von Schneeflocke
Severus betrachtete sich noch einmal im Spiegel und wie üblich gefiel ihm nicht besonderes, was er da sah. Seine Nase war zu groß, seine vor wenigen Stunden erst gewaschenen Haare wirkten, als hätten sie seit Wochen kein Wasser mehr gesehen. Er zuckte mit der Schulter und verspürte das erste Mal seit langem keinem Bitterkeit bei diesem Gedanken. Sie störte es nicht. Sie hatte ihm gesagt, dass sie alles an ihm mochte, sie nichts verändern würde, selbst wenn es die Möglichkeit gäbe.
Eines der viel zu seltenen Lächeln flog über sein Gesicht, als er wieder an sie dachte. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er das Gefühl, dass wirklich alles gut werden konnte. Die Abschlußprüfungen waren beendet und soweit er das vom Gefühl her beurteilen konnte, mußte er auch recht gut abgeschlossen haben. Er würde hier in Hogwarts bleiben und bei Slughorn Zaubertränke studieren um irgendwann vielleicht sogar selbst dieses Fach unterrichten zu können. Wer weiß, vielleicht sogar als Nachfolgern von Slughorn wenn er sich zur Ruhe setzt. Hier, in Hogwarts. Hier bei Albus.
Beim Gedanken an den alten Direktor machte sich ein leichtes Kribbeln in seinem Bauch bemerkbar. Er hatte Albus noch nicht erzählt, dass er sich entschieden hatte sein Angebot anzunehmen und hier in Hogwarts zu bleiben. Endlich, nach all den Jahren würde er Albus eine Freude machen können. Ihm vielleicht irgendwann vergelten können, was er alles für ihn getan hat. Ja, so mußte es sich anfühlen, wenn ein Mensch wirklich zufrieden war.
Severus atmete noch einmal tief durch und wieder flog sein Blick zur Uhr. Mit welchem Zauber diese belegt war, dass sich die Zeiger heute scheinbar gar nicht bewegen wollten, war ihm ein Rätsel, aber Tatsache war, sie taten es nicht und wenn doch, dann viel, viel zu langsam. Selten in seinem Leben war er so aufgeregt gewesen wie an diesem Abend. Daß er zum Abschlußball gehen würde, das hatte er vor wenigen Wochen noch komplett ausgeschlossen. Daß er jetzt mit Lily Evans dort hingehen würde, erschien ihm wie ein unwirklicher und dennoch so wunderbar süßer Traum, dass er sein Glück noch immer gar nicht fassen konnte.
Ungeduldig begann er auf und ab zu gehen, scherte sich nicht um die fragenden Blicke seiner Schulkameraden, scherte sich nicht um das Getuschel hinter seinem Rücken. Sie würden alle noch genug zu tuscheln haben nach diesem Abend, so viel stand fest. Dann endlich, als sein Blick zum 100. Mal auf die Uhr fiel hatte sie ein Erbarmen mit ihm und zeigte ihm, dass er sich so langsam auf den Weg machen konnte. Er wusste, dass Lily nichts so sehr haßte wie Unzuverlässigkeit und da sie hier vor allem Wert auf Pünktlichkeit legte, lag es ihm doch sehr am Herzen sie in dieser Hinsicht nicht schon zu Beginn des Abends zu enttäuschen. Noch einmal fuhr er sich mit der Hand durch die Haare, zog seinen Umhang zurecht und verließ dann reichlich nervös den Gemeinschaftsraum.
SssSSSsss
Mit klopfendem Herzen bog Sirius um die Ecke und betrat damit den Gang, der zum Gemeinschaftsraum der Slytherins führte. Die Hände in seinem Umhang vergraben, hatte er dabei schon seinen Zauberstab in der Hand. Er hatte keine Zeit mehr nachzudenken, Skrupel zu bekommen, da keine fünf Sekunden später schon Snape aus dem Gemeinschaftsraum trat. Rasch bewegte sich Sirius zur Wand um nicht gleich von dem anderen Jungen entdeckt zu werden, der scheinbar völlig im Gedanken versunken auf ihn zukam.
Sirius lächelte. Endlich konnte er Snape für all das zahlen lassen, was er in den letzten Jahren von dem hatte einstecken müssen. Gut, er hatte auch nicht schlecht ausgeteilt, aber er hatte es nie geschafft diese Schlange von der Schule zu bekommen. Das war seine letzte Chance und er hatte nicht vor, sie zu vertun. Schließlich ging es hier nicht nur um ihn, sondern auch um James. Er würde dafür sorgen, dass sein Freund das zurück bekam, was Snape ihm genommen hatte und diesen gleichzeitig loswerden. Er mußte zugeben, Travers Plan war perfekt, typisch Slytherin eben.
