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Fanfiction

Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Der Orden des Merlin

von Muggelchen

Von Sirius war es viel verlangt, in Harrys Gegenwart kein böses Wort über Snape fallen zu lassen, aber er gab sich Mühe. Dennoch gefiel es ihm überhaupt nicht, dass Harry den Feind aus Schulzeiten unbedingt mit anderen Augen sehen wollte. Für ihn war Snape der gleiche Bastard wie früher. Nichts könnte das ändern. Er war genauso sarkastisch, boshaft und angriffslustig wie eh und je, wenn man ihn mal zu Gesicht bekam. Mit nackten Füßen saß Sirius im Schneidersitz auf dem Sofa und blätterte im Tagesprophet, der täglich von einer Eule gebracht wurde.

„Harry, komm her! Das glaubst du nicht …“, schrie Sirius.
Harry stolperte, als er hastig aus dem Badezimmer gelaufen kam. „Ist was passiert?“, fragte er besorgt.
Sirius winkte Harry heran und las laut aus dem Tagespropheten vor:

„Remus Lupin, der eng an der Seite des großartigen Professor Dumbledore gegen Voldemort gekämpft hatte, verneint vehement, dass an den Gerüchten, er würde als neuer Zaubereiminister kandidieren wolle, ein Fünkchen Wahrheit sei. Dazu sagt der ehemalige Professor für Verteidigung gegen die Dunklen Künste an Hogwarts:

‚Es ist schmeichelhaft, aber dieses Aufgabengebiet überschreitet nicht nur meine Kompetenzen, sondern auch mein berufliches Interesse.‘

Als Kämpfer für die gute Seite und als Lebenspartner einer Aurorin liegen Lupins Interessen wohl in erster Linie darin, die entflohenen Todesser dingfest zu machen. Auf die Frage unseres Journalisten, ob er die Petition für die Ernennung eines Halbmenschen zum Zaubereiminister befürworten würde, antwortet Lupin, der selbst als Kind von einem Werwolf gebissen worden war und seitdem an diesem Fluch leidet:

‚Es ist nicht entscheidend, wer man ist, sondern was man tut. Ein Zaubereiminister muss gewisse Fähigkeiten mit sich bringen und nur darauf kommt es an. Ich würde es allerdings befürworten, wenn Halbmenschen und Tierwesen in Zukunft weniger diskriminiert werden würden. Jeder verdient die Chance, aus seinem Leben das zu machen, was er sich vorstellt; dazu zählt auch, dass man ohne große Schwierigkeiten einen Beruf ergreifen und eine Familie gründen kann.‘“

Mit einem breiten Lächeln blickte Sirius zu Harry und fragte stolz: „Kannst du dir das vorstellen? Remus im Tagesprophet! Hier, sieh mal, da ist sogar ein Bild von ihm.“
Harry betrachtete das bewegte Foto. Remus blickte scheu zur Kamera, dann verlegen zu Boden, daraufhin zum Reporter, bevor das Bild sich wiederholte. „Das muss ich rot im Kalender anstreichen, dass mein Name nicht in dem Artikel auftaucht“, sagte Harry lächelnd.
„Wart’s ab! Ich hab ja noch nicht zu Ende gelesen“, warnte Sirius, bevor er den Rest vorlas: „Remus Lupin war einst bester Freund von James und Lily Potter, den Eltern unseres Helden und Retters der Zaubererwelt: Harry Potter.“ Sirius blickte auf und sagte gespielt echauffiert: „Pah, und ich dachte immer, ich wäre der beste Freund gewesen …“

Eine Weile unterhielten sich Harry und Sirius über Remus. Für Harry war es seltsam, über Dinge zu sprechen, die sechs Jahre zurücklagen. Sirius erinnerte sich noch so gut an die Begebenheiten, als hätte er sie erst letzte Woche erlebt. Bald sprachen sie nicht mehr nur von Remus, sondern auch über Tonks. Sirius und Harry waren beide der Meinung, dass die verbale Ohrfeige von Molly und Arthur dem Freund gut bekommen war. So hatte er endlich Tonks’ Werben nachgegeben und sich mit ihr liiert.

