von Muggelchen
„Hermine… ich hab’s versaut. Severus war heute früh so sauer. Ich befürchte, er will mich nicht mehr sehen“, sagte Harry übers Flohnetz zu seiner besten Freundin. Nach dem Vorfall mit Severus hatte Harry seinen Patenonkel zurechtgewiesen, der kurz darauf wutentbrannt zu Anne geflohen war. Remus hatte den Zwischenfall bedauert und sich bei Harry entschuldigt, obwohl ihn ja keine Schuld getroffen hatte.
„Ach, das wird schon, Harry. Du bist immerhin sein Hundesitter“, sagte sie schäkernd.
Doch Harry antwortete traurig: „Er hat gesagt, ich soll die Töle behalten. Ich denke, das ist eindeutig.“
Verzweifelt schüttelte Hermine den Kopf, doch sie versuchte aufzumuntern: „Trotzdem, ihr habt euch monatelang drei Mal täglich gesehen, ohne euch großartig an die Gurgel zu gehen. Harry, du darfst da jetzt nicht lockerlassen, auch wenn er momentan wieder so ein Griesgram ist wie früher. Du weiß ja, dass sich das überraschend ändern kann – so einen Moment musst du abwarten! Am besten fragst du ihn irgendwas Wichtiges oder bittest ihn um Hilfe; irgendeine Lehrerangelegenheit oder so.“
Verdutzt fragte Harry: „Warum sollte ich das tun?“
Den Kopf schüttelnd erklärte sie lehrerhaft: „Harry, das ist Psychologie! Das zeigt ihm, dass dir was an ihm liegt und dass er nicht unnütz ist. Mach es einfach, aber nicht so auffällig. Ich werde gerufen, Harry. Ich muss noch drei Stunden im Hospital bleiben. Bis dann!“
Ihn wegen irgendwas fragen oder um Hilfe bitten? Harry zermarterte sich den Kopf, um sich einen Vorwand auszudenken. Viele Kleinigkeiten verwarf er gleich wieder, da sie in Hermines Augen zu auffällig sein würden. Es musste etwas sein, mit dem Harry tatsächlich überfordert war.
„Harry, bist du da?“, hörte er Remus aus dem Kamin sprechen.
„Remus, ich dachte, du hast heute noch zu tun?“, fragte Harry nach.
Remus räusperte sich, bevor er erklärte: „Ja, na ja… Dir hat man bestimmt auch gesagt, dass der Orden des Phönix wieder aktiv wird!“ An Harrys verdattertem Gesichtsausdruck erkannte Remus, dass dem nicht so war, weswegen er stutzig sagte: „Ähm, ich dachte, weil du den Orden weitergeführt hattest, dass du davon… Offenbar nicht oder? Albus wird dir sicher noch Bescheid geben. Es wäre nicht richtig, dich wieder auszuschließen, wo du doch erstens volljährig bist und zweitens Voldemort erlegt hast!“
Harry lachte aufgrund der Ausdrucksweise und sagte schelmisch: „Erlegt? Voldemort war doch kein Wildschwein, obwohl… Nein, im Ernst: Keiner hat mir was gesagt. Sind wieder alle mit dabei? Kingsley, Alastor, Minerva, Molly, Arthur. Severus etwa auch?“
Remus sträubte sich ein wenig weiterzuerzählen, aber letztendlich sagte er: „Harry, hör mal. Ich weiß nicht, ob ich dir davon hätte berichten dürfen. Keine Ahnung, warum Albus dir bisher nichts gesagt hat. Ich hoffe sehr, er macht das noch. Ansonsten weiß ich nämlich nicht, was ich von der Sache halten soll.“
„Ist schon gut, Remus. Ich bring dich nicht in Schwierigkeiten. Ich werde keinem… Ich werde nur zweien davon erzählen, da lüg ich dich nicht an“, versicherte Harry.
Nickend nahm Remus seine ehrlichen Worte entgegen, die ihn glauben ließen, dass er Ron und Hermine davon berichten würde, bevor er sagte: „Ich wollte eigentlich wegen etwas anderem mit dir sprechen, Harry! Wegen meiner Tagebücher. Wir können uns gern treffen, um sie gemeinsam durchzublättern. Wenn es geht, bei mir und wenn möglich ohne Sirius. Aber sag mal, nach was genau suchst du? Es sind keine Geschichten, die deine Eltern betreffen! Das habe ich heute früh schon bemerkt.“
„Ich kann dir nichts vormachen oder? Ich bin ein offenes Buch für dich. Also gut: es geht um Severus!“, gab Harry zu, ohne zu erklären, warum er etwas über ihn in Erfahrung bringen wollte.