Nur wenige Augenblicke später konnte er bereits Snapes Schritte hören, die ihm bewusst werden ließen, dass der immer näher kam. Langsam zog Sirius seinen Zauberstab aus seiner Robe und atmete tief durch. Außer ihnen war niemand im Gang, ganz so, wie Travers es ihm gesagt hatte. Schnell trat er einen Schritt vor, um genau vor Snape zum Stehen zu kommen. “Snape…”
SssSSSsss
Überraschung, Erstaunen und eine seltsam böse Vorahnung machten sich in Severus breit, als er sich auf einmal Sirius Black gegenüber sah. In den letzten sieben Jahren war dieser Kerl der Auslöser für so ziemlich jede schlechte Erinnerung gewesen, die er an diese Zeit hatte. “Black… was willst du?”, konnte er gerade noch hervor bringen, als sich seine Augen auch schon weiteten. Wie in Zeitlupe kam es ihm vor, dass er Sirius seinen Zauberstab heben sah und doch mußte es binnen von Bruchteilen von Sekunden geschehen sein, da er selbst nicht einmal mehr dazu kam nach seinem eigenen zu greifen. In dem Moment, in dem er das ‘Stupor’ hörte wusste er, dass es zu spät ist. Helle Panik ergriff ihn, als Lilys Bild vor ihm auftauchte, er wusste, dass er sie nicht würde abholen können, sie auf ihn warten würde… Er konnte nicht einmal mehr ihren Namen aussprechen, der ihm auf den Lippen lag, als auch schon tiefe Dunkelheit ihn erfaßte.
Ein Gefühl des Triumphs durchflutete Sirius, als er Snape umkippen sah. Nein, er machte nicht einmal Anstalten dessen Sturz auf den Boden abzubremsen, bereite es ihm doch viel zu viel Vergnügen ihm dabei zuzusehen. Einige Sekunden gönnte er sich dann auch, um den Anblick des bewußtlosen Snapes zu seinen Füßen zu genießen, ehe er seinen Zauberstab wieder in seiner Robe verstaute und in die Knie ging, um Snape unter den Armen packend ein wenig anzuheben. Rasch zog er den anderen Jungen zur Seite, ein wenig um die Ecke und bedachte ihn noch mit einem letzten spöttischen Blick, ehe er sich von ihm abwandte und mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht die Treppe wieder hinauf ging. Wenn alles nach Plan verlief, war das das letzte Mal, dass er Severus Snape sehen mußte.
SssSSSsss
Ungeduldig ging Lilys Blick immer wieder zur Uhr. Hatte sie vor wenigen Minuten noch geglaubt, ihre Nervosität könne unmöglich noch weiter ansteigen, so wurde sie nun eines besseren belehrt. Wo blieb Severus denn? Fünf Minuten können so verdammt lange sein, wenn man wartet, sieht, wie alle anderen aus dem Jahrgang den Gemeinschaftsraum verlassen und zum Ball abgeholt werden und nur sie stand noch immer wartend hier. Tief durchatmend setzte sie sich nach weiteren fünf Minuten auf die unterste Stufe der Treppe neben dem Gemeinschaftsraum und schlang die Arme um die Beine. Unruhig flog ihr Blick dabei hin und her, doch der einzige, den sie kommen sah, war Sirius Black. Genau der fehlte ihr jetzt gerade noch.
“Hey Evans, ist James noch nicht fertig oder was?”, erkundigte sich Sirius und versuchte dabei sich nicht anmerken zu lassen, dass er sehr wohl wusste, dass Lily nicht auf seinen Freund wartete.
“Keine Ahnung…”, murmelte Lily leise und hob ihren Blick, um Black anzusehen. “Ich warte auf Severus, nicht auf James.”
Sirius nickte und presste leicht die Lippen zusammen. Schon im Umwenden zum Portrait hielt er in seiner Bewegung inne und wandte sich noch einmal mit bemüht zerknirscht wirkender Miene Lily zu. “Evans… ich weiß, wenn das jetzt von mir kommt, wirst du es nicht unbedingt glauben aber… naja, Snape wird wohl nicht kommen.”
Lily schüttelte leicht den Kopf. Nein, natürlich würde sie so etwas gerade von Black nicht glauben. Daß Severus immer noch nicht da war, das hatte sicher seinen Grund. Es gab 1000 Gründe sich mal zu verspäten. “Ach, und woher meinst du das zu wissen, Black?”
