von Muggelchen
„Mr. Malfoy?“, rief eine knurrige Stimme durch die Metallgitter. Lucius blickte zum Loch an der Tür, durch das er unscharf die Augen eines Mannes funkeln sah. „Sie haben Besuch … schon wieder“, sagte der Wärter genervt, bevor die Tür aufgeschlossen wurde. Susan Bones trat in die Zelle. Lucius erhob sich und deutete mit steinerner Miene höflich eine Verbeugung als Begrüßung an.
„Guten Tag, Mr. Malfoy. Wie geht es Ihrem Rücken?“, fragte Miss Bones ehrlich interessiert.
Nach seit seiner Verhaftung war Lucius bereits mehrmals von dieser Frau aufgesucht worden. Sie hatte gestern schon viele Fragen gestellt, ihm aber niemals Veritaserum gegeben. Shacklebolt hatte ihr nahe gelegt, Lucius im Auge zu behalten. Es gäbe Anzeichen, dass er kurz davor gestanden haben könnte, die Seiten zu wechseln; möglicherweise hatte er sie bereits gewechselt. Ein Indiz war die Tatsache, dass es der Zauberstab seines Sohnes war, der ihn kampfunfähig machte. Des Weiteren war keiner der letzten Zaubersprüche, die man seinem Stab entnahm, einer, mit dem er jemanden hätte angreifen können. Das bedeutete, dass Lucius Malfoy nicht einen einzigen Fluch gegen die Auroren geschleudert hatte, es sei denn, man wollte einen schmerzlindernden Heilspruch gegen Rückenschmerzen als Angriff deuten. Lucius Malfoy war schon während der Zeit seiner ersten Inhaftierung ein äußerst unauffälliger Gefangener gewesen, der nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht war.
Auf seine Fragen, wie es seinem Sohn gehen würde, hatte sie gestern nicht antworten können. Ihm fiel auf, dass sie heute jedoch gut gelaunt schien. Lucius setzte aus reiner Gewohnheit sein charmantes Lächeln auf und antwortete spitz: „Danke der Nachfrage, Miss Bones, aber bisher hat man mir keine Behandlung zugute kommen lassen. Mein Rücken schmerzt noch immer.“
Susan bemerkte mitfühlend, dass Malfoy nur leicht nach vorn gebeugt stehen konnte und bat daraufhin: „Oh bitte, setzen Sie sich doch, wenn Sie Schmerzen haben.“ Lucius kam ihrem Angebot dankend nach und ließ sich vorsichtig auf seiner Pritsche nieder.
Miss Bones blickte sich angewidert um. Die Dementoren waren schon lange keine Wärter mehr in Askaban. Die Gefangenen waren nicht der unendlichen Kälte und dem Schrecken ihrer Küsse ausgesetzt, aber trotz alledem war Askaban ein Gefängnis; ein dreckiges, rattenverseuchtes Loch, dessen feuchte Wände durch Meeresluft getränkt waren. Offensichtlich hatte Lucius wenig Schlaf gefunden. Der sonst so prunkvoll gekleidete Reinblüter trug die übliche, gestreifte Gefängniskleidung, die ihn jedoch nicht weniger erhaben wirken ließ. Seine Art zu sprechen, zu gehen und sich zu bewegen zeugte von aristokratischer Noblesse.
Bevor Lucius seine übliche Frage stellen konnte, kam Miss Bones ihm zuvor: „Ich habe heute Ihren Sohn verhört.“
Lucius zog eine Augenbraue in die Höhe und fragte zynisch: „Und …? Hat man entschieden, ihn zu meinem Zellenkumpan zu machen?“
Ihr Lächeln verschwand nur einen Moment, bevor sie gedämpfter antwortete: „Nein, nein, Ihr Sohn wird nicht angeklagt. Er ist frei.“ Sie vernahm das erleichterte Ausatmen des Gefangenen. Gleich darauf sagte sie: „Er fragt, ob Sie wüssten, wo sich seine Mutter aufhalten könnte. Und er lässt ausrichten, dass … dass ihm alles furchtbar leid täte.“
Einen Moment lang überlegte Lucius und entgegnete schließlich mit arrogant schmieriger Stimme: „Verzeihen Sie, Miss Bones, aber ich zöge es vor, solch gewichtige Informationen meinem Sohn persönlich zu überbringen.“
Miss Bones konterte gereizt: „Sie wissen, dass ich jeder Zeit ein Verhör anordnen könnte, in welchem Ihnen Veritase…“
„Selbst mit Veritaserum kann ich Ihnen den Ort nicht nennen oder zeigen, wo sich meine Teuerste versteckt hält“, unterbrach er sie zischelnd. „Wenn sie überhaupt noch das Glück hat, am Leben zu sein.“
Miss Bones staunte. „Fidelius-Zauber?“
Ein Nicken seinerseits bejahte. „Ich bin nicht der Geheimniswahrer. Der ist leider“, seine Stimme wurde leiser, „verstorben. Ich war nie eingeweiht.“
Miss Bones wusste, dass es unmöglich war, Narzissa Malfoy aufzuspüren, wenn es niemanden gab, der den durch den Fidelius-Zauber geschützten Ort kennen würde.
