von Muggelchen
Ungehalten über die Einladungen, die seine Mutter verschickt hatte, ohne auf seine Einwände zu hören, sagte Draco in angemessenen ruhigem Ton: „Mutter, warum hast du nicht auf das gehört, was ich zu erklären versuchte? Ich verstehe, dass du einige aus unserer Familie sehen möchtest, aber Tonks… Black… Das geht nicht gut, Mutter!“
Narzissa schüttelte lächelnd den Kopf und entgegnete: „Was soll da nicht gut gehen, Junge? Blut ist dicker als Wasser! Wenn es Differenzen in der Vergangenheit gegeben haben sollte…“
Draco unterbrach sie vorsichtig und versuchte zu erklären: „’Differenzen’ ist nicht das richtige Wort, Mutter. Man könnte es eher ’Fehde’ nennen. Es sind so viele Dinge geschehen…“
Dieses Mal unterbrach seine Mutter mit zarter Stimme: „Dinge, die man aus der Welt schaffen kann oder etwa nicht? Meine Briefe waren ehrlich. Jeder, der sie liest, wird das erkennen, mein Schatz. Ich sorge mich jedenfalls nicht. Wenn ich deinen Vater schon nicht sehen kann, dann möchte ich all die anderen sehen, die ich meine Familie nennen darf!“
Draco gab auf.
Am Samstagnachmittag horchte Draco seit halb fünf an seiner Tür, die er einen Spalt weit geöffnet hatte, um dem Treiben auf dem Gang lauschen zu können. Schüler hielten sich hier in der Regel nicht auf, es sei denn, sie wollten seinen Patenonkel in dessen privaten Räumlichkeiten aufsuchen, was natürlich kein Schüler wollte. Zu fünf Uhr hatte seine Mutter Black eingeladen, aber auch um zehn nach fünf hatte Draco noch immer keine Schritte auf dem Gang gehört, die bis zur Tür nebenan, wo seine Mutter wohnte, gegangen waren. Als um halb sechs noch immer niemand an die Tür nebenan geklopft hatte, nahm Draco sich ein Herz und ging zu ihr hinüber.
Er klopfte an ihre Tür, die sofort von seiner vor Freude lächelnden Mutter geöffnet wurde. Die Enttäuschung darüber, dass es ihr Sohn und nicht Sirius Black war, der sie besuchte, machte sich nur für einen winzigen Augenblick in ihrem Gesicht breit, bevor sie erneut lächelte und leise zugab: „Du hattest wohl Recht, mein Herz. Für Sirius muss ich eine schreckliche Person sein, wenn er nicht einmal eine harmlose Einladung zum Tee annehmen möchte, obwohl er sich doch nur ein Stockwerk über mir befindet.“ Sie seufzte enttäuscht, bevor sie ihren Sohn hereinbat.
Ein Stockwerk höher konnte Harry bei dem Lärm, den Sirius und Anne verursachten, nicht arbeiten. Wenn er jedoch einen Stillezauber auf seine Tür legte und das Geräusch der Streitenden mit einem Male verstummte, fühlte er sich noch unwohler. Den Stillezauber hob er wieder auf und während er auf die Pergamente seiner Schüler starrte, drangen die Stimmen aus dem Wohnzimmer bis an sein Ohr.
„Ich versteh dich nicht, Sirius! Du bist manchmal wirklich ein großes dummes Kind, weißt du das?“, blaffte Anne ihn an. Obwohl Anne und Harry zugestimmt hatten, Sirius zu Narzissa zu begleiten, damit er sich zumindest mal ein Bild von der Situation machen konnte, hatte dieser sich heute wie ein verzogenes Balg in letzter Minute gesträubt.
„Ich werde diese Kuh nicht besuchen! Sie kann mir noch so viel Tee und Kuchen anbieten. Sie gehört nicht zu meiner Familie, ist das klar?“, keifte Sirius zurück und Harry ließ daraufhin genervt seine Feder in das Tintenfass gleiten, um sich in seinem Bürostuhl zurückzulehnen. Noch eine Weile hörte er sich das Gezeter im Wohnzimmer an, bevor er aufstand und zur Tür hinüberging.
