von Schneeflocke
7. Lili & James
Drei Monate später, Rouen, Normandie
“Wage es ja nicht mich anzurühren, James Potter!”
Ein Kleidungsstück nach dem anderen fand den Weg von dem schweren, rustikalen Holzschrank in den dunkelblauen Koffer, den Lili auf dem Bett liegen hatte und eigentlich vor zwei Tagen erst ausgepackt hatte. Daß ihr Urlaub so schnell enden würde.. Nein, damit hatte sie dann doch nicht gerechnet. Aber alles mußte sie sich wirklich auch nicht bieten lassen.
Ihre Augen, die ihren Mann bis zu diesem Zeitpunkt wütend angefunkelt hatte, richteten sich nun wieder auf das Kleidungsstück in ihrer Hand um festzustellen, dass es sich um eines von James’ Shirts handelte, das postwendend wieder zurück in den Schrank flog.
Als hätte er sich die Finger an der Haut ihres Armes verbrannt, zog James seine Hand zurück und vergrub diese in den Taschen seiner ausgebleichten Jeans.
“Lili... Bitte, jetzt… übertreib es doch nicht gleich.”
“Übertreiben?”
Lilis Gesicht nahm einen völlig ungläubigen Ausdruck an. Sie hatte nun wahrlich genug geschluckt die letzten beiden Tage, aber genug war nun einmal genug.
“Ich übertreibe nicht James… und wenn du ein kleines bißchen nachdenken würdest, wäre dir das auch klar!”
Tief durchatmend versuchte Lili die in ihr tobende Wut zu bezähmen, die ihr drohte die Luft zum Atmen zu nehmen. Selten in ihrem Leben war sie so dermaßen wütend, enttäuscht und einfach nur tief traurig gewesen wie in den letzten Minuten.
“Mit wem bist du eigentlich verheiratet?”, erkundigte sie sich schließlich leise, eine hilflose Handbewegung machend.
“Sag es mir James, ich weiß es nämlich nicht mehr. Bist du mit mir verheiratet oder mit Sirius?”
Die vor Wut funkelnden Augen Lilis ließen ein Gefühl der Hilflosigkeit in James aufkommen, wie er es selten zuvor gespürt hatte. Hin und her gerissen zwischen seiner Liebe zu Lili und seiner Freundschaft zu Sirius waren die letzten beiden Tage ein wahrer Drahtseilakt für ihn gewesen. Aber schließlich hatte Lili nichts dagegen gehabt, dass Sirius sie in den Urlaub begleitete! Er war am letzten Auftrag gegen die Todesser ebenso beteiligt gewesen wie sie und hatte den Urlaub ebenso verdient. Warum nur konnte Lili das nicht einsehen?
Vorsichtig zog er seine Hände wieder aus den Hosentaschen, trat hinter seine noch immer den Koffer packende Frau und umfaßte sanfte ihre Oberarme, brachte sein Gesicht nah an ihre Halsbeuge. Er kannte Lili lange und gut genug um zu wissen, dass dies ein todsicheres Mittel war, um sie zu besänftigen.
Umso mehr überraschte es ihn, dass sie sich ruckartig aus seinem Griff löste und ihn nun nicht mehr wütend, sondern eher ungläubig ansah.
“Sag mal, verstehst du es nicht oder nimmst du mich nicht ernst, Potter? Ich sagte, faß mich nicht an und das meine ich verdammt noch mal auch so!”
Lili konnte es kaum fassen. Er nahm sie nicht ernst, selbst jetzt, in diesem Moment nahm er sie nicht ernst. Er glaubte also, sie wieder einmal mit netten Worten und Zärtlichkeiten einlullen zu können? Nein… Dieses Mal war sie entschlossen, Ernst zu machen. Sollte er sich doch mit Sirius vergnügen, so wie den ganzen gestrigen und den ganzen heutigen Tag an dem sie nur nette Begleitperson der beiden Herren spielen durfte.
“Lili… komm… laß uns darüber reden, in Ordnung? Wir werden doch einen Mittelweg finden können.”
Nun doch zunehmend ratlos trat James wieder einen Schritt zurück, hob hilflos die Arme, den Blick weiter auf seine Frau gerichtet. Er liebte Lili, seit Jahren liebte er sie und er tat doch wirklich alles, um ihr das zu zeigen. Warum nur mußte sie sich nun an einer derartigen Kleinigkeit so sehr aufhängen?