„Wissen Sie, wer der Geheimniswahrer war?“
Lucius nickte, doch beide wussten nur allzu gut, dass diese Information keinen Pfifferling mehr wert war. Nach einem Moment der Stille händigte Miss Bones dem Gefangenen eine Pergamentrolle aus.
„Das hier ist eine Information darüber, was Sie für Rechte haben und was Sie in Anspruch nehmen können.“ Lucius starrte das Pergament an, als wäre es seiner unwürdig.
Gespielt höflich bat er: „Lesen Sie es mir doch bitte vor.“
Verärgert schnaufte Miss Bones und legte das Pergament neben Lucius auf die Pritsche. „Entschuldigen Sie, Mr. Malfoy, aber ich gehe davon aus, dass Sie der geschriebenen Sprache mächtig sind. Lesen Sie es gefälligst selbst!“
Zornig kniff er die Augen zusammen, aber Miss Bones ließ sich von seinem Blick nicht einschüchtern. Die Pergamentrolle ließ er unbeachtet, als er nach einem Augenblick mit nachgebender Stimme fragte: „Wie geht es meinem Sohn? Er ist nicht verletzt worden, oder?“
Verneinend schüttelte Miss Bones den Kopf. „Es sah gut aus, wenn auch etwas aufgewühlt. Professor Snape hat ihn begleitet. Ich vermute, er kümmert sich gut um Ihren Sohn.“
Seine Mundwinkel formten ein zufriedenes Lächeln, bevor sie unkontrolliert zu zittern begannen und er schnell den Blick von Miss Bones abwandte. „Wäre es möglich, dass mein Sohn mich besucht?“. Es gelang ihm kaum, das Beben in seiner Stimme zu vertuschen.
Miss Bones atmete einmal tief durch. „Noch nicht. Lesen Sie dazu das Pergament. Darin steht, was Sie tun müssen, damit Sie Besuch erhalten dürfen.“
Endlich nahm Lucius die Pergamentrolle in die Hand, aber er entrollte sie nicht. Er erhob sich von seinem Bett und hielt ihr mit gekrümmten Rücken das Pergament entgegen. Höflich fragte er: „Hätten Sie wohl die Güte, mir den Inhalt vorzulesen?“ Ihrem fragendem Blick entgegnete er: „Meine Augen … Ich kann seit Monaten schon nicht mehr gut sehen.“
Reumütig versicherte sie: „Entschuldigen Sie, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich vorhin nicht …“ Lucius winkte ab.
Miss Bones las ihm seine Rechte vor. Nach zehn Minuten sagte er trocken: „Ich bin mit den Bedingungen, unter denen ich Besuch erhalten darf, einverstanden. Des Weiteren möchte ich von dem Recht, einen Fürsprecher zu beauftragen, Gebrauch machen. Und was die notwendige Versorgung durch einen Heiler betrifft …“
Susan unterbrach dieses Mal und versicherte: „Ich werde gleich einen zu Ihnen schicken. Der wird sich um Ihren Rücken kümmern und, wenn Sie möchten, sich auch Ihre Augen ansehen.“ Lucius nickte dankend.
Miss Bones verabschiedete sich von dem Gefangenen, aber bevor sie die Zelle verließ, sagte Lucius: „Ich möchte meinen Sohn so schnell wie möglich sehen. Ich befürchte“, er holte tief Luft, „dass ich nicht mehr lang über mein Augenlicht verfügen werde.“
Sie versicherte, sich darum zu kümmern, bevor sie die Zelle verließ. Sie wies einen Heiler an, unverzüglich Mr. Malfoy aufzusuchen. Mit einer Gänsehaut auf dem Rücken verließ sie Askaban.
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