Nachdem er ins Wohnzimmer getreten war, verstummten beide. Sirius fuhr sich aufgeregt durch die langen schwarzen Haare und ließ sich entnervt aufs Sofa plumpsen, während Anne, die sich für den Besuch heute extra schick gemacht hatte und sogar einen großen Strauß Blumen aus der Muggelwelt besorgt hatte, barfuss auf und ab ging – ihre hochhackigen Schuhe hatte sie vor einer halben Stunde bereits ausgezogen. Anne blickte Harry flehend an und fragte, nachdem sie einmal demonstrativ zum Sturkopf hinübergeblickt hatte: „Kannst du ihn nicht unter diesen ’Imperator-Fluch’ stellen, damit er mit mir zu seiner Cousine geht?“ Harry konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
Plötzlich klopfte es und alle drei starrten gespannt auf die Tür. Harry blickte einmal nach links an die Wand, an der die Uhr hing, bevor er etwas aufgebracht sagte: „Oh Weh, ich hab den Hund vergessen. Das wird Severus sein.“ Schon marschierte er zur Tür und öffnete sie, nur um in das wunderschöne Antlitz von Mrs. Malfoy zu blicken.
„Oh, mein lieber Harry. Wie geht es dir?“, fragte Mrs. Malfoy vertraut den Freund ihres Sohnes, der ihr nach der Einladung zum Tee angeboten hatte, ihn ruhig beim Vornamen nennen zu dürfen, weil er sich nicht so alt fühlte, ständig mit „Mister“ angesprochen zu werden, besonders nicht, wenn er sich mit ihr so gut über Märchen unterhalten konnte.
„Mrs. Malfoy…“, antwortete er verstummend, denn seine Kehle war plötzlich ganz trocken geworden. Jetzt saß er in der Zwickmühle. Sein Gefühl und die Höflichkeit gebot es, sie einzulassen, doch andererseits war es auch Sirius’ Wohnzimmer. Harry war mehr als nur erleichtert, als Anne ihm diese Entscheidung abnahm, denn sie war zur Tür gekommen und lächelte etwas unsicher, bevor sie ihre Hand reichte und sich vorstellte: „Guten Tag, Mrs. Malfoy. Ich bin Anne Adair, Sirius’…“ Sie suchte nach einem Wort, denn „Freundin“ hörte sich in ihrem Alter irgendwie kindisch an.
„Sie sind seine Getreue? Freut mich, Miss Adair. Ich vermisse Sie beide bei mir“, sagte sie stetig lächelnd und kein bisschen vorwurfsvoll, bevor sie für einen Moment verträumt an Anne vorbeiblickte.
Sirius hatte sich, als er Narzissas Stimme an der Tür vernommen hatte, vor lauter Scheu tief in das Sofa gedrückt. Er atmete heftig und seine Augen waren ganz weit und glasig, so dass er tatsächlich etwas kränklich wirkte, was Anne als Anlass dazu nahm, entschuldigend mitzuteilen: „Sirius ist momentan etwas unpässlich. Ich wollte eben zu Ihnen kommen und um eine neue Verabredung bitten.“
Mrs. Malfoy hatte Annes Worten gelauscht, während sie besorgt zu ihrem Cousin hinüberschaute. Sirius nicht aus den Augen lassend trat sie zwischen Anne und Harry in das Wohnzimmer hinein. Sie musterte Sirius von oben bis unten, während sie feenartig über den Boden glitt und sich ihm näherte. Seine Atmung wurde allmählich stockend, was Mrs. Malfoy dazu veranlasste, vor ihm in die Knie zu gehen und leise zu fragen: „Oh, was fehlt dir nur? Warst du denn schon im Krankenflügel?“ Sie hob eine ihrer schneeweißen Hände und wollte seine Stirn befühlen, doch er wich verschreckt zurück.
Von ihrem Anblick – allein von ihrer Anwesenheit – war Sirius völlig aus dem Gleichgewicht gebracht worden. Er konnte nicht glauben, dass seine verhasste Cousine hier bei ihm war und sie sich auch noch um sein Wohlergehen sorgte. Nochmals hob sie ihre Hand und dieses Mal war sie schneller als er, denn ihre Finger berührten seine Stirn, bevor sie sagte: „Du hast kein Fieber, mein Guter. Du solltest dich vielleicht einfach hinlegen und reichlich schlafen, damit es dir bald besser geht.“ Dann lächelte sie ihn an, doch er konnte ihr nur einen ungläubigen Blick schenken. Sie drückte einmal seine Hand, doch daraufhin atmete er nur noch stockender. Mit dieser Begegnung konnte er überhaupt nicht umgehen.
Mrs. Malfoy erhob sich wieder und blickte zu Harry und Anne hinüber. Sie trat an Harry heran und redete einen Moment mit ihm, während Anne wie verzaubert Mrs. Malfoys Hochsteckfrisur bewunderte. Die Blonde bemerkte den Blick auf sich und schaute die junge Frau fragend an, weshalb Anne sich mit den Worten entschuldigte: „Tut mir Leid, falls ich Sie angestarrt habe. Ich finde nur… Ich meine… Ihre Haare sind wirklich bezaubernd. Das sieht sehr hübsch aus, wie Sie sie tragen.“ Anne selbst hatte lediglich ihre schulterlangen Haare glatt geföhnt und mit einer Rundbürste die Haarspitzen leicht nach außen gedreht. Auch wenn das über eine Stunde gedauert hatte, war das Resultat doch nichts im Vergleich zu der Haarpracht von Mrs. Malfoy.
„Das würde Ihnen sicherlich auch gut stehen, Miss Adair“, sagte Mrs. Malfoy freundlich. Während sie zu Anne sprach, hörte niemand außer Harry das zaghafte Klopfen. Harry stand eh noch an der Tür und öffnete sie daher leise.
Dieses Mal war es tatsächlich Severus, der mit dem Hund an der Leine vorbeigekommen war. Mrs. Malfoy stand momentan noch mit dem Rücken zu Sirius, als sie ihren Zauberstab zückte und ihn auf Anne richtete.
Blitzschnell sprang Sirius von der Couch, zog seinen Stab und schrie: „Expelliarmus!“
Im gleichen Moment stieß Severus die Tür auf, zog zeitgleich seinen Stab und richtete ihn auf Sirius, den er mit dem gleichen Spruch entwaffnete. Anne war kreidebleich im Gesicht und wäre beinahe vor Schreck umgekippt, weil sie mit dem Schlimmsten rechnete.
Mit fragendem Blick drehte sich Mrs. Malfoy zu Sirius um und versicherte unschuldig klingend: „Ein Zauber für die Haare ist doch nichts Bedrohliches, Sirius.“
Severus schob seinen Zauberstab wieder in seinen linken Ärmel hinein und sagte stichelnd: „Zaubersprüche, um einen Haarschopf in Form zu bringen, sind ganz offensichtlich nicht in Mr. Blacks Repertoire vorhanden.“
Sirius ließ es nicht auf sich sitzen, dass man sich über seine langen, vollen Haare lustig machte, weswegen er aufsässig erwiderte: „Oh, das muss gerade jemand sagen, der sich Schuhwichse in die Haare schmiert! Oder ist das etwa alles Natur?“
Für einen Moment überlegte Severus, ob er das auf sich sitzen lassen wollte. Er würde gut vor allen anderen dastehen, wenn er Black jetzt ignorieren würde, aber es kribbelte ihn auf der Zunge, eine weitere sarkastische Bemerkung zu machen, die jedoch weniger bösartig als die von Black ausfallen sollte und so sagte er trocken klingend: „Das Einzige, was Sie jemals Ihren Haaren zugutekommen ließen, war bisher wahrscheinlich nur eine Handvoll Hundeflohpulver.“
Es klopfte erneut und alle starrten auf die Tür, als Harry sie ein drittes Mal öffnete. Leise hörte man Draco fragen: „Sag mal, ist meine Mutter…“ Er verstummte, als er vier weitere Augenpaare auf sich gerichtet bemerkte.
„Draco Schatz, du hast mich gesucht?“, fragte seine Mutter freundlich.
Mit einem Kopfnicken bat Harry den Blonden herein, der daraufhin sofort Anne erblickte und sich daran erinnerte, wie sie ihn damals mit zu sich nachhause genommen hatte, bevor man ihn ausrauben konnte.
Die beiden blickten sich entgeistert an, bevor Anne an Mrs. Malfoy gewandt fragte: „Das ist Ihr Sohn?“
Gleich darauf fragte Draco verblüfft: „Und Sie sind Blacks Freundin?“
Beide hatten sich nach dem einen Abend nicht ein einziges Mal gesehen. Bisher waren sich die Malfoys und Black immer erfolgreich aus dem Weg gegangen. Sirius hatte es nicht einmal für notwendig erachtet, Anne zu erzählen, dass Draco, dessen Zauberstab sie gefunden hatte, die ganze Zeit über hier im Schloss wohnte.
Einen Tag später, am Sonntag, hatte Remus seinen besten Anzug angezogen und Nymphadora frühzeitig aufgesucht, damit sie zusammen nach Hogwarts gehen konnten und wie er es erwartet hatte, quengelte sie herum, weil sie nun doch nicht gehen wollte.
„Ach, Nymp…“ Remus hielt inne, weil sie ihm einen bösen Blick zuwarf, weswegen er seinen Satz neu begann und sagte: „Dora Schatz, wir haben das doch besprochen. Wir gehen zusammen hin und wenn es unerträglich für dich wird, dann bekommst du Kopfschmerzen und wir entschuldigen uns.“
Nymphadora konterte: „Sie hat mit Sicherheit was gegen Kopfschmerzen da und würde es mir geben. Das klappt nicht. Wenn wir einen Fluchtplan ausarbeiten, dann sollte das einer sein, der auch funktioniert!“
Remus seufzte. Wenn Nymphadora bereits von „Fluchtplänen“ sprach, war sie in ihrem Auroren-Modus. Als sie vorgestern noch miteinander über den bevorstehenden Besuch bei Mrs. Malfoy gesprochen hatten, schien seine Verlobte recht beherrscht zu sein, doch jetzt, eine Stunde vor dem Zusammentreffen, war Nymphadora ein reines Nervenbündel, weswegen er ihr anbot: „Du könntest mir ein Zeichen geben und dann werde ich ’aus allen Wolken fallen’ und behaupten, mir wäre gerade eingefallen, dass wir für heute verabredet wären und ich dir davon leider gar nichts gesagt hätte. Dann könnt ihr die Schuld auf mich schieben.“
„Sie ist ans Flohnetzwerk angeschlossen und sie wird uns anbieten, unsere ’andere Verabredung’ zu kontaktieren. Wir werden uns da nicht rausreden können, Remus!“, meckerte sie.
„Ja, aber warum hast du denn nur zugesagt, wenn du gar nicht hingehen wolltest?“, fragte er verdattert.
„Weil du mich dazu überredet hast!“, erwiderte sie aufgebracht.
Nur ein wenig entrüstet rechtfertigte sich Remus mit den Worten: „Ich habe dich überhaupt nicht überredet. Ich habe nur gesagt, dass ich dich natürlich begleiten werde, wenn du dich dazu entschließen solltest, sie zu besuchen!“
„Aber du hast ständig davon geschwärmt, wie nett der Brief gewesen war und wie ehrlich ihre Worte klingen würden. Ich hätte nie… Verdammt, ich habe nur wegen dir zugesagt!“, wetterte Nymphadora, die nach ihrem letzten Satz einmal gegen die Wand trat.
Langsam wurde es Remus zu viel, weswegen er fragte: „Gehen wir nun gemeinsam hin oder sagen wir ab?“ Nymphadora schwieg, weswegen Remus mit ruhiger Stimme von seiner Unterhaltung mit Sirius erzählte: „Sirius hat sie kurz gesehen. Er meinte, sie wäre ihm völlig fremd gewesen. Sie hätte gelächelt! Und sie hat sich nach seinem Wohlbefinden erkundigt. Sirius meinte, er hätte sie nicht wiedererkannt.“ Remus erwähnte nicht, dass Sirius sie als „blöde Kuh“ bezeichnet hatte, obwohl er seiner Cousine offenbar rein gar nichts vorwerfen konnte. „Dora, lass es uns doch einfach mal versuchen!“
Bevor sie sich auf nach Hogwarts machten, sagte sie warnend: „Wenn sie mitbekommt, dass du ein ’Tierwesen’ bist, dann mach dich auf etwas gefasst. Nicht, dass es am Ende heißt, ich hätte dich nicht gewarnt!“
Zehn Minuten vor sechs betraten beide die Eingangshalle. Nymphadora, die sonst so mutige Aurorin, die zig Todesser überwältigt hatte, hielt sich ungewohnt ängstlich hinter Remus und blickte sich nervös um. Einige Schüler gingen noch in der Halle umher oder standen in kleinen Grüppchen beieinander und unterhielten sich, so dass Remus sich zunächst ein wenig umblicken musste, bis er eine Dame bemerkte, in der er Mrs. Malfoy zu erkennen glaubte, denn damals in der Schule hatte er nicht ein einziges Wort mit ihr gewechselt. Mrs. Malfoy trug eine kunstvolle Hochsteckfrisur und ein weißes Samtkleid mit goldenen Verzierungen. Sie redete mit jemandem, aber durch die stehenden und gehenden Schüler konnte Remus nicht sehen, wer ihr Gesprächspartner war. Etwas scheu trat er einige Schritte in die Halle hinein, gefolgt von seiner Verlobten.