Soweit möglich, wurde Lilis Blick noch ungläubiger. Reden, warum wollte James immer über alles reden? Schönreden… ja, das konnte er gut, schon immer. Reden war die Spezialität James Potters, schon immer gewesen. Man konnte sich alles schönreden, wenn man es nur wollte. Daß sie selbst hin und wieder etwas in ein für sie erträglicheres Licht gerückt hatte und James’ Gerede nur zu gern für wahr genommen hatte, verdrängte sie bei dieser Gelegenheit - mal wieder.
“Laß mich in Ruhe James”, zischte sie nur auf seine Worte und klappte den Koffer zu, woraufhin die Verschlüsse leise zuschnappten.
Noch einen kurzen Moment zögerte sie, überlegte, ob es wirklich richtig war ihn hier stehen zu lassen, einfach zu gehen. Sie kannte ihren Mann, wusste, dass sie damit ihre ganze Beziehung, ihre ganze Ehe aufs Spiel setzen würde. Nachdenklich sah sie ihren Mann für einen Augenblick an, schüttelte dann jedoch energisch den Kopf. Nein, wie konnte unmöglich ihr ganzes Leben nur darauf bedacht sein aufzupassen nichts zu tun, das James irgendwie verstimmen konnte, nur damit ihre Ehe funktionierte.
James hielt fast unwillkürlich den Atem an. Irgend etwas war da in Lilis Augen, das er so noch nie gesehen hatte, das er nicht deuten konnte und ihn genau deswegen unsicher werden ließ. Sie würde ja wohl nicht wirklich gehen? Ihn, James Potter einfach so hier stehen lassen? Nein, das konnte sie nicht tun, das… würde sie nicht tun, niemals…
Als Lili die Hand um den Tragegriff ihres Koffers legte, machte James wieder einen Schritt auf sie zu, vermied es jedoch mit der Hand nach ihrem Arm zu greifen. Irgend etwas sagte ihm, dass er es dieses Mal nicht so leicht haben würde. Aber er wollte nicht, dass sie ging. Er wollte mit ihr diesen Urlaub machen. Mit ihr und Sirius, warum ging das nicht? Warum mußte immer alles so kompliziert sein?
“Bitte Lili… bleib hier. Ich liebe dich doch, ich will dich bei mir haben.”
“Ja, du liebst mich”, nickte Lili und wusste, dass er zumindest dies wirklich ernst meinte. “Aber vielleicht reicht das einfach nicht James. Du mußt dir endlich mal klar darüber werden, was du überhaupt willst! Wir sind nicht erst seit gestern verheiratet und eigentlich dachte ich, dass du so langsam kapiert hättest, dass man dann kein Junggesellenleben mehr führen kann!”
Unwillig schüttelte Lili den Kopf, hob diesen anschließend an und fixierte James eindringlich mit ihrem Blick.
“Aber wenn du mit Sirius zusammen bist, vergißt du nicht nur, dass du verheiratet bist, dann vergißt du auch mich James. Das… kann ich einfach nicht mehr.”
Tief durchatmend ging sie nun doch wieder auf ihn zu, hauchte sogar einen flüchtigen Kuss auf seine Wange.
“Ich kann nicht neben dir und Sirius her leben und hoffen, dass hin und wieder etwas Zeit bei dir für mich abfällt.”
Mit diesen Worten wandte sie sich zur Schlafzimmertür, um diese kurz darauf zu öffnen und das Zimmer zu verlassen.
Wie erstarrt stand James nun alleine im Raum, begriff noch gar nicht richtig, was ihm eben passiert war. Lili ging.. . Sie ging einfach, ließ ihn hier alleine zurück. Nun wieder zu sich kommend überbrückte er mit wenigen langen Schritten den Weg zu ihr, um nun doch wieder mit der Hand nach ihrem Arm zu greifen und sie so am Weitergehen zu hindern.
“Nein! Lili, bitte, geh nicht… wo willst du denn überhaupt hin? Nach Hause?”
Lili schüttelte leicht den Kopf. “Nein, ich werde schon vor nach Hogwarts gehen. Wir sehen uns ja dann in einer Woche. Vielleicht hast du bis dahin heraus gefunden, welchen Stellenwert ich in deinem Leben habe!”
“Lili…”, flüsterte James nur noch leise und sah der Frau nach, die ihm energisch ihren Arm entzog und für ihn kurz darauf nur noch durch das Fenster des Schlafzimmers für einen Moment sichtbar war, bis sie disapparierte.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel
