er drückte sie wieder fest an sich und küsste die Seite ihres Halses bis hinauf an ihr Ohr, wo er an der zarten Haut nippte. Die Laute, die Susan von sich gab, versicherten ihm, dass sie seine Liebkosung willkommen hieß. Als seine Lippen wieder nach unten wanderten und an den Kragen ihrer weißen Bluse stießen, überraschte es ihn, als sie sich kommentarlos von ihrem Oberteil befreite und die Bluse achtlos auf den Boden warf. Mit weit aufgerissenen Augen betrachtete er sie voller Verzückung. Ihr Brustkorb hob und senkte sich mit ihrer heftigen Atmung und so auch ihre nur noch leicht bedeckte Weiblichkeit. Der zauberhafte Anblick paralysierte ihn und er konnte nichts anderes mehr tun als ihr beim Atmen zuzusehen.

Weil er mit großen Augen und leicht offen stehendem Mund ihre femininen Merkmale bewunderte, überkam Susan plötzlich Unsicherheit über das eigene Aussehen, so dass sie ihre Arme verschämt vor sich verschränkte, doch Draco ergriff ihre Hände und zog sie dichter an sich heran, bis sich beide erneut umarmten.

Als sich beide eng umschlungen und küssend von der Couch erhoben und Susan die Knöpfe seines Seidenhemdes öffnete, überkam ihn selbst das Gefühl der Unsicherheit. Die einzige Erfahrung, die er auf diesem Gebiet hatte machen dürfen, bestand daraus, sich jahrelang eine aufdringliche Pansy vom Leib zu halten. Als Susan ihn auch noch langsam in Richtung Schlafzimmer führte, während sie weiterhin sein Gesicht mit Küssen bedeckte, wurde ihm mulmig bei dem Gedanken, was jetzt folgen würde, denn während seiner Schulzeit war er keinem Mädchen so nahe gekommen, wie er nun Susan nahe gekommen war. Während sie, wie vorhin schon auf der Couch, dieses Mal auf dem Bett Platz nahm und ihn zu sich hinunterzog, da befürchtete er, etwas falsch machen zu können, weswegen er sie einfach wieder umarmte. Ihre nackte Schulter, auf der sich eine hässliche Narbe aus Kriegszeiten abzeichnete, bedachte er so zart wie der Flügelschlag eines Schmetterlings mit vielen Küssen, denn damit konnte er keinen Fehler begehen. Doch dann legte sie sich auf den Rücken und in diesem Moment befürchtete er, sie womöglich zu enttäuschen. Sie musste die Sorge in seinen Augen erkannt haben, denn sie richtete sich wieder auf und fuhr einfühlsam mit einer Hand über seine Brust, bevor sie sich zu ihm beugte und ihm flüsternd gestand, dass er ihr Erster sein würde und erst in diesem Moment fielen alle Bedenken und Befürchtungen von ihm ab.

Im Krankenflügel in Hogwarts war der Teufel los, denn Severus hatte sich am späten Abend mit Madam Pomfrey angelegt. In seinem Bett sitzend knurrte er zu Poppy hinüber, die gerade einige Fläschchen in die Vitrinen stellte: „Sie können mich nicht gegen meinen Willen hier behalten!“
„Hah! Und ob ich das kann. Severus, Sie bleiben hier und ruhen sich aus, bis die Auswirkungen der Medikamente sich verflüchtigt haben!“, meckerte sie zurück.
„Poppy!“, zischelte er drohend.
„Severus, es ist jetzt genug! Ich werde Sie nicht auf Ihr Zimmer schicken. Da habe ich nämlich überhaupt keine Kontrolle darüber, was Sie sich aus Ihrer kleinen Hausapotheke noch so zu gönnen gedenken. Hören Sie jetzt auf, sich wie ein unreifer Schuljunge aufzuführen!“, rügte Poppy ihn.

Für einen Moment war Severus baff wegen Poppys Bemerkung, er würde sich wie ein unreifer Schüler aufführen, aber er wollte nicht aufgeben. Mit gezwungen ruhiger Stimme sagte er: „Ich kann genauso gut in meinem Bett schlafen und ich verspreche Ihnen, dass ich nichts zu mir nehmen werde!“ Poppy blickte ihn streng durch verengte Augenlider an. Den Blick kannte er von ihr nur zu gut, denn damals hatte er sich oft genug von ihr gesund pflegen lassen müssen, weil die Scherze seiner „vier Freunde“ ihm durchaus auch schon mal Wunden zugefügt hatten. Ihr Blick bedeutete, dass sie nicht nachgeben würde. Nur mit Besonnenheit könnte er an ihren Verstand appellieren und ihr klarmachen, dass er ein beweisen können, wenn man den gestrigen Tag mal außen vorließ.

