von Muggelchen
Arthur, Sirius und selbst Severus hatten es Harry erfolgreich ausreden können, ein persönliches Gespräch mit Albus führen zu wollen. Severus meinte, er würde empfehlen, den Ereignissen zunächst Zeit zu geben, sich entwickeln zu können, während Arthur einfach nur gesagt hatte: „Lass mich schauen, auf was Albus hinaus möchte, Harry. Du hast keinen Grund, dir wirklich Sorgen zu machen. Niemand wird dir etwas tun und wenn, dann stelle ich mich vor dich. Sie müssten dann erst den Minister ausschalten, um an dich ranzukommen. Kopf hoch, mein Sohn. Es wird sich schon alles als bloßes Gerede herausstellen!“
Die Aufbauklassen wurden schon seit drei Monaten unterrichtet und Harry hatte jetzt, Ende Juni, bereits eine vertraute Routine erlangt, die ihm seine Arbeit wesentlich erleichterte. Die meisten Schüler, unabhängig vom Alter, würden aufgrund ihrer vorhandenen Kenntnisse bereits in die höheren Klassen kommen, wenn im September die Erstklässler eingeschult werden würden. Das stand jetzt schon fest, denn die individuellen Einstufungen waren so gut wie vorüber und mittlerweile wiederholte man lediglich den Lehrstoff, um die Kinder und Jugendlichen an einen normalen Schultag zu gewöhnen. Eine zweite und dritte Klasse würde gar nicht existieren, weil die meisten Kinder während des Krieges von ihren Eltern sehr umfangreich unterrichtet worden waren und schon über einen sehr hohen Bildungsstand verfügten. Somit würden die vierten, fünften und sechsten Klassen zum bersten voll werden, so dass man diese nochmals halbieren musste.
Severus hatte sich für einen dreizehnjährigen Schüler eingesetzt, den er bei regulärem Schulbeginn sofort in der Siebten sehen wollte, denn der Bursche war allen anderen weit voraus. Nachdem alle weiteren Lehrer, die in ihren Fächern gleiche Erfahrungen mit dem Jungen gemacht hatten, dem zugestimmt hatten, beschloss Albus, dass Gordian Foster im September trotz seiner jungen Jahre bereits die siebte Klasse besuchen dürfte. Er wäre im nächsten Jahr, vorausgesetzt er bestünde die UTZ-Prüfungen, der jüngste Schulabgänger, den Hogwarts je gehabt hatte.
Ständig musste Harry an Ginny denken, wenn er ihr nicht sowieso leibhaftig in der Klasse gegenüberstand, sie beim Essen in der große Halle sah oder auf dem Weg zum Unterricht in den Gängen antraf. Sie war eine der besten Schülerinnen und meldete sich sehr häufig. Die Siebte würde sie mit links schaffen, dachte er. Die Aufbauklasse hatte sie bei Weitem nicht nötig, aber es schien ihr Freude zu bereiten, in einer so vertrauten Umgebung wie Hogwarts zu wohnen.
Man konnte langsam ihren Bauch wachsen sehen. Wenn sie Ende Dezember erfahren hatte, dass sie schwanger war, dann müsste sie jetzt bereits im sechsten Monat sein, dachte Harry, als er zwischen zwei Unterrichtsstunden gedankenverloren den Gang entlangschlenderte und um eine Ecke bog.
„Umpf…“, hörte er plötzlich und als er aufblickte, bemerkte er, dass er gerade in Severus gelaufen war.
„Tut mir leid!“, sagte Harry mit trauriger Stimme, der sich gleich wieder auf seinen Weg machte.
Trotz der vielen Dinge, die in den letzten Tagen, Wochen und Monaten geschehen waren, drehte sich bei ihm alles nur um…
„Au!“, rief Ginny, als Harry sie versehentlich angerempelt hatte und sie gegen die Statue der einäugigen, buckligen Hexe gefallen war. All ihre Bücher waren auf dem Boden gelandet.
Er hatte sie flink am Arm ergriffen, um ihr Halt zu geben und fragte aufgeregt: „Oh Gott, Ginny! Ist alles in Ordnung? Vielleicht gehst du besser zu Madam Pomfrey! Nicht, dass das…“
Ginny beruhigte ihn lachend und sagte: „Ach Ha… ähm… Professor Potter. Keine Sorge, es ist nichts passiert.“
Gentleman, wie er war, hob er all ihre Bücher auf, woraufhin Ginnys neue Freundinnen, die um die beiden herumstanden, hinter vorgehaltener Hand kicherten. Mit einem verlegenen Lächeln reichte er ihr die Bücher, die sie dankend entgegennahm. Nachdem Ginny mit ihren wesentlich jüngeren Freundinnen gegangen war – deren Kichern konnte er noch hören, als sie bereits um die Ecke gebogen waren – fühlte er sich selbst wieder wie ein in Liebesfragen unbeholfener Schüler. Er bemerkte, wie die Röte über sein Gesicht gekrochen sein musste.