Gesprächsfetzen traten an sein Ohr, als er Mrs. Malfoy mit einem angenehmen Singsang in der Stimme zu der anderen Person sagen hörte: „…und ich werde unser Anwesen in der nächsten Woche beim Ministerium einfordern. Dracos Schatz hat mir ein Formular zukommen lassen und sie sagte, es sollte gar nicht so lange dauern, bis ich eine Antwort…“ Mrs. Malfoy hielt inne, als sie den Mann erblickte, der so gezielt auf sie zusteuerte. Erst jetzt erkannte Remus, wer bei Mrs. Malfoy stand.
Albus zwinkerte ihm freundlich zu und streckte seine Hand aus, während er sagte: „Remus, mein Guter!“ Nachdem sie sich per Handschlag begrüßt hatten, stellte sich Remus mit einem scheuen Lächeln Mrs. Malfoy vor, während Albus noch Nymphadora willkommen hieß, die sich weiterhin im Hintergrund hielt. Albus entschuldigte sich gleich nach der Begrüßung und verließ die drei.
„Mrs. Malfoy? Schön, Sie kennen zu lernen. Mein Name ist Remus Lupin. Ich bin Nymphadoras Verlobter“, grüßte er, während er ihre zierliche Hand nahm und sie sanft schüttelte.
Mrs. Malfoy lächelte ihn mit glitzernden Augen an und erwiderte: „Oh wie schön, Ihre Bekanntschaft machen zu dürfen.“ Sie strahlte ihn einen Augenblick lang fröhlich an, bevor sie ihm verzückt klingend offenbarte: „Sie haben so wunderbar warme Augen, Mr. Lupin!“
Komplimente von bezaubernden Damen hatte Remus selten erhalten, weswegen er ein wenig errötete und sich kleinlaut bei Mrs. Malfoy für die netten Worte bedankte, bevor er beschämt lächelnd zu Boden blickte. In diesem Moment bemerkte Mrs. Malfoy die Frau hinter ihm. Ihr Lächeln wurde wieder breiter, während sie an Remus vorbeiging und mit leicht geöffneten Armen sehnlich den Namen ihrer Nichte sagte: „Nymphadora!“
Mit ernstem Gesicht wich Nymphadora einen Schritt zurück, was Mrs. Malfoy natürlich bemerkte und weswegen sie perplex innehielt. Ihren fragenden Blick beantwortete Nymphadora mit einer steif ausgestreckten Hand und den distanzierten Worten: „Mrs. Malfoy!“
Die Begrüßung war kühl, worüber Mrs. Malfoy traurig schien, doch sie ergriff die Hand und schüttelte sie, als sie erwiderte: „Es ist so lange her…“
„Wir haben uns nie gesehen, Tante!“, giftete Nymphadora zurück, die sich tatsächlich nicht daran erinnern konnte, dieser blonden Frau jemals persönlich gegenübergestanden zu haben.
Remus schritt ein und suggerierte: „Vielleicht sollten wir die Eingangshalle hinter uns lassen?“
Auf dem Weg in die Kerker ĂĽbernahm Remus die Aufgabe, auf Fragen zu antworten, die Mrs. Malfoy eigentlich an ihre Nichte gerichtet hatte, denn Nymphadora schien in seinen Augen etwas bockig zu sein.
In dem edel eingerichteten Wohnzimmer bot Mrs. Malfoy den beiden einen Platz an, während sie etwas plauderte, um ihre Gäste bei Laune zu halten. Remus fühlte sich wohl hier, wenn nicht die betrübte Miene seiner Verlobten gewesen wäre, die ihm ein wenig Sorgen bereitete.
„Erzähl doch, Liebes: Was machst du so?“ Sehr förmlich antwortete Nymphadora ihrer Tante und erwähnte mit Absicht, dass sie Aurorin wäre und Todesser jagen würde. „Und Sie, Mr. Lupin? Sind Sie auch Auror?“, fragte Mrs. Malfoy freundlich, während sie Tee einschenkte.