Remus hakte auch gar nicht nach, sondern nickte nur verständnisvoll und erwiderte: „Ich lag mit meiner Vermutung richtig. In Ordnung Harry, du musst mir nur sagen, wann es dir zeitlich passt. Ich habe keine Ahnung, inwiefern der Orden mich demnächst wieder in Beschlag nehmen wird. Ich wüsste nicht, welches Thema wichtig genug wäre, um alle Ordensmitglieder zusammenzutrommeln.“
Das wäre doch eine Sache, weswegen er Severus ansprechen könnte, dachte sich Harry und spazierte mit dem Hund in die Kerker. Salazar Slytherin sagte, als er Harry erblickte, arrogant klingend: „Sie haben keinen Zutritt mehr, Mr. Potter!“
Nickend erwiderte Harry: „Ja, das dachte ich mir. Dann sagen Sie ihm bitte, dass ich mit ihm sprechen möchte!“
Salazar schnaufte einmal höhnisch, bevor er entgegnete: „Entschuldigen Sie bitte, aber sehe ich wie eine Vorzimmerdame aus? Klopfen Sie gefälligst und warten Sie auf Einlass, wie jeder andere auch!“
Er hatte keine Lust auf ein Streitgespräch mit einem Gemälde, weswegen Harry einfach neben dem Rahmen an die Tür klopfte und dann wartete. Und wartete… und wartete. Dann klopfte er erneut, nur lauter und wartete nochmals eine Weile. Als er bereits zum vierten Mal ausholen wollte, giftete ihn das Gemälde an: „Haben Sie schon einmal in Erwägung gezogen, dass Ihre Anwesenheit nicht erwünscht sein könnte?“ Mit zusammengekniffenem Mund verließ Harry die Kerker und ging mit dem Hund spazieren.
Nach dem Unterricht und dem Mittagessen, dem Severus ferngeblieben war, folgte die gleiche Prozedur an der Tür seines Kollegen. Klopfen und warten und das mehrmals hintereinander, obwohl der eine Hogwarts-Gründer bereits über den Lärm zeterte und einige Slytherins beim Vorbeigehen ihren Lehrer verwirrt anblickten.
Am Abend war Harry mittlerweile sehr erzürnt über Severus’ bockiges Verhalten, weswegen er nach dem Klopfen, aus dem mittlerweile ein ungezügeltes Pochen geworden war, die Wartezeit mit lautem Rufen verbrachte, das man durch die Türe hören müsste, aber es regte sich nichts. Vielleicht war Severus ja tatsächlich nicht Zuhause, aber wo sollte er hin? Er hatte oft genug erwähnt, dass er außerhalb Hogwarts nichts anzustellen wüsste.
In seinem Wohnzimmer grübelte er darüber nach, was er tun könnte. Er könnte seinem Kollegen eine Eule schicken, aber er würde mit Sicherheit keine Antwort erhalten. Da fiel ihm auf, dass der Hund bis auf ein paar Häppchen vom Abendessen nichts gefressen hatte, weswegen er Dobby zu sich rief. Mit einem lauten Plop erschien der Hauself mit einer giftgrünen Wolljacke und grellgelber Mütze bekleidet und er sagte erfreut: „Mr. Harry Potter, Sir! Was kann Dobby Ihnen bringen?“ Harry lächelte den Elf nett an und fragte nach allerhand Hundeutensilien, wie Futter, Spielzeug und Fellbürste.
Dobby verschwand und kam Sekunden später vollbepackt mit viel zu vielen Gegenständen zurück. „Woher…?“, staunte Harry, als er jede Menge verschiedener Hundeknochen, fiependes Spielzeug in Entenform, zig sich selbst bewegende Spielbälle mit oder ohne Schnur und verknotete Seile beäugte.
„Das, Mr. Potter, hat Professor Snape heute früh abholen lassen. Professor Snape sagte zu Winky, dass der Erste, der nach so etwas fragen würde, alles haben könne.“
Gedankenverloren nahm Harry das verknotete Seil in die Hand und sofort kam der Hund an, der sein Spielzeug wieder erkannte, sich ein Ende mit den Zähnen schnappte und wie wild daran zog.
„Das hat Professor Snape bei sich abholen lassen?“, fragte Harry verdutzt nach. All das hatte Severus dem Tier besorgt, das er zuletzt eine Töle geschimpft hatte? Severus musste mehr an dem Hund liegen, als er sich selbst eingestehen wollte.