Mit hochrotem Gesicht betrat er nach der kleinen Pause seine nächste Unterrichtsklasse. Ein schwerlich unterdrücktes und ihm wohlbekanntes Kichern aus einer hinteren Ecke bestätigte ihm, dass er die Klasse mit Ginny und ihren Freundinnen zu unterrichten hatte. Er hoffte, dass er die Stunde ohne eine Peinlichkeit seinerseits überstehen würde.
Erst am Abend, als er ein ernsthaftes Gespräch mit Sirius geführt hatte, da kam wieder alles in ihm auf, was er wegen Ginny unbewusst verdrängt hatte und was ihn davon abgelenkt hatte, Hermine die Neuigkeiten über den Phönixorden mitzuteilen. Ginny hatte ihm erneut den Kopf verdreht.
Der Grund des ernsten Gesprächs war Sirius’ Sorge um seinen alten Freund Remus. Als Werwolf dürfte Remus nicht heiraten, wenn er sich nicht einer Kastration oder Tonks sich nicht einer Ovariektomie unterziehen würde – gesetzliche Überbleibsel einer rassistischen Regierung. Hinzu kam, dass Albus ausgerechnet Harry, den Sieger über Voldemort, für einen weiteren dunklen Lord hielt und er den Orden des Phönix ohne ihn, Sirius und Severus hat wiederauferstehen lassen. Darüber regte Sirius sich am meisten auf. Und was sollte das mit der radikalen Gruppe, die es auf Reinblüter abgesehen hatte?
Nur mit Hermine und Ron, die sich offensichtlich getrennt hatten, obwohl keiner der beiden während oder nach der verpatzten Verlobungsfeier von Remus und Tonks etwas ihm gegenüber erwähnt hatte, schien alles in Ordnung zu sein. Auch wenn sie nicht mehr ein Paar waren, so verstanden sich alle drei noch immer wie früher, so wie Harry das gehofft hatte.
Sorgen machte sich Harry ein wenig wegen Severus, obwohl in letzter Zeit nichts weiter geschehen war. Nur dieses eine Mal war er außergewöhnlich stark in sein altes Muster zurückgefallen und hatte damit Hermine so sehr verletzt, dass sie beinahe aufgegeben hätte und sie sich bereits von dem griesgrämigen Mann abwenden wollte. So vor Aufregung zitternd hatte er Hermine selten nie erlebt. Nicht einmal vor Moony hatte sie Angst gezeigt. Im Gegenteil – sie wollte Ende des dritten Schuljahres die Bestie sogar noch besänftigen, aber das mit Severus war etwas anderes. Der konnte wirklich angsteinflößend sein.
Seine beste Freundin hatte die demütigende Erfahrung, jemanden ungewollt in ihren Gedanken gehabt zu haben, nur mit sehr viel Mühe und Zuspruch verkraften können. Hermine hatte nach diesem Vorfall mehrmals mit Harry über Severus gesprochen und er half ihr, wieder Vertrauen in ihren Zaubertränkemeister zu setzen. Wahrscheinlich wollte sie weiterhin bei Severus beschäftigt bleiben, weil sie vorrangig ihren Meister bei ihm machen wollte. Harry zu helfen und etwas über Snape und dessen Vergangenheit in Erfahrung zu bringen war für sie nur noch zweitrangig. Sie würde nichts tun, was den Zaubertränkemeister verärgern könnte und Harry würde ihr deshalb auch nichts auftragen, was ihren Job bei ihm gefährden würde.
Albus war, wie an den meisten Abenden, nicht in der großen Halle anwesend. Während des Abendessens hatte Harry wie üblich neben Severus Platz genommen, denn von dieser Position aus konnte er den Tisch der Gryffindors am besten beobachten. Ginny setzte sich immer so hin, dass sie nur leicht nach rechts schauen musste, um Harry zu erblicken. Wenn sie ihn sah, dann lächelte sie breit. Harry erging es nicht anders. Auch er strahlte wie ein Honigkuchenpferd, wenn sie zum Lehrertisch aufblickte, nur um kurz darauf verlegen grinsend in seinem Essen zu stochern, bis er wieder einen Moment finden würde, erneut zu ihr hinüberzusehen. So ging es die meisten Abende.