„Ähm… nein, ich bin momentan… leider… ohne Beschäftigung. Ich halte mich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Das macht zwar nicht immer Spaß, aber ich kann alle Rechnungen bezahlen“, antwortete er abgehackt und ein wenig verlegen.
„Oh, das verstehe ich wirklich nicht. Ist es denn heutzutage so schwer, eine Anstellung zu bekommen?“, fragte sie verdutzt. Gleich danach sagte sie stolz: „Albus hat mir erzählt, Sie hätten vor einigen Jahren hier als Lehrer für Verteidigung gearbeitet!“ Nymphadora wären beinahe die Augen aus dem Kopf gefallen, als sie hörte, dass ihre Tante mit Dumbledore per Du war.
Eine ganze Weile lang beobachtete Nymphadora, wie Remus sich verbal wand und schlängelte und sorgsam die richtigen Formulierungen wählte, um zu erklären, warum er keinen Job bekam. Letztendlich gab er sogar zu, er würde an einer Art Gebrechen leiden, was seine Arbeitskraft einschränken und ihn als Angestellten für den Arbeitgeber unattraktiv machen würde. Nymphadora schürzte angriffslustig die Lippen. Es war ihr unheimlich, diese Frau, die sich ihre Tante schimpfte, so locker in einer Unterhaltung zu erleben. Von ihrer Mutter wusste sie, dass Narzissa nicht nur eitel und hochnäsig, sondern auch rassistisch war, aber diese elegante Frau machte es ihr schwer, sie hassen zu wollen, doch Nymphadora wollte sie hassen. Sie hasste sie ihr Leben lang und das nur aufgrund der Erzählungen ihrer Eltern und einiger anderer Verwandter. Diese Frau hier war jedoch unerwartet nett und machte ihre lebenslang gepflegten Vorurteile zunichte, was ihr gar nicht gefiel. Nur deswegen schritt sie in die Unterhaltung ein und erklärte mit sarkastischem Unterton, um die Sache ein für allemal klarzustellen: „Er bekommt keinen Job, weil er ein Werwolf ist!“
Stille kehrte ein. Diese Stille war Nymphadora fast noch unangenehmer als die vorherige zuckersĂĽĂźe Unterhaltung. Mrs. Malfoy schaute ihre Nichte mit groĂźen Augen an, bevor sie zu Remus hinĂĽberblickte.
Am liebsten hätte Remus seiner Verlobten eine Standpauke gehalten. So etwas Gemeines hatte sie noch nie getan. Niemals hatte Nymphadora ihn vor irgendjemandem geoutet und es verletzte ihn, dass es gerade eben in Mrs. Malfoys Anwesenheit geschehen war, mit der er sich bisher blendend unterhalten hatte.
Mit gebrochener Stimme und hochroten Wangen fragte Remus peinlich berührt: „War das wirklich notwendig, Nymphadora?“ Er hatte absichtlich den von ihr verhassten Vornamen benutzt, was er ihr zuliebe immer vermieden hatte, um ihr dieses Mal zu zeigen, wie ernst die Situation für ihn war. Im gleichen Moment, als sie seine betroffene Stimme vernahm, bereute sie ihren emotionalen Ausrutscher.
Mrs. Malfoy kam hinüber zur Couch und setzte sich neben Lupin, bevor sie eine Hand auf seinen Unterarm legte und bestürzt, fast hauchend, sagte: „Ach, Sie armer Mann! Wie alt waren Sie nur, als Sie…“
Sie brachte den Satz nicht zu Ende, aber dafür drückte sie einmal verständnisvoll seinen Arm, was Remus tatsächlich dazu ermutigte, ihr abgehackt zu schildern: „Ich war erst… acht Jahre alt. Ich dachte, ich müsste sterben. Ich hab so viel Blut verloren, nachdem das… Biest mich in die Seite gebissen hat.“ Remus erzählte nicht weiter, denn dann, und das wusste er, würde er so intensiv an jene verhängnisvolle Sommernacht zurückdenken müssen, dass ihm mit Sicherheit die Tränen kommen würden.