Die Nacht wurde zur Tortur. Harry hatte den Hund aus dem Schlafzimmer verbannt, weil er ihn wegen der vielen Haare nicht im Bett haben wollte. Es folgten zwei Stunden, in denen der Hund immer wieder an der Schlafzimmertür kratzte. Letztendlich vervielfachte sich die nächtliche Störung durch Bellen, Jaulen und dem Malträtieren der Tür, die nach draußen führte. Morgen hatte Harry wieder Unterricht und zwar gleich nach dem Frühstück. Es war bereits drei Uhr nachts und er hatte nicht ein einziges Mal ein Auge zumachen können. Völlig entnervt sprang er aus dem Bett, zog seine Slipper über und griff sich seinen Zauberstab und die Leine, um den Hund bei Severus abzuliefern.
Zumindest der Vierbeiner schien sich wahnsinnig zu freuen, als ein säuerlicher Harry den Weg in die Kerker einschlug. In einem Gang in einer schattigen Nische traf er auf ein knutschendes Pärchen, welchem er vor lauter Gereiztheit je zwanzig Punkte abzog, ohne zu wissen, wer die beiden überhaupt waren und welchem Haus sie angehörten.
An Severus’ Tür angekommen klopfte Harry so laut, dass, wenn es möglich gewesen wäre, Salazar Slytherin beinahe aus seinem Gemälde gefallen wäre.
„Was soll der Lärm zur Nachtzeit, Mr. Potter? Gehen Sie wieder!“, belferte das Gemälde, welches so rabiat geweckt worden war. Den Gründer ignorierend pochte Harry erneut. Der Hund stieg dieses Mal mit ein und bellte.
„Ja Harry, schön weiterbellen!“, ermutigte er den weißen Kuvasz mit säuselnd zarter Stimme.
Das Gebell und Gejaule war mittlerweile so laut geworden, dass alle Bilder auf dem Gang erwacht waren und sich lauthals über den Tumult beschwerten und damit noch viel mehr Krach machten, als der Hund allein. Harry brauchte gar nichts mehr zu machen. Zufrieden lächelnd lehnte sich gegenüber von Severus’ Tür an die Wand und ließ den Hund jaulen, bellen und an der Tür kratzen, worüber sich besonders Salazar Slytherin aufregte, der bald darauf aus seinem Gemälde verschwand.
Kurze Zeit später wurde die Tür von einem wütenden Severus aufgerissen und bevor er sich’s versah, rannte der Hund bereits in sein bekanntes Territorium. Mit den Augen folgte Severus dem Hund, blieb jedoch an der Tür stehen, um nun Harry böse anzublicken. Der stand ihm mit verschränkten Armen gegenüber und fing plötzlich an, laut loszulachen. Darüber etwas verwirrt runzelte Severus die Stirn.
Noch immer lachend erklärte Harry: „Ich fass es nicht… Sie tragen eine Zipfelmütze im Bett!“ Wieder begann er zu lachen. Selbst Severus’ mörderischster Blick brachte keinerlei Einschüchterung, denn die weiße Mütze mit der Bommel am schlaffen Ende ließ den ehemaligen Todesser nicht im Geringsten gefährlich erscheinen.
Noch einen Moment hörte Severus sich das Gegacker an, bevor er in kühlem Tonfall entgegnete: „Und Sie, Mr. Potter, sind sich hoffentlich darüber im Klaren, dass Sie schlafende Bärchen auf Ihrer nächtlichen Bekleidung zur Schau stellen?“
Harry, der jetzt nur abgehackt lachte, blickte auf seinen Arm und betrachtete für einen Augenblick die sich ankuschelnden Bären, bevor er grinsend erklärte: „War ein Weihnachtsgeschenk von Albus.“
Ein Mal musste Severus schnaufen, um ein Lachen zu unterdrücken, bevor er schmunzelnd zugab: „Wie auch die Schlafmütze ein Geschenk vom Direktor an mich war.“
Nur kurz, weil beide ihren Schlaf benötigten, erklärte Harry, dass der Hund sich bei ihm nicht wohl gefühlt hatte. Ohne Widerwort nahm Severus den Vierbeiner zurück und wünschte eine gute Nacht. Es war Severus, der unerwartet sagte: „Bis morgen!“
Am nächsten Morgen war Harry so müde, dass er den Hund nur kurz vor dem Frühstück ausführte. Die frische Luft hatte ihn noch schläfriger gemacht, so dass er beim Unterricht nicht ganz bei der Sache war. Er sorgte unbeabsichtigt für einen Lacher, als er anstelle von Rotkappe die Bezeichnung Rotkäppchen benutzte, aber Harry lachte daraufhin herzlich mit seinen Schülern mit.