„Severus?“, fragte sie mit einer hochgezogenen Augebraue.
„Mmh?“, summte er friedvoll zurück.
Sie näherte sich seinem Bett und fragte, während sie eine Hand in die andere legte, fast als würde sie eine Antwort erflehen: „Was war das für ein Druck, den sie schon gestern auf dem Herzen gespürt haben?“
„Wer hat Ihnen davon…? Ah, natürlich! Mr. Potter, richtig?“, fragte er lächelnd, aber nur, um ihr somit seine Zähne zu zeigen.
Mit sanfter, aber ernsthafter Stimme sagte sie: „So etwas ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, Severus. Harry hat nur mit mir gesprochen, weil er sich Sorgen um Sie macht. Er meinte, Sie hätten zu ihm gesagt, ich würde Ihnen nicht helfen können und…“ Sie hielt inne, als er ihr nicht mehr zuzuhören schien, denn sein Blick war ganz glasig geworden und seine Zornesfalten im Gesicht hatten sich geglättet. Langsam wandte er seinen Blick von ihr ab und ließ den Kopf hängen.

Ihre Schritte hallten durch das leere Zimmer, als sie sich ihm näherte und, wozu sie sich sonst niemals hinreißen ließ, auf dem Krankenbett Platz nahm, in dem er lag. Sie zögerte sehr lange, denn sie wusste nur zu gut, dass Severus körperlichen Kontakt nicht schätzte, doch dann ergriff sie entschlossen seine beiden Hände, so dass er wieder zu ihr aufblickte. In seinen Augen erkannte sie so viel Kummer und Schmerz, ähnlich wie in den Augen von Meredith Beerbaum, die ihre Familie verloren hatte.

„Was bedrückt dich, Severus?“, fragte sie dieses Mal vertraut klingend, doch er blickte schnell wieder weg, damit sie seine Augen nicht sehen konnte. Schon einmal hatte er Angst gehabt, dass jemand womöglich Gefühle in seinen Augen ablesen konnte – das war der Tag gewesen, nachdem er das erste Mal in Harrys Augen so viel Gemütsbewegung erkannt hatte. Bei ihm selbst sollte das schon lange außer Zweifel stehen, aber so sicher war er sich da nicht mehr und das verwirrte ihn.

Er war in Gedanken verloren und sich nicht mehr bewusst darüber, dass Poppy noch immer seine Hände hielt. Erst als sie sie einmal ermutigend zudrückte, da spürte er die angenehme Wärme an seinen Fingern und in seiner Handinnenfläche, die ihn dazu veranlasste, zögerlich seinen eigenen Griff zu verstärken.

Poppy stutzte. Das erste Mal nach seiner Schulzeit in Hogwarts ließ er eine Berührung nicht nur zu, sondern erwiderte sie sogar. Gestern Nacht, als Harry seine beiden Begleiter weggeschickt hatte, um ihr unter vier Augen einige wichtige Dinge zu erzählen, da glaubte sie ihm nicht, dass mit Severus eine Art Veränderung vonstatten gehen würde, doch jetzt erlebte sie es höchstpersönlich. Er hatte sich verändert. Er zeigte neue Wesenszüge, die man immer an ihm vermisst hatte. Severus schien momentan so verloren wie ein kleines Kind, das man im Wald ausgesetzt hatte.

Mit ungewohnt milder warmherziger Stimme fragte sie voller Hoffnung: „Warum sagst du, dass ich dir nicht helfen kann? Ich hab dich ja nicht einmal untersucht, Severus. Darf ich dich untersuchen?“
Ein leichtes Kopfschütteln sollte als Antwort genügen, dachte Severus, doch er fügte trotzdem noch mit schwacher Stimme hinzu: „Nein.“
Sie ließ jedoch nicht von ihm ab und begann mit der von ihm gefürchteten Fragerei: „Hat der Dunkle Lord dir etwas angetan? Ist es das? Leidest du unter einem unbekannten Fluch?“ Wieder ein Kopfschütteln, doch keine verbale Äußerung seitens Severus. „Was bedrückt dich, Severus?“ Als er nicht antwortete, wollte sie ihm das erleichtern, indem sie einige Beispiele nannte, die ihn ihrer Meinung nach bedrücken könnten, denn sie fragte: „Was sorgt dich? Sind es deine Geldmittel? Möglicherweise deine Arbeit oder vielleicht…“
Er unterbrach Poppy, weil er keinen dritten, möglichen Grund suggeriert bekommen wollte und so sagte er wieder mit viel festerer Stimme: „Es geht schon, wirklich. Der Tag gestern war nur etwas viel für mich, Poppy. Erinnerungen an“, er stockte, um offensichtlich andere Worte zu wählen, „schlechte Zeiten. Ich würde gern in meiner vertrauten Umgebung schlafen. Da fühle ich mich wohl.“

Während sie sein fahles Gesicht betrachtete, welches von den schwarzen, fettigen Haaren umrahmt wurde, versuchte sie zu ergründen, was er wohl vor ihr geheim halten wollte. Dass es ihm nicht gut ging, war ihren wachen Heileraugen natürlich nicht entgangen, aber es war kein körperlicher Schmerz, unter dem Severus litt – auch das hatte sie bemerkt.


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