Es war damals unerträglich heiß gewesen, so dass er nicht schlafen konnte, weswegen er sich eine Badehose angezogen hatte, um in dem kleinen Weiher zu baden, der gleich neben seinem Elternhaus lag. Auf dem kurzen Weg dorthin hatte er staunend und mit kindlicher Ehrfurcht nach oben in den klaren Sternenhimmel geblickt und er hatte den hellen runden Mond bewundert. Das Wasser hatte er noch nicht einmal mit seinen Füßen berührt, da hörte er ein unheilvolles Knurren hinter sich. Eh er sich’s versah, hatten sich die spitzen Zähne eines gigantischen, haarigen Tieres in seine Seite gegraben. Sein kleiner Oberkörper war so schmal gewesen, dass der Werwolf mit Leichtigkeit Bauch und Rücken mit seinem Maul packen konnte. Das Tier verschwand nach dem Angriff sofort wieder, doch der Schmerz war geblieben. Schreiend und weinend hatte er auf dem Rücken gelegen und sich die blutenden Wunden am Bauch gehalten, während er durch seine Tränen hindurch zum Mond hinaufgeblickt hatte. Das war die letzte Nacht in seinem Leben gewesen, in welcher er einen Vollmond sehen konnte, ohne sich selbst in eine Bestie zu verwandeln.
„Sie können doch den Wolfsbanntrank einnehmen. Ich weiß, dass er wahre Wunder bewirken kann. Sicherlich ist Severus dazu in der Lage, Ihnen den Trank zu brauen. Selbst ich könnte es. Es ist zwar kein Heilmittel, aber der Trank ist sehr…“
Nymphadora unterbrach ihre Rat gebende Tante, die eine Fremde für sie war, und zeterte: „Tun Sie doch nicht so! Als ob gerade Sie Mitleid mit einem Tierwesen haben würden.“
Remus versuchte, die Situation zu schlichten, doch Mrs. Malfoy, die Ruhe in Person, fragte bereits ihre Nichte höflich: „Warum sollte mir so ein Schicksal nicht ans Herz gehen? Er ist dein Verlobter, liebe Nymphadora!“
„Nach alldem, was ich von Ihnen gehört habe, Mrs. Malfoy, wäre es Ihnen doch nur ganz Recht, wenn Menschen wie er nicht nur von der Gesellschaft ausgeschlossen werden würden, sondern gleich den Tod…“
Nymphadora wurde unterbrochen, als Remus erbost sagt: „Jetzt reicht es aber, Nymphadora!“
Mrs. Malfoy schluckte und wollte etwas sagen, als ihre Nichte bereits erneut wetterte: „Ich sehe Sie heute zum ersten Mal, Mrs. Malfoy. Auch wenn Sie vom Verwandtschaftsgrad her meine Tante sind, so sind Sie mir doch völlig fremd! Und ich sehe auch keinen Grund, das zu ändern! Früher war ich Ihnen schon egal. Warum sollte das jetzt plötzlich anders sein? Sie haben meine Mutter – Ihre eigene Schwester – gehasst, weil sie einen Muggelstämmigen geheiratet hat und jetzt tun Sie so, als wäre nie etwas geschehen? Kommen Sie sich dabei nicht ein wenig scheinheilig vor?“
Verdutzt und ein wenig verwirrt konterte Mrs. Malfoy: „Aber ich habe Andromeda doch nicht gehasst! Ich habe…“
„Nicht gehasst? Meine Mutter wurde von ihrer eigenen Familie verstoßen! Von Ihnen verstoßen!“, erwiderte Nymphadora aufgebracht. Sie war bereits aufgestanden und bedeutete Remus, dass sie gehen wollte. Mrs. Malfoy schien von den Worten ihrer Nichte so schockiert zu sein, so dass sie nichts mehr antworten konnte.
Die Tür wurde aufgerissen und Draco kam hereingestürmt, der gleich darauf besorgt fragte: „Mutter? Ist alles in Ordnung?“ Er hatte eine erhobene Frauenstimme im Zimmer nebenan gehört und da er wusste, dass heute Tonks und Lupin bei ihr eingeladen waren, hatte er bereits eine Eskalation befürchtete. Als er seine Mutter so fassungslos erblickte, trat er an sie heran, während er höflich zu Tonks und Lupin sagte: „Vielleicht möchten Sie jetzt lieber gehen.“
Rechtfertigend sagte Mrs. Malfoy, die bereits mit zitternder Stimme sprach: „Ich habe meine Schwester nicht gehasst! Ich weiß doch noch ganz genau, wie viel Spaß wir miteinander hatten.“
Narzissa erinnerte sich daran, wie sie sich als Kind mit ihrer Schwester Andromeda und ihrem Cousin Sirius während einer Geburtstagsfeier ihrer Vaters unter dem großen Festtisch versteckt hatte. Dort hatte Sirius per Levitation den großen Schokoladenkuchen vom Buffet herbeigezaubert, über den sie zu dritt mit den bloßen Händen hergefallen waren.