Nach vierzehn Uhr hatte er heute zum Glück keinen Unterricht mehr, wofür er mehr als dankbar war. Trotzdem spielte er mit dem Gedanken, den Hund am Abend nochmals auszuführen, wie er es immer getan hatte. Zeitlich war es die ganze Woche über, seit er nun als Lehrer arbeitete, kein Stress, mit dem Hund vor dem Frühstück, nach dem Mittag und zum Abend spazieren zu gehen. Er musste es sich sogar zugestehen, dass ihm die Zeit mit dem Kuvasz Entspannung brachte und die kurze Zerstreuung ihn neue Energie schöpfen ließ.
Während des abendlichen Spaziergangs überlegte Harry, ob er Severus nachher von dem wieder aktiven Orden erzählen sollte. Er wollte Hermines Rat, obwohl der Streit zwischen ihm und seinem Kollegen seit heut früh vergessen schien, trotzdem nachkommen und Severus etwas Wichtiges fragen. Es fiel ihm nichts ein, um was er ihn bitten könnte, als er plötzlich einen Gedankenblitz hatte. Natürlich fiel ihm etwas ein! Er könnte Severus den Schlüssel zeigen, den Dobby ihm gegeben hatte. Den Schlüssel, den Kreacher in seinem Besitz gehabt hatte, sollte mysteriös genug scheinen, um Severus’ Interesse zu wecken.
Den in Pergament eingewickelten Schlüssel aus seinem Nachttisch steckte er sich vorsichtshalber in die Hosentasche, falls das Gespräch über den Orden in irgendeiner Weise fehlschlagen sollte.
Nachdem er den Hund wieder bei Severus vorbeigebracht hatte, lud er sich selbst ein und sagte: „Ich könnte jetzt einen Schluck Wein gebrauchen! Darf ich…?“ Er hielt die Weinflasche aus einem Regal in die Höhe und fragte frech: „Darf ich Ihnen auch einen einschenken?“ Nur einen Moment schien Severus perplex, weil Harry sich an seinen Spirituosen gütlich tun wollte, doch er nickte zustimmend und nahm das volle Glas, welches Harry ihm reichte, dankend entgegen.
„Severus, haben Sie vielleicht eine Ahnung, warum Albus mich nicht mehr im Orden des Phönix haben möchte?“, fragte Harry zögerlich, weil er ahnte, dass Severus ihn nicht einweihen durfte.
„WAS?“, blaffte sein Kollege plötzlich aufgebracht, so dass Harry zusammenzuckte und der Hund einmal kurz anschlug.
Heftig atmend, weil Harry sich wirklich erschrocken hatte, schilderte er: „Ich habe erfahren, dass der Orden wieder aktiv wird. Offensichtlich werden jetzt alle Mitglieder kontaktiert und…“ Harry hielt inne, weil sich die Augen seines Gegenübers sich vor Zorn immer weiter verengten.
Mit Wut in der Stimme, die nicht Harry galt, fragte Severus gespielt höflich: „Und hätten Sie die Freundlichkeit mir mitzuteilen, von WEM Sie diese Information haben?“
Eingeschüchtert schluckte Harry, bevor er antwortete: „Ich möchte nicht, dass die Person in Schwierigkeiten kommt. Er vermutet…“
„ER? Dann ist es Lupin oder Black, nicht wahr? Wer von beiden gab Ihnen diese Information, Harry?“, fragte Severus äußerst angespannt, doch Harry schüttelte den Kopf und verweigerte ihm eine Antwort. Er würde Remus nie in Schwierigkeiten bringen.
Nachdem sich Severus gesetzt und den Wein hinuntergestürzt hatte, als wäre es erfrischender Kürbissaft, erhob er sich wieder und ging auf Harry zu.
„Sie sind nicht der einzige, der von Albus nicht darüber informiert worden war. Und wie Sie bemerkt haben, bin ich darüber mehr als nur ungehalten. Es geht hier nicht um einen Briefeulen-Fanclub, der einem grundlos die Mitgliedschaft nicht verlängern möchte, Harry. Ich werde darüber mit Albus reden und zwar sofort! Fühlen Sie sich weiterhin“, er machte mit der Hand eine präsentierende Bewegung, „wie Zuhause!“ Seine Stimme war leise gewesen und hatte sehr gereizt geklungen und gleich darauf machte Severus sich auf den Weg in das Büro des Direktors.
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