Aus einer Laune heraus sagte Harry: „Vielleicht solltest du dir auch eine Frau suchen, Sirius.“
Sirius schnaufte ungläubig und stellte die Gegenfrage: „Welche Frau will schon einen Kerl haben, der zwölf Jahre unschuldig in einem der schlimmsten Gefängnisse gesessen hat und dazu noch fast sechs Jahre in einer unwirklichen Zwischenwelt leben musste, die außerdem ziemlich an seinen Verstand gezehrt hat?“

Im ersten Moment lachte Harry, doch dann begriff er, dass Sirius keinen Scherz gemacht hatte. Sein Patenonkel war zwar in körperlich guter Verfassung, aber psychisch machten ihm die verlorenen Jahre zu schaffen.

Sie debattierten eine Weile, bis Harry schließlich in Worte fasste, wie er sich die Frau vorstellte, die für seinen Patenonkel die Richtig wäre. Sirius machte einige Minuten später bei dem Spaß mit und nannte Vorzüge, die sie haben und Eigenschaften, die sie besitzen sollte. Sie müsste keine Hexe sein, versicherte Sirius. Schon allein deshalb nicht, damit sich seine Eltern vor lauter Enttäuschung im Grabe drehen würden. Als er noch hinzufügte, sie dürfte auf keinen Fall hübscher sein als er selbst, brach Harry in lautes Gelächter aus, in das Sirius einstimmte.

Während des ganzen Gesprächs musste Harry an Ginny denken. Sie hatten sich auseinandergelebt, nachdem er ihr zu ihrer Sicherheit den Laufpass geben musste, doch jetzt wäre der Moment gekommen, sich ihr wieder zu nähern. Die Frage war nur, wie er das anstellen sollte. Zweisamkeit konnte einen Menschen positiv verändern. Bei Bill und Fleur durfte Harry das mehr als einmal beobachten. Nichts schien die beiden zu erschüttern, solange sie einander hatten. Von seiner Theorie überzeugt sagte Harry nach einer Weile, dass Snape mit einer Frau an seiner Seite bestimmt auch ein anderer Mensch wäre. Sirius wollte sich zurückhalten. Er hatte es wirklich versucht, aber da es Harry war, der angefangen hatte, von Snape zu reden, konnte er sich nicht zähmen.

„Snape und eine Frau? Ich bitte dich! Mal ganz davon abgesehen, dass mich seine sexuelle Orientierung nicht im Geringsten interessiert … Ich bin mir fast sicher, er ist asexuell.“
Harry blickte enttäuscht drein. „Du bist echt gemein, weißt du das?“ Der Spaß war aber noch lange nicht vorbei. Beide malten sich aus, mit welcher Kollegin Snape ein Paar abgeben könnte. Sirius nannte scherzhaft Professor Trelawney als mögliche Kandidatin. Harry verzog angewidert das Gesicht und meinte trocken: „Ich glaube, Snape würde in dem Fall doch lieber zölibatär leben. Außerdem glaube ich, dass Filch ein Auge auf sie geworfen hat.“ Die beiden alberten wie Drittklässler herum. Erst Sirius brachte etwas Ernst in das Gespräch.
„Wie ist es mit dir, Harry? Willst du es Ron nicht langsam mal nachmachen?“
Harry saß noch der Schalk im Nacken. „Ich weiß nicht, Sirius. Ich meine, was würde Ron dazu sagen, wenn ich mir seine Hermine schnappe?“ Harry giggelte wie ein Schuljunge, während Sirius ihn aus Spaß mit dem gefalteten Tagesprophet schlug. Seit der dritten Klasse hatte er sich ein Zusammenleben mit seinem Paten genauso vorgestellt. Unbekümmert, lustig und kein bisschen langweilig.
„Du weißt genau, was ich meine. Was ist mit deiner Ginny?“ Sirius erwartete offenbar eine Antwort.
Harrys gute Laune wurde gedrosselt. „Sie ist momentan leider nicht meine Ginny. Ich weiß nicht, ich weiß wirklich nicht. Reit bitte nicht drauf rum, ja?“ Sirius nickte und klopfte Harry Mut machend auf die Schulter.

Neben den täglich neuen Vorschlägen des Tagespropheten, wer als Zaubereiminister in Frage kommen würde, fielen immer wieder Leserbriefe auf, die sich um ein anderes Thema drehten. Der Tagesprophet reagierte auf die Nachfrage seiner Leser. Prompt rief man eine feste Rubrik mit der Überschrift „Der Orden des Merlin – Wer verdient ihn?“ ins Leben. Harry war erstaunt, dass nicht er selbst für den Artikel mit dem ersten Vorschlag herhalten musste. Man schrieb stattdessen über Professor Dumbledore, dem man früher bereits einen Orden gegeben hatte. Sirius vermutete, sie würden sich einen Artikel über Harry womöglich für Zeiten aufsparen, in denen die Verkaufszahlen des Tagespropheten wieder einmal angekurbelt werden müssten. Es wurden etliche Leute vorgeschlagen, von denen Harry teilweise nie im Leben gehört hatte. Ab und an waren jedoch welche darunter, die er zu seinen Freunden zählte.