„Spaß“, wiederholte Nymphadora abfällig schnaufend. Sie war so aufgewühlt, dass es besser gewesen wäre, sofort zu gehen, bevor sie Schlimmeres sagen konnte, doch Mrs. Malfoy kam plötzlich auf ihren Ehemann zu sprechen und redete von Familienbande, was Tonks am Schluss bösartig sagen ließ: „Ihr Ehemann? Die Kreise, in denen sich Ihre Familie bewegt hat, meine liebste Tante, haben Ihren Ehemann nach Askaban gebracht!“
Nymphadora hörte nicht mehr, wie Mrs. Malfoy schockiert einen Atemzug nahm, denn sie verließ bereits das Zimmer, während Remus wie angewurzelt stehen blieb und mit offen stehendem Mund erst auf die Tür, dann auf Mrs. Malfoy blickte.
Ihren Gast völlig vergessend schluchzte Mrs. Malfoy und fragte erschüttert: „Draco, ist das wahr? Dein Vater ist in Askaban? Du sagtest doch, er wäre im St. Mungos.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, begann Mrs. Malfoy zu weinen. Besorgt versuchte Draco, sie zunächst mit Worten zu beruhigen, doch die halfen nicht, so dass er aufgebracht nach einem Beruhigungstrank ausschaut hielt. Als er keinen fand, rannte er aus dem Zimmer hinaus, um bei Severus einen zu holen.
Mrs. Malfoy wirkte so verzweifelt und weinte so bitterlich, dass Remus sich zusammennahm, um zu ihr hinüberzugehen. Er setzte sich neben sie und sagte mit seiner warmen, vertrauensvollen Stimme: „Oh bitte, weinen Sie nicht, Mrs. Malfoy.“ Sie zuckte leicht zusammen, weil sie sich seiner Anwesenheit nicht mehr bewusst gewesen war.
Sie schluckte und zwang sich, keine Träne mehr zu verlieren, bevor sie kleinlaut sagte, von Schluchzern unterbrochen: „Mr. Lupin, erwecke ich den Eindruck, ich würde Sie womöglich abscheulich finden?“
Obwohl eine Träne es doch noch geschafft hatte, über ihre Wange zu laufen, musste er aufgrund ihrer Frage lächeln. Selbst mit feuchten Wangen und erröteter Nase war sie noch wunderschön.
Remus antwortete ihr ehrlich: „Nein, den Eindruck machen Sie ganz und gar nicht.“
Ihre Lippen zitterten noch immer, aber es formte sich ein erleichtertes Lächeln auf ihnen, bevor sie entschuldigend und sich rechtfertigend erklärte: „Ich kann mich nicht an alles erinnern, was geschehen ist, wissen Sie, aber ich kann mir nicht vorstellen…“ Sie hielt inne und fragte stattdessen: „Habe ich Menschen so grob verletzt? Bin ich wirklich so unausstehlich gewesen?“
An ihren Augen erkannte er, dass sie die Wahrheit forderte, auch wenn diese unschön sein würde. Er atmete einmal ein und aus, bevor er mit milder, ruhiger und nicht vorwurfsvoller Stimme zugab: „Was Nymphadora gesagt hat, ist leider wahr. Die Ansichten, die Sie früher über Tierwesen, über Halbblüter und auch über Squibs und Muggel hatten, waren nicht die besten.“ Nach seinen Worten erkannte er, dass sie seine Ehrlichkeit zu schätzen wusste, wenngleich sie sie auch schmerzte.
Fast flüsternd fragte sie ihn: „Hatte Sie denn Angst, heute zu mir zu kommen?“ Sie würde es verstehen, nachdem was ihre Nichte und er gesagt hatten. Er konnte ihr nicht in die Augen sehen und auch nicht verbal bejahen, weswegen er lediglich leicht mit dem Kopf nickte. Sie ergriff daraufhin seine Hand und beteuerte: „Sie sind so ein lieber Mensch. Es hat mich so erfreut, mich mit Ihnen zu unterhalten.“
Er legte seine Hand über ihre und erwiderte: „Es hat mich auch erfreut, Mrs. Malfoy.“
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