Severus brachte es auf den Punkt, indem er beim Essen leise zu ihm sagte: „Als Lehrer mit einer Schülerin zu liebäugeln, auch wenn sie erwachsen ist, geziemt sich nicht, Harry. Machen Sie es wenigstens nicht ganz so offensichtlich, dass ständig das Gegacker der Hühner zu uns hinüberschallt!“
Mit verträumtem Blick Ginny anhimmelnd antwortete Harry nach einem sehnsüchtigen Seufzer: „Ich mag Hühner…“
Neben sich hörte Harry es plötzlich prusten. Severus hatte sich an seinem Kürbissaft verschluckt, weswegen Harry ihm leicht auf den Rücken klopfte und ihm eine Serviette reichte.
„Wieder besser?“, fragte Harry.
Doch ohne darauf eine Antwort zu geben fragte Severus mit dem Anflug eines Schmunzelns auf den Lippen: „Hätten Sie bitte die Freundlichkeit zu wiederholen, was Sie zuvor gesagt haben?“
Harry überlegte kurz und wiederholte dann: „Ich sagte, ich mag Ginny.“
Ein einzelner, hochgezogener Mundwinkel zeigte Harry, dass Severus amüsiert schien, bevor der erwiderte: „Nein, das haben Sie nicht. Aber behalten Sie trotzdem im Hinterkopf, dass es tatsächlich, wie Sie vor Schulbeginn bereits so schön vermutet haben, gewisse Gesetze gegen diese Art von Beziehung gibt. Bringen Sie keinen von sich beiden in Schwierigkeiten, Harry!“ Entgeistert blickte Harry seinen Kollegen an, der noch leise nahelegte: „Oder ändern Sie Ihre Situation so, dass andere Gesetze für Sie beide gelten.“ Als Harry nicht zu verstehen schien, rollte Severus genervt mit den Augen, überließ jedoch seinem jungen Kollegen, selbst auf das zu kommen, auf was er angespielt hatte.
Nach dem Spaziergang mit dem Hund ging ihm am Abend nochmals die Situation von Remus durch den Kopf. Er mochte den Mann seit dem Tage, als er ihn im Zug nach Hogwarts kennen gelernt hatte, denn er hatte ihn gegen einen Dementor verteidigt. Da wusste Harry noch nicht einmal, dass er ihn in der dritten Klasse als Lehrer für Verteidigung haben würde.
Durch Hermine hatte er schon damals ein wenig über die gesellschaftliche Problematik von Werwölfen erfahren. Das Werwolf-Unterstützungsamt konnte Betroffenen wenig gegen die Diskriminierungen helfen, denen diese Menschen ausgesetzt waren, weil sie sich ein einziges Mal im Monat in einen Werwolf verwandelten. Trotz dieser einzigen Nacht waren diese Tierwesen in die höchste Gefährlichkeitsklasse eingestuft, weswegen Remus kaum noch Jobs bekam und somit langsam, aber sicher so arm wie eine Kirchenmaus wurde. Aber nicht noch einmal würde Harry ihm das Angebot machen, ihn finanziell zu unterstützen, denn das hatte Remus früher bereits abgelehnt. Selbst die Versicherung, dass Harry das von Herzen tun wollte und er keine Gegenleistung erwartete, ließ den ehemaligen Rumtreiber seine Meinung nicht ändern. Remus war ihm lediglich für seine Herzensgüte und die großzügige Geste dankbar, aber Geld nahm er nicht.
In den Kerkern hockte Hermine über ihrem Kessel und rührte das Gebräu vorsichtig um. Als sie etwas erblickte, was nicht dort hineingehörte, ließ sie genervt den Löffel in den Kessel fallen, womit sie die Aufmerksamkeit von Professor Snape auf sich zog.
Resignierend sagte sie: „Ich muss den Wolfsbanntrank noch einmal beginnen. Er ist durch ein Haar verunreinigt worden.“
Mit ihrem Wurzelmesser fischte sie das Haar aus dem Kessel, während der Professor mit wütender Stimme vorwarf: „Wie oft habe ich Ihnen gesagt, dass Sie Ihre Haare zusammenbinden sollen?“
Das Haar hatte sie endlich aus dem Gebräu herausangeln können, bevor sie es zwischen Daumen und Zeigefinger vor die Augen hielt und trocken entgegnete: „Es ist schulterlang und schwarz!“
„Oh“, war der einzige Kommentar des Zaubertränkemeisters, der ihr als eine Art Entschuldigung wortlos alle Zutaten an den Tisch brachte, damit sie den Wolfsbanntrank aus Neue ansetzen konnte. Mit dem Zauber „Evanesco“ leerte er zuvor den Kessel rückstandsfrei.