Im Tagesprophet wurden zudem verschiedene Dinge aufgedeckt, die zu Zeiten von Fudge und Scrimgeour vertuscht worden waren. Besonders freute sich Harry über einen Artikel, der die Wahrheit über Dolores Umbridge preisgab. Die Person wollte anonym bleiben. Da der Journalist seinen Interviewpartner jedoch als junge Frau „mit hüftlangen, blonden Haaren und entrücktem Blick“ beschrieb, war Harry sehr schnell klar, dass der Tagesprophet die Tochter des Klitterer-Herausgebers interviewt hatte: Luna Lovegood.

Mit beunruhigendem Gefühl verfolgte Harry bereits seit einigen Wochen die kleinen, bilderlosen Artikel, die meist unauffällig am Rande einer Seite abgedruckt waren. Wieder ein Artikel über den Mord an einem Menschen, der mit einem Todesser in Verbindung stand:

„Den 18jährigen Squib Christian Rosier, Neffe von Todesser Evan Rosier, der damals von Auror Alastor Moody im Kampf getötet worden war, hat man am Montagmorgen tot in seiner Wohnung in London aufgefunden. Die Muggelpolizei spricht von einer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang. Rosier, der mit seiner Mutter seit seiner Geburt in Muggel-London lebte, beendete erst letzte Woche seine Ausbildung zum Bankkaufmann. Er hinterlässt eine Frau und eine zwei Monate alte Tochter.“

Ein Artikel im neuen Tagesprophet handelte sogar von Sirius. Man hatte ihn in der Kategorie „Schicksalsdramen“ verbucht und den Artikel dementsprechend schnulzig verfasst. Mit einigen Fehlern in der mangelhaft recherchierten Geschichte wurde erklärt, dass Sirius zwölf Jahre unschuldig für den Mord an Harrys Eltern ins Askaban verbringen musste, während man dem wahren Mörder Peter Pettigrew posthum einen Orden des Merlin verlieh, obwohl der, was sich viel später herausstellte, ein Todesser war und sein eigenes Ableben nur inszeniert hatte. Die Leser überschwemmten den Tagespropheten auf diesen Artikel hin mit ihren Meinungen und schlugen vor, Pettigrew den Orden zu entreißen und ihn dafür Black zu geben. An dem Tag, an dem dieser Artikel in der Zeitung gestanden hatte, lächelte Sirius bei allem, was er unternahm.

Auf seiner Couch liegend, mit einem eingerollten Fellknäuel auf dem Schoß, las Severus den Tagesprophet und stutzte, als er den sentimentalen Artikel über Black las. Er stimmte zwar zu, dass man Pettigrew den Orden aberkennen sollte, aber seiner Meinung nach hatte Black nicht unbedingt einen verdient. Während seiner Flucht hatte Severus genug Zeit zum Nachdenken gehabt. Er war zu dem Schluss gekommen, dass Black tatsächlich unschuldig gewesen war, was den vermeintlichen Verrat an Harrys Eltern betraf. Noch heute war ihm nicht ganz klar, warum das Ministerium aus Black einen Todesser gemacht hatte, obwohl das Offensichtlichste – das dunkle Mal – an ihm fehlte. Trotzdem war Severus noch immer der Meinung, dass in diesem Mann viel von einem Mörder schlummerte. Dies hatte er in seiner Schulzeit am eigenen Leib erfahren. Wäre James nicht gekommen …

Severus dachte den Satz nicht zu Ende. Zu oft hatte er die Situation in Gedanken nachgespielt, hatte sich vor Augen geführt, was er alles nicht erlebt hätte, wäre er damals durch Lupin zerrissen worden. Das Schlimme an seinen Überlegungen war, dass Severus zu wenige Dinge in seinem Leben aufzählen konnte, die er vermissen würde. Er seufzte und dachte darüber nach, ob es möglicherweise besser gewesen wäre, sein Leben bereits in jungen Jahren an einen Werwolf zu verlieren. Dann wäre er nie dazu gekommen, sein Leben auf andere Art und Weise wegzuwerfen.


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