Sirius zuckte leicht mit der Schulter. “Besser, wenn ich das nicht sage, weißt du…”
Eine flüchtige Handbewegung von Sirius, die Lily gar nicht auffallen konnte, war für Alex Travers, der oben am Geländer des höher gelegenen Stockes stand das Zeichen, dass es nun Zeit für seine Auftritt war. Den weiteren Slytherin, den er sich dafür mitgebracht hatte einen Schubs gebend, nickte er diesem zu. “Die Show geht los!” Sich ein Grinsen verkneifend gingen die beiden, die Hände in den Hosentaschen die Treppe hinunter. Auf der Vorletzten blieb Travers stehen, sah verdutzt auf Lily und prustete dann los, den Kopf jedoch schnell abwendend. “Bei Merlin, die sitzt ja echt da!”
Dave, der bislang nicht wusste, was Travers hier unbedingt vor dem Gemeinschaftsraum der Gryffindors wollte, lachte ebenfalls los. Das war ihm die 10 Galleonen doch wert, die Travers ihm als Aufwandsentschädigung zugesprochen hatte. “Mensch Travers, jetzt bist du der Dumme, das kostet dich die fünf Butterbier für Snape!”, lachte er los, warf noch einmal einen kopfschüttelnden Blick auf Lily und wandte sich dann mit einem “Ich dachte die wäre so schlau!?” wieder zu Travers um, um mit diesem zusammen weiterzugehen.
Nur Lily konnte das unhörbare Klirren fühlen, das in ihr ausgelöst wurde, als sie die kurze Szene vor sich beobachtete. Irgendetwas in ihr war zerbrochen, hatte sich aufgelöst und ließ nur einen Schmerz zurück, den sie kaum vermochte in Worte zu fassen. Ungläubig sah sie zu Sirius, der jedoch nur mit bedauerndem Blick die Schultern zuckte und leicht den Kopf schüttelte.
“Ich… hab sie vorhin mit Snape in der Großen Halle gesehen, bin hinter ihnen gegangen und habe gehört, wie Travers Snape sagte, er würde dich nie dazu bringen mit ihm zum Abschlußball zu gehen. Snape meinte, er hätte dich so weit, du würdest ihm aus der Hand fressen… Es tut mir leid Evans… aber das sind eben Slytherins…”
Lily wollte nichts hören. Nichts denken, nichts fühlen. Alles was sie wollte, war gehen, einfach weglaufen, sich verstecken, verkriechen, diesen verdammten Schmerz los werden. Wie hatte sie sich so in Severus täuschen können? War alles was ihnen gewesen ist nur ein Spiel für ihn gewesen, um für seinen Freunden zu beweisen, was für ein toller Kerl und was für eine dumme Gans sie ist?
Unkontrolliert bahnten sich einige Tränen die Weg aus ihren Augen, die sich einfach nicht mehr aufhalten lassen wollten, als sie Sirius noch einmal ansah und mit wackeligen Beinen aufstand. Sofort war auch Sirius auf den Beinen, um sie stützend am Arm zu greifen. “Alles in Ordnung?”
Lily schüttelte nur den Kopf. “Nichts ist in Ordnung… gar nichts…”, murmelte sie leise, während ihr Blick an Sirius vorbei ging und dabei auf James fiel, der gerade aus dem Gemeinschaftsraum kam. Oh nein, diese Genugtuung würde sie Severus nicht geben. Er sollte nicht wissen, dass sie ihn wirklich geliebt hat, die letzten Tage so glücklich war wie nie zuvor und für ihn… war alles nur ein Spiel…
“James”, sprach sie ihren Mitschüler mit ruhiger Stimme an. “Würdest du mich auf den Abschlußball begleiten?”
James hätte es nicht geglaubt, aber in dem Moment in dem er Lilys Frage hörte, wusste er, dass Sirius’ Plan ganz offensichtlich gelungen war. Verstohlen seinem Freund zunickend bemühte er sich um ein verwundertes Gesicht, während er sich Lily zuwandte. “Ich? Aber…” Kurz stutzte er, um dann jedoch zu nicken. “Es wird mir eine Ehre sein, Lily Evans.”
Ohne zu zögern ergriff Lily den von James angebotenen Arm, um mit ihm gemeinsam in Richtung Große Halle zu gehen. Jeder sollte sehen, dass sie glücklich und zufrieden war. Keine sollte auch nur ansatzweise etwas von dem Schmerz, der Enttäuschung spüren, die in ihr tobte und ihr fast die Luft zum Atmen raubte…
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