Während Hermine mit ihrem Wurzelmesser die Wurzel des Eisenhut zerkleinerte, sagte sie nebenbei: „Ich fand es richtig, dass Sie auf der Verlobung auf dieses katastrophale Gesetz aufmerksam gemacht haben. Mir ist das gar nicht in den Sinn gekommen.“
In diesem Moment hatte Severus nicht den Drang, über dieses Thema reden zu wollen. Er wollte überhaupt nicht über Zwangskastrationen reden müssen und schon gar nicht mit einer Frau, doch ihr schien dieses Thema am Herzen zu liegen, weswegen sie trotz seines ausgebliebenen Kommentars erklärte: „Es gibt da eine Initiative: Die Initiative für die Forderung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes für magische und nichtmagische Halbwesen“ Noch immer erwiderte Severus nichts, was sie nicht zu stören schien, weshalb sie noch anfügte: „Ich hab mich denen angeschlossen und spende monatlich…“
„Konzentrieren Sie sich auf den Trank, Miss Granger!“, forderte er mit süßlich vorwurfsvoller Stimme.
Hermine rührte das bisher noch gut duftende Gebräu, als der Professor, der in seinen Unterlagen blätterte, plötzlich nebensächlich klingend fragte: „Hat Miss Weasley eigentlich noch Kontakt zu diesem Spanier?“
Aufgrund seiner Frage war sie so überrascht, dass sie beinahe vergessen hätte, den Trank weiterzurühren, aber sie fing sich schnell wieder, als sie verdutzt fragte: „Sie wissen davon?“ Ein Blick von ihm bestätigte ihr, dass er ja wohl nicht fragen würde, wenn er nichts wüsste. Sie seufzte einmal, bevor sie schilderte: „Ich hab den Idioten zwei Mal getroffen. Wir sind zu dritt ins Kino gegangen und haben beim zweiten Mal einen Rummel besucht.“ Nur nebensächlich erwähnte sie noch: „Er sah ein wenig aus wie Harry.“
Mit dieser Aussage bestätigte Miss Granger ihm, dass Miss Weasley noch genauso an seinem jungen Kollegen hing, wie der an ihr. Und für nur einen Moment fragte er sich selbst, warum ihn das überhaupt interessierte, bevor er seine Schülerin fragte: „Warum Idiot?“
Ehrlich antwortete sie: „Na ja, er war nicht sehr helle; recht einfach gestrickt und wahnsinnig oberflächlich. Ich hab wirklich nicht verstanden, was sie an dem Typen gefunden hatte. Aber auf Ihre Frage zurückzukommen: Ginny hat keinen Kontakt mehr zu Pedro. Oder war es Pablo? Egal…“ Sie mischte konzentriert rührend das getrocknete Pulver einer Pflanze unter, welches das Gebräu mittlerweile unangenehm stinken ließ. „Ich frage mich, wie er das immer runterbekommt. Das Zeug stinkt bestialisch“, sagte sie eher zu sich selbst.
Den Tagespropheten des nächsten Tages musste Severus nicht abwarten, um zu erfahren, dass eine gesamte Reinblüter-Familie im eigenen Haus überfallen, gefesselt und ermordet worden war. Die verkohlten Überreste von Großeltern, Eltern, zwei Onkeln und einem Geschwisterteil wurden nach einer Brandstiftung in deren Herrenhaus aufgefunden. Lediglich ein Familienmitglied hatte aufgrund der eigenen Abwesenheit diesen Überfall überlebt, denn die 14-jährige Meredith Beerbaum besuchte bereits die Aufbauklasse in Hogwarts, als die Magische Strafverfolgungspatrouille Professor Dumbledore und ihr diese schlimme Nachricht überbrachte.
Meredith hatte niemanden mehr, weswegen die herzensgute Professor Sprout ihr anbot, die Vorbereitungen zur Beerdigung in die Hand zu nehmen und sie zum angesetzten Termin auch zu begleiten.
Albus hatte, nachdem er vom Termin der Beerdigung erfahren hatte, Severus zu sich gebeten und gesagt: „Severus, ich möchte, dass auch du zu dieser Beerdigung gehst, aber bleib im Hintergrund. Ich weiß, dass du unsichtbar sein kannst, wenn du es willst. Ich möchte, dass du alles genau beobachtest. Vielleicht wird einer der Täter es wagen, sich an dem Tod der Beerbaums ergötzen zu wollen. Tust du mir den Gefallen?“
Severus stimmte wortlos zu.
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